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Centralblatt

CHIRURGIE

E. von Bergmano, F. König, E. Richter,

in Berlin, in Berlin, in Breslau.

Neunundzwanzigster Jahrgang. No. 1—26.

Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel. 1902.

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CHIRURGIE

herausgegeben

E. von Bergmano, F. König, E. Richter,

in Berlin, in Berlin, in Breslau, Neunundzwanzigster Jahrgang.

Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel. 1902.

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Gentralblatt CHIRURGIE

E. von Bergmano, F. König, E. Richter,

in Berlin. in Berlin. in Breslau.

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Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei .halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchbandlungen und Postanstalten.

No. 1. Sonnabend, den 4. Januar. 1902.

Inhalt: I. J). Hevesi, Chininum Iygosinatum, ein neues Wundbehandlungsmittel. II. E. Hahn, Eine Methode der Orchidopexie, (Original-Mittheilungen.)

1) Blauel, Narkose. 2) Reclus, Spinalanästhesirung. 3) Dall’acqua, Die Aponeurose der Bauchmuskeln. 4) Barblani, Resorbirende und verdauende Kraft des Dickdarmes. 5) v. Brunn, Nierenveränderungen nach Bauchhöhlenoperationen. 6) Gluck, Peri- tonitis. 7) Broca, 8) Karewski, Appendicitis. 9) Coley, Radikaloperation von Hernien. 10) Elgart, Brandige Brüche. 11) Viannay, Mastdarmirebs. 12) Beck, Skiagraphie von Gallensteinen. u

13) Freie Vereinignng der Chirurgen Berlins.'— 14) Depage, 15) Lauwers, Chloro- formnarkose. 16) Floeckinger, Lokalanästhesie. 17) Kaijser, 18) Dandois, Spinal- anästhesirung. 19) Delötrez, 20) Dandois, Zerreißung der Bauchwand. 21) Hoxie, 22) Ninni, 23) Parmenter, 21) Wilson, 25), 26) Sjöwall, 27) Siajmer, 28) Subbotic, Bauchwunden. 29) Vanderlinden, 30) Müller, Peritonitis. 31) André und Eichel, 32) Mühsam, Appendicitis. 33) Coste, Hämatome der rechten Fossa iliaca. 34) Londe und Monod, Hysterische Tympanie. 35) Bundschuh, 36) Krafit, 37) Preindisberger, Brucheinklemmung, 38) de Quervain, Seitlicher Bauchbruch. 39) Albu, Magen- krebs. 40) Hediund und Hellström, Darmmyome. 41) Fuchsig, Darmlipome. 42 Fisher, Darmverlagerungen. 43) $Subbotic, 44) Bryant, 45) Bogoslawski, 46) Chlum- sky, Ileus. 47) Grillo, Tuberkulöse Milzgeschwulst. 48) Wiilems, 49) Bucco, Talma’sche Operation. 50) Patel, Leberabscesse. 51) Naumann, Leberresektion. 62) Patel, Exocholocystopexie. 53) Selberg, Pankreasnekrose. 54) Jaboulay, Pan- kreascyste. 55) Schlofler, Geschosse im Arterienlumen.

I.

(Mittheilung aus der chirurgischen Klinik des Prof. Brandt in Ko- lozsvár [Klausenburg].)

Chininum lygosinatum,

ein neues Wundbehandlungsmittel, Von Dr. J. Hevesi, I. Assistent.

Es mag etwas gewagt erscheinen, der groBen Reihe unserer Wundbehandlungsmittel ein neues hinzufügen zu wollen; doch dürfte es gerechtfertigt sein, einen neuen Stoff, welcher gewisse Vortheile zu haben scheint, der Prüfung breiterer Fachkreise zu empfehlen.

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2 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

Das Chininum lygosinatum gehört in die Gruppe der Lygosinate, welche R. Fabinyi, Prof. der Chemie an der hiesigen Universität, synthetisch aus dem Salicylaldehyd dargestellt hat!.

Prof. Marschalko legte eines dieser Salze, das Natrium lygo- sinatum, dem internationalen Kongress für Hygiene zu Madrid im Jahre 1898 vor und rühmte seine günstige Wirkung beim weichen Schanker und bei der Gonorrhoe des Weibes. Zu chirurgischen Zwecken eignete sich das Mittel welches ich vor 3 Jahren er- probte wegen seiner leichten Löslichkeit und der starken Ab- färbung weniger. Später gelang es Prof. Fabinyi, ein verwandtes, kaum lösliches Präparat herzustellen. Dieses ist das mit Chinin ge- bildete Salz des von Fabinyi gefundenen Lygosins, d. i. des Dior- thokumarketon. Das feinvertheilte, orangegelbe Pulver löst sich in Wasser fast gar nicht, in Ligroin ziemlich schwer, in Alkohol, Benzin und Chloroform leicht und enthält 70,8 % iges Chinin. In sisdendem Öl im Verhältnis 5: 100 gelöst, wird es auch nach Wochen nicht ausgeschieden. Es besitzt einen bitteren Geschmack und einen kaum merklichen, leicht aromatischen Geruch.

Aus den im hiesigen hygienischen Institut angestellten bakterio- logischen Untersuchungen ging hervor, dass das Präparat bemerkens- werthe baktericide Eigenschaften besitzt. Giftwirkungen wurden bei den Versuchsthieren nicht beobachtet.

Ich unterzog mich der Aufgabe, das Chininum Iygosinatum in der Wundbehandlung zu erproben und möchte nun meine in 11/, Jahren gesammelten Erfahrungen im Folgenden resumiren.

Das Präparat wurde als Streupulver, als Imprägnirstoff zu Ver- bandgaze, in Glycerinsuspension und in letzter Zeit auch in der Form eines von Fabinyi hergestellten, sehr gut klebenden englischen Pflasters erprobt.

Das in feiner Schicht aufgetragene Streupulver wurde vielfach bei ambulatorisch behandelten unreinen Wunden, bei jauchenden und gangränösen Geschwüren verwendet, wobei es seine desodoriren- den und antiseptischen Eigenschaften dadurch verrieth, dass die übel- riechende Sekretion einer gutartigen, geruchlosen und mäßigen Eite- rung wich, während der schmutzig belegte Grund sich in eine dichte, lebhaft geröthete Granulationsfläche umwandeltee Auch Krebs- geschwüre ließen sich mit Hilfe des Pulvers desodoriren und trocken halten.

Weiterhin bewährte sith das Chininum lygosinatum, in Pulver- form eingerieben oder als 10%ige Glycerinmischung in die Wunde gebracht, in vielen Fällen von Caries der Hand-, Fußwurzel-, Mittel- hand- und Mittelfußknochen zur Erlangung und Erhaltung der

1 Bericht über einige neue Farbstoffe. Sitzung der kgl. ungar. Akademie d. Wissenschaften in Budapest am 13. Februar 1899. 2 J. Filep, Über die baktericide Wirkung des >Chininum Iygosinatum Fa- binyiie. Sitzungsberichte d. med. naturwissenschaftl. Sektion des Siebenbürgischen Museumvereins. XXV. Jahrg. 1900.

Centralblatt für Chirurgie. No. 1. 3

Keimfreiheit, indem die nach Entfernung des Krankhaften verbliebe- nen Wundhöhlen nach vollständigem Nahtverschluss ohne Eiterung verheilten. Ähnliche Erfahrungen machten wir bei skrofulösen, so- wohl oberflächlichen wie auch tiefliegenden Lymphdrüsen des Halses, der Achselhöhle und der Leistenbeuge.

Ich wählte zu solchen Versuchen ausgedehnte cariöse Zerstö- rungen mit Eiterung und Fistelgängen, so wie vereiterte und auf- gebrochene Lymphdrüsen und vermied sorgfältig die Auswaschung der Wunde mit irgend einem anderen Antisepticum. Bemerkenswerth ist die Primaheilung eines kindskopfgroßen Abscessus fervidus unter dem M. pect. major, welcher nach breiter Eröffnung mit steriler Gaze ausgewischt, mit Chininum Iygosinatum eingerieben und dann ver- näht wurde. Ferner wurde 30%ige Chininum lygosinatum-Gaze zur Wundtamponade und zu Deckverbänden gebraucht.

Besonders möchte ich hier das bei parenchymatösen Blutungen konstatirte Blutstillungsvermögen des Präparates hervorheben. Es scheint, dass es in dieser Beziehung die sog. klebende Jodoformgaze übertrifft. Diese Wirkung könnte auf eine Anregung der Gefäß- kontraktion oder auf die Förderung der Blutcoagulation zurückgeführt werden.

Welchen Antheil der eine oder der andere dieser beiden mög- lichen Faktoren am Effekte haben dürfte, lässt sich an der Hand klinischer Beobachtungen nicht mit Bestimmtheit entscheiden. Ich will dabei 2 einschlägige Fälle anführen, welche auffallend darauf hinweisen, dass bei der styptischen Wirkung die Begünstigung der Blutgerinnung eine wesentliche Rolle spielt. Gelegentlich der Opera- tion eines riesigen Beckensarkoms, welches seiner kolossalen Ausdeh- nung zufolge nur unvollständig entfernt werden konnte, sistirte die gefahrdrohende Blutung, nachdem eine Jodoformgazetamponade er- folglos geblieben war, sofort nach Ausfüllung der Wundhöhle mit Chininum Iygosinatum-Graze.

Der andere Fall betraf ein junges Mädchen mit sehr großem Tumor cavernosus des Rückens, nach dessen Behandlung mittels Ignipunktur aus den Stichkanälen nach Abfallen der Brandschorfe heftige Blutungen sich einstellten, die durch feste Jodoformtampo- nade garnicht, durch Ausstopfen mit Chininum lygosinatum-Pulver und Gaze prompt gestillt werden konnten.

In diesen Fällen, :wo die Gefäße im ersten Falle in Folge ihrer Einbettung in starren Geweben, im zweiten wegen Mangel an hinlänglich entwickelten kontraktilen Elementen ihrer Wandungen keine oder sehr geringe Kontraktionsfähigkeit haben konnten, musste ein vermehrtes Gerinnungsvermögen die Hauptrolle spielen. Ein nicht geringer Vortheil des Mittels ist dabei, dass die unan- genehmste Nebenwirkung anderer, derart mächtig wirkender Styptica, wie z. B. des Ferrum sesquichloratum, nämlich das Verätzen der Wundfläche, dem Chininum lygosinatum völlig abgeht.

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4 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

Das mit dem Chininum Iygosinatum verfertigte englische Pflaster bewährte sich ausgezeichnet bei oberflächlichen Schnitt- und Ritz- wunden und Hautabschürfungen.

Zum Schlusse sei noch hinzugefügt, dass selbst in den Fällen, wo größere Mengen des Mittels in die Gewebe gebracht und ein- geschlossen wurden, keine allgemeinen Giftwirkungen und auch keine lokalen Reizerscheinungen zu beobachten waren. Nur in einem Falle, wo in eine coxitische Abscesshöhle etwa 20 g einer 10.%igen Glycerinmischung injicirt wurden, stellten sich nach kurzer Zeit vor- übergehende Athmungsstörungen ein, welche vorwiegend in Inspira- tionskrämpfen bestanden. Ähnliche Symptome kommen aber nach chirurgischen Eingriffen auch als psychomotorische Störungen vor, so dass wir aus diesem einen Falle allgemeine Schlüsse zu ziehen nicht berechtigt sind.

Il. Eine Methode der Orchidopexie.

Von Prof. Eugen Hahn.

Es entstehen bei der Operation des Kryptorchismus oft Schwierig- keiten, den in der Bauchhöhle oder dem Leistenkanal zurückgeblie- benen Hoden an der tiefsten Stelle des Scrotums zu befestigen. Ich will die bis jetzt angewandten Methoden, die wohl auch in den meisten Fällen zu guten Resultaten führen, nicht näher erörtern und kritisiren, sondern in aller Kürze die Methode beschreiben, die ich seit dem Jahre 1888 häufiger ausgeführt und mit der ich stets sehr gute Resultate in Bezug auf Retention des Hodens in der normalen Lage auch in schwierigen Fällen erzielt habe.

Am 9. Juni 1888 wurde der 14 Jahre alte Buchbinderlehrling Max Hahn mit rechtsseitigem Leistenhoden in das Krankenhaus Friedrichshain aufgenommen. Pat. bekam am 6. Juni 1888 ganz plötzlich ohne Veranlassung Erbrechen und heftige gegen den Leib und das Kreuz ausstrahlende Schmerzen, ausgehend von einer Geschwulst der Leistengegend, die schon vorher beobachtet war.

Bei dem kräftigen, gut genährten Knaben waren die Abdominalorgane nor- mal, die Genitalien kindlich. In der rechten Inguinalgegend eine etwa tauben- eigroße auf Druck schmerzhafte Geschwulst. Rechte Sorotalhälfte leer und weniger entwickelt als die linke.

Operation am 11 Juni 1888. In Narkose 6 cm langer Hautschnitt über der Geschwulst parallel dem Lig. Poupartii. Schichtweise Durchtrennung der Weich- theile bis auf die Tunica vaginalis. Eröffnung der Höhle, in welcher keine freie Flüssigkeit enthalten. Mit Zeigefinger und Kornzange wurde vom untersten Winkel des Hautschnittes nach der tiefsten Stelle der rechten Scrotalhälfte ein Kanal gebildet, hier an der tiefsten Stelle eine ca. 11/2 cm lange Incision parallel dem Rohre gemacht und die Ineisionswunde und der ganze Kanal mit einer Korn- zange so erweitert, dass der Hode leicht durch den Kanal und den Hautschnitt geführt werden konnte. Um ein Zurückschlüpfen des Hodens zu verhindern, wurde die Hautincision durch Knopfnähte so verkleinert, dass der Hode pilzförmig durch den Hautschnitt hervorragte.

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Die Wunde in der Leistengegend wurde durch versenkte Nähte vollkommen geschlossen. Darüber lockerer Verband. Am 23. Juni 1888 zweiter Akt der Ope- ration. Die Öffnung in der Scrotalhaut hatte sicb narbig um den Hoden zu- sammengezsogen. Der Hode selbst zeigte nirgends Ernährungsstörungen; die Albuginea war stark geröthet. Der Schlitz der den Hoden umfassenden Haut wurde durch einen Scherenschnitt so erweitert, dass der Hode in die durch stumpfe Ablösung der Haut entstandene Tasche zurückgeschoben werden konnte. Darüber Hautnaht. Der Hode blieb an der normalen Stelle dauernd liegen.

Da alle späteren von mir wegen Kryptorchismus behandelten Fälle in derselben Weise operirt wurden, würde es zu weit führen und zwecklos sein, die betreffenden Krankengeschichten an dieser Stelle genauer anzuführen. Hervorheben will ich jedoch, dass ich bei den letzten Operationen den zweiten Akt nicht bis auf den 12. Tag verschoben, sondern denselben bereits am 6. oder 7. Tage aus- geführt habe. Man braucht nach einem so kurzen Zeitraume kaum neue Erweiterungsincision zu machen. Es genügt, die die Hautwunde verkleinerenden Knopfnähte zu lösen, um den Hoden unter die stumpf abgelöste Haut mit Leichtigkeit schieben zu können. In dieser Lage wird er alsdann durch Knopfnähte der Haut dauernd erhalten. Erwähnen möchte ich noch, dass alle Fälle bis auf einen, bei welchem der kleine, sehr atrophische Hoden einer trocken Schrumpfung ohne alle Störungen anheimfiel, glatt und gut verliefen. Es ist empfehlens- werth, den ersten Verband nach dem ersten Akt der Operation ganz locker anzulegen. Die Incisionswunde, durch welche der ektopirte Hoden freigelegt wird, ist durch versenkte Nähte ganz zu schließen.

Bei den später zur Untersuchung gekommenen Fällen konnte eine gute Lage des Hodens im Scrotum nachgewiesen werden.

Berlin, den 2. December 1901.

1) C. Blauel (Tübingen). Das Verhalten des Blutdrucks beim Menschen während der Äther- und der Chloroform-

narkose. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXL Hft. 2.)

B. hat das Verhalten des Blutdrucks bei Äther- und Chloro- formnarkose mittels des Gärtner’schen Tonometers verfolgt. Um möglichst zuverlässige Werthe zu erhalten, wurden die Messungen auf die stattliche Zahl von 137 Fällen ausgedehnt und im einzelnen Versuch minutenweise vom Eintritt der Anästhesie bis zum Erwachen wiederholt. Die Normaldruckhöhe des betreffenden Individuums wurde aus Bestimmungen am nicht narkotisirten Pat. einige Tage vor resp. nach der Operation festgestellt.

Es ergab sich, dass durch die Äthernarkose der Blutdruck er- höht wird. Allerdings findet gegen Ende der Narkose ein ganz all- mähliches Sinken vom ursprünglichen Höhepunkt statt, doch wird ein plötzlicher Abfall nicht beobachtet. Im Gegensatz zum Äther bewirkt das Chloroform eine starke Herabsetzung des Blutdrucks mit

6 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

steilen Remissionen, die unter Umständen unerwartet schnell eine besorgniserregende Tiefe erreichen. Besonders wichtig ist, dass ein solches plötzliches Nachlassen des Blutdrucks selbst bei geringen Chloroformdosen und ohne jegliche Vorboten eintreten kann, und dass wir auch dann noch nicht vor tiefen Remissionen gesichert sind, wenn die Chloroformzufuhr bereits einige Zeit ausgesetzt ist.

Mit Recht entnimmt Verf. seinen Untersuchungen, dass die Leistungen des Cirkulationsmechanismus, deren zahlenmäßige Fassung die Blutdruckhöhe bedeutet, vom Äther unterstützt, vom Chloroform geschädigt werden. Honsell (Tübingen).

2) P. Reclus. De la methode de Bier. (Gaz. hebdom. de med. et de chir. 1901. No. 24.)

R. erstattet vor der Academie des sciences einen unparteiischen Bericht über die intraarachnoideale Injektionsmethode zur Analgesi- rung der unteren Körperhälfte. R. fand auf 2000 Injektionen 6 bis 8 Todesfälle, eine enorme Zahl, wenn man damit die Sterblichkeit bei den übrigen anästhetischen Mitteln vergleicht. »Wenn die Me- thode von Bier die anderen Anästhetica, Chloroform, Äther, Cocain, (warum ist Bromäthyl vergessen ? Ref.) ersetzen soll, so muss sie erst den Nachweis liefern, dass sie weniger gefährlich ist, als jene Substanzen. W. Sachs (Mülhausen i/E.).

3) U. Dall’acqua. Morfologia delle aponevrosi addominali

dell’ uomo. (Policlinico, Ser. chir. 1901. No.9 u. 10.)

Untersuchungen über die Aponeurose der Bauchmuskeln beim Menschen, verglichen mit den Resultaten der vergleichenden Ana- tomie. Wir heben folgende Resultate hervor:

1) Scheide der Recti. Ventralwärts im obersten Theil Aponeurose des Pectoralis major, dann bis zur 1. Inscriptio tendinea die des Obliquus ext., bis zur Inscriptio tendinea umbilicalis Aponeurose des Obliquus ext. und ventrales Blatt des Obliquus int. Bis zum Scham- bein Aponeurose des Obliquus ext., ventrales Blatt des Obliquus int., ventrales Blatt der Aponeurose des Transversus. Dorsalwärts fängt eine Scheide erst mit dem Proc. xiph. an. Bis zum Nabel dorsale Blätter des Obliquus int. und transversus; Obliquus int. endet mit eigener Linea semicircularis. Die Linea Douglasi bezeichnet das Ende der Aponeurose des Transversus, die bis zum Schambein nur noch ein dünnes Blatt entsendet.

2) Lig. Pouparti. Ein fibröser Bogen zwischen Spin. il. ant. sup. und Tuberc. pubic. existirt nicht. Sein Anschein entsteht in den 2 medialen Dritteln durch die verdickte Aponeurose des Obliquus ext., im lateralen Drittel verschmelzen die Aponeurose des Obliquus ext., Sehnen des Obliquus int. und Transversus und Lig. inguinale. Die Sehne des Obliquus int. hat 2 Ansätze, zwischen denen der

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N. cut. fem. ext. hindurchgeht. Das sog. Lig. inguinale entspringt von der inneren Lippe der Crista il., geht nach vorn und innen am unteren Rand des Obliquus int. entlang und endigt in den Fibrae intercrurales am Ingninalring. Das Lig. Gimbernati wird von der Aponeurose des Obliquus int. gebildet, das Lig. Collesi von Fasern des unteren Pfeilers des Inguinalrings und mit denen der anderen Seite sich kreuzenden Fasern des Obliquus ext.

3) Die hintere Aponeurose des 'Transversus entspringt mit dor- salem Blatte von den Dorn-, mit ventralem von den Querfortsätzen der Lumbalwirbel. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

4. G. Barbiani. Sul potere assorbenta del grosso intestino

per le sostanze medicamentose ed alimentosi. (Policlinico, Ser. chir. 1901. No. 10.)

Nach recht ausführlicher Wiedergabe der Litteratur über das resorbirende und verdauende Vermögen des Dickdarmes theilt Verf. seine an Hunden angestellten Experimente über den Grad desselben mit. Übereinstimmend mit den Resultaten anderer Forscher fand er, dass Nährklystiere keinen dauernden, die natürliche Nahrungsauf- nahme ersetzenden Werth haben. Doch wird durch den mechanischen Reiz der Klystiere, mehr noch bei Zusatz gewisser Chemikalien, z. B. Glaubersalz, diese Fähigkeit gesteigert, so dass Thiere, die nach längere Zeit vorangeschickten täglichen Klystieren hungerten, länger durch Nährklystiere am Leben erhalten wurden, als andere. Im Übrigen beginnt die Resorption von Chemikalien im Dickdarm eine Stunde etwa nach Einbringung des Klystiers. Die Resorptionskraft entspricht der des Magens, ist am größten in der Nähe der Bauhin- schen Klappe, nimmt ab im Bereich der Ampulle. Viel geringer ist die Fähigkeit, Nahrungsbestandtheile zu resorbiren. Selbst schon verdaute Substanzen werden so unvollkommen aufgenommen, dass man den Organismus damit nicht erhalten kann. Daher verdienen die Nährklystiere diesen Namen nicht. Bei ihrer Anwendung ver- dient der erwähnte Einfluss vorausgegangener Wasser- oder Glauber- salzklystiere beachtet zu werden. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

5) W. v. Brunn. Veränderungen der Niere nach Bauch-

höhlenoperationen. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1.)

Vorliegende Untersuchung erstreckt sich auf 21 Fälle, 18mal bei Menschen, 3mal an Hunden, um den Befund der Nieren nach operativer Eröffnung der Bauchhöhle oder sonstiger Erkrankung der- selben zu studiren. In der groBen Mehrzahl der Fälle konnte Verf. Verhältnisse konstatiren, deren genauere Beschreibung die Vorgänge degenerativer Processe, der Nekrose, erkennen lässt, Veränderungen, wie sie vorwiegend bei Einflüssen toxischer Natur, sei es durch

8 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

Gifte, Bakterientoxine oder Stoffwechselprodukte pathologischer Art erzeugt werden. In den vorliegenden Beobachtungen schloss sich die Nekrose des Nierenepithels nach Eingriffen in der Bauchhöhle fast regelmäßig an eine diffuse Peritonitis an. Allerdings kann sie auch ohne Bauchfellentzündung auftreten. In diesen Fällen ähnelt sie aber nach Verf.s Angaben im mikroskopischen Befund derjenigen Nekrose, wie sie durch schwere andersartige Intoxikationen hervor- gerufen wird. Die Schnelligkeit wie die Intensität der bei Bauch- fellentzüändung auftretenden Nierenepitheldegeneration entspricht im mikroskopischen Bilde den schwersten Vergiftungen arzneilicher oder anderer Art, die uns bekannt sind. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

6) T. Gluck. Beitrag zur Chirurgie der Peritonitis. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 35 u. 36.)

Der Autor fasst das Ergebnis seiner Abhandlung selbst in fol- genden Sätzen zusammen:

Diffuse Peritonitiden verschiedener Provenienz sind einer chirur- gischen Behandlung zugänglich. In einzelnen einfachen Fällen genügt eine kleine Laparotomi®wunde mit Auswaschung des Bauch- fells (mit 3 iger Kochsalz-Borsäure oder 1 %iger Salicylsäure), Glas- drainage oder Tamponade. Im permanenten Wasserbade behandelte, chirurgisch so vorbereitete Kranke befinden sich wegen der Kleinheit der Abdominalöffnung und Aspiration von Fäces, Urin etc. aus dem Badewasser trotz des regulirten Zu- und Abflusses unter nicht zweck- mäßigen Heilungsbedingungen. Das Verfahren mit parasacralen, vaginalen, pararectalen und mesenterialen Drainazekontraincisionen und häufigen Massenspülungen hat sich durchaus bewährt; abzulehnen ist dabei die vielfach geübte Naht, d. h. der Verschluss der Bauch- höhle bis auf die Drainage- und Tamponöffnung. Große persistirende Bauchöffnungen entlasten die Peritonealhöhle und nehmen dem Or- ganismus einen ganz wesentlichen Theil der zur Resorption, Aus- scheidung und Uberwindung der Infektion zu leistenden Arbeit, erleichtern und ermöglichen die Abstoßung, Reinigung der Peritoneal- höhle von den vorhandenen Krankheitsprodukten, speciell auch bei Tuberkulose. Die Behandlung der freien Bauchhöhle in von G. er- dachten Apparaten oder mit damit kombinirten occlusiven Verbänden über lockeren Tampons resp. mit Tabaksbeutelschnüren versehenen Mullbeuteln verdient weitere experimentelle und klinische Prüfung; besonders würde sich auch die Konstruktion neuer Apparate em- pfehlen, welche eine tadellose und präcise Adaption an den Körper und Funktioniren der gesammten Vorrichtung gestatten.

J. Schulz (Barmen).

1) Broca. Occlusion intestinale consécutive à lappendicite. (Gaz. hebdom. de méd. et de chir. 1901. No. 38.)

Eine kleine lesenswerthe Abhandlung, in der B. eine reiche Er-

fahrung über Darmverschlüsse niederlegt, welche sich entweder bald

Centralblatt für Chirurgie. No. 1. 9

nach einer Appendicitis oder nach dem operativen Eingri” oder mehr

oder weniger lange Zeit später bilden, und welche sich’zurückführen

lassen entweder auf den Wurmfortsatz selbst, oder auf das Netz,

oder auf peritoneale Stränge. Dabei empfiehlt B. besonders für die

langsamer sich entwickelnden Intestinalverschlüsse die mediane Laparo-

tomie. Eine instruktive Kasuistik erläutert die Anschauungen B.’s. W. Sachs (Mülhausen i/E.).

8) Karewski. Zur Semiotik und Therapie der Appendicitis. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 23 —25.)

K. bringt in einem Vortrage in der Berliner med. Gesellschaft eine sehr lehrreiche und interessante Darstellung der vielumstrittenen Perityphlitis, illustrirt durch zahlreiche instruktive Abbildungen. Der perityphlitische Anfall, so entwickelt er, kennzeichnet nicht den Beginn der Erkrankung. In der Regel geht ein Latenzstadium vor- her, in welchem dieselben Symptome wie in der Zeit nach dem An- falle beobachtet werden können. In erster Reihe gehören hierher Bauchschmerzen bei sonst ungestörtem Befinden, die nicht mit dem Verdauungsgeschäft zusammenhängen müssen, sondern auch durch körperliche Anstrengungen ausgelöst werden können. Die Lokalisa- tion des Schmerzes ist verschieden; er beschränkt sich nicht auf die Unterbauchgegend. Bei seinem Auftreten sistiren oft die Winde. Die Schmerzen sind oft das einzige Zeichen der chronischen Appen- dicitis und deuten auf die jeden Augenblick eintreten könnende Gefahr der Perforationsperitonitis hin. In diesen Fällen fühlt man bei der Tastung oft Exsudatreste oder den verdickten Proc. vermi- formis; oft ist Meteorismus der Dleocoecalgegend zu sehen. Manch- mal gesellen sich zu den Bauchschmerzen Aufstoßen, Brechreiz und Erbrechen. Ein ferneres prämonitorisches Symptom sind Störungen seitens der Blase, wobei am Urogenitalapparat kein krankhafter Be- fund zu erheben ist. In allen diesen Fällen bedarf es nachweislich nur sehr geringfügiger neuer Schädigungen, die bei einem Gesunden gar nicht in Betracht kommen, um entweder den schleichenden, fast insensibel getragenen und nur wenig ausgesprochenen krankhaften Vorgang am Wurmfortsatz zu einer solchen Intensität zu steigern, dass die Perforation erfolgt, oder das an sich stark veränderte Organ zum Platzen zu bringen. Akute Indigestionen spielen die erstere Rolle, Traumen die letztere. Die Gefahren der Perityphlitis nehmen mit der Zahl der Anfälle ab, weil sich nach jedem Anfalle neue Verwachsungen, der beste Schutz gegen Perforation bilden. Wichtig für die Therapie ist die Bestimmung der Lage des Wurmfortsatzes. Eine oberhalb des Lig. Pouparti gelegene Geschwulst, die nach dem Perkussionsergebnis von Darmschlingen nicht überlagert ist, deutet auf einen präperitoneal liegenden Wurmfortsatz hin; ist sie von Darm- schlingen überlagert, so ist die Exsudation extraperitoneal, wenn sie ohne peritonitische Erscheinungen, intraperitoneal, wenn sie unter peritonitischen Zeichen erfolgte. Doch giebt es individuelle Ver-

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10 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

schiedenheiten; der Wurmfortsatz kann theils intra-, theils extraperi- toneal liegen, er kann unter der Leber, auf der linken Beckenseite liegen. Die Perityphlitis soll schon im Latenzstadium behandelt werden: Ruhe, Ölklysmata, leicht verdauliche Diät, Umschläge. Beim ersten perityphlitischen Anfalle kann man, wenn 'sich die klinischen Erscheinungen in mäßigen Grenzen halten, konservativ vorgehen. Doch muss man immer daran denken, dass es keine »leichte« Peri- typhlitis giebt, dass der Verlauf nie vorherzusagen ist. Selbst bei anscheinend günstiger Temperatur, Puls, Allgemeinbefinden kann ein schwerer Process sich weiter entwickeln. Bei schweren klinischen Erscheinungen muss operirt werden. Überhaupt ist nur von einer

radikalen Operation radikale Heilung zu erwarten. J. Schulz (Barmen).

9) W. B. Coley (New York). Radical cure of inguinal and femoral hernia, with a report of 845 cases. (Annals of surgery 1901. Juli.)

Nach einleitenden historischen Bemerkungen, die darauf hin- weisen, dass die Sterblichkeit nach Bruchoperationen in den 4 groBen Londoner Spitälern innerhalb der letzten 10 Jahre von 6% auf !/2:% und in nicht komplicirten Fällen auf 0% zurückgegangen sei, er- wähnt Verf. kurz die neueren Verfahren zur Radikaloperation der Hernien und bezeichnet als das erreichte Ideal Bassini’s geniale Methode. Bei der Besprechung der Indikationen zur Radikaloperation der Leistenbrüche vertritt er den Standpunkt, dass allen gesunden Pat. unter 50 Jahren die Operation anzurathen sei, auBer in den Fällen, bei denen es sich um groBe irreponible Scrotalhernien handelt, oder um große, bereits lange bestehende reponible Brüche, deren Reposition die Spannung der Bauchdecken wesentlich vermehrt und störend bei der Athmung einwirkt. Die Operation ist da nicht ungefährlich und die Aussicht auf Dauerheilung gering. Andererseits sind selbst Leute von 70 Jahren eeignete Objekte der Operation, wenn sie nicht zu fett und im Üb brigen gesund sind. C.’s 1893 erschienene Veröffentlichung über 50 Radikaloperationen bei Kindern hat den Widerspruch einer Reihe von Chirurgen hervorgerufen, nach deren Ansicht Hernien bei Kindern überhaupt nicht operirt werden sollen. Als Erwiderung stellte C. Ermittlungen über nahezu 15000 im »Hospi- tal for ruptured and crippled« in New York beobachtete Hernien an und fand, dass wenigstens ein Drittel aller Säuglinge und Kinder unter 14 Jahren trotz mechanischer Behandlung ungeheilt geblieben waren. Desshalb hält er eine ungefährliche Operation der Hernie = Kindern für durchaus gerechtfertigt. Die Gefahren sind aber

im Allgemeinen nicht nennenswerth; C. erlebte unter 500 Fällen nur einen Todesfall in Folge doppelseitiger Pneumonie nach Äther- narkose. Den Standpunkt C.’s, Kinder unter 4 Jahren nur unter besonderen Umständen zu operiren, da die meisten Pat. unter dieser Altersgrenze durch ein Bruchband geheilt werden können, theilen

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im Gegensatz zu vielen französischen wohl die meisten deutschen Chirurgen. Bei vorhandener Hydrocele oder Flüssigkeit im Bruch- sack ist allerdings von einem Bruchband nichts zu erwarten und die Operation vorzunehmen.

Das von ihm besonders empfohlene Bassini’sche Verfahren hat Verf., um die Möglichkeit eines Recidivs noch mehr zu verringern, in der Weise modificirt, dass er zur Verstärkung des Schutzlagers der Obliquus externus-Aponeurose oberhalb des Samenstrangs eine Naht durchführt, die den Obliquus internus in Apposition mit dem Lig. Pouparti bringt, so dass der Samenstrang zwischen zwei oberen Suturen hervortritt. Er näht ausschließlich mit resorbirbarem Mate- rial und vermeidet Drainage.

In der Wundheilung erzielte C. in den letzten Jahren ein fast ideales Resultat: unter 200 Fällen erlebte er nur eine Wundeiterung, während die früheren Primärheilungen 96% betrugen. Dieses schöne Ergebnis führt er auf 3 Umstände zurück: auf den Gebrauch von Operationshandschuhen, auf die Vermeidung jeder Gewebsquetschung, sorgfältigste Blutstillung und Trocknung des Operationsfeldes, end- lich auf die ausschließliche Verwendung resorbirbaren Materials. Zur Naht und Unterbindung dienen exakt sterilisirtes Katgut und chromisirte Känguruhsehne. Denn Verf. hält die Ansicht vieler Chirur- gen von der unsicheren und mangelhaften Sterilieirbarkeit des Kat- guts und anderen thierischen Nahtmaterials für haltlos. Die Nach- theile des nicht resorbirbaren Nahtmaterials: die häufige Verhinderung der primären Heilung, die Bildung von Eiterkanälen, den Übelstand des Durchschneidens der versenkten Nähte durch die Gewebe, ihre Wirkung als Fremdkörper, die oft langwierige Eiterungen unterhalten, malt C. an der Hand einer großen Reihe abschreckender Beispiele in schwarzen Farben und behauptet, dass die große Mehrzahl der von diesen Störungen des Heilungsverlaufs Betroffenen von Recidiven befallen werden. Seide, Silkwormgut und Silber werden desshalb als Nahtmaterial von ihm völlig verworfen. Das Ideal einer Naht, die bis zur festen Verklebung der Gewebe liegen bleibt, dann resor- birt wird, glaubt er durch die Chromisirung von Katgut und Kän- gurubsehnen erreicht zu haben. Übrigens lassen sich doch die ge- rügten Übelstände des anderen Nahtmaterials meist vermeiden, namentlich beim Silber, dessen Werth als Stütze des Schutzlagers nach der Operation in vielen Fällen nicht zu unterschätzen ist. Auch auf die wiederholt mit gutem Erfolg versuchte Einheilung von Silberfiligrannetzen zur Operation von Bruchrecidiven (Schulze- Berge) ist in diesem Sinne zu verweisen.

Etwas zu scharf wird man auch das Urtheil des Verf. finden, wenn er alle Recidive nach Bassini’scher Operation auf Mängel in der Technik und Übung des Operateurs zurückführt. (Ref.)

ln dem vom Verf. geleiteten Spital wurden 1891 64 Pat. mit Bruchrecidiven aufgenommen, 1900 nur 20. Während die Zahl der wegen Hernien Operirten stetig zugenommen hat, zeigt die Zahl

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der mit Recidiven Behafteten seit Einführung der Bassini’schen Operation eine eben so stetige Abnahme.

In 32 Fällen operirte C. wegen Hernien des Blinddarmes und Wurmfortsatzes, davon eine Reihe der sog. »Hernie par glissement«. Bei diesen Brüchen fehlt der Bruchsack meist an der hinteren Seite. In den meisten Fällen betreffen sie das Coecum und sind klinisch oft dadurch zu diagnosticiren, dass nur ein Theil der vorgetriebenen Eingeweide sich in die Bauchhöhle zurückbringen lässt, ein anderer Theil aber vorgestülpt bleibt, der sich von dem verwachsenen Netz gewöhnlich unterscheiden lässt. Diese im Anfang leicht reduciblen Brüche werden nach und nach schwerer reponirbar und schließlich ganz irreponibel. Nach C.’s Ansicht kommen diese Hernien in allen Lebensaltern vor. Bei der Operation löst er den Blinddarm so hoch ab, dass eine völlige Reduktion möglich ist. Die peritoneale Öffnung wird mit Katgut, die Bauchwunde durch 3fache Etagennaht ge- schlossen, ohne Verlagerung des Samenstrangs.

In 30 Fällen wurde wegen Leistenbruches mit unvollständigem Descensus testiculi operirt, darunter 14mal bei Pat. zwischen 10 und 14 Jahren. Der Hode wurde in keinem Falle entfernt, und C. glaubt, dass es stets gelingt, ihn herabzuholen. Die wiederholt versuchte Verankerung des Hoden im Scrotum wurde bald aufgegeben, da der Hode schließlich immer wieder sein Lager dicht unter dem äußeren Leistenring aufsuchte. C. hält die Operation für selten indicirt, da erfahrungsgemäß der Hode um die Pubertätszeit in sehr vielen Fällen in das Scrotum oder unter den äußeren Leistenring hinabsteigt und der meist kleine begleitende Bruch, der wenig Neigung zur Ein- klemmung besitzt, leicht durch ein Bruchband zurückzuhalten ist, dessen Pelotte oberhalb des Hoden liegt.

In 6 Fällen fand C. Dammhoden, davon 4mal mit wohlentwickelter Perinealhernie. In einem Falle wurde der atrophische Hode ent- fernt, in den anderen Fällen bei gut entwickeltem Hoden aus dem Peritoneum eine Tunica vaginalis gebildet und der Hode in eine neugebildete Scrotaltasche gesteckt. In allen 3 Fällen gute Heilung; 2 bis jetzt recidivfrei (davon einer nach 3 Jahren).

Weiter beobachtete C. 4 Fälle von properitonealer Hernie. Diese kommt fast nur in Verbindung mit mangelhaftem Descensus testiculi vor. In 42 von Langdow gesammelten Fällen fand sich der Hode nur 2mal im Hodensack, in 26 Fällen im Leistenkanal, 2mal unter dem äußeren Leistenring. Das Verhältnis dieser Hernie zu den gewöhnlichen schätzt Langdow auf 1: 1100.

Einmal operirte C. einen i5jährigen Pat. wegen sog. Richter- scher properitonealer Hernie 15 Stunden nach der Einklemmung.

155 Fälle von Leistenbrüchen wurden bei Frauen operirt; in keinem Falle trat ein Recidiv ein. Die Methode ist im Princip die- selbe wie beim Manne, nur wird das Lig. rotundum nicht verlagert; auch die Excision des Lig. rotundum mit dem Bruchsacke hält C.

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für unnöthig. Die Spaltung des Obliquus internus verwirft er. Die Pat. wurden nach durchschnittlich 2 Wochen entlassen.

Bei 45 Schenkelbrüchen operirte Verf. 16mal nach Bassini, in den übrigen Fällen nach der von Cushing in Boston angegebenen sog. Beutelschnurmethode, bei der der Kanal nach hoher Abtragung des Bruchsackes durch eine Tabaksbeutelnaht geschlossen wird, die das Lig. Pouparti, den M. pectineus, die Fascia lata fasst und wieder zum Poupart’schen Bande zurückkehrt. Diese Methode ist einfacher und wirksamer als die Bassini’sche, letztere ist nur bei’ den Fällen von sehr weiter Bruchpforte zu wählen. Die Resultate sind vorzüg- lich, Recidive nicht beobachtet worden. Ein solches trat nur nach einer Operation nach Bassini auf.

Als äußerst wichtig bezeichnet C. es, in allen Fällen den Kanal sorgfältig von extraperitonealem Fett frei zu präpariren.

Die Heilungsdauer nahm meist nur 12—14 Tage in Anspruch. In keinem Falle wurde nach der Operation ein Bruchband getragen.

Bei 776 nach Bassini Operirten wurde 6mal ein Recidiv be- obachtet; dagegen trat bei 18 in den Jahren 1891—1893 ohne Ver- lagerung des Samenstrangs Operirten in einem Drittel der Fälle ein Recidiv ein.

18mal operirte C. direkte Hernien, darunter 4 doppelte, alle mit einer Ausnahme nach Bassini.

Endlich machte er die Bassini’sche Operation in einer Reihe von Fällen mit bestem Erfolg, wo die früher vorgenommene Opera- tion nach anderer Methode nicht vor einem Recidiv geschützt hatte.

Von 845 Operirten starben 2; ein Kind an Pneumonie, ein Pat. mit enormem Netzbruch 7 Tage nach der Operation an Volvulus.

Zum Beweise für die Überlegenheit der Bassini’schen Methode über alle anderen, speciell die Kocher’sche, zieht C. die große ver- gleichende Statistik Galeazzi’s und die de Garno’s aus New York heran.

Von 791 Leistenbrüchen hat C. in den Jahren 1891—1901 7713 nach Bassini operirt. Bei 500 nachuntersuchten Männern fanden sich 1—9 Jahre nach der Operation 6 Recidive, bei 155 nach- untersuchten Frauen (1—10 Jahre nach der Operation) kein einziges.

Die in des Verf. ungemein ausführlicher Arbeit niedergelegten Beobachtungen und die werthvolle Statistik stellen der Bassini-

schen Methode aufs Neue ein glänzendes Zeugnis aus. Bongartz (Düsseldorf).

10) J. Elgart. Über Indikation und Methodik der Darm- wandexcision bei gangränösen Hernien. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1.)

Bei der cirkulären Darmnaht, welche aus Anlass der Resektion brandiger Brüche angelegt werden muss, ist die Insertionsstelle des Mesenterium stets die gefährlichste und am schwierigsten zu ver- sorgende Partie. Desshalb geht E.’s Bestreben dahin, diese Form

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der Naht zu vermeiden, wo es möglich ist, und dies scheint ihm dort der Fall zu sein, wo die Gangrän entweder an der Kuppe der eingeklemmten Schlinge oder im Einklemmungsring sitzt. Hierher gehört auch die Gruppe der Littre’schen Darmwandbrüche. Selbst- verständlich ist die Zahl solcher Brüche gering gegen die übrigen, bei denen eine cirkuläre Naht angelegt werden muss. In den ge- nannten speciellen Fällen wird nun eine Excision, event. in Keil- form, ausgeführt, 3—4 mm entfernt von der sichtbaren Grenze des auf Gangrän Verdächtigen beginnend. Der so entstandene Defekt wird quer mit Lembert’schen Nähten in 2 Etagen geschlossen. Nur so vermeidet man eine Darmverengerung. E. kann 4 ein- schlägige Fälle am Schlusse seiner Arbeit anfügen, bei denen das Verfahren ohne Weiteres zum Ziele führte. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

11) C. Viannay. De ladenopathie inguinale dans le cancer

du rectum. (Gaz. hebdom. de méd. et de chir. 1901. No. 16.)

Im Anschluss an 2 Fälle von Cylinderepitheliom des Mastdarms mit frühzeitigem Ergriffensein der Leistendrüsen erörtert V. die Wege, auf welchen die Metastase zu Stande kommt. Entweder geschieht dies durch Vermittlung der analen Lymphwege, welche mit dem rectalen Lymphnetz und den Leistendrüsen zusammenhängen, oder durch höher gelegene hypogastrische Lymphdrüsengruppen, welche direkt von der Neubildung inficirt sind und die Krebszellen dann gegen den Lymphstrom weiter zu den Leistendrüsen gelangen lassen. Dass dieser retrograde Weg möglich ist, wird durch eine Beobach- tung von Regaud und Barjou bewiesen, welche an einer axillaren Lymphdrüse bei einem Adenocarcinom der Mamma die Peripherie der Drüse und die zuführenden Lymphwege frei, dagegen den Hilus der Drüse und die abführenden Wege mit Krebszellen erfüllt fanden.

W. Sachs (Mülhausen i/E.).

12) C. Beck (New York). Über die Darstellung von Gallen- steinen mittels Röntgenstrahlen. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 19.)

Die bisher unternommenen Versuche, Gallensteine zu skia- graphiren, haben zu keinem positiven Resultat geführt. Dem Verf. ist es nun nach lange fortgesetzten Experimenten gelungen, in ein- zelnen Fällen Steinschatten zu erzeugen und die Cholelithiasis bild- lich zu veranschaulichen. Er erreichte das durch Abkürzung der Expositionsdauer. Je länger die Expositionsdauer ist, desto deut- licher heben sich die Lebergrenzen hervor, desto schwächer aber werden die Steine sichtbar. B. empfiehlt, zuerst eine lange und dann eine kurze Exposition, die erste in der Dauer von 10, die zweite von etwa 5 Minuten, vorzunehmen. Es sind nur solche Röhren zu

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verwenden, welche die Durchleitung sehr großer Elektricitätsmengen ertragen und deren Durchleuchtungskraft sehr hoch ist. Der Darm muss, um die Verwechslung mit Darminhalt zu verhüten, vorher entleert werden. Pat. soll sich in einer Bauchlage befinden, welche eine äußerste Hervorwölbung der Gallenblasengegend ermöglicht. Die Bestrahlung soll nicht vertikal, sondern lateral stattfinden, so dass das weniger transparente Lebergewebe nicht in seinem ganzen Durch- messer durchleuchtet zu werden braucht. Auch die einfachen Gallen- steine, welche Verf. vorher für transparent gehalten hatte, konnte er bei verbesserter Technik zur Darstellung bringen. Zum Schlusse theilt B. einige Fälle mit, welche die Erblichkeit der Prädisposition zur Gallensteinkrankheit bestätigen. J. Schulz (Barmen).

Kleinere Mittheilungen.

13) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 119. Sitzung am Montag den 11. November 1901 im königlichen Klinikum. Vorsitzender: Herr Rose.

1) Herr König stellt einen Pat. vor, bei dem nach einer vor Jahren von anderer Seite gemachten Kropfoperation Myxödem eingetreten ist. Pat. selbst führt seinen Zustand auf eine vor 8 Jahren erfolgte Verletzung des linken Zeige- fingers und daran sich schließende Phlegmone zurück und beansprucht Unfall- rente.

2) Herr Rose: Ein Fall von Paracentese wegen Pericarditis rheu- matice.

Im Verlauf eines schweren Gelenkrbeumatismus trat bei einem Kranken eine Endokarditis und Perikarditis ein. Als R. den Pat. zuerst sah, war die Puls- frequenz auf 180, die Respiration auf 60 gestiegen; es bestand Orthopnoe, jedoch keine Lungenerscheinungen. Pat. hatte eine Trichterbrust; die Dämpfung in der Herzgegend ging desswegen vor Allem nach rechts herüber; nach oben reichte sie bis zur 2. Rippe. R. legte den Hersbeutel bloß und incidirte ihn dann. Das Herz trat sofort in die Wundöffnung; es wurde daher an einer Stelle die Hers- beutelwunde mit der Muskelschicht durch Naht verbunden. Das Exsudat sickerte nun langsam aus und entleerte sich allmählich bis zum 10. Tage. Eine diffuse Bronchitis verzögerte die Rekonvalescens. Pat. ist jetzt vollkommen geheilt.

Obwohl meistens Traumen Messer- Stichverletzungen oder langsames Ein- dringen einer Nadel mit nachfolgender Blutung in den Herzbeutel die Haupt- indikation gu derartigen Eingriffen bilden, so wird der Arst wie im vorliegenden Falle auch bei serösen Exsudaten, nachdem die Mittel der inneren Medicin er- schöpft sind, vor die Frage des operativen Eingreifens gestellt. R. fordert auf, nicht zu sparsam mit derartigen Operationen zu sein; er verweist auf einen von ihm vor 20 Jahren in der Charite gehaltenen Vortrag über Herzbeuteleröffnung.

2 Herr Rose: Ein Dauererfolg beim Bauchschnitt wegen Tuber- kulose.

Die Kranke kam im Alter von 10 Jahren im Jahre 1894 su R. mit Ascites, der schon anderweitig mehrfach punktirt war. Der Leibumfang betrug damals 68 cm. R. schnitt den Bauch in der Mittellinie auf, exstirpirte mehrere Knötchen am Peritoneum und Netz, die bei der späteren Untersuchung Riesenzellen er- kennen ließen, entleerte 2 Liter Flüssigkeit und nähte wieder zu. Heilung zu- nächst mit Fistel. Heute ist an der Stelle der Fistel eine kleine Hernie bemerkbar. Die Kranke ist vollkommen geheilt und sieht blühend aus (Vorstellung). Obwohl

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ein Drittel der Fälle auch ohne Operation ausheilen sollen R. verweist auf eine diesbezügliche Publikation seines Sohnes aus der Naunyn’schen Klinik —, so räth er doch stets zur Laparotomie. Sei auch die Diagnose meist leicht zu stellen, so sei sie erst gesichert, wenn man die Bauchhöhle eröffnet und Knötchen habe untersuchen können.

4) Herr Rose: 2 Fälle von Prostatatumoren bei Kindern.

Derartige Tumoren sind Seltenheiten in der Litteratur. R. demonstrirt zu- nächst an einer Abbildung die anatomischen Verhältnisse.

Sein 1. Fall betraf ein Kind von 6 Monaten, das wegen Harnverhaltung und Unmöglichkeit des Katheterismus in das Krankenhaus Bethanien geschickt wurde. R. machte den Blasenschnitt und nähte die Blase in die Bauchwunde ein. Das Kind lebte noch 3 Wochen. In dieser Zeit wurde die hintere Blasenwand durch die wachsende Geschwulst fast aus der Bauchwunde herausgedrängt. Bei der Sektion fand sich ein hühnereigroßes Sarkom der Prostata. (Demonstration des Präparate). Das zweite Kind war 21/,Jahr alt. Die Blase stand bei der Auf- nahme bis zur Nabelhöhe; es bestand ununterbrochenes Harmnträufeln. Das Prä- putium war sehr ödematös, fast elephantiasisartig, der Penis steif und hart. Aus der Harnröhre kam mit dem Urin auch Eiter, dessen Untersuchung auf Gono- kokken negativ ausfiel. Beim Katheterismus musste zunächst eine Striktur in der Pars pendula überwunden werden; in der Prostatagegend war die Durch- führung des Katheters sehr sohwer. R. schloss sofort eine Urethrotomia interna und eine Excision eines Theiles des Präputium an. Bei der Untersuchung des excidirten Stückes fanden sich Rundzellen im Präparat. Die Digitaluntersuchung vom Mastdarm aus stellte einen kirschgroßen Tumor der Prostata fest.

R. schritt nun zur Cystotomie; hierauf trat zunächst langsame Besserung ein; nach 3 Wochen jedoch starb das Kind. Bei der Sektion fand sich keine Peri- tonitis. Blase wie Prostata zeigten überall kleinzellige sarkomatöse Infiltration; es fanden sich sehr wenig glatte Muskelfasern in der Prostata.

5) Herr Rose: Vorseigung von Präparaten von Arthritis deformans am Hüft- und Kniegelenke.

6) Herr Rose: Ein Harnleitersteinschnitt.

Eine Dame im Alter von 24 Jahren erkrankte am 3. Tage nach der ersten Ent- bindung mit Sohüttelfrost und hohem Fieber. R. stellte einen linksseitigen Tumor in der Nierengegend fest; bei der Operation Spaltung der Niere ergab es sich, dass es sich um ein mit stinkendem Urin und Eiter angefülltes Nierenbecken und Harnleiter handelte; die Niere war nicht krank. Ein Stein oder sonstiges Hindernis wurde im Harnleiter nicht gefunden. Glatte Ausheilung. Nach mehre- ren Jahren, 1891, erkrankte die Dame ganz plötzlich wiederum auf einer Reise mit Schmersen und Geschwulst in der linken Nierengegend; sie ging wieder zu R., der in der alten Narbe wieder incidirte, die Niere spaltete und im Nierenbecken und Harnleiter Eiter und stinkenden Urin vorfand. Ausheilung mit Fistel. Wohl- befinden bis zum Frühjahr 1901. Um diese Zeit erkrankte Pat. zum dritten Male in früherer Weise, und R. vollzog die Operation wie in den beiden ersten Malen. Der gleiche Befund nach der Incision. Bei der Sondirung des Harnleiters stieß er jedoch auf einen Widerstand, der sich nach der Extraktion als ein 2 Zoll großer sackiger Stein darstellte. Glatte Ausheilung ohne Fistel.

Diskussion: Herr Zondek demonstrirt mehrere menschliche Harnleiter und weist unter vergleichend anatomischen Betrachtungen auf die abweichende Form des menschlichen Harnleiters hin; diese ist von physiologischem Interesse für die Herableitung des Harns aus dem höher gelegenen Becken in die Blase und chirur- gisch bemerkenswerth; die Flexuren und Verengerungen sind beim Harnleiter- katheterismus zu berücksichtigen; ferner dürften die physiologisch engen Stellen des Harnleiters, die zuweilen einen hohen Grad erreichen, die Prädilektionsstellen für die Lokalisation der Harnleitersteine sein. Z. erwähnt, dass er bei einer Frau durch vaginale Untersuchung einen Stein im Harnleiter nahe seinem Eintritt in die Blase diagnosticiren konnte.

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7) Herr Rose: Über Schwierigkeiten bei der Hüftgelenksresektion.

Ein Kranker, der 2 Jahre vorher an Typhus abdominalis gelitten hatte, er- krankte an einer Osteomylitis beider Oberschenkel. Als er in R.’s Behandlung kam, hatte er 9 Fisteln an den Oberschenkeln. Beide Oberschenkelköpfe waren derartig in der Pfanne synostotisch, dass die Schenkel ein V bildeten. R. machte verschiedene Sequestrotomien (Demonstration der Sequester) und ging schließlich daran, auch die Stellung der Schenkel durch Resektion eines der synostotisohen Hüftgelenke zu verbessern. Der Kopf konnte bei der Operation nicht gefunden werden. Am Pat. wurden noch mehrere Sequestrotomien nöthig; er starb schließ- lich an Erschöpfung (Amyloid). Bei der Sektion fand sich der bei der Operation nicht entdeckte Schenkelkopf in der Pfanne ganz in Bindegewebe eingehüllt vor; es hatte sicher vor dem operativen Eingreifen eine Epiphysenlösung stattgefunden (Demonstration des Präparaten).

8) Herr Rose: Ein charakteristischer Fallvon Typhusdes membres.

Es giebt Fälle von Osteomyelitis, die außerordentlich schwer verlaufen; die Pat. fiebern hoch, sind somnolent und sterben in kurger Zeit, nachdem es vorher noch zu Epiphysenlösungen, Bloßlegung der Knochen gekommen ist. Dieses schwere Krankheitsbild wurde früher als die Folge einer primären Osteomyelitis angesehen, heute wissen wir, dass die Osteomyelitis und ihr Verlauf von der Art der Kokken- infektion abhängig ist.

8) Herr Rose theilt Erfahrungen über Fremdkörper im Wurmfort- satz mit.

10) Herr Rose: Bericht über meine Methode der Exarticulatio fem.

R. sieht die Gefahr der Exarticulatio femoris nur in dem Blutverlust bei der Operation. Es sei nicht richtig, auf einmal Gefäße und Muskeln zu zerschneiden, sondern man müsste, wie er es angegeben habe, schrittweise vorgehen, d. h. Frei- präpariren der Gefäße und doppelte Unterbindungen vor dem Durchschneiden so- wohl der großen Gefäße wie auch der Muskeläste. Eine prophylaktische Unter- bindung der Vasa femoralia sei zwecklos, da aus den Asten der Iliaca interna, der Obturatoria, der Glutaea sup. et infer. eine starke Blutung erfolge.

Auf dem Chirurgenkongress vor 10 Jahren seien die Resultate der Exarticu- latio femoris besprochen worden. 10 Monate nach der Operation hätte keiner von den Operirten gelebt (Statistik von Bock). Bei seinen 11 Fällen, die er wegen Oberschenkelgeschwülsten (Sarkomen) exartikulirt hat, war der Verlauf folgender:

Von 4 Fällen, die ein primäres Sarcoma femoris ohne Drüsen in der Leisten- gegend hatten, wurde 1 geheilt, 3 starben.

Drei, die schon Drüsenschwellungen darboten, starben alle; von 4 Fällen, die R. wegen einer Metastase im Oberschenkel exartikulirte, blieben 2 am Leben; die eine Pat., die eine Metastase nach Mammasarkom bekam, lebte noch 8 Jahre; die 2. Kranke, auch schon vor Jahren exartikulirt, lebt heute noch.

R. demonstrirt ein Präparat eines Oberschenkelsarkoms, dessen Träger erst 6 Wochen vor seinem Tode die ersten Symptome bemerkte; in der 3. Krankheits- woche erlitt er Spontanfraktur; er starb 2 Tage nach der Exartikulation.

Zum Schluss stellt R. noch 2 Kranke vor, bei denen er wegen schwerer Tuberkulose des ganzen Beines die Exarticulatio femoris ausgeführt hat. Beide haben sich nach der Operation, die schon Jahre lang surückliegt, sehr erholt und sehen blühend aus. Schwalbach (Berlin).

14) Depage. A propos d'un cas de mort sur le chloroforme. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. Februar.)

D. berichtet über 2 Todesfälle, von denen der erstere schon früher in den Annalen erwähnt, der jetzige ganz neuen Datums ist. Der erstere war mit Frei- legung des Herzens und Massage desselben erfolglos behandelt worden. In diesem neuen Falle, der einen Alkoholiker mit Fraktur und Luxation im Fußgelenk betraf und der sich im Delirium tremens befand, hörte nach einigen Zügen Chloroform Puls und Respiration plötzlich auf, es stellte sich Cyanose ein. Die künstliche

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Respiration balf nicht. Da wurde das Herz freigelegt und massirt; sofort stellten sich einige Herzkontraktionen ein und das Gesicht turgescirte; nach einigen Augen- blioken stand das Herz aber wieder still.

An der Diskusion betheiligte sich zunächst Hendrix, welcher für die Elektri- sation des Herzens sprach. D. erwiderte, dass er als Interne des Herrn v. Desmes einen entsprechenden Apparat, der die Interruptionen des Herzens der Zahl nach wiedergab, 2mal anwendete; das erste Mal bei einer Frau, wo nach 3stündiger Anwendung das Bewusstsein wiederkehrte, die Frau sprach und lächelte, aber nach 3 weiteren Stunden starb. Das zweite Mal handelte es sich um einen Mann im Zustande des traumatischen Chok;; hier gelang die Methode vollkommen.

E. Fischer (Straßburg i/E.).

15) Lauwers. Du danger des injections de morphine après les opéra- tions pratiquées sous chloroforme, et du reveil des mouvements re-

spiratoires par l'irritation directe de la muqueuse trachéale. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. Hft. 3.)

L. entfernte bei einem jungen Mann von 18 Jahren einen Nasen-Rachenpolypen nach osteoplastischer Resektion des rechten Oberkiefers. Am Abend vorher hatte er ihm 25 g Serum antistrept. Denys injicirt. Die Operation war leicht, Blutung gering. Nach der Operation klagte Pat. über heftige Schmerzen, so dass man 0,01 Morphin injieirte.e Er schlief sehr bald ein. Im Schlaf traten Cyanose, stertoröses Athmen und die Symptome der Morphiumvergiftung ein. Man griff zu allen nur denkbaren Wiederbelebungsversuchen (inneren Mitteln, künstlicher Athmung, Tracheotomie). Erst nach 4—5 Stunden kehrten die rhythmischen Respirationen zurück, Heilung. Bemerkenswerth war, dass, trotsdem die Athmung 4 Stunden ausgesetzt hatte, Kitzeln der Trachealschleimhaut sofort exspiratorische Reflexe, Hustenstöße auslöste. L. glaubt desshalb solche Reisungen als Wieder- belebungsmittel in schweren Fällen empfehlen zu sollen. Um die Gefahr der Morphiuminjektion im Anschluss an Narkosen zu illustriren, erzählt er 2 Fälle aus früherer Zeit, nämlich 1) eine Ovariotomie bei einer 47 Jahre alten Frau, an 0,01 Morphin nach der Operation, 2) eine Zungenkrebsexstirpation bei einem 54 Jahre alten Mann, welcher nach der Narkose so erregt wurde und furibund, dass 0,03 Morphin injieirt wurde; beide starben im Koma unter den Erschei- nungen der Morphiumvergiftung. E. Fischer (Straßburg i/E.).

16) Floeckinger. Local anesthesia. (Buffalo med. journ. 1901. September.)

Verf. verwendet zur Lokalanästhesie nach Oberst Nirvanin in 1/y—2xiger Kochsalzlösung mit Morphiumsusats. Toxische Erscheinungen werden nicht be- obachtet. Außer bei Finger- und Zehenaffektionen hatte Verf. auch bei mehr proximalen Erkrankungen : Lipomen des Vorderarms und Unterschenkels, Osteo- myelitis der Tibia, Saphena-Unterbindungen, Hohlhandphlegmonen, Circumeisionen vollen Erfolg. Je peripherer die Umschnürung angelegt werden kann, desto schneller tritt Unempfindlichkeit ein, und desto länger hält sie an.

Mohr (Bielefeld).

17) F. Kaijser. Drei Operationen, unter Cocainisirung des Rücken- markes nach Bier ausgeführt. (Hygiea Jahrg. LXIII. p. 57. [Schwedisch.])

Der 1. Fall betrifft einen Mann mit Gangraena senilis pedis dextri, welcher bei der Aufnahme die gewöhnlichen Symptome von Altersbrand des rechten Fußes darbot und dabei hochgradig arteriosklerotisch war. Die Medulla spin. wurde nach den Vorschriften Bier’s cocainisirt und die Amputation des Unterschenkels ohne jeglichen Nachtheil für den Pat. vorgenommen.

Der 2. Fall war ein 78jähriger Mann mit der Diagnose Striotura urethrae, Abscessus periurethralis und Fistula urethrae. Hochgradige Arteriosklerose und verwischte Herzgeräusche; sehr heruntergekommener Allgemeinszustand. Unter

Centralblatt für Chirurgie. No. 1. 19

Cocsinisirung des Rückenmarkes mit 11/,Xiger Lösung wurde die Spaltung der Striktur nach Debridement der Fistel schmerslos ausgeführt. Ein Schüttelfrost am Abend des Operationstages mit Temperatur von 39° wurde der Anästhesie zugeschrieben; sonst normaler Verlauf. Pat., der vor 5 Jahren anderswo wegen Harnrverhaltung mit Urethrotomia externa unter Chloroformnarkose behandelt worden war, fühlte sich am Abend des Operationstages völlig wohl; nach der vorigen Ope- ration hatte er wiederholtesChloroformerbrechen und langdauerndes Unbehagen ge- habt. Etwaige andere Unannehmlichkeiten in Folge der Rückenmarks-Oocai- nisirung kamen nicht vor.

Der 3. Fall war ein 65jähriger, ebenfalls sehr arteriosklerotischer und nach fast lebenslangem Krankheitsverlauf sehr heruntergekommener Mann, der mit einem Uleus carcinomatosum cruris und Osteomyelitis chron. tibiae aufgenommen wurde. Suprakondyläre Amputation des Oberschenkels nach Injektion von 5 mg Cocain (ohne Esmarch-Einwicklung). Pat. markirte dabei etwas Schmerz, obschon nieht sehr hochgradig. Ein 2maliges Erbrechen war die einzige unannehmliche Folge der Cocainisirung. Als die Nähte herausgenommen wurden, fühlte Pat. nach eigener Aussage viel mehr Schmerz als bei der Operation. Auch dieser Pat. war vorher (wegen Osteotomie der jetzt amputirten Tibia) chloroformirt worden und konnte seine Zufriedenheit mit der Rückenmarksanästhesie nicht genug hervor- heben.

Die epikritischen Bemerkungen Verf.s über die betreffende Litteratur , die angewendeten Dosen des Cocains und die beobachteten üblen Zufälle bringen den Lesern des Centralblattes nichts Neues. A. Hansson (Cimbrishamn).

18) Dandois. Accidents cérébro-spinaux, tardifs et prolongés, après cocainisation de la moelle. (Journ. de chir. et ann. de la soo. belg. de chir. 1901. Hft. 4.)

D. beobachtete am 8. Tage nach Injektion von 0,02 Cocain in das Lenden- mark Schmersen in der Unterleibs- und Beckengegend, am 9. Tage komplete Para- plegie der unteren Gliedmaßen, Incontinentia alvi et urinae, aufgehobene Reflexe bei erhaltener Sensibilität; dazu kam Schlaflosigkeit, Agitationen in der Nacht, Delirien, maniakalische Zustände, abwechselnd mit Dementia, Bewusstlosigkeit. Diese Symptome dauerten 1 Monat lang, dann ließen sie nach, endlich trat Hei- lung ein. E. Fischer (Straßburg i/E.).

19) Delötrez. Rupture des parois abdominales à la suite d’even- trations consécutives à des laparotomies. (Journ. de obir. et ann. de la goc. belg. de chir. 1901. Hft. 3.)

Bei einer 50 Jahre alten Frau, welcher D. 1893 die Laparotomie und Uterus- exstirpation sammt einer Myomexstirpation gemacht hatte, platste 1895 die Narbe, und der größte Theil des Darmes fiel vor. D. fand die Frau im Bett, die Ein- geweide in Leinwand gehüllt. Er nähte nach Anfrischung der Ränder mittels ne indem er jedes Mal alle Bauchwandschichten in die Naht hinein nahm.

eilung.

Bei einer 30 Jahre alten Dienstmagd, welcher er 1895 die Ovariotomie gemacht hatte, platste 1898 die Narbe. Fast der ganze Darm fiel vor. Die Pat. wickelte Alles in schmutzige Lumpen, rollte eine Binde um und kehrte zur Arbeit zurück, da sie jedoch Leibschmerzen bekam, ging sie zum Arzt, der sie !/; Stunde W egs weit zu D. gehen ließ. Nach Reinigung der Därme und Naht trat prompte Heilung ein. E. Fischer (Straßburg i/E.).

20) Dandois. Rupture spontanée des enveloppes d'une hernie om- bilicale. (Journ. de. ehir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. Februar.)

Bei einer 58 Jahre alten Frau, welche seit etwa 15 Jahren an einem Nabel- brach von Eigröße litt und kein Bruchband trug, trat unerwartet während der

20 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

häuslichen Arbeit plötzlich heftiger Schmerz in der Nabelgegend auf, und es zeigte sich, dass der Bruch geplatzt war; sofort trat ein dünner Darm von etwa 40 cm Länge vor. D. und sein Kollege Dr. Lemaire nahmen 4—5 Stunden später die Radikaloperation vor, excidirten dabei den ganzen Nabel und erzielten vollkom- mene Heilung. E. Fischer (Straßburg i/E.).

21) G. H. Hoxie (Zürich). Bericht über die in der Züricher chirurgi- schen Klinik in den Jahren 1881—1900 behandelten Fälle von offenen Wunden des Abdomens.

(Beiträge sur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 2.)

Unter den von H. susammengestellten Fällen waren 69 penetrirend, 28 nicht penetrirend gewesen. Etwas mehr als die Hälfte der penetrirenden Wunden zeigte außerdem Komplikationen mit Verletzungen der Eingeweide; und zwar fanden sich Magen und Dickdarm je 4mal, Mastdarm und Blase je 5mal, der Dünndarm 15mal, die Leber 12mal, die Niere 3mal verletzt. Die klinischen Symptome geben nach Verf. kein absolut zuverlässiges diagnostisches Zeichen für den Charakter der Wunde ab. Der einzig sichere Weg, die Ausdehnung der Verletzung zu er- kennen, bestehe vielmehr in operativer Erweiterung und genauer Untersuchung der Wunde. In prognostischer Beziehung biete der Füllungszustand des Darm- robrs im Augenblick der Verletzung eines der wichtigsten Momente. Wenn Schusswunden eine höhere Sterblichkeit besäßen als Stichwunden, so rühre das nicht von der Verschiedenheit der Waffe an sich, sondern daber, dass erstere mehr Organtheile zu verletzen pflegen. Verf. meint, dass nicht den Wunden des Dünn- darmes allgemein (McCormac), sondern denjenigen des Magens resp. der Magen- gegend die größte Sterblichkeit zukomme. Unter den Todesursachen standen Peritonitis (17 Fälle) und Blutungen (10 Fälle) obenan. Die Gesammtsterblichkeit betrug 39,13%.

Wo die Möglichkeit einer Penetration zugegeben werden müsse, solle auch die Probelaparotomie ausgeführt werden, und zwar möglichst bald, da sich die Aussichten für den Erfolg der Operation schon 4 Stunden nach der Verwundung erheblich verschlechtern Im Weiteren werden Stichwunden, Schusswunden, Ex- plosions- und Quetschverletzungen noch gesondert abgehandelt.

Honsell (Tübingen). 22) @. Ninni. Contributo clinico alla quistione dell’ intervento nelle ferite d’arme da fuoco dell’ addome.

(Estratto degli atti della R. accad. med.-chir. di Napoli. Anno LV. No. 1.)

N. hat bei einem 2Vjährigen Mann, welcher wegen einer Revolververletzung des Bauches (Einsohussöfinung in der linken Lendengegend, dicht hinter der hin- teren Axillarlinie, während das Geschoss an der rechten Parasternallinie in der Subcutis der Regio epigastrica nachweisbar war) mit kühlen Extremitäten, faden- förmigem Puls und Bewusstlosigkeit eingeliefert wurde, den Leib sofort breit er- öffnet. Er fand eine Perforation der vorderen und hinteren Magenwand so wie eine große Darmwunde am Übergang des Duodenum ins Jejunum und noch eine weitere Darmzerreißung. Als Quelle einer starken Hämorrhapie erwies sich eine Arterienverletgung im Mesocolon. Unterbindung, Darmnaht, Reinigung und Ver- schluss des Bauches. Heilung. Bei einer anschließenden kurzen Besprechung der Therapie der Schussverletsungen des Bauches vertritt N. einen mehr aktiven Standpunkt. A. Most (Breslau).

23) J. Parmenter. The surgery in president McKinley’s case. (Buffalo med. journ. 1901. Oktober.) 24) N. Wilson. Details of president McKinley’s case. (Ibid.) 25) The official report on the case of president McKinley. (Ibid. November.)

Die beiden ersten Arbeiten enthalten vorläufige Berichte von Augenzeugen

der Operation so wie die officiellen ärstlichen Bulletins, die dritte bildet den

Centralblatt für Chirurgie. No. 1. 21

officiellen, von sämmtlichen behandelnden Ärzten unterseichneten Bericht über die Verwundung McoKinley’s und giebt eine sehr ausführliche Darstellung der Operation, des Krankheitsverlaufs und des Sektionsbefundes.

Die von M. D. Mann unter Assistenz von H. Mynter unter Äthernarkoge ausgeführte Operation begann 1 Stunde 22 Minuten nach der Verwundung. Es waren 2 Schusswunden vorhanden, von denen die obere, ganz oberflächliche, am rechten Sternalrand zwischen 2. und 3. Rippe lag. Das Geschoss war wahrschein- lich durch einen Knopf abgelenkt worden und fiel während des Entkleidens aus der Kleidung heraus. Die untere Wundöffnung lag in der Mitte einer von der Brustwarze sum Nabel gezogenen Linie 5 em nach links von der Mittellinie, die Sonde führte nach unten außen. Längsincision vom Rippenrande abwärts durch die Wundöffnung, Entfernung eines unter der Haut liegenden Stücks der Kleidung; nach Eröffnung des Bauchfells wird an der vorderen Magenwand eine für den Zeigefinger nicht ganz durchlässige Öffnung festgestellt, welche nahe der großen Curvatur ca. 2cm vom Netzansatz entfernt liegt und scharfe, wenig gequetschte Ränder hat. Nach geringer Erweiterung dieser Öffnung wird das Mageninnere abgetastet, wobei etwas von dem flüssigen Mageninhalt ausfließt. Das Geschoss liegt nicht im Magen. Sorgfältige Abspülung der Magenwunde mit heißer Koch- salzlösung, Schluss der Magenwunde mit fortlaufenden Seidennähten nach Lembert- Cserny in doppelter Reihe. Nach Heraufschlagen des stark fettig verdickten und rigiden Netzes erweist es sich als nothwendig, Zwecks Freilegung der hinteren Magenwand das Omentum gastrocolicum nahe der großen Curvatur auf etwa 10 cm Breite zu durchtrennen. Hierauf wird eine nahe der großen Curvatur liegende Wundöffnung der Hinterwand, welche etwas größer als die vordere ist und blutig infiltrirte, serfetste Ränder hat, festgestellt und eben so wie die vordere ver- schlossen. Mageninhalt war kaum ausgetreten. Weitere Eingeweideverletzungen konnten nicht konstatirt werden. Die weitere Abtastung des Schusskanals hinter dem Magen musste wegen des schlechter werdenden Pulses abgebrochen werden; aus demselben Grunde erschien eine ausgedehntere Evisceration zur Besichtigung der Hinter-Magengegend nicht angängig. Schluss der Bauchwunde ohne Drainage. Dauer der Narkose 11/3 Stunden, Dauer der Operation 1 Stunde 21 Minuten, 8/, Stunde naeh der Operation Überführung des Präsidenten vom Ausstellungs- hospital in eine Stadtwohnung. Die Operation war sehr erschwert einmal durch die starke Fettbildung und sodann in Folge der für große Chirurgie nicht vor- gesehenen, unzureichenden Einrichtungen des Hospitals.

Der weitere Verlauf war während der ersten 6 Tage ein durchaus günstiger. Vom 3. Tage ab wurde Wasser in kleinen Mengen durch den Mund gegeben, am 5. Tage wegen stärkerer Sekretion der Bauchwunde Entfernung mehrerer ober- fläcblicher Nähte, geringfügige Eiterung in der Umgebung des Schusskanals (In- fektion durch das Geschoss oder den Kleiderfetzen), 1 Tag darauf Entfernung der übrigen Nähte. Am 6. Tage wurde zuerst flüssige Nahrung durch den Mund ge- geben, am 7. Tage auch etwas festere Nahrung. Die Hauptgefahr schien über- wunden zu sein; Wunde von gutem Aussehen, Darmfunktionen normal, Appetit zunehmend, keine peritonitischen Erscheinungen. Der Urin enthielt in den ersten Tagen neben Spuren von Eiweiß reichlich Indikan, vereinzelte Leukocyten und rothe Blutkörperchen, zahlreiche hyaline Cylinder, weniger granulirte, reichliche Nierenepithelien; in den letzten Tagen nahm die Zahl der Cylinder und Epithelien rasch ab. Das einzige beunruhigende Symptom war die hochbleibende Pulsfrequenz. Gegen Abend des 7. Tages wurde der Puls frequenter und schwächer; stimulirende Bebandlung, Sauerstoffathmungen ohne Einfluss, zunehmende Herzschwäche; Tod am 8. Tage gegen 2 Uhr Morgens.

Aus dem Bericht über die von Gaylord ausgeführte Autopsie ist Folgendes hervorsuheben: Peritonalüberzug überall spiegelnd, starke Fettentwicklung am Perikard, Herz schlaff, fettige Degeneration, Infiltration und braune Atrophie des Herzmuskels, besonders am rechten Ventrikel. An der vorderen und hinteren Magenwand, entsprechend den Nahtstellen, feste Verwachsungen, Naht der Magen- wunden unversehrt und sufficient. Nach Lösung der Verwachsungen seigt sich

22 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

die Magenwand sowohl vorn wie hinten, besonders aber an der Vorderwand in der Umgebung der Nahtstellen auf 2—3 om Entfernung dunkel graugrünlich ver- färbt und brüchig; die Oberfläche des Mesocolon, so weit sie mit der hinteren Magenwunde in Kontakt ist, zeigt ähnliche Veränderungen (mikroskopisch voll- ständige Nekrose),,. G. macht für diese Nekrose keine bestimmte Ursache verant- wortlich, sondern hält sie für Terminalerscheinungen, da das nekrotische Gewebe durch den Magensaft nicht angegriffen war. Die bei der Operation vorgenommene Ablösung des Omentum gastrocolicum in der Nähe der beiden Magenwunden war nach G. ohne Einfluss auf die Entstehung der Nekrose. Weiterhin findet sich hinter der Wunde der hinteren Magenwand eine für 2 Finger durchlässige Öffnung im retroperitonealen Fettgewebe, von welcher aus ein Wundkanal mit nekrotischer Umgebung nach hinten unten führt. Nach Ablösung des absteigenden Colons liegt an dieser Stelle eine weite, unregelmäßig begrenzte und mit nekrotischen Massen gefüllte Höhle frei, welche am oberen Rand der linken Niere mit einer kleinen Öffnung endet. Diese Höhle wird zum Theil durch das in seinem centralen Theil auf etwa 4!/, cm Ausdehnung zertrümmerte Pankreas gebildet. Durch den ganzen Drüsenkörper zerstreut finden sich zahlreiche kleine Hämorrhagien und Fettnekrosen von Erbsengröße und darunter. Nach G. ist die Höhlenbildung ent- weder auf Rotation des Geschosses oder Sprengwirkung zurückzuführen, die Pankreasverletzung mehr auf indirekte Geschosswirkung. Aus der Thatsache, dass die Wandung der Höhle durch organisirtes Fibringerinnsel abgegrenzt war, schließt G., dass die Gewebsverletzung zur Zeit des Schusses erfolgte. Die Abwesenheit von Bakterien in der Höhle zeigt, dass die Wunde nicht infieirt wurde; das gäns- liche Fehlen von Fettnekrosen in der Umgebung des Pankreas beweist, dass ein Ausfluss von Pankreassaft nicht stattfand. Im weiteren Verlauf des Schusskanals wird ein Kapselstreifschuss des linken oberen Nierenpols festgestellt, Niere dunkel- roth verfärbt, Mark- und Rindensubstanz verwaschen; mikroskopischer Befund bei beiden Nieren: trübe Schwellung der Epithelien, stellenweise parenchymatöse Degeneration und Vermehrung des Bindegewebes. Der Schusskanal geht zwischen Niere und Milz nach hinten unten und endet blind in den Rückenmuskeln. Das Aufsuchen des Geschosses ist durch die gewaltige Fettentwicklung sehr er- schwert und wird, da die Sektion aus äußeren Gründen abgebrochen werden musste, aufgegeben. Die mikroskopische Untersuchung der Leichentheile bestätigte die makroskopischen Feststellungen. Die von Matzinger berichtete bakterio- logische Untersuchung des Wundsekrets in vivo ergab nur die gewöhnlichen Eiter- erreger, niemals Streptokokken. Bei der Autopsie blieben Kulturen des Bauch- fellüberzugs der Eingeweide steril, in den nekrotischen Partien keine Eitererreger, sondern nur ein dem Proteus hominis capsulatus ähnliches Bakterium. Nach diesem Befund ist es ausgeschlossen, dass die gefundenen Veränderungen durch bakterielle Infektion zu Stande kamen. Die Untersuchung der Waffe und Munition verlief bakteriologisch negativ.

Nach dem Sektionsbefund sind die wichtigsten Faktoren in der Todesursache die Beschaffenheit des Herzens und die ausgedehnte Pankreasnekrose.

Mohr (Bielefeld).

26) S. Sjöwall. Melancholica, die Autolaporotomie macht und dabei den Darm lädirt. Operation nach 10 Stunden. Heilung. (Hygiea Jahrg. 63 Bd. I. p. 286. [Schwedisch.])

Die Hauptsache der Krankengeschichte ist in der Überschrift angegeben. In der rechten Fossa iliaca lag die Bauchwunde, und eine etwa faustgroße Partie der Gedärme Blinddarm und Colon ascendens war, fast zur Unkenntlichkeit serrissen, aus dem Bauche hervorgestülpt. Resektion des Coecum und von 5 cm des Colons, Vernähung des Colonendes und Implantation des Ileum dicht ober- halb der Nahtlinie; Drainage der Bauchhöhle. Die Heilung verlief sehr gut, nur durch eine sur Fossa iliaca dextra lokalisirte umschriebene Peritonitis komplieirt. Diese exacerbirte in der 3. Woche, wobei sich eine Eiteransammlung im Drainage- kanal entleerte. A. Hansson (Cimbrishamn).

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27) E. Siajmer. Ein Fall von Laparotomie wegen traumatischer Darmruptur. (Liecniöki viestnik 1901. No. 10. [Kroatisch.])

Verletzung durch Fall von 4 m Höhe und Auffallen eines großen Brettes auf den Bauch. Bewusstlosigkeit. Starke Schmerzen im Bauch, kein Erbrechen.

Bauch eingezogen, tetanische Kontraktion der Bauchmuskeln. Keine Flanken- dämpfung. Leberdämpfung unverändert.

Bei der Laparotomie, 6 Stunden nach der Verletzung, fand Verf. dünnen serösen Eiter mit Chymus vermengt. Das Bauchfell zeigt eitrigen und fibrösen Belag. Am Übergange des Jejunum in das Ileum eine 1 cm lange Perforation. Unweit davon ein 2 cm langer und 1 om breiter Serosariss. Naht. Austupfen des Exsudate; Abwischen der Auflagerungen mit in leichte Lysollösung getauchten Kompressen. Reinigung des Darmes mit warmer Kochsalslösung. Drainage der Bauchhöhle.

Verlauf reaktionslos. Heilung. Y. Cačković (Agram).

28) Subbotió (Belgrad). Chirurgische Beiträge. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 9.)

1) Seltene Darmverletzung: 27jähriger Bauer mit 2 Jahre bestehendem künstlichem After der Leistengegend nach Stoßverletzung durch das Horn eines Stieres. An der hinteren Wand des etwa franksstückgroßen Afters, deren Schleim- baut mäßig vorgefallen ist, findet sich folgender eigenartiger Befund. Es zeigen sich (abgesehen von zuführendem und abführendem Schenkel) an dieser Schleim- baut zwei Lichtungen an den Enden eines unter dieser Schleimhaut belegenen etwa 4 em langen Rohres, das innen mit Darmschleimhaut ausgekleidet ist und der Achse des durch den After eröffneten Darmes etwa parallel verläuft. An den beiden Lichtungen geht die innere Rohrschleimhaut in die der hinteren Wand des Darmes über. Es hatte also den Anschein, als ob unter der Schleimhaut dieser hinteren Wand des eröffneten Darmes ein mit Schleimhaut bekleidetes Rohr durch- gesteckt wäre. Etwas weiter, ebenfalls an der Hinterwand, fand sich eine quer- gestellte, 3 om lange, 1/2 cm breite, überall mit Darmschleimhaut bedeckte Spange.

Es wurde die cirkuläre Resektion mit vollem Erfolg vorgenommen.

Das Präparat wurde an Kolisko und Paltauf nach Wien gesendet, die folgende Deutung abgaben:

Nach dem Stiche, durch welchen das Horn den Darm eröffnete, invaginirte dasselbe im weiteren Vordringen eine Schleimhautfalte nach Art eines Handschuh- fingers, um sie dann an ihrer Kuppe zu durchstoßen. Hierdurch entstand die Spange. Derselbe Vorgang wiederholte sich dann in größerem Maßstabe, wodurch das erwähnte Schleimhautrohr entstand, in dem beide Male die invaginirte Schleim- haut, die an ihrer Kuppe durchstoßen wurde, in dieser invaginirten Lage verblieb, und die Schichten an der durohstoßenen Kuppe mit einander verwuchsen.

Die Verletzung betraf das untere Ileum.

2) Bubkutane traumatische Ruptur des Ductus hepaticus. 13jähriger Knabe wurde von einem schweren Balken am rechten Rippenbogen ge- troffen und zu Boden gedrückt, so dass die untere Brustöffnung in sagittaler Richtung komprimirt wurde. Bauchschmerzen, Singultus, Erbreohen, Meteorismus, Kräfteverfall. Operation sofort nach der 48 Stunden später erfolgten Aufnahme ins Hospital.

Gallig-blutige Flüssigkeit im Bauch, im Lig. hepatogastricum ein großer blutender Riss. Gallenblase vollkommen leer, unverletzt, eben so Ductus cysticus und choledochus. Dagegen waren beide Äste des Duotus hepatious ausgerissen. Wegen zunehmender Pulsschwäche kein Nahtversuch, Tamponade. Tod. Bei der Sektion fand sich noch ein flacher Riss an der Konvexität des rechten Leber- lappens. Hübener (Dresden).

24 Centralblatt für Chirurgie No. 1.

29) O. Vanderlinden. Un cas de p£ritonite pneumococcique. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. Februar.)

Die Affektion trat bei einer 19 Jahre alten Frau urplötslich mit Schüttelfrost auf, hohes Fieber, Erbrechen, stinkender Durchfall, Meteorismus stellten sich ein. Nach etwa 14 Tagen ließen diese Symptome nach, aber der Nabel schwoll und röthete sich. Am 17. Tage Laparotomie, welohe viel Eiter, falsche Membranen, Fibrinschwarten zu Tage förderte. Der Ausgangspunkt der Eiterung wurde nicht gefunden. Zunächst war der Verlauf nach der Operation günstig, am 27. Tage nach Beginn des Leidens trat Collaps, am 33. Tage der Tod ein. In dem Eiter wurde der Fränkel’sche Pneumoniecoccus in großer Menge gefunden. Die Ein- gangspforte, der Weg, den die Infektion genommen hat, blieb unentdeckt. Aus der Litteratur über Pneumokokkenperitonitis sind die Arbeiten von Weichsel- baum, Waterhouse (1890), Malapert (1897), A. Lippmann (1900) erwähnt.

E. Fischer (Straßburg i/E.).

30) O. Müller (Berlin. Zur Behandlung der akuten Bauchfellent- zundung. (Deutsche militärärstl. Zeitschrift 1901. August [Doppelheft).)

M. entschloss sich bei einem schweren Typhus mit Recidiv sur einfachen Er- öffnung der Bauchhöhle, als sich vom 47. Krankheitstage an die unzweifelhaften Anzeichen einer diffusen exsudativen Peritonitis einstellten. Der Schnitt wurde unter Atherbetäubung in Rückenlage mit Vermeidung jeder Lageveränderung in der rechten Seite von der 11. Rippe gerade abwärts I0 cm lang gemacht und ent- leerte 700 ccm sero-sanguino-purulenter Flüssigkeit; großer Tampon. Die Abson- derung war so beträchtlich, dass mehrmals täglich der Verband gewechselt werden musste; auch wurden wegen des erheblichen Wasserverlustes und zur Verdünnung der Toxine im Blut mehrmals Kochsalzlösung in Venen oder das Unterhautgewebe eingebracht. Nach 4 Tagen allmähliche Entfernung des Tampons, nach weiteren 4 Tagen Heilung der Wunde und allmählich auch der ganzen Krankheit. Bei der bakteriologischen Untersuchung der entleerten Flüssigkeit fand sich Bacterium coli in Reinkultur statt des erwarteten Typhusbacillus.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

31) André et Eichel (Nancy). Appendicite. Complications pleuro- pulmonaires. (Gas. hebdom. de méd. et de chir. 1901. No. 11.)

Die Diagnose bei der 20jährigen Frau wurde auf Appendicitis mit ausgedehnter Peritonitis und eitriger Pleuritis gestellt. Die typische Incision fand den Eiter- herd, welcher ausgiebig drainirt wurde. Trotzdem ließ das Fieber und die Dys- pno&, die schon vor der Operation bestand, nioht nach. Mehrere Probepunktionen und schließlich eine Incision in die rechte Pleura hatten ein negatives Resultat. Die Dyspnoë blieb. Schließlich starb die Kranke plötzlich, nachdem sie in einem heftigen Hustenanfall eine ziemliche Menge Eiters durch Lunge und Mund ent- leert hatte. Der subphrenische Abscess, der offenbar bestanden hat (keine Autopsie!), hätte eröffnet werden sollen. (Ref) W. Sachs Mülhausen i/E.).

32) Mühsam. Zur Differentialdiagnose der Appendicitis und des Typhus. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 32.)

M. operirte einen 32jährigen Pat., der wenige Tage zuvor aus vollem Wohl- befinden mit Schüttelfrost, heftigen Schmerzen in der lleosacralgegend erkrankt war. Es war etwas unterhalb des McBurney’schen Punktes eine deutliche, um- schriebene Schmershaftigkeit, Anfangs keine Resistenz; später wurde eine solche von Daumengröße bei tiefem Tasten in der Blinddarmgegend nachgewiesen. Milz- schwellung und Roseolen waren nicht vorbanden. Da sich der Zustand verschlech- terte, wurde unter der Diagnose eines der Perforation in die Bauchhöhle nahen

Centralblatt für Chirurgie. No. 1. 25

Empyems des Wurmfortsatzes zur Operation geschritten. Bei derselben fand man Netz vorliegend, das die Resistenz vorgetäuscht hatte. Dasselbe zog über den Blinddarm hinweg auf die laterale Seite und war mit einem etwa 5 cm langen Strange mit der Spitze des nach außen ziehenden Wurmfortsatzes verwachsen. Durch den so gebildeten Ring war der Blinddarm zum größten Theil durchge- schlüpft.

Am Wurmfortsatsz waren keine Zeichen einer frischen Entzündung. Dagegen zeigte der Blinddarm lateral und dicht neben der Tänie eine etwa 1/, cm im Durch- messer haltende blutig gefärbte Stelle, bedingt durch ein typhöses Geschwür, das bis zur Serosa vorgedrungen war. Übernähen des Geschwäürs durch zwei Reihen von Serosanähten.

Die Operation beseitigte sofort die vorher recht intensiven intestinalen Schmerzen.

In letzter Zeit hat Rendu eine Beobachtung und zwei Fälle aus der Litteratur mitgetheilt. Auch hier glich das Bild gans der Appendicitis. Der resecirte Wurm- fortsatz seigte eine geschwollene und geröthete Schleimhaut und enthielt ein Blut- gerinnsel. Nach 5 Tagen Tod. Die Autopsie ergab Typhus.

Auch in den beiden anderen Fällen wurde unter der Diagnose Appendicitis operirt.

M. glaubt im Gegensatz zu Rendu, der die Schwellung und Exsudatbildung im Wurmfortsatz für die Ursache hält, den lokalisirten Schmerz bedingt durch das bis zur Serosa vorgedrungene Typhusgeschwür. Er hält desshalb die Entfernung des Wurmfortsatzes in diesen Fällen für überflüssig. Borchard (Posen).

33) Coste. Etude de quelques cas rares d’hematomes de la fosse iliaque droite, ayant simulé l’appendicite. Thèse de Paris, G. Steinheil, 1901.

Verf. theilt mehrere Fälle von akut entstandenen Blutergüssen der rechten Darmbeingrube mit, welche unter dem klinischen Bilde einer Appendicitis ver- liefen. Der Sitz ist verschieden: im subperitonalen Bindegewebe, in der Bauch- höhle, in der Psoasscheide. Verursacht wird der Erguss durch Ruptur variköser Venen des Uterus und der Ovarien im Verlaufe einer Schwangerschaft, ferner durch Ruptur variköser Venae spermaticae. Verf. hält Incision und Drainage des Er- gusses in allen Fällen für angezeigt. Mohr (Bielefeld).

34) P. Londe und R. Monod. Tympanisme hysterique, laparotomie recidive. (Gaz. hebdom. de méd. et de chir. 1901. No. 17.)

Innerhalb 5 Jahren zweimalige Laparotomie eines 33jährigen Mannes wegen eines als Bauchfelltuberkulose angesprochenen Zustandes. Nach jedem Eingriff vorübergehende Besserung.

In einem offenbar bierhergehörigen, vom Ref. operirten Falle wurde wegen hochgradigster abdomineller Beschwerden mit Lokalisation in der rechten Fossa iliaca bei einem jungen Mädchen die Entfernung des Wurmfortsatzes ausgeführt, der kleinfingerdick und in Verwachsungen fest eingebettet war. Die Beschwerden ließen nicht nach; statt dessen entwickelte sich ein Zustand allgemeiner Ab- magerung, bei dem Mangels jeglicher Lokalisation und wegen der Unterleibs- beschwerden schließlich an Bauchfelltuberkulose gedacht wurde.

Nach 11/4 Jahr, während welcher Zeit (wegen des langen Verlaufs!) die Dia- gnose wieder in Zweifel gezogen wurde, war die Inanition so weit vorgeschritten, dass sich eine akute hallucinatorische Verwirrtheit entwickelte, welche aus äußeren Gründen die Überführung in eine Irrenanstalt nöthig machte. In dieser nahm das Mädchen, das in Betten verpackt dorthin transportirt worden war, vom zweiten (!) Tage an Nahrung zu sich, wie seit Jahren nicht, stand am achten Tag aus dem Bett auf, das es seit 11/4 Jahren nicht verlassen hatte und stieg in 6 Wochen in ihrem Körpergewicht von 64(l) auf 98 Pfund. (Hysterie?)

W. Sachs (Mülhausen i/E.).

26 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

35) B. Bundsohuh. Zur Pathologie und Therapie der Bruchein- klemmung. (Beitrāge sur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 2.)

Verf. erstattet Bericht über 231 Fälle von eingeklemmten Brüchen aus der Czerny’schen Klinik und verbreitet sich ausführlich über Entstehungs- weise, anatomisches und klinisches Bild so wie die Behandlung derselben. Nur auf den therapeutischen Theil soll hier eingegangen werden. Die Taxis bedeutet nach B. rücksichtlich ihrer Gefahren eine »höchst zweifelhafte Manipulation«, doch giebt es Fälle (stercorale Incarceration, alter, schon lange bestehender Bruch), wo sie trotzdem mit Vortheil angewendet werden kann. In der Czerny’schen Klinik wurden dem entsprechend Taxisversuche bei Schenkelbrüchen nur ausnahmsweise, bei sonstigen Brüchen nur ab und zu vorgenommen. Der Herniotomie sollte, wo der Magen nicht leer ist, stets eine Magenspülung vorangehen, um möglichst den Gefahren einer Aspiration bei etwaigem Erbrechen vorzubeugen. Bei der Frage, ob der eingeklemmte Darmabschnitt reponirt werden darf oder nicht, ist auf den Zustand des zuführenden Scherkels besonderes Augenmerk zu richten. Bei 9 von Verf.’s Fällen war der Tod direkt mit der Reposition in Zusammenhang zu’ bringen. Der Regel nach folgte auf die Herniotomie die Radikaloperation, und zwar meist nach Üzerny’s Methode. Für kontraindicirt galt sie 1) bei ausgedehnter Phleg- mone des Bruchlagers, 2) bei Resektionen, bei welchen die Anastomose nicht zu- verlässig erschien, 3) bei Bestehen peritonitischer Symptome. In der Nachbehand- lung wurde die früher übliche Opiumdarreichung aufgegeben, und durch Einläufe vom 2. Tage ab auf Stuhlentleerung hingewirkt. Bei brandigen Brüchen galt seit mehreren Jahren die primäre Resektion als das Normalverfahren, der Kunstafter wurde nur auf die schwersten Fälle beschränkt. »Er bietet so viele Nachtheile und Unannehmlichkeiten, dass seine Anwendung nur ein Nothbehelf sein sollte.«

Was die Resultate der Herniotomien betrifft, so betrug die Gesammtsterblich- keit 18%, sie war weitaus am höchsten bei den Nabelbrüchen (50%), bei Leisten- und Schenkelbrüchen annähernd gleich. Von 44 brandigen Brüchen verliefen 22 tödlich; die Sterblichkeit der primär resecirten Fälle belief sich auf 33%, die- jenige des künstlichen Afters auf nicht weniger als 71%. Den Schluss der Arbeit bildet eine Zusammenstellung der Operationserfolge aus der Litteratur.

Honsell (Tübingen).

36) B. Krafft (Rostock). Uber lokale und allgemeine Schädigungen in Folge von Taxisversuchen incarcerirter Hernien. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 2.)

Verf. hat sich die dankenswerthe Aufgabe gestellt, auf die vielfachen Gefahren der Taxisversuche bei eingeklemmten Brüchen hinzuweisen. An der Hand von Fällen der Litteratur so wie eigener Beobachtungen bespricht er zunächst die Reposition en bloc und ins properitoneale Gewebe, dann die Blutungen in die Darmlichtung, in das Mesenterium und in den Bruchsack, die Quetschungen und Zerreißungen des Darmes, Achsendrehungen desselben, die Schädigungen der Bruchsack wand so wie einige andere seltenere Schädigungen, welche in Folge der Taxis entstehen können. Mit vollem Recht weist K. darauf hin, dass derartige Vorkommnisse keineswegs so selten sind, als man nach den spärlichen Litteraturangaben schließen sollte, und kommt zu dem Schlusse, dass ein schonender Taxisversuch nur in Fällen von Incarceratio stercoralis, wo die Bruchpforte sehr weit, der Darminhalt breiig und das Allgemeinbefinden noch gut sei, indieirt wäre. In irgend zweifel- haften Fällen solle dagegen selbst von ganz schonenden Taxisversuchen abgesehen und sofort zur Operation geschritten werden. Honsell (Tübingen).

37) Preindisberger. Über Darmblutungen nach Reposition incarce- rirter Hernien. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 14.) Mittheilung zweier derartiger Beobachtungen unter Angabe und Besprechung der über diesen Gegenstand vorhandenen Litteratur (14 Fälle.)

Centralblatt für Chirurgie. No. 1. 27

Der 1. Fall betraf einen 24jährigen Pat., bei welchem nach 12stündiger Ein- klemmung eines kindskopfgroßen Scrotalbruches in Narkose die Reposition gelang. I Stunde darauf Stuhlentleerung mit etwa 1/3 Liter Blut. Etwas später die gleiche Menge. Am nächsten Tage abermalige Stuhlentleerung mit Blut. Von da ab kein blutiger Stuhl mehr. Heilung. Radikaloperation verweigert.

Im 2. Falle wurde wegen derselben Verhältnisse wie im ersten die Operation vorgenommen. Im Bruchsack ein Konvolut von einer mehr als 2m langen Dünn- darmschlinge; ein etwa 30—40 cm langer Theil derselben schwarzroth verfärbt, die Serosa dieses Darmschnittes aber glänzend und glatt, die Darmwand suceulent. Das geschwellte Mesenterium zeigt einige subseröse Hämorrhagien; eine deutliche Sehnürfurehe nicht ausgeprägt. Reposition. Radikaloperation nach Bassini.

Im Verlauf der ersten Nacht 4 blutige Stühle, am nächsten Tage gegen Abend teichliche Entleerung von blutigem Stuhl Am 5. Tage unter Collaps Tod.

Bei der Obduktion fand sich das eingeklemmt gewesene Ileum in einer Aus- dehnung von etwa 21/ m (also fast des ganzen Ileum) graublau verfärbt, mit scharfer Grense, 2 m oberhalb der Ileocoecalklappe ins Gesunde übergehend. Die Schleim- haut dieses Abschnittes dunkelblauroth verfärbt, diphtherisch verändert, theils mit Schorfen belegt, theils geschwürig zerfallen. Der spärliche Inhalt der Schlingen ist deutlich schokoladefarben. Operationswunde reaktionslos.

Hübener (Dresden).

35) F. de Quervain. Über den seitlichen Bauchbruch. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1.)

Verf. veröffentlicht einen interessanten Fall, welcher beweist, dass die als seitlicher, angeborener Bauch- oder Lendenbruch geltende Erkrankung nicht immer durch einen kongenitalen Defekt entstanden ist, sondern dass ein diesem Leiden analoger, klinisch kaum von ihm zu unterscheidender Symptomenkomplex vor- kommt, welcher durch eine Atrophie und Schwäche der Muskulatur eingeleitet wird. Q. konnte bei dem von ihm operirten Pat. nachweisen, dass es sich in der That nirgends um eine angeborene Muskellücke handelte. Die mikruskopische Untersuchung eines beim Eingriff excidirten Muskelstückes erhärtete dagegen die Atrophie der Bauchmuskulatur. Er vermuthet als Atiologie eine Erkrankung des Nerrus subcostalis, welcher die in Betracht kommenden Muskeln versorgt.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

39) Albu. Vorstellung eines Falles von Carcinoma ventriculi. (Verein für innere Medicin. Sitzung am 8. Juli 1901.) (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 31.)

Beginn der Erkrankung bei der 42jährigen Pat. vor 4 Jahren. Bei der Unter- suchung fand sich rechts vom Nabel eine daumendicke und daumenlange eigen- artige, fast weiche Resistenz. Daneben eine recht beträchtliche Gastrektasie, freie Salssäure, eine beträchtliche Menge Sarcine. Es wurde desshalb die Wahrschein- lichkeitsdiagnose auf gutartige Pylorusstenose gestellt. Auch bei der Operation (Dr. Lexer) schaffte erst die Eröffnung des Magens Klarheit, in dem sie eine hochrothe, papillomatöse Geschwulst von mehr als Apfelgröße aufdeckte, die der hinteren Magenwand aufsaß und den Pylorus stark verengt hatte. Bei der Exstir- pation musste mehr als ein Drittel des Magens entfernt werden. Magen und Duodenum wurde jedes für sich verschlossen und die Gastroenterostomie an der tiefsten Stelle der hinteren Magenwand angelegt. Glatte Heilung, gutes Resultat. Die mikroskopische Untersuchung zeigte ein typisches Adenocarcinom. Interessant ist der Fall desshalb, weil es sich erstens um ein Papillom handelte. Gewöhnlich sind dieselben gutartiger Natur. Entweder hat nun zufälligerweise ein Carcinom diese Form angenommen, oder aber eine ursprünglich gutartige Neubildung ist, earcinomatös degenerirt. Weiter hat offenbar ein latentes Stadium des Carcinoms jahrelang bestanden; endlich ist auffallend das Auftreten von Sarcine in dem careinomatösen Magen. Borchard (Posen).

28 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

40) Hedlund und Hellström. Beitrag zur Kenntnis der Myome des Darmes. (Hygiea Jahrg. 63. p. 363. [Schwedisch.))

Veranlasst durch einen operativ behandelten Fall von Myoma laevicellulare des Jejunum liefern Verf. eine monographische Darstellung der heutigen Lehre von den Darmmyomen. In verschiedenen Abtheilungen der Arbeit werden mit Berück- sichtigung der einschlägigen Litteratur die Geschichte, Histogenese und pathologi- sche Anatomie, die klinischen Symptome, die Diagnose, Prognose und Behandlung ausführlich besprochen. In dem von den Verff. beobachteten Falle war die Ge- schwulst ein seit 6 Jahren herangewachsenes äußeres Jejunummyom, welches, mit einer Darmschlinge verwachsen, mit der Basis von einer Stelle des Mesenterium ausging, wo ein Paar Gefäße an dasselbe herantraten. Er schien also für die sog. Gefäßtheorie der Uterusmyome (Klebs, Rösger und Gottschalk) zu sprechen. Ein Theil der mannskopfgroßen Geschwulst zeigte sich bei der Ope- ration cystös degenerirt. Die histologische Untersuchung ergab, dass die Cysten- räume durch degenerirte Processe, ödematöse Durchtränkung und Hämorrhagien mit darauffolgender Atrophie des festen Myomgewebes entstanden und ausgebildet waren. Bei der Laparotomie wurde die Geschwulst durch Enukleation ohne Er- öffnung des Darmes entfernt. Heilung ete. An die von Steiner zusammen- gestellten 24 Operationen wegen Darmmyom reiht sich der Fall der Verf. als 25. an. Pat. ist noch nach 3 Jahren recidivfrei.

| A. Hansson (Cimbrishamn).

41) E. Fuchsig. Zur Kasuistik der Darmlipome. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 8.)

4Tjähriger Pat., der nie an gröberen Störungen der Darmthätigkeit gelitten hat, erkrankt unter stürmischen Ileuserscheinungen. Bei der Operation (Ewald) stellt sich eine etwa 50 cm oberhalb der Ileocoecalklappe gelegene 20 cm lange Invaginationsgeschwulst des Ileum ein.

Die Invagination ist leicht lösbar, an ihrer Kuppe tastet man im Darm eine walnussgroße Geschwulst, bei deren Verschiebung eine nabelurtige Einziehung der Dünndarmwand erfolgt. Entleerung der geblähten Dünndarmschlingen mittels Incision, Vernähung der Schnittöffnung. Die Basis der Geschwulst wird durch zwei bogenförmige Längsschnitte umschnitten, die Geschwulst entfernt und der Wanddefekt durch zweireihige Längsnaht geschlossen. Heilung durch großen Bauchdeckenabscess, von der Naht ausgehend, komplieirt.

Die mikroskopische Untersuchung der Geschwulst ergab ein submuköses Lipom.

Außer dem mitgetheilten sind im Ganzen bislang 24 Fälle von Darmlipomen bekannt, darunter nur 5 im Dünndarm, 3 davon im Jejunum, die beiden anderen (der hier beschriebene und ein früher publieirter) im Ileum; ein Fall betraf den Magen, einer das Duodenum. Die anderen gehörten dem Blind-, Dick- und Mast- darm an. Nach dieser Zusammenstellung bestünde die Angabe Virchow’s, dass die Lipome der Submucosa des Darmes im Magen und oberen Dünndarmabschnitten am häufigsten wären, nicht zu Recht. Hübener (Dresden).

42) Th. Fisher. Some cases of displacement of abdominal viscera. (Bristol med.-chir. journ. 1901. September.)

Verf. beschreibt unter Beifügung von Skizzen eine Reihe von Sektionsbefunden, bei denen es sich um eine abnorme Lagerung der Eingeweide handelte. Folgende Fälle haben chirurgisches Interesse:

1) Angeborene Verlagerung des Blinddarmes dicht an die Lendenwirbel, direkt unterhalb des an normaler Stelle liegenden Duodenums. Die Hinterwand des Blinddarmes war nicht vom Bauchfell bedeckt, der Wurmfortsatz zog nach oben rechts bis zum Rippenrand. Es bestanden keine Verwachsungen; der 38jährige Mann starb an Knieeiterung.

Centralblatt für Chirurgie. No. I. 29

2) Angeborene Verlagerung des Blinddarmes .nach oben rechts, zum Theil swischen vorderer Bauchwand und vorderer Leberoberfläche, sehr langes Meso- coecum, so dass der nicht fixirte Blinddarm leicht an seinen normalen Sitz ver- schoben werden konnte. 32jāhrige Frau. Tod an Herzfehler.

3) Primärer Blinddarmkrebs, in Folge dessen hochgradige Erweiterung des Dünndarmes, wodurch wiederum Quercolon und Magen nach oben zwischen Bauch- wand und vordere Leberoberfläche verlagert wurden. Letztere zeigte deutlich Ein- drücke, entsprechend den verlagerten Eingeweiden.

4) Verlagerung des Quercolon hinter die Dünndärme und Verwachsung des- selben mit dem Uterus in Folge pelveoperitonitischer Adhäsionen und entzünd- licher Schrumpfung des großen Netzes. Mohr (Bielefeld).

43) V. Subboti6. Ein Fall von sehr ausgedehntem Volvulus. (Srpski arhiv za celokupno lekarstvo 1901. No. 7. [Serbisch.])

Bei einer Laparatomie wegen Ileus fand S. einen Volvulus fast des ganzen Dünndarmes, nur ein kleiner Theil des Jejunum und das Endstück des Ileum waren frei. Der Darm war um 180° im Sinne des Uhrzeigers torquirt. Leichte Detorsion. Heilung. Cačković (Agram).

44) J. H. Bryant. Acute intestinal obstruction caused by the ileum becoming adherent to a lithopedion. (Guy’s hospital reports Vol. LV.) London, J. & A. Churchill, 1901.

Aus der interessanten Krankengeschichte, die durch eine sehr klare Abbil- dung veranschaulicht wird, sei erwähnt, dass es sich um eine 37jährige Nullipara handelte, die, abgesehen von einer 5monatlichen Amennorrhoe vor 2!/a Jahren, keinerlei Symptome einer Gravidităt gezeigt hatte. Schon damals hatte sie eine 5 Tage dauernde Verstopfung gehabt, die auf Einläufe behoben wurde. Jetzt be- gannen die Verstopfungserscheinungen am 16. November 1899 im Anschluss an eine reichliche Mahlzeit und steigerten sich bis zum 23. November zu vollem Ileus. Erst am 29. November wurde bei bereits bestehendem starkem Collaps laparoto- mirt (Dunn). Die eingeführte Hand fühlte eine steinharte Masse im Becken; in der Annahme einer Geschwulst wurde bei dem reducirten Zustande der Pat. auf einen größeren Eingriff verzichtet, eine aufgeblähte Dünndarmschlinge vorgelagert und ein Rohr eingeführt. Tod bald nach der Operation.

Die von B. ausgeführte Obduktion ergab ein einem 5monatlichen Fötus ent- sprechendes Lithopädion, mit dem eine Dünndarmschlinge an zwei Stellen verwach- sen war unter deutlicher Knickung. Zwischen den verwachsenen Schlingen war eine dritte hindurchgeschlüpft und eingeschnürt. Weiter oben am Kopfe des Litbopädion war abermals eine Dünndarmschlinge unter mäßiger Knickung ange- wachsen. Es wurden noch deutlich erhaltene Placentarreste aufgefunden und mikro- skopisch als solche festgestellt. R. v. Hippel (Kassel).

45) Bogoslawski. Laparotomie wegen Volvulus. (Chirurgia Bd. VII. p. 179. [Russisch.))

Zurückdrehung der 3mal umgedrehten Flexura sigmoidea. Heilung. Fall aus der Semstwo-Praxis, E. Braatz (Königsberg i/P.).

46) Chlumsky. Zwei Fälle von Achsendrehung des Coecums. (Wiener klin. Rundschau 1901. No. 33.)

Verf. hat eine 26jährige Frau wegen eines Volvulus des Blinddarmes, verbunden mit Invagination des untersten Dünndarmabschnittes, dadurch geheilt, dass er swischen Colon transversum und einer Dünndarmachlinge eine Enteroanastomose schuf. Das zum Theil gangränöse, ausgeschaltete Stück konnte wegen des elenden Zustandes der Frau nicht resecirt werden, es wurde in die Bauchwunde eingenäht;

30 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

später schrumpfte es so stark, dass eine spontane Heilung per granulationem nur durch eine Hautnaht unterstützt werden brauchte. Ein 2. Fall wurde dem Verf. moribund eingeliefert und starb unoperirt. Schmieden (Bonn).

47) Grillo. Sopra un caso di splenomegalia tubercolare. (Gazs. med. di Torino 1901. No. 37.)

19jährige Frau, frei von Malaria, war Trägerin einer Milzgeschwulst, die unter Gefühl von Schwere und Schmerzen im linken Hypochondrium sich entwickelt hatte. Die Milz reichte nach rechts bis I Querfingerbreit von der Mitte nach unten 2 cm über die Nabelhöhe. Verhältnis der weißen zu den rothen Blutkörperchen wie 1: 592.

Carle machte die Milzexstirpation von einem medianen Schnitt aus. Das Lig. gastrolienale wird partienweise mit Seide unterbunden. Schwierigkeit machte die Trennung der Verbindung mit dem Zwerchfell. Am 10. Tage Bronchopneu- monie links hinten unten, die zu mehrwöchentlichem Fieber führt. Sonst glatte Heilung. 5 Wochen nach der Operation Blutkörperchen wie 1:313. Die weißen zählten 12533 gegen 7 826. Hämoglobin 63% gegen 80 früher.

Die Milz wog 1075 g, war glatt, von normaler Konsisteng. durchsetzt mit zahl- reichen, grauen Knötchen. Mikroskopisch ergab sich das Vorhandensein unzähliger miliarer typischer Tuberkel, theils in den Follikeln, theils in der Pulpa gelegen. Die Forschung auf Tuberkelbacillen blieb negativ.

Fälle von primärer Milstuberkulose mit dem klinischen Bild der Pseudoleuk&- mie sind in einigen Fällen aus der Litteratur beschrieben.

E. Pagenstecher (Wiesbaden).

48) C. Willoms. Déviation opératoire de la circulation porte. (Journ. de chir. et ann. de la soe. belg. de chir. 1901. No. 5.)

W. führte bei einem 5 Jahre alten an beständigen gastrischen Störungen leidenden Jungen die, 1889 von Talma angeregte, in demselben Jahre von Van der Meulen, seither von mehreren Chirurgen ausgefuhrte Ableitung des Pfort- aderblutes nach den Bauchwandvefäßen hin in der Weise aus, dass er rechter- seits neben dem Rectus abdominis laparotomirte, einen großen Theil des großen Netzes vorzog, die Basis dieses Netzlappens an die Peritonealränder von oben bis unten annähte, alsdann stumpf das Bauchfell vom Rectus abdominis löste und in diese Tasche hinein das ganze vorliegende Netzstück lagerte. Alsdann nähte er Muskeln und Haut darüber zu. Es trat prima intentio ein. Die kollaterale Cirku- lation vom Netz zu den Bauchwandungen machte sich durch Abschwellung von Milz, Leber und Gekrösdrüsen sehr bald in wohlthuender Weise geltend. Das Allgemeinbefinden besserte sich entsprechend. W. führt die 14 ihm bekannt ge- wordenen einschlägigen Fälle in einer Tabelle auf. Schiassi hat etwa 10 Fälle seit 1899 in der Litteratur finden können. E. Fischer (Straßburg i/E.).

49) Bucco. Malattia del Banti. Risultamenti ottenuti coll’ operazione di Talma. (Med. Klinik zu Neapel.) (Nuova rivista clin.-terap. 1901. No. 6.)

Talma’sche Operation bei Lebercirrhose. Das Netz wird in eine durch Ab- lösung des Bauchfells von der Hinterwand der Recti gebildete Tasche eingenäht. Schon nach 8 Tagen sichtbare Entfaltung von Venen in den Bauchdecken.

E. Pagenstecher (Wiesbaden).

50) Patel. Trois cas d’absces du foie, traites par l’incision trans- pleurale. (Gag. hebdom. de med. et de chir. 1901. No. 48.)

I. Der erste Fall, einen 36jährigen Herrn betreffend, trat im Anschluss an einen Aufenthalt in den Kolonien (Malaria) auf. Die Diagnose wurde gestellt aus:

Centralblatt für Chirurgie. No. 1. 31

1) Schmerzpunkt an den falschen Rippen der rechten Seite. 2) Athemnoth. 3) Fieber von 39,5°. 4) Leberdämpfung, welche hinten bis zum 9. Interkostalraum steigt. 5) Röthung und Ödem hinten unten. Die Incision wurde im 8. Interkostalraum gemacht, das Zwerchfell an die Haut angenäht. Heilung.

II. Die Diagnose des Leberabscesses wurde bei dem 42jährigen Kranken aus Vergrößerung und Schmerszhaftigkeit der Leber und Fiebererscheinungen gestellt. Bei der über dem Nabel ausgeführten Laparotomie wurde nichts gefunden, desshalb sofort im 8. Interkostalraum in der rechten Axillarlinie transpleural eingegangen. Auf der konvexen Leberoberfläche präsentirte sich ein Sack, aus dem sich nach Incision stinkender Eiter mit Echinokokkenblasen entleerte. Heilung nach mehr- fachen gefährlichen Zwischenfällen (Empyem, Thrombosen).

III. Die Diagnose des Falles (27jähriger Mann) war unsicher, daher Median- schnitt über dem Nabel wie bei II. Von vorn her konnten über dem rechten Leberlappen feste und zahlreiche Verwachsungen mit dem Zwerchfell nachgewiesen werden, doch war diese Stelle von vorn her nicht gut zugänglich. Daher wird die transpleurale Eröffnung im 8. Interkostalraum seitlich ausgeführt, welche den Abscess trifft. Uber die Natur des Eiters sind keine Angaben gemacht. Heilung, welche durch ein Empyem komplicirt wurde. W. Sachs (Mülhausen i/E.).

51) @. Naumann. Fall von Leberresektion.

(Hygiea Jahrg. 63. Bd. I. p. 659. [Schwedisch.))

Pat., eine 39jährige Frau, hatte 5 Monate vor der Aufnahme Magenschmerzen bekommen und bemerkte dann eine Geschwulst im Epigastrium; erst seit 3 Wochen Schmerzen und Unannehmlichkeiten bei Körperbewegungen. Die Untersuchung ergab eine bewegliche, 12><5 cm große, quergelagerte, unempfindliche, knollige Geschwulst. Magenaufblähung änderte nichts, während Aufblähung des Dickdarms die Geschwulst empor su treiben schien.

Laparotomie in der Mittellinie. Die Geschwulst saß im linken, sehr beweg- lichen Leberlappen, der durch die Bauchwunde vorgezogen werden konnte. Unter Digitalkompression wurde der Lappen langsam mit dem Thermokauter durch- gebrannt. Ein paar größere Gefäße wurden mit Katgut umstochen, die Ränder der Leberwunde dann mit dicken tiefgreifenden Katgutsuturen so weit wie mög- lich zusammengenäht. Die Wunde wurde mit Jodoformgazestreifen bedeckt und diese aus der Bauchwunde herausgeleitet. Das Nets, in groBer Ausdehnung mit der Geschwulst verwachsen, war vorher ausgiebig resecirt worden. Heilung mit normalem Verlauf; Pat. wurde nach einem Monat geheilt entlassen.

Nach der pathologisch anatomischen Untersuchung (Dr. Vestberg) hatte es sich um ein Syphilom in sehr frühem Stadium gehandelt. Anamnestisch war Lues nicht nachgewiesen. Hansson (Cimbrishamn).

52) Patel. Sur un cas d’exocholecystopexie. (Gas. hebdom. de méd. et de chir.) 1901. No. 8.)

Bei einer 30jährigen Frau mit Anfällen von Gallensteinkolik und leichtem Ikterus wird im rechten Hypochondrium eine birnengroße, bewegliche, resistente Geschwulst gefunden, die als die enorm erweiterte Gallenblase angesehen wird. Nach ausgiebiger Incision der Gallenblase, Entleerung derselben und Entfernung zweier Cysticussteine wird die Gallenblase vor die Bauchwunde gelagert und in dieser fixirt, die letztere ober- und unterhalb geschlossen. Die Folge dieses Eingriffs war eine allmähliche Schrumpfung der Gallenblase und eine Gallenfistel, die sich nach einigen Monaten schloss. Wegen hochgradiger Veränderungen der Gallenblasen- wand bis sum Ductus cysticus war im Falle P.'s, der von Jaboulay operirt wurde, weder die Cholecystostomie noch die Cholecystektomie rathsam.

W. Sachs (Mülhausen i/E.).

53) F. Selberg. Traumatische Pankreasnekrose. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 36.)

Ein 39jähriger Mann erhielt einen Hufschlag in die Magengegend, wurde be- wusstlos, erlangte erst nach einiger Zeit das Bewusstsein wieder, klagte, ohne

32 Centralblatt für Chirurgie. No. 1.

dass eine äußerliche Verletzung zu sehen gewesen wäre, über Schmerzen in der Magengegend. Es schloss sich daran ein Krankenlager an, bis nach 20 Tagen Tod an Peritonitis eintrat. Bei der Sektion zeigte sich nebst zahlreichen Fett- nekrosen im Netze der Kopf des Pankreas völlig nekrotisch, der übrige Theil des Pankreas hämorrhagisch infiltrirt, missfarben gelblich, trübe Die Pankreas- und die Fettgewebsnekrose, welche zweifellos mit dem Trauma im Zusammenhange stehen, lassen sich auf zweifache Weise erklären. Entweder entsteht die Nekrose durch die Einwirkung des aus der Verletzungsstelle austretenden Sekrets auf das Pankreas und das intraabdominale Fett, womit stimmt, dass die Nekrosen am zahlreichsten in der Nähe der Verletzung beobachtet worden sind, oder es könnten durch das Trauma primär Nekrosen entstehen, die sich ausbreiten und in denen sich sekundär Bakterien ansiedeln. J. Schulz (Barmen).

54) Jaboulay. Kyste du pancréas. (Soc. de chir. de Lyon 1901. Juli 18.)

J. operirte eine cystische Geschwulst des Pankreas bei einem 16jäbrigen Pat. Der chemisch genau untersuchte Cysteninhalt enthielt u. A. eine durch Alkohol gefällte Substanz, welche alle Fähigkeiten des normalen Pankreassaftes besaß. Die dicke Cystenwand war mikroskopisch aus Epithelzellen verschiedenster Form zu- sammengesetzt; die zunächst dem Hohlraum gelegenen waren von gleichmäßiger Form, zwischen ihnen zahlreiche Hämorrhagien. Die ausgeprägte Metatypie der Zellen wies darauf hin, dass es sich nicht um eine einfache Cyste, sondern um einen cystischen und hämorrhagischen Theil einer Geschwulst epithelialen Ur- sprungs handelte. | Mohr (Bielefeld).

55) Schloffer. Über Geschosse im Arterienlumen.

(Aus dem Verein deutscher Ärzte in Prag vom 1. Februar 1901.) (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 11.)

S. berichtet über den Verlauf des am 23. November 1900 vorgestellten Falles von ischämischer Lähmung der Muskulatur des rechten Vorderarmes nach Schuss- verletzung des Thorax (s. C., f. Chir. 1901 p. 975). Es stellte sich die Nothwendig- keit der Extraktion des Geschosses ein. Dasselbe saß in der Lichtung der Arteria axillaris, die an dieser Stelle erweitert und von verdünnter Wand war. Zwischen letzterer und Geschoss kleine Menge Eiter. Arterie oberhalb und unterhalb des Geschosses thrombosirt. Doppelte Unterbindung. Heilung.

Ein ähnlicher Fall ist folgender: Einem 17jährigen Pat. ging eine Flobert- Pistole in der rechten Hosentasche los. Einschuss in der Mitte des linken Ober- schenkels, kein Ausschuss, Abgeschwächter Puls in der linken Art. tib. post. gegen rechts, in der linken A. dors. pedis kein Puls. Röntgenbild zeigte das Geschoss ungefähr an der Theilungsstelle der Art. poplitea. Bei der Operation (circa 6 Wochen später) fand es sich in der Lichtung der Arteria tib. antica, etwa fingerbreit unter der Theilungsstelle der Art. poplitea. Auch hier war die Arterie erweitert, die Wand verdünnt, oberhalb und unterhalb des Geschosses Thrombose, nach oben bis an die Theilungsstelle der Poplitea und in die Art. tih. post. sich fortsetzend. Nach Lösung des Schlauches pulsirte weder antica noch postica im Operationsbereich. Doppelte Unterbindung der Art. tib. antica. Heilung. Es ist nicht anzunehmen, dass das Geschoss vom Einschuss aus in die Art. tib. antica direkt gelangt sei, vielmehr dürfte es in die Art. cruralis gelangt sein, ohne die hintere Wand zu perforiren. Dann wurde es embolisch in die Tib antica. ver- schleppt. Hübener (Dresden).

Berichtigung. P.1240 d. Bl. 1901 Z. 14 v.u. lies Ulnae statt radii.

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E. vu Bergman, P, Kiti, E Ritter

Neunundzwanzigster Jahrgang.

TE —— Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 2. Sonnabend, den 11. Januar. 1902.

Inhalt: F. Hölscher, Zur Behandlung der Ischias. (Original-Mittheilung.)

1) Klemm, Erysipel. 2) Koch, Rotz. 3) Poncet, 4) Ravenel, 5) Frazier und Biggs, Tuberkulose. 6) Vinas, Ecbinokokkenflüssigkeit. 7) Burkhardt, 8) Kreibich, 9) Woltors, 10) Ashihara, 11) Unna, Zur Geschwulstiehre. 12) Casall, Konservative Chirurgie. 13)Dor, Vorbereitung zu chirurgischen Operationen. 14)Unna, 15) Schaefer, Händedesinfektion. 16) Credé, Silber als inneres Antisepticam. 17) Schlofler, Trigeminusresektion. 18) Sieur, 19) Alsen, Nasennebenhöhlen. 20) Boennecken, Zabnextraktion. 21) Schlesinger, Syringomyelie. 22) Joseph, Pott'scher Buckel. 23) Desvernine, Innervation des Gaumensegels. 24) v. Eiselsberg, Krankheiten der Schilddrüse. 25) v. Mikulicz und Reinbach, Kropf. 26) Arnsberger, Pneumothorax.

M. W. Herman, Über einen nenen Behelf zur Asepsis der Hände während der Ope- ration. (Original-Mittheilung.)

27) Mertens, 23) Linser, 29) Krische, 30) Achard und Laubry, Zur Geschwulstlehre. 31) Lévi und Delherm, Erworbene vielfache Teleangiektasien. 32) Baurowlicz, 33) Lafarelle, Nasen- und Keilbeincysten. 34) Rödiger, Zungenkrebs. 36)Dovache, An- gina phlegmonosa. 36) Gray, Mandelsteine. 37) Well, Lymphangiom des Rachens. 38) Lafarelle, 39) Toussalnt, Speichelsteine. 40) Ferrari, Fremdkörper im Rachen. 41) Stumme, Schiefhals.. 42) Glaser, Ankylosirende Wirbelsäulenentzündung. 15 Schulthess, Rückgratsverkrümmungen. 44) Trautmann, Kehlkopftuberkulose. 45) Gerber, Lepra der Luftwege. 46) v. Schrötter, 47) Garel, Fremdkörper in den Luftwegen. 48) Naumann, Kropf. 49) Weber, Zur Pathologie der Thymusdrüse. 50) Westphal, Tetanie. 61) Stein, Paraffinprothesen.

Zur Behandlung der Ischias. Von

Dr. Fritz Hölscher. Oberarzt am Dreikönigen-Hospital in Mülheim a/Rhein.

Seit 10 Jahren behandele ich die schweren Fälle von Ischias, die mit ihren immer wiederkehrenden Recidiven jeder internen und mechanischen Therapie trotzen, durch breite Freilegung des Nerven nach seinem Austritt aus der Incisura ischiadica und mehrtägiges Auflegen eines Gazetampons, der in 5 %iger Karbolsäure getränkt ist. Der Erfolg ist durchweg prompt und von Dauer. Unter 15 Fällen kenne ich nur 2 Recidive nach 2 resp. 3 Jahren, und hier hatte ich aus Besorgnis für den Nerven eine dünne Muskelschicht über

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34 Centralblatt für Chirurgie. No. 2.

diesem gelassen, wodurch es nicht zu einer unmittelbaren Karbol- wirkung kam. Glücklicherweise traf dies hier ansässige Leute, welche nach kurzer Behandlung des Rückfalles von selbst wieder zur Operation drängten. Der älteste Fall ist mir noch heute als ununterbrochen gesund bekannt.

Die Idee, gegen Entzündungsprocesse im Ischiadicus die lähmende Karbolsäure zu verwenden, ist nicht neu. Jedoch wurde sie bisher nur zu Einspritzungen gebraucht, und diese sind von den heutigen Chirurgen wegen ihrer unsicheren Wirkung schon längst wieder verlassen. Zu obigem Verfahren entschloss ich mich zuerst in einem besonders hartnäckigen Falle, bei dem vorher das ganze Heer der Ner- vina, Bäder, Massage, Elektrotherapie, unblutige und blutige Nerven- dehnung, kurz alle nur bekannten Heilmethoden von mir und fremder Seite vergeblich versucht worden waren. Ich machte bei stark flektirtem Beine in der Mitte zwischen Tuber ischii und Trochanter major einen 10 cm langen Hautschnitt nach der Richtung der Spin. ischii hin, trennte Fett und Fascie und drang zwischen den Fasern der Hüftmuskeln bis zum Nerven vor, den ich ca. 6 cm lang von allem Bindegewebe freipräparirte.e Dann legte ich einen hühnereigroßen Gazetampon, der mit 5%iger Karbolsäure getränkt war, dicht auf den Nerven. Die Wunde wurde an beiden Enden genäht und in der Mitte zur späteren Entfernung des Tampons eine kleine Öffnung gelassen. Uber den Karboltampon legte ich Gaze, um die Musku- latur und Haut möglichst wenig anzuätzen. Der Karboltampon blieb 3 Tage liegen.

Die Wirkung gegen die Ischiasschmerzen war überraschend. Schon gleich beim Erwachen aus der Chloroformnarkose konnte der Pat. das Bein schmerzlos bewegen. Nach einigen Stunden stellte sich aber ein taubes Gefühl in der Wade ein; und in den beiden ersten Nächten kam es zu brennenden Schmerzen in der Wunde, so dass eine Morphiuminjektion nöthig wurde. Erst mit dem Verband- wechsel schwanden die Schmerzen. Diese unangenehmen Nach- wirkungen habe ich leider mehr oder weniger bei fast all meinen Operationen erlebt. Später klagten einige Kranke in den ersten Tagen auch noch über Schmerzen im Knie oder in den Vorder- muskeln des Oberschenkels oder in der Knöchelgegend; also über Schmerzen, welche von der alten Ischias übrig gehlieben waren. In diesen Fällen habe ich beim Verbandwechsel nochmals einen Karbol- tampon auf den Nerven gelegt und dann völlige Heilung erzielt. Auch das anfängliche Brennen in der Wunde konnte ich später da- durch bedeutend lindern, dass ich an Stelle des Trockenverbandes einen feuchten Verband von !/,%iger Sublimatlösung verwandte.

Bei all meinen Operationen konnte ich am Nerven makroskopisch keine Veränderungen wahrnehmen. Dagegen war die bindegewebige Hülle gewöhnlich stark hyperämisch. Mehrfach fand ich auch im Bereich der Incisura ischiadica Bindegewebsstränge zwischen den Muskeln, welche bei Bewegungen des Beines den Nerven gegen den

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Centralblatt für Chirurgie. No. 2. 35

Knochen drücken mussten und so bei der Ätiologie der Schmerzen sicherlich mit in Betracht zu ziehen sind. Ich habe dieselben jedes Mal leicht dehnen oder lösen können, da man mit dem Finger be- quem bis hinter die Incisura vordringen kann.

Die Wundheilung erfolgte natürlich mit Eiterung, und in Folge dessen schwellen vorübergehend die Leistendrüsen an. Andere Komplikationen habe ich nie beobachtet; höchstens blieb einige Mal ein taubes Gefühl im Unterschenkel, das aber nach leichter Massage in wenigen Wochen zurückging. Nie kam es zu einer ausgesprochenen Gefühllosigkeit oder gar zu Bewegungslähmung und nachfolgender Atrophie in Nerv und Muskeln.

Wie aus den Fällen ersichtlich, wo ich eine Erneuerung des Karboltampons vornehmen musste, erstreckt sich die Wirkung der Karbolsäure bei genügend starker Anwendung nicht nur auf das Gebiet des unmittelbar betroffenen Nerven, sondern auch aufwärts auf den ganzen Plexus ischiadicus, so dass auch andere Aste des Plexus, welche sich ebenfalls im Reizzustande befinden, schmerzfrei werden. Es wird also hier, ähnlich wie bei der Nervendehnung, ein Einfluss aufs Rückenmark ausgeübt. Dass dieser Einfluss jemals schädlich sein kann, oder dass eine Giftwirkung der Karbolsäure den Allgemeinorganismus schädigen könnte, glaube ich nach meinen Beobachtungen nicht. Andererseits wissen wir aus den Untersuchungen über die Nervendehnung, dass selbst weit fortgeschrittene Nerven- lähmungen mit Erscheinungen der degenerativen Atrophie in Muskel und Nerv in hohem Grade wieder restitutionsfähig sind.

Die Wirkung der Karbolsäure beschränkte sich weiterhin in meinen Fällen stets nur auf die gleichnamige Körperhälfte. Nie sah ich eine transmedulläre Wirkung weder in sensibler noch in motorischer Erregbarkeit. Eben so blieben Blase und Mastdarm un- berührt. Nur vereinzelt kam es kurz nach der Operation zu einer vorübergehenden Schweißsekretion. Bemerken will ich noch, dass es sich in meinen Fällen fast ausschließlich um die rein nervöse Ischias handelte ohne Rückenmarkserkrankungen. Zumeist führte man sie auf Erkältung und Arbeit im Nassen zurück. Nur 2mal beschuldigte man als Ursache ein Verheben resp. Stoß gegen das Becken, also ein Trauma, und 3mal konnte ich die Ursache nicht ermitteln.

1) Klemm. Über das Verhältnis des Erysipels zu den

Streptomykosen, so wie über die Epidemiologie desselben. (Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Mediein u. Chirurgie Bd. VIIL Hft. 3.)

K. geht davon aus, dass das Erysipel und die tiefer liegende Streptokokkenphlegmone durch denselben Erreger, den Streptococceus, bedingt werden. Derselbe führt in erster Linie nur zu seröser Ent- zündung; eitererregende und nekrotisirende Eigenschaften kommen ihm nur zu in Geweben, welche von festen Bindegewebswänden

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eingescheidet sind, in Lymphdrüsen und unterhalb von Fascien; hier nimmt der durch das seröse Infiltrat bedingte Druck allmählich zu, da die festen Fascienwände einer gleichmäßigen Vertheilung des Transsudats hinderlich sind; durch den Druck tritt schließlich Er- tödtung des Gewebes ein.

Das gewöhnliche, unkomplicirte Erysipel ist nicht infektiös, da die Vermittler der Infektion gar nicht oder in sehr geringem Maße und unter ganz bestimmten Umständen in die Außenwelt gelangen. Dagegen kann jede Streptomykose Ausgangspunkt von Erysipel- erkrankungen werden; um Erysipele zu vermeiden, muss man daher alle Kranken mit Streptokokkeneiterungen absondern, wofür K. einen klassischen Beleg liefert. In seiner neuen, hygienisch vollkommen eingerichteten Abtheilung hatte er in kurzer Zeit 11 Fälle von Ery- sipel, die offenbar zu einem Theil von einem Knaben erregt wurden, welcher mit einem fließenden Ohr behaftet war und frei herumging; im Sekret fanden sich massenhafte Streptokokken; der andere Theil der Fälle rührte höchst wahrscheinlich von einem Pat. mit strepto- mykotischer Osteomyelitis her. Seit K. nun alle mit einer strepto- kokkenhaltigen Eiterung Behafteten isolirt, sind Erysipelfälle nicht mehr vorgekommen. Jeder neu Eintretende, welcher an irgend einer Eiterkrankheit leidet, wird genau bakteriologisch untersucht; finden sich in seinem Eiter Streptokokken, so kommt er in die Strepto- kokkenabtheilung. Eben so muss man von Zeit zu Zeit die Kranken mit tuberkulösen Fisteln untersuchen und sie, sobald man Strepto- kokken findet, in die Streptokokkenabtheilung verlegen, die natür-

lich ihr eigenes Pflegepersonal, Verband- und Badezimmer hat. Haeckel (Stettin).

2) J. Koch. Zur Diagnose des akuten Rotzes beim Menschen. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1.)

Verf. berichtet über einen sehr interessanten Fall von akutem Rotz, dessen klinische Beobachtung und bakteriologische Unter- suchung auch noch durch den Sektionsbefund vervollständigt ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte man in einem apfelgroßen Herde in der Lungenspitze den primären Herd der Erkrankung zu suchen. Eine äußere Verletzung konnte jedenfalls nicht konstatirt werden. Die Analogie mit der Spitzentuberkulose ist eine sehr naheliegende. Der betreffende Lungenherd war jedenfalls der älteste in dem befallenen Organismus, und die Rotzbacillen konnten aus ihm in Reinkultur gezüchtet werden. Da die Frage, ob eine primäre Lungenerkrankung beim Rotz möglich sei, zum Theil noch an- gefochten ist, beansprucht die vorliegende Beobachtung erhöhtes Interesse.

K. bespricht an der Hand seines Falles wie des Litteratur- studiums genauer die Diagnose des akuten Rotzes beim Menschen. Nach 3—S5tägiger Inkubation treten schwere Allgemeinsymptome auf. Typhus, Gelenkrheumatismus und Sepsis kommen in diesem Stadium

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für die Differentialdiagnose vornehmlich in Betracht. Meist treten im weiteren Verlauf lokalisirte Rotzherde in der Haut und in der Muskulatur auf. Sie entstehen auf embolischem Wege. Dass die Verschleppung des Giftes auf dem Blutwege stattfinden kann, ist zweifellos erwiesen. Die Erkrankungen der Gelenke der Extremi- täten können im Vordergrunde der Erscheinungen stehen. Es sind eitrige Ergüsse mit periartikulären, eitrigen, phlegmonösen Ent- zündungen. Weiterhin bildet sich dann der Nasenrotz und eine Erkrankung der oberen Luftwege aus. Zu gleicher Zeit tritt eine erysipelähnliche, sehr charakteristische Schwellung der Nase mit starker Verbreiterung des Nasenrückens auf. Kurz vor dem tödlichen Ausgang wird die specifische Pustel- und Geschwürsbildung der Haut sichtbar. Sie ist immer ein böses Zeichen. In einzelnen Fällen ist die Lunge der primäre Herd.

In den akuten Fällen ist die bakteriologische Ausbeute aus den lokalen Herden meist eine sehr ergiebige. Der Untersuchung von Deckglaspräparaten aus Rotzknoten, Nasensekret und Pusteln kann man das Kulturverfahren folgen lassen. Zum Thierexperiment eignet sich am besten die Feldmaus und das männliche Meerschweinchen. Auch nach subkutaner Einspritzung des Virus tritt bei letzterem eine Schwellung der Hoden nach einigen Tagen auf (Strauss’sche Reaktion).

In dem vorliegenden Falle mag das Zerbrechen eines mit viru- lenter Rotzkultur versehenen Reagensglases zur Verbreitung der Rotzbacillen und Inhalation und damit zur primären Lungeninfektion geführt haben. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

3) A. Poncet. Rhumatisme tuberculeux ou pseudo-rhuma- tisme d’origine bacillaire. (Bull. de Y’acad. de med. T. LXV. No. 29.)

P. lenkt die Aufmerksamkeit auf gewisse leichte, vorübergehende Formen der Gelenktuberkulose, welche unter den Erscheinungen eines akuten Rheumatismus ablaufen und nicht mit Miliartuberkulose einhergehen. Es sind mehrere Gelenke betroffen, von denen weiter- hin eines oder mehrere chronischer Entzündung anheimfallen. Bei zweien der angeführten Beispiele stützte sich die Diagnose nur auf die klinische Beobachtung der tuberkulösen Schübe, welche die erkrankten Individuen der Reihe nach darboten. Im 3. Falle jedoch konnte aus allen Gelenken, auch denen, welche äußerlich keine Veränderungen mehr darboten und nur durch Schmerzen und Ge- räusche ihre Erkrankung verriethen, durch Impfung die tuberkulöse Natur des Processes erwiesen werden. Christel (Mets).

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4) M. Ravenel. The comparative virulence of the tubercle

bacillus from human and bovine sources. (Univ. of Pennsylvania med. bull. 1901. September.)

Verf. schließt aus seinen ausführlich mitgetheilten Experimenten Folgendes: 1) Der vom Menschen stammende Tuberkelbacillus unter- scheidet sich von dem des Rindes in Kulturen durch konstante und andauernde Eigenthümlichkeiten im Wachsthum und in der Form. 2) Kulturen aus beiden Quellen unterscheiden sich stark in ihrer pathogenetischen Wirkung, welche für alle Arten von Versuchsthieren bei dem Rinderbacillus bedeutend aktiver ist als beim von Menschen stammenden. Nur Schweine sind für beide Arten gleich stark em- pfänglich. 3) Tuberkulöses Material vom Menschen und vom Rinde verhält sich bez. der pathogenetischen Wirkung eben so wie die Kulturen. 4) Der vom Rinde stammende Bacillus hat auch für den Menschen, besonders in den ersten Lebensjahren, eine hohe pathogene Bedeutung. Mohr (Bielefeld).

5) C. Frazier und M. Biggs. The value of the tuberculin test in the recognition of latency or quiescence in tuber- culosis of the bones ant joints.

(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1901. März.)

Verff. stellten bei einer Reihe von Fällen, meist Kindern mit im klinischen Sinne geheilter Tuberkulose der Gelenke und Wirbel, Versuche mit Tuberkulinimpfungen an, um zu entscheiden, ob bei Fällen mit anscheinender Heilung ein Zustand der Latenz oder eine wirkliche Heilung mit völligem Schwund alles tuberkulösen Materials vorlag. Diese Entscheidung hat besonders für die Dauer der Behandlung und die Prognose praktischen Werth. Die positive Reaktion bestand meist in influenzaähnlichen Erscheinungen; am konstantesten war eine Temperatursteigerung. Die Dosen betrugen 1—5 mg bei Kindern, bis zu 0,1 bei Erwachsenen. Lokale Veränderungen an den Gelenken traten bei positiver Reaktion niemals auf, eben so wenig ein akutes Aufflackern des tuberkulösen Processes. Die Blutuntersuchung ergab gewöhnlich eine Zunahme der Leukocyten 5 Stunden nach der Injektion, eine Wiederabnahme 30 Stunden später. Es war nun bemerkenswerth, dass diejenigen Fälle, bei denen seit wenigstens 1—7 Jahren keinerlei klinische Erscheinungen aktiver Tuberkulose vorhanden waren, trotzdem relativ eben so häufig positiv reagirten, als die Fälle mit noch aktiver Tuberkulose Da die Verff. die Tuberkulinprobe für diagnostisch absolut zuverlässig halten, so bleibt nur die Annahme übrig, dass entweder trotz der anscheinenden Heilung doch noch abgekapselte Herde mit latenten Bacillen in der Umgebung der Gelenke vorhanden waren, oder dass noch anderswo im Körper tuberkulöse Herde existirten; hierbei kommen besonders die mediastinalen, mesenterialen und retroperi- tonealen Lymphdrüsen in Betracht, welche als Zwischenglieder

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zwischen der Infektion von den Lungen oder dem Darm aus und der der Knochen anzusehen sind. Mohr (Bielefeld).

6) M. Viñas (Buenos Aires). Bacteriología de los quistos hidatídicos. (Revista de la soc. méd. Argentina 1900. Juli.)

Da der Wundverlauf bei der Echinokokkenoperation (gemeint ist wohl speciell die Methode der Exstirpation mit Naht ohne Drainage) nicht so günstig war, wie die Operateure bei peinlicher Asepsis er- warten zu können glaubten, wurde systematisch der Cysteninhalt sowohl, wie die Membrana pericystica auf pathogene Keime unter- sucht.

Die Resultate der Kulturversuche, so wie die der Thierversuche werden in jedem der 32 Fälle mit den Beobachtungen an den Ope- rirten zusammengestellt.

Verf. kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:

1) Die Cystenflüssigkeit kann keimfrei sein und die Membrana pericystica doch Keime enthalten.

2) Die Cystenflüssigkeit kann farblos, Jurchsichtig, krystallklar sein und doch pathogene Keime enthalten (Colibakterium, Strepto- kokken, Staphylokokken).

3) Unter allen Fällen war keiner, bei dem die Cystenflüssigkeit an sich toxisch wirkte; denn wenn nach der Injektion der Tod des Versuchsthieres eintrat, haben sich Keime nachweisen lassen, die den Tod verursachen können.

4) Die Cystenflüssigkeit ist ein guter Nährboden für die Züch- tung des Staphylococcus, Streptococcus, Colibacillus und Eberth- schen Bacillus. 6. Meyer (Gotha).

1) L.Burkhardt. Das Verhalten der Altmann’schen Granula in Zellen maligner Tumoren und ihre Bedeutung für die Geschwulstlehre.

(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1.)

Altmann hält die von ihm beschriebenen Granula für die wichtigsten Bestandtheile der Zelle, von denen in letzter Linie alles Leben ausgeht. Von einer Untersuchung dieser Granula in den Zellen bösartiger Geschwülste glaubte Verf. über zweierlei Dinge Auf- schluss erwarten zu dürfen. Erstens wollte er über das physiologische Verhalten derselben gerade durch den pathologischen Befund Kennt- nis erhalten, und zweitens ließ sich vielleicht über den biologischen Charakter der Geschwulstzelle, bezüglich über Veränderungen des- selben im Vergleich mit dem der Mutterzelle etwas aussagen. Bei den verschiedenartigen Neubildungen, Carcinomen, Sarkomen, Endo- theliomen, konnte B. nun zunächst Unterschiede in dem Verhalten der Granula nicht konstatiren. Wo das physiologische Gewebe in

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Geschwulstbildung überzugehen anfıng, waren die Altmann’schen Granula noch in unveränderter Weise vorhanden. Auch die ersten atypisch wuchernden Zellen zeigten meist noch keinen Unterschied gegenüber jenen normaler Mutterzellen. Indessen nimmt auch hier die Zahl der Granula schon ab, manche Zellen enthalten auch schon gar keine mehr. Bei den tiefer gelegenen isolirten soliden Strängen sind gar keine oder nur vereinzelte Granula vorhanden. Zeigte auch ein kleiner Theil der Geschwülste in diesem Stadium noch reich- lichere Mengen davon, so finden sich doch bei allen größere Zell- komplexe ohne Granula. Je ähnlicher die Neubildungen dem Mutter- gewebe sind, um so häufiger besitzen die Zellen fuchsinophile Granula, je mehr der Typus ihres Gewebes von dem des Mutterbodens ab- weicht, desto geringer wird ihre Zahl. In Recidiven sind sie gar nicht zu sehen gewesen. Anscheinend werden die Granula in Ge- schwulstzellen nach und nach kleiner und verlieren allmählich ihre Färbbarkeit.

Nach seinen Ergebnissen hält es B. füram wahrscheinlichsten, dass »die Granula als specifische Protoplasmaprodukte zu betrachten sind, die in so fern eine mehr oder weniger leicht vergängliche Substanz darstellen, als sie lediglich unter dem Einfluss des funktionellen Reizes, der in der Zelle, die ihr eigene Funktion hervorruft, entstanden sind und nur so lange dieser Reiz andauert, sich erhalten. Die specifische Organisation, die die specifische Funktion der Zelle bedingt, mag sich vielleicht in der Altmann’schen Granularstruktur ausprägen«. Weiterhin schließt er, dass die Geschwulstzellen die von der Mutter- zelle ererbten physiologischen Eigenschaften einbüßen, und dass also der biologische Charakter der Geschwulstzellen sich ändert. Eine Anaplasie und Rückkehr der Zelle auf ihre frühere embryonale Ent- wicklung nimmt B. nicht an. Seiner Ansicht nach handelt es sich dem morphologischen Verhalten zufolge um einen regressiven Vor- gang in der Biologie der Geschwulstzelle..e Mit der Funktion der Zellen schwindet ihre für sie specifische Struktur.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

8) K. Kreibich. Über Geschwülste bei Xeroderma pigmen- tosum, als Beitrag zur Kenntnis des Medullarkrebses der Haut. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

Die von K. untersuchten Geschwülste bei dem bekannten Xero- derma pigmentosum waren zu den Medullarkrebsen zu rechnen; Cancroide waren nicht darunter. Verf. glaubt überhaupt, dass der flache Hautkrebs meist ein medulläres Carcinom ist. Er versteht darunter solche Krebse, bei denen die Epithelzelle »als regressive Geschwulstzelle nicht verhornt, sondern nekrotisirt«. Zu ihnen gehört nach K. auch das Ulcus rodens; die Differenzirung der Hautkrebse sollte mehr nach den Eigenschaften des Parenchyms, als nach denen des Stromas (nach Unna) vorgenommen werden, so groß auch der Einfluss des letzteren (z. B. bei den Lidkrebsen und bei manchen

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Geschwülsten der Nasolabialfurche) sein kann. Die Geschwülste beim Xeroderm, wie die Medullarkrebse überhaupt, sind relativ gut- artig; sie sind »flache Hautkrebse«, auch wenn sie wuchern. Sie können auch durch Granulationswucherung zum großen Theil ver- drängt werden, ja selbst zum größten Theil oder ganz spontan aus- heilen. In einem Falle fand sich bei einem Xeroderm ein typisches Trichoepithelioma cysticum (Jarisch).

Bei dieser Gelegenheit macht K. auch einige Bemerkungen über die Behandlung der flachen Hautkrebse überhaupt. Die Exeision im Gesunden setzt oft zu große Zerstörungen und kann auch durch plastische Operationen nicht i.nmer zureichend gedeckt werden. Sehr oft leistet die Excochleation mit nachfolgender Pyrogallusbehandlung sehr gute Dienste; Anästhesie mit Cocaininjektion oder Schleich oder Applikation einer in 10%ige Cocainlösung getauchten Gaze eine halbe Stunde vor der Auskratzung. Sehr wichtig ist die nachträg- liche Beobachtung wegen der im Anfang leicht zu zerstörenden Recidive. Jadassohn (Bern).

9) M. Wolters. Epithelioma adenoides cysticum. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 1 u. 2.);

Den Hautgeschwülsten ist in der letzten Zeit wieder gesteigertes Interesse zugewendet worden, und zwar speciell vom Standpunkt der Histogenese. Es ist hier noch eine ganze Anzahl von pathologisch- anatomisch interessanten Fragen zu erledigen. In der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich Verf. mit einer kleinen gutartigen Geschwulst über der Augenbraue eines jungen Mädchens, die sich histologisch als ein aus verzweigten schmalen Epithelsträngen mit Horn und Colloideysten zum Theil mit Verkalkung zusammengesetzt erwies, auf den ersten Blick aber dem sog. Lymphangioma tuberosum mul- tiplex glich. W. erörtert ausführlich die Unterscheidungsmerkmale von letzterem (das er für ein Hämangiomendotheliom hält) und be- spricht dann die Klasse von Epitheliomen, welcher sein Fall zuzu- rechnen ist. Es handelt sich dabei um »stecknadelkopf- bis erbsen- große, meist hautfarbene, aber auch blassgelbliche, bräunliche bis bläuliche Knötchen, die bisweilen miliumähnliche, weiße Bildungen erkennen lassen«; sie finden sich vorzugsweise an den Augen- brauen, an Nasenwurzel, Mund, Wange, behaartem Kopfe, selten am Rücken und Hals und treten besonders in der Pubertätszeit auf. W. nennt sie mit Brooke Epithelioma adenoides cysticum; das ist unbestimmter als der Unna’sche Name Akanthom und der Jarisch- sche Trichoepithelioma; ähnliche Bildungen kommen auch an der Conjunctiva vor (Dermoepitheliom, Cystoepitheliom etc. der Ophthal- mologen). Die hier beschriebenen Hautgeschwülste brauchen nicht multipel zu sein; sie können wohl, wenngleich selten, bösartig werden. Die Litteratur ist in der vorliegenden Arbeit sehr eingehend und ausführlich verwerthet. Jadassohn (Bern).

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10) N. Ashihara. Über das Lupuscarcinom. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

A. berichtet über 3 Fälle von Lupuscarcinom aus der Breslauer Klinik und schließt daran eine auf ausgedehnte Litteraturstudien gestützte Darstellung dieser schwersten Komplikation des Lupus an. Er glaubt, dass bei genauester Untersuchung sich die sog. lupösen Narbencarcinome häufiger als eigentliche Lupuscarcinome erweisen würden; für die Pathogenese des Carcinoms überhaupt lassen sich aus den auf lupösem Grunde sich entwickelnden besondere Schlüsse nicht ziehen. Abzugrenzen vom Lupuscarcinom sind die seltenen aber auch von Neißer 2mal beobachteten Carcinome auf Lupus erythematodes. Der Lupuskrebs ist im Gegensatz zum Lupus häufiger bei Männern als bei Frauen; er kommt ziemlich häufig schon in verhältnismäßig jugendlichem Alter vor, am meisten aber zwischen dem 40. und 50. Lebensjahre und nach sehr langem Be- stande des Lupus; in 90% der Fälle lokalisirt er sich im Gesicht, und zwar besonders an der Wange; in der Mehrzahl der Fälle fand sich nur ein, selten mehrere Herde. Die Form des Lupus, auf dem sich das Carcinom entwickelt, kann augenscheinlich sehr verschieden sein; die Behandlung (von der vollständigen Excision abgesehen) scheint einen wesentlichen Einfluss nicht zu haben. Der Lupus- krebs ist bösartig, in so fern er sehr hochgradige und schnell fort- schreitende Zerstörungen setzt und auch nach energischen Eingriffen gern recidivirt, aber er scheint relativ selten Metastasen zu bedingen; auch das Allgemeinbefinden leidet oft auffallend wenig. Die Diagnose ist bei genügender Aufmerksamkeit nicht schwer; wenn Lupusherde Neigung zu neubildungsartigem Wachsthum oder zu schneller Zer- störung oder zu harter Randbildung zeigen, muss an Krebs gedacht werden. Die Excision wird bei der Behandlung immer in erster Linie in Frage kommen; event. kann man Pyrogallus- oder energische Arsenätzung versuchen. Jadassohn (Bern!.

11) P. G. Unna. Zur Carcinombehandlung. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 6.)

U. betont, dass die sehr leichten Carcinome, welche in dermato- logische Behandlung kommen, oft auch einer nicht eigentlich chirur- gischen Behandlung zugänglich sind (speciell das Ulcus rodens [Jacob], die Paget’sche Krankheit, das multiple Seemannscarcinom und das bei Xeroderma pigmentosum). Er nennt als Mittel und Methoden, die ihm »etwas specifisch Anticarcinomatöses zu haben scheinen«, das »siebartige Einstechen«e mit dem Paquelin, das einen merklichen Stillstand des krebsigen Processes durch die »brenzlichen Produkte« der Ansengung bedinge, Resorcin (in Substanz oder in Pflastermull oder als Spiritus event. Pulver und Pflaster zugleich, besonders bei Ulcera rodentia), ferner Benzoesäure allein oder mit Resorcin zu- sammen und endlich Arsenik, besonders in Form des Arsenik-Salicyl-

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Cannabis-Pflastermulls, der auf carcinomatöses Gewebe eine elektive destruirende Wirkung hat. Jadassohn (Bern).

12) P. Casali. La chirurgia conservatrice nei suoi rapporti con la traumatologia e la legge concernente gl'infortuni sul

lavoro. Rom, Dante Alghieri, 1901. 206 S.

Das Buch theilt sich in 5 Kapitel, deren erstes allgemeiner = Natur ist und einige beachtenswerthe Gedanken über eine möglichst konservative Behandlung chirururgischer Erkrankungen und Ver- letzungen in ihrer Beziehung zur Erhaltung einer möglichst guten Funktion des bezüglichen Gliedes enthält. Diese Grundsätze werden in einem 2. Theile in ihre Beziehungen zu den Bestimmungen des italienischen Unfallgesetzes gebracht, während das 3. Kapitel ihre specielle Anwendung bei praktisch wichtigeren Verletzungen und Erkrankungen einzelner Körpertheile darthun soll. Dann folgen 8 ausführliche Krankengeschichten eigener Beobachtung, welche meist komplicirte Frakturen, z. Th. solche in bedenklich inficirtem Zustand behandeln und wobei es gelang, nicht allein das Glied selbst, son- dern auch sogar mitunter ein ausgezeichnetes funktionelles Resultat zu erhalten. Den Schluss bildet ein 8 Seiten zählendes Litteratur- verzeichnis.

Das Buch mag in Italien, wo die Unfallgesetzgebung erst vom Jahre 1898 datirt, recht zeitgemäß sein und das Eintreten des Autors für ein möglichst konservatives Verhalten mag vielleicht gegenüber manchen hier und da auftauchenden aktiveren oder radikaleren Ge- danken ebenfalls recht dankenswerth sein; immerhin jedoch geht C. in einigen Punkten vielleicht doch etwas weit; so z. B. in seinem Kapitel über die konservative Gynäkologie (Myome und entzündliche Adnexerkrankungen). Auch muthen die dort eingeflochtenen, wenn auch kurzen Abschweifungen in das religiöse und ethische Gebiet in einem medicinisch-wissenschaftlichen Werke etwas sonderbar an. Im Großen und Ganzen bietet C.’s mit anerkennenswerthem Fleiße ausgeführte Arbeit wenigstens für den deutschen Litteraturschatz keine wesentliche Bereicherung. A. Most (Breslau).

13) L, Dor. De la préparation des malades aux opérations chirurgicales, ou eutrépistie. (Gaz. hebdom. de méd et de chir. 1901. No. 39.)

Das von D. neuerfundene Wort stammt von sörperiiw, etwas in einer guten Absicht vorbereiten. Bei einer experimentellen Arbeit über eine Infektionskrankheit des Pferdes untersuchte D., ob nicht die Versuchsthiere durch vorherige Einverleibung von Jodkali gegen die Infektion widerstandsfähiger gemacht werden könnten. Aus den Vorversuchen, welche an Kaninchen stattfanden, sei folgender Versuch als Typus erwähnt: 2 Kaninchen werden mit derselben Menge von

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derselben Kultur von Staphylococcus pyogenes in das Zellgewebe des Ohres geimpft. Das eine hat 3 Tage hinter einander, zuletzt am Ver- suchstage, je2 g Jodkali per Clysma erhalten, das andere ist Kontroll- thier. Die Temperatur des letzteren steigt auf 39,8—40° während 14 Tagen, das mit Jodkali behandelte bleibt auf 39,2—39,4 (39,2 nor- mal. Das mit Jodkali vorbehandelte Thier nimmt 20 g, das Kontroll- thier 38 g ab.

So interessant die gefundene Thatsache an sich ist, und so wünschenswerth auch weitere Versuche mit anderen Stoffen und bei anderen Infektionen sind, so wenig ist zunächst eine Anwendung

in der praktischen Chirurgie zu erwarten. W. Sachs (Mülhausen i/E.).

14) P. G. Unna. Zur Desinfektion der Hände. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 10.)

U. empfiehlt, da nun einmal die wirklich vollständige Desinfek- tion der Hände eine bisher nicht erfüllbare Forderung ist, den Chi- rurgen, die eine Idiosynkrasie gegen Desinficientien haben, am Abend die Hände mit heißem Wasser, Seife und Bürste zu reinigen, sie dann mit in Alkohol reichlich getränkten Binden zu umhüllen, mit Guttapertschapapier oder Billrothbattist zu umwickeln, und diesen Alkoholdunstverband über Nacht zu tragen. Am Morgen sollen die Hände dann unmittelbar nach Abnahme des Verbandes mit einer überfetteten Seife längere Zeit hindurch eingeschäumt und mit sterilem Handtuch trocken abgewischt werden, um sie bis zur Operation keim- frei zu erhalten; »der Mikroorganismen-haltige Staub kann dann nicht in die mit Seife gefüllten Spalten zwischen den Hornzellen eindringen« und »wird direkt vor der Operation durch einfaches Abwaschen mit dem Seifenschaum entfernt<; event. kann man statt der über- fetteten Grundseife eine überfettete Sublimatseife benutzen. Besonders betont U. die Nothwendigkeit, die Hände noch lange Zeit dann aufs sorgfältigste desinficirend nachzubehandeln, wenn sie selbst eine Eiteraffektion durchgemacht haben, da bei solchen die Hornschicht bis zu einer gewissen Tiefe und auch in der Umgebung, z. B. des Furunkels, mit Eiterkokken durchsetzt ist. Jede Röthung um einen Haarbalg sollte bei der Operation mit Karbol-Quecksilber-Pflastermull bedeckt sein, Alkoholdunstumschläge, Ichthyolsalben und -Dunstver- bände, Zinkschwefelpasten sollen die Nachbehandlung bilden. (Ref. möchte bemerken, dass nicht bloß die Kokken von Abscessen, son- dern auch die bei Ekzemen und Impetigo für sehr gefährlich an- gesehen werden müssen.) Jadassohn (Bern).

15) R. Schaeffer. Experimentelle und kritische Beiträge zur Händedesinfektionsfrage. Berlin, S$. Karger, 1902. Der Streit um die Händedesinfektionsfrage, der schon zahllose, mühevolle Arbeiten und viele Veröffentlichungen gezeitigt hat, bleibt

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immer noch unentschieden, so lange jede Veröffentlichung von einer weiteren gefolgt wird, die die angewandten Versuche bemängelt und ihre Ergebnisse anzweifelt oder zu nichte macht. Wieder ist es ein Gynäkologe, der umfangreiche Beiträge zu dieser Frage liefert, theils resumirend, theils kritisirend, theils über eigene Versuche be- richtend.

Trotzdem er theoretisch die Frage, ob sich die Hände absolut keimfrei machen ließen, durchaus mit »Nein« beantwortet, stellt er sich doch auf Ahlfeld’s Seite, dessen Standpunkt er vertritt, so - weit unter Keimfreiheit ein so hoher Grad von Keimarmuth verstanden ist, dass er für den praktischen Zweck mit gutem Gewissen als Keimfreiheit bezeichnet werden kann. Absolute Keimfreiheit könne, auch wenn es gelänge, sie zu ereichen, niemals bewiesen, sondern nur mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit behauptet werden.

Die Untersuchungsergebnisse von Krönig, Haegler, Paul und Sarwey ù. A. erklärt S. aus einer Reihe von Fehlerquellen, unter denen zu nennen sind: man soll wohlgepflegte Hände (ohne Risse etc.) bei den Versuchen voraussetzen; man soll beim Waschen heißes (überheißes) Wasser benutzen und dieses öfters erneuern; man soll systematisch die ganze Hand abbürsten, und zwar im Wasser, nicht nur unter Befeuchtung mit demselben; ausgekochte Bürsten und steriler Sand sind dabei nöthig. Man soll die Desinfektions- prüfungen ad hoc unternehmen und nicht gelegentlich einer Operation; man soll sich nicht durch Luftverunreinigung der Nährböden täuschen lassen; man soll thunlichst nur feste Nährböden nehmen und dabei vermeiden, dass das Kondenswasser über den Nährboden fließt; man soll den Hauptwerth auf Desinfektionsversuche an künstlich inficirte Hände legen.

Unter Vermeidung dieser Fehlerquellen hat S. die von ihm ge- übte Heißwasser-Alkohol-Desinfektionsmethode geprüft und bekam höchst günstige Ergebnisse, die ihn zu seinem oben gekennzeichneten Standpunkt berechtigen. Eingehender Kritik in einem besonderen Kapitel unterwirft er die verschiedenen üblichen Abimpfmethoden, bei denen wiederum hauptsächlich die Verunreinigung mit Luft- keimen ausgeschlossen werden muss. Dann kommt der Desinfektions- werth des Alkohols zur Sprache; seine chemische Wirkung schlägt S. äußerst gering an, desto höher seine mechanische, entfettende und epithellösende Wirkung. Außer der Prüfung der Tageshände experimentirte S. hauptsächlich mit Prodigiosus und mit einem gelben Luftpilz, den er aus der Luft seines Operationszimmers züchtete, und der ihm gewisse Vortheile zu bieten schien.

Endlich bespricht er andere Desinfektionsmethoden: Seifen- spiritus hält er relativ noch für den besten, wenn auch durchaus nicht gleichwerthigen Ersatz der Heißwasser-Alkoholmethode, wo es sich um schnelle Desinfektion handelt. Mit Sublimat erreicht man auch nach vorheriger gründlichster Waschung auch nicht eine den bescheidensten Ansprüchen genügende Keimfreiheit der Hände.

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Die Schleich’sche Marmorseifenwaschung allein ist nicht mehr werth, als eine bloße Heißwasser-Seifenbürstung. Quecksilberäthylendiamin ist dem Sublimat nicht nennenswerth überlegen. Ähnliches gilt vom Lysol, Lysoform, Chinosol. Mit der gründlichen Heißwasser- Alkoholdesinfektion erreichte S. einen Grad von Keimarmuth seiner Hände, dass die von ihnen aus den Wunden drohende Infektions- gefahr nicht größer als die aus der Luft stammende zu sein braucht. Bei der größten Hochachtung vor dieser unendlich sorgfältigen Arbeit, die in allen Kapiteln mühevolle eigene Versuche bringt, muss der praktische Chirurg dennoch bekennen, dass der heutige Hände- desinfektionsstreit auf ein todtes Geleise zu rücken beginnt. Der praktische Werth der Ergebnisse bleibt der aufgebotenen Zeit und Sorgfalt nicht mehr proportional. Schon ehe es eine Händedesinfek- tionsfrage im heutigen Sinne gab, leitete den gewissenhaften Chirurgen seine wohlgeschulte Empfindung, die alten, auch noch jetzt im Vorder- grunde stehenden Methoden richtig zu handhaben. Im Hinblick darauf, dass diese bewährten Methoden, gewissenhaft ausgeführt, allen praktischen Anforderungen durchaus genügen, und dankbar für den erneuten Hinweis, sie recht gründlich anzuwenden, mag wohl mancher Operateur denken: »wenn Ihr’s nicht fühlt, Ihr werdet’s nicht erjagen«. Schmieden (Bonn).

16) Cred6. Lösliches Silber als inneres Antisepticum. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 37.)

Einjährige Behandlung von Wunden mit Silber und Silbersalzen brachte C. auf den Gedanken, allgemeine Körperdesinfektion mit Silber zu versuchen. Das hierzu verwendbare Silberpräparat stellte ihm Heyden-Radebeul als lösliches Silber, Argentum colloidale, Collargolum dar. Nach chemischen Begriffen ist es allerdings nicht löslich. Bei subkutaner Injektion versagte es, durch den Magen ist es ebenfalls nicht anwendbar, weil zu große Mengen zur Anwendung gelangen mussten. C. verwendete es in Form von Einreibungen einer 15%ıgen Salbe oder in Form von Injektionen von 5—20 g einer ja —1%ıgen Lösung in die V. cephalica. Die Inunktionen werden auf gesunder Haut am 1. und event. auch am 2. Tage 1—2mal mit 2—3 g der Salbe gemacht. Sie wirken bei beginnender Phlegmone oder Lymphangioitis, wo es noch nicht zur Eiterung, sondern nur zu Allgemeinerscheinungen gekommen, kupirend. Ein schon vor- gebildeter Abscess wird sich weiter ausbilden, metastatische Abscesse werden gar nicht beeinflusst. Günstige Resultate wurden auch bei Sepsis und Erysipel erzielt. Die intravenösen Injektionen wurden nur in ganz hoffnungslosen Fällen (Pyämie und Rheumatismus arti- culorum) gemacht; in allen Fällen zeigte sich günstiger Erfolg. Die Einspritzungen wurden in Zwischenräumen von 2—5 Tagen gemacht.

Je Schulz (Barmen).

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17) H. Schloffer. Zur Technik der Trigeminusresektion. (Prager med. Wochenschrift 1901. No. 44.)

In einem Falle von Exstirpation des Ganglion Gasseri bildete Verf. den Lappen nicht, wie Kraus eempfiehlt, nur aus der seitlichen Schläfenwand, sondern resecirte auch, nach Lexer’s Vorschlag, den Jochbogen temporär. Er gewann dabei den Eindruck, dass die Ope- ration dadurch wesentlich erleichtet wird, und vor Allem das Gehirn nicht so stark emporgehoben zu werden braucht, wie bei Krause 's Vorgehen.

Ein anderer Fall von Resektion des 2. und 3. Astes führte S. zu Versuchen, die Lage des Foramen ovale sicherer als bisher zu bestimmen. Er kam dabei zu dem Resultat, dass man in der Mehrzahl der Fälle leicht zum Foramen ovale gelangt, wenn man vom hintersten Punkt der inneren Ursprungskante des Processus zygomaticus des Schläfenbeins in frontaler Richtung gegen die Mittellinie vorgeht. Man kann hierbei nach temporärer Resektion des Jochbogens die Resektion des Processes coronoides und die breite subperiostale Ablösung der Weichtheile von der Unterfläche

der Schädelbasis in vielen Fällen ganz umgehen. Jaffé (Hamburg). 18) Sieur. Note relative à l’anatomie des sinus frontaux. (Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1901. No. 38.)

Verf. untersuchte gegen 150 Stirnhöhlen und fand in einem Drittel ganz kleine Höhlen, die keine eigentlichen Sinus frontales zeigten, sondern nichts als einen an seinem oberen Ende erweiterten Trichter des Ductus naso-frontalis darstellten; ihre Lage entsprach dem oberen, inneren Winkel der Orbita, wo eine dünne und schmale Lamelle des Oberkiefers hinten von der Lamina papyracea des Sieb- beins und unten vom Thränenbein begrenzt liegt. Verf. räth, stets hier die chirurgische Eröffnung vorzunehmen, um auch nicht die kleinsten Sinus zu verfehlen. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

19) V. Alsen. Zur Therapie der chronischen Kieferhöhlen- empyeme nebst Angabe unserer Operationsmethode. (Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XII. p. 227.)

A. berichtet an der Hand von 11 Fällen über die von Gerber geübte, auch von anderen Autoren angewandte Öperationsmethode des Kieferhöhlenempyems: Schleimhautschnitt an der vorderen Kieferhöhlenwand vom Eckzahn bis zum Jochbogen ziemlich hoch über dem Alveolarfortsatz, Eröffnung der Höhle mit Meißel und Knochenzange, Ausräumung, große Gegenöffnung im unteren oder mittleren Nasengang, primärer Verschluss der Alveolar-Schleimhaut- wunde durch die Naht, Drainage und Nachbehandlung von der nasalen Offnung. Im Laufe der Nachbehandlung soll sich die Höhle

mit Bindegewebe ausfüllen und allmählich nahezu obliteriren. Manasse (Straßburg i/E.).

48 Centralblatt für Chirurgie No. 2.

20) H. Boennecken. Über die Nachbehandlung der Zahn- extraktionswunden. (Prager med. Wochenschrift 1901. No. 37.)

B. macht auf den oft tagelang andauernden Nachschmerz nach Zahnextraktionen aufmerksam, als dessen Ursache eine Infektion der Alveolarhöhle mit den pathogenen Keimen der Mundhöhle anzu- sprechen ist. Die Knochenwunde sei eine »komplicirte Fraktur«, die als solche auch behandelt werden müsse. B. empfiehlt desshalb neben strenger Antisepsis bei der Extraktion, die Wundhöhle 24 Stun- den lang mit einem kleinen Jodoformgazetampon auszustopfen. Nachher sorgen die sich entwickelnden Granulationen selbst für weiteren Schutz. Seit B. so verfährt, hat er Störungen der Wund- heilung so gut wie nicht mehr beobachtet. . Ein weiterer Vortheil der Tamponade ist die exakte Blutstillung, wodurch die so oft beobach- teten Nachblutungen sicher vermieden werden. Zur Desinfektion der Mundhöhle empfiehlt er ein Mundwasser von 2%iger Wasserstoff- superoxydlösung, mit der fleißig gespült werden muss. Zur Herab- setzung des Wundschmerzes ist Orthoform sehr wirksam. Dringend zu warnen bei Zahnperiostitis ist vor den beliebten heißen Kataplasmen.

Jaffe (Hamburg).

21) H. Schlesinger (Wien). Die Syringomyelie. 2. Auflage. Wien, F. Deuticke, 1902.

Die jetzt auf 600 Seiten angeschwollene 2. Auflage (1. 1894) be- rücksichtigt nicht bloß erschöpfend auch die neue Litteratur über diese hochinteressante Krankheit, sie stützt sich, was sie noch werth- voller macht, auf selten zahlreiche klinische (120) und sehr viel anatomische (30) Eigenbeobachtungen. Die Syringomyelie ist ja nicht eine Krankheit, die mit ihrer Mannigfaltigkeit der Erscheinungsformen nur den Neurologen fesselt, sie geht den Chirurgen ganz eben so an, sie spielt nicht zum wenigsten in der versicherungsrechtlichen Medicin eine ganz erhebliche Rolle. Darum müssen wir als Chirurgen es besonders dankend hervorheben, dass S. in seinem Werk die uns interessirenden Fragen mit derselben Vertiefung behandelt hat, wie die ihm näherliegenden neurologischen. Die in Aussicht gestellte Arbeit seines Schülers Kienböck wird der ätiologischen Bedeutung des Traumas in der Syringomyeliefrage noch näher treten, als S. dies selbst gethan hat.

Auf die eben so gründliche wie klare und verständliche Behand- lung der Symptomatologie kann hier nicht näher eingegangen wer- den. Aber eine knappe Übersicht über alle den Chirurgen interes- sirenden Punkte mag zum Studium der werthvollen Arbeit anregen.

Verf., der in den letzten 8 Jahren weit mehr als 100 Fälle von Syringomyelie untersucht hat, giebt der Überzeugung Ausdruck, dass dieses Leiden resp. die centrale Gliose eine der häufigsten Rücken- markskrankheiten ist, gleich hinter der Tabes, den luetischen und

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den Kompressionserkrankungen rangirend. Sie wird überall da reich- licher gefunden, wo es viel Ärzte mit hinreichender Kenntnis des Krankheitsbildes giebt. Verf. räthb, die Diagnose einer Syringomyelie nicht zu wagen, wenn nur ein Kardinalsymptom vorhanden. Sie kommt in Frage, wenn eine Muskelatrophie an den oberen Extremi- täten nach dem Typus Aran-Duchenne sich ausbildet, die Patellar- reflexe gesteigert sind, eine Sensibilitätsstörung mit überwiegender, wenn auch nicht ausschließlicher Läsion des Temperatur- und Schmerzsinns konstatirt wird, trophische Störungen der Haut und des Unterhautzellgewebes, so wie eine stets stärker hervortretende Krümmung der Wirbelsäule nachweisbar sind. Die Sensibilitäts- stöorungen haben immer mehr oder weniger deutlich segmentalen Charakter.

Den Chirurgen suchen Syringomyelieleidende nicht selten auf wegen schleichend und vollkommen schmerzlos entwickelter Gelenks- veränderungen. Verf. sah 3 Fälle zur Obduktion kommen mit der Diagnose Arthritis deformans; er sah 6mal monartikuläre Arthropathie, besonders des Schultergelenkes, innerhalb eines Jahres, wo sich Syringo- myelie als ursächlicher Process herausstellte. Dabei giebt er dia- gnostisch zu beachten, dass die Arthritis deformans sich stets an das Gelenk hält, während bei der Syringomyelie Osteophytenbildung auch in der Umgebung desselben, Exostosen-, ja sogar Osteombildung in Muskeln vorhanden ist. Muskelkontrakturen sprechen gegen, sehr große Ergüsse und vollständiges Zugrundegehen der Gelenkskontouren im Allgemeinen für Syringomyelie. Bei ihr werden vorwiegend die oberen Extremitäten, bei der Tabes in dem gleichen Procentverhält- nis die unteren befallen; bei letzterer sind die Arthropathien häufiger doppelseitig als bei der Syringomyelie. Viele habituelle Schulter- verrenkungen haben ihren Grund in Syringomyelie. S. schätzt beij letzterer die Häufigkeit der Gelenksaffektionen auf 20—25%!

Spontanfrakturen wurden vorwiegend an den Vorderarmknochen beobachtet, entsprechend der größeren Häufigkeit des Cervicaltypus der Syringomyelie.

Akromegalie und Syringomyelie haben mitunter ähnliche Fr- scheinungen, obgleich beide Affektionen principiell verschieden sind, eine Kombination beider ist bisher nicht nachgewiesen.

Die Diagnose Knochensarkom ist wiederholt irrthümlich bei osteoarthritischen Processen Syringomyeliekranker gestellt worden, ein verhängnisvoller Irrthum, wenn er die Amputation nach sich zieht!

Differentialdiagnostisch kommen die trophischen Störungen der Haut bei Syringomyelie gegenüber Pemphigus vulgaris und foliaceus, Sklerodermie, gegenüber der Lepra, dem Raynaud’schen Symptomen- komplex und der Morvan’schen Krankheit in Betracht.

Der Beginn der Syringomyelie fällt in das ausgesprochen jugend- liche Alter (70% in den ersten 3 Decennien).

Unter den Gelegenheitsursachen interessiren besonders die Aus- führungen über Syringomyelie und Trauma. Nach schweren Schädi-

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gungen des Rückenmarks blieben die Ausfallserscheinungen entweder bestehen oder sie gingen mehr oder weniger vollständig zurück, aber in keinem Falle von partieller Markläsion konnte ein unzweifelhaftes Fortschreiten des Rückenmarksprocesses in der Längsrichtung fest- gestellt werden. Nur muss man nicht Spätfolgen der ursprünglichen Verletzung, wie Atrophie paretischer Muskeln, Hautveränderungen, Wandel der Sensibilität, als Zeichen eines neuen Processes auffassen.

Klinisch lassen sich eine Hämatomyelie oder eine traumatische Nekrose nicht unterscheiden; Kienböck schlägt dafür den Namen »Myelodelese« vor. Ihr Folgezustand, die cystische Vernarbung, sei principiell von der insiduös beginnenden, chronisch progredienten Syringomyelie zu trennen (Pseudosyringomyelie). Dass von der Glia- proliferation solcher traumatischen Cystenwand eine progressive Gliose ausgehen könne, sei möglich, sichergestellt ist bisher die Entstehung einer Syringomyelie durch ein Trauma mit akuten schweren Folge- erscheinungen keineswegs. Aber die Möglichkeit bestehe, dass ein die Wirbelsäule oder das Rückenmark direkt oder indirekt treffendes Trauma zum Auftreten syringomyelitischer Symptome Veranlassung giebt, vielleicht besonders bei kongenitaler Prädisposition des Markes. Eine Verschlimmerung des Leidens durch Trauma kommt forensisch jedenfalls in Betracht, da Blutungen in angeborene Spalträume zweifellos beobachtet sind.

Nicht anzuerkennen ist dagegen die ascendirende Neuritis als ätiologischer Faktor bei Syringomyelie; dasselbe gilt von jeder lokali- sirten peripheren Verletzung.

Aus dem mit sehr instruktiven Abbildungen eigener Präparate reich ausgestatteten pathologisch-anatomischen Theil können Einzel- heiten hier nicht wiedergegeben werden. Die Eintheilung der spinalen Spalträume lässt des Verf. ätiologische Auffassung am besten erkennen. Er theilt ein in

I. Cystenbildungen 1) nach traumatischem Zerfall der Rücken- markssubstanz, 2) nach traumatischer und 3) nichttraumatischer Hämatomyelie.

II. Erweichungen entzündlicher und nichtentzündlicher Natur mit kurzer Dauer des ganzen Krankheitsprocesses. III. Syringomyelien: a. echte Hydromyelie (als Missbildung), b. echte Geschwulst- mit Höhlenbildung, c. Syringomyelia gliosa, d. Syringomyelie in Folge von Gefäßerkrankung ohne Gliose, e. Pachy- und Leptomeningitis mit Höhlenbildung. Eine besondere Symptomatologie haben die bulbären Spalträume, 56 durchweg hochinteressante und sorgfältige Krankengeschichten

bilden den Anhang des werthvollen Buches; Verf. hätte zweckmäßig in den einzelnen Kapiteln auf die einschlägigen Krankengeschichten

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hinweisen sollen. Ohne diesen Hinweis werden sie nicht die Be- achtung finden, die sie verdienen. P. Stolper (Breslau).

22) J. Joseph. Zur Streckung des Pott’schen Buckels. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 37 u. 38.)

Durch ein Virchow’sches Präparat, so wie durch eine eigene Beobachtung erbringt J. den Beweis, dass die Annahme falsch ist, nach Streckung eines Pott’schen Buckels könne eine große Lücke durch viel Knochenneubildung ausgefüllt werden. In beiden Fällen fand vielmehr eine Senkung der Rumpflast bis zur Berührung der noch gesunden Knochentheile mit minimaler Knochenneubildung statt, die jedoch zur Konsolidirung genügte. Es ist demnach falsch, den gestreckten Buckel in ein Suspensionsmieder zu zwängen;, eher ist eine kleine Belastung am Platze, welche die Knochenenden ein- ander näher bringt. Zur Behandlung verwendet J. die Buckelpresse. Es ist dies ein Korsett mit einer durch Schraube verstellbaren Pelotte hinten. In ihm erfolgen Streckung und Fixation nicht nach einander, sondern gleichzeitig lässt sich der Druck auf den Buckel genau dosiren, so dass der Wirbelsäule die gewünschte Stellung genau ge- geben werden kann, kann man ohne Anlegung eines neuen Korsetts die Stellung der Wirbelsäule in dorsoventraler Richtung beliebig ab- ändern, wird schließlich die Korrektion des Buckels schonend bewerk- stelligt. J. Schulz (Barmen).

23) C. M. Desvernine. Paralysie combinee du larynx et du soile du palais. Étude sur l’innervation motrice du larynx

et du pharynx. (Ann. des malad. de loreille ete. T. XXVII. No. 6. p. 534.)

Ausgehend von einem Falle seiner Beobachtung kombinirte Lähmung der linken Gaumen- und Kehlkopfhälfte so wie des linken Sternocleidomastoideus und der Clavicularportion des Trapezius bei einem Luetischen, Heilung durch antisyphilitische Behandlung unterzieht D. die noch vielfach vertretene Ansicht, dass der Facialis das Gaumensegel innervire, einer eingehenden Kritik. Klinische, anatomische und teratologische Untersuchungen führen ihn zu dem Schlusse, dass der Facialis an der Innervation der Gaumensegel- muskulatur völlig unbetheiligt sei, dass dieselbe vielmehr durch den Accessorius und Vagus innervirt werde.

Die Lekture des Originals, dessen Inhalt hier nur angedeutet werden kann, sei Jedem, der sich für die aufgeworfene Frage inter- essirt, empfohlen. Der Arbeit ist ein 40 Nummern enthaltendes Unerstnverzeichnis beigefügt. Hinsberg (Breslau).

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24) A. Frh. v. Eiselsberg. Die Krankheiten der Schilddrüse. (Deutsche Chirurgie. Lieferung 38.) Stuttgart, Ferd. Enke, 1901.

Vor 25 Jahren beschenkte uns Lücke mit seiner vortreff- lichen Monographie über die Krankheiten der Schilddrüse, heute v. Eiselsberg mit der vorliegenden. Welch gewaltiger Unter- schied im Inhalt beider! Damals war über die Physiologie der Schilddrüse fast Nichts zu sagen, weil sie unbekannt war, jetzt nimmt sie in Verf.s Werk zahlreiche Seiten ein und eröffnet uns das Ver- ständnis für eine Reihe von Krankheitsbildern, deren Zusammen- hang mit dem Ausfall oder der ungenügenden Beschaffenheit der Schilddrüsenfunktion früher nicht geahnt werden konnte Zu der Schilderung dieser so mannigfachen Krankheitsbilder, die den 4. Theil der neuen Monographie beanspruchen, ist weiter hinzugekommen die der chirurgischen Behandlung des Kropfes mit ihren Erfolgen einer- und ihren Gefahren andererseits; vor 25 Jahren gemieden, stellt heute die Kropfoperation einen der segensreichsten Eingriffe dar! All diese großen Fortschritte finden in v. E.’s schönem Werke, durch den Verf. zum nicht kleinen Theil selbst mit herbeigeführt, die vollste Würdigung, die eingehendste, überall die Litteratur bis zum Jahre 1898 und die eigenen Erfahrungen Verf.s berücksichtigende Darstellung. Was die Anordnung des Inhalts betrifft, so folgt v. E. dabei zum Theil der von Lücke gewählten. An das Verzeichnis der umfangreichen Litteratur auf über 50 Seiten schließen sich zunächst Kapitel über Anatomie und Physiologie, über den Begriff und die geographische Vorbereitung, über die auch heute noch nicht auf- geklärte Ätiologie, über die pathologische Anatomie, Beziehungen des Kropfes zur Umgebung, über Symptome und Diagnostik, über den Nebenkropf, über die Therapie, über Verletzungen, Entzündung der Schilddrüse und des Kropfes, Echinococcus, bösartige Neubil- dungen der Drüse, über Kretinismus, Myxödem und endlich nach einer Übersicht der durch Schilddrüsenausfall bedingten Krankheits- bilder und einer Betrachtung der pharmakologischen Eigenschaften und Funktion der Schilddrüse das von Dr. Ehrhardt geschriebene Kapitel über den Morbus Basedowii.

Sehr werthvoll sind die dem Werk beigegebenen schönen, kolo- rirten Bilder von mikroskopischen Präparaten, so wie ein Theil der zahlreich in den Text eingefügten Abbildungen. Die Monographie reiht sich würdig den besten der bisherigen Lieferungen der »Deut- schen Chirurgie« an. Kramer (Glogau).

25) v. Mikulicz und Reinbach. Über 'TThyreoidismus bei einfachem Kropf.

(Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 3.)

Um festzustellen, welche Rolle die Schilddrüse im Symptomen-

komplex der Basedow’schen Krankheit spielt, haben Verff. an dem

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Kropfmaterial der Breslauer chirurgischen Klinik in den letzten 7 Jahren systematisch die unkomplicirten Kropffälle daraufhin unter- sucht, in wie weit bei ihnen nervöse, kardiale, psychische und Augen- störungen, d. h. also Erscheinungen vorkommen, welche auf eine ge- steigerte Funktion der Schilddrüse bezogen werden können. Sie gehen dabei von der Voraussetzung aus, dass man das Wesen gesteigerter Schilddrüsenfunktion, die ja von Vielen als Ursache der Basedow- schen Erkrankung aufgefasst wird, nicht erkennen könne durch Einführung von Schilddrüse oder Schilddrüsenpräparaten durch den Mund; dieser künstliche Thyreoidismus ist genau studirt, er ent- spricht aber durchaus nicht den natürlichen Verhältnissen des genuinen oder spontan auftretenden Thyreoidismus.

Es wurden bei 117 unkomplicirten Kröpfen (d. h. Basedow- Kröpfe, die bösartigen, Echinokokken, Gummata waren ausgeschaltet) sehr genaue Schemata geführt über etwaige Nebenerscheinungen; von diesen zeigten 48 Fälle entweder gar keine Nebenerscheinungen oder reine Kompression der Nachbarorgane; 69 Fälle dagegen hatten Symptome, welche unabhängig von einer etwaigen Kompression sind und auf eine gesteigerte Funktion der Schilddrüse bezogen werden können.

Was zunächst erhöhte Pulsfrequenz betrifft, so fand sich eine mäßige Tachykardie ein Maximum Beschleunigung bis 112 recht häufig, zum Theil neben Dyspno@ und Herzveränderungen, zum Theil auch rein, ohne die letzteren. Daraus ergiebt sich, dass ein mäßiger Grad konstanter Pulserhöhung für den Basedowkropf nicht charakteristisch ist.

Exophthalmus fand sich 14mal, aber in sehr mäßigem Grade; erheblicher, ausgebildeter Exophthalmus gehört also nicht zum Krank- heitsbilde einfacher Kröpfe, ist vielmehr für die Basedow’sche Krank- heit charakteristisch.

Nervöse Symptome: Unruhe, Reizbarkeit, subjektives Herklopfen, Angina pectoris, Tremor der Hände und der Zunge, Kopfschmerzen, Schwindel waren sehr häufig in verschiedenster Kombination vor- handen.

Der spontane Thyreoidismus unterscheidet sich also von der Basedow’schen Krankheit dadurch, dass ihm hochgradige Steigerung der Pulsfrequenz, erheblicher Exophthalmus, schwere nervöse oder gar psychische Störungen und die ganze Gruppe der trophischen Störungen (Schwitzen, Haarausfall) fehlen.

Danach kann das Wesen der Basedow’schen Krankheit nicht ‚durch eine übermäßige Funktion der Schilddrüse erklärt werden. Dass der Kropf trotzdem dabei eine hervorragende Rolle spielt, soll nicht geleugnet werden. Wenn nämlich durch Hypertrophie der Schild- drüse bei der Basedow’schen Krankheit noch die Erscheinungen des Thyreoidismus zu den anderen Symptomen hinzukommen, so wird das ganze Krankheitsbild gesteigert; »die Schilddrüse ist in den Kreislauf des an Basedow Leidenden wie ein Multiplikator ein-

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geschaltet«. Diese Auffassung macht die Erfolge der chirurgischen Therapie ohne Weiteres verständlich. Durch die Ausschaltung oder Reducirung des Multiplikators wird die Heilung der Krankheit so sehr erleichtert, dass sie in der Mehrzahl der Fälle spohtan oder auf die übliche interne Therapie eintritt. Die Misserfolge sind so zu erklären, dass trotz Reducirung des Multiplikators die primären Schä- digungen schwer genug sind, um das Krankheitsbild dauernd zu erhalten. Auch in den Fällen von Basedow ohne Kropf sind die primären Störungen von Haus aus so schwer, dass sie nicht erst des

Multiplikators bedürfen, um das typische Krankheitsbild hervorzurufen. Haeckel (Stettin).

26) Arnsberger. Über Pneumothorax im Röntgenbilde. (Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Mediein u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 3.) Obwohl wir zur Erkennung des Pneumothorax so zahlreiche und sichere diagnostische Hilfsmittel besitzen, wie für wenige andere innere Krankheiten, so bringt doch auch für ihn die Röntgenphoto- graphie eine Bereicherung der Diagnostik in Fällen, wo die alten Methoden versagen. Einmal nämlich kann man bei Fällen, in denen wir im Zweifel sind, ob ein rein traumatischer Pneumothorax oder ein durch ein Trauma ausgelöster tuberkulöser vorliegt, nach dem Durchleuchtungsbild oft diese Frage entscheiden. Da nämlich die Lunge bei tuberkulöser Erkrankung fast ausnahmslos durch pleuri- tische Verwachsungen an der Spitze fixirt ist, so findet man dort ihren Schatten. Beim rein traumatischen Pneumothorax haftet die Lunge nirgends an der Brustwand, sie schrumpft desshalb koncen- trisch um die Lungenwurzel herum und findet sich hier als Schatten im Röntgenbilde. Eine Krankengeschichte ist als Beleg dafür mit- getheilt. l Sodann giebt es Fälle von abgesacktem, umschriebenem Pneumo- thorax, in denen die starken Verwachsungen, die dadurch entstehen- den Unregelmäßigkeiten der Wandungen, die Einwirkung der fixirten und desshalb nicht völlig komprimirten und außer Thätigkeit ge- setzten Lunge einen ganz unsicheren physikalisch-diagnostischen Befund abgeben und das Zustandekommen der pathognostischen Phä- nomene völlig verhindern. Dass auch in diesen Fällen die Skia- skopie den Pneumothorax sicher nachzuweisen vermag, wird durch zwei einschlägige Fälle belegt. Haeckel (Stettin).

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Kleinere Mittheilungen. (Aus der chirurgischen Universitätsklinik des Hofrath Prof. Dr. L. Rydygier.)

Über einen neuen Behelf zur Asepsis der Hände während der Operation. Mitgetheilt von Dr. M. W. Herman in Lemberg, Assistenten der Klinik.

Die Forderungen, welche man in Hinsicht der Aseptik der Hände eines Ope- rateurs stellen muss, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

1) soll der Operateur in prophylak- tiseher Hinsicht so viel wie nur irgend möglich vermeiden, mit septischen Gegen- ständen in Berührung zu kommen;

2) soll er auf eine entsprechende Kos- metik seiner Hände bedacht sein, denn eine weiche und glatte Haut derselben ist un- gleich leichter keimfrei zu machen, wie eine grobe, rauhe und rissige;

3) soll das Waschen der Hände zum mindesten eine Viertelstunde dauern, und swar mit fließendem (oder häufig gewech- seltem) Wasser; denn es ist ja bekannt, dass beim Befreien der Hände von Keimen dem mechanischen Moment des Reinigens eine größere Bedeutung zukommt, als der Einwirkung der unterschiedlichen che- mischen Mittel;

4) möchten wir die Forderung aufstel- len, dass der Operateur die Hände wäh- rend der Operation häufig in einer Bor- säurelösung oder in sterilisirtem abgekoch- tem Wasser spüle, zu dem Zwecke, um Keime, welche während dieser Zeit, sei es aus den Haarbälgen oder den Talg- oder Schweißdrüsen oder aus Spalten der Epidermis an die Oberfläche der Haut gelangt sind, möglichst zu beseitigen.

Diese Grundsätze werden in unserer Klinik streng eingehalten, wobei beim Waschen der Hände Holsspäne und Spi- fitus saponato-kalinus mit nachfolgendem Abpülen mit 50x%igem Alkohol und I/giger Sublimatlösung verwendet werden. Zum Abspülen der Hände des Operiren- den und der Assistenten während der Ope- ration dienten bisher passend aufge- stellte Waschbecken mit 3%iger Borsäure- lösung, welche nach Bedarf gewechselt wurde. In dem Maße jedoch, als wir uns von der Wichtigkeit des Abspülens der Hände während der Operation überzeugten, kamen wir zur Einsicht, dass dieser Me- thode mancherlei Fehler anhaften, indem Je die Flüssigkeit des Waschbeckens schon nach einmaligem Abspülen der z. B. mit Magen- oder Darminhalt beschmutzten Hände mit Keimen verunreinigt wird

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und wäre dann nicht nur ein Wechseln der Borlösung, sondern auch der Wasch- becken erforderlich. |

Um nun den größtmöglichen Grad von Aseptik der Hände zu erzielen, wur- den Vorrichtungen angebracht, um die Hände in einem fließenden Strahle von 3%iger Borsäure- oder 6°/wiger Kochsalzlösung abspülen zu können. Die Vor- richtung besteht aus einer Art Irrigatoren aus Kupferblech, in denen die Lösungen direkt durch Kochen sterilisirt werden. Die Zuleitung der Flüssigkeit erfolgt durch lange Kautschukschläuche zu einem nach unseren Angaben von der Firma Georgeon & Trepesynski in Lemberg erzeugten Ständer, der in handlicher Nähe des Operateurs und seiner Assistenten aufgestellt wird.

Der Ständer (Fig.) besteht aus einer senkrechten, auf einem entsprechend schweren Dreifuße montirten, oben geschlossenen Röhre, welche unterhalb des oberen verschlossenen Endes von 2 einander gegenüberliegenden Öffnungen durch- bohrt wird. Diese Öffnungen dienen zum Durchleiten des Kautschukschlauches. Im Innern der Röhre befindet sich ein Eisenstab mit einem kolbenförmig ver- dickten oberen Ende, umfasst von einer starken stählernen Spiralfeder, welche den Stab nach aufwärts drückt. Indem das obere kolbenförmige Ende des Stabes den Kautschukschlauch gegen das verschlossene obere Ende der Röhre drückt, wird der Verschluss bewirkt. Das Öffnen erfolgt durch das Niederdrücken eines Pedals, mit dem der Stab an seinem unteren Ende verbunden ist. An der beschriebenen Röhre sind noch befestigt eine Brause, mit welcher der Schlauch verbunden wird, und ein Ring, in den ein mit einem Abflussrohr versehenes Becken eingelegt wird.

Mit Hilfe dieses Apparates ist uns die Möglichkeit geboten, beliebig oft wäh- rend der Operation auf die bequemste Art durch einen Druck auf das Pedal die Hände mit fließendem sterilisirtem Wasser bezw. Borsäurelösung abzuspülen.

Die Abflussröhre kann in einen Ausguss enden. In der Privatpraxis kann als Behälter jedes beliebige, mehrere Liter fassende Gefäß, am besten dasselbe, in dem das Wasser ausgekocht wurde, dienen, wobei der Schlauch, mit seinem einem Ende in das Gefäß gesteckt, als Heber wirkt. Auf diese Art ist der Ap- parat nicht nur für das Ordinationszimmer, sondern auch, da transportabel und überall sehr leicht und rasch adaptirbar, in der Praxis überhaupt sehr verwendbar.

27) Mertens (Leipzig). Carcinom auf dem Boden eines Dermoids. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 2.)

In dem von M. beschriebenen Falle handelte es sich um einen 47jährigen Mann, bei welchem 2 subkutane, an der linken Halsseite sitzende Dermoidcysten und außerdem ein Carcinom des Kehlkopfes gefunden wurden. Von den Dermoid- cysten war die eine carcinomatös degenerirt; die Kehlkopfgeschwulst war mit Wahrscheinlichkeit ebenfalls aus einer Dermoideyste hervorgegangen. Entfernung der Cysten. Totalexstirpation des Kehlkopfes mit Herausnähen der Luftröhre. Inoperables Recidiv nach einem halben Jahre. Außer in Verf.s Fall ist primäre Careinomentwicklung in allseitig geschlossenen Dermoideysten erst 2mal beschrieben worden. Die Mittheilung dürfte daher schon ihrer Seltenheit halber Interesse ver- dienen. Honsell (Tübingen).

28) P. Linser. Über die Entwicklung von Epitheliomen und Carci- nomen in Dermoidcysten. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 2.)

L. berichtet über eine Serie von 8 Fällen subkutan entwickelter Epitheliome, die, wie ausführlich begründet wird, als Dermoide resp. Epidermoide entstanden sein mussten. Mit Ausnahme eines Falles saßen die Geschwülste stets unter der Kopfhaut, und zwar an Stellen, an welchen die Kranken schon jahrelang kleine Knötchen gefühlt hatten. Primäre Verbindungen der Geschwulst mit der Epi- dermis waren niemals vorhanden gewesen. Nach der mikroskopischen Unter-

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suchung lagen durchweg echte epitheliale Neubildungen vor, doch zeigten dieselben in ihrem Aufbau mancherlei Unterschiede. In den Fällen 1 und 6 handelte es sich um papillomatöse, ins Cysteninnere hereinwuchernde Massen; in den Fällen 2 und 3 um verkalkte Epitheliome ohne freie Cystenlichtung. Bei den beiden Carcinomen der Fälle 7 und 8 wies nur noch das Vorhandensein von Epithelzwiebeln auf ihre Entstehung aus geschichtetem Plattenepithel hin, im Übrigen boten sie ein dem Alveolarcarcinom entsprechendes histologisches Aussehen. Einen Übergang von diesem Typus zum reinen Cancroid boten endlich die Fälle 4 und 5. Als be- sonders wichtig verdient noch hervorgehoben zu werden, dass sämmtliche Ge- schwülste, wie überhaupt die Geschwülste embryonaler Abkunft, eine scharfe Ab- kspselung gegen die Umgebung besitzen. Diese Eigenschaft, wie der späte Eintritt der meist auf dem Blutweg erfolgenden Metastasen, kann nach L. fast als sicheres Kennseichen für Tumoren gelten, welche aus embryonalen Keimversprengungen hervorgegangen sind.

Die Resultate seiner Ausführungen fasst L. dahin zusammen, dass epitheliale Wucherungen in Dermoidceysten gar nicht so selten vorkommen als angenommen wird. Fast ausnahmslos gehen sie von der Stelle der Cystenwand aus, die direkt unter der Haut liegt. Dieser Umstand, so wie ferner anamnestische Daten machen es wahrscheinlich, dass äußere Einflüsse eine wesentliche Rolle bei der Entstehung dieser Neubildungen spielen. Die epithelialen Wucherungen breiten sich zuerst ins Cysteninnere aus und bilden so in den frühesten Stadien Papillome, die, wenn sie rein intrakapsulär sind, nur das Cysteninnere erfüllen, ganz das Aussehen von soliden Epitheliomen, häufig mit reichlichen Verkalkungen annehmen. Bei weiterer Entwicklung wachsen sie unter Bildung sekundärer, abgekapselter Epitheliome ohne Übergreifen auf die Umgebung weiter, oder sie gehen in echte Carcinome mit infiltrirendem Wachsthum über. Honsell (Tübingen).

29) F. Krische (Rostock). Ein Fall von primärem Krom- pecher’schem drüsenartigem Oberflächenepithelkrebs im geschlos- senen Atherom.

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 2.)

Bei einem 40jährigem Kaufmann hatte sich im Laufe eines Jahres in der linken Lende eine taubeneigroße mit der Haut verwachsene Geschwulst gebildet. Exstirpation. Nach dem anatomischen Befunde handelte es sich um ein typisches, swischen Cutis und Subcutis gelegenes Atherom, in dessen Wand sich eine dem Krompecher’schen »drüsenartigen Oberflächenkrebs« entsprechende Wucherung gebildet hatte. Letztere war in die Lichtung hineingewuchert und hatte die Wand der Balggeschwulst fast völlig durchsetzt.

Anschließend an diese Beobachtung wird die bisherige Kasuistik über primäre Careinomentwicklung in Teratomen (5 Fälle), in Dermoidceysten (14 Fälle) und in Atheromen (8 Fälle) zusammengestellt. Das Interesse von Verf.s eigener Mittheilung liegt darin, dass hier sum ersten Mal ein Krompecher’sches drüsenartiges Ober- fächencarceinom im Innern eines Atheroms gefunden wurde, so wie dass das Atherom selbst den Boden für eine Krebsentwicklung abgegeben hatte, ohne ulcerirt oder vereitert gewesen zu sein. Honsell (Tübingen).

30; Ch. Achard und Ch. Laubry. Adipose douloureuse. (Gaz. hebdom. de méd et de chir. 1901. No. 37.)

Bei dem von A. und L. studirten Fall handelte es sich um eine 79jāhrige Frau, welche mit 64 Jahren eine Kontusion der linken Hüfte erlitt. Einige Zeit später traten zusammen mit unregelmäßigen Metrorrhagien Schmersen im linken Bein, dann in der Lendengegend auf, die sich schließlich über den ganzen Körper aus- dehnten. Seit 6 Monaten treten die Schmerzen bei der geringsten Bewegung auf, so dass die Kranke zum Stillliegen verurtheilt ist. Dieselbe bietet außer einer außerordentlichen Fettleibigkeit, welche nur einige Stellen des Körpers frei lässt, nichts Abnormes dar. Die Fettmassen (stellenweise Fettknoten) sind derbelastisch,

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sehr schmershaft auf tiefen Druck und auch spontan. Passive Bewegungen lösen keine Schmerzen aus. Die Therapie (u. A. Thyreoidin) scheint nach den Verff. sehr aussichtslos zu gein. Interessant ist jedenfalls der traumatische Ursprung.

W. Sachs (Mülhausen i/E.).

31) L. Lévi et L. Delherm. Un nouveau cas de téléangiectasies acquises généralisées. (Gas. hebdom. de méd. et de chir. 1901. No. 2.)

Bei einer an Fettleibigkeit, chronischer Nephritis, Myokarditis und allgemeinen nervösen Erscheinungen leidenden Frau von 33 Jahren zeigten sich im Laufe der Erkrankung, zum ersten Mal vor Beginn des Ausbruchs einer Grippe, über den ganzen Körper zerstreut (mit Ausnahme des Gesichts und des rechten Arms) rothe Flecke, die, ohne regelmäßige Gestalt, von rother, violetter, selbst bräunlicher Färbung, hier und da im Centrum eine kleine Desquamation zeigten. Die Größe schwankte von 1—2 Millimetern bis zu mehreren Centimetern. Nach sorgfältiger Analyse des Falles kommen die Verf. zu dem Schluss, dass es sich um eine renale Toxämie handelt. W. Sachs (Mülhausen i/E.)\.

32) A. Baurowicz. Ein Fall von Mucocele des Siebbeinlabyrinths mit Veränderungen in der Augenhöhle. (Archiv für Laryngologie u. Rhinologie Bd. XII. p. 303.)

B. beschreibt einen Fall von Knochenblase der vorderen Siebbeinzellen (oder auch der mittleren Muschel), welche den Augapfel verdrängt hatte und im inneren Augenwinkel deutlich zu fühlen war. Bei der vorderen Rhinoskopie sah man die Blase an der unteren Fläche der mittleren Nasenmuschel. Bei Sondirung der Blase brach die Wand, und ein trüber, grauer Inhalt floss aus. Diese Eröffnung genügte, um die klinischen Erscheinungen: fühlbare Gescohwulst in der Orbita, Verdrängung des Augapfels, Epiphora, Röthung der Conjunctiva, Unwegsamkeit der betreffenden Nasenseite zum Verschwinden zu bringen. Spärliche Sekretion aus der eröffneten Höhle soll noch zeitweise bestehen.

Manasse (Straßburg i/E.).

33) E. Lafarelle. Sur deux cas de kystes osseux intra-sinusieux. (Revue hebdom. de laryngologie, d’otologie et de rhinologie 1901. No. 44.)

Beide Fälle batten die gleiche Entstehung: Bei der Extraktion eines Zahnes war eine Wurzel stecken geblieben, die 1 Jahr später entfernt werden musste; aus der Alveole entleerte sich Eiter. In der Annahme eines chronischen Kiefer- höhlenempyems spülte man aus; da die Flüssigkeit nicht durch die Nase abfloss, schritt man zur breiten Eröffnung und fand eine große in die Highmorshöhle weit hineinragende Cyste, deren knöcherne Wandung auf der einen Seite mit einer Cystenmembran, auf der anderen mit der Schleimhaut der Kieferhöhle bedeckt war. Nach Auskratzung der Cystenmembran wurde Cysten- und Kieferhöhle breit vereinigt, Anlegung einer Öffnung nach dem unteren Nasengange zu, Naht der

Wangenschleimhautwunde, Heilung. Wenn bei einem dentalen Empyem eine Betheiligung der Nase bezw. Abfluss durch dieselbe fehle, so müsse man stets an derartige intrasinuöse Cysten denken. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

34) C. Rödiger (Heidelberg). Weitere Beiträge zur Statistik des Zungencarcinoms. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 2.)

Gestützt auf 31 Fälle bespricht Verf. eingehend Ätiologie, anatomisches und klinisches Bild so wie die Therapie des Zungencarcinoms. Unter den ätiologischen Momenten spielte der Reiz durch cariöse Zähne die größte Rolle. Der Umfang der Geschwulst schwankte von Erbsengröße bis zu einer Ausdehnung über die ganze Zunge und die benachbarten Gebiete. In 16 Fällen waren Mundboden,

Centralblatt für Chirurgie. No. 2. 59

Mandeln, Gaumen oder Kiefer mitergriffen. 22mal fanden sich regionäre Drüsen- infiltrationen, 3mal Metastasen in der Submaxillarspeicheldrüse. 30 Pat. gelangten sur Operation, und zwar wurde vom Mund aus 12mal, nach v. Langenbeck 17mal, nach anderen Methoden 4mal vorgegangen (= 33 Eingriffe). Vielfach ist sowohl bei intra- als bei extrabuccaler Exstirpation mit Vortheil der Thermokauter in Ver- wendung gezogen worden. Bezüglich der Behandlung der Metastasen hält Verf. eine sorgfältige Ausräumung derjenigen Drüsen für genügend, die sich als infiltrirt erweisen; von einer principiellen Ausräumung der gesammten submaxillaren, cervi- ealen und eventuell subclavicularen Drüsenregionen möchte er dagegen absehen. Was die Operationsresultate betrifft, so gingen 4 Pat. an Herzschwäche und Collaps zu Grunde, von 7 war keine weitere Nachricht zu erhalten, 7 starben an Recidiv, 2 an anderweitiger, 3 an unbekannter Krankheit. Nicht weniger als 7 von den 30 Pat. sind seit mehr als 31/, Jahren, also definitiv geheilt geblieben. Gans be- sonders günstig gestalteten sich die Heilungsresultate bei solchen Fällen, welche mittels des Thermokauters behandelt worden waren. Honsell (Tübingen).

35) Devache. Complications multiples à la suite d’angine phleg- moneuse. (Arch. méd. belges 1901. September.)

Ein 34 Jahre alter Schreiner bekam eine periamygdaläre Phlegmone linker- seits, welche incidirt wurde. Wenige Tage nachher entwickelte sich unter Fieber- frost ein subdeltoidaler Abscess rechterseits, sodann schloss sich eine Osteomyelitis des rechten Humerus, alsdann Entzündungen der Fingergelenke und endlich ein Erysipel an. Im Eiter befand sich der Streptococcus pyogenes. Heilung. Hirts (Soc. méd. des hôp. de Paris) sah nach Angina eine doppelseitige perirenale Eite- rung auftreten. E. Fischer (Straßburg i/E.).

36) Gray. Tonsillar calculi occurring in both tonsils. (Boston med. journ. 1901.) August.

Bei 68jährigem Manne von gichtischer Konstitution fand sich die linke Mandel hart und geschwollen, die Rachenorgane im Ganzen leicht entzündet. Bei Sondi- rung der einzelnen Krypten der linken Mandel stieß die Sonde auf einen rauhen Körper, der ohne Narkose wegen zu großer Schmerzhaftigkeit nicht zu entfernen war. Am Abend desselben Tages jedoch löste sich der Stein von selbst. 1/3 Jahr später, nach vorausgegangener längerer Entzündung der rechten Mandel löste sich aus dieser ebenfalls von selbst ein etwas kleinerer Stein aus. Litteratur ist angeführt. Trapp (Bückeburg).

37) Weil. Recidivirendes Lymphangioma cavernosum der hinteren Rachenwand. (Aus der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien. 29. März 1901.) (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 14.)

1Tjähriges Mädchen, welches W. 1896 sum ersten Mal sah, hatte Blutungen aus dem Munde (nur bei Nacht), Schlingbeschwerden und Athemnoth. W. fand damals eine walnussgroße, breit aufsitzende Geschwulst am untersten Theile der hinteren Rachenwand gegenüber dem Kehlkopfeingang, die nebst einer zweiten bohnengroßen Geschwulst mit der galvanokaustischen Schlinge abgetragen wurde. Die mikroskopische Untersuchung (Paltauf) ergab Lymphangioma cavernosum mit sehr großen Hohlräumen. 1897 Recidiv, rasche Vergrößerung der Mandeln, die abgetragen wurden (einfache Hypertrophie), 1898 erneute Blutungen aus dem walnussgroßen Recidiv (Exstirpation durch Büdinger mittels Pharyngotomia la- teralis), das histologisch den gleichen Befund wie die primäre Geschwulst zeigte. Anfangs 1900 beginnt abermals ein Recidiv. Ende 1900 erneute Blutungen, die auf Tannineinblasungen aufhörten, wobei die Geschwulst im Umfang für einige Zeit surückging. Jetzt Geschwulst halbwalnussgroß, grauröthlich, weich, sehr leicht blutend, von grobhöckeriger Oberfläche, breit aufsitzend und nicht scharf begrenst. Es soll wieder ein chirurgischer Eingriff stattfinden.

60 Centralblatt für Chirurgie. No. 2.

Gutartige Geschwülste der hinteren Rachenwand, besonders des Hypopharynx sind sehr selten. Der vorgestellte Fall scheint ein Unikum su sein, da W. einen analogen in der Litteratur nicht auffinden konnte. Hübener (Dresden).

38) Lafarelle. Sur deux cas de lithiase salivaire de le glande sous- maxillaire ayant nécessité lľextirpation de la glande. (Revue hebdom. de laryngologie, d’otologie et de rhinologie 1901. No. 39.)

Das meiste ist aus der Überschrift ersichtlich. Im Übrigen bestanden die Klagen beider Pat. in Beschwerden in der Mandelgegend und ausstrahlenden Schmerzen nach dem Ohre derselben Seite. Beide Male wurde die Exstirpation der Submaxillaris nebst Stein von außen her vorgenommen und glatte Heilung erzielt. In dem 1. Falle war der Stein in gesundes Drüsengewebe eingebettet, während er im zweiten in der Peripherie der Drüse, welche stark fibrös war, lag, ohne dass der Ductus Whartonianus erweitert war.

F. Alexander (Frankfurt a/M.).

39) Toussaint. Note sur le traitement chirurgical de la sous-maxillite calculeuse. (Revue méd. de l’estomac 1901. September.)

Verf. entfernte durch äußeren Einschnitt in der Submaxillargegend einen bohnengroßen, höckerigen Stein, welcher sich im Drüsengewebe in der hinteren oberen Verlängerung der Submaxillaris entwickelt hatte, dicht unter der Schleim- haut des Mundbodens im Niveau des Weisheitzahnes vorsprang und schmerzhafte Schluckbeschwerden so wie Speichelfluss hervorrief. In den ersten Tagen nach der Operation entleerte sich Blut aus dem Ductus Warthonianus, im Übrigen glatte Heilung. Mohr (Bielefeld).

40) G. Ferrari. Corps étranger enclavé dans le pharynx depuis quatre mois. Radioscopie. Extraktion. (Ann. des malad. de l’oreille Bd. XXVIL No. 6. p. 527.)

Der in der Überschrift genannte Fremdkörper bestand aus dem Mundstück einer Tabakspfeife (Bernstein), das bei einem Sturz auf der Treppe abbrach und sich in die Schleimhaut der hinteren Rachenwand einbohrte, unter der es ganz verschwand. Pat. klagte, als er nach mehrstündiger Besinnungslosigkeit wieder zu sich kam, über Verstopfung der rechten Nasenseite; nach einiger Zeit konsta- tirte der zuerst konsultirte Arzt eine mächtige Schwellung in der Gegend des rechten hinteren Gaumenbogens, die als Neubildung imponirte. Erst 4 Monate nach dem Unfall, als sich Schluckbeschwerden einstellten, ein starker Foetor ex ore bemerkbar wurde und von Zeit zu Zeit Blut und Eiter sich in den Mund ent- leerte, suchte Pat. Hilfe bei F. Dieser fand die schon vom ersten Arzt gesehene Schwellung, die anscheinend von normaler Schleimhaut überzogen war; nach Hebung des Gaumensegels kam in der Höhe der rechten Choane eine Wunde mit nekrotischen Rändern zum Vorschein, in deren Tiefe sich ein Fremdkörper nachweisen ließ. Durch Radiographie wurde dann Lage und Größe genau fest- gestellt, dann nach einem Schnitt über die Höhe der Geschwulst das erwähnte Pfeifenmundstück zum Vorschein gebracht. (51/s cm lang, 13 mm breit). Glatte Heilung. Hinsberg (Breslau).

41) E. G. Stumme. Über die Spätresultate der Resektion des Kopf- nickers beim muskulären Schiefhalse nach Mikulicz. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. IX. Hft. 3.)

Im Laufe der letzten 10 Jahre bis zum Abschluss der vorliegenden Arbeit wurden in der Mikulioz’schen Klinik 120 Fälle von Caput obstipum musoulare beobachtet und behandelt. Von diesen wurden 34 Fälle schwerer und schwerster Form nach der Mikulicz’schen Methode entweder mit totaler (12) oder mit par-

Centralblatt für Chirurgie. No. 2. 61

tieller Resektion (22) des Musculus sternocleidomastoideus operirt. Mit den Resul- taten konnte man, wie die Nachuntersuchungen, zu welchen die Einwände gegen die Methode Veranlassung gaben, beweisen, außerordentlich zufrieden sein. Verf. fasst die Gesammtergebnisse folgendermaßen zusammen: »Von 28 nachuntersuchten Fällen können die ersten 21 als völlig geheilt gelten, von den übrigen 7 haben nur 2 Fälle eine stärkere Schiefstellung aufzuweisen, davon einer durch eine starke Skoliose bedingt. Der funktionelle Erfolg ist ausgezeichnet. Der kosmetische ist ebenfalls gut, nur war in verschiedenen Fällen eine mehr oder weniger deutliche Skoliose surückgeblieben«. Die gegen die Methode erhobenen Einwände haben sich somit nach Ansicht des Verf. als ganz hinfällig oder stark übertrieben erwiesen. Für schwere Fälle sei die Behandlungsweise mittels Resektion des Kopfnickers als die beste zu betrachten. Meist genüge eine partielle Resektion, manchmal sei jedoch eine totale nicht zu vermeiden. Eine orthopädische Nachbehandlung sei nicht immer nöthig und brauche auch nicht in den ersten Tagen nach der Ope- ration zu beginnen. Zur näheren Orientirung dienen 39 Abbildungen und die Krankengeschichten der operirten Fälle. J. Riedinger (Würzburg).

42) Glaser. Beitrag zur Lehre von der chronisch ankylosirenden Entzündung der Wirbelsäule. (Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie Bd. VIII. Hft. 3.)

G.’s Mittheilung ist desshalb für die Kenntnis der schon oft beschriebenen Krankheit von besonderer Bedeutung, da fast alle enderen einschlägigen Arbeiten ohne pathologisch-anatomischen Befund veröffentlicht sind, hier aber ein solcher gegeben wird. Bei dem 28jährigen Manne hatte sich die Steifheit der Wirbel- säule ohne erkennbares ätiologisches Mument in 3 Jahren entwickelt; daneben bestand fast vollkommene Ankylose beider Kiefergelenke und Bewegungsstörung in den Kniegelenken. Er starb an Lungenblutung bei geringer chronischer Phtbise. Die Sektion ergab, dass die Wirbelsäule einen vollkommen festen, soliden Stab bildete. An vielen Stellen waren die Wirbelkörper seitlich durch knöcherne Spangen untereinander verbunden. Die Gelenke der Processus arti- culares sämmtlicher Wirbel sind ankylosirt und durch knöcherne Massen ver- bunden, eben so sind die Articulationes tuberculi costae knöchern ankylosirt, an Stelle des fibrösen Ligg. costae vertebralia sind Knochenspangen gebildet; die Ligg. intercruralia s. flava sind in Knochenplatten verwandelt, eben so z. Th. das Lig. nuchae. Frei dagegen von Verknöcherung sind die Zwischenwirbel- scheiben und zum allergrößten Theile die an der Vorder- und Hinterfläche der Wirbel liegenden Bänder. Das Präparat stimmt also vollkommen überein mit dem einzigen bisher publicirten, dessen Träger man auch im Leben kannte, von Paul Marie. Vier schöne Abbildungen der Wirbelsäule sind der Arbeit beigegeben ; ferner 2 Krankengeschichten ähnlicher Fälle, in denen es aber nicht sur Sektion kam. Haeckel (Stettin).

43) W. Schulthess. Bericht über die Behandlung der Rückgrats- verkrümmungen im Zeitraum vom 1. Januar 1895 bis 31. December 1900. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. IX. Hft. 3.)

Der Zweck der vorliegenden, umfangreichen Arbeit, der 33 Abbildungen und mehrere Tabellen beigegeben sind, ist sunächst der, eine exaktere Beschreibung der von 8. konstruirten Apparate zur Behandlung der Skoliose zu geben, als sie in dm Lüning-Schulthess’schen Atlas der orthopädischen Chirurgie möglich war. Im allmählichen Ausbau der S’schen Behandlungsmethode sind zwar die Prineipien dieselben geblieben, die mechanischen Hilfsmittel wurden aber wesentlich verbessert und vermehrt. Letztere sollen nach S. dazu dienen, die Deformität ent- weder durch intensive und häufige Bewegungen zu korrigiren oder Übungen in korrigirter Stellung vornehmen zu lassen, um so nicht nur eine veränderte Ge- vohnheitshaltung herbeizuführen, sondern die Knochenform direkt zu beeinflussen. Die technische Seite wird bis ins Detail verfolgt.

62 Centralblatt für Chirurgie. No. 2.

Der 2. Theil beschäftigt sich mit den Erfolgen der Behandlung und einer Statistik über 618 Fälle von Skoliose, welche innerhalb der letzten 6 Jahre be- handelt wurden. Frühere Berichte werden theilweise ergänzt und vervollständigt. Die Statistik verlangt ein eingehendes Studium. Sie beruht auf gewissenhaft durch- geführten, nach wissenschaftlichen Grundsätsen jahrelang fortgesetzten Messungen und darf eine ihrer Bedeutung entsprechende Anerkennung beanspruchen.

J. Riedinger (Würzburg).

44) G. Trautmann. Tuberkulöse Larynxtumoren. (Archiv für Laryngologie u. Rhinologie Bd. XII. p. 27.)

Nach kurzer Besprechung der Litteratur über Kehlkopftuberkulose überhaupt und speciell über die tuberkulösen Geschwülste bringt Verf. einen Fall, den er selbst beobachtet hat; es handelte sich um einen 24jährigen Schauspieler, der eine Geschwulst von der Größe einer kleinen Haselnuss am rechten Stimmbande hatte ohne Ulcerationen im Kehlkopf. Die Geschwulst wurde bei der ersten mikroskopischen Untersuchung als Fibromepitheliom (!) angesprochen, bei der zweiten jedoch als tuberkulös. Später sah man dann, dass die Geschwulst noch ziemlich weit nach unten auf die Kehlkopfschleimhaut überging; hier wurde Heilung durch den galvanokaustischen Brenner erzielt. Es folgt dann an der Hand dieses Falles und der Beobachtungen anderer Autoren eine genaue Schilde- zung der Krankheit. Manasse (Straßburg i/E.).

45) P. H. Gerber. Beiträge zur Kenntnis der Lepra der oberen Luftwege und der Verbreitung der Leprabacillen. (Archiv für Laryngologie u. Rhinologie Bd. XII. p. 98.)

Nach einer historischen Einleitung berichtet Verf. eingehend über 8 selbst beobachtete Leprafälle, die durch Abbildungen illustrirtt werden. Auf Grund dieser Beobachtungen so wie der einschlägigen Litteratur wird dann in einzelnen Kapiteln das Krankheitsbild der Lepra von Nase, Rachen und Kehlkopf ge- schildert. Anatomische Untersuchungen wurden nicht angestellt, dagegen bakterio- ogische, von denen das nächste Kapitel handelt. Im Nasensekret von 5 Fällen fand Verf. mehr oder wenig reichliche Leprabacillen, von 3 Fällen keine. Sehr selten fanden sich im Rachensekrete Bacillen, und je weiter nach unten (bei den ‚oberen Luftwegen) der Herkunftsort des Sekretes lag, um so bacillenärmer war dieses. Es gelang ferner dem Verf., die Bacillen in den Sekreten, und zwar in flüssigen wie in trockenen, noch nach Wochen und Monaten nachzuweisen. Weiterhin hat er die Taschentücher, die Nachttische, Fußböden, Wände etc. auf Bacillen untersucht und solche nur in der Wäsche nachweisen können, die mit ‚den Sekreten in Berührung kommt. Danach werden am Schlusse der interessanten Arbeit prophylaktisch-hygienische Maßregeln gegeben. Manasse (Straßburg).

46) Zur Kasuistik der Fremdkörper in den Luftwegen. (Wissenschaftlicher Katalog der an der k. k. III. medicinischen Universitätsklinik in Wien befindlichen Sammlung, herausgegeben von der III. medicinischen Uni- versitätsklinik, mit einem Vorwort von Leopold v. Schrötter.) Stuttgart, Ferd. Enke, 1901. 99 S., 113 Fig.

Der Katalog, von H. v. Schrötter zusammengestellt, soll, wie L. v. Schrötter in einem Vorwort sagt, »einen bescheidenen Beitrag zu einem Kapitel liefern, dessen dramatisches Interesse niemals versiegt, und das glücklicherweise so häuflg von wahren therapeutischen Triumphen gekrönt wird«.

In einem Zeitraum von mehr als 30 Jahren kamen im Ganzen ca. 140 Fremd- körper zur Beobachtung; von diesen waren über 130 8o genaue Angaben vor- handen, dass sie für die vorliegende Arbeit verwerthet werden konnten. Die Krankengeschichten der einzelnen Fälle sind kurs aber sehr instruktiv wieder- gegeben. Die meisten Fremdkörper sind durch gute Abbildungen veranschaulicht, vielfach ist auch das laryngoskopische Bild reproducirt.

Centralblatt für Chirurgie. No. 2. 63

Die Fremdkörper sind nach ihrem Sitz geordnet. Es saßen: 2 in der Mund- höble, 19 in Gaumenbögen und Mandeln, 12 in Zungengrund und Valleoulae, 24 in der Rachenwand und Sinus pyriformis, 9 im Anfangstheil der Speiseröhre, 15 im Kehlkopf, 11 in Luftröhre und Stammbronchien, 3 in Bronchialästen, 17 in der Speiseröhre, 18 in der Nasenhöhle.

Es ist naturgemäß nicht möglich, über jeden einzelnen Fall su referiren, ich beschränke mich desshalb mit dem Hinweis auf einige besonders wichtige Punkte.

Von den Kehlkopffremdkörpern wurden 9 intralaryngeal ohne Narkose ent- fernt, 1 in Allgemeinnarkose (5jähriges Kind). Ein Knochenstück wurde aus- gehustet, nachdem es auf intralaryngealem Wege gelockert worden war (31/,jäh- riges Kind). 2 Fremdkörper wurden spontan ausgehustet, 1 zufällig bei der Autopsie gefunden. Eingriffe von außen wurden nur 2mal nöthig, imal wurde der Fremd- körper (Kautschukgebiss) von der Trachotomiewunde aus in den Mund gestoßen, imal nach Laryngofissur extrahirt (Knochenstück bei 21/,jährigem Kind).

Von den Fremdkörpern der Luftröhre und der Stammbronchien führten 3 sum Tode, 4 wurden spontan ausgehustet, 3 extrahirt, und zwar 1 nach Tracheotomie, 2 intralaryngeal. 1 Fremdkörper (Bleiplombe) wurde aus einem Bronchus 2. Ord- nung ohne Tracheotomie und ohne Allgemeinnarkose vermittels einer Pincette ent- fernt (12jähriger Knabe), 2 wurden spontan ausgehustet (Fleischstücke, Stück Johannisbrod).

Unter den Speiseröhrenfremdkörpern erscheint besonders 1 Fall bemerkens- werth, bei dem Anamnese und Untersuchungsbefund sehr dafür sprachen, dass ein Fremdkörper in der Speiseröhre steckte. Statt des erwarteten Objektes be- förderte der Schlundhaken jedoch ein Stück von einem Carcinom zu Tage.

Auch die übrigen Kapitel enthalten eine Fülle von interessanten Beob- schtungen. Hinsberg (Breslau).

47; J. Garel. Quelques cas curieux de corps étrangers du larynx. (Ann. des malad. de l'oreille etc. Bd. XXVII. No. 8. p. 117.)

Bericht über 4 Fälle von Kehlkopffremdkörper aus der Beobachtung G.'s. Alle 4 wurden intralaryngeal entfernt, 1, bei einem 41/sjährigen Kinde, nach voraus- geschickter Tracheotomie. Diese Vorsicht erwies sich als sehr zweckmäßig, da der Fremdkörper, eine Schuhöse, der fassenden Zange entglitt und wohl sicher in die Luftröhre gerathen wäre, wenn ihn nicht die Kanüle festgehalten hätte.

Hinsberg (Breslau).

48) G. Naumann. Über den retrosternalen Kropf. (Hygiea Jahrg. 63. Bd. I. p. 491. [Schwedisch.])

Der 33jährige Pat. hatte schon bei der Geburt an der linken Seite des Halses einen kleinen Knoten, der später etwas heruntersank, aber bis su 2 Wochen vor der Aufnahme keinerlei Unannehmlichkeiten verursacht hatte. Dann stellten sich auf einmal Schlingbeschwerden, Heiserkeit, Athemnoth und Pulsbeschleuni- gung ein.

Die oberflächlichen Venen, sowohl am Halse als am oberen Theile der Brust, waren dilatirt und strotzend gefüllt. Die Geschwulst war apfelsinengroß und schien mit Lufröhre und Kehlkopf innig verwachsen zu sein, deren unterer Theil erstreckte sich hinter das Manubrium sterni. Das linke Stimmband zeigte sich laryngoskopisch in unbeweglicher Kadaverstellung.

Die Exstirpation der oystös degenerirten Struma geschah durch den Kocher- sehen Bogenschnitt. Da Versuche, sie herauszuluxiren, nur sehr unvollständig gelangen, wurde die obere Partie von der Luftröhre abpräparirt, wonach der Zeige- finger in seiner ganzen Länge hinter dem Brustbein eingeführt wurde, ohne doch die untere Grenze erreichen zu können. Alle Versuche, die Geschwulst heraus- subefördern, auch nach Abtragung der Ansätze der Sternohyoides, Sternothyreoides und Sternocleidomastoides scheiterten. N. resecirte nun die mittlere Abtheilung, wobei eine große Cyste in dem unteren Abschnitt zum Vorschein kam; erst nach deren Punktion konnte nun der ganze Kropf durch die gar su enge Thorax-

64 Centralblatt für Chirurgie. No. 2.

apertur mit einer Muzeux’schen Zange hervorgesogen werden, so dass man die plattgedrückte Luftröhre mit dem ihr anliegenend N. recurrens sah. Zuletzt wurde das ebenfalls cystös degenerirte obere Horn abgetragen. Nach einigen Muskelnähten wurde die Hautwunde verkleinert und die ganze Höhle, in deren Tiefe man Subclavia pulsiren sehen konnte, austamponirt. Die Blutung war mäßig gewesen. Nach 6 Wochen hatte sich die Wunde so weit gefüllt, dass Sekundär- nähte durch die Haut gelegt werden konnten.

Über das definitive Resultat berichtet Verf., dass die Stimmbandlähmung un- beeinflusst blieb, und fast nur flüssige Nahrung geschluckt werden konnte. Links- seitige Facialisparese und Pupillenerweiterung ließ eine Druckatrophie des Sym- pathicus vermuthen. Diese Symptome dauerten nach der Entlassung, bis eine Schluckpneumonie etwa 2 Monaten p. op. das Leben endete.

Hansson (Cimbrishamn).

49) E. Weber (Colombier). A propos de la pathologie du thymus. (Revue med. de la Suisse romande 1901. No. 7.)

Die Fälle von mehr oder minder raschem Tod bei Kindern und jungen Leuten durch Hypertrophie oder Neubildung der Thymusdrüse sind seltener als man wohl im Allgemeinen annimmt. Bei der Lage unter dem Brustbein entgehen Thymusdrüse und deren pathologische Veränderungen meist unseren Forschungs- mitteln; zuweilen giebt die Perkusion Aufklärung, lässt aber auch sehr oft im Stich. Es wird schwer sein, bei Erwachsenen eine solche Diagnose zu stellen.

Zum Belege folgender Fall: »19 Jahre alter Pat., plötzlich von Dyspno& be- fallen. Als Ursache hierfür wird ein vorhandener Kropf angesehen und sofort entfernt; Besserung. Bald Wiederkehr der Beschwerden; Entwickelung eines linksseitigen Pleuraexsudats, nochmalige Punktion; fortschreitende Kachexie; Tod. Autopsie: Ein mit Pleura, Perikard und Sternum stark verwachsenes Sarkom der Thymusdrüse«. Kronacher (München).

50) A. Westphal. Weiterer Beitrag zur Lehre von der Tetanie. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 33.)

Zwei Tage nach einer nicht vollständigen Kropfexstirpation trat bei einer Frau Tetanie auf; ein halbes Jahr später gesellten sich epileptische Anfälle hingu, zum Theil in unmittelbarem Anschluss an Tetanieanfälle. Eine Thyreojodinbehandlung brachte hinsichtlich beider rasch guten Erfolg.

Überdies bildete sich bei der Frau Cataraota aus. Wahrscheinlich ist dieselbe eben so wie die Tetanie auf durch Giftwirkungen bedingte Ernährungsstörungen zurückzuführen. Auch ein zweiter Fall von Tetanie war mit Epilepsie vergesell- schaftet. Das Zusammenvorkommen von Tetanie und Epilepsie ist kein zufälliges Ereignis, sondern beide Krankheiten sind in der Mehrzahl der Fälle auf dieselbe Ursache, Intoxikation durch krankhafte Stoffwechselprodukte, zurückzuführen.

J. Schulz (Barmen).

51) Stein. Uber die Erzeugung subkutaner Paraffinprothesen. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 39.)

S. tbeilt 3 Fälle mit, in denen er die Methode mit recht gutem Erfolge an- gewandt hatte. Der 1. Fall betrifft eine luetische Sattelnase, der 2. eine Caries des knöchernen und knorpligen Septums der Nase, der 3. einen Verschluss einer nach Operation eines Wolfsrachens surückgebliebenen Gaumenspalte.

Die Technik kann hier nicht beschrieben werden, weil es zu weit führen würde. Es sei jedoch nochmals auf die recht interessante Mittheilung hingewiesen.

Borchard (Posen).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

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Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjāhriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 3. Sonnabend, den 18. Januar. 1902.

Inhalt: Zoege von Manteuffel, Über die Wirkung der Kälte auf einige Körper- gewebe, (Original-Mittheilung.)

1) v. Baumgarten und Tangi, Jahresbericht. 2) Canon, Septische Krankheiten. 3) Wilms, Verbrennung. 4) Fischer, Krankheiten der Lymphgefiße, Lymphdrüsen und Blutgefäße. 5) Büdinger, Chloroformausscheidung. 6) Julliard, Cocainanästhesie. 7) Trzebicky, 8) Kozlovsky, Spinalanästhesirung. 9) Grunow, Gelatineinjektionen. 10) Hackmann, Jodoformplombe. 11) Krönlg, Nahtmaterial. 12) Wannier, Harn- desinfcientien. 13) Colmers, Plastische Operationen am Penis. 14) Beck, Hypo- spadie. 15) Fiori, Folgen von Nephrektomie. 16) Runge, Gynäkologie. 17) Goro- witz, Genitaltuberkulose bei der Frau. 18) Mauclalre, Keilförmige Hysterektomie. 19) Beyea, Hysteromyomektomie.

J. Dollinger, Der arteflcielle Pneumothorax als vorbereitende Operation zur Exstir- pation durchgreifender Brustwandtumoren oder Lungentumoren. H. Marx, Über eine demerkenswerthe Femurexostose. (Original-Mittheilungen.)

20) Kurz, Nadelzange. 21) Cohn, Trokar zur sterilen Entnahme von Gewebetheilen. 22) Pearce, Leptothrixinfektionen. 23) Reymond und Alexandre, Streptokokken- Infektion. 24) Fischer, Milzbrand. 25) Gerulanos, Georgi, Lorenz, Tetanus nach Gelatineinjektionen. 26) d’Astros, Osteomyelitis beim Neugeborenen. 27) Stein- bach, Muskeltuberkulose. 28) Hammer, Riesenzellensarkom. 29) Patel, Chinin gegen Geschwulstbildungen. 30) Vulllet, Nierensteine. 31) Engländer, Nierencysten.

Uber die Wirkung der Kälte auf einige Körpergewebe'. Von | Prof. Zoege von Manteuffel in Dorpat.

In der Ätiologie der Arteriosklerose spielen Temperatureinflüsse bekanntlich eine recht wesentliche Rolle. Das eklatanteste Beispiel dieser Art bilden die Erfrierungen. Weitaus der größte Theil der- selben verfällt der Gangrän erst Wochen und Monate, einige sogar erst Jahre nach der Einwirkung der Schädlichkeit. Diese Beobach- tung ließ a priori annehmen, dass als Folge der Frostwirkung vor-

1 War sum Vortrag auf der Naturforschergesellschaft in Hamburg bestimmt, Musste jedoch wegen Zeitmangel zurückgestellt werden. 3

66 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

ab Gefäßveränderungen, Gefäßverschluss sich etablirte, als dessen Folge erst die Gangrän auftrat. In der That bestätigten meine Unter- suchungen an wegen Frostgangrän abgesetzten Gliedern diese An- nahme.

Es lag nun nicht fern, diese Erfahrungen zu experimenteller Erzeugung der Arteriosklerose zu benutzen, zumal alle übrigen klinisch bekannten Ursachen der Gefäßsklerose sich nur äußerst schwer oder gar nicht experimentell herstellen ließen, exklusive der Wirkung der Metalle.

Die Untersuchungen wurden an Meerschweinchen vorgenommen, deren eine hintere Extremität mittels Ätherspray der Kältewirkung ausgesetzt wurde. Bei einiger Vorsicht gelingt es so, geringere Grade von Erfrierung zu erzeugen, die nicht von Gewebstod, wohl aber von dem typischen Ödem gefolgt sind, und die die Funktion nur vorübergehend stören. Wiederholungen und graduelle Abstufungen der Anzahl der Kälteeinwirkungen ergeben dann eine Skala, die die mannigfachsten Bilder zeigt. Sie harmoniren im Ganzen durchaus mit den Bildern, wie wir sie beim arteriosklerotischen Gefäßverschluss und bei der Gangraena spontanea sehen. Nur lassen sich schwerer das Lumen völlig verschließende Thromben vermeiden. Bei sämmt- lichen Körpergeweben, die dem Frost ausgesetzt gewesen sind, leidet zuerst das am höchsten organisirte Gewebe. So zeigen sich auch die stärksten Veränderungen des Gefäßes an der Muscularis. In den ersten Tagen findet sich eine Trübung der Media; sie färbt sich schlecht. Einige Kerne zeigen Vacuolen. In späteren Stadien der Reparation findet sich trotz Erweiterung der Lichtung Hypertrophie. Während die quergestreifte Muskulatur der Extremität durchweg degenerirt und durch Bindegewebe ersetzt wird, fand also hier, an der glatten Muskulatur der Gefäße, Neubildung statt, was in Rück- sicht ihrer geringeren physiologischen Dignität gewiss verständlich ist. Vor Allem aber beherrscht das Bild der Gefäßveränderung die Wucherung der Intima. Allerdings zeigen sich in den Versuchen Veränderungen, wie wir sie am Menschen in äußersten Spätstadien oder als Folge intensiver Frostwirkungen kennen gelernt haben. Aber schon in unseren, somit ziemlich groben Versuchen kann man erkennen, dass die Endothelwucherungen als Reaktion auf die Degene- ration der Gefäßwand Anfangs durchaus im Bilde der Arteriosklerose bleiben und erst in jenen Versuchen, in denen weitgehender throm- botischer Verschluss in der Peripherie sich vorfand selbst zum Verschluss des Lumens sich steigerten.

Eben so wie bei der Arteriosklerose des Menschen fand sich hier Degeneration und Neubildung der Elastica, die, oft in vierfacher Schicht gelagert, den Elasticitätsverlust der Media im Verein mit der Wucherung der Intima zu kompensiren berufen erscheint. Ich kann also wohl sagen, dass die einschlägigen Untersuchungen Rudnitzki’s, der bei mir dieses Thema bearbeitete, den experimentellen Nachweis erbracht haben, dass Kälte Arteriosklerose erzeugt.

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 67

Der Zweck der Untersuchungen war aber damit nicht erschöpft; vielmehr hatte ich die experimentelle Erzeugung der Arteriosklerose unternommen, um an anderen Körpergeweben die durch Arteriosklerose erzeugten Ernährungsstörungen zu studiren. Einige histologische Voruntersuchungen so wie die Beobachtung, dass schwere, mit vaso- motorischen Störungen einhergehende Nervenerkrankungen (Tabes, Syringomyelie) zu deformirenden Processen an den Gelenken führten, brachten mich auf den Gedanken, dass die unmittelbare Ursache dieser destruirenden Processe vielleicht in einer Sklerose, im Ver- schluss ernährender Gefäße zu suchen sei.

Ich ging dabei von der Auffassung aus, dass das wesentliche Moment bei der Arthritis deformans atrophischer Natur sei, eine Auf- fassung, die ich somit mit Haga theile. Es war nun aber nicht möglich, die Gefäße der Kälte zu unterziehen, etwa gar bloß die Arteria nutritia krank zu machen, ohne zugleich sämmtliche übrige Gewebe, also auch die Knochen, der Frostwirkung auszusetzen. Dr. Baron Manteuffel, dem ich die Untersuchungen übertragen hatte, fand namentlich bei Thieren, die mehrfachen Erfrierungen ausgesetzt waren und die die Versuche Monate überlebt hatten, Folgendes:

1) Die Diaphysen. Tibia und Fibula erschienen von einem mächtigen Mantel neu gebildeten Knochengewebes umhüllt, so dass sie in extremen Fällen fast bis aufs Doppelte verdickt erschienen. In keinem Falle aber fehlte die Knochenwucherung. Der ursprüng- liche Knochencylinder zeigte Degenerationserscheinungen, die Kno- chenkörperchen leer, kernlos. Auch in der Markhöhle hatte Knochen- neubildung stattgefunden, wenn auch in geringerem Maße. Die periostale Neubildung legte sich in regelmäßigen koncentrischen Schichten dem alten, todten Knochen an, zeigte wenig Unebenheiten auf der Oberfläche, histologisch das Bild normalen Knochengewebes.

2) Die Epiphysen. An den Gelenkenden waren die Verände- rungen von den beschriebenen verschieden: nach der Gelenfläche zu erweiterten sich die Markräume, so dass die Knochensubstanz verschmächtigt erschien. Diese Resorption erreicht gegen die Gelenk- fläche hin so hohe Grade, dass die unter dem Knorpel liegende Knochenschicht stellenweise papierdünn wird, stellenweise sogar völlig schwindet. Auch der Knorpel zeigt degenerative Vorgänge, jedoch geringeren Grades.

Regenerative Vorgänge fanden sich nur an den Seiten der Ge- lenkknäufe, am Übergang zu den Paraphysen.

Die Frostwirkung äußert sich am Skelett somit in ähnlicher Form und Weise wie an den übrigen Körpergeweben: Absterben des vorgebildeten normalen Gewebes, Regeneration von Seiten des Binde- gewebes. Es ist ferner erklärlich, dass bei Absterben (einer Art Nekrobiose) des Knochens das Periost entsprechend seiner physiolo- gischen Stellung zu wuchern beginnt, als Narbengewebe des Knochens, das ja stets wesentlich vom Periost geliefert wird, während an den Epiphysen das Mark den durch Degeneration und Resorption ge-

3%

68 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

setzten Gewebsverlust decken muss. Eben so erklärlich ist es aber auch, dass die geschwächte Gelenkfläche unter dem Druck der Be- lastung leicht einknicken wird.

Die hierdurch gesetzten Unregelmäßigkeiten der Oberfläche können dann zur Abschleifung und zur Weiterentwicklung des Bildes der Arthritis deformans führen, Vorgänge, die beim Menschen beson- ders begünstigt werden durch die Belastung bei aufrechter Haltung. Auch Haga vermuthete, eben so wie ich, dass Arteriosklerose mög- licherweise als Ursache der deformirenden Gelenkentzündung anzu- sehen sei. In meinen Versuchen habe ich hierfür keine Beweise gefunden. Denn obgleich Wandveränderungen der Nutritia nachzu- weisen waren, so waren die Veränderungen am Knochen doch so hochgradige und so ausgedehnte, dass sie sich eher durch direkte Wirkung der Kälte erklären lassen, als auf dem Mittelwege einer Veränderung der Blutgefäße.

Da als Folge der Erfrierung Ödem aufzutreten pflegt, war es nothwendig, zu untersuchen, ob Odem an sich ähnliche oder gar die- selben De- und Regenerationserscheinungen hervorrief. Einschlägige Untersuchungen, die ich in Form der Bier’schen Stauungen aus- führen ließ, sind noch nicht ganz abgeschlossen. Jedenfalls bedingt die Stauung ebenfalls Veränderungen analoger Natur, nur dass sie viel weniger hochgradig zu sein scheinen, ja oft nur angedeutet sind und sogar fehlen. Es ist eben nicht die durch die Kälte und Gefäß- lähmung erzeugte venöse Stauung und das Ödem als Ursache der periostalen Wucherung anzusehen, sondern augenscheinlich haupt- sächlich die Degeneration des Knochens selbst durch die Kälte. Das schließt natürlich nicht aus, dass auch Ödem und venöse Stau- ung periostale Wucherungen zu erzeugen im Stande sind?.

Berlin, September 1901.

1) v. Baumgarten und Tangl. Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den pathogenen Mikroorga- nismen. 14. Jahrgang. 1898.

Braunschweig, Harald Bruhn, 1900. 1055 S.

Der unentbehrlich gewordene »Baumgarten’sche Jahresbericht: legt auch diesmal ein glänzendes Zeugnis ab von der unermüdlichen Weiterentwicklung, die der Herr Herausgeber immer wieder nach einer neuen Seite hin möglich zu machen weiß. So ist für die französische Litteratur Charrin-Paris gewonnen, einer der klang- vollsten Namen der französischen Bakteriologie. Die bisher nur lückenhaft bearbeitete schwedische und dänische medicinische Bak-

2 Anmerkung. Letzterer Satz hat soeben noch von anderer Seite Bestä- tigung erfahren: Anton Bum, Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der Stauung auf die Entwicklung des Knochencallus. Centralblatt für Chirurgie 1901. No. 47.

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 69

terienlitteratur wird eine vollständige Berücksichtigung durch Fräu- lein Anna Stecksen (Stockholm) finden. Für den zeitweilig ver- hinderten langjährigen Specialreferenten für die russische medicinische Bakterienlitteratur Alexander Lewin ist Lydia Rabinowitsch eingetreten, die russische veterinäre Bakterienlitteratur wird von Tartakowsky (St. Petersburg) bearbeitet. Schließlich sei noch er- wähnt, dass an Stelle von Lustig (Florenz) der schon früher am Jahresbericht beschäftigte Trambusti (Palermo) für die italienische Litteratur eingetreten ist. Trotz vermehrten Inhalts und Vergrößc- rung des Arbeitsgebietes ist der vorliegende Jahrgang um 8 Druck- seiten und eine Arbeitsnummer hinter seinem Vorgänger zurück- geblieben. Anordnung und Ausstattung sind in der gleichen treff- lichen Weise wie immer bemerkbar. Hübener (Dresden).

2) Canon. Zur Ätiologie und Terminologie der septischen Krankheiten, mit Berücksichtigung des Werthes bakteriolo-

gischer Blutbefunde für die chirurgische Praxis. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 93.) Dem im Berliner Chirurgenverein gehaltenen Vortrage (Ref. s.d. Bl. 1901 p. 1251) ist ein Verzeichnis der jüngsten einschlägigen bakteriologischen Litteratur angefügt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

3) Wilms. Studien zur Pathologie der Verbrennung. Die

Ursache des '[odes nach ausgedehnter Hautverbrennung. (Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 4 u. 5.)

W. weist auf die unberechtigte Verwerthung von Thierexperi- menten in dieser Frage hin und basirt seine werthvollen Ausfüh- rungen ausschließlich auf klinische Beobachtungen und ausgiebige Untersuchungen der einzelnen Störungen und Erscheinungen in Fillen von Hautverbrennungen beim Menschen.

Die Untersuchung des Blutdrucks ergab, dass sich für die Reflex- theorie Sonnenburg’s beim Menschen keine beweisende Thatsache beibringen ließ. Das Fehlen jeder Drucksteigerung zeigte, dass von einer durch Nervenreiz bedingten Erregung des Vasomotorencentrums mit sekundärer reflektorischer Gefäßlähmung nichts nachzuweisen war.

Die Ansicht, dass eine ausgedehnte Zerstörung von rothen Blut- körperchen die Todesursache bei Verbrennungen sei, ist nicht halt- bar, wie einmal die Zählung der rothen Blutscheiben und die viel zu geringe Menge des im Harn ausgeschiedenen Hämoglobins ergiebt. Eben so wenig ließ sich die Annahme v. Lesser’s, dass die noch erhaltenen rothen Blutkörperchen in ihrer Funktion geschädigt seien, bestätigen. Wegen der zu geringen Menge der zerstörten rothen Blutkörperchen kann durch diese auch keine lebensgefährliche Schä- digung von Leber, Milz und Niere entstehen. Die durch die Ver-

70 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

brennung gebildeten Albumosen dagegen erzeugen eine vorüber- gehende Nephritis.

Das Vorkommen von vielfachen Thrombosirungen in Lunge, Niere etc., welche durch die Blutplättchen zu Stande kommen sollten, konnte W. nicht bestätigen.

Bei ausgedehnten Verbrennungen II. Grades spielt dagegen, wor- auf schon Tappeiner hingewiesen, der Wasser- oder richtiger gesagt Plasmaverlust des Blutes eine sehr wichtige Rolle und ist die wesentliche Todesursache. Für die Verbrennungen III. Grades gilt dies nicht; bei diesen wird der Tod herbeigeführt wahrscheinlich durch Spaltungsprodukte des Eiweißes in den durch die Hitze ge- schädigten Geweben; es gelang W. im Urin Albumosen nachzuweisen, doch lässt er die Frage noch offen, ob diese oder giftigere Peptone toxisch wirken. Jedenfalls ist die Todesursache bei Verbrennungen II. und III. Grades nicht einheitlicher Natur, sondern für beide Grade verschieden.

Hinsichtlich der Therapie empfiehlt W. Trinken von möglichst viel Flüssigkeit zur Verhütung der Wasserverarmung des Blutes und Zwecks besserer Ausscheidung toxischer Stoffe durch den Urin. Um den Verbandwechsel möglichst schmerzlos zu gestalten, lege man auf die Brandstelle nach Desinfektion derselben eine einfache Lage Gaze, welche 7 Tage liegen bleibt, während der übrige Verband darüber nach Bedarf erneuert wird. Haeckel (Stettin).

4) Fr. Fischer (Straßburg). Krankheiten der Lymphgefäße,

Lymphdrüsen und Blutgefäße. (Deutsche Chirurgie Lieferung 24.) Stuttgart, Ferd. Enke, 1901.

Nach kurzen anatomischen und physiologischen Vorbemerkungen werden in den 4 Theilen der Monographie zunächst die akuten und chronischen, nicht specifischen Entzündungen der Lymphgefäße, Lymphdrüsen, Arterien und Venen abgehandelt. Ihnen folgen dann im Theil I die tuberkulösen und syphilitischen Erkrankungen, die Carcinose und Erweiterung der Lymphgefäße, im Theil II gleichfalls die specifischen Affektionen der Lymphdrüsen, die primären und sekundären Geschwülste der letzteren, die Lymphadenocele; im Theil III die Arteriitis syphilitica, das Aneurysma arteriale und Rankenangiom und im Theil IV das arteriell-venöse Aneurysma und die Varicen; die Lymph- und Hämangiome sind somit nicht ge- schildert, vielmehr der Monographie über die »Geschwülste« vor- behalten. Die Litteratur, deren Verzeichnis auf ca. 30 Seiten vorangestellt ist, findet sich erschöpfend berücksichtigt. Ihr gegen- über treten Verf.s eigene Erfahrungen und Anschauungen in den Hintergrund, wenn auch einzelne Beobachtungen aus der früher Lücke’schen Klinik in die durch Klarheit der Sprache ausgezeich- nete, bei aller Ausführlichkeit doch nicht weitschweifige Darstel-

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 71

lung eingeflochten sind. Die pathologische Anatomie wird besonders eingehend geschildert; aber auch der klinische Theil ist nirgends zu kurz gekommen und die Therapie sehr sorgfältig erörtert, so dass beispielsweise für die der Lymphdrüsentuberkulose über 10, für die der Aneurysmen mehr als 40 Seiten in Anspruch genommen sind. Das Werk wird, da auf dem von ihm behandelten Gebiete große Fortschritte kaum noch zu erwarten sein dürften, seinen Werth länger behalten, als dies manchen anderen, bereits jetzt zum Theil veralteten Lieferungen der Deutschen Chirurgie beschieden sein wird. Kramer (Glogau).

5) K. Büdinger. Über die Ausscheidung des Chloroforms

aus den Respirationsorganen. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 31.)

Verf. konnte feststellen, dass in der Exhalationsluft nach Chloro- formnarkosen in der Regel noch 24 Stunden später Chloroform in nachweisbarer Menge vorhanden ist, ja sogar noch am 3., 4. und selbst 5. Tage. Er beschuldigt vor Allem den Schleim in Rachen und Nase als Ursache der Retention und konnte in demselben das Chloro- form noch 16—48 Stunden länger als in der Exhalationsluft nach- weisen. Hierdurch seien eine große Zahl der sog. »Narkosenach- wirkungen« zu erklären. Es ist daher angezeigt, bei langdauernden Narkosewirkungen die erreichbaren Schleimhäute der Respirations- wege von dem anhaftenden Schleim und Sekret möglichst zu säubern. Die Theorie Lewin’s, nach der das Chloroform durch die Lungen theils rein, theils in Ameisensäure und Chlor ausgeschieden werde,

hält Verf. in ihrem zweiten Theile für nicht richtig. Hübener (Dresden).

6) G. Julliard. Anesthésie par la cocaine. (Revue méd. de la Suisse rom. 1901. No. 4.)

J. hat bisher im Ganzen 4 spinale Injektionen mit Cocain ge- macht. In 2 Fällen Mastdarmexstirpation und Radikaloperation einer Hernie konnte er überhaupt bis zu /‚stündigem Zuwarten keine Anästhesie erzielen; bei einer Hydrocele und Patellarnaht gelang die Analgesie nach 45 bezw. 30 Minuten; völlig schmerzlose Operation. Der eine dieser Pat. starb 24 Stunden nach dem Eingriffe, doch nicht, wie es schien, an Intoxikation, sondern an der Ruptur eines Aneurysmas der Arteria fossa Sylvii; bei dem anderen Pat. waren die Intoxikationserscheinungen Kopfschmerz, Unruhe, Schweiße am anderen Tage verschwunden.

J. erwähnt hierbei die (nicht neue! Ref.) kombinirte Mor- phium-Ather- (7) bezw. Chloroform-(1)Narkose, die er 8mal aus- geführt hat. Die Pat. erhielten eine Injektion von 0,01—0,02 Mor- phium, nach wenigen Minuten bis zu !/, Stunde wurden sie einmal tief narkotisirt, nie wurde mehr Äther o. A. nachgegeben; nach dem Hautschnitte erwachten sie gewöhnlich und blieben bei vollem Be-

12 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

wusstsein während der bis zu 1 Stunde währenden Operation voll- ständig analgetisch. Keinerlei Nachwehen seitens der Anästhetica.

Diese Analgesie macht keine Schmerzen, keine Intoxikations- erscheinungen gegenüber der spinalen Injektion; auch wirkt letztere event. nur an dem unteren Körperabschnitt, während erstere allgemein ist. Die gemischte Narkose ist andererseits nicht verlässig; eine zufällige Kombination des Morphins mit dem Chloroform oder Äther tritt verhältnismäßig selten ein.

J. bedauert den Mangel der Narkosenstatistiken, weil die un- günstigen Fälle nicht alle publicirt würden; so wird es auch mit der spinalen Injektion sein und werden (Infektion!? Ref... Er zieht den Ather der gewiss nicht harmlosen spinalen Injektion vor. Unter 9000 Anästhesien mit jenem keinen Unfall. L’ether est le doyen des anesthesiques et c’est encore aujourd’hui le moins dangereux de tous.

Das Erhalten des Bewusstseins bei der Injektionsmethode mag ein Vortheil sein; sie wird keine allgemeine Verwerthung finden, nur in Ausnahmefällen am Platze sein. J. hat desshalb auch keine 5. Injektion gemacht, er will einen solchen Ausnahmefall abwarten. Kontraindikation des Äthers oder Einverständnis des Pat., die Gefahren der Injektion gegen eine tiefe Narkose einzutauschen,

Kronacher (München).

7) Trzebioky. Zur Cocainisirung des Rückenmarkes nach Bier. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 22.)

T. hat die Anästhesirung vom Rückenmark aus 138mal versucht, 103mal mit vollem Erfolg; imal musste wegen zu frühen Aufhörens der Analgesie gegen Schluss der Operation zur Chloroformnarkose geschritten werden; 31mal dagegen blieb der Erfolg völlig aus, aller- dings 8mal wegen konstatirter technischer Fehler. In 111 Fällen wurde das Cocain. muriatic. Merck benutzt, 15mal das Eucain-8 und 1i2?mal Eucainum hydrochloric.-@. Dabei hat sich das Cocain in frisch bereiteten Lösungen am besten bewährt; und zwar kam T. mit Maximaldosen von 0,015 (15 mg in 1%iger Lösung) in allen Fällen aus, wo überhaupt eine Analgesie vom Rückenmark aus zu erzielen war. Dem gegenüber mussten zur Erreichung eines gleichen Resul- tates vom Eucain-# Dosen von 5 und 6 cg genommen werden. Die Versuche mit Eucain. hydrochloric.-« ließen ebenfalls Manches zu wünschen übrig.

Als Einstichstelle wird ein beliebiger Zwischenraum zwischen den Dornfortsätzen der Lendenwirbelsäule gewählt, doch ist die Wahl der Einstichstelle (auch zwischen den untersten Brustwirbeln) für den gewünschten Erfolg völlig belanglos. Der Einstich erfolgte in der Regel in sitzender Stellung mit vorgebeugtem Kopfe und ge- wölbtem Rücken (Katzenbuckel).

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 13

Die von manchen Seiten betonte Forderung, Behufs Hintanhal- tung von zu starkem intraduralem Druck stets so viel Cerebro- spinalflüssigkeit abfließen zu lassen, als man Cocainlösung zu inji- ciren gedenkt, ist nach T. unzweckmäßig. Er konnte im Gegentheil die Beobachtung machen, dass kopioser Abfluss von Liquor schlecht vertragen wurde.

Gewöhnlich reichte das Niveau der Analgesie bis an den Nabel, in manchen Fällen auch noch etwas höher. Eine bis zum Kopf auf- steigende Anästhesie, wie sie von manchen Seiten beschrieben ist, hat T. nicht beobachtet. Einige darauf hinzielende Versuche, bei denen durch Trendelenburg’sche Beckenhochlagerung und stärkere Ver- dünnung der Lösung zwar auch eine bis in die Arme steigende Analgesie erzielt wurde, wurden wieder aufgegeben, wegen »Intoxi- kationserscheinungen von geradezu erschreckender Heftigkeit, wie dies in Folge direkter und rascher Einwirkung fast der ganzen Cocain- menge auf die Hirnrinde selbstverständlich ist«. Im Übrigen konnte eine Abhängigkeit des Grades der Schwere der Intoxikationssym- ptome von irgend einem der bekannten Faktoren nicht konstatirt werden; die schwersten waren bereits nach 24 Stunden verschwun- den. Dauernder Nachtheil für die Pat. konnte in keinem Falle be- obachtet werden, obwohl T. es noch nicht für ausgemacht hält, ob die Folgen der namentlich wiederholten Punktionsstiche der Me- ningea sich nicht noch nach Jahren in Form von Verdickungen, Adhäsionen etc. missliebig bemerkbar machen werden.

Seine Erfahrungen legt T. nun in folgenden Schlüssen nieder:

1) Die Cocainisirung des Rückenmarkes nach Bier ist in der jetzt geübten Form weder berufen, die Inhalationsnarkose zu ersetzen, noch eignet sich dieselbe wegen der ihr anhaftenden Gefahren einer Infektion und in zweiter Linie Intoxikation, so wie der Unsicherheit des Erfolges für die Privatpraxis überhaupt.

2) In wohl eingerichteten und namentlich gegen äußere Infek- tion gefeiten Instituten sind jedoch weitere Versuche mit dem Ver- fahren so wohl im Interesse der Wissenschaft als auch der leidenden Menschheit erwünscht. Selbstverständlich dürfen demselben nur geeignete Fälle unterworfen werden, und muss man stets im Falle des Misslingens zur Einleitung einer anderen Anästhesirungsmethode bereit sein.

3) Vor Allem eignen sich für die Methode Operationen an den unteren Extremitäten und am Becken. Das Gebiet der Laparotomien ist für diese Anästhesirungsart ein ziemlich beschränktes, da ja, wie erwähnt, die Analgesie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur bis zum Nabel reicht. Für Operationen freier Leistenbrüche, Appen- dixexstirpationen ohne Eiterung dürfte die Cocainisirung des Rücken- markes zweckentsprechend sein. Laparotomien, in welchen man mit abnormer Spannung der Bauchdecken, so wie Tendenz der Därme zum Prolaps zu kämpfen hat, also vor Allen die wegen innerer Oc-

clusion ausgeführten eignen sich hierfür gar nicht. 37%

14 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

4) Besondere Vorsicht ist bei schwacher Herzthätigkeit, nament- lich chronischer Myokarditis angezeigt, eben so wie T. es nie wagen würde, bei einen septikopyämischen Kranken die Lumbalpunktion auszuführen. Die Gefahr einer Autoinfektion scheint in letzteren Fällen eine doch allzu eminente. Hübener (Dresden).

8) Kozlovsky. Bedeutung der Corning-Bier’schen An-

algesie des Rückenmarkes für die Kriegschirurgie. (Wiener med. Wochenschrift 1901. No. 46.)

In der Maydl’schen Klinik sind mit der Eucainisirung des Rückenmarkes die besten Erfolge erzielt: die Schmerzlosigkeit tritt prompt ein, die Nebenerscheinungen sind verhältnismäßig und vor allen Dingen gegenüber dem Cocain geringfügig, so dass nach An- sicht des Verf.s das Verfahren wahrscheinlich in kurzer Zeit all- gemeine Verbreitung finden wird. (Nähere Angaben über Technik etc. scheinen in einer böhmischen Publikation von Jedlicka gemacht zu sein, welche damit der allgemeinen Kenntnisnahme sich entziehen). Der Autor würdigt das Verfahren für die Kriegschirurgie und kommt zu dem Schluss, dass wegen der leichten anstandslosen Ausführbar- keit und der sonstigen großen Vortheile sich dasselbe hervorragend dafür eigne. Es hat nicht die üblen Zufälle der Chloroformnarkose (bei richtiger Anwendung natürlich), Kontraindikationen »im mili- tärischen Alter« giebt es nicht, die Beschaffenheit der Respirations- organe und des Herzens fällt nicht ins Gewicht; Sanitätspflegeper- sonal wird sowohl bei der Narkotisirung, wie bei den Nachwehen erspart; es giebt eben keine Bewusstlosigkeit. Der Operirte kann sofort weggeschafft werden, die Analgesirung nimmt nur kurze Zeit in Anspruch. Auch die Ausführung des Verfahrens stößt auf keine besonderen Schwierigkeiten. Das Instrumentarium ist sehr einfach und billig; die Vorbereitung des Präparats, die Sterilisirung ist rasch zu vollziehen, das Eucain selbst antiseptisch. Und sollte die Methode einmal versagen, so ist bemerkenswerth, wie rasch nach einer Eucain- injektion ein geringes Quantum Chloroform wirksam ist.

H. Frank (Berlin).

9) Grunow. Über Anwendung subkutaner Gelatineinjek-

tionen zur Blutstillung. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 32.) G. berichtet über den Erfolg subkutaner Gelatineinjektionen bei 7 Lungenblutungen, 8 Darmblutungen, 2 Nierenblutungen, 2 Blasen- blutungen und einer Blutung aus einem Aneurysma. Danach scheinen dieselben wirksam gewesen zu sein. Die subkutane Anwendung der Gelatine ist von einigen unbequemen Nebenerscheinungen begleitet, wie Schmerzen an der Injektionsstelle, Fieber, manchmal Urticaria, einmal umschriebene Anschwellung; dieselbe bilden jedoch keine

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 75

Kontraindikation. G. empfiehlt die Anwendung der subkutanen Gelatineinjektionen bei allen schweren inneren Blutungen, wobei wegen des Vorübergehens der gerinnungsbeschleunigenden Wirkung auf eine protrahirte, über das Blutungsstadium hinausgehende An- wendung Gewicht gelegt wird.

Oft genügt jedoch die gerinnungsfördernde Wirkung der Gela- tine allein nicht, um die Blutung zum Stillstand zu bringen; sie muss dann mit der Anwendung von direkten oder indirekten Hämo- staticis kombinirt werden. J. Schulz (Barmen).

10) Hackmann. Die Jodoformplombe. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 22.)

In der v. Mosetig-Moorhof’schen Abtheilung ist zur Aus-

füllung von Knochenhöhlen folgende Plombe in Gebrauch:

Cetacei 40,0

Olei sesami 20,0

Jodoformii 60,0 oder 30,0. Das Cetaceum und das Sesamöl werden für sich in sterilem Glas- behälter gekocht und das sterilisirte Jodoform wird hinzugefügt. Jodoform wird entweder durch Sublimation sterilisirt oder durch Kochen in Wasser, wobei durch Auflösung von 1g Sublimat zu 1 Kilo Jodoform im Wasser die Veränderung des Jodoforms durch das Kochen völlig vermieden werden soll. Die Masse wird in einem Thermophorapparat gleichmäßig flüssig erhalten und in die möglichst aseptisch und trocken zu gestaltende Knochenhöhle hineingegossen. Erst nach der völligen Erstarrung wird die Esmarch’sche Binde gelöst. Hierauf völliger Verschluss durch Naht oder Einführung eines Drains.

Diese Plombe wird durchweg gut vertragen und erzeugt weder lokale noch allgemeine Reaktion schädigender Natur. Zur Eiterung im Bereiche der Operationswunde kam es nie, und jede vollkommen geschlossene, nicht drainirte Wunde heilte per primam.

In anderen Fällen ohne völligen Verschluss wurde die Plombe freilich mitunter theilweise ausgestoßen. Die Heilungsdauer war oft erheblich verkürzt, die funktionellen Resultate nach Gelenksresek- tionen vollkommen befriedigend.

22 mitgetheilte Fälle illustriren den Erfolg des Genaueren, mehrere

Röntgenbilder geben Aufschluss über die Art und Zeit der Resorption. Hübener (Dresden).

11) Krönig (Leipzig). Die Verwendung fabrikmäßig steri- lisirten Nahtmaterials in der Praxis. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 44.)

K. hat Katgutfäden, von je 3 m Länge in Seidenpapier gewickelt, durch die Firma Dronke in Köln nach einer von ihm früher em- pfohlenen Methode in Cumol sterilisiren lassen. Um dem Abnehmer die Sicherheit zu geben, dass das Katgut in dieser Flüssigkeit, in

76 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

welcher allein es eine Erwärmung auf 160° verträgt, auf diese Tem- peraturhöhe erhitzt worden, ist an das Ende des obersten Katgut- fadens der Schachtel eine bei 160° langsam schmelzende Metalllegi- rung angeschmolzen. Das Präparat hat sich noch nach 2—3 Jahren vollständig keimfrei erwiesen und in der Leipziger Frauenklinik stets glänzend bewährt. Kramer (Glogau).

12) Wannier. Experimentelle Untersuchungen über die

baktericide Wirkung einiger Harndesinficientien. (Centralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XII. Hft. 11.)

Verf. ließ gesunden Personen die betreffenden Desinficientien per os einnehmen und inficirte den nach entsprechend langer Zeit steril aufgefangenen (um Zersetzung zu verhüten nicht weiter sterilisirten) Urin mit einer Reihe von Mikroorganismen, welche als Erreger von Cystitis bekannt sind. Die Versuche sind in instruktiven Tabellen mitgetheilt und ergaben folgende Resultate:

1) Acid. boric., Guajakol und Kreosot üben bei innerer Darreichung selbst in großen Dosen keinen Einfluss aus auf die Entwicklung von Bakterien im Urin.

2) Acid. benzoic. zeigt in kleinen Dosen (0,6 pro die) ebenfalls keine Wirkung, bei größeren Dosen (3,0 und 6,0 pro die) wird das Wachsthum von Streptococcus pyog. aufgehoben, die übrigen Bak- terien dagegen nicht beeinflusst.

3) Durch Salol wird das Wachsthum von Streptococcus verhindert, von Staphylococcus albus und Proteus Hauser deutlich verlangsamt, von Bact. coli, Bact. typhi und Staphylococcus aureus dagegen nicht wesentlich beeinflusst.

4) Urotropin ist im Harn bald nach der Einnahme immer nach- zuweisen. Eben so findet sich im sauren Harn immer Formaldehyd; und zwar fällt die Reaktion um so deutlicher aus, je stärker die Acidität des Harns ist. Das Wachsthum der Bakterien ist beinahe vollständig aufgehoben, nur Bact. coli zeigt ein allerdings sehr ver- zögertes Wachsthum auch in formaldehydhaltigem Urin. Anfänglich beruht dieses Fehlen des Wachsthums nur auf Hinderung desselben, während die Bakterien noch lebensfähig sind. Bei längerer Einwir- kung des Formaldehyds jedoch findet eine wirkliche Abtödtung der Bakterien statt. Am längsten widersteht auch hier Bact. coli.

5) Tannopin und Tannoform zeigen keine Wirkung auf die Ent- wicklung von Bakterien im Urin. F. Brunner (Zürich).

13) F. Colmers. Über plastische Operationen am Penis nach Zerstörungen seiner Hautbedeckungen. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1.) Plastische Operationen werden an Penis und Scrotum nöthig bei größeren Zerstörungen durch Verletzungen oder brandige Pro-

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 17

cesse. Die Art der Verletzung mag eine noch so verschiedenartige sein, der Effekt ist in den meisten Fällen derselbe, eine Abscheidung der Haut des Gliedes event. mit Betheiligung des Hodensackes. Was die Gangrän anlangt, so tritt sie auf bei Phlegmone, Erysipel, Schankern, Erfrierungen und Verbrennungen. Hier ist das Krank- heitsbild meist viel weniger typisch.

Auf Grund eines von Bessel-Hagen operirten Falles, wie an der Hand des in der Litteratur niedergelegten Materials kommt C. zu der Ansicht, dass man sich am besten zur Plastik am Penis eines Lappens aus der Scrotalhaut bediene. Die Bauchhaut ist nicht so dazu geeignet; sie ist dicker, schrumpft leichter und passt sich den wechselnden Veränderungen des Gliedes nicht so an wie die Haut des Hodensackes. Am ungeeignetsten erscheint die Haut des Ober- schenkels, die ebenfalls schon zu dem geschilderten Zweck von Chirurgen verwerthet wurde.

Ungestielte Lappen sind für plastische Eingriffe am Penis nicht brauchbar. Wenn möglich, soll man einen doppelt gestielten Lappen wählen, doch kann die Lage des Defektes (z. B. an der scrotalen Seite des Gliedes) es nothwendig erscheinen lassen, einen einfach gestielten Lappen anzuwenden.

Der Zeitpunkt, in welchem die Lappenplastik vorzunehmen ist, fällt mit der Zeit der völligen Reinigung der eiternden oder gangrä- nösen Wundfläche zusammen. Auf keinen Fall darf man eine spon- tane Ausheilung abwarten, welche zu starker Narbenbildung, Ver- krammung des Gliedes durch Narbenzug und zu beträchtlichen Stö- rungen der Funktion zu führen vermag. E, Siegel (Frankfurt a/M.).

14) Beck. Die Operation der Hypospadie. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 45.)

B. macht bei seiner Operation keine neue Harnröhre, sondern löst die vorhandene los und dislocirt sie nach vorn. Es wird eine Incision von der Mitte der abnormen Harnröhrenmündung durch die Haut bis zu ungefähr dem hinteren Drittel der Pars pendula geführt. Am oberen Ende dieser Incision Querschnitt, der das untere Drittel des Penishalses unmittelbar unter dem Sulcus coronarius umgreif. Die Hautlappen werden bis auf das untere Drittel des Penis zurückpräparirt. Ausschälung der Harnröhre mit ihrem Corp. cavernosum, bis dieselbe sich mühelos an die Spitze der Eichel ziehen lässt. Tunnelirung der Eichel durch seitliche Incision. Hierdurch werden 2 Lappen gebildet, die sich so weit heben lassen müssen, dass die verzogene Harnröhre in dem dadurch geschaffenen Wund- bett gelagert werden kann. Befestigung der Harnröhre an der Bichelspitze durch 4 Seidennähte, Vereinigung der Eichellappen über der vorn befestigten Harnröhrenportion. Hierüber kann man noch den Hautquerschnitt der Länge nach durch einige Nähte vereinigen. Einfacher kann man die Eichel tunnelliren, in dem man sie mit

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einem spitzen Bistourie durchsticht. Das kosmetische Resultat ist aber nicht so gut, und desshalb übt B. dies Verfahren nur in den Fällen, wo eine ganz seichte oder gar keine Rinne vorhanden oder wo durch vorhergehende operative Versuche die untere Eichelgegend mit Narbengewebe durchsetzt ist. Das Verfahren hat sich nicht allein bei der Eichelhypospadie, sondern auch der penilen Hypospadie bewährt. B. operirt in den ersten Lebensjahren. Das jüngste Kind war nur 6 Monate alt. Es wird kein Dauerkatheter eingelegt. Nach erfolgter Wundheilung ist eine Nachbehandlung nicht nöthig. Ist die Krümmung des Penis bei Erektionen bedeutend, so macht B. zu beiden Seiten der Harnröhre Längsschnitte, die quer vernäht werden. Auch an der weiblichen Harnröhre und bei Zerstörungen geschwüriger und traumatischer Natur hat sich das Verfahren bewährt. Bei der perinealen Hypospadie ist die Mobilisirung der Harn- röhre nicht verwendbar. Borchard (Posen).

15) P. Fiori. L/ipertrofia anatomica e funzionale del rene e la tolleranza dell organismo nelle demolizioni estese dell’

organo. (Policlinico. Ser. chir. 1901. No. 8 u. 9.)

Einseitige Nephrektomie bei Thieren ruft in der anderen Niere zunächst interstitielle und besonders parenchymatöse Veränderungen hervor, welche durch die plötzliche Cirkulationsstörung und das An- drängen vermehrter harnfähiger und toxischer Stoffe bedingt sind. (Verlangsamung und Stase des Stromes in den Glomerulis, Eiweiß- ausscheidung, Epitheldesquamation etc.) Sie können zum Tode führen. Heilen sie, so beginnt frühzeitig eine Hyperplasie und Hypertrophie des Organs, sowohl in der Corticalis wie der Marksubstanz. Zell- stränge und Epithelanhäufungen, welche in der Gegend des obersten Theils der Tubuli recti entstehen, erinnern an den embryonalen Zu- stand der Niere. Doch kommt es nie bis zu Neubildung von Harn- kanälchen, wohl aber schwellen die vorhandenen Epithelien an, Karyokinesen treten auf und Zellvermehrung, schon vom 2. Tage an in der Corticalis nachweisbar. In den Glomerulis handelt es sich mehr um Hypertrophie der Epithelien, neue Glomeruli werden nicht gebildet.

Wenn man der Nephrektomie noch partielle Resektionen der anderen Niere vorausschickt oder folgen lässt, so kann man im Ganzen bedeutende Mengen von Nierensubstanz ohne Schaden für das Leben entfernen; selbst so viel, als ursprünglich beide Nieren zusammen wogen. So konnte F, bei Hunden im Verlauf von 45 resp. 36 Tagen 25 resp. 39 g bei ursprünglichem Gesammtgewicht von 26 resp. 36 g und bei der nachfolgenden Resektion die Hälfte der Niere entfernen. Er schätzt die zum Leben nothwendige Sub- stanz auf 1,12—1,20 g pro Kilo Thier.

E. Pagenstecher (Wiesbaden).

nn

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 79

16) M. Runge. Lehrbuch der Gynäkologie.

Berlin, Julius Springer, 1902. Mit zahlreichen Abbildungen im Text.

Der durch sein bereits in 6. Auflage vorliegendes Lehrbuch der Geburtshilfe rühmlichst bekannte Verf. hat nach denselben Grund- sätzen nun auch ein Lehrbuch der Gynäkologie verfasst, das in einem stattlichen Bande von 468 Seiten in der bei genanntem Ver- leger bekannten vorzüglichen Ausstattung vorliegt. R.'s Grundsätze gehen dahin, nur solche Lehren und Forschungsergebnisse in sein Lehrbuch aufzunehmen, welche in den allgemeinen Besitz der Fach- genossen übergegangen sind. Obgleich dies bei der Gynäkologie, wo noch so vieles »fließt«, viel schwerer ist, als bei der Geburts- hilfe, so ist ihm jene Aufgabe doch vorzüglich gelungen. In klarer, anschaulicher Schilderung, knapper und präciser Form, die jede Polemik umgeht, und in fest umschriebenen Zügen bringt R. Alles aus der Gynäkologie, was als Gemeingut zu betrachten ist. Strittige Fragen und weniger gebräuchliche Operationen werden mit kleiner Schrift vom Haupttext abgesondert. Die Litteraturangaben sind im Ganzen spärlich, aber so ausgewählt, dass sie hauptsächlich Arbeiten erwähnen, welche den Gegenstand besonders eingehend behandeln.

Die Eintheilung des Stoffes ist die übliche anatomische. Eine glänzend geschriebene Einleitung bringt Kapitel über die Physiologie, Hygiene und Diätetik des Weibes, wobei auch die sociale Seite ge- streift wird, so wie die allgemeine gynäkologische Diagnostik. Ein besonderes Kapitel ist den Bauchhöhlenoperationen gewidmet, wo die Technik vor, während und nach der Laparatomie eingehend be- schrieben wird. Die Abbildungen sind mehr oder weniger schematisch, aber alle instruktiv.

Das Buch ist für Schüler geschrieben, und wir zweifeln nicht, dass es sich bald viele Freunde erwerben wird. Bei einer gewiss bald erforderlichen Neuauflage dürfte es sich empfehlen, neben dem Sachregister auch noch ein Namenregister anzulegen, das speciell in einem gynäkologischen Lehrbuch wohl direkt als Bedürfnis empfunden wird. Jaff6 (Hamburg).

17) M. Gorowitz. De la tuberculose genitale chez la femme. (Revue de chir. 1901. No. 4, 6, 8—10.)

Vorliegende Arbeit kann als eine recht umfassende Bearbeitung der Genitaltuberkulose des Weibes bezeichnet werden; die tuberkulöse Erkrankung des Fötus und der Placenta sind weniger ausführlich besprochen, doch kann diese Frage als bereits außerhalb des Thema liegend betrachtet werden. Nach kurzer historischer Einleitung beschäftigt sich G. zuerst mit dem Infektionsmodus. Dass besonders die inneren Geschlechtsorgane vom Blute aus die Keime zugeführt bekommen können, bedarf keines weiteren Beweises. Weniger zahl- reich sind in der Litteratur Beobachtungen niedergelegt, welche die Übertragung der Genitaltuberkulose auf dem Wege der Kohabitation mit Bestimmtheit darthun. Wohl ist im Sperma tuberkulös Er-

80 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

krankter der Bac. tuberc. nachgewiesen worden. Um jedoch fest- zustellen, ob diese auf intakten Schleimhäuten der Geschlechtswege sich ansiedeln können, hat G. den Weg des Thierversuchs betreten. Mit Hilfe feiner Bougies hat G. Tuberkelbacillenkulturen in die Uterushöhle von Kaninchen und Meerschweinchen eingespritzt (die Technik siehe No. 4).

Beim Kaninchen fielen die Versuche negativ, bei Meerschwein- chen hingegen positiv aus, und sämmtliche beim Menschen be- obachteten Veränderungen (Tuberkulose der Tuben, der zugehörigen Lymphdrüsen, des Bauchfells) konnten hier beobachtet werden.

Die Hefte 6, 8, 9 enthalten die Besprechung der Organerkran- kungen von der Vulva aufwärts; in den Kapiteln Vulve et vagine, uterus (corps et col), ovaire, trompe werden pathologische Anatomie, Diagnose, Symptomatologie nach der einschlägigen Litteratur ge- sondert besprochen. Nur einiges Wichtigere sei aus diesen Abhand- lungen hervorgehoben. G. glaubt, dass Tuberkulose der Uterus- schleimhaut zu häufig übersehen werde, und dass die Schleimhaut- schabsel nach Auskratzungen möglichst regelmäßig auf Tuberkel und Bacillen untersucht werden sollten. Therapeutisch können die Aus- schabungen zur Heilung führen, wenngleich Recidive nicht aus- geschlossen sind.

Die einzelnen Abschnitte des Genitalsystems können primär er- kranken, auch die Eierstöcke; für Uterus und Tuben kommt sowohl auf- als absteigende Infektion in Frage. Da Verf. ihre Arbeit unter dem Einfluss Bouilly’s anfertigte, welcher den Zusammenhang zwischen Bauchfelltuberkulose (besonders dem »Ascite des jeunes fillese nach Cruveilhier) und der tuberkulösen Erkrankung der Tuben besonders eingehend studirt hat, so ist diesem Kapitel in den No. 9 und 10 eingehende Erörterung mit Wiedergabe zahlreicher Krankengeschichten zu Theil geworden. Es wird vor Allem darauf hingewiesen, dass bei diesen als Ascite des jeunes filles bezeichneten Formen großer, abgesackter Exsudate die einfache Incision die Bauch- felltuberkulose wohl vorübergehend heilen könne, dass der Operateur jedoch die Adnexe recht genau prüfen und, wenn sie tuberkulös er- krankt, entfernen soll. Mag das in manchen Fällen unmöglich sein, so möge man andererseits berücksichtigen, dass die Verwachsungen oft ganz gut zu lösen sind, und die zu den Genitalorganen tretenden Gefäße mitunter auffallend wenig bluten. In der Nachbehandlung soll nur der Drain, keine Gaze zur Verwendung kommen.

Ein Verzeichnis mit 181 Litteraturangaben schließt die Arbeit. Christel (Metz).

18) Mauclaire. Hysterectomies cuneiformes longitudenales pour traiter les lésions de luterus dans les cas de de&viations. (Annal. de gynécol. 1901. Februar.)

Der Vorschlag, bei Lageveränderungen des Uterus keilförmige Excisionen aus dem Organ zu machen, stammt von Thiriar (cf.

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. si

Centralblatt 1893 p. 48), der bei Anteflexion aus der Knickungs- stelle hinten ein elliptisches Stück resecirte: Cuneihysterectomie posterieure. Reed empfahl die gleiche Operation von der Scheide aus. M. hat diese Operation jetzt erweitert und mit anderen Opera- tionen kombinirt. Er verlangt bei Anteflexionen sowohl wie bei Retroflexionen und -versionen, dass die Operation die Bänder, die Befestigungsorgane des Uterus und diesen selbst umfasst. An letzterem machte er eine vordere und hintere longitudinale keilförmige Ex- cision. Hieran schließt sich je nach Bedarf die Vereinigung der angefrischten Ligamenta utero-sacralia, die Vernähung der Ligamenta rotunda mit der Bauchwand und die Vernähung der Bänder von Tube und Ovarium. Wir glauben kaum, dass diese komplicirten Methoden die bei uns üblichen Ventri- und Vagini- fixuren oder die Alexander-Adams’sche Operation verdrängen werden. Jaff6 (Hamburg).

19) H. Beyea. The conservation or preservation of the ovaries and functionating uterine tissue in the operation of hystero-myomectomy.

(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1901. Oktober.)

Verf. tritt auf Grund eines von ihm mitgetheilten Falles dafür ein, bei denjenigen Formen von Uterusmyomen, bei welchen einer- seits eine Ausschälung nicht möglich ist, andererseits die Adnexe normal, und nur 2/,—?/, des Uteruskörpers ergriffen sind, bei der Operation die Adnexe zurückzulassen und eine möglichst hohe Uterusamputation auszuführen, so dass noch ein Stumpf des Uterus- körpers selbst zurückbleibt. In seinem Falle, der eine 34jährige Frau betraf, und bei welchem das Corpus endometrium auf ca. 1!/, cm Länge zurückblieb, war I Jahr später die Menstruation ganz normal; auch sonst waren keinerlei auf Atrophie der Ovarien hindeutende Erscheinungen vorhanden. Verf. findet eine Bestätigung seines Standpunktes in den in der einschlägigen, von ihm besprochenen Litteratur niedergelegten Erfahrungen. Die Entwicklung sekundärer pathologischer Veränderungen in den zurückgelassenen Adnexen ist äußerst selten. Was die sekundäre Atrophie der Ovarien nach der Operation anlangt, so besteht ein durchgreifender Unterschied zwischen den Fällen, bei denen die Amputation am inneren Muttermund oder unterhalb vorgenommen wurde, und denen, bei welchen noch funk- tionirende Corpussubstanz zurückgelassen wurde; bei den ersteren trat innerhalb von 3—4 Jahren immer eine Atrophie der Eierstöcke mit ihren Folgen ein, bei letzteren ergab die Nachprüfung nach 3—5 Jahren, dass das Zurücklassen des Uterusrestes anscheinend ge- nügt hatte, die Atrophie hintanzuhalten, und dass keinerlei dysmenor- rhoische Beschwerden bestanden. Die technischen Bedenken gegen den Corpusstumpf sind nicht stichhaltig. Eintritt von Schwanger- schaft im Stumpf ist unmöglich, wenn die Muskelschnittflächen exakt und fest vereinigt werden. Mohr (Bielefeld).

52 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

Kleinere Mittheilungen.

Der arteficielle Pneumothorax als vorbereitende Operation zur Exstirpation durchgreifender Brustwandtumoren oder Lungentumoren.

Von Julius Dollinger,

o. ö. Professor in Budapest.

Auf dem vorjährigen Congres de chirurgie erklärte M. Delagénière, dass der im Verlauf einer Operation entstandene Pneumothorax gewöhnlich als eine schwerere Verletzung aufgefasst wird, als er eigentlich ist; namentlich verursacht er keine schweren Symptome, wenn er nicht plötzlich entsteht. In No. 50 v. J. der Semaine médicale referirt derselbe Autor über einen Fall, in welchem er wäh- rend der Exstirpation eines durchdringenden Chondrosarkoms einer Rippe den Pneumothorax im Lauf der Operation allmählich zu Stande kommen ließ, worauf er die Geschwulst entfernte. Die Operation dauerte 2 Stunden.

Im Jahre 1699 stellte sich mir in der Klinik ein Pat. vor, der entsprechend der rechten 6., 7. und 8. Rippe, von der Mammillarlinie etwas auswärts, ein faust- großes Sarkom trug, bei dessen Entfernung die Brusthöhle voraussichtlich eröffnet werden musste. Da ich von der Eröffnung der rechten Brusthöhle, die nach den Experimenten von Sackur und nach den klinischen Erfahrungen von Gerulanos noch schwerere Symptome zur Folge haben soll, als die Eröffnung der linken Hälfte, namentlich in der Narkose schwere Komplikationen befürchtete und anderen- theils mich davon zahllose Male überzeugte, dass Pat., deren eine Lunge seit einer gewissen Zeit komprimirt ist, die vorsichtige Narkose gut vertragen, ent- schloss ich mich dazu, vor der Operation einen künstlichen Pneumothorax zu er- zeugen, öffnete am 21. Februar 1899 oberhalb des Tumors im 5. Rippeninterstitium mittels 5 cm langen Einschnittes die Brusthöhle und legte ein Drainrohr ein. Der Einschnitt erfolgte in lokaler Anästhesie. Pat. athmete nach der Operation 35—40mal in der Minute, die Pulsfrequenz betrug 120; übrigens befand er sich wohl, ging im Krankensaale auf und ab, hustete nicht und hatte nur bei tiefen Athemzügen in der Wunde etwas Schmerz. Da das Allgemeinbefinden auch den nächsten Tag wenig gestört war, ließ ich den Pat. chloroformiren und resecirte nun das dem Tumor entsprechende 15 cm lange Stück der oben genannten 3 Rippen. Der Brustkorb war nach Entfernung dieses Stückes natürlich weit offen und ge- währte freien Einblick. Die Lunge war kollabirt, nahm aber trotsdem an den Athembewegungen etwas theil. Wurde das Blut, welches aus der Wunde in die Brusthöhle einfloss, von der Lungenoberfläche abgewischt, so sistirte die Athmung jedes Mal in tiefer Inspirationsstellung einige Sekunden Vagusreizung —; da- gegen trat in den rhythmischen Zusammensiehungen des Herzens keine Störung ein, was man nicht nur am Puls kontrolliren, sondern am Herzbeutel direkt sehen konnte. Nach Entfernung des Tumors wurde die Hautwunde geschlossen und die Brusthöhle drainirt. Die Lunge nähte ich nicht in die Pleuraöffnung, sondern ließ sie unberührt. Sie dehnte sich in etwa 2 Wochen vollkommen aus. Nach 3 Tagen wurde das Drainrohr entfernt und auch diese kleine Wunde mittels Naht geschlossen.

Im Mai desselben Jahres habe ich noch in einem 2. Falle nach derselben Methode ein durchdringendes Sarkom der linken 9. Rippe mit gutem Erfolge ent- fernt. Der vorbereitende arteficielle Pneumothorax hat sich also in beiden Fällen gut bewährt, Soll Pat. narkotisirt werden, so thut man gut, man legt den Pneumo- thorax mindestens einen Tag früher an. Der Organismus gewöhnt sich unter- dessen daran und verträgt die Narkose besser, als wenn er während der Chloro-

Centralblatt für Chirurgie. No. 3, 83

formeinwirkung auch noch von dem Pneumothorax überrumpelt wird. Man kann dann rasch weiter arbeiten und braucht nicht erst zu warten, bis der Pneumothorax allmählich zu Stande kommt, welcher Umstand wohl geeignet ist, die Operation su verlängern und auch im Falle Delag&niere's zur langen Dauer der Opera- tion mitgewirkt haben mag.

Über eine bemerkenswerthe Femurexostose.

Von Dr. Hugo Marx, leitendem Arzte des Kreiskrankenhauses zu Lübbecke i/W. Vor einigen Tagen entfernte ich von dem linken Oberschenkel eines 18jährigen Jünglings eine Exostose, die sowohl hinsichtlich ihres Sitzes, als besonders durch ihre eigenthümliche Form interessant erscheint.

Fig. 1.

Das Röntgenbild (Fig. 1) zeigt als den Ursprung der Geschwulst nicht die Epiphyse, sondern das untere Drittel der Femurdiaphyse; hier sitst”die Exostose kurs gestielt auf; ihre Spongiosa geht in die Diaphysenspongiosa über. Die freie, dem rechten Oberschenkel zugekehrte Fläche der Exostose trägt, trotz ihrem dia- physären Ursprung, einen Überzug von hyalinem Knorpel, so zwar, dass das ganze

54 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

Mittelstück (Fig. 3) knorpelig überzogen ist. Diese Zeichnung 3 stellt die Exostose dar, von eben dieser Knorpelfläche gesehen. Fig. 2 zeigt ein normales Femur, von seiner Kniegelenksoberfläche, i. e. von unten gesehen. Hier nun möchte ich aufmerksam machen auf die Formenähnlichkeit, welche die Exostose mit dem Epi-

Fig. 2.

physenstück eines Femur darbietet. In der Mitte, hier wie da, die überknorpelte

Fläche der Kondylen, diese selbst einander ungleich an Größe, der mediale Con-

dylus (wenn dieser Terminus auch für die Exostose erlaubt ist) voluminöser; den

Kondylen zur Seite die Epikondylen (Terminologie Henle’'s'. Zwischen den Kon-

-= dylen die Fossa intercondyloidea, deren Tiefe

. sich durch entsprechende Perspektive (Blick

Fig. 3. von vorn unten) bei dem normalen Femur

zwanglos den Verhältnissen bei der Exostose annähern ließe!.

So viel mir bekannt ist, hat H. Braun schon auf die Ähnlichkeit von Exostosen mit Mittelhand- und Fußknochen aufmerksam ge- macht. Hier haben wir eine Exostosis carti- laginea, wahrscheinlich aus einem übersähligen Diaphysenkern entsprungen, die mit einer Femurepiphyse die weitgehendste Ähnlichkeit besitzt.

Es würde mich aufrichtig freuen, wenn diese kurze Mittheilung die Kollegen veranlasste, bei ihnen vorkommenden Fxostosen auf ähnliche Verhältnisse zu fahnden.

20) E. Kurz (Florenz). Die Nadelzange, ein einfaches Instrument zur Nahtanlegung, Umstechung, Stielabbindung. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 48.)

Das zweckmäßige Instrument, dessen Beschreibung und Abbildung im Original

nachzusehen ist, eignet sich besonders zur schnellen und sicheren Nahtanlegung bei Operationen in der Tiefe. Kramer (Glogau).

2 Noch bedeutender wird die Ähnlichkeit, wenn man ein kindliches Femur zum Vergleich heranzicht.

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 85

21) E. Cohn (Halle). Trokar zur sterilen Entnahme von Gewebe- theilen. (Centralblatt für Bakteriologie u. Parasitenkunde Bd. XXX. Hft. 16.)

Um auf absolut sterilem Wege aus dem Innern von Geweben, Geschwülsten ete. su bakteriologischen oder auch histologisch -diagnostischen Zwecken leicht Gewebstheile entnehmen zu können, hat C. folgendes kleine, von G. Härtel in Breslau beziehbare Instrument konstruirt.

Dasselbe ist analog einem gewöhnlichen Trokar gebaut, besitzt aber in dem Stilett-Theil eine seitlich angebrachte, curettenartige, soharfrandige Aushöhlung, über welche die Hülse im Moment des Einstechens gelagert ist. Eine verschiebbare Querscheibe regulirt die Tiefe des Einstiches. Durch je eine Drehung des Griffes kann nun das Stilett vor- und wieder zurückgeschoben und das Instrument in toto mitsammt dem zwischen Höhlung und Hülse geborgenen Gewebsstückohen herausgezogen werden. Hübener (Dresden).

22) R. Pearce. Contributions to the pathology of leptothrix infec- tions in man. (Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1901. August.)

Aus einer Übersicht über die bisher bekannten Leptothrixinfektionen beim Men- schen ergiebt sich, dass dieselben fast ausschließlich auf Schleimhautoberflächen oder in Organen, welche in direktem Zusammenhang mit solchen stehen, vor- kommen. Verf. beobachtete folgende ungewöhnliche Fälle:

1) Leptothrixnekrose der Kehlkopfknorpel. Bei einem 28jährigen, an Tuberkulose fast aller Organe, darunter Mittelohr, Schlund, Kehlkopf ver- storbenen Manne waren im Kehlkopf 3 ätiologisch verschiedene Processe vor- handen: 1) ausgedehnte Tuberkulose, 2) ein nach genauester Untersuchung nicht tuberkulöser, submuköser Abscess der Hinterwand, welcher in das Kehlkopfinnere durchgebrochen war und wahrscheinlich durch Eiterkokken hervorgerufen wurde, 3) eine Invasion eines umschriebenen Begirks der Hinterwand dieses Abscesses mit Leptothrixpilzen, welche Knorpelnekrose, Infiltration der Speiseröhrenwand und Durchbruch in die Speiseröhre veranlasst hatten. Die Abwesenheit aller tuberkulöser Veränderungen in der Umgebung des Abscesses beweist, dass die Perforation nicht durch Tuberkulose bedingt war. In den oberflächlichsten, nekro- tischen Schichten des zerstörten Knorpels fanden sich massenhaft Eiterkokken, in den tieferen nur Leptothrixmassen, die sich weit in anscheinend gesundes Ge- webe vorschoben. Die Leptothrixinvasion beschränkte sich streng auf die nekro- tische Knorpel- und Speiseröhrenpartie. Verf. schließt aus diesem Befund, dass der Leptothrix in diesem Falle kein sekundärer Schmarotser, sondern ein primär pathogener Pilz war.

2) Cholangitis und Cholelithiasis in Folge von Leptothrix- infektion. 59jähriger Mann, Operation wegen akuter infektiöser Cholangitis, Choleeystostomie, Entfernung von Gallensteinen aus der Blase, Drainage der- selben, nach vorübergehender Besserung Tod 12 Tage nach der Operation. Obduktionsbefund: Gallenstein im Vater’schen Divertikel und Lebergang, Chol- angitis, Lebercirrhose, chronische Nephritis. Im Inhalt der Gallenblase und Gallengänge massenhaft Leptothrix, daneben Colibakterien. Die leicht zerreib- baren Gallensteine enthalten ebenfalls massenhaft Leptothrixpilze. In der ver- diekten, kleinsellig und hämorrhagisch infiltrirten Wandung der größeren und mittleren Gallengänge gleichfalls ausgedehnte Invasion der Pilse. Während bisher in Gallensteinen nur Typhus- und Colibakterien von ätiologisch bedeut- samen Mikroben gefunden wurden, ist der vorliegende Fall nach Verf. der erste, in welchem Leptothrixpilze eine ätiologische Rolle spielen. Die zusammengeball- ten Pilsmassen zusammen mit abgestoßenen Epithelzellen und Schleim gaben nach Verf. einen geeigneten Kern für Gallensteine ab. Aus dem Nachweis der Pilze m den Steinen folgt außerdem, dass die Leptothrixinfektion nicht etwa eine sekundäre, nach der Operation erfolgte war. Mohr (Bielefeld).

86 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

23) E. Reymond et Alexandre. A propos dun cas de staphylo- coccihémie. (Revue de chir. 1901. No. 10.)

Die Allgemeininfektion mit Staphylococcus pyogenes (aureus?) ging im vor- liegenden Falle von einer Furunkulose aus und endigte mit einer Lokalisation in der linken Lendengegend, woselbst ein großer Abscess entstand und eröffnet wurde. Das Blut enthielt so zahlreiche Kokken, dass sie im einfachen Trocken- präparat zu finden waren. Der Urin enthielt sie noch 9 Tage nach der Entleerung des Abscesses wohl nur noch als Residuen in der Blase, da sie im Blute 3 Tage vorher nicht mehr nachgewiesen werden konnten.

Wohl sind schon eine Reihe ähnlicher Fakta bekannt, immerhin ist die Be- obachtung werthvoll wegen des sicheren Nachweises der Staphylokokken in Blut, Harn und Abscess gleichzeitig. Nephritis hat dabei nicht bestanden.

Christel (Metz).

24) Fischer (Dresden). Zur Behandlung des Milzbrandes mit intra- venösen Injektionen von löslichem Silber (Collargolum). (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 47.)

In dem mitgetheilten Falle von Milzbrand der Wange wurden 3mal Injek- tionen von 5 cem einer 1%igen Lösung von Argentum colloidale in die Vena cephalica gemacht; nach der 2. begann sich am 16. Tage nach der Infektion das Odem und Infiltrat bei Besserung des Allgemeinbefindens allmählich zurück- zubilden. Heilung.

(Verf. führt den günstigen Ausgang der Krankheit auf die Behandlung zurück ; die namentlich aus der Hallenser Klinik mitgetheilten Fälle, in denen gleich gute Resultate in eben so schweren Fällen ohne innere und gleichfalls ohne örtliche Behandlung erreicht worden sind, scheinen ihm nicht bekannt zu sein. Ref.)

Kramer (Glogau).

25) Zum Vorkommen des Tetanus nach subkutaner Gelatineinjektion.

Gerulanos. Ein Fall von Tetanus nach subkutaner Gelatineinjektion. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 427.)

Georgi. Ein Fall von Stichverletzung der Leber. (Ibid. p. 430.)

Lorenz. Zum Vorkommen des Tetanus nach subkutaner Gelatine- injektion. (Ibid. p. 584.)

Die aufgeführten Arbeiten berichten sämmtlich über (im Ganzen 4) Fälle, wo 5—7 Tage nach zu Blutstillungszwecken gemachten Gelatineinjektionen tetanische Krämpfe folgten mit Ausgang in Tod binnen kaum 12—24 Stunden. Der Fall von Gerulanos stammt aus der Kieler Klinik hier war die Injektion prophy- laktisch einer Kehlkopfexstirpation vorausgeschickt; derjenige von Georgi stammt aus der Diakonissenanstalt in Flensburg (Dr. Schädel) und betrifft eine laparo- tomisch behandelte Leberstichwunde, wogegen Lorenz 2 Fälle aus der I. chirur- gischen Universitätsklinik zu Wien beibringt das eine Mal wurde die Injektion zur Stillung von Blasenblutungen in Folge von Papillomen, das zweite Mal wegen Nachblutungen nach Mastdarmexstirpation gemacht. Im Falle Gerulanos’ und in Fall II L.’s kam es zu einer Hautnekrose an der Injektionsstelle, in Fall I L.’s zu einem Erythem daselbst, bei Georgi endlich zu einem Abscess. Der Eiter dieses Abscesses bewirkte durch Impfung bei einem Thiere rasch sum Tode füh- rende tetanische Krämpfe, während seine Untersuchung auf Tetanusbacillen negativ ausfiel. Eben so blieb im Falle Gerulanos’ die bakteriologische Leichenunter- suchung negativ. Die angewendeten Gelatineauflösungen waren bis auf den Fall Georgi’s, wo käufliche Gelatine vom Arzte selbst eilig in sterilem Wasser auf-

Centralblatt für Chirurgie. No. 3. 87

gelöst wurde, vom Apotheker steril geliefert. Gleichviel, ob in den berichteten Fällen der Tetanus auf Mikrobieninfektion oder auf einer chemischen Giftwirkung beruhte, was unentschieden bleibt, lehren dieselben, dass bei Applikation der Gelatineinjektionen die allergrößte Vorsicht geboten ist.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

26) L. d’Astros. L’ost&omyelite chez le nouveau-né. IIL Congrès périod. de gynécol., d’obstetr. et de pédiatrie. Nantes, Sept. 1901.)

Verf. berichtet über 11 Fälle von Osteomyelitis bei Kindern im Alter unter 3 Monaten. Am häufigsten war der Oberschenkel befallen, dann Humerus, Radius, Carpalia, Phalangen, Kreuzbein. 3mal waren mehrere Knochen gleichzeitig er- krankt, in 2 Fällen von Osteomyelitis des Oberschenkelkopfs war das Hüftgelenk ergriffen. In einem Falle datirte die Erkrankung von der Geburt an intra- uterine Infektion. Die Haupteingangspforten für die Infektion waren: 1) Erkran- kungen des Nabels und der Haut, 2) Gastroenteritis, 3) Schleimhaut der Luftwege. Komplikationen mit hereditärer Lues kommen vor. Die klinischen Erscheinungen sind äußerst wechselnd. Im Anschluss an die Knochenerkrankung entwickeln sich manchmal Bronchopneumonien und Meningitiden. Verhältnismäßig häufig sind Formen mit langsamem Verlauf, umschriebener Knochenschwellung und Nei- gung su spontaner Resorption. Verf. sah in 4 Fällen, darunter 3 multiple, Spon- tanheilung ohne Eiterbildung eintreten. Bei 2 von den multiplen Fällen kam es an einem der erkrankten Knochen zu Eiterung, am anderen zu spontaner Re- sorption. Mohr (Bielefeld).

27) F. Steinbach. Über primäre Muskeltuberkulose. Inaug.-Diss., Leipzig, 1901.

Bei einem 20jährigen Manne, der bisher stets gesund, insonderheit nie tuber- kulös erkrankt war, wurden Geschwülste aus dem Quadriceps femoris und Brachio- radialis exstirpirt, deren genaue mikroskopische Untersuchung alle Zeichen einer Tuberkulose ergab. Die Geschwülste traten fernerhin metastatisch in den verschie- densten Muskelgruppen multipel auf und wurden schließlich durch jedesmalige Operation definitiv beseitigt. Zeit seit der letsten Operation 4 Monate.

Verf. glaubt mit Ziegler, dass derartige tuberkulöse Muskelherde durch Einschwemmung von Tuberkelbaeillen auf dem Wege der Blutbahn von einem im Innern verborgenen primären Herd entstehen. Dem entsprechend ist natürlich die Prognose eine zweifelhafte, da fortgesetzt durch die Gefäßbahn neue Nach- schübe der Infektion eintreten können, und somit auch die vorgeschlagene Therapie unsicher, so lange der primäre Herd nicht erkannt und therapeutisch beseitigt ist.

Coste (Straßburg i/E.).

28} Hammer. Über ein malignes fasciales Riesenzellensarkom mit Knochenbildung. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

Ein 29jähriges Mädchen bemerkte seit 3 Jahren ein Knötchen am rechten Unterschenkel, das nach einem heftigen Stoß rasch zunahm und Schmerzen ver- ursachte. Exstirpation einer walnussgroßen, intrafascialen Geschwulst. Schon nach 2 Monaten musste ein lokales Recidiv entfernt werden. Bald darauf bildeten sich neue Knoten, die ebenfalls exstirpirt wurden. Aber auch diese 3. Operation war erfolglos, denn schon 6 Tage später wuchsen weitere Geschwülste heran. Pat. verließ die Klinik und erlag ihrem Leiden zu Hause etwa 8 Monate nach Beginn desselben. Die histologische Untersuchung ergab, dass die primäre Geschwulst aus Spindelzellen und reichlichen Riesenzellen bestand; ihre Zwischensubstang war strukturlos, enthielt braune Pigmentkörnchen. Der untere Pol war von einer Knochenschale umgeben, weitere, feinste Knochenbälkchen lagen im Innern zer- streut. Die späteren Geschwülste hatten den Bau reiner Riesenzellensarkome. An mehreren Stellen wurden Geschwulstmassen in der freien Blutbahn gefunden.

88 Centralblatt für Chirurgie. No. 3.

Die Deutung des Falles ist nach Verf. keine sichere; immerhin scheine der ganze Verlauf darauf hinzuweisen, dass ursprünglich ein echtes Osteom der Fascia superficialis vorlag. Von der Spongiosa dieses Osteoms musste sich dann im As- schluss an das Trauma ein myelogenes, äußerst bösartiges Sarkom entwickelt haben. Honsell (Tübingen).

29) M. Patel. Deux cas d’hypertrophie du tissu lymphoïde traités par la quinine. (Gaz. hebdom. de méd. et de chir. 1900. No. 100.)

P. lenkt im Anschluss an 2 erfolgreich mit Chinin behandelte Fälle, in deren einem es sich um eine stark vergrößerte Milz (keine Malaria!), im anderen um eine allgemeine pseudoleukämische Lymphadenie handelte, die Aufmerksamkeit auf die Therapie bösartiger Geschwülste mittels Chinin. So soll in der Abtheilung Ja- boulay’s ein Fibrosarkom des Uterus unter Chinin fast vollständig verschwunden sein. Auch gutartige Geschwülste (Lipome, Mischgeschwülste der Parotis, Uterus- fibrome) haben sich bei dieser Therapie verkleinert.

W. Sachs (Mülhausen i/E.).

30) H. Vulliet. Calculs rénaux et accouchement prématuré. (Revue méd. de la Suissse rom. 1901. No. 8.)

26jährige Pat., seit 15 Jahren Harnbeschwerden, trotsdem heirathet dieselbe im Alter von 20 Jahren; 2 Entbindungen tragen noch zu der Verschlimmerung des Leidens bei.

Vor 11/2 Jahren Incision einer linksseitigen Pyonephrose, die fistulös ausheilt. 1 Jahr später rechtsseitige Nierengeschwulst, Operation ausgeschlagen. Im März 1901 nach weiteren 6 Monaten kommt Pat., die wieder schwanger ist, mit starken Beschwerden seitens der Geschwulst in der Schwangerschaft; sie ist sehr heruntergekommen. Erwägend, ob künstliche Frühgeburt oder Nephrotomie, ent- schließt man sich in Hinblick auf die Gefahr der Urämie zur letzteren, Entfer- nung eines größeren und zweier kleinerer Steine aus Nierenbecken und Harnleiter, zusammen über 24 g schwer. 22 Stunden nach der Operation Entbindung, 5 Stunden später Tod. Der Blutverlust bei der Geburt war nicht sehr erheblich, doch für die entkräftete Pat. genügend. Kronacher (München).

31) B. Engländer. Ein Fall von unilocolulärer Nierencyste. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1).

Beschreibung eines Falles, bei welchem die etwas unsichere Diagnose auf Ovarialcyste gestellt wurde. Die Laparotomie klärte die Verhältnisse jedoch dahin auf, dass es sich um eine Nierencyste handelte. Die Operation war recht schwierig ; dabei riss die Cyste ein, so dass ihr Inhalt leider nicht untersucht werden konnte. Ähnliche Fälle sind von Brackel, Birch-Hirschfeld, Ziegler und Kauf- mann beschrieben. Es handelt sich immer um uniloeuläre an der Peripherie des normalen Nierengewebes gelegene Cysten, welche Mannskopfgröße erreichen können. Die Wand besteht aus Bindegewebe; ihre Innenfläche ist mit Epithel überzogen. Die Ätiologie dieser Gebilde ist noch dunkel. Wahrscheinlich handelt es sich um Retentionscysten. Der embryoneale Ursprung derselben aus Resten des Wolff- schen Körpers ist jedenfalls noch nicht bestimmt erwiesen.

Die Geschwülste machen erst Symptome, wenn sie eine bestimmte Größe er- reicht haben. Ihre Behandlung kann nur eine operative sein, partielle oder totale Entfernung der Niere. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Hüärtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopt & Härtel in Leipzig.

Gentralblatt CHIRURGIE

E. v Bam, Kl, A

Neunundzwanzigster Jahrgang.

BEE Em Eon EEE en ———— Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumerstion. Zu bezieben durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 4. Sonnabend, den 25. Januar. 1902.

Inhalt: 1) 36z, Erysipel. 2) Wolfl, 3) v. Bergmann, Amputation bei Blutvergif- tung. 4) Moszkowicz, Subkutane Paraffininjektionen. 56) Herz, 9 Valentine, Go- norrhoe. 7) Giovannini, Uicus molle. 8) McDonald, 9) Lochte, 10) Zechmeister, il) Proksch, Syphilis. 12) Kreis, 13) Oppenheim, 14) Farup, Zur Quecksilber- bebandiung. 15) Biomauist, 16) Nobl, 17) Grouven, 18) Möller, 19) Welander, Zur Jodbehandlung. 20) Matthes, Spätblutungen ins Hirn. 21) Witzel, Meningitis. 22) Lermoyez und Mahu, Verschluss retroauriculärer Öffnungen. 23) King, Neurektomie

am 2. Trigeminusast. 24) Imbert und Jeanbran, Ranula. 20) Ehrmann, Urano- plastik. 26) Taptas, Kehlkopftuberkulose. 27) Trumpp, Zur Tracheotomie und Intubation. 28) Rodman, 29) Mériel, Brustkrebs.

K. Schickiberger, Über eine neue Sterilisationsbüchse für Jodoformgaze. (Orig.-Mitth.)

30) Dojardin, Chinin gegen bösartige Geschwülste. 31) Heller, Gonokokkencystitis. 32) Glatzei, 33) Campana, 34) Borchard, 35) Schachmann, Syphilis. 36) Macartney, Kasuistisches. 37) Dehler, Schädeldefekte. 38) Borszicky, 39) Charvet, 40) Fujl- Te Schädelvərletzungen. 41) Bendix, Meningitis. 42) Herzfeld, 43) Piffi, 44) Buys, Hirnabscess. 46) Kühn, 46) Esteves, Epilepsie. 47) Dubar, Thrombo- phlebitis der V. jug. int. 48) Charles, Menstruelle Ohrblutung. S Bar, Otitis ext. durch Trichophyton. 50) Toubert, 51) Alexander, Otitis. 562) Haemisch, Fremdkörper in Stirn- und Oberkieferhöblen. 53) Nachtigall, Nasenspalten. 54) Noe- bei, 55) Löhnberg, Erkrankungen der Nase. 56) Weitz, Rhinoplastik. 57) Mintz, Parotistaberkulose. 58) Wishart, Typhöse Kehlkopfgeschwüre. 059) v. Ranke, a3) Pfaundler, Tracheotomie und Intubation. 61) Rigal, Brustwande. 62) Gross, 63) De Forest Willard, 64) Zulehner, 65) Watten, Herzverletzungen. 66) Pluyette, Brustdrüsentberkulose. 67) Cholin, Beckenbrüche.

1) V. Józ. Über die Behandlung des Erysipels mit Serum

von an Erysipel erkrankten Individuen. (Wiener med. Wochenschrift 1901. No. 35.)

Der Autor hat 10 Fälle von Gesichtserysipel mit Injektion von Serum behandelt, welches er von demselben erkrankten Individuum zuerst durch Sedimentirung seines Blutes, dann aus einer künstlich erzeugten Blase der Haut gewonnen hatte. Eingespritzt wurden i—10 g Blutserum oder 5—20 g Blasenflüssigkeit. Verf. glaubt da- nach wirkliche Beeinflussung des Processes gesehen zu haben, jeden- falls trat stets nach der Einspritzung Fieber ein, nach dessen Nach-

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lassen innerhalb 24 Stunden auch die anderen Allgemeinerschei- nungen verschwanden und die örtlichen Veränderungen auf der Haut sich besserten. H. Frank (Berlin).

2) H. Wolff. Blutvergiftung und Amputation. (Aus der kgl. chirurg. Universitätsklinik zu Berlin.) (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 48.)

Den von Dörfler vor Kurzem aufgestellten Thesen (s. d. Bl. 1901 p. 642), welche anf die Verwerfung der Amputation bei »Blut- vergiftung« binausliefen, tritt W. auf Grund des großen klinischen Materials der v. Bergmann’schen Klinik energisch entgegen. Die Absetzung der von progredienter infektiöser Eiterung, von malignem Ödem oder foudroyanter Gangrän befallenen Extremität erfolgt da- selbst: 1) Wenn trotz vorhergegangener breitester Eröffnung des eitrig inficirten Gebietes das akute Fortschreiten der Phlegmone weiterbesteht und dabei die Allgemeinerscheinungen derartige sind, dass der Organismus zu unterliegen droht. 2) Wenn die Phlegmone zwar zum Stillstand gekommen zu sein scheint, aus den Allgemein- symptomen aber hervorgeht, dass trotz bestmöglichen Abflusses der Wundprodukte durch Resorption von Bakterien, Toxinen und putri- den Stoffen das Leben gefährdet ist, oder wenn lang bestehende Eiterung trotz aller den Abfluss sichernder Maßnahmen immer wieder in Schüben exacerbirt und dabei das Allgemeinbefinden sich mehr und mehr verschlechtert. 3) Wenn die Funktion der Extremität durch schwere primäre Schädigung (ausgedehnte Zertrümmerung von Knochen und Weichtheilen) und, daran sich anschließend, destruktive Processe (Nekrosen von Muskeln und Sehnen, Gelenkeiterung etc.), auch bei der Möglichkeit der Erhaltung eine voraussichtlich sehr geringwerthige sein wird und die Absetzung des Gliedes dem Kranken ein monatelanges, immerhin lebensgefährdendes Krankenlager erspart. Hieraus ergiebt sich, dass in der v. Bergmann’schen Klinik die Amputation nur als letztes Rettungsmittel angesehen wird. In den Fällen, in denen sie als solches in Anwendung gekommen, selbst da, wo nicht nur die klinischen Symptome der Allgemeiniufektion unverkennbar bestanden, sondern auch durch Impfung aus dem Blute die Überschwemmung desselben mit Eitermengen nachgewiesen war, hat sie lebensrettend gewirkt; besonders die mitgetheilten Kranken- geschichten einiger besonders markanter Fälle lassen keinen Zweifel zu, dass die betr. Pat. ohne die Amputation zu Grunde gegangen wären. Kramer (Glogau).

3) v. Bergmann. Über Amputation bei Phlegmone. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 46.)

Wenn auch bei ausgedehnten Phlegmonen Mikroorganismen im Blute nachweisbar sind und demnach operative Eingriffe scheinbar keinen Nutzen bringen können, so kann doch v. B. nach seinen Er- fahrungen entgegen der Ansicht Dörfler’s eindringend zur Ampu-

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tation rathen in den Fällen, wo ausgedehnte Spaltungen versagen, die Krankheit fortschreitet, das Fieber fortdauert.e Anschließend daran berichtet Vortr. über folgenden Fall: 20jähriger Student erlitt am 27. September eine Verletzung der linken Hand, Gangrän, so dass am 29. September der kleine Finger abgenommen werden musste; pro- grediente Phlegmone, im Blute Streptokokken. Trotz großer Spal- tungen fiel das Fieber nicht ab; Fortschreiten der Phlegmone. Ampu- tation des Armes, worauf Heilung unter allmählicher Abnahme der Zahl der Mikroorganismen im Blute, die am 11. Oktober völlig daraus verschwunden waren. Borchard (Posen). ® 4) Moszkowicz. Über subkutane Injektionen von Un- guentum paraffini. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 25.)

Verf. berichtet über die weiteren Erfahrungen, die im Rudolfiner- hause mit den von Gersuny empfohlenen Injektionen von Unguen- tum paraffini Zwecks Herstellung einer dauerhaften unschädlichen subkutanen Prothese gemacht worden sind.

Zunächst sei hervorgehoben, dass seit der ersten Verwendung des Ung. paraf. zu diesem Zwecke (also seit 1899) niemals irgend welche Beschwerden nach der subkutanen Einverleibung beobachtet werden konnten. Die gegentheilige Erfahrung Pfannenstiel’s wird auf die mehrfachen Veränderungen hinsichtlich Präparat und Technik seitens des Letzteren zurückgeführt.

Im Allgemeinen sieht man das Paraffin (d. h. Ung. paraf. = Vaseline alb.), das bei Zimmertemperatur Salbenkonsistenz hat, völlig reaktionslos einheilen. Man tastet es unmittelbar nach der Injektion als teigige Masse; nach wenigen Tagen schon fühlt es sich härter an, nach 8 Tagen wie ein derbes Infiltrat, das sich jedoch durch Massage noch etwas in der Form beeinflussen lässt. Die Konsistenz nimmt immer mehr zu, bis es nach ein bis zwei Monaten als knorpel- harte Masse tastbar ist. Es ist dies offenbar eine Folge der fort- schreitenden Durchwachsung und Abkapselung des Paraffins. Es erfolgt diese Abkapselung besonders gut dann, wenn es eine Zeit lang ruhig am Orte der Injektion bleibt, d. h. keinem Drucke von auben, keiner Muskelbewegung ausgesetzt ist. Nach den nun bereits über 2 Jahre sich erstreckenden Beobachtungen nimmt M. an, dass es zu einer Wanderung des abgekapselten Dépots nicht mehr kommt, die Erfolge also als Dauererfolge anzusehen sind.

30 mitgetheilte eingehende Krankengeschichten illustriren die außerordentliche Mannigfaltigkeit der Indikationen und die zum Theil überraschenden Erfolge des so einfachen und wenig eingreifenden Ver- fahrens. Er erwies sich als brauchbar zum Ersatz der wegen Tuber- kulose entfernten beiden Hoden, zur Heilung der Incontinentia urinae, wegen Verlust des Sphinkters beim Weibe, eben so zum Ersatz des Sphinkters bei Incontinentia alvi, nach Uranoplastik besserte es in auffallender Weise die Sprache, ließ sich zum Verschluss von Bruch-

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pforten in den Fällen mit Erfolg verwenden, in denen eine Radikal- operation nicht indicirt war und fand eine ausgedehnte Verwendung zur Korrektur von Deformitäten (Sattelnase, Verkleinerung der Augen- höhle nach Enucleatio bulbi, zur Stütze der Prothese, Aufrichtung der Wange nach Oberkieferresektion, Hebung und Glättung von narbigen Einziehungen der Haut; nach Rippenresektion beseitigte es die Erscheinungen von Retraktion des Thorax). Schließlich lässt es sich mit Erfolg in den Fällen von Gelenkoperationen verwenden, in denen eine Ankylose verhütet werden soll resp. vielleicht auch überhaupt zur Wiederherstellung einer in nicht zu hohem Grade vorhandenen Beweglichkeitsbeschränkung, an Stell@desvon Chlumsky dafür angegebenen Magnesium.

Die Technik ist kurz folgende: Es wird das Ung. paraff. ver- wendet, das im Handel als weiße medicinische Vaseline erhältlich ist. Dasselbe schmilzt bei 36—40°. Es wird durch Aufkochenlassen steri- lisirt, hierauf in die Spritze gefüllt und hierin abkühlen gelassen. Erst wenn es vollständig erkaltet ist und als feiner Faden, nicht flüssig, aus der Nadel tritt, wird es zur Injektion benutzt. Man verwende feine Nadeln und suche mit einer Injektionsstelle auszukommen. In lockerem Gewebe darf es für die erste Zeit weder Druck noch Muskelbewegungen ausgesetzt sein. In straffes Gewebe darf nicht zu viel auf einmal injicirt werden, sondern es ist durch allmähliche Dehnung, event. durch vorausgeschickte Infiltration nach Schleich Platz zu schaffen. Letztere giebt zudem auch die Gewähr einer Anästhesie und gleichzeitig eine Vorstellung von dem durch die In- jektion Erreichbaren. Hübener (Dresden).

5) Rì) Herz. Über die Lagerung der Gonokokken in gonorrhoischen Sekreten. (Archiv für Dermatologie u. Sypbilis Bd. LVI. Hft. 1.)

H. hat sich wie Lanz und wie wohl Alle, die sich mit Gono- kokkenuntersuchungen beschäftigt haben, davon überzeugt, dass das Verhältnis der extra- und der intracellulär gelegenen Gonokokken zu einander in einem gewissen Umfang von der Art der Gewinnung des Sekretes! abhängig ist. Abgesehen davon aber betont H., dass die Zahl der extracellulären Gonokokken im Allgemeinen im um- gekehrten Verhältnis zur Zahl der Leukocyten steht. Eine progno- stische Bedeutung kommt Differenzen in Bezug auf die extra- und intracelluläre Lagerung nicht zu. Jadassohn (Bern).

6) F. C. Valentine. Chronic gonorrhoea and post-gonor- rhoea urethritis. A sketch of their modern treatment. (New York med. record 1901. Juni 29.)

Der Vortrag von V. giebt eine Übersicht über moderne Gonorrhoe- behandlung, Endoskopie, Spülung, Dilatation. Die Illustrationen be-

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treffen das Endoskop des Autors (bei uns durch Kollmann’s Be- mühungen bekannt geworden und modificirt), so wie einen praktischen leichten Harnröhrenirrigator. Die Dilatatoren sind die bekannten Instrumente von Oberländer und Kollmann. Schließlich bespricht Verf. Gonorrhoe und Ehe. Der Artikel ist sehr übersichtlich und lesenswerth. Loewenhardt (Breslau).

7) 8. Giovannini. Experimente über die Desinfektion von Wunden, welche mit Eiter von Ulcus molle inficirt wurden. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 1.)

G. hat frisch angelegte Hautwunden mit frischem Eiter von weichen Schankern inficirt und nachher in sehr verschiedener Weise und mit sehr verschiedenen Mitteln desinficirt; es ist ihm in 40% der Fälle gelungen, die Geschwürsbildung zu verhindern, und zwar such noch mehrere Stunden nach der Impfung; Waschungen mit Sublimat 1:1000 (heiße Lösung 1:10000), mit Karbolsäure (5 ig), aber auch mit Seife erzielten dieses Resultat. Die Versuche sind aus natürlichen Gründen zu wenig zahlreich, um allgemeine Schlussfolgerungen ableiten zu können; das eine aber war ganz sicher, dass mechanische Reibung eine ganz wesentliche Rolle bei der Desinfektion spielte. Jadassohn (Bern).

8) J. A. McDonald. Syphilis in the well-to-do. (New York med. record 1901. Mai 11.)

McD. stellt je 150 Fälle aus der Privatpraxis und der Poliklinik zusammen, um zu eruiren, dass ein groBer Unterschied zwischen der Syphilis der Armen und der wohlhabenden Klassen bestände.

In der 1. Klasse, unter der alle milden vorübergehenden Affek- tionen eingeordnet wurden, ergab sich das Verhältnis von 65% in der Privatpraxis zu 33 im Hospital. Die 2. Abtheilung, welche alle destruktiven Läsionen umfasst, von der Pustel mit Narben bis zur Knochennekrose, umgekehrt 28:51%. Hereditäre Lues 5 und 10. Die 3. Klasse umfasst Fälle mit zeitweisen oder dauernden, besonders schweren Symptomen. Unter den 6% der Privatpraxis werden totaler Haarausfall, sehr heftige Laryngitis und vorübergehende innere Er- krankungen angeführt. Auch hier konnte unter der armen Bevölke- tung 2mal Paralysen, 2mal Iritis, 3mal Onychien und 3mal schwere Periostitis registrirt werden.

Wenn auch die Statistik nicht ganz maßgebend ist, wird die Ansicht des Verf., dass bessere Körperpflege für den Verlauf der Syphilis wichtig ist, gewiss nicht bestritten werden.

Loewenhardt (Breslau).

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9) Lochte. Untersuchungen über Syphilis maligna und Syphilis gravis. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 10—12.)

In einer durch sorgfältige Benutzung der Litteratur und reich- liches kasuistisches Material (aus der Abtheilung von Engel-Rei- mers in Hamburg) ausgezeichneten Arbeit versucht Verf. die Ursachen für das Auftreten der eigentlich »malignen« und der schweren Syphilis überhaupt zu ergründen. Er versteht unter maligner Syphilis die- jenigen Fälle, welche durch frühes Auftreten zahlreicher Ulcerationen, durch die auffallende Abnahme der Körperkräfte, event, durch Fieber und durch die »zumeist auffällige Wirkungslosigkeit der Hg-Thera- pie« charakterisirt sind. Alle übrigen Fälle von schwerer Syphilis (Lokalisation in lebenswichtigen Organen, Komplikation mit anderen Krankheiten, oder hochgradige, aber noch nicht eigentlich maligne Formen) fasst L. nach Neisser unter dem Begriff >Syphilis gravis« zusammen.

Er hat unter 3270 syphilitischen Männern 17 = 0,52% maligne Lues gefunden, bei den Frauen nur einen Fall. Uber den Verlauf der malignen Syphilis giebt L. auf Grund seines Materials einige Andeutungen, welche mit den geläufigen Anschauungen meist über- einstimmen; schon die Primäraffekte können besonders hochgradig sein (auffallend ist mir, dass das nur 2mal beobachtet wurde); die Inkubationszeit kann sehr abgekürzt werden. Der bösartige Charakter zeigt sich schon beim ersten Exanthem oder aber später fast immer innerhalb des ersten Jahres (in 4 Fällen allerdings erst am Ende dieses Jahres); ihre Formen leiten sich nach L. von der Papel ab, aber auch Gummata kommen vor, und die morphologische Scheidung in bestimmte Gruppen hat auch hier etwas künstliches. Schleimhaut- erscheinungen treten meist nur wenig hervor, auch eigentliche lokali- sirte viscerale Symptome sind selten. Auffallend ist, dass unter 17 Kranken nur 11 fieberten. Die vielfach vertretene Anschauung, dass Hg bei maligner Lues nicht wirkt oder schlecht vertragen wird, wird auch von L. betont (ich habe mich in letzter Zeit wiederholt vom Gegentheil überzeugen können). Jodkali dagegen ist meist an- wendbar;, wo es im Stich lässt, ist ein Versuch mit Jodothyrin angezeigt, das in 2 Fällen sehr günstig, in anderen aber nicht gewirkt hat.

Um die Ursache der malignen Lues zu eruiren, bespricht Verf. alle diejenigen Momente, welche überhaupt den Verlauf der Lues ungünstig beeinflussen. Der Alkoholismus bedingt oft Zerfall des Schankers, ausgebreitete, speciell pustulöse Exantheme, event. Blu- tungen; das Centralnervensystem, vielleicht auch die Leber des Alkoholisten sind besonders gefährdet; unter den malign Erkrankten L.’s waren 4 Alkoholiker.

Über das Verhältnis von Syphilis und Tuberkulose urtheilt Verf. in folgender Weise: Unter Umständen sind die syphilitischen

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Erscheinungen bei Phthisikern intensiver (speciell klein-papulöse Exantheme). Die Hauptgefahr aber der doppelten Infektion liegt in der Phthise; bei tuberkulösem Fieber treten die Symptome der Syphilis (wie bei anderen fieberhaften Krankheiten) meist zurück. Öfters wird die Phthise erst nach der syphilitischen Infektion mani- fest. Erwachsene mit Drüsenschwellungen skrofulöser resp. tuber- kulöser Natur bekommen bei Lues große Lymphome, die gelegentlich eitern und erst auf tonisirende Allgemeinbehandlung zurückgehen; Menschen, die zu Katarrhen neigen, sind auch zu recidivirenden Pla- ques sehr disponirt. Skrofulöse Kinder scheinen unter acquirirter Syphilis nicht besonders zu leiden.

Malaria übt, so lange sie frisch ist, einen ungünstigen Einfluss auf die Lues aus, nicht aber wenn sie mehrere Jahre zurückliegt und ausgeheilt ist.

Die oft behauptete Erfahrung, dass Syphilis, welche Europäer von Individuen anderer Rassen acquiriren, besonders ungünstig ver- laufe, findet auch in L.’s Material ihre Bestätigung es waren 38,7% der Fälle schwer, 5 Fälle waren maligne (davon 4 aus Öst- asien, einer aus Afrika).

Auch die im Greisenalter erworbene Lues scheint ungünstiger zu verlaufen.

Endlich hat L. gesehen, dass sich bei Graviden äußerst schwere Formen von Lues entwickeln können.

Zum Schluss diskutirt dann L. die Frage der eigentlichen Ursache der malignen Lues— denn von allen angeführten Momenten hat keines >Syphilis maligna oder gravis zur regelmäßigen Folge«. Dass der Infek- tionsstoff selbst nicht besonders virulent sei, illustrirt Verf. durch einen Fall, in dem eine maligne Lues von einer benignen erworben wurde und selbst wieder eine benigne hervorbrachte. Auch die Hypothese, dass die Lues bei denjenigen Individuen malign werde, die aus nicht durchseuchten Familien stammen, kann nicht als einwandsfrei aner- kannt werden. Mit Recht macht L. auf die Abweichungen der Lues von ihrem gewöhnlichen Ablauf bei einzelnen Rassen (speciell bei den Japanern) aufmerksam, um schließlich zu dem Resultat zu kommen, dass wir den Grund für die Malignität in manchen Fällen nicht erairen können. (Wenn ich die maligne Lues als eine »idiosynkra- sische Reaktion einzelner Individuen auf die Syphilisinfektion« be- zeichnet habe, so habe ich natürlich nicht geglaubt, damit eine >Er- klärung« zu geben, wie L. anzunehmen scheint, sondern ich habe sie nur in eine Analogie mit anderen uns bekannten Thatsachen, ı.B. Bromidiosynkrasie setzen und damit in den Kreis uns geläu- figer, aber in ihrem Wesen unerklärter auf die Individualität ge- gründeter Reaktionsweisen einreihen wollen. Ref.)

Jadassohn (Bern).

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10) H. Zechmeister. Tätowirung und Syphilis. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 5.)

Verf. berichtet nach einer Übersicht über in der Litteratur vor- handene Fälle von Syphilisübertragung durch Tätowirung über 2 eigene Beobachtungen. Er macht ferner auf Grund kasuistischen Materials darauf aufmerksam, dass nicht nur frische, sondern auch schon seit längerer Zeit bestehende Tätowirungen eine »provocirende« Wirkung auf syphilitische Exantheme ausüben, indem diese sich in besonderer Reichhaltigkeit an tätowirten Stellen entwickeln. (Z. irrt, wenn er glaubt, dass Tuberkulose nach Tätowirung noch nicht beobachtet sei vgl. des Referenten Fall von Inokulationslupus).

Jadassohn (Bern).

11) J. K. Proksch. Über Syphilis des Kleinhirns.. Eine

litterarische Skizze. (Archiv für Dermatologie u. Sypbilis Bd. LVI. Hft. 3.)

Der durch seine litterarischen Studien auf dem Gebiete der Syphilidologie bekannte Verf. giebt eine große, wenngleich wie er selbst hervorhebt, unvollkommene Zusammenstellung von Arbeiten über die Syphilis des Kleinhirns, welche in den Lehrbüchern meist sehr vernachlässigt wird. Er unterscheidet solche Fälle, bei denen eine Kleinhirnsyphilis neben anderen Gehirnlokalisationen vorhanden war, spricht ferner von geheilten und gebesserten Fällen, in denen die Diagnose wesentlich auf Grund der »cerebellaren Ataxie« gestellt wurde, und stellt endlich einige tödlich verlaufene Fälle zusammen. Zu einer späteren klinisch-anatomischen Bearbeitung findet sich hier werthvolles Material. Jadassohn (Bern).

12) E. Kreis. Nachträgliches und Ergänzendes zu meiner Arbeit »Über die Verdunstung des Quecksilbers und deren

Bedeutung bei der Einreibungskur«. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 6.)

In sorgfältigen Untersuchungen weist Verf. nach, das aus grauer Salbe und aus metallischem Quecksilber bei feuchter Luft reichlicher Hg verdunstet (aus letzterem noch mehr als aus ersterer) als bei trockener Luft (auch die Wärme hat einen begünstigenden Einfluss). K. zieht daraus Schlüsse für die Verwendung der Inunktionskur in der Praxis: Einreibung am Abend, leichte Schweißanregung durch Thee, warme, nicht zu häufig zu wechselnde Unterkleider während der Kur; die Pat. sollen sich selbst einreiben, weil sie dadurch etwas in Schweiß gerathen etc. Jadassohn (Bern).

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13) M. Oppenheim. Über das Auftreten von Quecksilber im Mundspeichel. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 3.)

Untersuchungen über die Ausscheidung des Hg im Speichel sind bisher nur in sehr geringer Zahl vorgenommen worden. O. hat in Neumann’s Klinik mit der neuen sehr genauen und bequemen Methode zum Hg-Nachweis von Jolles eine Anzahl von Fällen unter- sucht und kommt zu folgenden (wie er selbst meint, noch nicht endgültigen) Ergebnissen: Das bei Hg-Kuren ziemlich konstant aus- geschiedene Hg erscheint bei Einspritzungen früher als bei Ein- reibungen, bei beiden Methoden später im Speichel als im Urin; es verschwindet bei Einspritzungen gelöster Salze früher als bei Schmier- kuren aus dem Speichel und überhaupt aus diesem früher als aus dem Harn. Nur bei länger dauerndem Aufenthalt in Räumen, wo Hg verdampft, erscheint es im Speichel. Jadassohn (Bern).

14) P. Farup. Über die Ausscheidung des Quecksilbers

im Harn bei der Mercuriolbehandlung. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 2.)

Verf. hat mit einer von ihm angegebenen bequemen Methode bei sich selbst die Ausscheidung des Hg im Harn bei der Behand- lung mit Mercuriol, einem Mercuramalgam, das in Säckchen an- gewendet wird, untersucht. Er kommt zu dem Resultat, dass die Ausscheidung auf eine genügende Resorption schließen lässt und dass auch die Eliminationsdauer eine beträchtliche ist.

Jadassohn (Bern).

15) A. Blomquist. Über den Nachweis von Jod bei An-

wendung organischer und anorganischer Jodverbindungen. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

B. macht genauere Angaben über die Methode, welche er zum

Nachweis geringer Jodmengen im Blut und in den Organen ver-

wendet hat; seine Resultate hat Welander zu den Schlussfolge-

rungen über die verschiedenen Jodpräparate (siehe unten) benutzt. Jadassohn (Bern).

16) G. Nobl. Zur hypodermatischen Jodtherapie luetischer

Spätformen. |

(Beiträge zur Dermatologie u. Syphilis. Festschrift für J. Neumann.)

Wien, Deuticke, 1900.

N. hat 20 Fälle von Lues mit subkutanen Jodipininjektionen behandelt und ist dabei zu folgenden Resultaten gekommen, die mit denen der meisten bisher publicirten Jodipinarbeiten übereinstimmen: Keinerlei Jodnebenwirkungen; Unwirksamkeit in der Frühperiode; gute Wirkung in der Spätperiode bei allen denjenigen Formen, welche

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auch sonst gut auf die Jodtherapie reagiren (mir scheint nach den Krankengeschichten einige Male der Verlauf ein auffallend protra- hirter zu sein); die Einspritzungen auch großer Mengen werden gut vertragen. N. hält das Jodipin »für das erste Präparat, das die wirksame subkutane Jodeinverleibung in systematischen Kuren mög- lich macht« und zollt ihm in diesem Sinne vollste Anerkennung. Jadassohn (Bern).

17) C. Grouven. Das Jodipin (Merck) in der Syphilis- therapie. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

In der Doutrelepont’schen Klinik ist man mit der therapeu- tischen Wirkung des Jodipins (intern und vor Allem subkutan gegeben) sehr zufrieden; unangenehme Nebenwirkungen blieben voll- ständig aus (bei 23 Fällen). Jadassohn (Bern).

18) M. Möller. Zur Jodopin-Injektionsbehandlung. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

M. hat das Fehlen von Nebenwirkungen bei der subkutanen Jodipinbehandlung ebenfalls konstatiren können; aber er hat in einigen Fällen ‚von schwerer tertiärer Syphilis beobachtet, dass die Jodopin-Injektionen zur Heilung nicht ausreichten, dass aber unter den gewöhnlichen Jodkalidosen die Geschwüre vernarbten und neue nicht mehr auftraten. Er glaubt also, dass diese Behandlung für manche Fälle von tertiärer Syphilis eine zu schwache sei.

| Jadassohn (Bern).

19) E. Welander. Über Jodkalium (Jodnatrium), Jodalbacid

und Jodipin. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

Die Ersatzmittel des Jodkali spielen in der Litteratur der letzten Jahre eine große Rolle. Es ist daher dankbar zu begrüßen, dass W. eine Anzahl exakter Untersuchungen über deren Ausscheidung, Remanenz und Wirkung im Vergleich zu den Jodalkalien vorgenommen hat. Die Resultate dieser Arbeit sind allerdings für die Ersatz- mittel nicht sehr günstig. Das Jodalbacid hat jedenfalls womit auch Ref. übereinstimmt keine wesentliche Bedeutung, da es, wenn es in wirklich großen (übrigens sehr kostspieligen!) Dosen gegeben wird, dieselben Nebenwirkungen hat, wie Jodkali, und da man sehr großer Dosen bedarf. Das innerlich gegebene Jodipin wird sehr ungern genommen, bedingt eine kräftige Absorption, hat aber ebenfalls die gleichen Nebenwirkungen wie die Jodalkalien. Durch die subkutanen Einspritzungen des Jodipin lassen sich die Nebenwirkungen ganz oder fast ganz vermeiden; doch ist es W. nach seinen Untersuchungen sehr zweifelhaft, ob die durch sie bedingte Jodwirkung zu wirklich energischen therapeutischen Erfolgen aus-

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reicht. Eher würden sie zu benutzen sein, um prophylaktische Kuren im Sinne der Fournier’schen chronisch-intermittirenden Hg- Behandlung in bequemer Weise durchzuführen, da die Remanenz zweifellos eine große ist; W. hält die Möglichkeit für gegeben, dass man durch dauernde Einwirkung des Jod die Toxine der Syphilis paralysiren und dadurch ihren sog. toxischen Nachkrankheiten wie der Tabes vorbeugen könne. (Mit Recht betont W., dass man oft der Jodalkalien in großen Dosen bedarf, und dass für diese Zwecke die modernen Ersatzmittel nicht ausreichen; für viele Fälle tertiärer Hautlues genügen allerdings kleine Dosen. Aber speciell bei interner Lues sollte man immer große Mengen zu geben versuchen was oft genug vernachlässigt wird. Auch ich habe den Eindruck, als wenn in den modernen Arbeiten die Unannehmlichkeiten der Jodalkali- behandlung übertrieben werden. Durch allmähliche Steigerung der Dosen, durch Einführung per rectum die auch W. rühmt —, durch Antipyrin und wie W. hervorhebt durch Sulfanilsäure lässt sich viel gegen die Jodismuserscheinungen thun. Ref.) Jadassohn (Bern).

20) V.M. Matthes (Kassel). Spätblutungen ins Hirn nach Kopfverletzungen, ihre Diagnose und gerichtsärztliche Be-

deutung.

Sammlung klin. Vorträge N. F. No. 322. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1901.

Spätblutungen ins Hirn nach Kopfverletzungen werden nur selten durch in der Schädelhöhle zurückgebliebene, ein Gefäß an- spießende oder aırodirende Fremdkörper hervorgerufen. Häufiger erfolgen sie durch Gefäßrupturen im Bereich von älteren Kontusions- herden im Gehirn, entweder von selbst oder bei gelegentlichen Steigerungen des allgemeinen Blutdruckes oder bei Bestehen ander- weitiger Hirnblutungen begünstigender Erkrankungen (Herzhyper- trophie, Nierenschrumpfung, Alkoholismus, Lues etc.). : Ent- sprechend ihrer Entstehung aus Erweichungsnekrosen traumatischen Ursprungs sitzt die Spätapoplexie an der Hirnoberfläche direkt unter oder gegenüber der Angriffsstelle der Gewalteinwirkung an deı Gehirnbasis und besonders häufig in der Umgebung der Ventrikel. Aber auch ohne Vermittlung von Quetschungsherden können nach Kopfverletzungen sekundäre Blutungen ins Hirn dadurch entstehen, dass durch das Trauma eine örtliche oder allgemeine Erkrankung der Hirngefäße mit Herabsetzung der Elasticität und Widerstands- fähigkeit ihrer Wandungen und dadurch günstige Vorbedingungen zu Gefäßzerreißungen geschaffen wurde. Auch hier können freilich Schwierigkeiten in der Erkennung des Zusammenhangs der auf diesem Wege entstandenen Spätblutungen mit einer vorausgegangenen Kopfverletzung eintreten, wenn gleichzeitig andere zur Entartung der Gefäße führende Erkrankungen (Liss; Neöhritis, Bleivergittiung etc.) vorhanden sind, oder Pat. bereits ın höherem Lebensalter sich be-

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findet. Schließlich kann eine Kopfverletzung zur Entwicklung eines Hirngefäßaneurysmas Veranlassung geben, das durch Bersten eine Apoplexie oder durch Kompression bezw. Verstopfung eines Gefäß- astes Erweichung und Hirnblutung zur Folge hat. All diese Mög- lichkeiten für die Entstehung von Spätblutungen ins Hirn werden vom Verf. in dem Vortrage eingehend und unter Mittheilungen ein- schlägiger Beobachtungen aus der Litteratur besprochen, und nament- lich auch in diagnostischer und forensischer Beziehung sorgfältig erörtert. In einschlägigen Fällen wird dadurch Jeder in der alles Wissenswerthe zusammenfassenden Abhandlung Belehrung und Auf- klärung finden. Kramer (Glogau).

21) Witzel. Die operative Behandlung der phlegmonösen Meningitis.

(Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 4 u. 5.)

Auf Grund mehrerer glücklich verlaufener Fälle von Meningitis im Anschluss an komplicirte Schädelbrüche empfiehlt W. eine große Öffnung im Schädel anzulegen, so dass die Arachnoidea so weit völlig freigelegt wird, als die Infiltration in ihr reicht, und nun einen großen Tampon einzulegen, so, dass sein Rand noch etwas zwischen Knochen und Hirnoberfläche eingeschoben wird. Die Saugkraft des Tampons lenkt den Lymphstrom nach außen. In 2 Fällen geschlos- sener Meningitis nach Mastoidoperationen ging trotz anfänglich guten Verlaufes die Meningitis doch weiter und führte zum Tode.

Haeckel Stettin).

22) M. Lermoyez und G. Mahu. Un procede simple de fermeture de l’orifice retro-auriculaire persistent apres gue-

rison de l’evidement petro-mastoidien. (Ann. des malad. de l’oreille etc. T. XXVII. No. 6. p. 501.)

L. und M. empfehlen eine neue Methode zum plastischen Ver- schluss der als Folge einer Wurmfortsatzoperation zurückgebliebenen retroauriculären Öffnung.

Dieselbe ist im Wesentlichen eine Modifikation der heute in Deutschland wohl allgemein üblichen Plastik nach Passow bezw. Trautmann, vor der sie nach L. und M. den Vortheil haben soll, dass eine versenkte Naht unnöthig wird, »où la disposition des sutures exige un entrainement que ne possident pas toutes les mains oto- logiques«. Dieser Vortheil ist nach Ansicht des Ref. nicht groß, da die Anlegung der versenkten Naht kaum ernstliche Schwierig- keiten besitzt; dagegen bildet der durch die Methode von L. u. M. bedingte Entspannungsschnitt eine unnöthige Komplikation.

Hinsberg (Breslau).

Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 101

23) G. King. The bucco-antral route in neurectomy for

the relief of tic douloureux. (Philadelphia med. journ. 1901. August 10.)

K. hat in 2 Fällen von Neuralgie des 2. Trigeminusastes mit Erfolg die von Fraenkel (Centralbl. f. Chir. 1889 No. 9) empfohlene Methode der doppelten Wanddurchbrechung der Highmorshöhle ge- übt. Die Technik modificirt er in der Weise, dass er durch Empor- schlagen des Periosts an der vorderen Höhlenwand das Foramen infraorbitale freilegt und den Nerven hier durchschneidet. Der Infra- orbitalkanal wird dann von der Höhle aus eröffnet. Man kann hier- durch, wenn man den Nerven am Foramen rotundum nach Thiersch herausdreht, ein größeres peripheres Stück entfernen. An der vor- deren Höhlenwand bildet K. keinen Schleimhaut-Knochenlappen, sondern meißelt eine genügende Öffnung und deckt den Defekt nach- her mit Periost. Ferner hält er die Drainage der Highmorshöhle nicht für nöthig, sondern verschließt die Schleimhautwunde völlig durch die Naht. Er glaubt hierdurch am ehesten eine Infektion des Antrum zu verhüten. Läwen (Leipzig).

24) L. Imbert et E. Jeanbran. Pathogenie des grenouil- lettes. | (Revue de chir. 1901. No. 8.)

Histologie und Genese der Ranulae bieten in der Litteratur manches Widersprechende. Von der typischen Ranula sind zu- vörderst diejenigen Cysten abzusondern, welche mit Flimmerepithel ausgekleidet sind. Ihre Herkunft dürfte entgegen den Ansichten v. Recklinghausen’s nicht auf die Nuhn-Blondin’sche Drüse, sondern auf den Bochdalek’schen Ductus thyreoglossus zu- rückzuführen sein. Die eigentliche Ranula zeigt ein von den Flim- merepithelcysten abweichendes Gefüge: ihre Auskleidung besteht aus epithelähnlichen Zellen, die mit einer die Cyste umgebenden Bindegewebs- und Rundzellenschicht in engstem, genetischem Zu- sammenhang stehen.

Verf. haben keinerlei Beziehungen der von ihnen untersuchten Ranulae zu den benachbarten Drüsen des Mundbodens finden können. Sie bezweifeln daher ihre Abstammung von der Gland. sublingualis und suchen sowohl die Theorie Suzanne’s, der Drüsenatrophie und schleimige Metamosphose, als besonders die von Hippel’s, der noch Retentionsvorgänge als Ursache der Ranulae annahm, zu widerlegen.

Ihrer Ansicht nach sind die echten Ranulae »Branchiome«, also kongenital angelegte und den Kiemengangscysten des Halses analoge Bildungen. Hierfür spreche auch die bindegewebige Hülle, so wie die Fähigkeit, nach Entleerung durch Einschnitt und Ausbrennen zu recidiviren. Es ergiebt sich hieraus therapeutisch die Forderung,

die Cyste aus der Umgebung herauszupräpariren. Christel (Metz).

102 Centralblatt für Chirurgie. No. 4.

25) Ehrmann, Considerations sur la palatoplastie en deux

temps dans les divisions congénitales du palais. (Bull. de l’acad de méd. T. LXV. No. 33.)

In dieser Mittheilung tritt E. entschieden für die zweizeitige Operation der Gaumenspalten ein und empfiehlt sie besonders für Kinder von etwa 2 Jahren. Er rühmt dem Verfahren folgende Vor- tbeile nach:

1) Dauer und Blutverlust des ersten Eingriffs sind abgekürzt, daher die Zahl der üblen Folgen und Todesfälle geringer.

2) Durch das Wiederankleben der Lappen steht die Blutung schneller; auch Nachblutungen werden vermieden. Event. nöthig werdende Kompression gefährdet keine Naht.

3) Gerade durch das Zurückschnellen in die alte Lage wird die Ernährung der Lappen ungleich günstiger gestellt als bei ein- zeitiger Operation. |

4) Eiterung, Durchschneiden der Nähte, Fistelbildung wird ver- mieden bezw. auf ein geringes MaB beschränkt. Die Naht soll dem ersten Akt nach 7—8 Tagen folgen.

Wenn E. früher die Schließung großer Defekte jenseits des 3. Jahres auszuführen rieth in der Meinung, dass die später beobach- teten Wachsthumshemmungen des Gaumens und Oberkiefers durch zu frühzeitiges Operiren bedingt seien, so haben spätere Erfahrungen ihn belehrt, dass hierfür nicht das Alter der Operirten, sondern Störungen des Wundverlaufs verantwortlich zu machen seien, welche man vermeiden könne. Seine Statistik, so wie die Ergebnisse späterer Nachmessungen, obwohl von großem Interesse, können nicht im Einzelnen besprochen werden. Christel (Meta).

26) N. Taptas. Du traitement chirurgical de la tubercu-

lose du larynx. Laryngectomie partielle. Tracheotomie. (Ann. des malad. de l’oreille etc. T. XXVII. No. 5. p. 435.)

T. erzielte in einem Falle von ausgedehnter Larynxphthise ein ausgezeichnetes Resultat durch partielle Laryngektomie. Es handelte sich um einen 47jährigen, aufs äußerste heruntergekommenen Mann mit anscheinend geringer Lungen- erkrankung, bei dem ein großer extralaryngealer Abscess zu einem Eingriff zwang. Nach Incision des Absoesses wurde konstatirt, dass die linke Schildknorpelhälfte nekrotisch war; desshalb nach Laryngofissur Exstirpation der ganzen linken Kehl- kopfhälfte. Die Operation wurde gut vertragen, die Wunde heilte glatt. Tuber- kulöse Veränderungen der anderen Kehlkopfseite bildeten sich zurück. Wegen Narbenstenose muss noch eine Kanüle getragen werden. Während der nächsten 21/, Monate nahm Pat. 22 kg an Körpergewicht zu. Über das Endresultat wird nicht berichtet.

Im Anschluss daran stellt T. die Resultate zusammen, über die bisher von anderer Seite berichtet wurde. Er erwähnt die Ansicht von M. Schmidt, dass es »doch sicher die einzig richtige Art der chirurgischen Behandlung«< sei, wenn »man die tuberkulös erkrank- ten Stellen im Kehlkopf möglichst vollständig entfernt, vorausgesetzt,

j | Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 103

dass man die Gefahr einer Fremdkörperpneumonie erst einmal sicher zu vermeiden gelernt haben wird«. M. Schmidt hat selbst 2 gün- stige Resultate zu verzeichnen; beim einen Fall war 2 Jahre nach der Operation noch kein Recidiv eingetreten. Crepon hat 1894 in einer Dissertation 16 Fälle von Laryngotomie bei Tuberkulose zu- sammengestellt; 4 Pat. starben an den Folgen der Operation, bei 4 wurde der Kehlkopf gebessert, sie starben aber bald an ihrer Lungen- tuberkulose, 7 wurden bedeutend gebessert, ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. 1 von Hopmann operirter Kranker war noch nach 11 Jahren als Prediger thätig. Weitere günstige Resultate wurden von Sokolowski (1 Fall), Grünwald (1 Pat. lebte noch nach 4!;, Jahren) und Kuttner (1 Pat. wurde 1 Jahr lang seinem Be- ruf erhalten) berichtet.

Goris (13. internat. Kongress zu Paris) will die Laryngofissur teserviren für Fälle mit geringer Ausdehnung der Tuberkulose in Kehlkopf und Lungen. Er berichtet über 14 Fälle. Von diesen starben 9 in den der Operation folgenden 5—6 Monaten, er selbst erzielte 3 Dauerheilungen, ein vierter Pat. starb 2 Jahre p. o. an Lungentuberkulose. Schmiegelow erzielte eine Heilung.

T. weist auf den günstigen Einfluss hin, den oft die Tracheo- tomie durch Ruhigstellung des Kehlkopfes auf die Erkrankungen desselben ausübt, und meint, dass die Laryngofissur in dieser Hin- sicht sicher noch viel wirksamer sein müsse. Er hält dieselbe für gewisse Fälle für indicirt (beginnender Process im Larynx, nicht zu ausgedehnete Erkrankung der Lungen), und glaubt, dass auch bei diesen der Eingriff nicht stets erfolgreich sei, dass aber anderer- seits eine Reihe von Pat. durch die Operation einen länger dauern- den Nutzen haben werde. Die Hauptschwierigkeit liegt heute noch in der richtigen Auswahl der Fälle. Hinsberg (Breslau).

27) Trumpp (München). Das fernere Schicksal der über- lebenden tracheotomirten und intubirten Kinder. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 43.)

Von Landouzy war vor einiger Zeit behauptet worden, dass wegen diphtherischen Krups ehedem Tracheotomirte, von Schwind- sucht befallen, nicht oft das 20. Lebensjahr erreichten«e. Die von . T. daraufhin angestellten Nachforschungen, einerseits bezüglich der bei den Rekrutenuntersuchungen seitens der militärärztlichen Be- hörden erhaltenen Befunde, andererseits in Betreff der früher in der Münchener Universitätskinderklinik Intubirten und Tracheotomirten und des Materials anderer Ärzte und Krankenhäuser haben ihn zu dem Schlusse geführt: 1) dass Landouzy’s Angaben für Deutsch- land wenigstens widerlegt erscheinen, dass die Tracheotomie offenbar nur in Ausnahmefällen Prädisposition für Tuberkulose schafft, 2) dass aber ein nicht unbedeutender Procentsatz der ehedem Operirten von

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gewissen Folgeerscheinungen (Kurzathmigkeit, »Stickanfälle«, Heiser- keit, Reizhusten, Narbendruck etc.) zu leiden habe. Kramer (Glogau).

28) W.L. Rodman. The best incision in operations for mam- mary carcinoma. (Annals of surgery 1901. Juli.)

Verf. weist einleitend auf die große Bedeutung hin, die der Berücksichtigung der Anordnung des Lymphgefäßsystems in den verschiedenen Quadranten der Brustdrüse für die Beurtheilung des Brustkrebses zukommt. Nach den Ergebnissen neuerer anatomi- scher Untersuchungen sind hier 3 oberflächliche und 3 tiefe Systeme der Lymphbahnen zu unterscheiden; von jenen gehören 2 der axillaren, eins der sternalen, von den tiefgelegenen Systemen eins der axillaren, 2 der sternalen Hälfte der Brustdrüse an. In jeder Hälfte bilden die beiden Systeme mit einander vielfache Anastomosen. Die dem sternalen Quadranten angehörenden Lymphbahnen ergießen sich zum Theil in die Drüsen des Mediastinums; ein anderer Theil gelangt, der Art. intercostalis folgend, durch die Interkostalräume zur Wirbelsäule, woraus sich die bei Brustkrebs gegen das Lebensende häufig auftretenden spinalen Symptome erklären lassen. Endlich bilden wieder andere auf der rechten Körperhälfte Anastomosen mit dem lymphatischen System der Leber. Diese ganze Anordnung macht es begreiflich, warum die der sternalen Hälfte angehörenden Brust- krebse eine schlechtere Prognose ergeben, als die der axillaren Hälfte.

Von besonderer Bösartigkeit ist nach R.’s Erfahrung der Brust- krebs bei Personen unter 30 Jahren; glücklicherweise sind solche Fälle sehr selten. R. operirte 3mal bei sonst kräftigen Frauen zwischen 20 und 30 Jahren; alle 3 gingen vor Ablauf eines Jahres an Recidiven zu Grunde. Die Bösartigkeit der Geschwulst ist nach seiner Ansicht direkt proportional dem Alter des Kranken: je älter Pat., um so günstiger die Prognose.

Bei der Operation legt R. den größten Werth auf die Art und Richtung der Schnittführung. Die in den Lehrbüchern angegebene und von den meisten(?) Operateuren geübte Methode, die Brust- drüse von unten nach oben abzulösen, die Achselhöhle aber in der Richtung von oben nach unten auszuräumen, hält er aus chirurgi- schen und anatomischen Gründen für ganz verfehlt. Der Haut- schnitt soll neben dem Brustbein beginnen und, in genügend weitem Bogen die ganze Brustdrüse umkreißend, schweifartig in der Achsel- höhle endigen. Gerade dem Umstande, dass viele Operateure mit Rücksicht auf eine unmittelbare Vereinigung der Wundränder und glatte Narbenbildung die Elipse des Hautschnittes zu eng bemessen und hierbei bereits erkrankte Hautpartien zurücklassen, schreibt R. in vielen Fällen die baldigen Recidive zu.

Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 105

Bei der von R. empfohlenen ‘Ausdehnung des Hautschnittes ist eine direkte Vereinigung der Wundränder nicht möglich, und es würde desshalb jedes Mal die Deckung des Defekts durch Haut- transplantation, also eine zweite Operation, in Frage kommen. Diesem Übelstande beugt nach R.’s Erfahrung die von Warren an- gegebene, von R. selbst etwas modificirte Operationsmethode vor, die darin besteht, dass in der gesunden Haut auf den oberen und unteren Rand des Operationsschnittes Y-förmige Schnitte gesetzt und die hierdurch entstehenden Hautlappen von ihrer Unterlage abgelöst werden. Dadurch soll eine primäre Vereinigung der Wundränder in den meisten Fällen möglich sein; gelinge sie nicht ganz, so sollen wenige transplantirte Hautstückchen genügen, den Defekt zu decken.

Von R.s sonstigen Ausführungen über die Methode der Opera- tion ist noch sein Rath zu erwähnen, Brustdrüse, Lymphdrüsen und Lympbgefäße in einer Masse zu entfernen und die quere Durch- schneidung von Lymphgefäßen wegen der Gefahr der Aussaat von Krebselementen in die Nachbarschaft möglichst zu vermeiden.

Die Anforderungen die an »the best incisione bei Mamma- carcınom zu stellen sind, fasst R. in 6 Thesen zusammen:

1) Die Incision soll ausgedehnt genug sein, um alle inficirte Haut in sich zu fassen. 2) Sie soll die Pectoralmuskeln von ihrem Ursprung bis zur Insertion freilegen. 3) Sie soll alle Blutgefäße und Nerven der Achselhöhle bloßlegen. Mehr noch wie diese, ver-

stehen sich die anderen 3 Thesen von selbst. Bongartz (Düsseldorf).

29) Möriel. L’amputation du sein par le procede mixte de Halsted-Gangolphe. (Gaz. hebdom. de med. et de chir. 1901. No. 36.)

Das von Halsted (s. Centralblatt für Chirurgie 1899 p. 679) an- gegebene Operationsverfahren wird von Gangolphe dahin erweitert, dass er eine Präventivunterbindung der 3 in Betracht kommenden größeren Arterien und Venenstämme (Acromio-thoracica, Scapularis inferior, Mammaria ext.) empfiehlt, wonach sich die Operation fast blutleer vollzieht. W. Sachs (Mülhausen i/E.).

Kleinere Mittheilungen.

(Aus der chirurg. Abtheilung des k. k. Erzherzogin Sofienspitals in Wien. Vorstand: k. k. Primararst Docent Dr. G. v. Török.)

Über eine neue Sterilisationsbüchse für Jodoformgaze.

Von Dr. Karl Schicklberger, Abtheilungsassistent. In Nachfolgendem sei es mir gestattet, über eine Sterilisirbūchse kurg zu be- tichten, wie sie seit einiger Zeit in oben genannter Abtheilung zur Entkeimung von Jodoformgage mit exaktem Erfolg benutzt wird.

106 Centralblatt für Chirurgie. No. 4.

Im Princip beruht die Verwendung dieser Büchse auf der bekannten Sterili- sation in Röhren durch strömenden Wasserdampf.

Dass mit Jodoform imprägnirte Gase (diese wird heute bei uns nur mehr zur Wundtamponade verwendet, aus welchem Grunde ihre absolute Sterilität von aus- schlaggebender Bedeutung ist) erst im Laufe von Tagen und Wochen nach längerer Berührung mit den Wundsekreten ihre bakterientödtende Wirkung entfaltet, bei noch ungelöstem und unzersetztem Jodoform aber eher als Keimträger dienen kann, haben Heyn und Rovsing 1887 experimentell bewiesen und lehrt uns in klinischer

Fig. 1. Fig. 3.

Beziehung ein Vergleich zwischen den Erfolgen unserer Wundbehandlung (z. B. bei komplicirten Frakturen) während der Zeit der Vorherrschaft des Jodoforms in den Jahren 1881—1891 und den immer mehr und mehr auch auf Asepsis ge- gründeten Resultaten nach 1891 bis heute.

Der darauf beruhenden Erkenntnis entsprechend, dass die Jodoformgase die Entwicklung etwa zurückgebliebener Keime in einer vorher gründlich desinficirten Wunde nicht nur zu hindern habe, sondern sie auch vor dem Eindringen der Infektionsstoffe von außen her sohützen und mithin vor Allem selbst diesbezüglich vollkommen verlässlich sein müsse, wird ja seit Langem auf den chirurgischen Stationen die antiseptische Gaze in gleicher Weise wie die aseptischen Zwecken dienenden Verbandstoffe sterilisirt.

Centralblatt für Chirurgie. No. 4. . 107

Dass bei dem relativ geringen Gebrauch antiseptischer Gase oftmals von einem und demselben Stück für eine Reihe verschiedener Wundverbände genommen werden muss, wodurch in Folge häufiger Berührung und Umordnung der Gaze- stücke eine Garantie für andauerndes Keimfreibleiben derselben bis zum vollstän- digen Verbrauch des letzten Restes unwahrscheinlich ist, liegt auf der Hand. Bei den in oben genannter Abtheilung in Gebrauch stehenden Sterilisationsbüchsen ist eine bequeme Übersichtlichkeit über die einzelnen Stücke von verschiedener Größe und Breite leicht ermöglicht und ein Herumwühlen und zu oftes Berühren, sei es auch nur mit Instrumenten, ausgeschlossen, wodurch die Keimfreiheit der antiseptischen Verbandstoffe bis zu ihrem vollständigen Verbrauch erhalten bleibt, und ein öfteres Sterilisiren, das eine Verminderung der antiseptischen Wirksam- keit zur Folge hätte, überflüssig erscheint.

Die Büchsen bestehen aus einem würfelförmigen Blechrahmen (Fig. 1), der oben und unten mittels eines Blechdeckels zu verschließen ist (Fig. 2). Der obere Deckel ist vom Boden durch eine Marke zu unterscheiden. In den erwähnten Blechrahmen passt ein aus 4 Metallstäben bestehendes, durch 2 Gitterroste (oben und unten) und 2 Blechplatten (in der Mitte) gestütztes Gerüst. Durch jede Öff- nung der in der Mitte des Gerüstes befindlichen Blechplatten ist je ein Glascylinder von ungefähr 20 cm Höhe gesteckt. Der obere Gitterrost ist mittels Klammern befestigt und abnehmbar (Fig. 3 und 4.)

Beim Gebrauch werden die zu sterilisirenden Gazerollon in die Glascylinder gegeben, diese beiderseits locker mit Watte verschlossen und in das Gerüst ge- steckt, welches wiederum nach Verschluss mit dem oberen Gitterrost in den würfelförmigen Blechrahmen kommt, um sodann bei entfernten Deckeln im Sterilisationsapparat dem strömenden Dampf exponirt gu werden. Nach Istündiger Sterilisation werden die Büchsen mit beiden Blechdeckeln bis zur Benutzung ver- schlossen.

Die Büchsen eignen sich natürlich nicht bloß zur Sterilisation von Jodoform- gase, sondern auch aller anderen antiseptischen Gazen.

Die diesbezüglichen Sterilisationsversuche, welche Herr Hofrath Weichsel- baum in seinem Institut vorzunehmen gestattete, wofür ich meinen ehrerbietigsten Dank ausspreche, ergaben Folgendes. Zur Sterilisation wurden verwendet: 4 der oben angegebenen Glascylinder, enthaltend je eine Jodoformgazerolle von 5 cm Durehmesser, welche getränkt sind mit 24 Stunden alten virulenten Kulturen von Coli, Staphylococcus aureus, dem anaëroben Hitschmann’schen Bacillus, bezw. aus- gefüllt sind mit milzbrandsporenhaltigen Seidenfäden. Die Cylinder wurden oben und unten mit Watte verschlossen und genau eine Stunde unter strömendem Dampf sterilisirt. Von diesen sterilisirten Jodoformgazerollen wurden je zwei haselnussgroße Stücke sowohl aus der Mitte wie von der Außenseite mit asep- tischen Instrumenten entnommen und in sterile Bouillon gebracht. Nach 24 Stun- den war die Bouillon bei Coli in beiden Proben trüb, bei allen übrigen klar. Eine Agarschichtkultur von der trüben Bouillon zeigt auch nach 2mal 24 Stun- den Sterilität. Die von den 3 klar gebliebenen Röhrchen am 3. Tage nach dem Versuch gestrichenen Agarplatten blieben auch steril.

Kontrollversuche, die zu gleicher Zeit mit den virulenten Bouillonkulturen bezw. den Milzsbrandsporen auf Seidenfäden ausgeführt wurden, ergaben in allen 4 Fällen auf Agarplatten (beim Bacillus Hitschmann in überschichtetem Zucker- agar) ein positives Resultat.

Nach der Untersuchung im pathologisch-chemischen Institut des k. k. Rudolf- spitals, wofür ich dem Herrn Vorstand Dr. Freund meinen ergebensten Dank hiermit abstatte, enthält die in unserer Büchse einmal eine Stunde sterilisirte Jodoformgase 24% Jodoform im Vergleich zu 29% der nicht sterilirten, wonach * ein Jodoformverlust von nur 5% zu verzeichnen ist, ein gewiss sehr günstiges

sultat.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass die besprochene Sterilisationsbüchse vor der Firma Siebert in Wien hergestellt wurde und von dort zu beziehen ist.

~ ——

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30) Dejardin. Les injections sous-cutanées de quinine dans le traite-

ment des tumeurs malignes.

(Arch méd. belg. 1901. Oktober.) In einem Falle von kleinzelligem Sarkom der Hand und des Armes erzielte D. durch subkutane Injektion von Chininum bromatum nicht nur einen Stillstand, sondern eine Verkleinerung der Geschwulst, und Recidive, so wie Metastasen sind seit 8 Monaten ausgeblieben. Es handelt sich um eine 39 Jahre alte Frau. Sehon im Alter von 17 Jahren bildete sich an der rechten Handwurzel ein subkutanes kleines Knötchen. Im Laufe von 5 Jahren erreichte es Nussgröße; die Kranke heirathete, wurde entbunden; dabei blieb die Geschwulst 5 Jahre stabil. Dann fing sie an in den folgenden Schwangerschaften zu wachsen und erreichte Tauben- eigröße. Sie wurde nun exstirpirt. Schon nach 2 Monaten kamen Recidive am Vorderarm; man machte 3 weitere Operationen, und schließlich desartikulirte man im Schultergelenk. 1/ Jahr später zeigte sich ein Recidiv in der Narbe von Taubeneigröße. Die Chirurgen lehnten nunmehr weitere Operationen ab. D. in- jieirte 20 Tage lang je 0,70 g Chinin. bromatum in wässriger Lösung von 37°; die Geschwulst wurde kleiner. Man entließ die Kranke nach Hause und gab dem Hausarzt Anweisung, die Injektionen fortzusetzen, und zwar 20 Tage Behandlung, dann 14 Tage Pause u. s. f. Pat. ist so weit gebessert, dass sie wieder arbeiten

kann. Wie es weiter geht, soll später berichtet werden.

E. Fischer (Straßburg i/E.).

31) Heller. Über einen Fall reiner Gonokokkencystitis, komplicirt durch heftige Blasenblutungen. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 2.)

Bei einem an Gonorrhoe leidenden Pat. traten wiederholt starke Blasen- blutungen auf, zum Theil unter lebhaften Schmerzen. Die Untersuchung des Urins (gwischen den Blutungen) ergab reichlich Gonokokken, nie andere Bakterien, nie Geschwulsttheile. Es wurde ein »Ulcus vesicae gonorrhoicum an der hinteren Blasenwand« angenommen und die Blase durch die Harnröhre ausgekratzt; danach baldige Heilung. (Dass eine gonorrhoische Cystitis vorkommt, ist nicht bestritten; ob aber hier die Diagnose auf ein >gonorrhoisches Geschwür« durch den Erfolg der Therapie gesichert worden ist, bleibt doch wohl sehr zweifelhaft. Ref.)

Jadassohn (Bern).

32) Glatzel. Zur Differentialdiagnose des Primäraffektes auf der

Mundschleimhaut. (Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XII. p. 87.)

Verf. bespricht erst aus der Litteratur die diagnostischen Merkmale des pri- mären Mundschankers, besonders gestützt auf die Arbeiten von Fournier, zum Theil mit dessen eigenen Worten. Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: Herpes buccalis, tuberkulöse Geschwüre, sekundäre und tertiäre Luesform, Zahn- geschwüre, Mundseuche. Alle diese Affektionen werden dann im Einzelnen kurz besprochen und mit dem primären Schanker des Mundes verglichen.

G. berichtet dann über einen Fall aus der Fränkel'schen Klinik: Ein 30- jähriger Mann hatte am rechten Mundwinkel auf der Wangenschleimhaut eine 10pfennigstückgroße Erosion mit leicht verhärtetem Grunde, eine geschwollene Lymphdrüse zwischen Kinn und Kieferwinkel. Während der 18tägigen Beobach- tung wurden die Ränder der Ulceration wallartig verdickt, geröthet und indurirt; dann traten Sekundärerscheinungen auf, wodurch die Diagnose sicher wurde.

Manasse (Straßburg i/E.).

33) R. Campana. Hautsyphilid, consecutive narbige Fibromatose, histologisch nachgewiesene multiple Neurofibrome. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 2.) In einem sehr ausgebreiteten tubero-ulcerösen Syphilid fanden sich neuro- firomähnliche Knoten, die als solche auch histologisch nachgewiesen wurden.

rin e ——

Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 109

Es liegt wohl näher, statt an einen mystischen Zusammenhang an eine zufällige Kombination beider Processe zu glauben. Jadassohn (Bern).

34) Borchard. Über luetische Gelenkentzündungen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 110.)

B. gewann durch Arthrektomie ein charakteristisches Präparat gummöser Kniesynovitis. Die Pat., weiche dasselbe lieferte, war 29 Jahre alt, hatte wieder- holt abortirt bezw. todt geboren und zeigte bei der Aufnahme außer typischen syphilitischen Unterschenkelgeschwüren einen beiderseitigen Kniegelenkserguss, namentlich auf der rechten Seite, woselbst auch Beweglichkeitshemmung und Schmerzhaftigkeit vorhanden war. Nachdem durch Punktion aus dem rechten Knie 100 cem einer weißlich-gelben, völlig klaren, leicht fadenziehenden Flüssigkeit entleert worden, wurde an der Stelle der größten Kapselverdickung, nämlich der äußeren Umschlagsstelle des oberen Recessus, ein anscheinend frei beweglicher, reichlich taubeneigroßer Gelenkkörper tastbar. Hierauf hin Gelenkincision durch die sehr verdickte Kapsel, auf welcher, ziemlich breit aufsitzend, ein gestielter Polyp gefunden wurde. Da sich übrigens die Synovialis sammetartig geschwollen und mit kleineren und größeren, bis 2 cm langen und 1 cm breiten Zotten dicht besetzt zeigte (Knorpelveränderungen und Knochenverdickung bestanden nicht), wurde von dem bogenförmig verlängerten Schnitt aus die Gelenkkapsel exstirpirt und danach die Wunde ohne Drainage geschlossen. Während der Nachbehand- lung Schmierkur und Jodkali innerlich. Guter Verlauf. Die bei der Pat. vor- handene Schwangerschaft wurde nicht unterbrochen. Pat. ist beschwerdefrei geh- fähig geworden, ihr rechtes Knie noch besser beweglich als das linke. Ein Photo- gramm der exstirpirten Synovialis ist beigegeben. Die Untersuchung des Präparats im pathologischen Institut zu Posen (Prof. Lubarsch) zeigte in fast allen kleinen Zotten miliare Gummata, die lediglich der Synovialis angehörten, während der größere Knoten im subsynovialen Gewebe saß, indess einen derben weißen Über- zug von verdickter Synovialis trug.

B. benutzt den Fall zu einer kurzen Allgemeinerörterung über die luetischen Gelenkentzündungen. Er ist zweifellos tertiär-syphilitischer Natur, und wie bei ihm, dürfte jeder chronische Gelenkhydrops in späteren Perioden der Krankheit auf Gummabildungen beruhen. Dagegen sind akute Fälle von Hydrops und Ge- lenkschwellung bei Lues lediglich als eine Betheiligung der Synovialis an einer akuten allgemeinen Infektion anzusehen, die naturgemäß so oft auftreten kann, wie das syphilitische Virus derartige Zeichen der Verallgemeinerung des Giftes im Körper, d. h. Erscheinungen der sekundären Syphilisperiode, hervorrufen kann. Die Bebandlung muss in beiden Erkrankungsformen zunächst antisyphbilitisch sein. Sind die tertiären Kapselveränderungen aber besonders hochgradig, wie in B.’s Fall, so hält B. eine Exstirpation der meist befallenen Theile für gerechtfertigt, was durch den von ihm erzielten Erfolg bekräftigt ist.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

35) Schachmann. Traitement des mye£lites syphilitiques par l'intro- duction de solution mercurielle dans le canal rachidien. (Soc. méd. des hôpitaux 1901. Oktober 18.)

Verf. hat einen allen gebräuchlichen Behandlungsmethoden trotzenden Fall von Myelitis luetica durch täglich wiederholte Einspritzungen einer 1%igen Hydrar- eyrum benzoicum-Lösung in den Rückenmarkskanal, Dosis 1 ccm, im Ganzen 23 Injektionen, bedeutend gebessert. Auf Grund dieses Falles und zweier ähn- licher kommt S. zu folgenden Schlüssen: Die Quecksilbereinspritzungen in den Markkanal werden gut vertragen, die Nebenerscheinungen sind leichter und vor- übergehender Natur, es tritt bald Gewöhnung ein. Die therapeutische Wirkung auf das Nervensystem ist größer und schneller als bei den bisherigen Methoden, be- sonders im Beginn der Erkrankung. Mohr (Bielefeld).

110 Centralblatt für Chirurgie. No. 4.

36) Macartney. Cases in clinical surgery. (Boston med. journ. 1901. August.)

1) Meningocele. Sitz: Hinterhaupt; große Lücke im Hinterhauptbein. Da nach Freilegung des Sackes seine Basis zur Unterbindung zu breit war, wurde nach Ausschneiden eines großen elliptischen Stückes aus der Kopfschwarte diese einfach über dem Sack zusammengenäht. Nach 2 Jahren ist keine Spur von der Meningocele mehr zu sehen. (Ob noch Konochendefekt vorhanden, ist nicht erwähnt.)

2) Laparotomie bei Peritonitis tuberculosa. Bei 4 Fällen durch In- cision, Auswaschen mit Borlösung, die nachher ausgewischt wurde, und Zunähen völlige Heilung erzielt. Besserung setzte sofort nach der Operation ein. Von besonderem Interesse ist der 4. Fall, bei dem es sich um eine 4jährige Frau handelte. Auch hier, trotzdem die ganzen Unterleibsorgane mit Miliartuberkeln übersät waren, Heilung der Bauchfelltuberkulose. Außerdem bestanden noch tuberkulöse Drüsen- und Gelenkaffektionen. Einer der vier Pat. starb an Lungen- tuberkulose, 2 andere sind nach 1!/, Jahren völlig gesund.

Trapp (Bückeburg).

37) Dehler. Zur Heilung traumatischer Schädeldefekte nach Müller- König. (v. Langenbeck's Archiv Bd. LXV. Hft. 1.)

Schönborn hat im Jahre 1890 als Erster eine große Schädeldeckenlücke nach der Müller-König’schen Methode mittels eines Haut-Periost-Knochen- lappens gedeckt. Pat. wurde 1891 dem Chirurgenkongress geheilt vorgestellt. Er blieb 71/, Jahre völlig gesund, ertrank dann, und das Präparat seines macerirten Schädels gelangte in den Besitz der Würzburger chirurgischen Universitätsklinik. Verf. beschreibt es genau, und es dürfte aus historischen wie technischen Gründen ein allgemeineres Interesse verdienen. Am eigenthümlichsten ist es wohl, dass am macerirten Schädel sich an dem seiner Zeit transplantirten Lappen Lücken an den Rändern finden, welche 4'!/; Monate nach dem ersten Eingriff bei einer ope- rativen neuerlichen Revision des Effektes nicht vorhanden waren. Jedenfalls aber beweist der Fall die vorzügliche Brauchbarkeit des beschriebenen Verfahrens, für das Verf. bestimmte Indikationen und Bedingungen aufstellt. 2 weitere Fälle aus der Schönborn'’schen Klinik, ebenfalls mit gutem Erfolg operirt, schließen die Arbeit. Bei keinem der 3 Pat. sind Erscheinungen einer chronischen Hirn- schädigung, vor Allem keine epileptischen Krämpfe aufgetreten.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

38) K. Borszicky. Diabetes insipidus nach Basisfraktur und Com-

motio cerebri. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

‚Ein 3ljähriger Mann war vor 2 Tagen von einem Balken auf den Kopf ge- troffen worden.‘ Seither Bewusstlosigkeit. Blasses Aussehen, oberflächliche Athmung, Pulsverlangsamung, Schwellung und Blutunterlaufung am rechten Auge, Blutung aus Nase und beiden Ohren. Die genauere Untersuchung stellte eine Lähmung des Optieus, Oeulomotorius, Abducens, Trochlearis und Ram. ophthalm. des Trigeminus rechterseits fest, verursacht durch einen vermuthlich T-förmig verlaufenden Schädel- basisbruch. Außerdem bestand eine Lähmung des linken Abducens und eine Vagus- ‚läsion, beide centralen Ursprungs. Endlich stellte sich nach 14 Tagen ein starker Diabetes insipidus ein, der mit der Zeit zwar geringer wurde, aber bei der Ent- lassung noch nicht beseitigt war.

Verf.s epikritische Erörterungen führen zu dem Schluss, dass

1) der bei Schädelfrakturen und Kommotion auftretende Diabetes insipidus als ein Zeichen der Gehirnverletzung zu betrachten ist, und dass

2) der Ort der Verletzung höchst wahrscheinlich dem von Kahler und Claude-Bernard festgesetzten Punkte in der Rautengrube entsprieht.

Honsell (Tübingen).

Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 111

39) J. Charvet. Un cas de traumatisme cranien avec symptomato- logie anormale. Intervention possible d’une épilepsie antérieure. (Province méd. 1901. No. 43.)

Ein 40jähriger, vollkommen gesunder, hereditär in keiner Weise belasteter Pferdebahnbeamter stürzt beim Abspringen vom Wagen, wird bewusstlos auf- gehoben und soll nach einer Apotheke gefahren werden. Sein Begleiter verlässt den Bewusstlosen einen Augenblick im Wagen; beim Zurückkehren findet er ihn nicht wieder, er muss erwacht und abgestiegen sein. Genau 24 Stunden bleibt der Verletzte vollkommen verschwunden, dann erscheint er plötzlich in seiner Wohnung, handelt als ob nichts vorgegangen sei, wird auch nicht gefragt, weil solche Abwesenheit in seinem Beruf öfter vorkommt, und geht nach dem Essen zu Bett. 2 Stunden später ist er subkomatös, rechtsseitige Krämpfe im Gesicht und Arm, weniger im Bein, Fieber; auf der rechten Kopfseite finden sich jetzt die Spuren der Kopfquetschung. Die Anfangs noch heftigeren Krämpfe der rech- ten Seite sind am übernächsten Tage immer noch 1—2mal stündlich; daswischen sind die befallenen Extremitätenmuskeln paretisch, die Gesichtsmuskeln in leichter Kontraktur. Im Krankenhausstatus ist jetzt die linke Kopfseite als kontusionirt angegeben (die obige Lokalisation beruht demnach wohl auf einem Druckfehler), keine Frakturspuren. An Augen, Respiration, Herzthätigkeit keine Abweichung, keine Aphasie. Der Zustand geht allmählich in Heilung über. Merkwürdig ist, dass das Erinnerungsvermögen bis zu dem Moment des Sturzes, diesen mit ein- geschlossen, reicht; die 24 Stunden darauf sind vollkommen aus der Erinnerung gelöscht. Es bleibt unbekannt, wo er gewesen ist, trotz aller Nachforschungen. Man muss annehmen, dass er sich in dieser Zeit unauffällig benommen habe, er hat auch Geld in dieser Zeit ausgegeben, wie aus der Nachzählung seiner Bar- schaft sich ergab. Herm. Frank (Berlin).

40) K.Fujisawa. Ein Fall von Spätmeningitis nach Schädelverletzung. (Aus der Kgl. Universitäts-Kinderklinik in München.) (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 45.)

Es handelte sich um einen Fall eines 10jährigen Mädchens, bei welchem eine vor einem Jahre verursachte traumatische Erweichung im linken Stirnlappen (nach komplicirter Fraktur des Stirnbeins mit Ausfluss von Gehirnsubstang) bis vor Kursem symptomlos ohne Sprachstörungen und ohne psychische Anomalien ver- laufen war. Plötzlich trat Bewusstlosigkeit, linksseitige Lähmung etc. und rasch der Tod an eitriger Meningitis ein. Letztere war veranlasst durch eitererregende Mikroorganismen, welche durch die vor einem Jahre entatandene Schädelbasisfissur 'Siebbeinplatte) vom Nasen-Rachenraum aus in die Schädelhöhle gelangt waren.

Kramer (Glogau). 41) Bendix. Zur Cytodiagnose der Meningitis. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 43.)

In 8 Fällen von Meningitis 5 tuberkulös, 3 sporadische Genickstarre —, in denen sämmtlich die Diagnose durch die Autopsie bestätigt wurde, bestanden bei den 5 tuberkulösen die zelligen Elemente des Liquor cerebrospinalis zum größten Theil aus den kleinen einzelligen Eiterkörperchen Lymphocyten —, während die großen polynukleären Leukocyten in nur ganz geringer Zahl vorhanden waren. Besonders wichtig war dies in einem Falle, wo das Einsetzen der Meningitis un- mittelbar nach einem Trauma auf die eitrige Form hinwies, während der Befund von I,ymphocyten auf Tuberkulose deutete, wie dies auch durch die Autopsie be- stätigt wurde. Bei einem der 3 Fälle von epidemischer Genickstarre fanden sich jedoch ausnahmsweise in der Mehrzahl Lymphocyten, was seine Erklärung in der Chronieität des sich über mehrere Monate erstreckenden Krankheitsfalles findet. Verf. ist der Ansicht, dass der Befund von Lymphocyten bei der tuberkulösen Meningitis nicht auf einer specifischen Eigenschaft der tuberkulösen Ergüsse be- ruht, sondern wahrscheinlich nur auf der Cbronieität des ganzen Erkrankungs- processes. Borchard (Posen).

112 Centralblatt für Chirurgie. No. 4.

42) J. Herzfeld (Berlin). Rhinogener Stirnlappenabscess, durch Ope- ration geheilt. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 47.)

Den 19—20 bisher publieirten Fällen von rhinogenen Hirnabscessen fügt H. einen von ihm operirten Fall hinzu:

P. W., 20 Jahre alt, vor 6 Wochen mit Schnupfen erkrankt; seit 2 Wochen anfallsweise heftige linksseitige Kopfschmerzen. Ausfluss aus der Nase; in den letzten Tagen Abnahme des Appetits, Schwindel beim Bücken. Schleimhaut der Nase beiderseits stark geschwollen, in beiden mittleren Nasengängen Eiter, links mehr als rechts. Durchleuchtung zeigt beiderseits ziemlich großen Schatten. Boden und vordere Wand des linken Sinus frontalis druckschmerzhaft. Centralnerven- system unversehrt. Temperatur 39,8, Puls 86. In den nächsten Tagen geht der Puls auf 50 herunter. Nackensteifigkeit besonders links. Operation: Abmeißelung der ganzen vorderen Wand der linken Stirnhöhle; wenig stinkender Eiter entleert sich aus dem Sinus. Wegmeißelung der sehr dünnen hinteren Wand. Dura wölbt sich vor. Nach Ineision entleert sich reichlich übelriechender Eiter aus dem Intraduralraum und aus einer Fistel in der Hirnsubstanz. Erweiterung. Der Finger kann in eine große Höhle eingeführt werden. Tamponade mit Jodoform- gase. Vorfall des Gehirns in die Stirnhöhle..e In 5 Wochen Heilung. Unter- suchung des Eiters ergiebt Pneumokokken. —. Der Fall ist der zweite mit Erfolg operirte von rhinogenem Hirnabscess. Langemak (Rostock).

43) O. Piffl. Ein Fall von durch Operation geheiltem otitischem Hirnabscess. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 16.)

6jähriges Kind, seit 2-—3 Monaten Otitis media sinistra mit bereits außerhalb incidirtem periostitischem Abscess. Am 23. September radikale Aufmeißelung nach Zaufal. Dabei wurde die Dura der mittleren Schädelgrube auf Kreuzergröße freigelegt. Dieselbe war stark hyperämisch, sonst unverändert, keine Hirnsymptome. 2 Tage später Fieber bis 39°. Diarrhöen. Vom 11.—14. Tage entwickelte sich folgender Zustand: Erbrechen, Benommenheit und Schlafsucht bis zu dauernder Bewusstlosigkeit, allmählich auftretende Facialisparese, dann Parese der rechten oberen und unteren Extremität; Patellarreflex und Fußklonus fehlten vorher, Sensibilität überall erhalten. Untersuchung des Augenhintergrundes ergab beider- seits Neuritis optica. Die Temperatur wurde subnormal, der Puls sank bis auf 56 Schläge.

14 Tage nach der 1. Operation 2. Eingriff, bestehend in der Eröffnung eines etwa hühnereigroßen Abscesses im linken Schläfenlappen. Starker Collape.. Am nächsten Tage trat eine Sprachstörung auf, die mit großer Wahrscheinlichkeit als optische Aphasie aufzufassen und nach 8 Tagen behoben war. Es ist daher der Abscess wahrscheinlich im hinteren und unteren Theil des Schläfenlappens gelegen gewesen.

Es erfolgte völlige Heilung; 1!/, Jahr später war das Kind geistig und kör- perlich vollkommen normal entwickelt.

Nach einer Arbeit von Röpke sind von 141 an Hirnabscess Operirten 57 absolute Dauerheilungen = 40,4% beobacht worden. Hübener (Dresden).

44) Buys. Guérison dun abcès cérébral d’origine otique. (Cercle méd. de Bruxelles 1901. Oktober 4.)

Bei einem Kinde mit linksseitiger chronischer Mittelohr- und Warzenfortsats- erkrankung besteht seit einem Monat Somnolengz, abwechselnd mit Aufregungs- zuständen und Delirien. Beiderseitige Stauungspapille, anfänglich rechts, später links mehr ausgeprägt. Radikaloperation, Eröffnung eines Abscesses in der Um- gebung des Sinus. 4 Tage darauf Symptome eines Kleinhirnabscesses, Trepanation des Kleinhirns, 6 Punktionen ohne Resultat. Nach einigen Tagen rechtsseitige

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Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 113

Facialisparese, Trepanation des Schläfenlappens; nach Incision der Dura wölbt sich das Gehirn stark vor, platzt schließlich spontan und entleert fötiden Eiter im Strahl. Im weiteren Verlauf vorübergehend linksseitige Oculomotoriuslähmung, 2 Monate lang Aufregungszustände, schließlich völlige Heilung.

Mohr (Bielefeld).

45) K. Kühn. Kasuistische Beiträge zur Hirnchirurgie. (Liecnicki viestnik 1901. No. 10. [Kroatisch.])

Ein Fall von Trepanation wegen traumatischer Epilepsie. Der 35jährige Pat. erhielt vor 5 Monaten mit einem Pflock einen Schlag über dem linken Ohre. Nach einer minutenlangen Bewusstlosigkeit erwachte er auf eine viertel Stunde, bemerkte aber eine Steifheit der rechten Extremitäten, konnte sprechen. Darauf neuerliche Bewusstseinstrübung. Der Zustand dauerte 16 Tage. Pat, sprach nichts, starrte immer vor sich hin. Nach weiteren 13 Tagen erholte sich die untere Extremität, Pat. konnte langsam gehen, die rechte Hand blieb auch weiter steif. Beiläufig 19 Wochen nach der Verletzung epileptischer Anfall mit Bewusstlosigkeit. Die Anfälle wiederholten sich noch 14—16mal.

Über den rechten psychomotorischen Centren etwas tieferer und dumpferer Schall, sonst am Schädel nichts Abnormes. Die Muskulatur der rechten oberen Extremität etwas atrophisch, die Finger leicht flektirt. Der Druck der rechten Hand sehr schwach. Keine Sensibilitätsstörung. Fascikuläre Muskelzuckungen. Negativer Befund an der rechten unteren Extremität, am Facialis und am Auge. Im Krankenhaus ein typischer epileptischer Anfall.

Bei der Schädelresektion (Dr. Wik’erhauser) wurde über den oberen Centren die Dura etwas verdiokt, bläulich und uneben gefunden, daher Einschnitt an dieser Stelle. Im Gehirn über der Roland’schen Furche eine haselnussgroße Höhle, die eine 1/s cm dicke Schicht narbiger, ödematöser Hirnsubstanz bedeckt. Die Höhle ist mit einer dicken, schmierigen, gelben Masse angefüllt. Jodoformgazetampo- nade der Höhle, Aufklappen und Fixation des Haut-Knochenlappens.

Nach der Operation fühlt sich Pat. wohl, da aber die Temperatur etwas erhöht und der Puls beschleunigt ist, so wird am 2. Tage die Tamponade etwas gelüftet. In der Nacht darauf 3 Anfälle, am Morgen des 3. Tages wieder einer. Die darauf- folgende Nacht wieder 3 Anfälle, am 4. Tage Vormittags zwei. Am 5. Tage Ent- fernaung der Tamponade, worauf die Anfälle ganz cessiren. Weiterer Verlauf normal. Pat. sollte am 30. März entlassen werden, worüber er sich stark auf- regte und freute, am Morgen ein starker epileptischer Anfall. Entlassung am 2. April mit Anordnung einer Bromtherapie.

Der Befund der apoplektischen Cyste bestätigte die Diagnose, dass die Ur- sache der traumatischen Epilepsie Veränderungen in der Dura und in der Hirn- substanz sind.

Interessant sind in diesem Falle die vermehrten Anfälle nach der Operation, welehe durch Druck des mit Blut imbibirten und aufgequollenen Tampons auf die Umgebung erklärt werden. v. Caökorvis (Agram).

46) J. A. Esteves (Buenos Aires). Hemiplejià espasmódica infantil con Epilepsia. Craniectomía con inversión dural. (Revista de la soc. méd. Argentina 1900. December.)

Das 2jährige Kind war in der 4. Lebenswoche an epileptischen Krämpfen und Lähmung der rechten oberen und unteren Extremität erkrankt. Operation im 3. Lebensjahre, als die Krämpfe anhielten, die gelähmten Extremitäten steife Kontraktur zeigten und die geistigen Fähigkeiten gans unentwickelt waren. Knochenöffnung 6 cm lang, 1 cm breit, etwas vorn von den Centralwindungen. Knochen, Dura und Gehirnoberfläche wurden normal befunden, nur »geringes sub- meningeales Ödem« konstatirt. Naht der Dura an das Periost, da nach Versuchen von Beresowski die Dura energische ossifikatorische Thätigkeit entwickelt. Die Hautwunde wird linear vernäht. Heilung der Wunde nach 8 Tagen.

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Die Krämpfe blieben sofort aus und sind bis 8 Monate später nicht wieder- gekehrt. Die steife Kontraktur der gelähmten Glieder ließ nach, und es zeigte sich eine, wenn auch mäßige, Entwicklung des Intellektes.

G. Meyer (Gotha).

47) Dubar. Thrombo-phlébite isolée de la jugulaire interne à forme septico-pyohemique d’origine otique sans participation du sinus la- téral sans mastoidite. Guérison.

(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1901. No. 45.)

Im Verlauf einer akuten eitrigen Mittelohrentsündung entstand mit Aufhören des Ausflusses unter Fieber, sogar unter einigen kurgdauernden Schüttelfrösten, eine strangförmige Anschwellung am vorderen Rande des Sternocleidomastoideus; dieselbe war begleitet von Schluckbeschwerden, Nackensteifigkeit eto. Dazu kam bald ein Ödem der betreffenden Halsseite. Am Warzenfortsatz war objektiv nichts Krankhaftes nachweisbar. Nach einer ausgiebigen Paracentese, bei der Blut und Eiter entleert wurde, traten noch Anschwellungen im Metatarso-phalangeslgelenk der rechten großen Zehe und im linken Ellbogengelenk auf; sämmtliche Erschei- nungen gingen aber unter Offenhalten der Paracentesenöffnung im Verlauf von 7 Wochen ohne weitere chirurgische Maßnahmen zurück. Die Behandlung er- streckte sich auf feuchte Verbände um Hals und afficirte Gelenke, so wie An- wendung von Stimulantien und Diuretieis. Die Besorgnis, durch eine Unterbindung Thrombentheilchen mobil zu machen, war für den Verf. maßgebend für sein Ver- halten. Verf. ist der Ansicht, dass durch Stagnation des Eiters der Process sich von der Paukenhöhle vermittels Dehiscenzen auf den Bulbus der Vena jugularis ausgebreitet habe. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

48) Charles. Menstruation complémentaire de l'oreille gauche. (Revue hebdom. de laryngol., de rhinol. et d’otol. 1901. No. 37.)

Pat. hatte, abgesehen von häufigem Juckreis im Gehörkanal vor Eintreten der Menses, stets das Gefühl, als ob das Ohr voll sei, außerdem eingenommenen Kopf. Mit Eintritt der Menstruation ließen die Beschwerden unter Entleerung blutigen Nasensekretes stets nach; seit 3 Jahren gesellte sich duzu regelmäßig blutiger Ausfluss aus dem linken Ohre. Objektiv fand sich eine kleine Perforation des Trommelfelle im hinteren, unteren Quadranten. Bemerkenswerth ist, dass die Einführung einer Sonde in das Mittelohr nicht schmerzhaft war.

F. Alexander (Frankfurt a/M.).

49) L. Bar. De la tricophytie du conduit auditif externe. (Ann. des malad. de l’oreille Bd. XXVII. No. 5 p. 437.)

B. beschreibt einen von ihm beobachteten Fall von Entzündung der Ohr- muschel und des äußeren Gehörgangs, die durch Trichophyton bedingt war. Die Diagnose konnte nur mit Hilfe des Mikroskops gestellt werden.

Die Ansiedlung des Pilzes im Gehörgang ist selten. B. bespricht ausführ- lich die Diagnose, Prognose und Therapie der Erkrankung.

Hinsberg (Breslau).

50) J. Toubert. Variete rare de cellulite mastoidienne aberrante. (Revue hebdom. de laryngologie, d’otologie et de rhinologie 1901. No. 32.)

7 Wochen nach Beginn einer ziemlich heftigen akuten Otitis, in deren Ver- laufe nicht die Spitze, sondern der hinterste Theil des Warzenfortsatzes sohmerz- haft gewesen war, zeigte sich ebenda eine fluktuirende Anschwellung. Bei der Ineision wurde Eiter entleert, ohne dass der Knochen entblößt oder eine Fistel in demselben gefunden worden wäre; die Heilung des Abscesses ging erst von statten, als sich ein Sequester der Corticalis abgestoßen hatte. Derselbe lag 3 cm hinter, 2 cm über der oberen, hinteren Gehörkanalswand. Verf. hebt unter

Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 115

Anführung anderer Fälle der Litteratur (Moure, Taptas etc.) die Wichtigkeit derartiger versprengter, außerhalb des Antrum gelegener Eiterherde hervor und betont, dass dieselben nicht immer den günstigen Weg nach außen nehmen, son- dern auch zu extraduralen Abscessen oder Meningitis führen können.

F. Alexander (Frankfurt a/M.).

51) @. Alexander. Über die operative Eröffnung des Warzenfort- satzes in Schleich’scher Lokalanästhesie. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 33.)

Bericht aus der Politzer’schen Ohrenklinik über 11 Aufmeißelungen des Warszenfortsatzes unter Infiltrationsanästhesie mit 10 vollen Erfolgen. Die Menge der verbrauchten Injektionsflüssigkeit schwankte zwischen 35 und 70 ccm (0,07 bis 0,14 g Cocain. hydrochloric.). In keinem Falle Intoxikationserscheinungen. All- gemeinnarkose wäre für die operirten Pat. bedenklich gewesen. Das Innere des Processus mastoideus wird von der 1. Meißellücke aus (tangential zur Corticalis) infiltrirt. Das Meißeln wird nur als unangenehme taktile Empfindung resp. Klopfen am Schädel verspürt. Umwickeln der Hammerschlagfläche mit Mull milderte diese Erscheinungen erheblich. Hübener (Dresden).

52) F. Haemisch. Fremdkörper in der Stim- und Oberkieferhöhl e Inaug.-Diss., Straßburg i/E., 1901.

Im Anschluss an 4 Beobachtungen der Madelung’schen Klinik giebt H. eine sorgfältige Zusammenstellung der in der Litteratur enthaltenen Berichte über das Vorkommen von Fremdkörpern in den Nasennebenböhlen.

Er fand Angaben über 80 Fremdkörper im Sinus maxillaris; von diesen waren 7 durch das Ostium maxillare, 35 durch einen Zahnkanal oder eine Alveole, 25 durch die Wandungen hineingelangt, 7 hatten sich in der Höhle selbst ent- wiekelt (Zähne bezw. Zahnsäckchen), 3 waren von unbekannter Herkunft. Von 36 Fremdkörpern der Stirnhöhle waren 25 auf natürlichem Wege, 11 durch die Wandungen eingedrungen. Von lebenden Fremdkörpern sind erwähnt verschie- dene Insekten und Würmer, von leblosen u. A. Geschosse, Messer- und Lanzen- spitsen, Holztheile, Speisereste und Gegenstände, die bei therapeutischen Versuchen in den Sinus gelangten (Kanülentheile, Hartgummi- und Holsobturatoren, Drain- töhrchen, Laminariastifte und Wattetampons).

Meist wurden durch die Fremdkörper, besonders durch die Parasiten, siemlieh erhebliche Beschwerden bewirkt, in erster Linie Kopfschmerzen mit Eiterung, oft mit Fistelbildung; einzelne von den Pat. wurden durch den Fremdkörper wenig belästigt. Leblose Gegenstände können sehr lange (längste Beobachtung 42 Jahre) in den Nebenhöhlen verweilen. Diagnose, Prognose und Therapie finden eine eingehende Bespreehung. Hinsberg (Breslau).

53) P. Nachtigall. Ein Fall von medianer Nasenspalte. Inaug.-Diss., Breslau, 1901.

Verf. fand im Ganzen 11 Fälle von medianer Nasenspalte in der Litteratur, die er in 2 Gruppen eintheilt: solche, die mit geschwulstartigen Bildungen im Bereich der beiden Nasenhälften einhergehen, und reine Spaltnasen, die sog. Doggennasen. Ein von Lexer auf dem Chirurgenkongress 1900 vorgestellter und im Archiv für klin. Chirurgie ausführlich beschriebener Fall ist nicht erwähnt. Verf. kommt zu derselben Ansicht, die Nasse zuerst ausgesprochen, und für die ge- ade Lexer’s Fall beweiskräftig ist, dass viele Fälle nicht durch die Witsel- sche Theorie ihre Erklärung finden, sondern dass vielmehr extrakranielle Ur- sachen, nämlich amniotische Verwachsungen und Strangbildungen, die Missbildung verursachen. Coste (Straßburg i/E).

116 Centralblatt für Chirurgie. No. 4.

54) Noebel. Konchotom für breitbasige Hypertrophien der unteren Nasenmuscheln. (Ärztliche Polytechnik 1901. November.)

Obiges Instrument drückt nach Art einer Guillotine, in deren Öffnung hinein die breitbasigen Geschwülste genommen werden, diese von der Oberfläche der Nasenmuschel ab. Es ist lang und schmal gebaut, um möglichst weit in die Nasenhöhle hineinreichen zu können. Das Quillotiniren geschieht mittels Zu-

sammendrückens eines rechtwinklig ansitzenden Handgriffs. E. Fischer (Straßburg i/E.).

55) Löhnberg. Zwei Fälle von Fremdkörpern in Nasennebenhöhlen. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 45.)

Im 1. Falle wurde durch die Zange nach Extraktion von zahlreichen Polypen

ein seit 20 Jahren in der Siebbeinhöhle gelegenes Eisenstück eines Gewehrlaufs,

im 2. durch Aufmeißelung der Stirnbeinhöhle ein gelegentlich einer Stirnverletzung

eingedrungenes Stück Hutfilz entfernt. Kramer (Glogau). 56) Weitz. Ein Fall von Rhinoplastik aus der Haut des linken Unterarms.

(Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 49).

Es handelte sich um den Ersatz nach Verlust des ganzen beweglichen Theils der Nase. Die Operation wurde vorgenommen, nachdem der Lupus durch Aus- kratzung und Röntgenstrahlen geheilt war. Der Lappen wurde an der Radial- seite des linken Unterarms gebildet und nach 3 Monaten, nachdem er geschrumpft und durch Transplantation überhäutet war, in die wundgemachte Apertura pyri- formis eingenäht. Fixation durch Gipsverband. 17 Tage später wurde der Lappen vom Arm getrennt. Borchard (Posen).

57) W. Mintz. Ein Fall von primärer Parotistuberkulose. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 290.)

3jähriger, gut genährter Knabe mit gesunden Zähnen, normaler Mund- und Rachenhöhle, dessen Mutter aber an Lungentuberkulose leidet. Binnen 3 Wochen wächst eine zunächst links unter dem Backenknochen bemerkte, erbsengroße, schmerzlose Geschwulst zu einer völlig den Parotisgrenzen entsprechenden Ge- schwulst heran. Die Diagnose bösartige Neubildung scheint durch eine Probe- ineision bestätigt, wesshalb die Radikaloperation vorgenommen wurde. Hierbei erwies sich auch die Parotis accessoria verändert und in grauweißliches, geschwulst- ähnliches Gewebe verwandelt. Obwohl die größeren Faoialisäste geschont werden konnten, hinterließ die übrigens glatt heilende Operation eine Gesichtslähmung. Der von einem frischen Geschwulstdurchschnitt entnommene Saft enthielt säure- feste, als Tuberkelbacillen angesprochene Stäbchen. Die mikroskopischen Schnitte zeigten massenhafte, im Drüsenläppchenparenchym sitzende Tuberkel, reaktive Kleinzelleninfiltration des interstitiellen Bindegewebes.

Der Fall reiht sich als eine neue Beobachtung den spärlichen (7) bislang be- kannten Fällen von primärer Parotistuberkulose an. Sein mikroskopischer Befund spricht für eine Infektion durch dem Sekretabfluss entgegen und aufwärts in das Drüsenparenchym kriechende Krankheitskeime, gegen Infektion auf dem Lymph- wege. Wahrscheinlich wird die phthisische Mutter den Knaben infieirt haben.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

58) G. Wishart. Posttyphoidal ulceration and abductor paresis of the larynx. Tracheotomy. Recovery. (Philadelphia med. journ. 1901. September 7.)

W. befreite durch die hohe Tracheotomie einen an Typhus abdominalis er- krankt gewesenen 48jährigen Mann von schweren dyspnoisohen Anfällen. Sehr

Centralblatt für Chirurgie. No. 4. 117

selten war die Lokalisation der im Beginn der 4. Woche mit Heiserkeit und Hustenreiz einsetzenden Erkrankung. Sie war auf die wahren Stimmbänder be- schränkt und bestand aus einer entzündlichen Schwellung derselben und einer am hinteren Ende des linken Stimmbandes sitsenden, mit einer weißlichen Membran bedeckten Ulceration mit höckrigen, unterminirten Rändern. Die Abduktion der Stimmbänder war jedenfalls in Folge dieser entsündlichen Veränderungen fast völlig behindert. Läwen (Leizig).

59) H. v. Ranke. Über die Behandlung des erschwerten Decanule- ments in Folge von Granulombildung nach Intubation und sekun- därer Tracheotomie.

(Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 43.)

v. R. hat in den letzten 11 Jahren unter mehr als 900 intubirten Kindern nur 5 Fälle von Granulationsbildung nach Intubation und sekundärer unterer Tracheotomie beobachtet. 3 derselben wurden geheilt; die Granulome entleerten sich beim Husten durch die Kanüle oder fanden sich in deren Fenster hängend beim Wechsel der Kanüle. In dem einen der tödlich verlaufenen Fälle war die Granulationswucherung bereits geheilt (Tod an Tuberkulose), im anderen an Gastro- enteritis eingegangenen fand sich noch eine kleine polypöse Wucherung im rech- ten Morgagni’schen Ventrikel. Kramer (Glogau).

60) M. Pfaundler. Zur Kenntnis der »Spätstörungen« nach Tracheo- tomie und Intubation. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Graz.) (Münchener med, Wochenschrift 1901. No, 43.)

Von 165 begüglich ihres weiteren Schicksals bekannt gebliebenen Fällen, die- in der Zeit von 1890—1899 in der Grazer Klinik zur Intubation bezw. Tracheo- tomie gekommen waren, sind 137 ohne Beschwerden, haben 16 solche leichtester- Art (leichte Athmungsbeschwerden beim Laufen etc.) und wiesen 12 folgende Er- krankungszustände auf oder waren denselben erlegen: 1) 3mal dauernde Heiser- keit, 2) 3mal leichte narbige Trachealstenose, 3) 3mal chronische cirrhotische- Pneumonie mit Bronchitis und Bronchiektasie und A) 3mal Lungentuberkulose. Diese Erkrankungszustände boten 3,5% der Intubirten, 12,5% der Tracheotomirten. und 31,3% der Intubirten und Tracheotomirten. Kramer (Glogau).

61) Rigal. Plaie penetrante de poitrine par coup de fleuret. Pleuro-- pneumonie. Fistule persistante. Pneumotomie. (Province méd. 1901. No. 45.)

7 Monate nach dem Florettstich im 3. rechten Interkostalraum besteht noch- eine Fistel, deren Zusammenhang mit der Lunge außer aus der Tiefe von 7 bis: 8 cm geradeaus noch aus physikalischen Symptomen, dem Auswurf, dem Fistel-- sekret ete. erhellt. Ausheilung nach Erweiterung der Fistel, Rippenresektion, Erweiterung des Zugangs zu der etwa nussgroßen, mit den Bronchien kommuni- eirenden Lungenhöhle mittels Thermokauters. Drainage.

Herm. Frank (Berlin).

62) Gross. Die traumatische Ruptur des Septum cordis. (Mittheilungen aus d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bå. VIII. Hft.4 u. 5.

Ein 12jähriger Knabe wird von einem Wagen schräg über den linken Thorax. überfahren. Außere Verletzungen fehlten. Puls kaum fühlbar, 120. Herztöne normal, 1 Stunde nach dem Unfall wird unter leichter Ather-Chloroformnarkose - die Laparotomie gemacht, da eine ausgedehnte Dämpfung der linken Bauchseite eine Milsruptur annehman lässt. Das Blut liegt aber retroperitoneal und stammt aus einem Riss der linken Niere; diese wird exstirpirt. Nach 12 Stunden Tod.. Die Sektion ergiebt einen isolirten, 3,8 cm langen Querriss des Septum cordis.

118 Centralblatt für Chirurgie. No. 4.

Isolirte Risse der Herzscheidewand sind sehr selten und werden von den meisten Autoren als Folge direkter äußerer Gewalt aufgefasst. G. schließt sich für seinen Fall denen an, die einen »indirektene Mechanismus, eine Sprengung durch »innere Gewalt«e annehmen, da der Herzmuskel keine Zeichen von Quet- schung darbot. Er stellt sich den Vorgang folgendermaßen vor: Die Kontusion des Herzens betraf nur dessen linke Hälfte und erfolgte im Moment der Ventrikel- systole. Der linke Vorhof oder dessen suführende Venenstämme waren zugedrückt, die Aorta abgeklemmt; das Blut kann aus dem linken Ventrikel nicht heraus, steht bei der systolischen - Kontraktion unter sehr starkem Druck und sprengt das Septum.

Sehr interessant ist die Thatsache, dass der Knabe trotz des schweren »Hers- choks« eine eingreifende Operation mit reichlich !/sstündiger Narkose zu über- stehen vermochte. Haeckel (Stettin).

63) De Forest Willard. Aneurysm of the thoracic aorta of traumatic origin; treatment by introduction of wire and electricity. (Univ. of Pennsylvania med. bull. 1901. September.)

Einem 23jährigen Manne schlägt eine 5—6 Centner schwere Kiste gegen die Brust. Sofort starke Brustschmerzen und Gefühl von Beklemmung, im Laufe der nächsten 6 Monate zunehmende Schmerzhaftigkeit und Pulsation in der Brust; 13 Monate nach dem Unfall ergiebt die Untersuchung ein sehr ausgedehntes, die rechte Lunge vollkommen komprimirendes Aneurysma mit Pulsation über der ganzen rechten Brusthälfte, entstanden durch traumatische Schädigung des descendirenden Theils der Aorta. Wegen stetiger Verschlimmerung und drohender Perforation wird die Einführung eines Drahtnetzwerks in den Sack und Durchleitung des konstanten Stroms durch dasselbe beschlossen. Ein mit Vulkanit umkleideter Trokar wird im 4. rechten Interkostalraum etwas nach außen vom Knorpelansatz der Rippen, entsprechend der dünnsten Stelle des Sacks eingestoßen, und dünner Silberdraht allmählich bis zu einer Länge von 20 Fuß durch die Kanüle eingeführt. Gleich- zeitig wird ein konstanter Strom, positiver Pol mit dem Draht verbunden, nega- tiver zwischen den Schulterblättern, durchgeleitet in einer von 5—85 Milliamperes steigenden Stärke. Die anfängliche starke Blutung aus der Kanüle steht; Ein- schieben des Drahtes so weit wie möglich, Entfernung der Kanüle, Dauer der Operation 1 Stunde,

Nach der Operation keine ernsteren Nebenerscheinungen, Schmerzen und Pul- sation nahmen innerhalb einer Woche bedeutend ab; während der Sack entsprechend der Einführungsstelle allmählich solider wurde, trat eine zunehmende Aussackung nach der rechten Achselhöhle zu ein. 4 Monate nach der ersten Operation Wieder- holung derselben an der dünnsten Stelle des Aneurysmas; kein Erfolg, Tod an Erschöpfung 4 Wochen später, keine Ruptur.

Im Anschluss hieran bespricht Verf. die Technik der Operation, stellt sodann die spärlichen Fälle von traumatischen Aneurysmen der Brustaorta zusammen und giebt schließlich eine Übersicht über 23 mit derselben Methode behandelte Fälle aus der Litteratur, so weit sie die Brust- und Bauchaorta betreffen. Hiernach sind dauernde Heilungen selten; in der Hälfte der Fälle wurde die Lebensdauer zweifellos verlängert. Sämmtliche Pat., welche die Operation überstanden, hatten bedeutende Erleichterung ihrer Beschwerden. 10mal wurde die Lebensdauer durch die Operation verkürzt, mehrmals bei fusiformen Aneurysmen, die sich für die Methode nicht eignen. Es lebte ein Pat. 11 Jahre, einer 31/2 Jahre nach der Operation. Bei Letzterem zeigte die Obduktion eine fest coagulirte Geschwulet. In mehreren anderen Fällen schwanden sämmtliche Symptome eines Aneurysmas vollständig.

Mohr (Bielefeld).

64) Zulehner. Zur Herznaht. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 11.)

35jähriger Bierverleger erhielt im Wirthshausstreit je einen Stich in den Bauch und die Herzgegend. Transport ins Linzer Krankenhaus (Primarius Brenner).

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Die Bauchwunde wird hier erweitert, das vorgefallene Netzstüok resecirt und von hier aus (11/; cm vom Rippenbogen) eine schlitzförmige Ofinung im Zwerchfell- ansatse genäht.

Die in der Gegend des Ansatzes des 6. linken Rippenknorpels gelegene sweite Wunde führte in den Herzbeutel; dunkles schaumiges Blut quoll aus dem engen Stichkanal. Dabei verhältnismäßig kräftiger Puls, nur wenig beschleunigt. Tamponade brachte die Blutung zum Stehen.

Am nächsten Tage Verschlechterung im Befinden des Kranken, Puls klein doch regelmäßig; verfallenes Aussehen. Daher in Narkose Operation durch Brenner(am Tage vorher verreist). Erweiterung der Schnittwunde bis zur 4. Rippe und [Resektion von Theilen des 7., 6. und 5. Rippenknorpels. Dabei Ver- letsong der Pleura. Die kleine Offnung wird sogleich durch Fingerdruck und Naht geschlossen. Die Lücke im Herzbeutel auf 7 em erweitert. Nun ist das Hers von der Spitze bis sur Kransfurche sichtbar und zugänglich. An der rechten Herskante, 1 om von der Spitze, schnittförmiger Spalt von ca. 7 om Länge, aus welehem dunkles Blut hervorquilit (rechter Ventrikel). Es gelang mit einer feinen Nadel die beiden Wundränder in der Mitte zu fassen. Der geknüpfte Faden schnitt jedoch durch das Fettgewebe wie durch Butter durch. Auch der Versuch mit stärkerer Seide, welche durch die Tiefe der Herzmuskulatur durchgeführt wurde, misslang. Nun war aus der linearen eine kreisförmige, unregelmäßig ge- staltete Wunde geworden. Jeder weitere Versuch, die Wunde zum Verschluss zu bringen, scheiterte an der morschen Beschaffenheit des wie Zunder aus einander gehenden Gewebes des Herzens. In wenigen Augenblicken hatte sich der Kranke vor den Augen des Operateurs verblutet.

Die Obduktion wies eine beginnende Peritonitis außer den üblichen Organ- veränderungen des Potatorium nach. Hübener (Dresden).

65) Watten. Zur operativen Behandlung der Stichverletzung des Herzens. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 37.)

Der angeführte Fall ist der erste und bis jetzt einzige unter den Operirten, wo eine Herzwunde (rechter Ventrikel) mit Verletzung der rechten Pleurahöhle und mit Pneumo-Hämothorax derselben komplieirt war. W. hatte entsprechend der im vierten rechten Interkostalraum, 2 cm vom rechten Sternalrande gelegenen 31/—4 cm langen, schrägen Schnittwunde einen oberen Lappen bis zur Höhe der 2. Rippe gebildet mit lateraler Basis und diesen nach Durchtrennung der Rippenknorpel nach außen umgeklappt. Die lebhaft sich vordrängende Lunge wurde mit einem langen Spatelhaken nach oben gehalten, die Herzbeutelwunde erweitert, der Herz- beutel mit 2 dicken Seidenfäden angeschlungen. Nach Anziehen derselben wurde die 2cm lange, dicht an der Hersbasis gelegene Wunde sichtbar. Bei der stür- mischen Arbeit des Herzens,war es nicht möglich, die Naht anzulegen. Es musste mit zwei in den Herzbeutel eingeführten Fingern das Herz quer von hinten her gefasst und leicht gegen das Brustbein angedrückt werden. Jetzt gelang es, eine Naht in den oberen Wundwinkel einzulegen. Beim Anziehen des Fadens traten längere Pausen in der Kontraktion auf. Nach Anlegen noch zweier Seidennähte stand die Blutung. Einlegen von 2 Jodoformgasestreifen in das Perikard, Aus- füllen der unteren Partie der Pleurahöhle mit sterilen Gazekompressen. Am nächsten Abend traten stürmische Erscheinungen auf, die sofort aufhörten, als nach Vor- ziehen des Jodoformgasestreifens sich etwa 100 ccm einer blutig serösen Flüssig- keit aus dem Herzbeutel entleert hatten. Einführen eines neuen Jodoformgaze- streifens. Die Drainage des Herzbeutels wurde nach Ablauf der ersten Woche ausgesetst. Heilung mit völliger Arbeitsfähigkeit.

W. glaubt, dass in den Fällen, wo sich die Herswunden überhaupt zur direkten operativen Behandlung eignen, dieselben auch ohne Resektion des Brustbeins zu- Bänglich sind. Der Pneumothorax stelle an und für sich keine so schwere und sehr su befürchtende Komplikation dar. Ferner betont Verf. die Nothwendigkeit, em Sekrete aus dem Herzbeutel einen möglichst freien Abfluss zu sichern.

Borchard (Posen).

120 Centralblatt für Chirurgie. No. 4.

66) E. Pluyette. Tuberculose mammaire. (Gaz. hebdom, de med. et de chir. 1900. No. 103.)

Der Fall, den P. veröffentlicht, scheint das typische Beispiel einer Impftuber- kulose zu sein. Im Anschluss an eine geringfügige Verletzung der Brustwarse à la suite d'une succion du sein (!) bei einem Mädchen von 23 Jahren bildete sich eine kleine Wunde, die sich mit einer Borke bedeckte. Bald darauf schwoll die Brust an und vereiterte unter Schüttelfrösten. Tuberkelbacillen wurden nur unter der Haut des Warzenhofes gefunden. W. Sachs (Mülhausen i E.).

67) N. Cholin. Über Beckenbrüche. (Chirurgia Bd. VII. p. 71. [Russisch.))

C. bespricht ausführlich die Arten der Beckenbrüche unter Berücksichtigung der vorhandenen Litteratur, ihre Entstehung und die durch dieselben hervor- gerufenen Erscheinungen. Die Prognose ist schlecht, 76,47% Sterblichkeit, wie auch die weiteren Schädigungen oft recht schwere sind. Auf 70 Fälle, die Verf. gefunden hat, wurde die Zerreißung des Mastdarmes nur in 2 Fällen angetroffen. Aus der Schwierigkeit der Diagnose erklärt es sich, dass in einer großen Anzahl von Fällen der Beckenbruch bei Lebzeiten nicht erkannt war.

C. sah 2 Fälle.

Der eine betraf einen 49jährigen Kranken, auf welchen eine Last von etwa 20 Centnern gefallen war. Er wurde durch dieselbe gegen den steinigen Boden gedrückt. Durch 2 Stunden Bewusstlosigkeit, Urinverhaltung, der Katheter entleert nur Blut. Äußerste Schmershaftigkeit beim Versuch, den Kranken zu setsen. Bauch aufgetrieben. Ödem und Ekchymosen am Glied und Hodensack, am Damm und linken Oberschenkel. Dämpfung in der unteren Bauchgegend. Ein Beckenbruch konnte nicht festgestellt werden, Krepitation fehlte. Bei der Unmöglichkeit zu katheterisiren wurde der hohe Blasenschnitt gemacht (Ssarychew), der eine Menge blutigen Urin entleerte. Der Kranke befindet sich in Stupor, mit jedem Tage wird sein Befinden schlechter, es tritt Fieber auf, der Urin wird stark alkalisch; nach 8 Tagen erfolgt der Tod. Bei der Operation findet sich die Harnröhre szer- tissen, im Beckenbindegewebe und links im Hüftgelenk Eiter. Bruch in der Gegend des Tub. ileopectineum und der Symphyse.

Im 2. Falle war der 54jährige Verletzte unter einen Lastwagen gerathen. Außer Schmerzen, die an die Innenfläche beider Oberschenkel ausstrahlten, war Schmerzhaftigkeit in der Gegend des Kreuzbein- und Darmbeingelenkes vorhanden. Man bemerkte eine Ungleichheit beider Beckenhälften, indem die rechte Becken- hälfte höher steht als die linke. Eben so steht die rechte Glutaealfalte rechts höher. Ekchymosen am unteren Theil des Hodensackes und am Damm. Der rechte Rand der Symphyse steht 1!/; cm höher als links, man findet hier einen Knochen- spalt. Es wurde auch eine Beckenvermessung vorgenommen, welche jene Becken- verschiebung bestätigte. Blase überfüllt, wie die Katheterisirung zeigte, unverletzt. Urin klar. Untersuchung vom Mastdarm aus zeigt nichts.

Die Röntgenaufnahme ergab: Bruch des linken horizontalen Schambeinastes und Bruch des absteigenden Astes an der Stelle seiner Vereinigung mit dem Sits- bein, Bruch des rechten horizontalen Schambeines, Bruch des aufsteigenden Sits- beines und Absprengung eines Stückes vom rechten Schambein.

Blase und Mastdarm waren gelähmt, wohl von der Erschütterung, 7 besw. 18 Tage nach der Verletzung. Für Stuhl wurde durch Klystiere gesorgt. In 21/2 Monaten waren die Knochen zusammengeheilt, 4 Wochen später verließ der Kranke, etwas auf dem rechten Beine hinkend, das Spital.

E. Braatz (Königsberg i/P.).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

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Centralblatt CHIRURGIE

E. m Bengan, Kl, Rider,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöõehentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchbandlungen und Postanstalten.

No. 5. Sonnabend, den 1. Februar. 1902.

Inhalt: Kattenbracker, Fortschritte auf dem Gebiete der Finsen’schen Lupusbehand- lung. (Original-Mittheilung.)

1) Oppenheim, Pediculus pubis. 2) Matzenauer, Pityriasis. 3) Mibelii, Alopecia. 4) Róna, Lupus erythematosus. 5) Hodara, Ichthyol-Ammonium. 6) Ghillini und Canevazzi, Statische Skelettveränderungen. 7) Kienböck, Knochenatrophie. 8) Gocht, Orthopädische Technik. 9) Schanz, Schiefhals. 10) Kienböck, Skia- skople der Wirbelsäule. 11) Anschütz, Versteifung der Wirbelsäule. 12) Pierre, Fistalöse Spondylitis. 13) Delitzin, Anomalien der A. med, antibrachii. 14) Loison, Handwurzelknochenverletzungen. 15) Becher, Arthritis deformans coxae. 16) Ar- chambaud, Coxitis. 17) Froelich, Gehverbände für Gelenkentzündungen. 18) Pelte- sohn, Die Kniescheibe bei Little'scher Krankheit. 19) Bernacchi, Kniescheibenbruch. 20) Wiemuth, Kniescheibenverrenkung. 21) Lorenz, Knieankylose. 22) Kolaczek Zerreißung der Fascia lata praepatellaris. 23) Maass, Tuberkulose des Sprunggelenks 24) Anschütz, Selbstverstümmelungen.

25) v. Kötly, Schlanhaut. 26) Rosenthal, Jododerms. 27) Stark, Hautleiden nach Arsengebrauch. 28) Okamura, 29) Beck, Naevi. 30) Schnabel, Lymphangioma cutis. 31) Bernhardt, Prurigo. 32) Kopytowski und Wielowieyski, Pityriasis. 33) Glück, Lepra.. 34) Reiss, Keloid. 35) Vörner, Keratoma. 36) Pacheso Mendes, Anakhre. 37) Friedberg, Schiefhals. 38) Cranwell, Amputatio Intersca- pulo-thoraeica. 39) Berthaut, Schulterverrenkung. 40) Popper, Oberarmbruch. 41) Breca, Radiusverrenkung. 42) de Hints, Zeigefingerverrenkung. 43) Stopnitzkl, - Polydaktylie. 44) Klapp, Lagerungsapparat. 45) Stern, Tragratımen. 46) Gallet, Exartieulatio interileo-abdominalis. 47) Lepage und Grosse, 43) Nov&-Josserand, Angeborene Hüftverrenkung. 49) Jacob, Traumatische Hüftverrenkung. 50) Burrell, Lowett, Goldthwait, Spontanverrenkung der Hüfte. 51) Bradford, Coxitis. 52) Slaj- mer, Schussverletzung der A. prof. fem. 53) Pendil, Zerreißung des Kniescheiben- bandes. 54) Wodarz, Verrenkung im Talonaviculargelenk. 55) Karlow, Sprung- beinverrenkung. 56) Auvray, Retraktion der Plantaraponenrose. 57) Hagemeyer, Gangrän der unteren Extremitäten.

Fortschritte auf dem Gebiete der Finsen’schen Lupusbehandlung.

Von Dr. med. Kattenbracker, prakt. Arzt in Spandau. Vor wenigen Jahren erst trat Finsen in Kopenhagen mit seiner

epochemachenden Entdeckung hervor, dass wir in den chemischen 5

122 Centralblatt für Chirurgie. No. 5,

Lichtstrahlen ein Heilmittel gegen eine der schwersten, hartnäckig- sten und zu den schlimmsten Entstellungen führenden Krankheiten, den Lupus, besitzen, gegen welches alle sonst versuchten Methoden, wie operative Eingriffe, Atzungen, Kauterisationen der verschiedensten Art etc., sowohl was die Sicherheit der Wirkung als auch das kos- metische Endresultat betrifft, weit in den Schatten treten. Bei der Unzulänglichkeit aller genannten, bisher bekannten Mittel, war es begreiflich, dass man in Ärztekreisen im Allgemeinen der neuen Therapie Anfangs eine gewisse Skepsis entgegenbrachte, bis die mit Hilfe der Finsen’schen Lupusbehandlung geheilten zahlreichen Pat. mit den schwersten Formen des Lupus die Erkenntnis zum Allge- meingut der Ärzte gemacht haben, dass es thatsächlich möglich ist, die schon länger bekannte baktericide Wirkung der chemischen Lichtstrahlen therapeutisch zu verwerthen bei einer bisher so ziem- lich allen bekannten Mitteln trotzenden Affektion, wie der Lupus sie darstellt. ;73=@ Die Anwendung der chemischen Lichtstrahlen, wie sie jetzt all- gemein und in Deutschland auch in Universitätsinstituten geübt wird, geschieht bekanntlich in der Weise, dass man das Sonnenlicht oder elektrisches Bogenlicht durch starke Sammellinsen koncentrirt und durch Wasserkühler auf die kranke Stelle leitet, welche gleich- zeitig durch Druckgläser von Bergkrystall möglichst blutleer gemacht werden, um ein tieferes Eindringen der Lichtstrahlen in die Gewebe zu ermöglichen. Die Behandlung ist völlig schmerzlos, da die im Lichte enthaltenen Wärmestrahlen durch die Wasser- oder Kupfer- vitriolschicht fast ganz absorbirt werden. Es dürfte wohl allgemein bekannt sein, dass nur den chemischen (blauen, violetten und ultravioletten) Strahlen eine baktericide Wirkung zukommt. So wunderbar die Erfolge waren, welche man mit der Finsen’schen Methode bisher erzielt hatte, so standen doch bisher der allgemeinen Einführung des Verfahrens noch zahlreiche Schwierigkeiten entgegen. Zunächst erforderten die hohen Kosten (3—4000 .4#) einer solchen Einrichtung Specialinstitute, welche zugleich über ein großes Personal verfügen, da die einzelne Sitzung jedes Mal mindestens eine Stunde dauert, während welcher zur Handhabung des Druckglases ständig für jeden Kranken eine besondere Person erforderlich ist. (In dem Finsen’schen Institut unterziehen sich zahlreiche Damen der besseren Kreise freiwillig diesem Dienste) Abgesehen vom Sonnenlichte, welches immer nur zu gewissen Jahres- und Tageszeiten zur thera- peutischen Verwendung in Betracht kommt, benutzt man starke Bogenlampen (ca. 80 Ampere) zu diesem Zwecke. Dabei ist die Menge der erzielten chemischen, allein verwendbaren Strahlen eine verhältnismäßig geringe, indem das Spektrum der gebräuchlichen elektrischen Bogenlampe über zur Hälfte Wärmestrahlen enthält, welche eben durch die schon beschriebenen Wasserfilter etc. eliminirt werden müssen.

Es kam also darauf an, eine Lichtquelle zu finden, welche im

Centralblatt für Chirurgie. No. 5. 123

Gegensatze zum üblichen Kohlen-Bogenlichte eine möglichst über- wiegende Anzahl chemischer Lichtstrahlen bei möglichst wenig Wärmestrahlen aufweist.

Die Versuche, die nun im Finsen’schen Institute seitens des In- genieurs Kjeldsen mit den verschiedensten Metallen als Elektroden an Stelle der Kohlenstifte in dieser Richtung hin angestellt wurden, führten zu dem überraschenden Resultate, dass gerade das Spektrum des Eisens außerordentlich reich an chemischen Strahlen ist, während es nur sehr wenig Wärmestrahlen enthält. Auf Grund dieser Ent- deckung hat nun Kjeldsen eine Lampe zur Finsenbehandlung konstruirt, bei der er hohle im Innern mit fließendem Wasser ge- kühlte Eisenelektroden verwendet. Wie Bang auf der letzten Natur- forscherversammlung in Hamburg hervorhob, hatten die zuerst im Finsen’schen Institute mit einer auf demselben Princip beruhenden Lampe von 25 Ampere und 55 Volt bei 60 cm Abstand angestellten Versuche ein in therapeutischer Beziehung alle Erwartungen über- treffendes Resultat. Man erhält ein äußerst intensives Licht, mit welchem innerhalb 4!/, Minuten derselbe therapeutische bezw. bak- tericide Effekt erzielt wird, wie mit der alten Einrichtung innerhalb einer Stunde. Die genannten Mittheilungen waren die Veranlassung zu eingehenden Versuchen, welche hier in Berlin im Aufrecht’schen Institut über die Wirkung der Kjeldsenlampe auf Bakterien angestellt wurden, und über welche ich im Folgenden berichten möchte.

Die Versuchsanordnung war folgende: Lichtquelle 5 Ampere- Gleichstrom, Lichtquelle von Eisenelektroden mit Wasserkühlung ausgehend ; Lampenspannung 40 Volt, Abstand 10 cm von der Licht- quelle, Licht nicht koncentrirt.

Als Nährsubstrate wurden 15% Nährgelatine, für Gono-

kokken und Tuberkelbacillen 2% mit sterilem Blut gleich- mäßig überzogener Glycerin-Agar, als Testobjekte Typhus abdom., |Cholora asiat., Streptococcus pyog., Bact. coli., Gonokokken und Tuberkelbacillen benutzt. . Die Aussaat der betreffenden Bakterien wurde durch zartes Überstreichen der in sterilem Blutserum aufgeschwemmten Ober- fächenkulturen auf den Platten mittels Federfahne bewerkstelligt. Sämmtliche Kulturplatten, auch die Behufs Kontrolle mit gewöhn- lichem Lichte behandelten, in gleicher Weise inficirten Platten wurden bei 22° C. bezw. 37° C. gehalten.

Nach 48 Stunden wurden die belichteten Stellen auf Glycerin- Agar abgeimpft und 2 Tage bei 37°C. gehalten. Es zeigte sich dann an den gewachsenen Kolonien, bezw. an dem Sterilbleiben der Röhren, ob die Bakterien noch lebensfähig gewesen waren oder nicht.

Ich führe in der Tabelle die einzelnen in dieser Weise mit den verschiedenen Reinkulturen ausgeführten Versuche, so wie die Resul- tate, die sie ergeben, an.

Der Einfachheit halber bediente ich mich der folgenden Be- zeichnungen:

5*

124 Centralblatt für Chirurgie. No. 5.

+ Wachsthum, —- deutliche Entwicklungshemmung, Abtödtung.

Versuchsdauer

Mikroorganismus Versuchsdauer Mikroorganismus R

1 Sekunde | + || Streptococe. pyog. | 2Sekunden|

Typhus abdom.

> > 3 Sekunden < » > 15 > < > > 30 > > > 60 > > > 60 > Kontrolle | 60 > =- Kontrolle | 60 > —-? || Bact. coli comm. 1 Sekunde! + Cholera asiat. 5 > en > > > 5Sekunden) > > 30 > > > » 60 > Kontrolle | 60 » + Kontrolle | 5 > + Bac. tuberculos. 5 > || Bacterium anthrac. + 5 i 45 Í F (Milzbrand) t Sekunde 5 2 60 a = || dasselbe - 5Sekunden| Kontrolle | 45 > 4 dasselbe au. > Microc. £onoco. 1 Sekunde | Kontrolle | 30 > > » 5Sekunden | > > 30 > = Kontrolle | 30 > +

Wenn ich auch durchaus nicht auf dem Standpunkte stehe, Versuche an Bakterien-Plattenkulturen ohne Weiteres nun auch für den menschlichen Organismus als beweisend anzusehen, so liegt doch hier die Nutzanwendung so, dass die baktericide Kraft der chemischen Strahlen, und speciell ihre Heilwirkung bei der Haut- tuberkulose, in der Praxis an zahllosen Pat. erwiesen ist, und wir es hier mit einem Apparat zu thun haben, welcher dieselben Resultate in erheblich kürzerer Zeit und mit wesentlich geringerem Aufwande elektrischer Kraft liefert. Während, wie schon erwähnt, zu der alten Finseneinrichtung eine Strommenge von ca. 70 Ampere be- nöthigt wurde, braucht die neue Lampe, welche unter dem Namen »Dermo« von der Elektricitätsgesellschaft Sanitas zu Berlin in sehr handlicher Form in den Handel gebracht wird, nur 5 Ampere, um dieselbe Wirkung in 3 Minuten, wie jener in einer Stunde hervor- zubringen. Da nicht nur sehr viel Zeit gespart wird, sondern auch die Anschaffungskosten nur etwa 1/,, der alten Einrichtung betragen, und Hilfspersonal völlig entbehrlich ist, ist jeder praktische Arzt in die Lage versetzt, in seiner Sprechstunde die Finsenbehandlung selbst auszuüben. Das Druckglas wird durch eine, die Lichtaus- trittsöffnung der Lampe verschließende Bergkrystallscheibe ersetzt, welche direkt der betreffenden Hautpartie aufgelegt wird. Eine Wärmeempfindung tritt überhaupt nicht auf, in einer Entfernung

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von 10 cm von dem Lichtbogen beträgt die Durchschnittstemperatur 22°C. Die stark irritirende Wirkung der chemischen Lichtstrahlen, auf welche u. A. Finsen schon vor Jahren aufmerksam ge- macht hat!, tritt auch bei diesem neuen Apparat sehr augenfällig in die Erscheinung, indem schon nach wenigen Minuten der Ein- wirkung ein völlig schmerzloses und, wie die Beobachtungen im Finsen’schen Institute gezeigt haben, monatelang bestehendes Ery- them auftritt. Sehr anschaulich dürfte diese irritirende Wirkung die untenstehende Abbildung illustriren, welche von dem Arm eines gesunden Mannes stammt. Ich habe den Versuch in der Weise an- gestellt, dass auf die Haut schwarze (den auf der Abbildung den weißen entsprechende) Papierbuchstaben aufgeklebt wurden, worauf

Pr s y NY- n * ET TEE ow AE e uR A r FAP RR Se N or) G a > . ER

ich das Licht der Lampe 3 Minuten einwirken ließ. Es bildete sich auf der ganzen Hautpartie ca. 2 Stunden nach der Bestrahlung ein intensives Erythem, welches nur die unter den Papierbuchstaben liegenden, von den Lichtstrahlen nicht getroffenen Hautpartien frei ließ, sodass sich nach Abnahme des Papiers das Wort »Dermo« in weißen Buchstaben innerhalb des Erythems abhob. Wenn ich auch hier in erster Linie die Anwendung der Finsen’schen Methode bei Lupus hervorgehoben habe, so liegt doch auf der Hand, dass sich die neue Lampe in gleicher Weise bei den übrigen, der Finsenbehand- lung zugänglichen Hautkrankheiten verwenden lässt. Bezüglich der- selben möchte ich auf die letzten Veröffentlichungen Lesser’s aus dem Berliner Universitäts-Finseninstitute in der Zeitschrift für diätetisch- physikalische Therapie verweisen.

ı Finsen, »Das Licht als Incitament«.

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126 Centralblatt für Chirurgie. No. 5.

1) M. Oppenheim. Über einen vom Pediculus pubis ge- bildeten Farbstoff. {Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hf£t. 1 u. 2.)

O. beschreibt einen grünen Farbstoff, welcher sich bei einem großen Theil der Pediculi pubis in den Zellen des sog. Fettkörpers vorfindet, welcher mit Fett nicht übereinstimmt, dagegen eine ge- wisse Ähnlichkeit nicht aber Identität mit dem Bilirubin hat. Verf. glaubt, dass dieser Stoff von den Phthirii durch ein Ferment aus dem menschlichen Blut erzeugt wird. Er glaubt ferner, dass dasselbe Pigment durch das Sekret der Speicheldrüsen in der mensch- lichen Haut gebildet wird, und dass auf diese Weise die bekannten Taches bleues zu Stande kommen. Diese Annahme ist jedenfalls viel wahrscheinlicher, als die viel vertretene, ganz unhaltbare, dass diese blauen Flecke ein toxisches Erythem sind.

Jadassohn {Bern‘.

2) R. Matzenauer. Zur Bakteriologie der Pityriasis versi- color. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 2.)

Da die bisher gemachten Mittheilungen über die Kultivirung des Mikrosporon furfur, speciell die Arbeit Spietschka’s, nicht genügend beachtet worden sind, veröffentlicht M. seine auf neutralem Hautagar gewonnenen Resultate; auch eine Impfung am eigenen Arm ist ihm gelungen. Die Details und die Abbildungen müssen im Original nachgesehen werden. Jadassohn (Bern).

3) V. Mibelli. Über die Alopecia areata. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 5.)

Der Streit über die Abgrenzung und über die Ätiologie der Alopecia areata ist noch immer sehr lebhaft. M. leugnet die Bedeu- tung der Seborrhoe für die in Italien vorkommende Form, welche die klassische Area Celsi ist; er hält diese nicht für kontagiös. Die Haare fallen aus, weil sie atrophirt sind; die Erkrankung muss also eine primäre Affektion des »haarbildenden Bodens« sein. Da toxische Agentien eben so wie »mikrobische« eine Alopecie bedingen können, müsse man annehmen, dass alle diese Ursachen durch die Vermitt- lung des Nervensystems wirken, wofür auch experimentelle Beweise vorhanden seien. Die Ätiologie der Alopecia areata wäre also wie die des Zoster eine verschiedene; immer aber sei das Nervensystem im Spiele Die Lokalisation der Areaplaques sei noch nicht ge- nügend erforscht, um sagen zu können, dass sie den bekannten schmerzhaften Zonen Head's entsprechen. Diese Theorie besser wohl »Hypothese« erkläre zur Zeit am besten die uns bekannten Thatsachen (lässt aber auch noch sehr gewichtige Einwände zu. Ref.)

Jadassohn (Bern).

Centralblatt für Chirurgie. No. 5. 127

4) S. Róna. Lupus erythematosus bei Geschwistern. (Arehiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 3.)

R. berichtet über das Vorkommen des Lupus erythematodes bei 2 Schwestern (bei der 3. war die Diagnose unsicher). Er bestätigt ferner die Erfahrung, dass diese in ihrer Ursache noch ganz unbe- kannte Krankheit bei Frauen häufiger ist, als bei Männern. In Bezug auf die zur Zeit wichtigste Frage: das Verhältnis des Lupus erythematodes zur Tuberkulose, berichtet er, dass von 25 Fällen 8mal weder in der Familie noch bei den Kranken selbst etwas von Tuber- kulose zu finden war; 2 Fälle fraglich, 2mal Halsdrüsenschwellungen (diese brauchen aber keineswegs immer tuberkulös zu sein: ich habe in einem Falle eine dicht unter einem Lupus erythematodes-Herd liegende deutlich geschwollene Drüse über dem Processus mastoideus vergeblich auf Tuberkulose untersucht); in 9 Fällen Familientuber- kulose, in 2 Drüsenschwellungen und Familientuberkulose; eine Pat. ist an Tuberkulose gestorben. Die Kombination von Lupus vulgaris und erythematodes hat R. nie gesehen. Zur Entscheidung der schwierigen Frage reicht dieses an sich schätzbare Material natürlich nicht aus. Jadassohn (Bern).

5) M. Hodara. Über die Verwendung des Ichthyol-Am-

monium purum in der dermatologischen Praxis. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 12.)

H. hat reines Ichthyol aufgestrichen, mit Cigarrettenpapier be- deckt und als Firnis eintrocknen lassen. Dieser wurde täglich ent- fernt und nach Abspülen erneuert bei Impetigo (Bockhart), Furun- kulose, Sycosis. In anderen Fällen (von Perifolliculitis und Folli- eulitis der Kopfhaut, Kerion Celsi, Sycosis subnasalis chronica, Impetigo contagiosa etc.) wurde täglich neu übergepinselt (ohne Abwaschen) und der Firnis nur alle 4—5 Tage entfernt. Die Resultate waren bei diesen Krankheiten, wie auch bei Herpes der Genitalien, sehr günstig. (Ref. hat in ähnlicher Weise Ichthyol rein als Firnis bei einigen Ekzemen angewendet, die sich gegen alle möglichen Methoden refraktär erwiesen hatten, und war mit dem Erfolg gelegentlich sehr zufrieden.) Jadassohn (Bern).

6) Ghillini und Canevazzi. Betrachtungen über die stati-

schen Veränderungen des menschlichen Skeletts. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 23.)

Diese, »dem Andenken des Professor E. Albert gewidmete«, Ar- beit, die G. mit C., Ingenieur und Professor am kgl. Polytechnikum in Bologna, gemeinsam verfasst hat, giebt unter kritischer Würdigung der Arbeiten und Theorien Albert’s die oft abweichenden Ansichten der beiden Autoren wieder. Zu einem kurzen Referat ist dieselbe nicht geeignet. | Hübener (Dresden).

128 Centralblatt für Chirurgie. No. 5.

7) R. Kienböck. Über akute Knochenatrophie bei Ent- zündungsprocessen an den Extremitäten (fälschlich sog. In- aktivitätsatrophie der Knochen) und ihre Diagnose nach dem Röntgenbilde. (Wiener med. Wochenschrift 1901. No. 28—32 u. 34.)

Die eigenthümlichen Ernährungsstörungen, welche sich nach Weichtheilentzündungen an den Extremitäten am Knochensystem abspielen, sind oft durch die Röntgenuntersuchungen erst erkenn- bar geworden, denn klinisch machen sie sich so gut wie gar nicht geltend. Im Gefolge von Eiterungen, aber auch schwereren Knochen- und Gelenkleiden Tuberkulose und dgl. verändert sich nach ver- hältnismäßig kürzerer Zeit, einigen Monaten, das Strukturbild nicht nur der nächstliegenden Knochen, sondern auch weiter abliegender Gliedabschnitte. Im Wesentlichen handelte es sich uni eine flockige, verwaschene Aufhellung des Knochenschattens neben einer Rare- fikation des sonst scharf gezeichneten Bälkchengewebes in der Spon- giosa. Aus diesen beiden, je nach dem Fall gegen einander in der Intensität vorwiegenden Elementen setzt sich das Bild der akuten Knochenatrophie zusammen, welches Sudeck bereits als akute ent- zündliche Knochenatrophie angesprochen hat, im Anschluss auch an Verletzungen. Als Ätiologie für diese Veränderungen kommt nicht die Inaktivität in Betracht; dazu treten sie zu rasch und zu hoch- gradig auf, während sie bei wirklicher Inaktivität in Folge von Läh- mung eines Gliedes u. dgl. fehlen. Auch die Ausbreitung des Entzündungsreizes per contiguitatem erklärt nur zum Theil die Vor- gänge in den benachbarten Knochenabschnitten; es handelt sich viel- mehr um trophoneurotische Einflüsse, Cirkulationsstörungen, abhängig von nervöser Alteration auf irritativer Basis, die auch auf eine Ver- letzung bloß der Nerven folgen können. Die Kenntnis dieses eigen- thümlichen Strukturbildes ist wichtig, damit man nicht unnöthig etwa schwerere Knochenzerstörungen annimmt, wo sie nicht vorhanden sind, andererseits, weil man auf die Schwere des Entzündungsreizes hingewiesen wird und die Nothwendigkeit, auf den »atrophischen« Knochen Rücksicht zu nehmen. H. Frank (Berlin.

8) H. Gocht. Orthopädische Technik. Anleitung zur Her-

stellung orthopädischer Verbandapparate. Stuttgart, F. Enke, 1901. 138 S. mit 162 Abb.

Verf. hat die Ausarbeitung des vorliegenden Buches übernommen, wie er im Vorwort sagt, einmal, damit im Interesse der Kranken die Kenntnisse über die Wirkungsweise und Herstellung orthopädischer Apparate in weiteren ärztlichen Kreisen verbreitet werden; zweitens um der wissenschaftlichen Bedeutung der Apparatbehandlung gerecht zu werden, indem er allen Ärzten eine Grundlage- in. die Hand geben will, aus der ersichtlich ist, dass nicht Geheimnisse diese

ri

m. Hi

Centralblatt für Chirurgie. No. 5. 129

Specialdisciplin beherrschen. Das Buch stellt gewissermaßen eine Ergänzung der orthopädischen Lehrbücher dar. Verf. bringt nicht eine Aufzählung aller vorhandenen Apparate, sondern es kam ihm darauf an, die Principien für die Herstellung nach physiologischen und pathologisch-anatomischen Gesichtspunkten darzustellen, so wie den Arzt mit der rein technischen Seite vertraut zu machen.

In einem allgemeinen Theil spricht G. zunächst über die Vor- theile portativer Apparate, die Art der Fixation, Redression und Ent- lastung in denselben, die Vorzüge der abnehmbaren Hülsenverbände vor dem starren Gipsverband. Ferner betrachtet er den menschlichen Körper vom anatomisch-physiologischen Gesichtspunkt aus im Hin- blick auf die Gelenke, Gelenklinien und knöchernen Stützpunkte für Apparate. Den Schluss bildet die Anfertigung der Modelle.

Im speciellen Theile werden uns die Materialien und Werk- zuge einer gut eingerichteten Werkstätte auf das Genaueste vor- geführt und darauf die specielle Technik der orthopädischen Appa- rate von den einfachsten Handgriffen an bis zu der Herstellung der komplicirtesten Apparate besprochen. Eine besonders ausführliche Besprechung erhalten die Hessing’schen Schienenhülsenapparate und Stoffstahlkorsetts.

Im Schlusswort wünscht G., dass die studirende Jugend mehr mit den Principien und dem Aufbau orthopädischer Apparate ver- traut gemacht wird; dieses könne erreicht werden, wenn mit den Universitätsinstituten im Zusammenhang stehende Werkstätten mit ärztlichen Lehrern an der Spitze eingerichtet würden.

Die Darstellung der orthopädischen Technik kann als eine wohl- gelungene bezeichnet werden; das Buch, welches im Übrigen gut ausgestattet ist und eine große Anzahl recht anschaulicher Bilder bringt, wird Jedem, der sich mit der Behandlung orthopädischer Kranker abgiebt, ein willkommener Rathgeber sein.

Drehmann (Breslau).

9) A. Schanz (Dresden). Die Behandlung des angeborenen Schiefhalses mit offener Durchschneidung des Kopfnickers

und Watte-Redressionsverband. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 42.)

Die nach der subkutanen oder offenen Durchschneidung oder nach der Exstirpation des Kopfnickers zuweilen auftretenden Reci- dive werden durch die Ausbildung zu kurzer Narbenstränge zwi- schen dem zurückgewichenen Muskel bezw. Muskelstumpf und seiner alten Ansatzstelle am Brust- und Schlüsselbein veranlasst. Um dies za verhüten, ist es nothwendig, nach dem »modellirenden Redresse- ment« an Stelle eines die korrigirte Stellung des Halses nicht ge- nügend sichernden Gipsverbandes um den Hals, einen aus mehrfachen Watte- und Bindenlagen bestehenden, unter allmählich gesteigertem Druck hergestellten cirkulären Verband anzulegen, der trotz seiner

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Elastieität kräftig extendirend wirkt und 6 Wochen lang liegen gelassen wird. In 16 Fällen konnte S. auf diese Weise der Ent- wicklung eines Recidivs vorbeugen. Nur in einem war es in Folge zu starken Druckes seitens des Verbandes zu einer Drucklähmung im Plexus brachialis gekommen, die nach Lockerung des Verbandes rasch zurückging. Kramer (Glogau).

10) R. Kienböck. Die Untersuchung der gesunden und kranken Wirbelsäule mittels des Röntgenverfahrens. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 17.)

Für die bislang recht schwierig gewesene Anfertigung von Röntgenbildern der Wirbelsäule sind die neuesten Verbesserungen der Technik von großer Bedeutung geworden, so dass man innerhalb einer willkürlich verlängerten Athmungspause ein nun nicht mehr durch respiratorische Verschiebungen unklar gewordenes Bild erzielen kann.

K. giebt einige normale und pathologisch veränderte Wirbel- säulenabschnitte bildlich wieder, an denen in der That Aufschlüsse über die Erkrankung (z. B. Spondylitis etc.) bis zu einer Detaillirung zu gewinnen sind, wie sie klinisch niemals ermittelt werden können.

Die Herstellung der Bilder erfolgte derart, dass die Platten unter K.’s Aufsicht mit Fettkreide auf Kornpapier abgezeichnet und durch Zinkdruck vervielfältigt wurden. Hübener (Dresden).

11) Anschütz. Über die Versteifung der Wirbelsäule. (Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Mediein u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 4 u. 5.)

Die in jüngster Zeit aufgestellten neuen Typen einer besonderen Wirbelsäulenerkrankung, die Bechterew’sche Steifigkeit und Ver- krümmung der Wirbelsäule und die Strümpell-Marie’sche Spon- dylose rhizomelique, unterwirft A. an der Hand von 10 an der Breslauer chirurgischen Klinik beobachteten Fällen einer kritischen Untersuchung. Dem Bechterew’'schen Typus soll Beschränkung des Processes auf die Wirbelsäule und gleichzeitiges Vorhandensein von Paresen und Parästhesien eigenthümlich sein, dem Strümpell- Marie’schen Mitergriffensein anderer Gelenke, vor Allem der Hüft- und Schultergelenke. A. findet, dass von seinen 10 Fällen nur ganz wenige dem einen oder dem anderen Typus einzureihen sind, er kommt aber weiter aus dem Studium der in der Litteratur bisher niedergelegten Fällen zu dem Resultat, dass sich weder die beiden genannten Krankheitsbilder unter einander, noch auch beide von dem seit lange bekannten Bilde der Spondylitis deformans abgrenzen lassen. Man solle daher einstweilen, bis mehr anatomische Unter- suchungen eine Differenzirung erlauben, alle diese chronischen Ver- steifungen der Wirbelsäule unter dem altbewährten Namen der

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Spondylitis deformans zusammenfassen, A. giebt nur klinische Be obachtungen ohne pathologisch-anatomische Befunde. Haeckel (Stettin).

12) Pierre. Guérison de cinq cas de maux de Pott fistuleux. (Revue d’orthopedie 1901. No. 5.)

Das Schicksal der fistulösen Spondylitiden wird von den Autoren verschieden, meist sehr pessimistisch beurtheilt. Die Erfahrungen des Autors im Seebade Berck seit 3 Jahren führen ihn zu der Mei- nung, dass die Prognose sehr verschieden ist je nach den Bedingungen, unter welche der Kranke gebracht werden kann. Eine frisch ent- standene Fistel bei Kranken, welche in hygienisch und sonst gute Pflegebedingungen gebracht werden können, ist harmlos, eine alte Fistel rührt sich nicht, und sie wird alt, wenn der Kranke nicht aus seiner Umgebung heraus kann. Zur Stütze dieser Meinung bringt der Autor 5 Krankengeschichten von Kindern, welche mit Fisteln nach Berck kamen und nach wenigen Monaten nach symptomatischen Eingriffen ihre Fistel verloren Beobachtungszeit danach ca. 1 Jahr. In einem Falle recidivirte allerdings 6 Monate nach dem verfrühten Abbruch der Kur die Fistel. Ähnlich verhalten sich auch geschlossene kalte Abscesse. Das wirksamste Agens bei dem Wechsel der Um- gebung und zugleich das äußere Zeichen des Erfolges der Kur ist der Fettansatz der Kinder, begünstigt durch Überernährung, aber nur dann, wenn der spontane Appetit steigt, und Ruhe im Bett, aber nur in der ersten Zeit. Mehr und mehr hat sich der Autor von der Zweifelhaftigkeit des Nutzens der »umstimmenden« Injektionen über-

zeugt. H. Frank (Berlin).

13) 8. N. Delitzin. Zur Kasuistik der Anomalien der Arteria mediana antibrachii mit Durchbohrung des Nervus medianus. (Separatabdruck aus »Ljetopiss rugskoi chirurgyiic 1901. No. 3.)

St. Petersburg, 1901. 19 Seiten mit 1 kolorirten Tafel. (Russisch.)

Die Arteria mediana antibrachii erscheint bei dem Menschen zwar überaus konstant, weist aber in ihrer ganzen Anlage alle Merk- male hochgradiger Rückbildung auf. Im Thierreiche bekanntlich außerordentlich weit verbreitet, bei vielen Säugethieren den wesent- lichsten, ja den einzigen Arterienstamm des Vorderarmes bildend, bei den Lemuriden noch von ansehnlicher Stärke und selbst inner- halb der Primatenfamilie bei gewissen Arctopitheciden als ansehn- licher Stamm bis zur Handwurzel sich erstreckend, beginnt sie bei den Platyrrhinen erheblich zurückzutreten, verliert in der Reihe der catarrhinen Affen noch mehr an Ansehen und nimmt schließlich bei den Anthropoiden nahezu die gleiche unansehnliche Gestalt an, in welcher wir sie an dem menschlichen Körper vorfinden. Starke Entwicklung einer A. mediana antibrachii bei dem Menschen, die hier nachgewiesenermaßen bis zu völliger Verdrängung der großen

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arteriellen Gefäßstämme des. Vorderarmes (Radialis, Ulnaris, Inter- ossea) gehen kann, wird daher immer als ein uraltes Erbtheil an- zusehen sein, welches den Menschen zu ursprünglicheren Verhält- nissen vieler Säugethiere in nähere Beziehung bringt, und welches in so fern gewissermaßen als Zeugnis für seine Abstammung von einer mit den Säugethieren gemeinschaftlichen Wurzel gelten darf. Aus einer in der Litteratur des Gefäßsystems vorliegenden sehr an- sehnlichen Statistik geht hervor, dass die A, mediana antibrachii etwa in jedem 10. Falle stärker als »normal« angetroffen werden kann. Die von Verf. mitgetheilten 7 Fälle dieser Art, die sich den sehr zahlreichen früher bekannt gewordenen anreihen, bieten eben- falls Beispiele stärkerer Entwicklung der A. mediana dar, die hier selbst die Radialarterie an Umfang übertraf, erscheinen aber zugleich dadurch ausgezeichnet, dass die A. mediana hier ausnahmslos den gleichnamigen Nerv in der Richtung von hinten nach vorn durch- bohrte, eine Erscheinung, die unzweifelhaft zu den großen Selten- heiten gehört, da Verf. in der Litteratur bisher kaum 10 Fälle solcher Perforation des N. medianus hat auffinden können. Die Durch- bohrung fand sich in Verf.s Fällen 4mal im oberen Drittel des Vorderarmes, 1mal an der Grenze des mittleren und oberen Drittels, je imal im mittleren und unteren Drittel des Vorderarmes. Die A. mediana verlief stets unter dem Lig. carpi volare proprium, also innerhalb des Canalis carpalis. In 4 Fällen betheiligte sie sich an der Blutversorgung der volaren Fingerflächen, doch gehörte das Gros der Fingerarterien immer dem Gebiete der Ulnaris an. Entwicklung einer starken A. mediana antibrachii kann, wie auch Verf.s Fälle bestätigen, einhergehen mit Bildung eines mediano-radialen Arterien- bogens, Fehlen des oberflächlichen Hohlhandbogens bei normalem Verhalten des tiefen, vorzeitiger Theilung der Radialis am Hand- rücken bei doppelter Durchbohrung des M. interosseus primus, end- lich mit hoher Spaltung des N. medianus oberhalb der Handwurzel.

Die praktisch-chirurgische Bedeutung der Anomalie liegt, wie Verf. ausführt, klar zu Tage. Die immer bestehende Möglichkeit des Vorkommens eines den gewöhnlichen Arterien an Stärke gleich- kommenden, ja sie übertreffenden Gefäßstammes am Vorderarme wird den Chirurgen zur Beobachtung besonderer Vorsicht gemahnen müssen, vor Allem bei Amputationen im Bereiche des Vorderarmes. Aber auch bei Ligaturen aus Anlass von Blutungen im Gebiete des Vorderarmes können Anastomosen einer vorhandenen stärkeren A. mediana antibrachii mit dem oberflächlichen Hohlhandbogen oder mit radialen Fingerarterien dem dieser Verhältnisse Unkundigen mancherlei unliebsame Überraschungen verursachen. Sieht man von selteneren Komplikationen, beispielsweise solchen, wo neben einer oberen starken A. mediana hoher Radialisursprung oder Fehlen beider Vorderarmarterien vorliegt, zunächst ab, so sind als besonders gefahr- volle Momente hervorzuheben: 1) Lagerung einer stärkeren A. mediana, welche auf anstatt unter dem Lig. carpi volare proprium verläuft, und

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2) Komplikation von Verletzungen der Hohlhandbögen mit starker Entwicklung einer A. mediana antibrachii, wobei schon zur Ligatur der Brachialis, der Axillarıs und selbst der Subclavia geschritten worden ist, und wo, wie Verf. mit Bedauern hervorhebt, Camper in einem Falle nur durch eingeleitete Amputation zu einem »Erfolge« gelangen konnte. Vor derartigen traurigen »Erfolgen« vermag der Chirurg durch genaue Beachtung der Lage der Hohlhandbogen und Rücksichtnahme auf die immerhin in 10% vorkommende starke A. mediana sich leicht zu schützen. R. Weinberg (Dorpat).

14) Ed. Loison. De lemploi de la radiographie pour éclairer la pathogénie, le diagnostic et le traitement des fractures du poignet.

(Revue de orthopédie 1901. No. 5.)

Der Autor, Militärarzt, verfügt über 50 skiagraphisch studirte Fälle von Handwurzelknochenverletzungen und verwerthet noch da- zu einige experimentelle Schussverletzungen des Handgelenks. 3mal wirkte die Gewalt direkt, dabei handelt es sich 2mal um Schuss- verletzungen. Die letzteren zusammen mit den experimentellen Er- gebnissen bestätigen die Richtigkeit der von den Amerikanern aus dem letzten amerikanisch-spanischen Kriege gewonnenen Grundsätze: Enthaltung jeglichen primären Eingreifens bei einfachen Gelenk- schüssen ohne breite Hautzerstörung. Die Knochen heilen so am besten aus unter aseptischem Fixationsverband. Erst sekundär, wenn das Geschoss oder Knochensplitter Störungen verursachen, operatives Vorgehen. Unter den indirekten Verletzungen sind bei den Ver- letzungen der Vorderarmknochen allein 3 isolirte Frakturen des Proc. styloideus ulnae, 11 isolirte Radiusfrakturen, davon 1 Diaphysenbruch. Von hierher gehörigen 5 unvollständigen Epiphysenbrüchen verlief einer longitudinal; von den 5 vollständigen waren 4 quer, 1 schief gerichtet, Absprengung der Radiusspitze. Die Querbrüche tragen den Charakter der Kompression, nicht der Rissfraktur, und zwar schiebt sich die Diaphyse in gerader oder schiefer Richtung in den Sockel der Epiphyse. Bei gerader Richtung verschiebt sich die Hand einfach radialwärts, bei schiefer entsteht die bekannte »Tischgabel- stellung«. Von kombinirten Verletzungen der Vorderarmknochen und der Handwurzel finden sich 7, von isolirten Handwurzelknochen- verletzungen 3, welche mit ihrem Mechanismus zum Theil höheres Interesse erweisen und genauer beschrieben werden. 2mal wies die Skiaskopie nach, dass bei den bestehenden Knochenformverände- rungen weniger ein Trauma, als eine angeborene Anlage mitspiele, las eine Mal durch Vergleich mit der gesunden Seite, wo sich die- selben Formveränderungen zeigten; im anderen Falle handelte es sich um eine angeborene Verkürzung des Radius.

Für die Technik der Röntgenuntersuchung fordert der Autor sur Erkennung aller wesentlichen Einzelheiten jedes Mal 2 Auf-

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nahmen von vorn nach hinten und im queren Sinne. Eine stereo- skopische Aufnahme, welche also 4 Bilder zu entwickeln hätte, ist bei den Frakturen der Vorderarmknochen nicht nöthig, wohl aber bei den Brüchen und Verrenkungen der Handwurzelknochen. Zur experimentellen Hervorrufung der in Rede stehenden Verletzungen muss man beide Mechanismen anwenden: Die der Proc. styloidei des Vorderarmes werden durch Abreißen hervorgerufen, die vollständige oder. unvollständige Radiusfraktur mit oder ohne Einkeilung und Auseinandersplittern, Bruch des Os naviculare, die Verrenkungen etc. entstehen durch Aufeinanderstoßen. Bezüglich der Behandlung räth der Autor bei einfachen Brüchen der Vorderarmknochen ohne Verschiebung, Einkeilung etc. das Verfahren wie bei einer Ver- stauchung, nämlich sofortige Massage und Mobilisation, sonst natür- lich Einrichtung und die übliche weitere Behandlung. Bei den Ver- letzungen der Handwurzelknochen ist das Verhalten verschieden. Bei einem unkomplicirten Bruch der Os naviculare soll die Fixation vermieden werden, um die Gelenksteifigkeit zu verhüten. Herm. Frank (Berlin).

15) J. A. Becher. Über die Frühdiagnose der Arthritis deformans coxae. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 47.)

B. macht unter Mittheilung eines Falles nochmals auf die Wich- tigkeit des von Hoffa beschriebenen Symptoms der Abduktions- hemmung im frühen Stadium der Erkrankung als Initialsymptom und auf seine Bedeutung für die Differentialdiagnose zwischen Arthritis deformans der Hüfte und Ischias aufmerksam. Um ein Weiterschreiten des Krankheitsprocesses nach Möglichkeit zu ver- hüten, werden in der Hoffa’schen Klinik die Kranken mit Schienen- hülsenapparaten, welche die ganze befallene Extremität umfassen, mit täglicher Massage der Oberschenkel- und Hüftmuskulatur und mit aktiver und passiver Bewegungsgymnastik behandelt.

Langemak (Rostock).

16) Archambaud. Traitement de la coxalgie par la mécano-

thérapie sans immobilisation au lit. Paris, Librairie de la revue méd., 1901. 32 S.

Verf. wendet sich zunächst gegen die herrschende Ansicht, dass die Coxitis nur auf tuberkulöser Basis beruhe. Er meint auch bei rheumatischen Coxitisfällen Kongestionsabscesse gesehen zu haben. In einem Kapitel über pathologische Anatomie, dem etwa ?/, einer Seite gewidmet ist, setzt er sich über die Errungenschaften der patho- logischen Anatomie mit der Motivirung hinweg, >»warum auf jeden Preis hier noch eine tuberkulöse Eiterung sehen wollen«.

Was die Behandlung anbetrifft, so legt er nach Redression fehlerhafter Stellungen einen Fixations- und Entlastungsapparat an,

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der genauer beschrieben wird. Der Apparat besteht im Wesentlichen aus einer Lederhose, die Becken und Oberschenkel der kranken Seite fixirt; an dieser sind nach oben zu Armstützen, Rückenpelotten, Schulter- und Brustgurte angebracht, die zur Fixation und Stütze der Wirbelsäule dienen, nach unten zu für das erkrankte Bein ein Schienenpaar, welches unten eine Art Schuh trägt; dasselbe kann in leichten Fällen im Kniegelenk artikulirt sein; das gesunde Bein trägt eine Oberschenkelhülse, welche mit dem Beckentheil artikulirt verbunden ist und ebenfalls ein artikulirtes Schienenpaar mit Schuh trägt. (Der Apparat lässt demnach nur Hals und Kopf des Pat. frei. Ref.)

Die Heilung tritt oft in einigen Monaten ein, in anderen Fällen dauert es wohl 1, ja selbst 2 Jahre. Unter 70 Fällen hat Verf. keinen Todesfall zu beklagen.

Uber die Behandlung der Abscesse wird so gut wie nichts ge- sagt, »man wird sie einfach antiseptisch behandeln, wie man das für gewöhnlich thut«.

Die Arbeit bringt hauptsächlich die Empfehlung des obigen Apparates und besitzt keinen wissenschaftlichen Werth.

Drehmann (Breslau).

17) M. Froelich. Du traitement des tumeurs blanches chez les enfants par des appareils permettant la marche. (Revue mens. des malad. de l’enfance 1901. p. 437.)

Warme Empfehlung des Stahlschienen-Gipsverbandes mit Ex- tension von Lorenz mit einigen Modifikationen. Hervorzuheben ist, dass der Apparat für das Kniegelenk nur aus der Gehschiene mit Beckengurt und einem Oberschenkelgurt (beide aus Gips) be- steht. Das erkrankte Kniegelenk ist durch einen nicht mit der Schiene in Verbindung stehenden abnehmbaren Gipsverband geschützt und ist so vollständiger entlastet und der Erschütterung weniger ausgesetzt. Das gleiche gilt von dem Apparate bei Erkrankung der Fußknochen. F. Göppert (Kattowits).

18) Peltesohn. Das Verhalten der Kniescheibe bei der

Little’schen Krankheit. Diss., Leipzig, 1901.

Verf. untersuchte auf Joachimsthal’s Veranlassung 14 Fälle von angeborener spastischer Gliederstarre auf ein zuerst von Schult- hess beobachtetes Phänomen, die Verschiebung der Patella nach oben. Er fand unter 14 Fällen, deren Krankengeschichten ausführ- lich mitgetheilt werden, an der Hand von Röntgenbildern 11mal, dass die Kniescheibe nach oben verschoben war, so dass sie bei rechtwinklig flektirtem Knie oberhalb der verlängerten Femurachse zu liegen kam.

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Verf. geht dann auf die Mechanik des normalen Kniegelenkes ein und kommt zu dem Schluss, dass das genannte Phänomen auf den Zug des fast unausgesetzt in Kontraktion befindlichen Quadri- ceps zurückzuführen sei. Drehmann (Breslau).

19) L. Bernacchi. La cura moderna delle fratture della rotula. (Communicasione all’ associazione sanitaria Milanese nella seduta dell 28. giugno 1901.) Milano, Fossati, 1901. 52 S. 12 Fig.

B. untersucht an der Hand von 17 Beobachtungen die End- resultate der verschiedenen bei Kniescheibenbrüchen geübten Be- handlungsmethoden. Den ausführlichen Krankengeschichten sind mehrere Röntgenbilder und andere Figuren beigefügt; auch die Litteratur ist eingehend berücksichtigt. Verf. spricht nun der Massagebehandlung mit frühzeitigem Beginn von Bewegungen sehr das Wort; denn dadurch erzielte er die besten Resultate nicht nur hier, sondern auch vielfach bei Brüchen anderer Skeletttheile, für welche er einige Beispiele miterwähnt. B. meint daher sogar, dass die gedachte Behandlungsmethode für die unkomplicirten Frakturen das bedeute, was die Antisepsis für die Wunden sei. Bei den frischen, subkutanen Patellarfrakturen räth er, dieses Verfahren vor Allem einzuleiten und erst dann, wenn dasselbe zu keinem Resultate führt (sei es wegen all zu großer Entfernung der Bruchstücke [mehr als 2 cm] auch nach Resorption des Hämarthros, oder wegen anderer pathologischer Verhältnisse), empfiehlt er die Knochennaht, event. auch die subkutane Naht nach Ceci so wie die anderen für schwerere Fälle angegebenen Methoden (Plastik nach McEven u. A.).

A. Most (Breslau).

20) Wiemuth. Die habituellen Verrenkungen der Knie- scheibe. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 127.)

Anknüpfend an 2 Fälle eigener Beobachtung hat W. die in der Litteratur verzeichneten Fälle von habitueller Kniescheibenverrenkung nach außen, im Ganzen 66, gesammelt, zusammengestellt und geordnet und liefert hiernach eine sehr lehrreiche Allgemeinbesprechung des Leidens. Dasselbe charakterisirt sich als eine in verschiedener Häu- figkeit, bald bei jeder Kniebeugung eintretende (nach Aldibert sog. habituelle Verrenkung im engeren Sinne), bald weniger häufig nur bei gewissen Bewegungen zu Stande kommende (dann von Aldibert srecidivirend« genannte) Kniescheibenverschiebung, während eine sog. permanente Kniescheibenverrenkung sich durch ihre Irreponibi- lität auszeichnet. Da die Kniescheibe entwicklungsgeschichtlich und funktionell übrigens nichts als ein in die Schenkelstrecksehne ein- geschalteter Sesamknochen ist, auch nicht eigentlich zu den arti- kulirenden Knieknochentheilen gehört, ist die Bezeichnung des

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Leidens als Verrenkung nicht ganz sachgemäß; eigentlich handelt es sich immer nur um Sehnendislokation.

W. theilt die habituellen Kniescheibenverrenkungen ein in 1) angeborene, 2) solche traumatischen Ursprunges, 3) in pathologische : Verrenkungen. 1) Beim Studium der angeborenen habituellen Ver- renkung ist auch die von dieser nur dem Leidensgrade nach ver- schiedene angeborene permanente Verrenkung zu berücksichtigen. Dass es sich um sicher angeborene Leiden handelt, ist außer aus anderen Gründen aus der wiederholt beobachteten Erblichkeit der Afektion ersichtlich. Anatomisch ist den mit der Abnormität be- hafteten Knieen eine typische Kleinheit bezw. Atrophie oder Ent- wicklungsdürftigkeit des Condylus bezw. Epicondylus ext. femoris eigenthümlich, welche das seitliche leichte Abrutschen der Knie- scheibe gestattet, und genetisch vielleicht auf intra-uterinen Druck bei Fruchtwasserverringerung oder auf fötale Rachitis zurückführbar it. In 2. Linie wäre an Kapselschrumpfung der äußeren Gelenk- hälfte, Bänderdehnung dagegen in der inneren Gelenkhälfte zu denken. Auch angeborene Lähmung des Vastus int. kann Grund des Leidens sein.

2) Bei den auf Trauma zurückzuführenden Fällen handelt es ich um Schädigungen des Muskel- und Bandapparates im Gelenk, als Zerreißung des medialen Gelenkkapseltheiles, Zerreißung oder Dehnung des Lig. patell., Schrumpfung der außenseitigen Gelenk- bänder, nach außen verlagerte Zugrichtung des Quadriceps, ferner Einrisse oder Abrisse des Vastus int. 3) Bei den pathologischen Verrenkungen endlich findet sich meist Genu valgum und Unter- schenkelaußenrotation, gelegentlich auch Muskellähmungen so wie erworbene Formveränderungen am Skelett der Gelenkenden. Bei der angeborenen Verrenkung ist das Leiden nicht doppelseitig, bei den beiden anderen der Regel nach nur einseitig. Bei der angeborenen Verrenkung, wo die Verschiebung typisch bei fast jeder Beugung von 140—160° eintritt, sind die Beschwerden ferner meist sehr gering oder gleich Null, während sie bei der 2. und 3. Leidensform erheb- lich deutlicher, übrigens recht verschiedengradig auftreten. Die Aus- sichten auf spontane Heilung sind erfahrungsgemäß stets gleich Null; vielmehr wird meist Neigung zur Verschlimmerung so wie zur Ent- wicklung sekundärer Veränderungen, Arthritis chronica, Hydrarthros ete. sich entwickeln, wesshalb im Allgemeinen das Leiden auch nicht unbehandelt gelassen werden soll. Schienen, Bandagen, Kniekappen können von Nutzen sein, oft werden sie versagen. Von modernen Operationsverfahren sind zu nennen und zu rühmen: Durchschneiden des Vastus ext., Wiederannähen des Vastus int., Ablösung des Lig. patell. inf. und Wiederannähen weiter medialwärts (Roux), Abmeiße- lung der Tuberositas tibiae mit nachfolgender Verlagerung einwärts (Heineke, Trendelenburg u. A.), Kapselfaltung innenseits eDentu, Hoffa), verengende Kniegelenkplastik auf der medialen Seite (Bardenheuer) etc.

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W.s eigene Fälle sind sehr gut beschrieben. Der 1. ist an- geboren und betrifft einen aktiven Soldaten, dessen Leiden bei der Musterung und Einstellung übersehen war, der übrigens auch gar nicht übel exerciren konnte. Das Leiden war bei ihm doppelseitig und kam zur Kenntnisnahme, als durch Trauma beim Turnen ein Gelenkerguss gesetzt war. An beiden Knieen deutliche Entwick- lungsverkrümmung des äußeren Femurcondylus (cf. Skiagramm). Fall 2 ist traumatisch erworben. Ein Tutor mit Kniescheibenkappe, welche die Kniescheibe medialwärts drängt, schützt vor Verrenkungsrecidiven.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

21) Lorenz. Über die Behandlung der Knieankylosen mit-

tels des modellirenden Redressements. (Wiener klin. Rundschau 1901. No. 40, 42—44.)

Verf. spricht nur von der Behandlung der veralteten, sehr rigiden Ankylosen und Kontrakturen des Kniegelenks, deren veranlassender Krankheitsprocess als erloschen betrachtet werden kann. Das sog. Etappenredressement (wiederhohlte Korrektion mit nachfolgendem Gipsverband) wendet L. nur in solchen Fällen an, von welchen er erwarten kann, dass wenige Wiederholungen genügen werden. Das forcirte, manuelle Redressement hält er für sehr gefährlich wegen der dadurch leicht entstehenden suprakondylären Fraktur. Für sehr veraltete schwere Fälle blieb somit bisher nur der blutige Eingriff übrig. Die suprakondyläre Osteotomie hat den Fehler, dass sie nicht korrigirt im eigentlichen Sinne, sondern kompensirt, und zwar unter Entstehung einer Verkürzung. Die Keilosteotomie opfert viel Knochen und schützt nicht vor Recidiven der Winkelstellung, die dann gegenüber der früheren fibrösen eine knöcherne Ankylose mit Verkürzung darstellt. Gut ist Helferich’s bogenförmiger Säge- schnitt, verbunden mit Tenotomie der Kniegelenkssehnen und Ein- kerbung der hinteren geschrumpften Kapsel.

L. hält nun wirkliche knöcherne Ankylosen für sehr selten (höchstens 3—5 % aller Ankylosen). Einzig und allein diese flächen- haften, knöchernen, absolut starren Ankylosen hält er für eine strikte Indikation zum blutigen Eingriff auf den Knochen. Alle anderen, auch noch so festen fibrösen Ankylosen behandelt er mittels maschi- neller Osteoklase mit seinem von der Behandlung der Platt- und Klumpfüße her sehr wohl bekannten Osteoklasten. Diesen Vorgang beschreibt er außerordentlich ausführlich und bezeichnet ihn als modellirendes Redressement. Er wünscht es in starkem Gegensatz betrachtet zu wissen zu dem »blindwüthenden« Vorgehen des sonst üblichen Redressement force. In Bezug auf Einzelheiten muss Ref. auf das Original verweisen. In Rücksicht auf den N. peroneus, der langanhaltende Streckung nicht verträgt, räth L. bei hochgradigen Kontrakturen nach völliger bis zur Überstreckung ausgeführter Re- dression nicht sofort in gestreckter, sondern zunächst nur in ver-

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besserter Stellung einzugipsen und etappenweise weiterzugehen. Einige interessante Winke giebt er noch für die Nachbehandlung und berichtet zum Schluss über sehr günstige Ergebnisse seiner Methode. Schmieden (Bonn).

22) Kolaczek. Eine wenig bekannte Verletzung am Streck- apparat des Unterschenkels. (Deutsche Ärzte-Zeitung 1901. Hft. 22.)

Verf. macht kurz auf die subkutane Zerreißung der Fascia lata praepatellaris mit Eröffnung des präpatellaren Schleimbeutels auf- merksam. Er beobachtete sie mehrfach und beseitigte die Beschwer- den durch Freilegung und Naht der Fascie (event. nach Anfrischung derselben), stets mit gutem Erfolge. Schmieden (Bonn).

23) Maass. Die Tuberkulose des Sprunggelenks. Nach Be- obachtungen der Göttinger Klinik (1875—1892). (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 1.)

167 Fälle von Tuberkulose des Sprunggelenks sind der ausführ- lichen Arbeit zu Grunde gelegt. König, dem wir so viele wichtige und ausschlaggebende Untersuchungen über die Gelenktuberkulose verdanken, ist auch der Spiritus rector des vorliegenden, sehr detail- lirten und interessanten Aufsatzes. In ausgedehnter Weise behandelt Verf. die pathologische Anatomie der besprochenen Krankheit, die genaue Schilderung des Sitzes der Herde in den einzelnen zu dem Sprunggelenk gehörigen Knochen, die Beschreibung des Durch- bruchs nach außen und in Nachbargelenke, das Verhalten des Knor- pels bei den einzelnen Erkrankungsfällen, die Fistelbildung, die Kon- sistenz der Knochen und Vieles mehr, was für den klinischen Ver- lauf und die Diagnose der Krankheit wichtig erscheinen muss.

Therapeutisch spielen Gipsverband und operative Eingriffe die Hauptrolle. Ein auffälliges Ergebnis der Arbeit und des Studiums der vorliegenden Erkrankung ist es, wenn M. zu dem Schlusse kommt, dass die konservative Behandlung der Sprunggelenkstuber- kulose wenig Aussicht auf Erfolg hat. Man soll desswegen nicht zu lange mit dem operativen Eingriff warten. Wenn 2 Gipsverbände, die je 3—4 Wochen gelegen haben, ohne sichtbaren Erfolg bleiben, soll man operativ vorgehen.

Was die Art der Operation selbst anlangt, so wurde in verhältnis- mäßig wenigen Fällen die Arthrektomie gemacht. Indessen ist sie bei geeigneten Kranken eine entschieden vollberechtigte Maßnahme. Arthrektomie nebst Entfernung von Knochenherden ohne typische Re- sektion wurde bei 6 Pat. ausgeführt. In der überaus großen Mehrzahl der Fälle aber, nämlich bei 102 Kranken, das sind 66%, wurde die Re- sektion mit oder ohne Exstirpation des Talus ausgeführt. Die Resek- tion des Fußgelenks mit Opferung der Knochen und mit Entfernung

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der Epiphysenlinie ist in funktioneller Beziehung unbefriedigend ge- wesen. Zum Theil gab es sehr unangenehme Schlottergelenke, zum Theil fehlerhafte Stellungen und starke Verkürzungen.

Bessere Resultate ergaben die Operationen nach der König- schen Methode mit 2 vorderen Längsschnitten und mit Erhaltung der Knöchel. In 41 Fällen wurde dabei nicht der ganze Talus ex- stirpirt, 46mal dagegen der letztere in toto entfernt. Die Zahl völliger Heilungen ist hier eine beträchtliche, und man kann jedem Pat. garantiren, dass er seinen Fuß ohne einen Schienenapparat wird gebrauchen können, so fern die völlige Beseitigung aller Krankheits- herde gelingt. Die feste Verbindung des Fußes mit Tibia und Fi- bula, die Vermeidung seitlicher Bewegungen sind für das Endresultat wichtiger noch, als die Erhaltung der Epiphysenlinie, da mit einem festen Fuß, wenn auch bei verkürztem Unterschenkel, die Gehfähig- keit besser ist, als mit einem wackeligen Fuß, wenn auch bei an- nähernd normal langem Bein.

54 Pat. mussten amputirt werden, davon 18 im Anschluss an vorhergehende konservative Operationen, die übrigen primär.

König ist der Ansicht, dass seine Methode der Resektion mit vorderen Längsschnitten unter allen Umständen möglich ist, wo eine Resektion indicirt erscheint, dass sie ferner ungefährlich, hervor- ragend leistungsfähig ist, und sich bei ihr die Nachbehandlung sehr einfach gestaltet. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

24) W. Anschütz. Über Selbstverstümmelungen. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXL Hft. 3.)

A. macht auf eine höchst eigenthümliche und raffinirte Art von Selbstverstümmelungen aufmerksam, welche er in der v. Mikulicz- schen Klinik durchweg bei militärpflichtigen russischen Juden be- obachtete. Einige Zehen, besonders die erste und fünfte, werden durch irgen! eine ätzende Substanz (Karbol!) derart geschädigt, dass sie ein typisch gangränöses Aussehen bekommen. Alsdann wurden die Leute von einem sachverständigen Berather bezüglich ihrer Aus- sagen über die Gangrän instruirt und zum Arzt geschickt. Dieser sieht sich genöthigt zu amputiren oder zu exartikuliren, und Pat. hat seinen Zweck erreicht, er ist militärfrei geworden. Unter 5 von Verf. angeführten Fällen war einmal die Gangrän angeblich durch Erfrierung, in den übrigen Fällen durch ein Trauma entstanden‘ doch konnten stets aus dem ganzen Verhalten der Leute, aus Wider- sprüchen und Unwahrscheinlichkeiten in der Anamnese so wie auch aus dem genaueren objektiven Befunde genügende Anhaltspunkte gewonnen werden, um den richtigen Sachverhalt zu erkennen.

Honsell (Tübingen).

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Kleinere Mittheilungen.

25) L.v.Kötly. Ein Fall von eigenartiger Hautveränderung: »Chalo- dermie« (Schlaffhaut). (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 1.)

v. K. schildert folgenden sehr eigenartigen Krankheitszustand. Bei einer 30jährigen Frau hatte im 18. Lebensjahre ohne nachweisbare Ursache eine Ver- änderung in der Weise begonnen, dass die Haut der Glutäalgegenden weich wurde, sich ausdebnte und nach unten herabhing; ganz das Gleiche trat weiterhin an den Brüsten, am Rücken und am Bauch auf; das Gesicht blieb frei. Während die Haut über den Mammae und am Rücken verdünnt, atrophisch war (durch die Zertung), hing die der Lumbalgegend wie ein leerer Sack, eben so die der Glu- täalgegend und der Oberschenkel wie >unförmlich aufgetriebene, schlecht an- gepasste Pluderhosen« herunter; das Unterhautzellgewebe war dabei vermehrt; weitere Veränderungen, die für die Beurtbeilung dieser eigenthümlichen Haut- beschaffenheit von Bedeutung gewesen wären, wurden nicht gefunden. Die histo- logische Untersuchung ergab eine körnige Degeneration der elastischen Fasern, einen myxomatösen Zustand in den tieferen Partien der Cutis und in der Sub- eutis und eine starke Zellvermehrung in derselben Gegend.

K. bespricht die Unterschiede dieses Zustandes gegenüber der bekannten sog. Cutis laxa oder hyperelastica, bei welcher die Haut stark dehnbar (also weniger elastisch als normal im physikalischen Sinne) ist und sich schnell und vollkommen wieder surückzieht (also sehr »vollkommen« elastisch ist). Die Ursache für den Zustand der Haut bei seiner Pat. sieht Verf. in der Vermehrung und Gewichts- zunahme des Unterhautzellgewebes und in der mangelhaften Fixirung; diese sollen auf vorangegangenen Enzündungsprocessen beruhen (?).

Jadassohn (Bern).

26) O. Rosenthal. Über Jododerma tuberosum fungoides. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

Der Fall, über den R. berichtet, ist dadurch interessant, dass die Pat. wegen Asthma jahrelang Jodkali eingenommen hatte und erst nach so langer Zeit die bekannten mit Eiterborken bedeckten Geschwülste (im Gesicht) bekam; dieselben heilten nach Aussetsen des Medikaments gut, wuchsen aber wieder, als sich die Kranke wieder mit Jod behandelte. Aus dem histologischen Befund ist hervorzu- heben, dass eine entzündliche Granulationsgeschwulst mit Hyper- und Parakera- tose vorhanden war. Besonders reichlich fanden sich Bakterien. speciell Staphylo- kokken. R. meint, dass es sich um eine Endo- und vielleicht Periphlebitis und Arteriitis handle; er glaubt, dass auch diesem Arzneiexanthem »eine Reizung des vasomotorischen Nervenapparats« (des centralen oder des peripherischen) zu Grunde liege. (Wo aber haben wir einen Anhaltspunkt dafür, dasa Reizung der Vasomotoren eine Entzündung bedingen kann? Ref.) Die Lokalisation und die eigenartige Wucherung solcher Geschwülste möchte R. durch das Vorhandensein der Bakterien erklären. (Gewiss ist es möglich, dass diese die Vereiterung be- dingen; aber einmal finden sich doch Staphylokokken auf den verschiedensten Theilen des Körpers, und zweitens auch bei der gewöhnlichen Jodacne; wir kommen eben doch um den Begriff der Idiosynkrasie, und zwar einer an den verschiedenen Partien der Haut verschiedenen Idiosynkrasie, nicht herum. Ref.)

Jadassohn (Bern).

27) Stark. Kasuistische Beiträge zu Hautaffektionen nach inner- lichem Arsengebrauch. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 8.)

Der erste der beiden von dem Verf. berichteten Fälle stellt eine starke Arsen- melanose mit specieller Betheiligung des Gesichts und der Gelenkbeugen etc. nach

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relativ kurzer Anwendung von Solutio Fowleri dar das ist ein ziemlich häufiges Vorkommnis,.

Interessanter ist der 2. Fall, in welchem ein Zoster facialis 2mal kurz hinter einander bei (2mal wiederholter) Arsenbehandlung auftrat; der zweite Ausbruch war schwächer als der erste; danach wurde Arsen bis su derselben Höhe wie früher ohne Zoster vertragen, An dem kausalen Zusammenhang swischen Arsen- gebrauch und Zoster ist jetzt ein Zweifel nicht mehr möglich; aber der Fall 8.s ist, so weit wir wissen, erst der zweite, in welchem ein Zoster 2mal nach Arsen entstand. Meist trat der Zoster auch bei wiederholter Arsentherapie nur imal auf. Die Gewöhnung (oder Immunisirung?) scheint also meist einzutreten, gelegentlich aber auszubleiben oder wieder zu verschwinden oder nicht ganz vollständig su werden. Jadassohn (Bern).

28) T. Okamura. Zur Kenntnis der »systematisirten ‚Naevi« und ihres Ursprungs. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 3.)

O. veröffentlicht die Beschreibung von 5 Fällen durch ihre eigenartige Lokali- sation besonders auffallender und interessanter Naevi aus Ehrmann’s Poliklinik und bespricht die Theorien über die Ursachen ihrer Anordnung. Die Erörterungen O.’s sind interessant, aber da sie auf entwicklungsgeschichtlichen Thatsachen beruhen, zu kurzem Referat ungeeignet. Wer sich für die allgemein-pathologisch sehr wichtige Frage interessirt, muss das Original einsehen.

Jadassohn (Bern).

29) C. Beck. Über einen interessanten Fall von Naevus papilloma- tosus universalis. Behandlung mit Thyreoidin. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXII. No. 9.)

Der Kranke B.'s war mit der seltenen Erkrankung behaftet, die jetzt in das Gebiet der hyperkeratotischen systematisirten und über weite Strecken des Kör- pers ausgebreiteten Naevi verwiesen werden muss, während sie früher meist zur Ichthyosis hystrix, linearis gerechnet wurden. Metamerale oder sonst gesetzmäßige Anordnung fand sich nicht. Die Affektion trat im 1. Lebensjahre auf. Interessant ist, dass wiederholt auf Thyreoideabehandlung der Kranke hatte eine auffallend kleine Schilddrüse Besserung, nie aber vollkommene Heilun:r auftrat.

Jadassohn (Bern).

30) H. Schnabel. Über Lymphangioma circumscriptum cutis. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 2.)

Der Fall von seit frühester Kindheit bestehendem oberflächlichem Lymph- angiom der Haut bot klinisch nichts Besonderes dar. Aus dem histologischen Befund ist zweierlei hervorzuheben: einmal das Vorhandensein von riesenzellen- ähnlichen Bildungen innerhalb der Lymphgefäßlichtungen Verf. ist geneigt, sie aus der Konfluenz abgestoßener Endothelien zu erklären —, und dann eine im subkutanen Gewebe liegende Lymphgefäßgeschwulst, die S. als die gleiche Erkrankung wie das kutane Lymphangiom ansieht. Auch er ist der Ansicht, dass es sich bei dieser Neubildungsform um Lymphgefäßneubildung und -Ektasie handelt und möchte zur Erklärung der letzteren die Abstoßung degenerirter Endo- thelien und die durch sie bedingte Thrombenbildung herbeiziehen.

Jadassohn (Bern).

31) R. Bernhardt. Zur Pathogenese der Prurigo. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

B. beobachtete bei einem Manne, dessen einer Arm durch eine essentielle Kinderlähmung gelähmt war, eine, wie es scheint, typische Prurigo Hebrae, bei welcher die 3 nicht gelähmten Extremitäten stark, die gelähmte aber gar nicht

Centralblatt für Chirurgie. No. 5. 143

ergriffen war. Da der Kranke an der letzteren auch kein Jucken spürte, und da die Sensibilität derselben sonst ganz normal war, kann nach dem Verf. die speciell von den Franzosen angenommene Anschauung, nach der die Prurigo eine Sensibilitätsneurose mit sekundären Hautveränderungen sei, nicht richtig sein. Auch die Annahme einer Angioneurose könne, da die vasomotorischen Nerven an dem gelähmten Arm, wenn auch etwas schwächer als normal, reaxiren, nicht als wesent- liches Moment in Frage kommen. Und so schließt Verf. per exclusionem, dass die Ursache der Prurigo nur in den trophischen Centren gesucht werden könne, dass sie eine >Dystrophia cutis« sei. In einigen Fällen von Prurigo sind sog. trophische Veränderungen beobachtet worden. (Der Fall ist sehr interessant seine Erklärung aber außerordentlich schwierig; die Annahme einer Trophoneurose leistet kaum etwas: soll gerade an dem gelähmten Arm die Trophoneurose aus- geblieben sein, weil hier das trophoneurotische Centrum gelähmt, also nicht reizbar war? Mit demselben Recht könnte man auch annehmen, dass gewisse Cirkulations- störungen in diesem Arm das Zustandekommen der Efflorescenzen verhinderten. Ref.) Jadassohn (Bern!.

32) W. Kopytowski und Wielowieyski. Beitrag zur Klinik und pathologischen Anatomie der Pityriasis rubra Hebrae.

(Archiv für Dermatologie u, Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

K. und W. haben in einem längere Zeit von ihnen beobachteten und sur Sektion gekommenen Falle von einer Krankheit, die nach dem klinischen Bilde mit der Pityriasis rubra Hebrae gut übereinsustimmen schien, histologische und bakterologische Untersuchungen vorgenommen. Sie haben außer entzündlichen Veränderungen im Papillarkörper Epithelioid- und Riesenzellen in den tieferen Lagen der Cutis gefunden und legen besonderen Werth auf Kokken, die sie kul- turell und mikroskopisch in der Haut (und mikroskopisch an einer Stelle auch in einer post mortem untersuchten Lymphdrüse) gefunden haben. Verff. sind geneigt, diese Kokken als die Ursache der Erkrankung aufzufassen, welche nur zuerst in isolirten Entzündungsherden auftritt. (Aus der Krankengeschichte ist speciell das Vorhandensein von großen Drüsenschwellungen hervorzuheben; leider fehlen Angaben über die Blutuntersuchung, welche jetzt bei allen diffusen »ex- foliirenden Erythrodermien«e wegen der Möglichkeit einer Pseudoleukämie oder Leukämie vorgenommen werden müssten; die in der Haut gefundenen Riesen- sellen haben, so weit sie in der Nachbarschaft von Milien gelegen sind, keine Bedeutung, da Riesenzellen um Milien ein bekannter Befund sind [= Fremd- körper-Riesenzellen]; es ist nicht zu ersehen, ob an Serienschnitten der Nachweis erbracht wurde, dass Riesenzellen auch ohne allen Zusammenhang mit Milien vor- handen gewesen sind diese Thatsache wäre von großem Interesse gewesen. Auch über den histologischen Befund der Lymphdrüsenschwellung wird nichts berichtet. Die Thierversuche, bei denen die Einimpfungen von Hautstücken nichts von Tuberkulose ergeben haben, können nichts beweisen, da nirgends gesagt wird, dass gerade in Schnitten von Stücken, die eingeimpft wurden, Riesenzellen ge- funden worden sind. So wenig Ref. je behauptet hat, dass die Pityriasis rubra eine Tuberkulose oder ein Tuberkulid ist, so sehr muss doch gefordert werden, dass die Untersuchung jeden Falles von Pityriasis rubra auch mit Rücksicht auf die Tuberkulose mit größter Genauigkeit vorgenommen werden muss. Die von Verf. gefundenen Kokken werden vorerst wohl noch kaum auf allgemeine Aner- kennung rechnen können. Ref.) Jadassohn (Bern).

33) L. Glück. Über zwei weitere Lepratälle aus Dalmatien. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 1 u. 2.)

G. giebt die nach manchen Richtungen interessanten Krankengeschichten sweier Lepröser aus Dalmatien, wo 1896 der erste sichere Fall von Lepra gefunden worden war. Einer Krankengeschichte ist ein ausführlicher Sektionsbefund bei-

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gefügt. Die eine Kranke war die Schwester eines Leprösen, der andere stammte aus einem Dorf, in welchem bereits ein Fall beobachtet worden war. Jadassohn (Bern).

34) W. Reiss. Über spontane multiple Keloide. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 3.)

Auf Grund eines Falles von sehr zahlreichen (210) Keloiden bei einem 12jährigen Kinde, die ohne jede nachweisbare Ursache und obne subjektive Er- scheinungen entstanden waren, bespricht R. die Histologie dieser Geschwulstform. Der Papillarkörper war überall unversehrt, doch will Verf. entgegen anderen Untersuchern darin allein ein unterscheidendes Merkmal des spontanen gegenüber dem Narbenkeloid nicht finden. Die Bindegewebsfasern waren nur in den Rand- partien der Geschwülste parallel angeordnet; Wucherungen der Gefäße konnten nicht gefunden werden. In den centralen Partien waren die elastischen Fasern ganz zu Grunde gegangen; doch war ihr Untergang kein so plötslicher, wie in anderen Präparaten von Keloid. R. ist der festen Überzeugung, dass die spon- tanen Keloide von den Narbenkeloiden su unterscheiden seien (ohne aber außer der doch immer trügerischen Anamnese bestimmte Beweise für diese Überseugung vorbringen zu können). Jadassohn (Bern).

35) H. Vörner. Zur Kenntnis des Keratoma hereditarium palmarum et plantarum.

(Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVI. Hft. 1.)

Diese sehr interessante, in typischster Weise hereditāre Affektion ist bisher nur in einer kleinen Ansahl von Familien beobachtet worden. Die Arbeit V.’s giebt ein anschauliches Bild derselben mit Rücksicht auf die Litteratur und eine in Leipsig wohnende, schon wiederholt beschriebene Familie. Besonders hervorsuheben ist die histologische Untersuchung, welche dem Verf. die Anschau- ung nahelegt, die Erkrankung als eine Art »Riesenwuchs der Epidermis« aufzu- fassen; interessant ist auch der Befund eigenthümlich veränderter Epithelzellen in der Umgebung der Schweißporen (durch Schweißimbibition). V. bespricht ausführ- lich und, wie mich dünkt, vollständig mit Recht die Differenzen gegenüber der gewöhnlichen Ichthyosis, die sich ebenfalls an Handtellern und Fußsoblen loka- lirt, und gegenüber den erworbenen Keratodermien. (Nicht übereinstimmen kann ich mit der Anschauung, dass ringförmige Verdickungen an den Fingergelenken, wie sie in meinem von Raff publieirten Falle vorhanden waren, nur auf äußeren Einwirkungen beruhen, dazu waren sie zu regelmäßig. Auch kommen die gleichen Verdickungen nach Geyer bei der palmaren Arsenkeratose vor. Ref.)

Jadassohn (Bern).

36) Pacheso Mendes (Bahia). A propos d’un cas de goundon ou anakhre. Mit einer Erläuterung von Jeanselme. (Revue de chir. 1901. No. 10.)

Die eigenartige Knochenneubildung, welche die »gehörnten«e Neger schafft, besteht in Geschwülsten, welche meist beiderseits den Nasenbeinen aufsitzen, die Nase nach innen komprimiren, durch Wachsthum nach den Augen zu Blindheit herbeiführen. Den Negern und ihren Abkömmlingen fast ausschließlich eigen- thümlich, wird diese Erkrankung häufig an der Goldküste, selten anderwärts be- obachtet. Der mitgetheilte Fall, der übrigens durch einseitiges Auftreten der Geschwulst ganz allein steht, betraf einen Mulatten und ist der erste in Brasilien beobachtete. Eine mikroskopische (recht wenig anschauliche) Skisze ist der Arbeit beigegeben. Christel (Mets).

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37) Friedberg. Zur Atiologie und Therapie des »Caput obstipum musculare congenitum«. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 393.)

F. berichtet über 29 von ihm in der Neumann’schen Kinderpoliklinik zu Berlin beobachtete Fälle von angeborenem Caput obstipum, die meist Kinder der ersten Wochen bezw. Monate betreffen. Da von diesen 16 = 55,17% in Becken- endlage und nur 7 in Schädellage leicht geboren waren, schließt F. sich der Theorie an, welche als häufigste Ätiologie der Deformität ein Trauma des Kopf- nickers während der Geburt ansieht, doch lässt er auch die Annahme gelten, dass die Muskelschrumpfung durch andauernd schiefe Kopfstellung in der Gebärmutter wegen Platzmangels entstehen könne. Zur anatomischen Untersuchung des ver- kürsten Kopfnickers gaben die zu therapeutischem Zweck oft geübten Muskel- resektionen Gelegenheit. Es fand sich durchweg eine interstitielle Myositis, In- fltrirung und Vermehrung des interfibrillären Bindegewebes in verschiedenen Graden und Stadien. Dabei wurden aber Bakterien nie gefunden, so dass Kader’'s Annahme einer infektiösen Myositis hier keine Stütze fand; trotzdem hält F. sie nicht als haltlos. Therapeutisch wurden frische Fälle mit noch tastbaren, empfind- lichen Muskelcallusknoten zunächst exspektativ mit Breiumschlägen behandelt und hierbei zum Theil spontaner Rückgang der Kontraktur gesehen. Im Übrigen bestand die operative Therapie der Regel nach in einer offenen Incision, gefolgt von Freipräparirung der sklerosirten Muskelpartie und deren Excision in den nach dem Augenbefund erforderlich scheinenden Grenzen, danach Naht, Verband und Kopffixirung in überkorrigirter Stellung mit Holzspan und Kleisterbinde. Die gewünschte Heilung trat fast stets auch ohne weitere orthopädische Nach- behandlung ein. Gelegentlich wurde auch nach Bayer die plastische Verlänge- rung des Muskels ausgeführt. Alle Fälle wurden ohne Nachtheil ambulatorisch behandelt.

Dem Allgemeintext sind die kurs redigirten Krankengeschichten beigefügt, dessgleichen 2 Abbildungen mikroskopischer Präparate.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

38. D. J. Cranwell (Buenos Aires). Amputatión interescåápulo torácica á colgajo único. (Revista de la soc. méd. Argentina 1900. Juli.)

Neu ist die einseitige Lappenbildung bei der Exstirpation des Schulterblattes. Eine 26jährige Frau kam wegen einer großen Geschwulst des Schultergelenks zur Operation; die Haut über der Scapula war verwachsen und nicht zur Lappen- bildung zu gebrauchen. Es wurde daher ein großer vorderer Lappen aus der Haut der Achselgegend und des Oberarms gebildet. Die Amputation begann mit Durch- sägung des Schlüsselbeins und Unterbindung der Gefäße im obersten Theile des Schnitte. Nach Abtragung der Extremität wurde der große Lappen oben an- genäht, unten wurde Jodoformgasedrainage angewendet. Die Anheilung erfolgte in normaler Weise. Die Geschwulst war ein Chondrosarkom; die Pat. ging 11 Mo- nate später an einer Lungenmetastase der Geschwulst zu Grunde.

G. Meyer (Gotha).

39) Berthaut (Saint-Pons). La bascule de l’omoplate dans la réduction des luxations sous-coracoïdiennes de l'épaule. (Gas. hebdom. de méd. et de chir. 1901. No. 42.)

Iu einem Falle von frischer linksseitiger Schulterverrenkung, in dem den Autor alle üblichen Methoden im Stich ließen, legte er die linke Hand (offenbar an der Seite des Kranken stehend, Ref.) auf den dislocirten Oberarmkopf, ihn nach der Riehtung der Fossa glenoidalis drückend, mit der rechten Hand gab er dem Schulterblatt, indem er es an seinem vorderen; d.h. axillaren Rande anfasste, eine kräftige Bewegung nach der Mittellinie (a la bascule) und kam so auf schnelle und sehmerzlose Weise zum Ziel. Die Methode ist erst an einem einzigen Fall er- probt. W. Sachs (Mülhausen i/E.).

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40) Popper. Universalschiene für Oberarmbrüche mit Extension in der Schiene. (Ärztliche Polytechnik 1901. November.)

Obige Schiene besteht aus einer Hohlrinne von Metall für den Oberarm mit seitlichen Ösen, in welchen je ein Metallstab gleitet; die Metallstäbe sind unter- halb des Ellbogens durch einen Metallring und queren Stift mit einander ver- bunden. Mittels einer Schraube werden die Metallstäbe bald weiter, bald weniger weit aus den Ösen vorgeschraubt und machen hierdurch permanente Distraktion an einem von der Frakturstelle zum queren Stift verlaufenden Heftpflasterzug- verband. Die Oberarmrinne ist um die Schultern herum mit Gurten befestigt.

E. Fischer (Straßburg i/E ).

41) M. Broca. Luxation ancienne du radius seul en avant. (Revue mens. des malad. de enfance 1901. p. 341.)

Zusammenstellung der Entstehungsarten und des Verlaufes der 3 möglichen Radiusverrenkungen an der Hand von 3 entsprechenden Fällen.

Die Verrenkung nach vorn wurde bei einem 9jährigen Knaben etwa 8 Monate nach einem Falle diagnosticinm. Durch einen anderen Knaben in Folge Auf-die- Schulter-springens nach hinten übergerissen, suchte er sich mit extendirtem und supinirtem linken Arme vor dem Falle auf den Hinterkopf zu schützen. Die ent- standene Verletzung wurde von anderer Seite als Bruch, bald als Verrenkung be- handelt; jedenfalls war der Arm sofort ohne Schwierigkeit in rechten Winkel zu bringen gewesen. Die Durchleuchtung ergab, dass kein Bruch bestanden hat. Die Extension war normal, die Flexion um etwa ein Viertel ihrer Ausdehnung verringert. Seitliche Bewegungen sind besonders nach außen möglich. Starke Muskelatrophie. In halber Pronationsstellung gelingt es leicht, das Köpfchen des Radius durch Druck auf dasselbe scheinbar einzurichten, sobald jedoch der Druck aufhört, schnellt der Kopf zurück.

Da nach Aussage der Eltern der Vorsprung, den die verrenkte Radiusepiphyse bildet, zuzunehmen scheint, Operation durch äußeren Schnitt. Das Ligamentum annulare war nach vorn zu zerrissen, die entsprechenden Theile des Ligamentum anterius waren mit der Mitte des Capitulum radii verwachsen.

Da das von Verwachsungen befreite Köpfchen keinen Halt fand, wurde es resecirt und das Ringband um den Radiushals vereinigt. Heilung per primam. Verf. unterscheidet folgende 3 Möglichkeiten des Verhaltens der Bänder:

1) Wie in obigem Falle: Das Ligamentum annulare zerreißt vorn. Die Reste des vorderen und seitlichen Verstärkungsbandes ziehen dann das Ligamentum an- nulare nach oben, und dieses legt sich dem Capitulum humeri an und bildet so ein Repositionshindernis.

2) Das Gleiche entsteht, wenn der Kopf aus dem unversehrten Ringbande nach unten zu herausschlüpft.

3) Das Ringband bleibt unversehrt und wird höchstens über den Hals des Radius gezogen; dagegen zerreißen das vordere und seitliche Verstärkungsband. Dies ist meistens der Fall bei Luxation beider Armknochen.

Kurz erwähnt werden: ein Fall von isolirter Verrenkung nach außen bei einem Y9jährigen Mädchen, und eine solche beider Vorderarmknochen nach hinten, bei der die Verrenkung des Radius irreponibel war. Ausgeprägte Scheinreponibilität in allen Fällen. F. Göppert (Kattowitz).

42) A. de Hints. Un cas de luxation palmaire de index. (Gaz. hebdom. de med. et de chir. 1901. No. 24.)

de H., ein ungarischer Arzt, beschreibt einen Fall von volarer Verrenkung des Zeigefingers, welcher ähnlich wie in dem Falle von Waldau (Centralblatt für Chirurgie 1895 p. 1010) ohne große Gewalteinwirkung zu Stande gekommen ist. Die 2ijährige Frau trug eine metallene Kaffeekanne von 10 kg Gewicht mit beiden Händen an den Henkeln. Als sie dieselbe hinstellte, fühlte sie einen

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sehr heftigen Schmerz im linken Zeigefinger, welcher, wie die Frau behauptet, gar nicht den Henkel berührte, sondern ausgestreckt (écarté) gehalten wurde. W. Sachs (Mülhausen i/E..

43) 8. Stopnitzki. Ein Beitrag zur Kenntnis der Polydaktylie. (Schriften der phys.-med. Gesellschaft su Moskau 1900. No. 14.) Moskau, 1901. 44 S. Mit 4 Tafeln. (Russisch.)

Die Ansicht, nach welcher mehr als 10 Finger oder Zehen an einer mensch- lichen Extremität nicht zar Entwicklung gelangen können, erscheint vom Stand- punkte einiger neuerer Erklărungsversuche der Genese der Polydaktylie als nicht ganz sicher begründet. Wenn z. B. entsprechend einer von Ahlfeld und Zander vertretenen Hypothese das Auftreten überzähliger Finger eine Erklärung findet im Druck amniotischer Fäden auf das in der Entwicklung begriffene Glied mit nachfolgender Spaltung einzelner Fingeranlagen, so wird man zugeben dürfen, dass bei solcher Sachlage unter Umständen sehr viele, im Allgemeinen sogar un- beschränkt viele Finger bezw. Zehen auftreten können. Nun schildert S., Pro- sektor an der Universität Moskau, in seiner oben näher bezeichneten Studie einen recht merkwürdigen Fall, in welchem es sich um Auftreten von nicht weniger als 11 Zehen an dem Fuße eines 12 Jahre alten Judenmädchens handelt; die Missbil- dung war nur linksseitig, bei völlig normalem Verhalten des rechten Fußes. Im Tarsus waren 12 Knochen zu zählen, nämlich 1 Talus (mit angedeuteter Zwei- theilung des Kopfes!), 1 Calcaneus, 1 Kuboid, 2 Navicularia, 7 Cuneiformia. Metatarsalia gab es 9, davon 2 verbunden mit dem Kuboid, 7 mit je einem Cunei- forme. Mit dem lateralen Naviculare artikulirten 4, mit dem medialen 3 Cunei- formia. Was die Zehen betrifit, so fehlte der innersten ein Metatarsale; die 5. und 6. (von innen gerechnet) hatten ein gemeinschaftliches, etwas verdicktes Os metatarsale; alle übrigen besaßen je ein eigenes besonderes Metatarsalbein. Bemerkenswerth erscheint in diesem Falle die volle Beweglichkeit aller Zehen, von denen jede mit vorzüglich entwickelten Gelenkflächen ausgestattet erschien. Die nach dem Gipsabgusse des missgestalteten Fußes angefertigte Abbildung der Abnormität hinterlässt bei dem Beschauer den Eindruck, als liege hier eine Art Verdoppelung des Fußes vor; wenigstens zeigen die 5 lateralen Zehen eine An- ordnung, die derjenigen eines normal gebauten Fußes in allen wesentlichen Punkten entspricht.

Sicher haben wir es hier mit einer echten Missbildung zu thun. »Eine Er- klärung des vorliegenden Falles<, bemerkt S., >kann nur die mechanische Hypo- these von Ahlfeld und Zander uns darbieten. Die Wirksamkeit der Amnion- fäden erfolgte vermuthlich in 2 getrennten Entwicklungsphasen. Zunächst resul- tirte dabei eine Spaltung der einheitlichen noch undifferenzirten Anlage des Fußes in 2 Einzelanlagen. Davon entwickelte sich die eine zu einem dzehigen, die andere zu einem dzehigen Fuße. Späterhin, als die Bildung der Zehen schon erbeblich vorgeschritten war, gelangten 2 weitere amniotische I,igamente im Ge- biete der 5. (von innen her gezählt) und der allermedialsten Zehe zur Wirkung mit dem Erfolg, dass jede der letsteren schließlich aus zweien zusammengesetzt erschien.e Diese Art der Deutung des Falles hat recht Vieles für sich. Die Litteratur der Frage ist, wie üblich, vom Verf. in ausgiebiger Weise benutzt und dargestellt. R. Weinberg (Dorpat).

41) R. Klapp. Eine einfache Lagerungsvorrichtung für die untere Extremität. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 226.)

K., Assistent der Greifswalder Klinik, veröffentlicht folgende, wie dem Ref. scheint, ganz außerordentlich praktische und einem wirklichen Bedürfnis ab- helfende Lagerungsvorrichtung, die für Pat. mit Neigung su Decubitus bei An- wendung von Blechschienen bezw. Volkmann’schem Schlitten passt. Sie besteht aus einem bis über das Knie reichenden Trikotschlauch, welcher vermittels eines

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durchgesteckten Stockes lang ausgebreitet und an einer Rolle aufgehängt wird. Damit lässt sich auch eine Extensionsvorrichtung kombiniren. Bei letzterer legt man zweckmäßig das Heftpflaster 3tıheilig und spiralig um das Bein mit guter Polsterung der Knöchel; man vertheilt auf diese Weise den Zug über das ganze Bein.

2 Abbildungen veranschaulichen das, wie gesagt, sehr ansprechende Arrange- ment. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

45) C. Stern (Düsseldorf. Tragrahmen zur Behandlung der Ober- schenkelfrakturen kleiner Kinder. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 44.)

Der Rahmen besteht aus einem starken, verzinnten Drahtbügel, der mit - leinenen Gurten bespannt ist. An diesem Bügel ist eine Schiene senkrecht an- gebracht, in der das Beinchen mittels Heftpflasterextension aufgehängt und durch kleine Lederriemen fixirt ist. Die Extension geschieht am Fußstück durch Riemen.

Der Rahmen ermöglicht das Umhertragen des Kindes im Freien, die Ruhig- stellung des Bruches, die Umbettung der Kinder und ihre Reinhaltung. Auch für Unterschenkelbrüche Zwecks senkrechter Extension ete. ist er verwendbar.

Kramer (Glogau!'.

46) Gallet. Deux cas de desarticulation interilio-abdominale. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. No. 7.)

Mit G.'s beiden Fāllen sind jetzt 11 Exartikulationen einer Beckenhälfte in Zusammenhang mit der Extremität bekannt geworden, von denen 8 tödlich endeten. Während Jaboulay die Art. iliaca communis unterbindet, empfiehlt G. die Unter- bindung der Iliaca externa und der Hypogastıiica.a Nanu hat in seinem Falle bei Unterbindung der Iliaca communis Thrombose der Aorta an ihrer Theilungs- stelle und Gangrän der gesunden Extremität beobachtet. Der Gang der Operation ist nach G. folgender:

1) Incision parallel der Inguinalfurche, 2fingerbreit über derselben vom Os pubis bis hinter die Spina iliaca anterior superior. Extraperitoneale Unterbindung der Art. iliaca externa, der Hypogastrica in Höhe der Linea innominata und der V. iliaca externa.

2) Umschneidung eines hinteren Lappens. Freilegung des vorderen Theils der Crista iliaca und des Beckenknochenrandes bis zur Eminentia ileopectinea. Durchschneidung der Gefüße zwischen 2 Ligaturen. Subperiostale Freilegung des Sacroiliacalgelenks von innen.

3) Exartikulation in diesem Gelenk mit Hammer und Meißel;

4) Exartikulation der Symphyse unter Schonung des Lig. rotundum bezüglich Funiculus spermaticus und der Rectusansätze. Besser durchsägt man den hori- zontalen und absteigenden Schambeinast. Bildung des hinteren Lappens, der dann nach vorn geschlagen wird. Naht. Drainage.

G. machte die Operation wegen ausgedehnter Tuberkulose der Beckenknochen bei einem Manne, bei dem schon vorher wegen tuberkulöser Coxitis eine Hüft- gelenksresektion vorgenommen worden war. Der 2. Fall betraf ein vom oberen Femurende ausgehendes mächtiges Sarkom bei einer 39jährigen Frau. Beide Pat. starben am Tage der Operation. Läwen (Leipzig).

47) Lepage et Grosse. Luxation congénitale de la hanche droite chez un nouveau-né atteint de malformātions multiples. Compt. rend. de la soc. d'obstétr., de gynécol. et de paediatrie de Paris 1901. März.)

Das Kind kam in Steißlage zur Welt; nur der Kopf wurde extrahirt. Die Austreibungsperiode dauerte 10 Minuten. Die Hüftverrenkung bestand also bereits bei der Geburt. Der Kopf stand unter der rechten Spina anterior superior. Nach

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14 Tagen starb das Kind und wurde obducirt. Dabei zeigte sich der Y-förmige Knorpel von normaler Beschaffenheit. Die Gelenkpfanne war wenig tief und atrophisch.

Die Gelenkkapsel war an beiden Enden erweitert (Zwerchsackform). Die Länge des rechten Lig. teres betrug 10 mm, links 6 mm. Es saß beiderseits in der Mitte der Pfanne fest.

Die rechte Beckenhälfte zeigte leichte Atrophie, stärker war dieselbe am rechten Oberschenkelschaft und am großen Trochanter. Der Gelenkkopf war nur angedeutet. Verff. sehen als Ursache der Verrenkung eine Entwicklungshemmung an. Zeichen eines vorhergegangenen Trauma fehlten. Übrigens waren noch fol- gende Missbildungen vorhanden: Vollständige Spaltung des weichen und harten Gaumense, Spaltung des Proc. xiphoid. sterni, Missgestaltung der Oberkiefer, Verlagerung der Hoden und doppelseitiger Klumpfuß. Neck (Chemnitz).

48) Nov6-Josserand. Cinquante cas de luxation congénitale de la

hanche traités suivant la méthode de Lorenz. (Province méd. 1901. No. 33.)

Zwei von den Kindern scheiden aus ein Kind an Diphtherie gestorben, eins vorzeitig entlassen; das Sektionspräparat 4 Monate nach dem Ende der Be- bandlung zeigt vollen anatomischen Erfolg der Einrichtung. Die übrigen 48 Kin- der sind 7—21 Monate nach Schluss der Behandlung noch weiter beobachtet. Bei ihnen handelt es sich um 27 einseitige, 21 doppelseitige = 69 behandelte Ver- renkungen. Die anatomischen Ergebnisse sind: 25 wirkliche Einrenkungen, 37 Kopfverlagerungen, 2 Brüche, 3mal Rückkehr des Kopfes in seine erste Stel- lung, 2mal Unmöglichkeit, den Kopf aus seiner Stellung heraus zu bringen. Die wirklichen Einrichtungen = 36,3%, betreffen 27 einseitige mit 12 (= 44%) und 42 doppelseitige mit 13 (= 30%) Erfolgen. Der Einfluss des Alters auf diese Zahlen ist noch deutlicher. Im Alter bis zu 5 Jahren sind 42 operirt, davon 16 einseitige mit 9 (= 56%) und 26 doppelseitige mit 1U (= 38%) Erfolgen. Im höheren Alter sind 27 Fälle operirt: 11 einseitige mit 3 (= 27%) und 16 doppel- seitige mit 3 (= 18%) Erfolgen. Die Kopfverlagerungen in 37 Fällen gaben 53,6%. Im Alter von 5 Jahren trat das Ereignis bei einseitiger Luxation 6mal (37,5%), bei doppelseitiger in 61%, nach 5 Jahren bei einseitiger in 65%, bei doppelseitiger in 50% ein. Der Kopf steht meist inguinal, in seltenen Fällen iliacal unter oder außerhalb der Spina superior anterior. Die funktionellen Ergebnisse, welche mit den anatomischen nicht zusammenfallen, reiht der Autor in 4 Gruppen ein: Sehr gute Funktion in 25 (= 54%) Fällen, gute Funktion in 8 (= 18%) Fällen, Besserung des Zustandes in 9 (= 20%) Fällen, unverändertes Verhalten in 4 = 8%) Fällen. Die 25 vollkommenen Erfolge betreffen 11 einseitige mit 9 wirk- lieben Einrichtungen und 2 Verlagerungen und 14 doppelseitige mit 6 Einrich- tungen, 6 Verlagerungen und 1 Mischfall. Nur 1 Kind davon war über 5 Jahre alt. Die >gute« Funktion ist erzielt bei 6 einseitigen mit I Einrichtung (6 Jahre alt} und 5 Verlagerungen (3 vor, 2 nach 5 Jahren) und 2 doppelseitigen Luxea- tionen. In der Gruppe der einfachen »Besserung« steht immer noch der (einseitige) Fall mit Bruch (Fract. subtrochanterica) und auch merkwürdigerweise die 2 Fälle, wo die Stellung des Kopfes nicht verändert werden konnte. Außer diesen beiden kam es in den 8 doppelseitigen Fällen 6mal zu einer Verlagerung des Kopfes. Kein Erfolg wurde ersielt bei je einem 3-, 5- und 9jährigen Kinde. Eine Ver- schlechterung des Zustandes ist nie eingetreten; im Ganzen kann man bei Kin- dern unter 5 Jahren rechnen in 50% auf anatomischen und funktionellen vollen Erfolg und in 80% auf funktionelle Heilung. Die untere Altersstufe ist 16 bis 17 Monate. Herm. Frank (Berlin).

49) Jacob. Traitement des luxations traumatiques et irreductibles de la hanche en arricre. (Province méd. 1901. No. 30 u. 31.)

‚. Pie mit vollem Gelingen operativ behandelte Verrenkung betraf einen 28- jährigen Soldaten und bestand bereits ca. 100 Tage; der Kranke war ein bett-

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lägeriger Krüppel. Als Hindernis der verschiedene Male vorher vergeblich ver- suchten Reposition zeigte sich neben der Verkürzung der periartikulären Muskeln eine vollkommene Verschmelzung der vorderen Kapselpartie mit dem Grunde der Gelenkpfanne. Die Operation, welcher 14 Tage lang permanente Extension voran- geschickt war (ohne wesentlichen Erfolg), bestand unter Befolgung Ricard’scher Vorschläge in Ausräumung der Gelenkpfanne und Abtragung von nur so viel Knorpeltheilen am Kopfe, dass dieser in die Pfanne zurückgebracht werden konnte. Auch die Kapsel wurde vom Langenbeck’schen Schnitt aus so geschont, dass sie sich nähen ließ. So wurde das Resultat so vollkommen, dass es auch das Ricard’sche übertraf. In ähnlicher Weise operirten außer diesem noch Kir- misson, Delorme und Arbuttnot Lane, der Letztere unter Bildung einer neuen Gelenkpfanne. Herm. Frank (Berlin).

50) Burrell, Lowett, Goldthwait. Report of cases of the second surgical service of the childrens hospital Boston. (Boston med. and surg. journ. 1901. September 26.) 1) Akute Coxitis mit Spontanluxation;; blutige Reduktion. Durch die Incision wurde ein großer Abscess in der Hüftgelenksgegend er- öffnet, das Gelenk selbst war stark verändert. Erreger: Streptokokken. Reduktion

war leicht. Unter entsprechender Lagerung Heilung mit beweglichem Gelenk in 15 Wochen.

2) Spontanluxation während rheumatischer Coxitis.

Die Haltung der Beine war stark gegen den Leib gezogen. Es bestanden am Hüft-und anderen Gelenken Zeichen von akutem Gelenkrheumatismus, Herzgeräusch. Nach Besserung des Rheumatismus durch geeignete Medikation wurde Spontan- luxation des linken Hüftgelenkes durch Röntgenstrahlen nachgewiesen, die leicht durch entsprechende orthopädische Maßnahmen beseitigt wurde.

Trapp (Bückeburg).

51) Bradford. Operative dislocation and drainage of the acetabulum in acetabular disease. (Boston med. and surg. journ. 1901. No. 9.)

Bei einem 6jährigen Knaben mit schwerer Coxitis zeigte das Röntgenbild, dass hauptsächlich die Pfanne erkrankt, der Oberschenkelkopf relativ gesund war. Da gewöhnliche Resektion nutzlos gewesen, Entfernung des Pfannentheiles gu ge- fährlich schien und Exartikulation verweigert wurde, wurde nach Freilegung des Gelenkes wie zur Resektion der Kopf auf die Crista ossis ilei verschoben, die völlig durchlöcherte Pfanne mit krystallisirter Karbolsäure und danach Alkohol ausgewischt, drainirt und nach einigen Tagen das Bein mit Gipsverband fixirt. Die Tuberkulose heilte, es blieb Deformität wie nach Coxitis bei spontanem Verlauf: Adduktion, Flexion und Verkürzung. Es soll später der Kopf wieder in die Pfanne gebracht, wenn diese ausgefüllt, eine Osteotomia subtrochanterica gemacht werden. Die Operation ist nur für Kinder anwendbar, nicht für ältere Personen.

Trapp (Bückeburg).

52) E. Slajmer. Schussverletzung der Art. profunda femoris. (Liecnicecki viestnik 1901. No. 10. 'Kroatisch.))

An der inneren und vorderen Seite des rechten Oberschenkels zeigt das Röntgenbild ca. 50 Schrotkörner, besonders in der Gefäßgegend. Durch Einschnitt etwas außerhalb des Verlaufes der Art. femoral. wird eine Eiterhöhle eröffnet, einige Schrote entfernt und ein Schrot in der Wundung der Art. prof., unweit ihres Abgangs von der Femoralis, gefunden. Nach Iintfernung des Schrotes starke Blutung, wesswegen die Profunda unterbunden wird. Aus der Höhle unterhalb der Arterien wird die Hauptmasse der Schrote und 3 Papierpfropfen der Patrone ent- fernt. Am ersten Tage war die Extremität kühl, die Pulsation der Art. dorsalis

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pedis kaum fühlbar. Vom zweiten Tage erholte sich das Bein. Normaler Verlauf. Heilung. v. Cackorvic (Agram).

53) Pendl. Ein Fall von subkutaner Zerreißung des Ligamentum patellae proprium. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 22.)

In einem Falle von subkutaner ZerreiBung des Lig. patellae proprium nahm P. $ Tage nach dem Unfalle die Naht der beiden zerrissenen Bandenden vor. Längs- schnitt von der Mitte der Kniescheibe bis zur Tuberositas tibiae. Die Rissfläche des oberen Rissstückes ist nach oben und hinten eingerollt, die des unteren, ca. 1 cm langen, sieht nach vorn. Schräge Anfrischung, um größere Wundflächen zu er- balten, Befestigung durch 8 Seidennähte. Hautnaht, Gipsverband in extendirter Stellung. 11/3 Monat später definitive Weglassung des Gipsverbandes.

5 Monate nach der Operation war Beugung im Kniegelenk bis auf 130° mög- lich; Pat. ging ohne Stützapparat und ohne zu hinken stundenlang umher. Das Bein zeigt keine Spuren mehr von Atrophie. Auf der Röntgenphotographie konnten 2 von einander getrennte, etwa bohnengroße Verknöcherungen im Lig. patellae nachgewiesen werden. Dieselben standen mit keinem der benachbarten Knochen in direktem Zusammenhang und hinderten die Beweglichkeit in keiner Weise. Dieselbe Beobachtung ist von Blauel aus der v. Bruns’schen Klinik an den beiden von ihm mitgetheilten Fällen zuerst gemacht worden und dürfte ihre Erklärung in einer durch den Reiz der Verletzung bedingten Tendinitis ossi- ficans finden.

Dass die offene Naht in dem vorliegenden Falle indicirt und zur Herbei- führung der Verwachsung der Rissenden unbedingt nöthig war, geht aus dem Umstande hervor, dass das patellare Rissende nach hinten und oben eingerollt war; eine unblutige Behandlung hätte hier überhaupt nicht zum Ziel geführt. Ahnliches fand sich in den Fällen von Ceci und Tietze und in einem von Blauel. Reichel schlägt die Bedeutung dieses häufigen Vorkommens für die Prognose sehr hoch an.

Es sind im Ganzen 28 Fälle von Naht des Lig. patellae publicirt ohne den hier referirten. Hübener (Dresden).

54) A. Wodarz. Zur Kasuistik der traumatischen Luxationen im Talonaviculargelenk. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 120.)

W. berichtet über einen in Riegner’s Hospitalabtheilung in Breslau beob- achteten Fall, einen 19jährigen Pat. betreffend, welcher beim Fensterputzen 8 m hoch auf Holzkisten, welche beim Auffallen zerbrachen, heruntergefallen war. Er will vornehmlich auf den linken Großzehenballen gefallen sein, so dass der Fuß nach außen umknickte. Behandlung: Hochlagerung und Schwammkompression, später Massage und orthopädische Übung. Es resultirte eine starke gehhinder- liche Varusstellung. Befund: linker innerer Fußrand verkürzt und stärker ge- wölbt als rechts. Das Tuberculum ossis navicularis der Knöchelspitze auf I cm genähert, dorsalwärts prominirend, Einschränkung von Dorsal- und Plantarflexion im Talocruralgelenk, dessgleichen Adduktion und Abduktion. Röntgenbild (cf. Original, das Kahnbein ist im Talonaviculargelenk verrenkt und zwar auf den Talushals, dagegen zwischen Kahnbein und Keilbeinen keine Verschiebung. Ope- ration ca. 3 Monate nach der Verletzung. Länglicher Fußrückenschnitt. Kahn- bein nach oben und innen verrenkt, Taluskopf nach außen und unten gesunken. Nach Spaltung bezw. Zerreißung von spannenden, straffen Bandmassen, die zum großen Theil durch narbige Stränge zwischen Kahnbein und innerem Knöchel verstärkt sind, lässt sich der Fuß in Normalstellung bringen, wobei der zurück- gesunkene Taluskopf zu Gesicht kommt. Doch ist eine Reposition der talonavi- eularen Gelenkfläche noch unausführbar, da das Kahnbein auf dem Talushalse reitet. Desshalb Meißelresektion der proximalen Hälfte des Naviculare, so wie

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eines Theils des Caput tali. Gipsverband. Glatte Heilung mit sehr gutem funk- tionellem Resultat. Das jetst aufgenommene Röntgenbild zeigt callöse Synostose an der Knochenresektionsstelle.

W. referirt 3 ähnliche Fälle, die nach der Bär’schen Kompilation der Kasui- stik der Fußwurzelknochenverrenkung veröffentlicht sind. Im eigenen Falle kam die Verletzung vielleicht durch Kombination indirekter Gewalt (Sprung aus der Höhe) mit direkter (Stoß gegen die Fußsohle beim Durchschlagen der Holzkisten) zu Stande. Die beobachtete Therapie hat sich als richtig bewährt, und wird einer Resektion vor einer völligen Tarsalknochenexecision stets der Vorzug zu geben sein.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

55) A. Karlow. Beitrag zur Frage der Entstehung von Sprungbein- ! verrenkungen. | (Hygiea Jahrg. 63. p. 283. [Schwedisch.))

Der Fall betrifft einen 25jäbrigen Arbeiter, der aus einer Höhe von etwa 6 Metern auf die Füße stürzte. Der Stoß traf den äußeren Rand des rechten Fußes, wobei der Körper links herüberfiel. Bei der Aufnahme stand der Fuß in Equino-varus-Stellung mit der Zehenspitze nach unten und innen und die Plantar- fläcbe schief einwärts gedreht. Der Fuß war völlig fixirt und alle Bewegungen im Talocruralgelenk aufgehoben. Der Taluskopf ließ sich etwa taubeneigroß dicht unter der Haut an der höchsten Wölbung des geschwollenen Fußes vor dem Gelenk und dem Malleolus externus fühlen.

Die Reposition gelang durch foreirte Equino-varus-Flexion nebst kräftigem Druck auf die prominente Knochenpartie, wobei der verrenkte Talus in seine natürliche Stellung hineinschlüpfte, und die Bewegungen im Fußgelenk sofort frei wurden. Völlige Heilung.

In der Epikrise des Falles erwähnt Verf. die umstrittene Frage der Ent- stehungsweise der Talusluxationen und kommt zur Schlussfolgerung, dass eine forcirte Flexion des Fußes für die Entstehung der Luxation nicht unbedingt noth- wendig sei, eine einfache Pro- oder Supination dazu genüge, wie eben durch seinen Fall bewiesen sei. A. Hansson (Cimbrishamn).

56) Auvray. De la retraction de l’aponevrose plantaire. (Gaz. hebdom. de med. et de chir. 1901. No. 14.)

In einem Falle von Retraktion der Plantaraponeurose, die im Anschluss an einen Unterschenkelbruch entstand, exstirpirte A. die ganze mittlere Partie der Plantaraponeurose. Der unmittelbare Erfolg war gut, der definitive ist nicht ver- zeichnet. Für den deutschen Leser enthält die Arbeit, die auf dem Standpunkte Ledderhose’s (Archiv für klin. Chirurgie 1897) steht, sonst nichts Neues.

W. Sachs (Mülhausen i/E.).

57) Hagemeyer (Aachen). Uber puerperale Gangrän der unteren Ex- tremitäten. (Wiener klin. Rundschau 190!. No. 39.)

Es giebt in der Litteratur 21 beschriebene Fälle von Gangrän im Wochenbett; meist entstand sie durch Thrombophlebitis eruralis. H. beschreibt einen weiteren Fall, dessen interessante Anamnese im Original ausführlich besprochen ist; hier han- delte es sich um eine embolische Gangrän der Arteria poplitea in Folge Herzfehlers; dass jedoch das Wochenbett bei der Enstehung der Embolie eine wesentliche Rolle spielt, beweist Verf. in überzeugender Weise dadurch, dass schon frühere Wochen- betten durch ähnliche, wenn auch viel leichtere Anfälle dieser Art komplieirt waren. Nach Amputatio femoris erfolgte Primärheilung. Schmieden (Bonn).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Härtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

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Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu besieben durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 6. Sonnabend, den 8. Februar. 1902.

Inhalt: P. Kraske, Über suprapubische Kystoskopie. (Original-Mittheilung.)

1) Köhler, Geschichte der Kriegschirurgie. 2) Lengemann, Chloroformverbrauch. 3) Schwarz, 4) Polubogatow-Halbreich, Spinale Anästhesirung. 5) Wilms, Misch- geschwülste. R Loeb, Geschwulsttransplantation. 7) Fövrier, Milzschwellung bei Malaria. 8) Enderlen u. Justi, Gallenblasenwunden. 9) Ehret u. Stolz, 10) Richard- son, Gallensteine. 11) Fiexner und Pearse, Pankreatitis. 12) Parascandolo und Marchese, Cystitis. 13) Wyss, 14) Chevalier, 16) Palieske, 16) Harrison, 17) Pel, 18) Korteweg, Zur Nierenchirurgie. 19) Dührssen, Kolpocoeliotomia anterlor-lateralis. 20) de Rouville, Gynäkologische Erkrankungen. 21) Göbell, Lateral-retroperitoneale Geschwülste.

E. Göckel, Noch ein Fall von Recidiv nach der Winkelmann’schen Radikaloperation der Hydrocele. (Original-Mittheilungen.)

22) Thomson, Vom südafrikanischen Krieg. 23) Bolnet, Milzruptur. 24) Hammer, Leberrerletzung. 25) Morquio, 26) Ranzi, Leberabscess. 27) Pratt, 28) Frank, Gallensteine. 29) Schüler, Careinom der Vater’schen Papille. 30) Küttner, Pankreas- verletzung. 31) Köppe, Kryoskopie des Harns. 32) Hartiey, 33) Trendelenburg, Blasenspalte. 34) Latzko, Blasengeschwüre. 35) v. Hacker, Fremdkörper in der Blase. 36) Abrashanow, 37) Krassnobajew, Blasensteine. 38) Lindner, 39) Ssawel- jew, 40) Thorndike, Zur Nierenchirurgie. 41) de Quervaln, Leistenhoden. 42) Hei- satz, Varicocele. 43) Lorthloir, Hysterektomie. 44) Hannecart, Carcinom der Tuba Fallopii. 45) Terrier, Banzet, Gosset, Reymond, Operationsbericht. 46) Rebaudi, Elephantiasis des Hodensacks. 47) Einhorn, Scheinbare Bauchgeschwülste.

Über suprapubische Kystoskopie. Von Prof. Dr. P. Kraske in Freiburg i/B.

In den letzten Monaten habe ich zweimal Gelegenheit und Ver- anlassung gehabt, die kystoskopische Untersuchung von einer über der Symphyse gelegenen Blasenfistel aus zu machen. In dem einen Falle handelte es sich um eine Fistel nach einem hohen Blasenschnitt, der zur Entfernung eines von der hinteren Blasenwand ausgehenden Myoms ausgeführt worden war; im anderen war bei einem alten an Prostatacarcinom leidenden Manne wegen Urinverhaltung und Un- möglichkeit des Katheterismus die Punktion der Blase gemacht und eine Dauerkanüle eingelegt worden. In beiden Fällen konnte ein

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gewöhnliches Kystoskop bequem durch die Fistel eingeführt werden, nachdem sie leicht durch Laminariastifte erweitert worden war. Bei beiden Kranken hatte sich die urethrale Kystoskopie als un- möglich erwiesen. Bei dem Prostatiker war das Kystoskop über- haupt nicht einzuführen, bei dem anderen Kranken konnte man den Sphinkter zwar passiren, stieß aber mit dem Instrument sofort gegen einen von der früheren Operationsstelle aus vorspringenden starken Wulst und konnte es in der Blase nicht frei bewegen. Beide Male wurde also die Besichtigung des Blaseninnern erst durch die supra- pubische Kystoskopie überhaupt möglich, und namentlich konnte, worauf es bei beiden Kranken besonders ankam, die Gegend des Fundus und des Blasenausgangs in ausgezeichneter Weise zu Ge sicht gebracht werden, wie es bei der urethralen Kystoskopie auch entfernt nicht so gut hätte geschehen können.

Die Klarheit und Übersichtlichkeit des kystoskopischen Bildes überraschte und befriedigte mich in hohem Maße, und je öfter ich es betrachtete, desto mehr drängte sich mir die Frage auf, ob sich die suprapubische Kystoskopie nicht zu einer besonderen Methode ausbilden ließe.

Ohne Zweifel müsste diese Art der Kystoskopie in mehrfacher Beziehung große Vortheile bieten. Ich denke hier in erster Linie an die genauere Untersuchung des Blasenausgangs bei der Prostata- hypertrophie. Ein übersichtliches und den wirklichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Form der Prostata und dem Mechanis- mus, der die Entleerung des Urins erschwert und verhindert, zu ge- winnen, ist durch die urethrale Kystoskopie auch für den geübten Untersucher sehr schwierig, ja unmöglich, schon desshalb, weil das durch den Blasenhals eingeführte Instrument die Konfiguration und die Lage der Prostatalappen und -wülste verändert. Ein durch eine suprapubische Öffnung in die Blase gebrachtes Kystoskop zeigt hier die Theile sehr viel übersichtlicher und vor Allem in ihrer wirk- lichen Lage. Wie wichtig diese exakte Diagnose für die Behand- lung der Prostatahypertrophie ist, braucht nicht besonders hervor- gehoben werden. Ohne sie kann die Bottini’sche Operation, die zur Zeit wohl am meisten zu empfehlende und angewendete Methode der operativen Therapie der Prostatahypertrophie, in rationeller Weise gar nicht vorgenommen werden.

Aber die suprapubische Kystoskopie muss hier noch mehr leisten können. Nicht nur die für die Bottini’sche Operation so wichtige genaue Diagnose ermöglicht sie, auch die Operation selbst kann mit ihrer Hilfe unter der Kontrolle der Augen und darum besser und sicherer ausgeführt werden. Dasselbe gilt auch von allen ande- ren intravesikalen Operationen. Schon lange hat man sich bemüht, Instrumente zu konstruiren, die ein Kystoskop und ein Operations- geräth vereinigen und das intravesikale Operiren bei Licht ermög- lichen sollen. Es liegt in der Natur der Verhältnisse, dass die Leistungsfähigkeit derartiger Instrumente, mögen sie auch noch so

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sinnreich eingerichtet sein, sich doch niemals wird über ein gewisses, ziemlich bescheidenes Maß erheben können. Jedenfalls unterliegt es keiner Frage, dass das intravesikale Manipuliren freier, leichter und sicherer sein muss, wenn es durch ein Kystoskop kontrollirt wird, das in keiner Verbindung mit dem Öperationsinstrument steht.

Der Gedanke, die suprapubische Kystoskopie für gewisse Fälle methodisch auszuführen, lässt sich nun, glaube ich, auf verschiedene Weise verwirklichen. Entweder man macht in der gewöhnlichen Weise und mit dem gewöhnlichen Blasentrokar eine Punktion, lässt die Kanüle einige Tage liegen und dilatirt dann die Fistel mit Laminariastiften so weit, dass man ein gewöhnliches Kystoskop ein- führen kann. Oder man wählt zur Punktion einen geraden Trokar

von solcher Dicke, dass man durch seine Kanüle nach dem Heraus- ziehen des Stilets ein gerades Kystoskop einbringen kann. Am eir.- fachsten aber ist es, glaube ich, ein gerades Kystoskop mit einer Trokarspitze zu versehen, so dass man das Instrument direkt in die Blase stoßen kann, Nimmt man dazu ein Kystoskop, dessen opti- scher Apparat herausziehbar ist, so kann das Instrument gleichzeitig zur Spülung benutzt werden, und eine Verunreinigung des Prisma- fensters, die beim Einstechen in die Blase zu Stande kommen könnte, ist völlig ausgeschlossen. Ich habe unter sehr erfolgreicher Mit- wirkung meines Assistenten, des Herrn Dr. Meisel, ein solches In- strument man könnte es Punktions- oder Trokar-Kystoskop nennen konstruiren lassen (vgl. die Abbildung) und kann nach unseren

Versuchen versichern, dass es seinen Zweck in ausgezeichneter Weise erfüllt.

1) A. Köhler. Grundriss der Geschichte der Kriegschirurgie. (Bibliothek v. Coler Bd. VI.) Berlin, A. Hirschwald, 1901. 137 S. 21 Abbildungen.

Die häufig gehörte Klage über die Vernachlässigung historischer Studien unter den jetzigen Ärzten gilt glücklicher Weise nicht für das Gebiet der Kriegschirurgie, in dem die letzten Jahrzehnte nament- lich auch in Deutschland fleißige Arbeiten gezeitigt haben, als eine der letzten und gleichzeitig werthvollsten Gurlt’s meisterhafte Ge- schichte der Chirurgie, die so weit sie geführt ist der Kriegs- chirurgie die regste Theilnahme widmet. Zu den fleißigsten Mit- arbeitern auf demselben Gebiet gehört seit langer Zeit A. Köhler, und es war daher durchaus richtig, in der Bibliothek v. Coler ihm das Kapitel der Geschichte der Kriegschirurgie zu überweisen. Sein hier vorliegender Grundriss bewältigt mit Geschick auf kleinem Raum ein ungemein reiches Material, da der Autor auch die Entwicklung

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der Waffen, specieller der Schießwaffen von früher Zeit an, eben so die Geschichte des ärztlichen und Pflegepersonals in den Heeren berücksichtigt und andererseits jedes der einzelnen Kapitel mit der kurzen Darstellung des modernsten Zustandes auf dem abgehandelten Gebiete schließt. Eine Anzahl Abbildungen aus alten Kriegschirur- gien sind zur Belehrung wie zum Schmuck hier und da eingefügt.

Als einzige kleine Ausstellung möchte ich hervorheben, dass der Autor hier und da bei der Aufzählung einzelner Neuerungen mit den Jahreszahlen, selbst Jahrhunderten etwas willkürlich hin und herspringt, wudurch das Bild der Entwicklung der Kriegsheilkunst manchmal an Klarheit verliert.

Das kleine Buch sollte recht fleißig zur Hand genommen wer- den; denn wer sich ein richtiges Urtheil über den hohen Stand unserer jetzigen Kriegschirurgie bilden will, muss die Entwickung so- wohl der Waffenleistungen, wie der technischen Einrichtungen des Feldsanitätswesens, wie endlich der Kriegschirurgie und Kriegsmedicin wenigstens einigermaßen kennen. Richter (Breslau).

2) P.Lengemann. Statistisches über Chloroformverbrauch. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

L. hat den Chloroformverbrauch bei 1000 in der v. Mikulicz- schen Klinik ausgeführten Narkosen zusammengestellt und vergleicht die in der Zeiteinheit verbrauchten Chloroformmengen unter ver- schiedenen Gesichtspunkten in einer Reihe von Tabellen. Es ergab sich, dass auf den Chloroformverbrauch die verschiedensten Momente, so Alter und Geschlecht, Konstitution und Gewöhnung einen bald mehr bald minder großen Einfluss ausüben; aber sie allein erklärten die oft recht erheblichen Unterschiede im Chloroformverbrauch noch keineswegs. Verf. nimmt daher an, dass der Hauptantheil an diesen Unterschieden auf eine uns in ihrem Wesen noch dunkle Ursache, eine individuelle Disposition bezogen werden muss. Ähnlich wie beim Alkohol ertrage eben auch beim Chloroform der Eine mehr, der Andere weniger, ohne dass wir einen speciellen Grund hierfür an- geben können. Man vermag in Folge dessen auch nie von vorn herein zu bestimmen, welche Menge Chloroform ein Kranker brau- chen wird, und es werden daher voraussichtlich auch solche Apparate, die wie der Geppert’sche eine gleichmäßige Dosirung gewährleisten,

nicht absolut gegen eine zeitweise Überdosirung schützen. Honsell (Tübingen).

3) K. Schwarz. Erfahrungen über die medullare Cocaiu- analgesie. (Wiener med. Wochenschrift 1901. No. 48.) Auf Grund der Beobachtungen an 61 eigenen Medullarnarkosen betrachtet der Autor, welcher bei Tuffier das Verfahren nach Bier ausprobirt gesehen hat, dasselbe als eine nicht nur theoretisch äußerst

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interessante Entdeckung, sondern auch als praktisch ein in hohem Grade verwerthbares und schätzbares.. Er hält die Zurückhaltung des Schöpfers der Methode für zu weitgehend und bestätigt im All- gemeinen die gute Meinung und die Erfahrungen, welche besonders Tuffier bekannt gegeben hat. Die angewandte Menge Cocain soll aber die Bier’sche Dosis 0,015 nicht überschreiten; sie ist vollkommen ausreichend, und unterhalb derselben sind bedrohliche Erscheinungen nicht zu befürchten. Das höchst komplicirte Tuffier’sche Sterili- sationsverfahren ist ein Übelstand; der Autor kam damit aus, in frisch gekochtem sterilisirtem Wasser 0,02 Cocain aufzulösen und die entsprechende Menge einzuspritzen. Die beobachteten Erscheinungen sind die bekannten: von den Zehen aufsteigende Analgesie von 1 bis 1!’ Stunden Dauer mit erhaltener taktiler Sensibilität bis zur Höhe der unteren Brustapertur, welche eingeleitet wird von einem selten fehlenden UÜbelkeitsstadium von 5—10 Minuten Dauer. Unter den Nachwirkungen sind die Kopfschmerzen am konstantesten, in ca. 1/3 der Fälle Temperatursteigerung, jedenfalls durch direkte Erregung der Temperaturcentren. Das Alter der Operirten war 9—70 Jahre. Kontraindikation bietet Jugendalter und allzu nervöse, ängstliche Erregbarkeit. Die Methode scheint sicher wirksam bei allen Opera- tionen an den unteren Extremitäten, bei Bruchoperationen, bei Opera- tionen am After, bei Blasen-Scheidenfisteln. Bie größeren Eingriffen innerhalb der Bauchhöhle ist das Manipuliren an entzündetem Bauch- fell, an den Adnexen, das Umlegen und Vorziehen des Uterus bei der Exstirpation von lebhaften Schmerzen begleitet gewesen. H. Frank (Berlin).

4) N. L. Polubogatow-Halbreich. Beiträge zur Frage von der Cocainisation des Rückenmarks bei chirurgischen Operationen.

(Med. Obosrenje 1901. Juli. [Russisch] und Diss., Moskau, 1901. [Russisch.))

P. unternahm eine große Reihe von Versuchen an Hunden und Fröschen und bringt seine Erfahrungen in einer vorläufigen Mit- theilung. Schlussfolgerungen: Die Cocainlösung dringt vom Lenden- theil nach oben und unten und kann die Med. oblongata erreichen, besonders bei Trendelenburg’scher Lagerung; sie dringt auch in die Tiefe, in die graue Substanz (Diffusion, Osmose, Lymphbahnen). Bei normalen Dosen bleiben die vom verlängerten Mark und Kopf- hirn ausgehenden Nervenstämme unberührt, bei größeren werden sie gellhmt. Die Analgesie nimmt den hinteren Theil des Rumpfes ein uad ist total, beginnt schon nach 2—3 Minuten und wird nach 25 bis 30 Minuten maximal. Die Sensibilität schwindet metamerisch von oben nach unten, kehrt von unten nach oben wieder, doch nicht regelmäßig. Elektrisch untersucht ist die Cocainanalgesie vollkom- mener als bei gemischter Chloroform-Morphiumnarkose. Die taktile Sensibilität ist, wenn auch nicht vollständig, doch erhalten. Der

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Patellarreflex schwindet. Der Muskeltonus der hinteren Extremi- täten ist herabgesetzt; hier werden Paresen und Rigidität beobachtet, in den vorderen selten. In den Unterleibsorganen tritt Analgesie auf; die elektrische Erregbarkeit im Plexus solaris, mesenterici infer., in den Centralabschnitten der Nn. splanchnici ist herabgesetzt, be- sonders in den Nervenenden. Die Darmperistaltik wird viel schwä- cher, die Unterleibsorgane anämisch. Die Erregbarkeit und Leitungs- fähigkeit der Muskelnerven fällt, ist aber nicht aufgehoben. Bei Reizung der Hirnrinde sind die Muskelkrämpfe in der hinteren Körperhbälfte schwächer. Die Leitung im Rückenmark ist gelähmt oder sehr geschwächt. Der arterielle und venöse Blutdruck steigt (entgegen den Angaben von Tuffier und Hallion); die Ursache liegt im Anfang im Gefäßkrampf, später in der Wirkung des Cocains auf die Centren der Medulla obl. Die Reflexe auf Herz und Gefäße nach Reizung der sensiblen Nerven sind schwächer. Durch Aderlass geschwächte Hunde vertragen die Cocainisation gut. Der Druck in der V. portae steigt bedeutend. Die kleinsten ins Blut eingeführten Cocaindosen steigern den Blutdruck. Die Cocainisation lähmt wahr- scheinlich die in den hinteren Wurzeln verlaufenden Vasodilatatoren, worauf die Vasokonstriktoren Gefäßkrampf verursachen. Die Sekre- tion der Lymphe aus dem Ductus thoracicus ist herabgesetzt. Die Körpertemperatur steigt auf 1!/,—2°. Die Respiration wird weniger frequent, oberflächlich, bei großen Dosen tiefer und frequenter. Der Schädel- und Spinaldruck steigt. In die Nähe des Noeud vital in- jJieirt, verursachen selbst geringe Mengen des Cocains starke Exci- tation der Lebenscentren, wurauf bald Lähmung und Tod folgen. Auftragung des Cocains auf das bloßgelegte Rückenmark erzeugt Krampf der Scheidengefäße und der Gefäße in der peripheren Schicht der weißen Substanz. Auftragen auf die hinteren Säulen der weißen Substanz lähmt die Leitung der Schmerzreflexe in den entsprechen- den Regionen. Auftragen auf die hinteren Wurzeln des N. ischia- dicus in der Nähe des Rückenmarks erzeugt volle Analgesie des Nerven, wohl auch in Folge der direkten Wirkung auf die Zellen der grauen Substanz des Hinterhorns und deren Lähmung. Die doppelte Dose des Cocains erzeugt beim Hunde nach 4 Minuten volle Anästhesie des ganzen Körpers, Pupillendilatation, beschleunigte Respiration, Blutdrucksteigerung, Salivation. Weitere 2 Spritzen geben Anästhesie am Kopf, Lähmung der Extremitäten, Prostration, Erbrechen. Bei der Cocainisation wird das Volumen der Niere kleiner, eben so die Harnmenge.

Aus diesen Ergebnissen schließt Verf., dass die Komplikationen der Cocainisation des Rückenmarks (Dyspnod, Erbrechen, Kopf- schmerz, Fieber etc.) eine Folge des Vordringens der Lösung bis zum verlängerten Mark sind. Man muss also zur Vermeidung dieser unangenehmen, zum Theil selbst gefährlichen Nebenwirkungen 1) möglichst geringe Dosen injiciren, höchstens 1 cem; 2) die Lösung nicht stärker als 1% machen; 3) langsam injiciren; 4) Individuen

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mit geringer Körperlänge (Kinder!) nicht cocainisiren; 5) nicht bei Trendelenburg’scher Lagerung operiren. Ein schlechtes Herz bildet keine Kontraindikation. Wiederholte Cocainisation, selbst in kurzen Zwischenräumen, wird gut vertragen. Bei zielbewusster Handhabung ist die Methode recht brauchbar. Gückel (Medwedowka, Kijew).

5, M. Wilms. Die Mischgeschwülste. III. (Schluss-) Heft. 1. Theil: Mischgeschwülste der Brustdrüse. 2. Theil: Misch- geschwülste der Speicheldrüsen und des Gaumens. 3. Theil:

Allgemeine Geschwulstlehre. Leipzig, Arthur Georgi, 1902. Mit 14 Textabbildungen.

Mit vorliegendem Hefte bringt W. die monographische Bearbei- tung der Mischgeschwülste, über deren beide ersten Hefte in d. Cen- tralblatt für 1899 in No. 38 und für 1900 in No. 10 referirt wurde, zum Abschluss.

Im ersten Theil des Heftes behandelt er zunächst die sog. Cystofibrosarkome der Mamma, die sich durch das Vorkommen von Plattenepithel auszeichnen. Dieses Plattenepithel wurde von der Mehrzahl der Untersucher dieser eigenthümlichen Geschwulstart auf eine Metaplasie des Drüsenepithels zurückgeführt. W. verwirft diese Auffassung und erklärt die Entstehung dieser Geschwülste durch die Wucherung eines aus der Embryonalzeit unverbraucht liegen gebliebenen ektodermalen Keimes der Brustgegend. Diesem Ektoderm kommt die Fähigkeit zu, einerseits Epidermis, andererseits Brustdrüsen zu bilden. Die Nachahmung beider Vorgänge findet sich in der in Rede stehenden Geschwulst: Durch irgend einen äußeren Anlass Trauma, Entzündung, Wachsthum oder Schrum- pfung der Mamma, Laktation wird der schlummernde, unverbrauchte Keim zur Wucherung angeregt und findet dabei keinen Anschluss an ein seiner Entwicklungsperiode gleichendes Nachbargewebe. >Er wuchert desshalb ungeordnet, geschwulstartig, ohne normale Wachsthumsbegrenzung. Einem Theil der geschwulstartig wuchern- den Ektodermzellen gelingt es unter günstigeren lokalen Verhältnissen, eine reguläre Differenzirung einzuleiten. Das Ektoderm der Mamma- region bildet dann, wie in der Norm, Zellen, die sich zu Epider-. mis und Drüsenkanälen umbilden. Diese Drüsenkanäle stehen in Zusammenhang mit der Epidermis wie bei der normalen Entwick- lung. Scharf setzt sich dabei an der Stelle, wo der Drüsenschlauch sich abzweigt, das Cylinderepithel gegen das Plattenepithel ab. Der einmal differenzirte Drüsenkanal wuchert weiter, verzweigt sich und bildet unter günstigen Verhältnissen ganze Acini der Mamma. Eben so wächst das differenzirte Plattenepithel für sich weiter. Es ent- stehen Plattenepithelkanäle mit Hornperlen, oder die Kanäle er- weitern sich und bilden Cysten, die mit Hornkugeln (Atherombrei) gefüllt sind. Auch kann das Ektoderm in einem Kanal die verschie-

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denen epithelialen Formationen aus sich bilden; erweitert sich dann der Kanal zu einer Cyste, so finden wir, wie so oft, in der Geschwulst beide Epithelarten neben einander in einem Hohlraum.«

Auch der bindegewebige Antheil der Geschwulst lässt erkennen, dass wir dieselbe auf eine embryonale Anlage zurückführen müssen. Man findet in demselben in den jüngeren Partien Stellen, die einem Rund- oder Spindelzellensarkom gleichen, daneben dem Endo- und Peritheliom ähnliche Bilder, wieder an anderen Stellen, wo das Ge- webe mehr differenzirt ist, normale, derbe Bindegewebszüge, zum Theil mit reichlicher Kollagenausscheidung, wie in der Subcutis, endlich myxomatöse und angiomatöse Partien. Das Zwischen- gewebe stammt also nicht von dem Bindegewebe der Brustdrüse ab, sondern von einem Mesenchymkeim, der mit dem Ektodermkeim zusammen unverbraucht liegen blieb und erst nach Jahren zu wuchern anfing.

W. will diese Geschwülste als »Mischgeschwülste der Mamma« bezeichnet wissen und stellt ihnen an die Seite die abgekapselten Geschwülste der Brustdrüse, die unter den verschiedensten Namen als Cystosarkome, Cystadenome, Adenomyxome, Cystosarcoma phyl- lodes, intracanaliculäres Myxom, Cystosarcoma proliferans etc. be- schrieben worden sind. Diese haben seiner Ansicht nach eine ähn- liche Genese wie die genannten Mischgeschwülste, nur gehörte der Keim, der nicht zur Bildung der Brustdrüse verbraucht wurde, sondern liegen blieb, einer späteren Periode an, als sich die beiden Ektoderm- keime, die. die Fähigkeit besitzen, Epidermis oder Brustdrüsengewebe zu bilden, aus dem ursprünglichen, dem beide Eigenschaften zukamen, bereits differenzirt hatten. Aus dem Mammagewebe bildenden Keime gehen die in Rede stehenden Geschwülste nach W. hervor.

Auch hinsichtlich der einfacheren und komplicirten Misch- geschwülste der Parotis, der Submaxillaris, des Gaumens, der Wange und Thränendrüse nimmt W. eine ähnliche Genese an. Entgegen der Ansicht von Volkmann, Nasse u. A., die diese Neubildungen als endotheliale Geschwülste auf die Zellen des Bindegewebes zu- rückführten, will W. in ihnen wenigstens den komplicirteren For- men derselben echtes Platten- und Drüsenepithel nachgewiesen haben und führt sie zurück auf embryonale Keime, >»die, bei der Entwicklung beiseite geschoben, nicht mit zum Aufbau des Organis- mus verwendet worden sind und nun verspätet in Wucherung ge- rathen. Je nach der Entwicklungsstufe, auf der diese Keime standen, als sie aus dem normalen Verbande herausgeschoben und zu längerer Ruhe verurtheilt wurden, sind die Produkte ihres späteren Wachs- thums mehr oder weniger komplicirt«. Dass diese Geschwülste trotz ihres stellenweise carcinom- und sarkomähnlichen Aufbaues nicht den Charakter von bösartigen Geschwülsten zeigen, erklärt sich neben dem gewissermaßen organischen Zusammenhang, in dem die gleich- zeitig wuchernden Ektoderm- und Mesenchymkeime stehen und der eine gegenseitige Hemmung eines unbeschränkten Wachsthunms be-

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dingt, aus gewissen mechanischen Momenten (derbe Bindegewebs- kapsel etc.).

Auf den letzten, der allgemeinen Geschwulstlehre gewidmeten Abschnitt der Arbeit näher einzugehen, müssen wir uns versagen. So interessant die in demselben enthaltenen Ausführungen sind, so weite, zum Theil überraschende Ausblicke auf viele Gebiete der Ge- schwulstlehre sie gewähren, und so beachtenswerth die Streiflichter sind, die durch sie auf gerade jetzt im Vordergrunde des Interesses stehende Theorien, z. B. die der bakteriellen Entstehung der Sarkome und Carcinome, fallen, so sind sie doch nur verständlich an der Hand der sie begleitenden entwicklungsgeschichlichen und vergleichend-anatomischen Ausführungen, die wir hier nicht aus- führlich wiedergeben können. Gerade diese Abschnitte des ungemein gründlichen und von einer vollkommenen Beherrschung des weiten Gebietes der Geschwulstlehre zeugenden Werkes dürften des all- gemeinsten Interesses sicher sein. R. Hippel (Kassel).

6) L. Loeb. On transplantation of tumors. (Journ. of med. research 1901. Vol. VI. No. 1.)

Verf. hat 150 Thieren, meist Ratten, Sarkomstückchen theils in das Unterhautgewebe, theils in die Bauchhöhle transplantirt. Als Ausgangsgeschwulst diente ein kleinzelliges, gefäßreiches, cystisches Sarkom der Schilddrüse einer weißen Ratte. Die transplantirten Stücke wurden in den verschiedensten Wachsthumsstadien 6 Stun- den bis über 3 Monate untersucht. Sie zeigten ein etwa am 10. Tage beginnendes, von der Randzone unter Betheiligung des um- gebenden Bindegewebes ausgehendes rapides Wachsthum. In der centralen Partie traten degenerative, zu Cystenbildung führende Ver- änderungen ein.

Durch Injektion von Flüssigkeit der Geschwulsteysten in die Bauchhöhle wurde 3mal Übertragung erzielt.

Einschleppung von Infektionskeimen bei der Transplantation hatte ungleichmäßiges, oft verspätetes Wachsthum einzelner Ge- schwulstabschnitte und häufig lokale Metastasen in der nächsten Umgebung zur Folge.

Einige Male konnten von einem implantirten Stück aus, das Stillstand oder selbst Rückgang des Wachsthums zeigte, doch weitere erfolgreiche Übertragungen ausgeführt werden.

. Die künstlich erzeugten Neubildungen büßten nichts von ihrer Übertragungsfähigkeit ein und bewahrten genau die Struktur der primären Geschwulst. Wie diese, bildeten sie nie allgemeine

Metastasen. Kleinschmidt (Kassel).

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7) C. Fevrier. Chirurgie de la splenomegalie paludique. (Méd. moderne 1901. No. 43.)

Nach einer Besprechung der Symptomatologie der chronischen Milzschwellung bei Malaria und der Unzulänglichkeit der internen Therapie diesem Leiden gegenüber, konstatirt F., dass die anfänglich als zu gefährlich verworfene operative Behandlung sich allmählich das Bürgerrecht in der Chirurgie erworben hat, und dass die in früheren Jahren zwischen 25—27% schwankende Mortalität der Operation in der letzten Zeit auf etwa 17—18% herabgegangen ist. Die größte Gefahr für die Operation stellen die ausgedehnten Ver- wachsungen des vergrößerten Organs dar, die den Operationsakt außerordentlich in die Länge ziehen und der Blutstillung schwer oder gar nicht zu bewältigende Hindernisse bereiten können. Dess- halb sollte man beim Bestehen derart ausgedehnter Verwachsungen von der Operation lieber Abstand nehmen. Leider ist aber eine vorherige Diagnose derselben meist nicht möglich. Die Probelaparo- tomie wird daher zu Recht bestehen bleiben mit der Maßgabe, bei Konstatirung ausgedehnter Verwachsungen, besonders mit dem Zwerchfell, die Operation abzubrechen und auf eine Exstirpation des Organs zu verzichten. Um so leichter wird man sich zu einem solchen Vorgehen entschließen, als verschiedentlich die Erfahrung gemacht worden ist, dass der Bauchschnitt als solcher günstig auf das Leiden einwirken kann, indem er den Ascites zum Schwinden bringt, wonach nicht selten eine Rückbildung des vergrößerten Or- gans eintritt.

Kontraindicirt ist die Operation bei einem so heruntergekom- menen Allgemeinzustand, dass ein größerer Eingriff nicht mehr in Frage kommen kann, und bei vorgeschrittener Tuberkulose, während Schwangerschaft als solche keine Kontraindikation abgiebt.

Der Vorschlag von Jonnesco, die Splenektomie als Präventiv- operation auszuführen, um die Malariakachexie zu verhüten, ist nicht zur Nachahmung zu empfehlen, da die Entfernung der Milz die Malaria als solche nicht zu heilen vermag. Nur die Geschwaulst als solche und die Beschwerden, die sie verursacht, können die In- dikation zur Operation geben.

Nach kurzer Besprechung der Technik der Operation und Hin- weis auf die Wichtigkeit exaktester Blutstillung giebt F. zum Schluss sein Urtheil über die Exosplenopexie als Ersatzoperation der Splen- ektomie bei ausgedehnten Milzverwachsungen dahin ab, dass diese Methode noch zu selten ausgeübt wurde, um sie bisher empfehlen zu können, dass aber der gute Erfolg, den Houzel in einem Falle mit ihr erzielte, hoffen lässt, dass dieselbe eine Zukunft hat.

R. v. Hippel (Kassel‘.

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8) Enderlen und Justi. Über die Heilung von Wunden der Gallenblase und die Deckung von Defekten der Gallen-

blase durch transplantirtes Netz. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 235.)

Verff. haben im Labaratorium der Marburger chirurgischen Klinik die feineren Wundheilungsverhältnisse an der Gallenblase mittels Thierexperiment studirt. Für einfache Cystotomie dienten Kaninchen, denen nach loser Unterbindung des Cysticus die Gallenblase eröffnet und mit fortlaufender Lembertnaht wieder geschlossen wurde. Die Versuchsobjekte wurden vom 1. bis 21. Tage täglich entnommen und genau histologisch kontrollirt. Es zeigte sich, dass die ein- gestülpte Gallenblasenwand eine ausgedehnte Nekrose mit Leuko- cyteninfiltration erfährt, wobei das Epithel am wenigsten geschädigt wird. Letzteres zeigt nach 3 Tagen Wucherungsvorgänge, Mitosen, Zelltheilungen. Dessgleichen, doch weniger stark, treten an der Mus- cularis, dem Bindegewebe progressive Veränderungen auf. Am 4. Tage kommen junge Kapillaren hinzu. Der raschen Wiederkehr normaler Verhältnisse steht aber eine reichliche Abstoßung von Zellmaterial in die Lichtung der Gallenblase entgegen, dessen Entleerung (wenig- stens beim Kaninchen) auch bei nicht abgebundenem Cysticus keine leichte ist. Zum Schlusse zeigt die geheilte Gallenblasennarbe einen vollkommenen Schleimhautersatz.

2) Zu Transplantationen des Netzes auf Gallenblasenwanddefekte dienten kleine Hunde. Die 5—10Pfennigstückgroßen Defekte gelang es sehr gut durch die Netzdecke dauernd zu schließen. Histologisch fand sich im transplantirten Netz Bindegewebswucherung und später Schrumpfung. Sehr bald bildet sich auf ihm ein Epithelüberzug, der sich mit der darunter liegenden neugebildeten Schleimhaut in Falten erhebt. Der ursprüngliche Defekt verkleinert sich in Folge der Schrumpfung des Netzes und der Kontraktion der Muscularis. 3 mikroskopische Abbildungen veranschaulichen diese Vorgänge.

3) Schließlich wiederholten die Verf. einen von A. V. Cornil und P. Carnot angestellten Versuch. Beim Hunde wird nach Unter- bindung des Cysticus die Gallenblase gespalten und ibre Schnitt- hälften beiderseits nach außen ausgebreitet an die Leberoberfläche angenäht, so dass ihre Schleimhaut freiliegt. Wird das Versuchsthier nach 3'/, bis 4 Wochen getödet, so findet man eine Spontanheilung vor, entstanden dadurch, dass die anliegenden Leberlappen zusammen- getreten sind, und die aufgeschnittene Gallenblase sich wieder zu einem Hohlraume geschlossen hat. Ein einschlägiges Versuchs- präparat ist bei Lupenvergrößerung abgebildet.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

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9) Ehret und Stolz. Experimentelle Beiträge zur Lehre

von der Cholelithiasis. (Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 4 u. 5.)

Im weiteren Verfolg ihrer Untersuchungen (s. dieses Centralblatt 1901 p. 457 u. 964) beschäftigen sich Verff. in diesem 4. Theile ihrer Arbeit mit der Frage, welche Bedeutung Fremdkörper in den Gallen- wegen für das Zustandekommen von Ikterus haben.

Zunächst stellten sie fest, dass die Gallengänge eines frisch ge- tödteten Thieres für Sonden steigender Dicke viel besser durchgängig und dehnbar sind, als man nach Untersuchung von todten Geweben meinen sollte. Brachten sie Hunden Porzellankugeln in die Gallen- blase, so gingen recht große, bis 9 mm im Durchmesser, durch den Choledochus in den Darm. Die Gallengänge werden dabei weiter und dickwandiger; diese Wirkung wird auch auf die oberhalb des Fremdkörpers gelegenen Ramifikationen des Gallengangbaumes aus- geübt. Die Papille ist viel weniger dehnbar als der Choledochus und erleidet beim Durchtritt vom Fremdkörper leicht Einrisse.

Die aus der Gallenblase in den Choledochus eingewanderten Fremdkörper bedingen eine bald sehr geringe, bald stark ausge- sprochene Stauung der Galle. Die Intensität dieser Stauung hängt jedoch keineswegs von der Größe der Fremdkörper ab. Von großer Bedeutung ist, dass Verff. durch ihre Experimente feststellen, dass ein aus der Gallenblase in die Gallenwege eingewanderter Fremd- körper, für sich allein und als rein mechanisches Hindernis be- trachtet, nicht im Stande ist, den Gallenabfluss in den Darm für längere Zeit absolut zu verhindern. Die Hunde zeigten in manchen Fällen Ikterus, wo die Entleerung der Galle in den Darm meist nachweisbar gestört schien, während andererseits der Ikterus in manchen Fällen fehlt, wo eine Verminderung, ja zeitweise Sistirung der Galleentleerung zweifellos war. Daraus ergiebt sich der bedeut- same Schluss, dass die lokale Obstruktion durch Fremdkörper in den Gallenwegen weder die direkte noch die ausschließliche Ursache des dabei in manchen Fällen sich einstellenden Ikterus ist. Es spielen jedenfalls noch andere Momente beim Zustandekommen des Ikterus eine wesentliche, wenn nicht entscheidende Rolle. Die bakterio- logische Untersuchung ergab nun, dass die Gallengänge bei Ikterus regelmäßig inficirt waren, während der Infekt regelmäßig fehlte bei nicht ikterischen Thieren: also der Infekt wirkt beim Vorhandensein von Steinen in den Gallenwegen zum Zustandekommen des Ikterus entscheidend mit. Eine Infektion tritt aber, wie Verff. früher gezeigt haben, bei Vorhandensein von Fremdkörpern in Folge der motorischen Schädigung sehr leicht ein. Es wäre also angezeigt, den Namen Obstruktionsikterus fallen zu lassen. Verf. führen zahlreiche Be- obachtungen am Menschen an, die mit diesen durch das Thier- experiment gegebenen Anschauungen übereinstimmen.

Haeckel (Stettin).

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10) Richardson. Under what circumstances (excepting emer- gencies) is it desirable, to operate upon gallstones for radical cure or for relief?

(Boston med. ard surg. journ. 1901. September.)

Es werden die Gründe für und gegen eine Operation sorgfältig abgewogen. Zu Gunsten der Operation sprechen folgende:

1) Die Operation ist in der Regel leicht und sicher, die Steine sind schnell entfernt. Die Gefahr der Operation wird vom Verf. als geringer angesehen, als die des Durchgangs des Gallensteines durch die Gallenwege. 2) Die in späterer Zeit durch Gallensteine bedingten Gefahren sind durch Operation zu vermeiden oder doch zu verrin- gern, nämlich Kachexie, plötzlicher Tod und bösartige Geschwülste. 3) Falls sich die Diagnose als falsch erweist nach Ausführung der Laparotomie, werden doch oft Krankheiten entdeckt, die Gallensteine vorgetäuscht haben und nun operativ beseitigt werden können. Aus seiner eigenen Erfahrung führt Verf. an: Pyloruscarcinom, Pyo- nephrose, Coloncarcinom an der Flexura hepatica, mehrfach Erkran- kung des Pankreas wurden so mit Glück in einem sehr frühen Zu- stande operirt. 4) Spätoperationen bei Gallensteinen sind gewöhn- lich gefährlich und schwierig. Die Todesfälle sind meist diesen Spätoperationen zur Last zu legen. Die Gefahren bestehen in Er- schöpfung des Pat. durch häufige langdauernde Anfälle, Ikterus mit seinen Folgen, Verwachsungen in der Umgebung der Gallenblase. Einkeilung der Steine in den Ausführungsgängen, septischem Inhalt der Gallenblase und Wachsen des Zeitraumes, der zur Operation nöthig ist, wenn derartige schwierige Verhältnisse vorliegen.

Gegen die frühzeitige Operation führt R. folgende Gründe an:

1) Eine gewisse Gefahr ist mit der Operation stets verbunden. 2) Die Diagnose kann fehlerhaft und desshalb der Eingriff unnöthig sein. Diese beiden Gegengründe sind oben schon widerlegt. 3) Es kann sich ein Bauchbruch in der Narbe bilden. Dies wird bei frischen Fällen, bei denen oft primär genäht werden kann, seltener vorkommen, als bei Spätoperirten. 4) Es können Rückfälle eintreten. In seiner Praxis hat Verf. bisher keinen Rückfall beobachtet. 5) Es kann von selbst Genesung eintreten. Nach Verf.s Ansicht ist diese Aussicht sehr gering, und die Gefahren sind groß, besonders bei Spontanheilung durch Bildung einer direkten Verbindung zwischen Gallenblase und Darm. Auch in den günstigsten Fällen hat der Kranke viel zu leiden, wenn Spontanheilung abgewartet wird. 6) Die Möglichkeit ist vorhanden, dass die Anfälle von selbst aufhören. Diesen Grund könnte man höchstens mit in Erwägung ziehen, wenn aus anderen Ursachen an sich schon eine Kontraindikation der Ope- ration bestände.

R. kommt zu dem Schluss: Gallensteine müssen entfernt werden, sobald die Diagnose feststeht, außer wenn Kontraindikationen durch das Allgemeinbefinden oder durch andere Erkrankungen begründet sind. Trapp (Bückeburg).

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11) S. Flexner and R. Pearse. Experimental pancreatitis. (Univ. of Pennsylviana bull. 1901. August.)

Die Verff. berichten als Fortsetzung einer früheren Arbeit (Uni- versity med. magazine 1901 Januar) über Experimente an Hunden, welchen sie verschiedene Flüssigkeiten: künstlichen Magensaft und Galle, Formalin, Lösungen von kaustischen Alkalien und Anfschwem- mungen pathogener Bakterien, entweder in den Wirsung’schen Gang oder direkt in das Parenchym des Pankreas einspritzten. Schlüsse: Nach den Einspritzungen entwickelt sich beim Hunde schwere Pankreatitis, am häufigsten eine schnell tödlich verlaufende, mit Glykosurie und ausgedehnten Fettnekrosen einhergehende hä- morrhagische Entzündung. Bleibt das Thier mehrere Tage am Leben, so finden sich gewöhnlich Sequestrationen einzelner Theile des Organs; tritt der Tod erst nach Wochen ein, so kommt es zur Bil- dung von Cysten, Abscessen und theilweiser Sklerose. Letztere kommt hauptsächlich bei abgeschwächter Wirkung obiger Substanzen zu Stande. Blutung ist ein gewöhnlicher Befund bei allen Formen der Entzündung, beherrscht oft den Process und tritt meist mehr hervor als die entzündlichen Veränderungen. Die Anwesenheit von Blut allein in den Geweben bedingt noch keine akute Entzündung; sie befördert eine rasche Entwicklung einer chronischen proliferiren- den inter- und intra-acinösen Pankreatitis. Eine veränderte Rich- tung der normalen Sekretion, wobei die Säfte (Magensaft und Galle) in das Pankreas eintreten, bringt Entzündung hervor. Die Milz hat keinerlei Einfluss auf die Entwicklung einer Pankreatitis und die Entstehung von Fettnekrosen. Diese finden sich bei allen Formen der Entzündung, und zwar um so zahlreicher und ausgebreiteter, je akuter der Process sich entwickelt. Sie können bereits 8 Stunden nach der Läsion des Pankreas vorhanden sein. Glykosurie erscheint frühzeitig (frühestens 30 Minuten) nach dem Eingriff und verschwin- det nach einigen Tagen, auch wenn dauernde Veränderungen im Pankreas zurückbleiben. (3 Abbildungen). Mohr (Bielefeld).

12) C. Parascandolo und E. Marchese. Das Curettement der Blase als Behandlungsmethode der Cystitis. (Wiener med. Wochenschrift 1901. No. 40—43.)

Die Autoren haben sich durch Versuche an 10 Hunden, welchen sie durch Injektion virulenten Materials in die Blase, Läsion der Schleimhaut oder Einverleibung von Fremdkörpern mit nachfolgender Urinretention, theils durch Unterbindung des Penis, theils durch Verstopfung des Katheters verschiedene Formen von Cystitis bei- gebracht hatten, davon überzeugt, dass die von Cumston an Men- schen mit Erfolg ausgeführte Auskratzung der Blasenschleimhaut auf die Beschaffenheit des Urins und die subjektiven Beschwerden einen hierfür günstigen Einfluss übt. Nach längerer Beobachtungs- dauer zeigten sich die Thiere vollkommen geheilt.

Herm, Frank (Berlin).

u— phm Fy i io

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13) W. O. Wyss. Zwei Decennien Nierenchirurgie. Mit Vorwort von Prof, Krönlein und 21 Tafeln. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 1.)

Verf. hat die reichen Erfahrungen über Nierenchirurgie, welche in den letzten 20 Jahren in der Krönlein’schen Klinik gesammelt wurden, einer in jeder Beziehung mustergültigen Bearbeitung unter- zogen. Das ganze, 118 Fälle mit 98 Operationen umfassende Mate- rial wird nach gemeinsamen Gesichtspunkten (Ätiologie, Symptoma- tologie etc.) gegliedert und ausführlich besprochen. Die Kranken- geschichten sind theils im Text, theils am Schluss der Arbeit aus- führlich wiedergegeben und werden durch eine Sammlung von Farbentafeln illustrirt, wie sie reichbaltiger und schöner wohl auf dem Gebiete der Nierenpathologie noch nie geboten worden ist. Die Resultate seiner Ausführungen fasst W. dahin zusammen, dass Hydronephrosen nicht entstehen bei akutem Harnleiterverschluss, so lange das Nierenbecken unversehrt ist, wohl aber bei intermittirendem Verschluss und Ureterstenosen, besonders wenn gleichzeitig die Nierenbeckenmuskulatur verändert wird. Nierentuberkulosen sind häufig primär. Die Niere erhält durch die Tuberkulose oft ein ge- lapptes Aussehen. Spontane Ausheilungen kommen vor, sind aber äußerst selten, und bis zur Ausheilung besteht eine große Gefahr für die andere gesunde Niere. Unter den Neubildungen der Niere kommen echte Knochengeschwülste vor. Auch bei den größten Nierengeschwülsten ist, so weit sie überhaupt noch operabel sind, die Exstirpation auf extraperitonealem Wege möglich. Bei den Nierenoperationen ist die Äthernarkose dem Chloroform vorzuziehen. Die Exstirpation der tuberkulös erkrankten Niere ist eine der erfolg- reichsten Operationen. Intermittirende, durch Wanderniere entstan- dene Hydronephrosen erheischen vor Allem die Nephropexie. Bei akutem, irreparablem Harnleiterverschluss soll die Niere auch bei gutem Kräftezustand und normalem Verhalten der anderen Niere nur dann entfernt werden, wenn renale Schmerzanfälle vorliegen oder ein ungenügender Verschluss (intraperitoneale Ligatur) des oberen Harn- leiterstumpfes besteht. Es giebt eine polyeystische Degeneration nicht nur einer einzelnen Niere, sondern auch eines einzelnen Nieren- abschnittes bei makroskopisch völlig normalem Verhalten der übrigen Theile. Therapeutisch verhalten sich diese Fälle wie genuine Neu- bildungen einer Niere. Honsell (Tübingen).

14) E. Chevalier. De lintervention chirurgicale dans le rein mobile. (Méd. moderne 1901. No. 44.) C. unterscheidet die dyspeptische, die neurasthenische und die schmerzhafte Form der Wanderniere. Bei der erstgenannten Form können die Störungen von dreierlei

Art sein:

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1) Rein mechanische selten —, wie Darmbeengung durch Druck der verlagerten Niere, Ikterus und Cholelithiasis durch Druck auf den Choledochus, Kompression oder Verzerrung des Duodenum mit Dilatation des Magens. Darmverlegung und Ikterus sind präcise Indikationen der Operation; kennt man die Ursache, so macht man sofort die Nephropexie, anderenfalls die Laparotomie und nach Er- kennung der Sachlage die genannte Operation.

2) Nervöse Störungen des Verdauungsapparates sehr häufig: Atonie, Verstopfung, atonische Magenerweiterung, Gastralgie, Hyper- chlorhydrie, Erbrechen.

3) Störungen durch nebenhergehende Enteroptose (Glenard- sche Krankheit); hier wird die Operation gewöhnlich verworfen, kann aber gelegentlich doch segensreich wirken.

Bei der neurasthenischen Form versagt die Nephropexie in etwa der Hälfte der Fälle. Man soll diese Form zunächst stets intern und orthopädisch behandeln und nur bei Versagen dieser Mittel operiren, aber auch dann sich ausdrücklich sehr reservirt über den zu erwar- tenden Erfolg äußern, da die Operation den Zustand auch ver- schlimmern kann. |

Die schmerzhafte Form, wenn sie mit wenig Verdauungs- und Nervenstörungen verbunden ist, bieten die besten Aussichten für eine erfolgreiche Operation; sie ergiebt etwa 88. % Heilungen. Trotz- dem möchte Verf. auch in diesen Fällen stets erst die Behandlung mit geeigneten Bandagen versuchen und erst nach dem Versagen derselben zur Operation schreiten. Selbstverständlich spielt die sociale Stellung der Pat. eine wesentliche Rolle bei der Indikationsstellung.

Hämaturie und Pyurie stellen besondere Indikationen zum Ein- griff dar, eben so die Einklemmung der Niere und die intermittirende Hydronephrose. Letztere erfährt eine eingehende Besprechung, wo- bei besonders auf den Werth des Harnleiterkatheterismus für Diffe- rentialdiagnose und Indikationsstellung hingewiesen wird. Indika- tionen und Kontraindikationen für den chirurgischen Eingriff werden ausführlich erörtert, eben so die verschiedenen Operationsmethoden, namentlich die plastischen Operationen am Harnleiter. Dieser Theil der Arbeit mag im Original eingesehen werden; er bietet nichts wesentlich Neues oder von den Ansichten deutscher Chirurgen Ab- weichendes. E. v. Hippel (Kassel).

15) Palleske. Zur Therapie der Nephritis acuta. (Therapie der Gegenwart 1901. No. 12.)

Verf. empfiehlt beim Versagen der Schweißbehandlung der akuten Nephritis ein chirurgisches Eingreifen, und zwar Punktion des As- cites und Drainage des Hydrops durch Einlegung von Trokarröhren in die Waden. Die Beseitigung des Ascites ist desswegen von Werth, weil zwischen der Zunahme desselben und dem Nachlassen der Nierenthätigkeit ein direkter Zusammenhang besteht. Der Ascites kann ganz entleert werden, gefährliche Druckschwankungen treten

* ——⸗

Centralblatt für Chirurgie. No. 6. 169

dabei nicht auf. Nach der Ablassung des Ascites wirkt auch wieder die Digitalis, die vorher meist versagt. Wichtig ist, gleichzeitig mit der Entleerung des Ascites die Drainage des Hydrops vorzunehmen, weil damit sonst eintretende Lymphstauungen, die am Halse, den Schulterblättern, in der Nierengegend und an den Oberschenkeln zur Beobachtung kommen, vermieden werden.

Nach?so ausgiebiger Entwässerung des Körpers steigt die Urin- menge, der Eiweißgehalt nimmt ab. Beim Eintreten von Lymph- stauungen wird der Urin wieder trüber und blutig.

In leichten Fällen tritt nach der zweiten Bauchpunktion Hei- lung in 8—14 Tagen ein, in ungünstigen Fällen kommt der Ascites wieder, und nach 3—4 Monaten tritt der Tod ein.

Die rasch eintretende Besserung ist eine direkte Folge der star- ken Entwässerung und damit der Entgiftung des Körpers.

Silberberg (Hirschberg i/Schl.).

16) Harrison. Nefrotomia nelle nefriti. '(Gazs. degli ospedali e delle clin. 1901. No. 135.)

Diagnostische Irrtbümer führten zuerst zur Nephrotomie bei Nephritis und erwiesen somit die Nützlichkeit des Eingriffes.. In diesen Fällen, die theilweise gebessert, theilweise geheilt wurden, bestand eine besonders starke Spannung der Kapsel, die H. als Glau- kom der Niere bezeichnet. Da 4,8% aller Todesfälle auf Rechnung des Scharlachs und hier wieder meist auf Nephritis fällt, so könnte die Bedeutung der Nephrotomia capsularis eine große sein. H. stellt folgende Indikationen für die Operation schon heute auf. 1) Akute Nephritis, bei der der Eiweißgehalt, anstatt zu fallen, bestehen bleibt oder zunimmt. 2) Starke Verminderung der Urinabsonderung in Folge von kongestivem Überdruck. 3) Kombination von Herzaffek- tionen und Nephritis.

Bei der Incision sind besonders starke mit Blut gefüllte Partien zu erkennen, die man mit der Nadel noch punktirt, wobei das Blut sich im Strahl entleert. Doch muss man sich hüten, mit der Nadel das Nierenbecken zu verletzen. Ä

Der Einschnitt wird am freien Rand der Niere gemacht. Es genügt, auch bei doppelseitiger Nephritis einseitig zu operiren, da vielleicht auf dem Reflexwege die andere Niere mitheilt. Das geht aus dem Verhalten des Albumens hervor.

Pousson hatte mit der Methode H.’s 2 Heilungserfolge bei akuter hämatogener Nephritis und vorübergehende Besserungen bei thronischer Nephritis. Dreyer (Köln).

11) Pel. Die Nierenentzündung vor dem Forum der Chirurgen. Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. VII. Hft. 4 u. 5.)

Nachdem P. vorausgeschickt, dass bei der sog. renalen Hämophilie, bei mehr oder weniger umschriebenen Entzündungsprocessen, so wie bei der akuten ascendirenden Nephritis, wie sie bei Blasenkranken

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vorkommt, und wobei die Entzündung des Nierenbeckens oft eine Rolle spielt, die chirurgische Intervention gewiss nicht selten von großem Erfolg sein dürfte, richtet er seine kritischen Untersuchungen ausschließlich auf die Frage, was man bei der echten Nephritis hämatogenen Ursprungs, der >nephrite medicale« der Franzosen, also beim Morbus Brightii von der Operation zu erwarten habe. Indem er die bisher operativ behandelten Fälle kritisch sichtet, kommt er zu dem Resultat, dass sie meist durch besondere Symptome, welche dem gewöhnlichen Bilde des Morbus Brightii nicht angehören, aus- gezeichnet waren, wie einseitige Kolikschmerzen, starke Blutungen, belangreiche Schwellung einer Niere oder Fieber. Die gewöhnliche Nierenentzündung kann nur durch ein Symptom den chirurgischen Eingriff fördern: durch die Anurie, und auch durch diese nur, wenn sie auf Cirkulationsstörung beruht; da kann der Schnitt durch die Nierenkapsel oder durch das Nierenparenchym entlastend wirken. P. zweifelt, ob in allen bisher operirten Fällen die Operation noth- wendig war, und verweist auf die Überraschungen, die man beim Verlauf mancher Nephritiden erlebt, indem manchmal die Diurese sich unerwartet wieder hebt, wo jede Aussicht auf Heilung aus geschlossen schien. Er warnt davor, die Erwartungen in Bezug auf die chirurgische Therapie der Nephritis zu hoch zu schrauben; die vorliegenden Erfahrungen seien noch nicht zahlreich genug, um ein ab- schließendes Urtheil über den Werth der neuen Therapie zu gestatten. Haeckel (Stettin).

18) Korteweg. Die Indikationen zur Entspannungsincision bei Nierenleiden. (Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 4 u. 5.)

K. theilt zunächst einen Fall eigener Beobachtung mit: Bei einem jungen Mann tritt 4 Monate nach Beginn einer Gonorrhoe Anurie ein; als dieselbe 4 Tage gedauert, sich in der linken Nieren- gegend eine mächtige Geschwulst gebildet, Incision der enorm ge- schwollenen Niere. Heilung.

Verf. bespricht sodann die merkwürdigen Beobachtungen, bei denen durch Steineinklemmung auf einer Seite völlige Anurie eintrat und die Operation an der nicht steinhaltigen Niere Heilung brachte. Diese reflektorische Anschoppung der steinfreien Niere erklärt er etwas anders als Israel in seiner Hypothese der Reflexanurie. Wirkt die eine Niere ungenügend, so wird die andere dazu angeregt, um so mehr Arbeit zu verrichten. Das kann sie, wenn sie gesund ist. Anderenfalls geräth sie in Folge des allzu großen Blutandranges in starke Spannung, die sich bis zur Nierenanschoppung und völligen Anurie steigern kann. In solchen Fällen ist die Incision der Nieren indicirt.

Eine fernere Indikation giebt die eitrige Nierenentzündung ab; man braucht nicht mehr erst die Bildung eines großen, konfluirten Abscesses abzuwarten.

Centralblatt für Chirurgie. No. 6. . 4

Übergehend auf das Gebiet der chronischen Nephritis hält K. die Incision bei der chronischen, hämorrhagischen Form für indicirt, lässt aber die Frage offen, wie weit dabei ein dauerndes Resultat zu erwarten sei. Ferner können Schmerzen Indikationen zur Operation abgeben. Eigene Beobachtungen werden in dieser Hinsicht nicht beigebracht. Haeckel (Stettin).

19) A. Dührssen. Die Kolpocoeliotomia anterior-lateralis

ein neuer vaginaler Operationsweg in die Bauchhöhle. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 44.)

D. hat die von ihm vor 8 Jahren angegebene Methode der Kolpocoeliotomia anterior (früher vaginale Köliotomie genannt) mit der völligen Durchtrennung eines Lig. latum kombinirt und diese Operationsmethode Kolpocoeliotomia anterior-lateralis genannt. Man beginnt entweder mit der Durchtrennung des Lig. latum von unten her, und hat dieses Verfahren den Vorzug, den Uterus sofort beweg- lich zu machen, so dass er tief herabgezogen und das Bauchfell so- wobl vor als hinter dem Uterus leicht eröffnet werden kann, und es empfiehlt sich besonders bei sehr fixirten Adnexen der einen Seite. Oder die Operation wird als typische Kolpoköliotomie begonnen, der Uteruskörper extrahirt, Operationen an den Adnexen ausgeführt, und dann erst das Ligament entweder von oben oder von unten her abgetrennt.

Als Vortheile seiner Operationsmethode führt Verf. an:

1) dass man parametrane Adnexe oder Eiteransammlungen in Tuben und Ovarien extraperitoneal breit eröffnen und unter Konser- virung der Adnexe zur Ausheilung bringen kann.

2) Sie erleichtert das Eindringen in die Bauchhöhle und die Freilegung der Adnexstiele.

3) Sie gewährt einen eben so guten Zugang zu den Mandzan wie die vaginale Totalexstirpation.

4) Sie ermöglicht es, einen entzündlichen, mit Mikroorganismen durchsetzten Adnexstiel durch Annähung an die seitliche Vaginal- wand völlig extraperitoneal zu lagern.

5) Sie ermöglicht eine ausgezeichnete Drainage der ganzen Beckenhöhle.

6) Sie ermöglicht, in Fällen, wo konservativ verfahren werden soll, die Blutung auch unter den schwierigsten Verhältnissen zu stillen.

Irgend welche Nachtheile besitzt nach D.'s Erfahrungen die Durchtrennung des Ligamentes nicht. Die Ernährung des Uterus durch die Uterina und Spermatica der anderen Seite ist eine völlig ausreichende.

Verf. hat die Methode an 10 Fällen erprobt; von 8 derselben ist die Krankengeschichte wiedergegeben. Langemak (Rostock).

172 Centralblatt für Chirurgie. No. 6.

20) G. de Rouville. Consultations de gynécologie. Paris, J. B. Baillière et fils, 1902. 247 8.

Das Büchlein ist für den praktischen Arzt bestimmt. In kurzen Abschnitten bringt Verf. übersichtlich eine Darstellung der gynäko- logischen Erkrankungen und schildert die einzelnen therapeutischen Maßregeln, insbesondere die bei den verschiedenen Affektionen nöthig werdenden operativen Eingriffe. Schematische Abbildungen sind bei einzelnen Abschnitten eingeschaltet.

Eingehender bespricht de R. auch die Analgesie par injection infra- rachidienne de cocaïne. Ein Vorwort von Lucas-Championnière giebt dem Büchlein Empfehlungen mit auf den Weg.

Neck (Chemnits).

21) R. Göbell. Zur Kenntnis der lateral-retroperitonealen Tumoren. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 1.)

G. veröffentlicht aus der Kieler Klinik 3 einschlägige Fälle, nach deren eingehender Besprechung er eine Sammlung aller bisher veröffentlichten Fälle giebt und aus diesem Material das pathologisch- klinisch-therapeutische Facit zieht. Die Kieler Fälle sind sämmtlich mit ungünstigem Erfolge einem Operationsversuch unterzogen. In Fall 1 handelte es sich um ein Teratom, hervorgegangen aus einer 26 Jahre lang ohne wesentliche Beschwerden getragenen Geschwulst. Ein bei der Operation entfernter Theil derselben bestand aus einer Dermoidcyste und Riesenzellensarkommassen. Der zurückbleibende Theil war der Hauptsache nach ein Adenocarcinom, das zahlreiche innere Metastasen veranlasst hatte. Nach Besprechung der neueren Theorien über Entstehung der Teratome bezw. Embryome (Wilms, Marchand, Bonnet etc.) entscheidet sich G. für die Annahme, dass es sich in seinem Falle um Geschwulstentstehung durch bigerminale Implantation handele. Fall 2 und 3 zeigten im Geschwulstgewebe Zellenkomplexe, die außerordentlich den Zellen der Zona fasciculata der normalen Nebenniere ähnelten; sie sind desshalb als Neben- nierengeschwulst anzusehen, aber nicht als solche der normalen Neben- nieren, sondern sind von accessorischen Nebennieren abzuleiten, deren Vorkommen zuerst von Chiari, dann von Dagonet, Schmorl etc. nachgewiesen ist. Solche überzählige Nebennierengeschwülste sind bislang außer den G.’schen Fällen erst 2mal beschrieben, von Chiari und Weiss (v. Eiselsberg); doch hält G. dafür, dass mancher bis- her anders gedeutete Fall zu dieser Geschwulstart zu zählen wäre.

Bei der von G. gesammelten Kasuistik sind die von der Niere und normalen Nebenniere ausgehenden Geschwülste nicht berück- sichtigt. Im Ganzen verfügt G. über 101 Fälle, deren Kranken- geschichten, nach der histologischen Geschwulstdiagnose gruppirt, in übersichtlicher »Tabellenform« wiedergegeben werden. Die über- wiegende Mehrzahl der Geschwülste stammt vom Bindegewebe ab;

Centralblatt für Chirurgie. No. 6. 173

die Sarkome sind zwar häufiger als die einzelnen Geschwulstarten, aber die homologen Neoplasmen (Lipome, Fibrome, Myxome etc.) stellen doch ein größeres Kontingent dar, als die heterologen (Car- cinome, Sarkome etc... Die Diagnose kann außerordentlich schwierig sein und ist sehr häufig verfehlt. Stets ist genau auf Nieren- geschwulst zu untersuchen. Die Prognose ist, wenn nicht frühzeitig operirt wird, absolut schlecht. Die statistischen Zahlen zeigen die schlechteste Prognose bei den Lipomen und den lipomatösen Misch- geschwülsten, bei den Sarkomen und den Geschwülsten der acces- sorischen Nebennieren, bessere bei den übrigen Geschwülsten. Zur Operation eignet sich für kleinere und mittelgroße Neubildungen am besten wohl das extraperitoneale Verfahren; bei transperitonealer Exstirpation ist die Orientirung leichter, doch werden die Colon- gefäße leicht gefährdet, deren Verletzung zu Darmbrand führen kann. Vor der Exstirpation sehr großer retroperitonealer Geschwülste hat Billroth eindringlich gewarnt, und die Resultate gaben ihm Recht, obwohl immerhin einige Operationen glücklich zu Ende geführt und von Erfolg begleitet gewesen sind. Da bei 36 Operationen 16mal die mit der Geschwulst verwachsene Niere mit entfernt werden musste, ergiebt sich die Regel, an dergl. Operationen nicht heran- zugehen, ohne sich vorher der Funktionstüchtigkeit der anderen Niere vergewissert zu haben.

Der fleißigen und instruktiven Arbeit ist ein 157 Nummern zählendes Verzeichnis der zur Sache gehörigen Litteratur angefügt.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

Kleinere Mittheilungen.

Noch ein Fall von Recidiv nach der Winkelmann’schen Radikaloperation der Hydrocele.

Von Dr. Emil Gückel in Medwedowska (Gouv. Kijew).

In No. 46 dieses Centralblattes für 1901 veröffentlichte Lauenstein einen Fall von Recidiv nach der Winkelmann’schen Operation. Ich habe auch Ge- legenheit gehabt, ein solches zu beobachten.

Seit 1895 habe ich im Ganzen 68 Fälle von Hydrocele testis, davon 2 beider- seitige und 1 Hydrocele communis, und 14 Fälle von Hydrocele funiculi beob- achtet. Amal war die Hydrocele gleichzeitig mit Leistenbrüchen vorhanden. Operirt wurde 25mal, 2 einfache Punktionen (1 Recidiv), 1 Punktion mit Jod- injektion, 4 Incisionen mit Drainage und 1 Excision der verdickten Tunica. Seit Ende 1898 nach Erscheinen der Mittheilung Winkelmann’s in No. 44 dieses Centralblattes machte ich alle weiteren Operationen nach dieser Methode, i4mal am Hoden und 3mal am Samenstrang. Das Alter der Pat. schwankte swi- schen 4—79 Jahren.

Das Recidiv wurde bei einem 5 Jahre alten Knaben beobachtet. Die Hydro- cele von der Größe eines Hühnereies bestand seit 1 Jahre und wurde am 20. April 1901 typisch nach Winkelmann operirt (Umstülpung; 3 Suturen binter dem Hoden zur Verhütung einer Zurückstülpung); Entlassung am 28. April mit

174 Centralblatt für Chirurgie. No. 6.

Heilung per primam. Schon am 23. Juni kehrte Pat. mit einer neuen Hydrocele von beinahe derselben Größe zurück; der Sack war sehr prall gespannt. 24. Juni neue Operation nach Winkelmann. Der Schnitt hinter der früheren Narbe traf auf den mit der Haut fest verwachsenen, sonst normalen Hoden und erst nach Verlängerung nach oben in die Hydrocele. Flüssigkeit klar, strohgelb. Um- stülpung des nach innen freien Hodens, Naht der Bänder der Tunica hinter dem- selben und Versenkung; Hautnaht. Am 4. Juli geheilt entlassen. Leider weiß ich nichts über den weiteren Verlauf, da ich im Oktober nach einem neuen Wohn- ort ziehen musste.

Was das Recidiv betrifft, so saß es in meinem Falle zwischen den beiden -Tunicae, die sonst nichts Abnormes darboten. Alle übrigen Fälle sind glatt geheilt und recidivfrei geblieben.

22) Thomson. Some surgical lessons from the campaign in South- Africa. (Boston med. and surg. journ. Vol. CXIV, No. 8.)

Nach einer Einleitung allgemeiner Art, die Verbesserung der Feuerwaffen und die Wirkung der kleinkalibrigen Geschosse betreffend, bespricht Vortr. die ein- zelnen Arten der Verwundungen. Der südafrikanische Krieg als erster, in dem zahlreiche Verwundungen mit kleinkalibrigen Geschossen vorkommen, hat mancher- lei Überraschungen gebracht, vor Allem die, dass die Verwundungen über Erwarten gutartig waren und verliefen. Verf. zeigt dies an Weichtheil- wie Knochenrer- letzungen, bei welch letzteren sich zahlreiche glatt durchbohrende befinden. Auch die Gelenkverletzungen sind meist gutartig verlaufen. T. selbst hat 3 Fälle von Durchbohrung des Kniegelenkes beobachtet, bei denen keinerlei Zeichen von Knochenverletzung vorhanden war. Die Behandlung war unter seiner Leitung eine sehr konservative. Amputationen und Resektionen wurden äußerst selten vor- genommen. Die größte Wichtigkeit kommt dem ersten Verband zu, welcher die Wunden gegen Eindringen von Verunreinigungen schützt. Vor allen Dingen ist jede Untersuchung der Wunden mit Sonde, Fingern, Kugel- und sonstigen Zangen zu unterlassen; selbst wenn lose Splitter in der Wunde sicher vorhanden sind, soll man ruhig abwarten und nur Deckverband und Schienen anlegen. Die Hei- lung wurde offenbar begünstigt durch die trockene Luft, die bald einen festen Schorf auf den Wunden entstehen ließ, außerdem auch noch durch die Kleinheit der Schussöffnungen und durch das feste Aufeinanderliegen der meist engen 'Schusskanäle. Natürlich hat auch die Behandlungsweise ihren Antheil daran. Die größte Überraschung bereiteten die Bauchschüsse. T. redet hierbei nur in solchem Falle der Laparotomie das Wort, wo sie unter sehr günstigen Umständen, in aller Ruhe und unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln und auch früh genug nach der Verletzung ausgeführt werden kann, eine Forderung, deren Erfüllung er selbst für sehr unwahrscheinlich und selten hält. Außerdem liegt eine Anzahl sicher festgestellter Fälle von Bauchschüssen vor, bei denen das Geschoss trots queren Durchfliegens der Bauchhöhle keine wichtigen Theile im Innern verletste; andere Fälle zeigen, dass selbst Darmdurchbohrungen spontan heilten. T.’s Er- -fahrungen über diesen Gegenstand gipfeln in dem Satz: Der Verwundete, dessen Bauch von einem kleinkalibrigen Geschoss getroffen ist, hat mehr Aussicht, mit dem Leben davon zu kommen, wenn er nicht operirt würde. Geschosse und Ge schosstheile, welche im Körper sitzen bleiben, sind unschädlich und heilen ein. Suchen nach solchen ist desshalb zu verwerfen. Trapp (Bückeburg).

23) M. Boinet (Marseille). Cinq cas de rupture de la rate chez des paludéens. (Bull. de l'acad. de méd. Année LXV. No. 36.)

Die Mittheilung umfasst 5 Spontanrupturen der Milz bei chronisch an Malaris Frkrankten; bei Einigen trat der Tod plötzlich, bei Anderen erst nach längerer

Centralblatt für Chirurgie. No. 6. 175

Zeit (10 Tagen z.B.) ein. 2mal hatte ein Trauma (Fußtritt), imal Überfüllung des Magens zur Ruptur geführt.

Die Malariamils prädisponirt zur spontanen Zerreißung der Kapsel durch die mitunter rapid erfolgende Anschwellung der Pulpa, deren große Weichheit und die Überdehnung der Kapsel. Bestehen sodann Verwachsungen mit Magen oder Zwerchfell, so kann die ungleiche Vertheilung von Zug und Druck leicht zum Einreißen führen. B. erinnert an das forensische Interesse der Verletzung so wie an die Möglichkeit chirurgischer Hilfe. Christel (Metz).

24) Hammer. Zur Kasuistik der Leberverletzungen mit Betheiligung großer Gallenwege. (Beiträge sur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

Ein 26jähriger Mann wer im Streit in die rechte Bauchgegend gestochen worden. Die 9 Stunden später ausgeführte Laparotomie zeigte das Bauchfell glatt und spiegelnd hoch oben an der Konvexität des rechten Leberlappens saß eine Einstichwunde, ein Ausstich ließ sich nicht auffinden. Oberflächliche Jodo- formgasetamponade der Leberwunde; Naht der Bauchdecken bis auf eine kleine Stelle. Der weitere Verlauf war zunächst ein recht schwerer. Es trat Erbrechen und hohe Pulsfrequenz auf; die Wunde sonderte reichlich Galle ab, während die Stühle fast acholisch wurden. Dazu gesellte sich Husten mit Hämopto& als wei- teres Symptom. Allmähliche Besserung. Nach 17 Tagen akute, rasch ablaufende Pleuritis, dann Genesung.

Die Hämopto& ist nach Verf. auf kleinste, möglicherweise durch verschleppte Leberzellen verursachte Embolien zurückzuführen. Nach dem starken Gallen- abfluss bei fast völlig acholischem Stuhl musste ein wichtiger Gallengang verletzt gewesen sein, obwohl sich am Hilus der Leber keine Wunde hatte auffinden lassen. Honsell (Tübingen).

25) L. Morquio. Abces du foie chez un enfant. (Rev. mens. des malad. de l’enfance 1901. p. 278.)

Leberabscess bei einem 11jährigen Knaben nach einem ungeschickten Sprunge ins Wasser aus der Höhe von 4—5 Metern. Schmerzen sofort. Fieber nach 4—5 Tagen.

14 Tage nach dem Falle unter dem rechten Rippenbogen eine hühnereigroße Schwellung in der Leber zu tasten. Operation am 20. Tage nach der Verletzung durch parallel sum Rippenbogen geführten Schnitt. Bei Lösung der Verwachsungen Bersten des Abscesses. Leber an die Bauchwand angenāht. Drainage. Nach 4 Wochen absolut geheilt entlassen.

Auffällig ist eine Bradykardie. Puls zwischen 45—60 Schlägen. Die Erschei- nung schwindet erst 1—2 Wochen nach der Operation. (Leider nur eine einzige Pulsangabe später! Ref.) Die Temperatur stieg nur am Tage nach der Operation über 38,5°,

Erwähnung eines fieberlos und schmerzlos verlaufenden Leberabscesses mit Tuberkelbacillenbefund bei einem 2!/,jährigen Kinde. Heilung durch Operation. (Revue méd. de l'Uruguay. 1900. September.) Goeppert (Kattowits).

26) E. Ranzi. Zur Ätiologie der Leberabscesse. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 34.)

Es bandelte sich in dem der Arbeit zu Grunde liegenden Falle um mehrfache Abscesse in der Leber, die zur Bildung eines subphrenischen Abscesses und schließlich zur allgemeinen Peritonitis und Endokarditis geführt hatten. Der Er- teger des ganzen Processes war ein Kapselbacillus, der sich in den Leberabscessen, im subphrenischen Abscess, im peritonitischen Exsudat und im Gallenblaseninhalt in Reinkultur vorfand. Nach seinem morphologischen und kulturellen Verhalten muss er als der Friedländer’sche Bacillus pneumoniae angesehen werden.

Hübener (Dresden).

176 Centralblatt für Chirurgie. No. 6.

27) J. H. Pratt. Typhoid cholecystitis, with observations upon gall- stone formation. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. November.)

Nach kurzer Besprechung der einschlägigen Litteratur berichtet P. über fol- gende selbstbeobachtete Fälle:

1) 28jähriger Mann, stirbt in der 5. Typhuswoche an Darmblutung. Es be- standen keine Symptome seitens der Gallenblase. Bei der Sektion finden sich im Darm die typischen Typhuserkrankungen, in der sonst normal aussehenden Galle massenhafte Bröckel, die mikroskopisch und kulturell als desquamirte Epithelien und zusammengeballte Haufen von Typhusbacillen festgestellt werden.

2) i5jähriges Mädchen, 3 Wochen vor der Aufnahme mit Fieber, Leibschmers und Durchfall erkrankt. Milzschwellung, Roseolen. 2 Tage nach der Aufnahme allgemeine Druckempfindlichkeit des Bauches, Muskelspannung, Auftreibung; Puls steigt auf 160, Temperatur auf 104° F., Leukocyten 5200, Widal negativ. Perforation vermuthet. Operation (Dr. Munro): In der Bauchhöhle etwas leicht kaffeefarbige Flüssigkeit; keine Perforation. In der Gallenblase dunkle, mit Eiter vermischte Galle. Tod am folgenden Tage; keine Autopsie. Aus dem Inhalt der Gallenblase wachsen Typhusbacillen in Reinkultur.

3) 36jähriges Mädchen, 7 Tage vor der Aufnahme mit heftigem Kopfschmers, Frost, Durchfall und Appetitlosigkeit erkrankt. Temperatur bei der Aufnahme 102,8° F., allgemeine Druckempfindlichkeit des Bauches. 10 Tage guter Verlauf, dann plötzlich Schmerzen im Epigastrium und rechten Hypochondrium, Frösteln, kein Erbrechen, kein Ikterus; die offenbar vergrößerte Gallenblase zu tasten; Temperatur, die inzwischen dauernd gefallen war, steigt auf 103,1°F., Puls rasch, Gesicht geröthet. Leukocyten 13200. Am nächsten Tage Cholecysto- tomie (Dr. Munro); Entleerung von Galle, er&meartigem Eiter und einer Anzahl kleiner Gallensteine. Glatte Heilung. In der Galle und im Centrum von 2 Steinen werden Typhusbacillen in Reinkultur nachgewiesen.

P. hält in diesem Falle die Typhusbacillen für die Ursache der Gallenstein- bildung, die also in der kurzen Zeit von 18 Tagen erfolgt sein muss.

4) 43jährige Pat., mit Leibschmerzen eingeliefert. 2 ähnliche Anfälle 7 besw. 6 Jahre zuvor, jeder 2 Wochen andauernd. Niemals Ikterus; keine frühere typhöse Erkrankung. 3 Wochen vor der Aufnahme bei einer Seereise an Übelkeit, Er- brechen und allgemeinem Krankheitsgefühl ohne Nasenbluten oder Durchfall ge- litten, als Seekrankheit gedeutet. 4 Tage vor der Aufnahme neue Erkrankung mit Leibschmerzen besonders im Epigastrium und rechtem Hypochondrium; weder Ikterus, noch Übelkeit oder Erbrechen. Mehrere heftige Fröste, mäßiges Fieber. Laparotomie (Dr. Monks) legt die vergrößerte und mannigfach verwachsene Gallenblase frei. Eröffnung der 3—4 mm dicken Blase; viel geruchloser Eiter und 218 Gallensteine entleert. Gänge frei. Tod 19 Tage später, keine Autopsie. Aus dem Blaseninhalt wachsen Typhusbacillen in Reinkultur. Das gleiche Resultat ergiebt die Untersuchung des Centrums von 10 der Gallensteine, obgleich dieselben bis sur Untersuchung bereits 3 Monate in einem trockenen, heißen Raum auf- bewahrt worden waren.

Verf. glaubt, dass der Typhuskeim in diesem Falle 7 Jahre lang in der Gallen- blase beherbergt wurde. Eine milde Typhusattacke 1 Monat vor der Aufnahme und ein sekundäres Eindringen der Bacillen in schon vorhandene Gallensteine hält er für minder wahrscheinlich.

5) 36jährige Pat.; 16 Tage vor der Aufnahme Rückenschmerz, Frost, Er- brechen. 13 Tage später Schmerz im rechten Hypochondrium, grünliches Er- brechen. Temperatur 102°F. Bauch mäßig aufgetrieben, Geschwulst im rechten oberen Quadranten, schmerzhaft, mit gedämpftem Perkussionsschall. Linkes Bein vom Knie bis sum Knöchel geschwollen, hart und roth. ,

Operation (Dr. Garin) am nächsten Tage. Gallenblase vergrößert und mit Fibrinbeschlägen bedeckt. Entleerung von viel grüngelbem Eiter. Ein Theil der Gallenblase, der offenbar gangränds ist, wird exstirpirt. Glatte Heilung. Von

e

Centralblatt für Chirurgie. No. 6. 177

der Oberfläche und dem Inhalt der Gallenblase wird der Typhusbacillus rein ge- züchtet.

Da in diesem Falle keine typhöse Erkrankung vorausgegangen war, so hält P. es für möglich, dass es sich um eine primäre Infektion der Gallenblase mit Typhusbacillen handelte. R. v. Hippel (Kassel).

28) R. Frank. Entfernung eines groen im Ductus cysticus ein- gekeilten Gallensteins durch Simon’schen Retrolumbalschnitt. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 18.)

Behufs Vornahme der Nephropexie wegen Wanderniere bei einer 23jährigen Pat., die seit Jahren an Magenbeschwerden und Schmerzen der rechten Lenden- gegend litt, wurde die Niere mittels des Simon ’schen retrolumbaren Längsschnitts bloßgelegt. Beim Vorziehen derselben fühlte man einen Stein, der Anfangs als dem Nierenbecken zugehörig erschien; nach Eröffnung des Bauchfells (4 cm) sah man, dass er im Ductus cysticus steckte. Die Gallenblase stark erweitert. Der vom Stein erweiterte Gang ließ sich leicht gegen den Bauchfellschlitz andrängen und in demselben mit Nähten umsäumen. Hier Längsschnitt, Entfernung des Steins. Starker Gallenabfluss. Kein weiterer Stein in der Gallenblase oder im Choledoehus. Naht der Inceisionswunde. Tamponade, Naht der äußeren Wunde bis auf die Stelle, wo der Tampon herausgeleitet war. Heilung reaktionslos, aus der Wunde kein Tropfen Galle.

Der Stein war 4,2 cm lang, 2,4 cm dick, walnussförmig.

F. war erstaunt über die Leichtigkeit der Zugänglichkeit der Gallenblase und des Ductus cysticus von hinten, obwohl die Incision sehr klein war: Versuche an Leichen ergaben gleichfalls, dass die Gallenblase und großen Gallenleiter be- quem in die Wunde gezogen und übersehen werden können, besonders bei weib- lichen Individuen, bei welchen die untere Seite der Leber mehr nach hinten sieht. Führt man statt eines Längsschnittes einen schiefen oder queren, so wird die Zugänglichkeit der Leber noch größer. Das Verfahren dürfte vielleicht in man- chen Fällen, besonders bei vermutheten pericystitischen Netz- und Darmverwach- sungen, die Freilegung des Ductus cysticus und choledochus leichter gestalten und ferner bei der Leichtigkeit der extraperitonealen Versorgung, der Drainage- richtung (bei Bettlage nach unten) und dem Vermeiden von Hernien (Drainage) diesbezügliche Vortheile bieten. Hübener (Dresden).

29) H. Schüller. Zur Kasuistik und Chirurgie des primären Car- cinoms der Papilla Vateri. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

Der bisherigen Kasuistik von primären bösartigen Neubildungen der Mündungs- stelle des Ductus choledochus (41 Beobachtungen) werden vom Verf. folgende neue Fälle der Czerny’schen Klinik angereiht:

1) 66jähriger Mann, seit 1/ Jahr an Ikterus, Leberschwellung und Fieber- anfällen mit Schüttelfrösten leidend. Klinische Diagnose: starke biliäre Leber- hypertrophie, Gallenstauung wahrscheinlich im Choledochus; Cholangoitis. Laparotomie. Aus der Gallenblase werden 100 ccm schleimigen Eiters entleert. In der Gegend der Vater’schen Papille fühlt man eine derbe, dattelgroße Re- sistens, die sich nach transduodenaler Freilegung als ein kreisförmiges Geschwür an der Mündung des Ductus erwies. Excision desselben. Lippenförmige Um- säumung des Ductus choledochus mit der Schleimhautumragung der excidirten Papille. Verschluss der Duodenalwunde. Drainage der Gallenblase und des Bauchfells. Nach 5 Tagen Tod an Infektion in Folge von Nahtinsufficienz. Anatomische Diagnose: Adenocarcinom.

2) 56jähriger Mann. Seit 1 Jahre zunehmender Ikterus. Leber vergrößert, derb, Stuhl acholisch. Laparotomie. Kein Stein, Pankreaskopf enteneigroß, ab- norm derb. Cholecystenterostomie zur Beseitigung der Gallenstauung. Tod nach 12 Tagen an profuser Darmblutung. Die Sektion ergab an der Einmündung des

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Duotus choledochus ein Carcinom, das sich retroduodenal bis zum Pankreas erstreckte.

Ihrem Bau nach handelte es sich bei den Carcinomen der Papille vorwiegend um Cylinderzellenepitbeliome, seltener um maligne Adenome oder Adenocarcinome. In 15% derselben wurden Metastasen gefunden. Klinische Erscheinungen, die mit Bestimmtheit auf einen Krebs der Papille hinweisen, giebt es nicht; selbst die Laparotomie vermag keinen sicheren Aufschluss zu geben. Schon aus diesem Grunde, dann ferner wegen der überaus großen technischen Schwierigkeiten, wegen des allgemeinen Zustandes der Pat. und der Metastasenbildung haben die chirurgischen Eingriffe bisher keine befriedigenden Resultate erzielt. Von 10 ausgeführten Palliativoperationen hatte keine einen Erfolg gebracht, und der ein- zige Pat., bei dem bisher eine Radikaloperation unternommen wurde (Fall I des Autors) ist gestorben. Immerhin glaubt Verf. doch, dass man in geeignet schei- nenden Fällen unter jeweiliger Modifikation der Operationstechnik und Wund- versorgung den Versuch einer Excision su machen berechtigt ist.

Honsell (Tübingen).

30) H. Küttner. Durch Naht geheilte Stichverletzung des Pankreas. (Beiträge sur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 1.)

Der von K. mitgetheilte Fall dürfte schon desshalb Interesse beanspruchen, weil bei ihm zum 1. Male die Naht des durchstochenen Pankreas mit Erfolg aus- geführt wurde. Es handelte sich um einen 24jährigen Mann, welcher einen Merser- stich in die linke Oberbauchgegend erhalten hatte. Starke Blutung. Vorfall der Eingeweide. Bei der !/; Stunde nach der Verletzung vorgenommenen Operation zeigte sich, dass das Messer die vordere Magenwand von unten nach oben eröffnet, dann den Netzbeutel durchdrungen und schließlich das Pankreas bis auf eine ca. 1 cm breite Brücke durchtrennt hatte. Auch Leberrand und Rippenbogen waren eingeschnitten. Naht des Pankreas mit 2 tiefgreifenden und einer oberflächlichen Katgutnaht, worauf die Blutung aus der Drüse vollständig steht. Naht der Magenwunde. Tamponade. Theilweiser Nahtverschluss der Bauchdecken. Heilung.

Pankreasverletzungen gelangen, wie des Weiteren ausgeführt wird, wegen der Gefahr der Verblutung und der Schwere der Nebenverletzungen nur selten zur klinischen Behandlung. Die Blutung sowohl wie die Möglichkeit eines Austrittes von Pankreassaft in die Bauchhöhle erhbeischen dringend eine operative Versorgung der Pankreaswunde, die am zweckmäßigsten durch das Anlegen einer Naht er- reicht wird. Honsell (Tübingen).

31) H. Köppe. Zur Kryoskopie des Harns. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 28.)

K. untersuchte unter normalen physiologischen Verhältnissen möglichst ver- schiedene Harne und ermittelte den Einfluss verschiedener Bedingungen auf die Harnbeschaflenheit. Auf Grund seiner Gefrierpunktsbestimmungen macht K. auf Folgendes aufmerksam: Der Umstand, dass der Harn das Produkt zweier Nieren ist, und sowohl die Harne der beiden Nieren verschieden sein können, als auch zwischen Harnen von zeitlich verschiedener Sekretion bedeutende Unterschiede bestehen, demnach jeder aus der Blase entleerte Harn ein Gemisch von verschie- denen Harnen ist, bringt in die Beurtheilung des Harns in Bezug auf molekulare Koncentration und Reaktion desselben eine gewisse Unsicherheit, welche eine un- mittelbare Verwerthung der für denselben gewonnenen Zahlen ausschließt.

Anders natürlich gestalten sich die Verhältnisse, wenn die Fragestellung eine andere, z. B. die Veränderlichkeit der Gefrierpunktserniedrigung des Harns unter bestimmten Bedingungen (Wasser- resp. Mineralwasserzufuhr) bei verschiedenen Erkrankungen der Niere geprüft wird, und ganz besonders ist hervorzuheben, dass die Gefrierpunktsbestimmungen der von beiden Nieren gleichzeitig secernirten Harnmengen, welche getrennt aufgefangen werden, einen großen Fortschritt be- deutet. J. Schulz (Barmen).

Centralblatt für Chirurgie. No. 6. 179

32) F. Hartley. The operative treatment for exstrophy of the bladder. (Annals of surgery 1901. Juli.)

Die Arbeit enthält in der Hauptsache eine sorgfältige Zusammenstellung aller nennenswerthen Methoden und Vorschläge für die Operation der Blasenektopie, die theilweise einer kritischen Beleuchtung unterzogen werden. Einzelne Fälle aus der mit großem Fleiße zusammengetragenen Litteratur werden besonders be- sprochen. Die Kasuistik bereichert der Verf. um 5 eigene Fälle, deren Kranken- geschichten ausführlich mitgetheilt werden. 3mal machte er die Plastik nach Thiersch, in einem Falle operirte er nach Czerny's Methode, in einem anderen

-implantirte er bei einem 31/, Jahre alten Kinde einen halbmondförmigen die Harn-

leiter enthaltenden Blasenlappen in den Mastdarm. Nur diese beiden letzten Fälle lieferten ein befriedigendes Resultat: bei dem zuletzt erwähnten Kinde trat nach einigen Monaten eine wirkliche Kontinenz ein, in dem nach Czerny operirten Falle konnte der Urin schließlich in der durch eine Pelotte abgesperrten Blase 3 Stunden und länger zurückgehalten werden. Im Ganzen bestätigt die Arbeit des Verf. aufs Neue die unerfreuliche Thatsache, dass das Endergebnis aller bis- herigen Versuche, die schwere Missbildung der angeborenen Blasenspalte erfolg- reich gu beseitigen, recht selten befriedigend ist. Bongartz (Düsseldorf).

33) Trendelenburg. Über Heilung der angeborenen Blasenspalte mit Kontinenz des Urins. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 44.)

Die kurze Abhandlung bringt eine ausführliche Schilderung der verschiedenen operativen Eingriffe und Nachbehandlung bei dem von T. auf der letzten Natur- forscher- und Arzteversammlung vorgestellten Knaben (s. Selbstbericht in diesem Centralblatt 1901 p. 1222). Von den übrigen neueren Fällen T.’s sind 2 noch in Behandlung, von den früheren 6 leben 4, 3 jetzt erwachsene Männer und 1 Mäd- chen. Von den ersteren haben 2 eine annähernd normal funktionirende Blase erlangt; der 3. und das junge Mädchen haben keine Kontinenz. Der Gang der erwachsenen Operirten ist ganz normal; auch die Form des Penis gestaltet sich nach T.’s Operationsmetbode auffallend gut. Kramer (Glogau).

34) Latzko. Über inkrustirte Blasengeschwüre. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 18.)

Pat. litt seit kurzer Zeit an heftigen Blasenbeschwerden, häufigem Urindrang und gelegentlichem Blutharnen. Urin roth gefärbt, trübe, alkalisch. Die cysto- skopische Untersuchung ließ neben den typischen Veränderungen einer akuten Cystitis zahlreiche schneeflockenartige Gebilde erkennen, die zum Theil flottirend in das Blaseninnere hineinragten. Dieselben saßen kleinen Geschwürchen im Grunde und den seitlichen Blasenwänden auf. Unter Blasenspülungen und innerer Behandlung zeitweilige Besserung der Beschwerden.

2 Monate später ergab die cystoskopische Untersuchung: die Cystitis ab- gelaufen, im Bereich des Trigonum 2 Stellen mit schneeweißem, in das Blasen- innere vorspringendem, aus Phosphaten bestehendem Belag. Die Beläge machten geradezu den Eindruck angewachsener Steine, deren größter auf wenigstens Hasel- nussgröße geschätzt wurde. Spülungen und Urotropin blieben erfolglos. Ab- schabung gelang nur zum Theil; wenigstens ließen sich die untersten Phosphat- schichten nicht von dem Geschwürsgrund entfernen. Dieser Eingriff, nach wel- chem sich eine wesentliche Besserung einstellte (Urin wurde klar, Schmerzen und Harndrang verschwanden), wurde noch iimal wiederholt, weil etwa nach 3 bis 4 Tagen die Konkremente ihre frühere Größe wieder erreichten.

Daher Sectio alta. Der Versuch, die Inkrustationen mit dem scharfen Löffel zu entfernen, misslang sowohl L. wie dem assistirenden Zuckerkandl selbst bei bedeutender Gewaltanwendung. Es blieb nichts Anderes übrig, als die Kon-

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kremente sammt ihrer Basis aus der Blase herauszuschneiden, wobei von jedem Harnleiter ein 1—I1/; cm langes Stück mitging. Auffallend war die derb-fibröse Beschaffenheit der Blasenwand. Die Heilung ging rasch von statten, der Urin wurde sauer und klar.

Seitdem traten wiederholt neue Geschwürsbildungen und umschriebene Cyati- tiden auf, trotz Alkalescenz kam es aber nie mehr zu Inkrustationen.

2 weitere Fälle heilten unter einfacher Cystitistherapie aus.

L. konnte nur eine einzige analoge Beobachtung Fenwick’s aus dem Jahre 1896 finden und glaubt die in Rede stehende Erkrankung als ein wohlcharakteri- sirtes, aber wenig gekanntes Krankheitsbild bezeichnen zu können, dessen kli- nische Dignität aus unbekannten Ursachen wechselt.

Sicher baben diese inkrustirten Geschwüre wie auch Fenwick schon '

betont hat nichts mit Tuberkulose zu thun und scheinen vorwiegend die weit- liche Blase zu befallen. Hübener (Dresden).

35) v. Hacker. Fremdkörper in der Blase. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 27.)

1) Bei einem 54jährigen Manne wurde ein etwa mittelfingerdickes und eben so langes Procentaräometer mittels des Dammschrittes entfernt. Angeblich wurde das Glasstück vom Pat. vor 5 Wochen verschluckt, als er sich damit im Rachen kitzelte, um Brechen zu erzielen. Schon im Jahre 1893 will er ein Holzstück verschluckt haben, das ihm durch eine gleiche Operation entfernt wurde.

2) Ein Junge hatte sich eine große Stecknadel mit dem Knopfe voran in die Harnröhre eingeführt. Sie war vom Damme aus deutlich in der Bulbusgegend durchzutasten; mit Urethroskop deutlich sichtbar, Knopf distal (Drehung in der Blase?). Es konnte der Tubus mit Hilfe der Finger von außen über die Nadel geführt werden, sodass auf diese Weise unter Senkung des Instruments die Nadel sich entfernen ließ. Hübener (Dresden).

36) A. A. Abrashanow. 14 hohe Steinschnitte. (Med. obosrenje 1901. Juli. [Russisch.))

9 Pat. waren unter 10 Jahre alt, 5 älter als 10 Jahre; 13 männlichen Geschlechts. Alle wurden geheilt; mittlere Behandlungsdauer nach der Operation 35 Tage. 6 Fälle wurden genäht, davon einer nach Prof. Rasumowski; Letzterer heilte nach 8 Tagen, die anderen 5 nach 17, 28, 30, 60, 67 und 100 Tagen. Nur in 2 Fällen gab die Naht vollen Erfolg. Nach A. bietet also die einfache Naht (ohne Fixation der Blase an die Bauchwand nach Rasumowski) keinen Vortheil vor der offenen Behandlung. Gückel (Medwedowka, Kijew).

37) T. P. Krassnobajew. Übersicht von 117 Fällen von Lithotripsie bei Kindern, ausgeführt von W. W. Irschick (75 Fälle) und K. (42 Fälle).

(Med. obosrenje 1901. Juli. [Russisch.))

Der auf dem russischen Chirurgenkongress 1900 gehaltene Vortrag ist schon seiner Zeit in diesem Blatt referirt worden. K. schildert seine Operationsmethode, die Instrumente und die Resultate. Von 117 Pat. starben nur 2 in Folge der Operation. Während der letzten Jahre werden mit wenigen Ausnahmen alle Kinder mit Steinkrankheit von oben genannten Ärzten mit Lithotripsie behandelt.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

38) H. Lindner (Dresden). Beiträge zur Nierenchirurgie. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 48.)

1) Über Verletzungen der Vena cava bei der Nephrektomie.

Fall von Zerreißung der vom Carecinom durchwachsenen Vena cava bei der Auslösung der krebsigen Niere mit sofortiger doppelter Unterbindung des Ge- fäßes. Tod durch Lufteintritt ins Herz kurz nach Vollendung der Operation.

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Centralblatt für Chirurgie. No. 6. 181

In einem anderen Falle L.’s von Exstirpation einer tuberkulösen Niere war die enorme Blutung, die von der Gegend der Vena cava her erfolgte, durch Tam- ponade zum Stehen gebracht worden und Pat. genesen. Auch in den übrigen aus der Litteratur zusammengestellten 7 Fällen war es stets gelungen, der Blu- tung aus der verletzten Hohlvene Herr zu werden, ehe die Anämie einen bedroh- lichen Grad erreicht hatte. Dazu kommt der bekannte Fall v. Zoege-Man- teuffel’s von Resektion eines Carcinomknotens aus der Wand der V. cava gelegentlich der Exstirpation einer krebsigen Niere, so dass L. schließen zu dürfen glaubt, dass wir >berechtigt seien, die V. cava in operationstechnischer Beziehung den anderen großen Körpervenen gleichzustellen«.

2) Ein seltener Fall von Nierenverletzung.

Schwere Blutung aus dem eingerissenen unteren Pol der linken Niere in das Mesocolon nach Fall von einer Leiter auf die rechte Körperseite. Bauchschnitt, Incision des Mesocolon, Entleerung der Blutmassen, Tamponade. Urinabfluss vom 4. Tage durch die Wunde. Heilung. Kramer (Glogau).

39) N. A. Ssaweljew. Die Wandermilz und ihre Behandlung. (Med. obosrenje 1901. Juli. [Russisch.))

Bei einem Kranken von 4 Jahren entwickelte sich die Wandermils bald nach schweren Blattern und wiederholtem Fallen. Milz vergrößert, links unten vom Nabel; starke Schmerzen, Erbrechen, Durchfall. Nach 2 Monaten Eintritt in die Klinik. Behandlung: Kalomel, Euchinin, warme, feuchte Umschläge auf den Unterleib; Reposition der Milz und Fixirung durch Binden; Hochlagerung des Beckens. Vollständige Heilung mit normaler Lage der Milz nach 11/5 Monaten.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

40) Thorndike. The value of the X ray in the diagnosis of renal stone; report of 4 cases. (Boston med. and surg. journ. 1901. Oktober.)

Bei allen 4 Pat. waren Anfälle von Nierenkolik vorhergegangen. Es wurde die größte Sorgfalt auf Herstellung der Röntgenbilder verwandt, und bei 3 Fällen war auch sofort zweifellos ein Schatten in der Nierengegend vorhanden und wurden später Steine gefunden. Bei einem Pat., wo der Schatten zweifelhaft und un- deutlich war, handelte es sich um eine Hydronephrose. Die Uratsteine und solche mit stärkerer Beimengung von Kalksalzen gaben die besten Bilder.

Trapp (Bückeburg).

41) F. de Quervain. Über subkutane Verlagerung und Einklemmung des Leistenhodens. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 271.)

Die früher stets anerkannte >»Einklemmung« der Hoden ist seit Bekannt- werden der Samenstrangtorsion mit ihren Cirkulationsstörungen für den Hoden fast in Vergessenheit gerathen. Dass es auch ohne Samenstrangtorsion einfach durch Zerrung und Knickung des Samenstrangs bei Verschiebung eines Leisten- hodens su schweren Hodenernährungsstörungen kommen kann, lehrt eine Beobach- tung de Q.'s. Ein 50jähriger Pat., von klein auf mit einem linksseitigen Leisten- hoden behaftet, der nur selten und ohne Beschwerden den Leistenkanal verlassen hatte, fühlte beim Heben eines Harmoniums plötzlich einen heftigen Schmerz in der linken Leiste, der am nächsten Tage etwas nachließ. Am 2. Tage Schwellung in der Leiste mit Druckempfindlichkeit. Diese Krankheitserscheinungen gingen nicht zurück, und wurde desshalb 11 Tage nach dem Unfall die ca. hühnereigroße Geschwulst, welche in der Mitte zwischen Spina il. ant. sup. und Tuberculum pubis lag, auf der Obliquus ext.-Aponeurose verschieblich, dagegen mit der etwas gerötheten und leicht ödematösen Haut verwachsen, nur als ein infarcirter Hoden zu deuten war, operativ vorgenommen. Der vergrößerte Hoden ist in schwartiges

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Gewebe eingebettet und mit der Obliquusaponeurose verklebt. Von der dem Bauche zugewendeten Hodenseite entspringt der Samenstrang, welcher sich mit einer scharfen Knickung um den äußeren Rand des vorderen Leistenrings in den Kanal begiebt. Torsion an demselben nicht bemerkbar. Kastration, Naht ete., glatte Heilung. Die Vaginalhöhle am Hoden war obliterirt; im Übrigen ergab die anatomische Untersuchung den Hoden größtentheils fettig und bindegewebig degenerirt, von zahlreichen Blutungen durchsetzt; frische Thrombosen der größeren Venen mit hochgradigster venöser Stauung und stellenweis beginnender Parenchym- nekrose, wobei die Arterien wegsam geblieben sind.

deQ. schließt an seinen Fall beachtenswerthe kritische Allgemeinbetrachtungen. Nimmt man den Begriff der Einklemmung genau in demselben Sinne wie bei der Bruch-Darmeinklemmung, so ist nur am Hoden selbst, falls es sich um einen Leistenhoden handelt, eine Einklemmung denkbar, falls der irgend wie dislocirte ‚Hoden etwa im äußeren oder inneren Bruchring eingekeilt wurde, ein Vorkomm- nis, das in einem Falle von Godlee vorgelegen zu haben scheint. Dagegen wird die Möglichkeit einer Samenstrangeinklemmung a priori in Abrede zu stellen sein, da dieses Organ bei seiner Dünne einer solchen.nicht zugänglich sein wird. Da- für wird durch Zerrung und Knickung desselben am Hoden dieselbe Ernährungs- störung herbeigeführt wie durch eine Einklemmung. Bei ins Scrotum herab- getretenem Hoden ist eine aufsteigende retrograde Einklemmung in solchen Fällen als theoretisch denkbar zuzugeben, wo der Hoden aufwärts in den Bruchring ge- räth und dort allein für sich oder zusammen mit einer Schlinge des Samenstrangs eingeklemmt wird. Dieser Mechanismus scheint in einem Falle von Terrillon vorgelegen zu haben.

Was die subkutane Verlagerung bezw. »Ektopie« des Hodens in de Q.'s Fall an- langt, so wäre dieselbe als eine Ectopia »suprainguinalise nach Kocher, bezw. »extraablominalis parainguinalis«e nach Englisch oder »Ectopie sous-cutanee at- dominale« nach französischer Terminologie zu bezeichnen. Dass der aus dem Kanal herausgedrängte Hoden nicht ins Scrotum rückte, wird dadurch zu erklären sein, dass der Hohlraum des letzteren in Folge seines jahrzehntelangen Leerbleiben: verödet war; dass er aber die Richtung nach außen oben nahm, lag vielleicht daran, dass der Samenstrang auf der vorderen Hodenseite saß, wesshalb dieser, den Leistenkanal verlassend, bei einer Aufrückung gerade nach außen oben den kürzesten Weg zurückzulegen hatte. Möglich, dass bei umgekehrter Lage des Samenstrangs der Weg gegen die Peniswurzel eingeschlagen wäre. 8 Figuren skizziren die in der Erörterung besprochenen Lageverhältnisse. Die wenigen in der Litteratur bekannten Parallelfälle zu de Q.’s Beobachtungen sind kurz referirt.

(Dem Ref. erscheint übrigens eine Samenstrangachsendrehung nicht völlig ausgeschlossen. Dieselbe kann immerhin noch innerhalb des Leistenkanals be-

standen haben.) Meinhard Schmidt (Cuxhaven. 42) W. N. Heinatz. Über die Varicocelenbehandlung nach Nimier’s Methode.

(Woj.-med. journ. 1901. April. [Russisch.))

2 Fälle, wo die Operation erfolglos blieb: die Varicocele kehrte wieder, machte das Tragen eines Suspensoriums nothwendig; nach der Operation entstanden durch die Ligaturen starke Schmerzen und bildeten sich Fisteln.

Nach H. ist die Resektion des Scrotums vorzuziehen; die Mehrzahl der Fälle bessert sich aber bei bloß konservativer Behandlung (Suspensorium, Elektrisation, kalte Umschläge, Regulation des Geschlechtslebens).

Gückel (Medwedowka, Kijew).

43) Lorthioir. Hysterectomie totale pour sarcome de l’uterus chez une enfant de 3 ans. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. No. 8.)

L. exstirpirte bei einem 3 Jahre alten Mädchen eine etwa 4cm lange, bei Druck auf die Bauchgegend aus der Vulva hervortretende, von der Portio uteri

Centralblatt für Chirurgie. No. 6. 183

ausgehende, derbe Geschwulst an ihrer Basis. Die Schleimhaut wurde über der Wunde vernäht. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass es sich um ein Fibrom handelte. Im Verlauf der nächeten 3 Monate entwickelte sich an der- selben Stelle eine hühnereigroße Geschwulst. Probeexcision: kleinzelliges Rund- sellensarkom. Mit extra kleinen Instrumenten durch Zerstückelung Exstirpation von Cervix und Corpus uteri auf vaginalem Wege. Der Fundus blieb zurück. Das Kind erholte sich von der Operation. Doch stellte sich in den nächsten 4 Wochen ein Recidiv von Kindskopfgröße ein, das das ganze kleine Becken ausfüllte. Laparotomie. Totalexstirpation der Geschwulst mit Fundus und Ad- nexen. Tod nach der Operation. Die Autopsie ergab nichts Besonderes. Die Mesenterialdrüsen waren vergrößert. Das Sarkom hatte sich besonders von der hinteren Uteruswand aus entwickelt und hatte Fundus und Adnexe nach vorn gedrängt. . Läwen (Leipzig).

44) Hannecart. Note sur un cas de cancer primitif unilateral de la trompe de Fallope. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. No. 7.)

Bei einer 57jährigen kachektischen Frau hat sich 1 Jahr nach der Menopause eine mit dem Uterus zusammenhängende, wenig bewegliche Geschwulst von Kinds- kopfgröße unter heftigen bypogastrischen Schmersen gebildet. Dabei besteht ein aus Schleim und Blut gemengter Ausfluss. Laparotomie unter der Diagnose: bös- artige Neubildung der Gebärmutter. Es findet sich eine wie eine gedehnte Dünn- darmschlinge aussehende, das Corpus uteri links überdeckende Cyste. Dieselbe wird wie ein Kystom von peritonealen Verwachsungen gelöst und entfernt. Uterus, rechte Adnexe, linkes Ovarium und Peritoneum völlig gesund. Die Cystenwand ist die stark ausgedehnte Tube. Der Inhalt besteht aus einem schwammigen, der Tubenwand aufsitzenden Gewebe, degenerirten Fetzen und einer blutig-schleimigen Flüssigkeit. H. vermuthet eine kleine Kommunikation der Cyste mit der Uterus- höhle, durch die der Inhalt nach außen gelangte. Es handelt sich um ein Epi- theliom, das die aus glatten Muskelfaserbündeln bestehende Tubenwand völlig unversehrt lässt. An Stelle der Schleimhaut finden sich papillomatöse Wuche- rungen, die aus fibrillärem Gewebe und darüber gelagerten typisehen carcinoma- tösen Epithelschichten bestehen. | Läwen (Leipzig).

45) Terrier, Banzet, Gosset, Reymond. Statistique des opérations faites à la clinique chirurgicale de la Faculté de médecine, à lhòpital de la Pitié, pendant lannée 1900.

(Gaz. hebdom. de méd. et de chir. 1901. No. 12.)

Aus der sich wenig zum Referat eignenden Statistik geht hervor, dass 585 Operationen, unter denen allein 140 an den weiblichen Genitalien, ausgeführt worden sind mit einer Mortalität von 2,37%. Die Nothoperationen (35 mit 13 +), die in obiger Zahl nicht einbegriffen sind, besprechend, beklagen T. und seine Schüler, dass sie noch weit entfernt sind von einer bereits im Auslande bestchen- den Organisation (sofortige Anwesenheit eines chirurgien de garde, immerwähren- des Bereitsein eines Operationssaals, genügende Anzahl von Assistenten), welche die Nothoperationen erleichtert, und schreiben diesem Mangel die große Mortalität zu. Diese Bemerkung ist um so unverständlicher, als T. über 3 Chefs de clinique, über 4 Internes verfügt, und alle Nothoperationen innerhalb der ersten Stunde nach der Einlieferung ins Spital ausgeführt worden sind.

W. Sachs (Mülhausen i/E.).

46) A. Rebaudi. Elefantiasis del Escroto. Consecutiva ä la enuclea- ción de los ganglios inguinales de ambos lados. (Revista de la soc. méd. Argentina 1901. December.)

Eine unangenehme Folge hatte in einem Falle im italienischen Hospital in Buenos Aires die Exstirpation der beiderseitigen Lymphdrüsen der Schenkelbeuge.

184 Centralblatt für Chirurgie. No. 6.

Es entwickelte sich im Verlaufe der folgenden 12 Monate erst ein Ödem und dann eine starke Elephantissis des Hodensacks, das auch in der Krankenhausbehand- lung durch häufige Erysipele komplieirt wurde und stetig zunahm.

Für eine der südlichen Formen der Elephantiasis lag kein Anhaltspunkt vor; Verf. fasst das Leiden auch als Operationsfolge auf. Die Unterbrechung der Lymphwege erzeuge ja häufig, z. B. nach Achselhöhlenausräumung, vorübergehendes Odem.

Uber die Natur der Lymphdrüsenerkrankung ist nichts Näheres angegeben. Genitalinfektion war nicht festzustellen, die Drüsenpackete enthielten im Centrum der Drüsen Eiter, waren wenig druckempfindlich und machten kein Fieber. Pat. hatte schon früher mehrfach an Drüsenschwellungen gelitten.

G. Meyer (Gotha).

47) M. Einhorn. Scheinbare Tumoren dcs Abdomens. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 43.)

Die scheinbaren Geschwülste, die Verf. behandelt, beziehen sich »auf eine Anschwellung, die im Epigastrium direkt oder im linken oder rechten Hypo- chondrium angetroffen wird und dabei doch nichts mit einer Neubildung irgend welcher Art zu thun hate. Solche hat er seit 1897 bei Männern 8-, bei Frauen 34mal angetroffen. Auf die Gesammtzahl von 6045 Pat. kamen 0,93% Mānner, 1,35% Frauen. Verf. fügt als Beispiel 5 Fälle an, die er als charakteristisch be- zeichnet, von denen aber nach des Ref. Ansicht nur einer den Anspruch auf Be- weiskraft machen kann, zumal in keinem Falle die Autopsie am Lebenden oder Todten gemacht wurde.

Im 1. Falle wurde die Diagnose auf Ulcus ventriculi gestellt und ein Careinom mit großer Wabhrscheinlichkeit ausgeschlossen, letzteres weil sich Pat. nach 1 Jahr in viel besserem Zustande befand. Ob die halbhühnereigroße Vorwölbung, welche sich bei der ersten Untersuchung in der Linea alba unter dem Processus ensi- formis fand, noch fühlbar oder verschwunden war, darüber erfahren wir nichts. In Fall III wurde Enteroptose und scheinbare Geschwulst, die höchst wahrschein- lich durch den linken Leberlappen bedingt war und an der gleichen Stelle wie im 1. Falle lag, diagnosticirt. Pat. wurde angewiesen, regelmäßig und reichlich zu essen, erholte sich unter dieser Therapie sichtlich und ist seitdem gesund ge- blieben. Uber das spätere Verhalten der scheinbaren Geschwulst erfahren wir wiederum nichts. Fall IV ist schon desshalb nicht beweiskräftig, weil Verf. selbst schreibt: »Die Zeit ist zu kurz, um in diesem Falle die Diagnose in Bezug auf Ausschluss eines Carcinoms mit Sicherheit zu stellen, doch scheint es mir, als ob hier nur ein scheinbarer Tumor vorläge«e. Endlich in Fall V, in welchem eine Resistenz zwischen Nabel und Processus ensiformis gefühlt wurde, kam Verf. zu der Diagnose Enteroptose und scheinbarer Tumor. Es wurden Binde, reich- liche Ernährung und Eisen verordnet; über den Verlauf des Falles erfahren wir nichts. Die angeschlossene Epikrise ist nicht geeignet, die Beweiskraft der Fälle zu erhöhen. Der Rath des Verf., in solchen zweifelhaften Fällen abzuwarten, ent- spricht nicht dem modernen Standpunkt; denn handelt es sich doch um eine bös- artige Neubildung, so wird man bei der exspektativen T'herapie (auch wenn nur »wenige Monate« vergehen) eher schaden als nützen. Langemak (Rostock).

Originalmittheilungen, Monographien und Separsatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Härtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E. v Bergan, F. Kinig, E. Riit,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

a ———————————— ——— Wöchentlich eine Nummer. Preis des A 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 7. Sonnabend, den 15. Februar. 1902.

Inhalt: W. Meyer, Gastroenterostomie kombinirt mit Enterostomie, ausgeführt mit Hilfe der elastischen Ligatur. (Original-Mittheilung.)

1) Clark, Drainirung der Bauchhöhle. 2) Lexer, Banchverletzungen. 3) Cursch- maan, A) Da Costa, 6) Deaver, Appendicitis. 6) Brunner, Magenperitonitis. 7) Boas, Magenausspülungen. 8) Schlofler, Gutartige Magenerkrankungen. 9) Borr- mana, 10) Cumston, Magenkrebs. 41) Schlofler, Darmvereinigung. 12) Connell, Darmnaht. 13) Albu, Darmresektion.

14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 15) Tantzscher, Bauchwunden. N Griffith, 17) Poljakow, 18) Sheldon, 19) Laplace, Appendicitis. 20) Ramoni, 21) Watt, Bauchfelltuberkulose. 22) Hermes, Netzplastik. 23) Ssamssonow, Ga- stritis. 24) Hammond, 25) Adamson, 26) Rencki, Magengeschwür. 27) Kolbe, 3 Miodzojewski, 29) Brunner, Magenkrebs. 30) Kaiser, Gastroenterostomose. 31) Lebhardt, Fistula gastro-colica. 32) Curti, Enterektomie und Enteroanastomose. 33) Fuchsig, Darmresektionen. 34) Conklin, Blinddarmresektion. 35) Borszöky, Embolie der A. mesent. sup. 86) Eichel, Subkutane traumatische Bauchblutungen.

Gastroenterostomie kombinirt mit Enterostomie,

ausgeführt mit Hilfe der elastischen Ligatur (McGraw’s Methode). Von Dr. Willy Meyer in New York.

In No. 4 des »New York med. journ.« vom 26. Januar und No. 14 des »New York med. record« vom 5. Oktober v. J. beschreibt Dr. Theodore McGraw aus Detroit, Mich., seine Methode der seitlichen Anastomosenbildung am Magen-Darmkanal mit Hilfe der elastischen Ligatur. Schon in den Jahren 1889—1891 hatte er mit dieser Art der Zusammenfügung an Hunden experimentirt, sie auch 2mal bei der Gastroenterostomie am Menschen versucht und über seine Resultate in einer Eröffnungsrede als Vorsitzender der chirur- gischen Sektion der Amer. med. Association im Mai 1891 berichtet!.

t Journ. of the Amer. med. Association 1891. Mai 16.

186 Centralblatt für Chirurgie. No. 7.

Die Erfindung und allseitige Einführung des Murphyknopfes ver- anlassten ihn, zunächst von weiteren Versuchen abzustehen. Doch die Erkenntnis, dass dem sonst so vortrefflichen Knopfe bestimmte Mängel anhaften, brachte ihn dazu, die elastische Ligatur weiter zu erproben. Die Ergebnisse seiner Experimente sind in den eben er- wähnten Aufsätzen niedergelegt. McGraw giebt an, dass Gaston aus Atlanta (1884 »Zur Anlegung einer Gallenblasen-Dünndarm- fistele), Bardenheuer (1888 »Kettenartig verschlungene Gummi- fäden), Podres (1898) und Sokoloff und Trzebicky (1899 »Zwei sich kreuzende Seidenligaturen«), Modlinsky (1899 »Zwei sich kreuzende elastische Ligaturen) in ähnlicher Weise eine seitliche Anastomosenbildung zu erreichen suchten. Er selbst benutzte das bekannte starke, runde, elastische Band von 2—3—4 mm Durch- messer, wie es früher häufig zum Abbinden von Hämorrhoidalknoten, Durchtrennung einer hochgelegenen Mastdarmfistel, Umschnürung des Stieles bei der Nierenexstirpation etc. verwendet wurde und noch heute von einigen Chirurgen gebraucht wird. Beim Durch- lesen der ersterwähnten Arbeit McGraw’s erschien mir die Methode auf vernünftigen Principien beruhend. Obwohl seit Jahren ein An- hänger des Murphyknopfes, wo immer anwendbar, beschloss ich die elastische Ligatur zu erproben. oz

FallI. Heruntergekommener Mann; 54 Jahre, mit großem palpablem Pylorus- carcinom. Seit Wochen bestehendes, fast permanentes Erbrechen; Magen reicht bis nahe an die Symphyse; Gewicht 85 Pfund; Mastdarmernährung.

17. Juli 1901: Laparotomie im Deutschen Hospital; allgemeine Narkose; großer, höckeriger, beweglicher Tumor; viele Drüsen. Sofortige Resektion in Anbetracht des Zustandes des Pat. kontraindicirt. Hintere Gastroenterostomie. Nach stumpfer Durchtrennung des Mesocolon transversum wird der Rand des letzteren, breit aus einander gezogen, an der hinteren Magenwand mit einigen Seidennähten fixirt und eine Stelle des Jejunum gegenüber seinem Mesenterial- ansatze und ca. 20 cm entfernt von der Plica duodeno-jejunalis, mit 8 unterbrochenen Seidennähten an den Magen genäht. Eine durch Kochen sterilisirte, elastische Ligatur, 2 mm im Durchmesser, wird in eine gerade Hagedornnadel gefädelt. Nun wird mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand eine Falte der hinteren Magen- wand emporgezogen und, ca. 1—11/, cm von den angelegten Nähten entfernt, an ihrer Basis durchstochen. Der Assistent streckt den elastischen Faden durch Zug, worauf die Nadel mitsammt demselben mit Leichtigkeit durch den Magen ge- sogen wird. Mit Nachlassen des Zuges nimmt das Band natürlich seine frühere Cireumferenz wieder an und füllt den Stichkanal völlig aus. Nicht ein Tropfen Flüssigkeit war ausgetreten; keine Blutung. Gut 5cm Magenwand sind von der Ligatur umfasst. Die an das Jejunum angeheftete Schlinge in einer ähnlichen Falte emporzuheben und diese an ihrer Basis, wie am Magen, zu durchstechen, getraute ich mich nicht, aus Furcht, event. die Mesenterialseite mitzufassen. Genau dem Ausstich am Magen entsprechend wird desshalb die Nadel wieder ca. 1 bis 11/, cm von der Nahtreihe entfernt in das Jejunum eingestoßen, durch Hin- und Herbewegen festgestellt, dass die Spitze im Lumen frei ist, und dann, ent- sprechend der Einstichstelle am Magen, wieder aus dem Darm hervorgebracht. Durchziehen der Ligatur wie vordem. Wieder blieb Alles trocken. Jetzt wird die Ligatur fest angespannt, über Kreuz gehalten, und vom Assistenten ein, der Längsachse des Magens parallel gelegter, geflochtener Seidenfaden über der Kreuzung des elastischen Bandes festgebunden. In diesem Augenblicke reißt

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Centralblatt für Chirurgie. No. 7. 187

wider Erwarten die Ligatur, glücklicherweise diesseits des Knotens. Das kurz abgerissene Ende wird nun mit der Pincette gefasst und lang gezogen, das andere mit den Fingern gestreckt, und die zweite Kreuzung mit demselben Seidenfaden susammengeschnürt. Kurzes Abschneiden von Ligatur und Seidenfaden. Eine Anzahl unterbrochener Seidennähte, gegenüber den zuerst angelegten, schließt das Operationsfeld nach vorn ab. Da der Puls des heruntergekommenen Pat. noch gut geblieben, wird sofort die, Anfangs nicht beabsichtigte, Entero-Enterostomie hinzu- gefügt. Proximales Jejunumende leider sehr kurz. Passendste Stelle zur Ana- stomose knapp 6 cm von der Gastroenterostomie entfernt. Vorgehen wie zuvor; nur wird eine fortlaufende Seidennaht hinten und vorn benutzt und die Öffnung im Darm nur halb so groß wie die Kommunikation zwischen Magen und Darm angelegt. Reduktion; Bauchnaht. Trefflicher Verlauf. Zuerst 2 Tage Rectal- ernährung, dann beginnende Fütterung per os. Im Laufe der zweiten und dritten Woche nach der Operation ab und zu gewaltiges Erbrechen; Verdacht auf Cir- eulus vitiosus. Mögliche Ursache: die ungebührliche Nähe der beiden Anastomosen- öffnungen, event. auch zu langsames Wirken der Ligatur in Folge des Reißens. Prolongirte Magenspülung ändert das Bild. Vorsichtige Ernährung; langsame Genesung. Pat. nimmt heute volle Kost ohne Beschwerden, hat über 15 Pfund zugenommen. Er wurde am 13. November der hiesigen chirurgischen Gesellschaft vorgestellt.

Fall II. Behandelnder Arzt Dr. Max Einhorn.

Mann, 36 Jahre. Vorgeschichte von Syphilis. Letsthin Erscheinungen schwerer Magenerkrankung. Gastrodiaphanie zeigt dunkles Bild in der oberen Hälfte des Magens. Beim Aufblähen des Organs ab und zu Tumor palpabel. Antispecifische Behandlung ohne Erfolg. 24. August 1901: Laparotomie im Post- Graduate Hospital. Infiltrirendes Neoplasma am Pylorus und der kleinen Cur- vatur: Magen fixirt. Vordere Gastroenterostomie und Entero-Enterostomie mit Hilfe der elastischen Ligatur (Durchmesser derselben diesmal 3 mm), wie oben beschrieben; dieselbe reißt nicht. Die beiden Anastomosen ca. 15 cm von ein- ander entfernt. Ungestörte Heilung, kein Erbrechen. Pat. wiegt heute nur 10 Pfund weniger als vor Beginn seiner Erkrankung.

McGraw hat sich neuerdings elastische Ligaturen mit ab- geschrägtem, spitz zulaufendem Ende anfertigen lassen. Dieselben haben ihre Vortheile, da sie sich natürlich leichter fädeln. Man kann sie aber entbehren. Schneidet man das eine Ende des Bandes möglichst schräg ab, so dringt die Spitze ohne Schwierigkeit durch das Auge einer Nadel mit nicht allzu kleinem Auge. Das Ende wird mit der Pincette gefasst, der Faden angespannt und durch- gezogen. Noch einfacher gestaltet sich dies, wenn man eine Nalel mit offenem (sog. Patent-) Auge, benutzt. Der gestreckte Faden wird dann einfach eingedrückt. |

Ich glaube die Methode wird weitere Verbreitung finden, wenn man sich bemüht, mit der überall käuflichen Ligatur auszukommen. McGraw schlägt ferner vor, nur eine Kreuzung der Ligatur mit dem unter- und umgelegten Seidenfaden zu fixiren. Ich glaube ein einfacber Knoten, fest angezogen, vom Seidenfaden umschlungen, und noch eine eben so festgehaltene Kreuzung der Ligatur darauf ist sicherer. Das dadurch bedingte, etwas größere Volumen des Knotens kommt nicht in Betracht. Ferner scheint mir bei der Entero-Enterostomie die Fixirung der zu- und abführenden Schlinge hinter und vor der Ligatur mit fortlaufender Naht schneller und

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einfacher ausführbar als mit der unterbrochenen; bei der Gastro- enterostomie ist die unterbrochene Naht wegen der verschiedenen Wanddicke vorzuziehen.

Die durch das starke An- und Zusammenziehen der Ligatur naturgemäß entstehende Faltung von Magen- und Darmwand findet sich schon nach 48 Stunden wieder ausgeglichen, wie McGraw sich bei seinen Thierexperimenten überzeugen konnte.

In seinem zweiten Aufsatz »Uber die Anwendungsweise der elastischen Ligatur in der Chirurgie des Darmes und ihre Grenzen« sucht McGraw die gegen die Methode erhobenen Einwände zu entkräften. Die Thatsache, dass die Anastomose sich erst am dritten oder vierten Tage nach der Operation voll etablirt, erscheint ihm ohne Belang. Von hohen Nährklystieren wird wahrscheinlich nach der Operation in den ersten 2 Tagen eben so viel, wenn nicht mehr, resorbirt, wie durch Nahrungszufuhr von oben. Der Furcht, dass die Ligatur nicht mit Sicherheit ihren Zweck erfüllt, begegnet er mit den Resultaten seiner am dickeren Magen des Hundes gemachten Experimente und seinen Beobachtungen am Menschen(5). In 2 der Letzteren wurde am 14. resp. 15. Tage nach der Operation bei der Sektion eine tadellose Kommunikation gefunden. Dieselbe entsteht nicht durch Brandigwerden der von der Ligatur umschlungenen Gewebsschichten, sondern, wie es scheint, durch Resorption derselben. Dies wird, wie McGraw meint, durch. den Befund erwiesen, dass schon am Ende des 4. Tages die Ränder der Öffnung, einschlieBlich der Schleimhaut, ohne Wundfläche fest vereinigt sind. »Das Resultat ist ein glatter, geheilter Rand entlang der ganzen Öffnung. « Nach- dem die Ligatur ihre Dienste gethan, geht sie mit dem Stuhl ab. Spätere Kontraktion der Öffnung ist nicht wahrscheinlich. Unter- guchung von Präparaten am Menschen, die ja zu erwarten sind, werden diesen Punkt aufklären.

Selbstverständlich ist die Methode auch bei anderen Erkrankun- gen des Magen-Darmkanals, welche seitliche Anastomosenbildung er- heischen, anwendbar. Für die Cholecystenterostomie ist sie nicht anzurathen wegen der Dünne der Gallenblasenwand.

Es wird interessant sein, die Entwicklung der Operationsmethode weiter zu verfolgen, zu sehen, ob sie Alles erfüllt, was sie zu ver- sprechen scheint. Sie imponirt jedenfalls in technischer Beziehung, denn sie ist einfacher, sicherer und schneller ausführbar als irgend eine andere der heute gebräuchlichen Operationen für die seitliche Anastomosenbildung am Magen-Darmkanal.

New York, 30. December 1901.

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1) J. Clark. Natural method of draining the peritoneal cavity. (Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1901. November.)

Verf. hat bereits in früheren Arbeiten (cf. d. Blatt 1898 No. 50) auf die Gefahren der Peritonealdrainage nach Operationen hin- gewiesen. Seine neuesten Thierversuche zur Feststellung der genaueren Vorgänge bei der Resorption von der Bauchhöhle aus (Einführung von Farbstoffen in dieselbe) ergaben dieselben Resultate wie die Ver- suche Muscatello’s. Auf Grund derselben und der klinischen Er- fahrungen kommt Verf. zu folgenden Schlüssen: Das Aufsaugungs- vermögen des Bauchfells ist ein gewaltiges und kann innerhalb einer Stunde 3—8% des gesammten Körpergewichts betragen. Zahlreiche feste Partikel werden in unglaublich kurzer Zeit von der Bauchhöhle durch das Zwerchfell in die mediastinalen Lymphgefäße und Drüsen überführt, gelangen von hier aus in die Blut- und Lymphbahn und vertheilen sich schnell in den Organen, zunächst in den Lungen, sodann in Leber, Milz und Darmkanal, schließlich in den Nieren und im Knochenmark. Die Partikel (hauptsächlich Mikroorganismen) cirkuliren zunächst frei, später werden sie von Leukocyten auf- genommen. Es besteht normalerweise eine Kraft in der Bauch- höhle, welche ohne Rücksicht auf die Körperlage flüssigen Inhalt und Fremdkörperchen gegen das Zwerchfell leitet. Nach Einbringung von Mikroorganismen in die Bauchhöhle tritt während der ersten Stunde eine starke Verminderung ihrer Zahl ein, sowohl in Folge intra- peritonealer Zerstörung als auch schneller Absorption. Es ist daher unmöglich, freies infektiöses Material durch irgend welche mecha- nische Maßnahmen auf ein bestimmtes Gebiet der Bauchhöhle zu begrenzen. Folglich ist es bei einer zur Zeit der Operation bestehen- den Infektion viel richtiger, die schnelle Ausscheidung der Mikroben zu befördern, als zu versuchen, die Infektion durch chirurgische Drainage zu umgrenzen. Etwa in der Bauchhöhle zurückgebliebene virulente Streptokokken entwickeln innerhalb 6 Stunden Eigenschaften, durch welche die Leukocyten zurückgestoßen oder vernichtet werden. Der Kampf zwischen Mikroben und Körper hat daher längst begonnen, ehe eine in gewöhnlicher Weise angewendete Drainage überhaupt zur Wirkung kommen kann. Eine mäßige Menge selbst virulenter Keime, welche auf dem Blutwege in die Lunge, Leber etc. gelangt sind, wird ohne die geringste Schädigung für den Pat. zerstört oder ausgeschieden; wird dagegen die gleiche Menge an einer Operations- stelle der Bauchhöhle zurückgehalten, zumal in einer Tasche, so tritt gewaltige Vermehrung ein, und die Vertheidigungskräfte des Körpers können überwältigt werden.

Die gewöhnliche Drainage ist daher in vielen Fällen überflüssig und gefährlich. Die rationelle Methode ist, Gewebstrümmer und infektiöses Material durch Spülung möglichst zu entfernen, und dann

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ca. 1 Liter 0,6 ige Kochsalzlösung in der Bauchhöhle zurückzulassen; außerdem wird noch während der Narkose in Beckenhochlagerung ein Einlauf von 1 Liter Kochsalzlösung gemacht. Beides befördert die natürliche Drainage. Die früher geübte gleichzeitige Hochstellung des Bettfußendes ist nicht nothwendig, da die Aufsaugung auch ohne sie schnell erfolgt, und das Umherschwimmen der Eingeweide in der Salzlösung bei Horizontallage die Vertheilung der Gewebstrümmer, Organismen etc. begünstigt. Diese Behandlungsmethode wirkt stimu- lirend, die Urinabsonderung und damit die Ausscheidung toxischen Materials ist vermehrt, die Infektionsgefahr schnell beseitigt, das Durstgefühl sehr vermindert oder aufgehoben; die Darmperistaltik wird frühzeitig angeregt, und auch auf diesem Wege Infektionsstoff ausgeschieden. Die Methode ist kontraindicirt bei bereits bestehen- dem Ascites und bei allgemeiner eitriger Peritonitis. Bezüglich der stark einzuschränkenden Indikationen zur Gazestreifendrainage steht Verf. noch auf dem gleichen Standpunkte wie in der oben erwähnten früheren Arbeit. Bei 150 nach der obigen Methode nachbehandelten Laparotomien hatte Verf. 3 Todesfälle, von denen wahrscheinlich keiner der Methode zur Last fällt. Die Menge der in der Bauch- höhle zurückgelassenen Flüssigkeit betrug 500—1800 ccm. Mohr (Bielefeld).

2) Lexer. Über Bauchverletzungen. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 48 u. 49.)

L. tritt auf Grund der günstigen Erfolge, welche das operative Vorgehen bei Bauchverletzungen in der v. Bergmann’schen Klinik zu verzeichnen gehabt hat, sehr warm für dasselbe ein; er sieht in den Erfahrungen verschiedener Chirurgen in Südafrika nur einen Beweis für den Werth der abwartenden Therapie im Felde. Schwere Gefahren für den ganzen Verlauf lassen sich durch den Bauchschnitt beseitigen, während er auf der anderen Seite, einmal umsonst aus geführt, für gewöhnlich keine neuen Komplikationen herbeiführt. Eingehender als die offenen Verletzungen werden an der Hand sehr instruktiver Fälle die subkutanen, durch stumpfe Gewalt entstehen- den Verletzungen besprochen. L. hebt hervor, von welch hoher Be- deutung für die Frühdiagnose der Magen-Darmverletzungen das gallige Erbrechen ist, welches das einzige für diese Verletzung sprechende Symptom sein kann. Als weitere aber ganz unsichere Zeichen nennt er 1) eine geringe Spannung der Bauchdecken, ein Symptom, welches, wenn es in stärkerem Grade vorhanden, von größter Bedeutung ist; und 2) die Herabsetzung der Darmbewegung, welche sich trotz Spannung der Bauchdecken schon früh nach der Verletzung entwickeln kann in Folge des traumatischen Reizes auf den Darm. Retentio urinae findet sich bei einfachen und kom- plicirten Bauchverletzungen. Erhaltung der Leberdämpfung spricht nicht gegen eine intraperitoneale Verletzung. Zum Schlusse werden die Fälle mit schwerer innerer Blutung besprochen unter besonderer

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Berücksichtigung der Leberrupturen, bei welchen L. zur Blutstillung nach Unterbindung größerer Gefäße die Tamponade mit Jodoform- gase bevorzugt, weil sie einfacher und sicherer als die Naht ist.

Dass auch, wenn bei konservativer Behandlung das Leben er- halten wurde, noch später Gefahren bestehen, welche das Leben be- schwerlich machen und bedrohen, beweist L. durch folgende Aus- führungen:

Bei Magen-Darmverletzungen droht

1) die Gefahr der Spätperforation mit Peritonitis, wenn Ver- klebungen zerreißen oder eine gequetschte Stelle nekrotisch wird;

2) können sich durch Abkapselung in der Nähe der Ruptur- oder Kontusionsstelle Abscesse entwickeln, welche starke Beschwerden machen, aber auch in die Bauchhöhle durchbrechen können;

3) entstehen an der Verletzungsstelle des Magens oder Darmes narbige Strikturen oder Knickungen in Folge von Verwachsungen;

4) können abgesackte’ intraperitoneale und mesenteriale Häma- tome, die sog. Blutcysten, entstehen. Langemak (Rostock).

3) Curschmann (Leipzig). Zur diagnostischen Beurtheilung der vom Blinddarm und Wurmfortsatz ausgehenden entzünd-

lichen Processe. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 48 u. 49.)

Von der Thatsache ausgehend, dass bei akut entzündlichen Er- krankungen, besonders solchen mit umschriebener Eiterung, die Zahl der weißen Blutkörperchen steigt, hat C. in den letzten 2!/, Jahren auch die Fälle der vom Wurmfortsatz ausgegangenen entzündlichen Processe auf das Verhalten der Leukocyten im Blute täglich 1 bis 2mal untersuchen lassen. Die hochbedeutsamen Ergebnisse waren die folgenden:

In der überwiegenden Zahl aller Fälle sind durch die Leuko- cytenzählung die Appendicitisfälle mit einfacher, sog. fibrinöser Ex- sudation von den zur Abscessbildung kommenden sicher zu unter- scheiden, auch da, wo andere Zeichen, Form und Konsistenz der Ausschwitzung (Fluktuation), das Temperaturverhalten und die Probe- punktion im Stiche lassen.

Die nicht abscedirenden Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass sie entweder ganz ohne Vermehrung der weißen Blutzellen (ca. 8—-10000 weiße Blutzellen im Kubikmillimeter Blut als normal angenommen) verlaufen hierher gehören fast nur die leichteren —, oder dass sie eine verhältnismäßig geringe Steigerung im Anfange der Erkrankung bieten, die im weiteren Verlaufe dauernd oder mit nur vereinzelten Erhebungen in wenigen Tagen zur Norm zurück- geht. Höhere Leukocytenzahlen kommen ohne spätere Abscessbil- dung nur im Anfang der Erkrankung und dann vorübergehend vor. Die Zahl der weißen Zellen überschreitet dann aber auch indi-

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viduelle Schwankungen in Betracht gezogen nur äußerst selten 20—22000. Erhebt sich schon in den ersten Tagen oder, was minder häufig, im Laufe der weiteren Beobachtung die Leukocytenzahl dauernd zu hohen Werthen, so ist, falls andersartige, leukocytoseerre- gende Processe (Pneumonie etc.) auszuschließen sind, mit Sicherheit Abscessbildung anzunehmen und chirurgische Behandlung unbedingt angezeigt. Leukocytenzahlen von 25000 und darüber sind schon an sich und vereinzelt beobachtet dringend verdächtig. Stellt man sie nach längerem Bestand der Erkrankung fest, so ist die Diagnose Eiterung so gut wie sicher und weiteres Zuwarten unnöthig. Wird der Abscess durch Einschneiden entleert, so sinkt, falls die Entleerung vollständig war, die Leukocytenzahl rasch, vielfach direkt und dauernd zur physiologischen herab. Sinkt sie nach der Operation nicht, oder steigt sie gar an, so ist an Verhaltung von Eiter oder Vorhandensein eines oder mehrerer anderweitiger Abscesse zu denken. Werden perityphlitische Abscesse durch Durchbruch in den Darm, die Blase oder andere Hohlorgane des Unterleibes nach außen entleert, so ist das Verhalten der Leukocyten dem nach chirurgischer Behandlung gleich: rasches Absinken bei leichtem vollständigem Abfluss, langsame Verminderung, Fehlen derselben oder \Viederansteigen, je nach den ihm entgegenstehenden Schwierigkeiten.

Für die Diagnose der Abscessbildung steht das Verhalten der Leukocyten demjenigen des Fiebers, speciell der Körperwärme, weit voran. Während Form und Verlauf der Temperaturkurven hier un- gemeine Verschiedenheiten bieten, und sehr geringes Fieber, ja dauerndes Fehlen desselben zur Ausdehnung der eiterigen Processe oft genug in grellem Missverhältnis stehen, kennzeichnen diese sich fast ausnahmslos durch dauernde, innerhalb enger Grenzen schwan- kende hohe Leukocytose. Über das Verhalten der letzteren bei derb abgekapselten kleinen Abscessen mit eingedicktem Inhalt hat C. noch keine genügenden Erfahrungen; solche fehlen ihm auch über die Fälle, die in Folge Durchbruchs des Abscessinhaltes in die freie Peritonealhöhle unter Erscheinungen akuter allgemeiner Peritonitis rasch tödlich enden, wenn er auch Grund zu der Annahme hat, dass bei einzelnen derartigen Fällen die Anfangs hoch gesteigerte Zahl der weißen Blutzellen rasch und erheblich bis zur und unter die Norm sinkt. Kramer (Glogau).

4) Da Costa. The clinical value of blood examinations in appendicitis. A study based on the examinations of 113 cases at the German hospital, Philadelphia.

(Amer. journ. of the med. sciences 1901. November.)

Seine Untersuchungen haben den Verf. zu folgenden Ansichten geführt:

1) Der Durchschnittsfall von Appendicitis vor der Operation zeigt einen Verlust von etwa 30% Hämoglobin und von mehr als

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einer halben Million Erythrocyten pro Kubikmillimeter. Gelegent- lich ist die Anämie so hochgradig, dass sie in sich selbst eine ernste Komplikation darzustellen und Zweifel an der Sicherheit eines ope- rativen Eingriffes zu erzeugen scheint, wenn letzterer sonst indicirt it. Doch haben die Berichte über die beobachteten Fälle diesen Zweifel als nicht begründet erwiesen.

2) Mäßige Leukocytose kann sowohl bei fehlendem, als auch bei vorhandenem Abscess und seinen Folgezuständen vorkommen. Sie begleitet etwa 35% der nichteitrigen und 90% der eitrigen Fälle.

3) Leukocytenzahlen von 10000, 15000 und 17000 berechtigen nicht zu sicheren Schlüssen über die Art des lokalen Leidens. Da dieser Grad von Vermehrung sowohl bei den milden, katarrhalischen, wie auch bei den eitrigen Fällen vorkommt.

Zahlen von 20000 und darüber zeigen dagegen fast stets die Gegenwart von Eiter, Gangrän oder allgemeiner Peritonitis, einzeln oder zusammen, an.

4) Leukocytose kann fehlen sowohl bei den einfachen katarrha- lischen als auch bei den foudroyant verlaufenden Fällen und bei den Formen von umschriebenem Abscess.

5) Nach operativer Entleerung des Eiters folgt in wenig Tagen ein Abfall der Leukocytenzahl zur Norm, vorausgesetzt, dass die Re- konvalescenz eine normale ist. Bleibt die Leukocytose über den 3. oder 4. Tag nach der Operation bestehen, so ist das ein Beweis da- für, dass abgesackte Eiterherde nicht drainirt sind, oder dass allge- meine Peritonitis besteht, oder alles Beides.

Bemerkungen über den Werth dieser Beobachtungen für die

Diagnose und Prognose beschließen die Arbeit. R. v. Hippel (Kassel).

5) Deaver. Atypical and unusual varieties of appendicitis. (Philadelphia med. journ. 1901. Juli 27.)

Berührt der erkrankte, hinter den Blind- oder Dickdarm ver- lagerte Wurmfortsatz die rechte Niere, Leber, Gallenblase oder weib- lichen Geschlechtsorgane, so täuscht das Symptombild vielfach eine primäre Erkrankung dieser Organe vor. Kurze Besprechung der Differentialdiagnose der zahlreichen hierher gehörigen Affektionen. Perinephritische Abscesse gehen nach D.’s Ansicht meist vom post- coecal verlagerten, erkrankten Wurmfortsatz aus. Mehrfach hat er Appendicitis im Verlaufe eines Typhus abdominalis mit Erfolg operirt. Von den 3 Kardinalsymptomen der Appendicitis, Schmerz, Druck- empfindlichkeit und Muskelrigidität, ist letztere das wichtigste. Sie

ist am ausgesprochendsten über dem Wurmfortsatz. Läwen (Leipzig).

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6) C. Brunner. Klinische Beobachtungen über Ätiologie und chirurgische Therapie der Magen-Duodenumperforation und Magenperitonitis.

(Beiträge sur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

B. giebt einen kritischen Bericht über die von ihm operirten Fälle von Perforation des Magens so wie des obersten Duodenums und geht ausführlich auf Ätiologie, Art und Verbreitung der Magen- peritonitis, ihre Diagnose und Therapie ein. Die Symptome der Geschwürsperforation sind nicht so pathognomonisch, dass aus ihnen der Ausgangspunkt der Peritonitis bestimmt werden könnte. Auch nach ausgeführter Laparotomie kann eine Magenperforation noch übersehen werden; man soll es sich daher zur Regel machen, bei jeder Peritonitis dunklen Ursprungs nicht nur den Wurmfortsatz, sondern auch Magen und Duodenum zu inspieiren. In ganz frischen Fällen kann auch die Beschaffenheit des peritonealen Ergusses (Speise- theile, säuerlicher Geruch) zur richtigen Diagnose leiten. Hinsicht- lich der Infektiosität ist der saure Mageninhalt weniger gefährlich als der nicht saure, aber auch bei Hyperacidität darf man sich von der antibakteriellen Wirkung der Säure nicht viel versprechen; denn die Streptokokken gedeihen auch noch bei ziemlich reichlichem Säure- gehalt, und die Erfahrung lehrt, dass stets Infektion eintritt, wo immer größere Mengen Mageninhaltes in die Bauchhöhle fließen. Fast immer handelt es sich um Polyinfektionen, wobei die Strepto- kokken die wichtigste Rolle spielen. Um einen Heilerfolg zu er- zielen, ist bei Durchbruch in die freie Bauchhöhle der Verschluss der Perforation die erste Forderung. Wo allgemeine Peritonitis mit reichlichem eitrigem Exsudat besteht, hält B. die Irrigation mit Koch- salzlösung für das schonendste Mittel zur Entfernung der Exsudat- massen. Unnütz ist die Irrigation bei trocken fibrinöser, schädlich bei partieller Peritonitis. Auf Verf.s Kasuistik und die Details der sehr lesenswerthen Arbeit einzugehen, würde den Rahmen eines kurzen Referates überschreiten; es sei diesbezüglich auf das Original verwiesen. Honsell (Tübingen).

7) J. Boas. Über Indikationen und Kontraindikationen

der Magenausspülungen. (Therapie der Gegenwart 1901. No. 12.)

Verf. hebt hervor, dass die von Kussmaul und später von Cahn ursprünglich sehr eng gestellten Indikationen zur Magenaus- spülung Magendilatation resp. akuter Darmverschluss allmäh- lich sehr erweitert und auf alle Magenaffektionen ausgedehnt wurden. So z. B. auf die Magenatonie, bei der jedoch die Indikation fehlt, da der Speisebrei zwar verzögert, aber ohne Rest und ohne Zer- setzungsprodukte den Pylorus passirt. Ein längeres Verweilen des Speisebreies im Magen ist auch durch Regelung der Diät zu ver- meiden.

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Ähnlich steht es mit der chronischen Gastritis mit und ohne Schleimbildung. Der Schleim kann durch Trinken schleimlösender Wässer entfernt werden.

Dasselbe gilt vom Magengeschwür. Hier hat die Spülung nur einen Zweck, wenn eine Komplikation mit schweren motorischen Störungen vorliegt.

Wenn bei funktionellen Erkrankungen des Magens durch Spü- lungen Erfolge erzielt werden, so ist zu bedenken, dass diese Sug- gestionstherapie kein harmloses Mittel ist. Es kann durch den Schlauch leicht zu Erosionen kommen, die dann event. zur Geschwürs- bildung Anlass zu geben geeignet sind.

Beim Carcinom sind, wenn mäßige Poienii onsere nungen vor- liegen, Ausspülungen angebracht und wirken erleichternd. Bei schweren Stauungen aber, wie sie sich bei Pyloruscarcinomen finden, sind Spülungen zu widerrathen, da Collapszustände und akute Ver- schlimmerungen dabei beobachtet werden. Man thut in solchen Fällen gut, den Schlauch einzuführen und einen Theil der stagni- renden Massen durch Pressen entleeren zu lassen, ohne zu spülen.

Silberberg (Hirschberg i/Schl.).

6) H. Schloffer. Über die operative Behandlung gutartiger Magenerkrankungen. (Prager med. Wochenschrift 1901. No. 28.)

Vorstehende, der Wölfler’ schen Klinik entstammende Arbeit giebt eine gute Übersicht über den jetzigen Stand der in der Über- schrift genannten Frage. S. beschäftigt sich besonders mit der operativen Behandlung des offenen Magengeschwürs. Die Indika- tion zum chirurgischen Eingreifen bietet gewöhnlich die Perforations- peritonitis und Blutungen. Viel bedeutungsvoller aber ist die chirurgische Therapie in Geschwürsfällen, wo jene Komplikationen nicht vorliegen und das Leiden der inneren Therapie dauernd wider- standen hat. Die Gefahren der Operation sind stetig zurückgegangen und betragen heute kaum noch 10% Mortalität. (Czerny 2,3%, Carle Fantino 7%, Mikulicz 4,35%). Man kann daher sagen, dass die Gefahr der Operation nicht größer ist, als die Gefahr beim Geschwür, wenn dabei nicht operirt wird.

Als Operation ist die Resektion heute fast ganz verlassen. In Frage kommt hauptsächlich die Gastroenterostomie und die Pyloro- plastik. Bei eısterer bevorzugt S. natürlich als Schüler Wölfler’s die von diesem angegebene Gastroantecolica anterior. Zur Ver- meidung des bekannten »Circulus vitiosus« dient die Anlegung einer Anastomosenöffnung zwischen zu- und abführendem Darmschenkel nach Braun.

Die Pyloroplastik dient in erster Linie zur Erweiterung des narbig verengten Pylorus, kann aber in besonderen Fällen auch bei offenem Geschwür von Nutzen sein. Eben so kann unter Umständen

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die Vereinigung der Pylorusausschaltung nach v. Eiselsberg mit der Gastroenterostomie indicirt erscheinen. Die als »Sanduhr- magen« beschriebene Anomalie lässt sich durch die Gastroplastik beseitigen. Wo sie nicht genügt, macht Wölfler die Gastro- anastomose, d. h. eine tiefer gelegene Anastomosenöffnung zwischen Cardia- und Pylorusmagen. Zum Schluss weist S. auf gewisse Fälle von Pylorospasmus hin, die eine Probelaparotomie und event. weitere Operationen indiciren können. Jaffé (Hamburg).

9) Borrmann. Das Wachsthum und die Verbreitungswege des Magencarcinoms vom anatomischen und klinischen Stand- punkt.

(Supplementband su d. Mittheilungen a. d.fGrenzsgebieten d. Medicin u. Chirurgie.) Jena, G. Fischer, 1901.

In einer sehr ausführlichen Arbeit von 376 Seiten mit 16 Tafeln und zahlreichen Textfiguren giebt B. die Resultate seiner Unter- suchungen an 63 Präparaten von Magencarcinom, welche von v. Mi- kulicz durch Resektion gewonnen waren. Er richtete seine Studien hauptsächlich auf zwei Punkte: festzustellen, in welcher Weise das Carcinom innerhalb der Magenwand wächst und sich ausbreitet, so- dann durch mikroskopische Untersuchung der makroskopisch an- scheinend im Gesunden angelegten Resektionsschnitte nachzusehen, ob wirklich stets im Gesunden operirt worden war.

Nachdem zuerst eine genaue makro- und mikroskopische Be- schreibung sämmtlicher Präparate gegeben, zieht B. aus diesen Befunden allgemeine Schlüsse über das Wachsthum des Magencarci- noms. Er betont den wesentlichen Unterschied, welcher zwischen der Entstehung des Carcinoms, also der Histogenese, und seinem Wachsthum besteht. Die Studien über das Wachsthum desselben geben keinerlei Aufschluss über seine Entstehung, welche letztere noch völlig unbekannt sei. Hinsichtlich des Wachsthums aber schließt sich B. durchaus den Anschauungen Ribbert’s, dessen Schüler er ist, an, nach welchen sich die Geschwülste ausschließlich aus sich heraus vergrößern, ohne Betheiligung der Nachbargewebe, die viel- mehr lediglich durch Druck in Folge der wachsenden Neubildung komprimirt und zu Grunde gerichtet werden.

Die Untersuchungen über das Fortwachsen des Carcinoms in den einzelnen Schichten der Magenwand ergaben, dass das Carcinom mit Vorliebe die Lymphbahnen der Submucosa zum Weiterschreiten benutzt. Daher resultirt die wichtige Thatsache, dass die Neubil- dung fast stets in der Submucosa nach allen Seiten hin weiter vor- geschritten ist als in der Schleimhaut selbst.

Es ergab sich ferner, dass sämmtliche Carcinommassen im Magen unter einander zusammenhängen, dass also die Carcinomzellen keine sprungweisen Metastasen in der Magenwand machen, sondern konti-

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nuirlich fortwachsen, und zwar bis in das Netz und die Drüsen hinein.

Galt es bisher als sichere Thatsache, dass das Carcinom so gut wie immer bei seinem Wachsthum am Pylorus Halt macht, so ist hervorzuheben, dass B. in 20 seiner 63 Präparate ein Übergreifen des Carcinoms auch auf das Duodenum nachweisen konnte,

Die verschiedenen Formen des Magencarcinoms, deren B. 5 auf- stellt: Carcinoma solidum, Gallertkrebs, diffuses, polymorphzelliges Carcinom, Cylinderzellenkrebs und malignes Adenom, sind lediglich der Ausdruck verschiedener Wachsthumsqualitäten der Geschwulst- zellen selbst, daneben noch wenn auch in untergeordneter Weise der Ausdruck des verschiedenen Verhaltens des Bindegewebes, in dem die Geschwulst wächst; nicht aber berechtigt die Morphologie eines Schleimhautcarcinoms zu dem Rückschlusse, dass sich letzteres aus einer bestimmten Zellart der in Betracht kommenden Drüsen entwickelt habe. Stets aber wachsen die Geschwulstzellen in den Lymphbahnen fort.

Das Hauptkapitel der Abhandlung behandelt das Wachsthum der Carcinome in der Schleimhaut selbst. Das Carcinom wächst auf dem Wege der Lymphbahnen mit ausgesprochener Vorliebe horizontal weiter, sowohl auf dem Boden der Schleimhaut als auch in der Sub- mucosa so wie in der Muscularis mucosae. Von diesen horizontalen Strängen gehen nach unten wie nach oben Äste ab, nach unten die Muskulatur durchbrechend bis zur Serosa und ins Netz, nach oben in die Schleimhaut mit ihren Drüsen. In der Schleimhaut kann so das Carcinom an verschiedenen Stellen bis an die freie Oberfläche wachsen und ein inselförmiges Auftreten des Carcinoms vortäuschen. Die Schleimhautdrüsen können dabei, bevor sie komprimirt und ver- nichtet werden, geschlängelt und verästelt werden, ihr Fundus kann sich kolbig verdicken, es treten asymmetrische Mitosen in ihnen auf, wie sie auch bei nicht carcinomatösen Epithelwucherungen vor- kommen; allein nie verwandelt sich dabei das Epithel der Schleim- haut und seiner Drüsen im Carcinom, nie ist eine krebsige Ent- artung des von der krebsigen Wucherung berührten Epithels zu beobachten. Es kommt also nicht zu einer immer neuen Entstehung des Carcinoms, sondern dasselbe entsteht nur einmal und wächst aus sich heraus weiter.

Der zum Schluss folgende klinische Theil ist für den Chirurgen besonders wichtig. Nach den Untersuchungen an seinem Material stellt B. fest, dass das Carcinom in den überaus meisten Fällen 2—4 cm vom Pylorus entfernt an der kleinen Curvatur oder dicht unterhalb derselben seinen Anfang nimmt. Es wächst mit Vorliebe an der kleinen Curvatur cardiawärts weiter; am Pylorus macht es meist Halt, aber durchaus nicht immer; fast sämmtliche Carcinome nehmen die Pylorusgegend ein, und zwar im ganzen Umfang. Der Form nach kann man 4 Gruppen unterscheiden: 1) stark hervor- tretende, scharf gegen die Umgebung abgesetzte, polypöse Form;

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2) ausgedehnte exulcerirte mit aufgeworfenen Rändern und steilem Abfall zur normalen Schleimhaut; 3) ebenfalls ulcerirte mit allmäh- lichem Übergang; das Carcinom geht meist in der Submucosa weiter als seine makroskopische Grenze vermuthen lässt; 4) diffuse Carci- nome, die wenig ulcerirt sind und dem Tastsinn gar keinen Anhalts- punkt bezüglich ihrer Grenzen bieten.

Von den 63 operirten Fällen von Magencarcinom wurden nur 43 auf allen Seiten im Gesunden abgetrennt, 20mal dagegen im Kran- ken; und zwar ist an der kleinen Curvatur nach der Cardia hin die größte Gefahr, das Carcinom nicht radikal zu entfernen; aber 9mal war auch am Duodenum nicht im Gesunden operirt worden. Man sollte also vom Duodenum stets 1—11/, cm, bei ausgedehnten Carci- nomen mit diffuser Verbreitung aber mindestens 3—4 cm mit weg- nehmen.

Um bei der Operation die Grenzen zu bestimmen, an denen das Carcinom aufhört, sind wir auf den Tastsinn angewiesen. Bei infil- trirten Carcinomen kann das sehr schwer sein; man soll da also möglichst weit gehen. Es ist unmöglich, bei diffusen Carcinomen auf dem Durchschnitt der Magenwand mit bloem Auge zu sehen, ob man im Gesunden ist; selbst mikroskopisch ist es oft sehr mühsam.

Von den 43 Pat., in denen im Gesunden operirt wurde, leben recidivfrei 21, keine Nachricht war zu erhalten bei 7; es starben an den Folgen der Operation 11, am Drüsenrecidiv 3, mit Drüsenrecidiv lebt 1. Von den 20 Fällen, in denen im Kranken operirt wurde, starben an Recidiv 4, es lebten noch ohne Recidiv 3 (10—13 Monate nach der Operation), es starben an der Operation 7, nicht weiter konnten beobachtet werden 6. Haeckel (Stettin).

10) Cumston. The indications for operation in malignant

neoplasmas of the stomach, (Boston med. and surg. journ. 1901. September.)

C. steht auf dem Standpunkte, dass unter allen Umständen die Probelaparotomie zu machen ist, wenn bei einer länger dauernden Magenerkrankung mit Gewichtsverlust und sonstigen schweren Er- scheinungen 1) eine Veränderung des Magensaftes, namentlich Fehlen des Pepsins und Vorhandensein von Milchsäure nach Probefrühstück besteht und 2) es unmöglich ist, durch sachgemäße interne Behand- lung das Körpergewicht zu erhöhen und auf der Höhe zu erhalten. Wenn gewartet wird, bis die deutlichen Zeichen von Geschwulst- bildung auftreten, ist es fast immer zur Operation zu spät. Oft findet man schon, ehe überhaupt von Außen etwas Abnormes fühlbar ist, eine inoperable Geschwulst. Das Alter ist sehr unzuverlässig. Verf. führt mehrere Fälle von Personen unter 30 Jahren an, bei denen sich Magenkrebs fand. Nachher ist entweder die Resektion der Ge- schwulst auszuführen oder die Gastroenterostomie. Kontraindikation gegen die Resektion sind schlechtes Allgemeinbefinden, viscerale

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Metastasen, Unverschieblichkeit der Geschwulst und deren Über- greifen auf die beweglichen Theile des Duodenums und der Speise- röhre, während das Alter des Pat., »einige« geschwollene Drüsen, Ausdehnung, Sitz und Ausbreitung der Neubildung auf die Magen- wand keine Gegenanzeige abgeben. Trapp (Bückeburg).

11) H. Schloffer. Der heutige Stand unserer Technik der Darmvereinigung. | (Prager med. Wochenschrift 1901. No. 35.)

S. bespricht die verschiedenen Methoden der Darmnaht und kommt zu dem Resultat, dass als bester Ersatz der cirkulären Darm- naht die Braun’sche Anastomose, welche bei den Lesern des Central- blattes als bekannt vorauszusetzen sein dürfte, anzusehen ist. Die Vereinigung des Darmes geschieht durch eine doppelseitige fort- laufende Kürschnernaht; als Nahtmaterial dient ausschließlich dünne Seide. Neben dieser Methode konkurrirt heute nur der Murphy- oder der resorbirbare Frankknopf. Für den Knopf kommen vor- wiegend in Betracht Krankheitsfälle bei alten, heruntergekommenen Leuten oder Fälle akuten Darmverschlusses mit Gangrän, vor Allem die gangränöse Hernie. Von 70 Magen-Darmvereinigungen S.’s haben 16= 22,8% tödlich geendet. Keine Nahtvereinigung ist insufficient geworden; von den mit ihr Operirten starben 14,7%. Von den mit Murphyknöpfen versorgten starben 23,7 %, davon 2 an Nahtinsufficienz. Von 3 Frankknopfoperationen haben 2 = 66,6% tödlich geendet, beide in Folge Nahtinsufficienz. Die Zahlen sprechen für sich selbst.

Jaff6 (Hamburg).

12) Connell. The knot within the lumen in intestinal surgery. (Journ. of the Amer. med. Association 1901. Oktober.)

Die Hineinlagerung der Knoten in die Darmlichtung wird er- reicht durch Anlegung der Naht als Matratzennaht von der Schleim- haut der einen Seite beginnend und zu ihr zurückkehrend. Die Vereinigung des Darmes geschieht drittelweise, zuerst das dem Mesenterium anliegende Drittel, für welche diese Art des Nähens unzweifelhaft eine große Erleichterung bietet. Stets bleiben an den Ecken des jeweiligen zu nähenden Drittels Halteschlingen stehen. Während die beiden ersten Drittel ganz von der Schleimhaut aus genäht werden, wird das letzte Drittel so genäht, dass bei der Schleimhaut angefangen wird; dann folgt Muscularis, Serosa; auf dem Rückweg ist die Reihenfolge umgekehrt. Der Knoten kommt auch hierbei auf die Schleimhaut. Der letzte Knoten muss mit enem besonderen Kunstgriff geschürzt werden, weil der Raum zu eng ist. Wenn die Naht liegt, wird zwischen den auf einander liegenden Peritonealseiten der vollendeten Naht, genau gegenüber dem letzten Stich, eine eingefädelte Nadel mit dem Öhr zuerst durchgeführt, welche an dem letzten noch offenen Wundspalt heraus-

200 Centralblatt für Chirurgie. No. 7.

kommt. In die Schlinge, welche der Faden mit der Nadel bildet, werden die Enden der letzten Naht hineingelegt und nach der Gegenseite durch- und herausgezogen. Dadurch wird zunächst Ein- stülpung der Naht und ihre richtige Lagerung, sero-serös, bewirkt. Drückt man nun den Darm flach, so dass die letzte Nahtstelle an die Gegenseite sich legt, so kann man den Knoten schürzen und festziehen, dann die Enden abschneiden. Der Knoten gleitet dann zwischen den schon geknüpften Nähten, zwischen denen vorher auch das Öhrende der Nadel durchgeführt wurde, ins Innere. Es ist gegen diese Art des Nähens der Einwand zu erheben, dass der Faden nach Durchdringung der Schleimhaut zur Oberfläche des Peritoneums kommt und dadurch infektiöses Material dorthin bringt. Namentlich bei dem letzten Knoten ist dieser Einwand besonders berechtigt. Durch Abbildung sucht Verf. darzuthun, . dass bei kräftigem Anziehen der Fäden die weiche Darmwand diese voll- ständig bedeckt. Den Vortheil, dass die Nähte nicht wie eine ein- fache Schlinge nachher ausreißen können, haben sie sicher. Ohne die Naht praktisch ausgeführt oder gesehen zu haben, lässt sich dies schwer entscheiden. Eine bedeutende Beschleunigung der cirkulären Darmnaht ist jedenfalls damit zu erreichen. Verf. hat die Naht bei 29 Fällen angewandt ohne jeglichen Nachtheil. Die 4 Todesfälle unter den ersten 19 Fällen waren nicht der Naht zur Last zu legen. Trapp (Bückeburg).

13) Albu. Über die Grenzen der Zulässigkeit ausgedehnter

Darmresektionen. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 50.)

Die Frage, wie viel vom Dünndarm bei Operationen geopfert werden darf, kann nur durch Stoffwechseluntersuchungen festgestellt werden. Eine Angabe in Centimetern ist desshalb ungenügend, weil die Länge des Dünndarmes größeren Schwankungen unterworfen ist. Einen ungefähren Anhaltspunkt für die Abschätzung der Länge des Darmes hat man in der Berechnung Beneke’s, nach dem auf je 100 cm Körperlänge 387,5 cm Dünndarm (ohne Duodenum) zu rechnen sind. Auf dieses feste Verhältnis, welches in der chirurgischen Praxis noch nie berücksichtigt worden ist, lenkt A. die Aufmerksamkeit.

Bei einem 4ljährigen Pat., bei welchem Lexer im November 1899 bei der Exstirpation eines kindskopfgroßen Mesenterialfibroms nahezu 2 m Dünndarm hatte entfernen müssen, konnte A. Stoff- wechseluntersuchungen machen. Es ist dies der 1. Fall, in dem noch 2 Jahre nach der Operation sowohl subjektives andauerndes Wohl- befinden ohne jede Verdauungsstörung bestand, als auch objektiv nahezu normale Verdauungskraft des Darmes nachgewiesen wurde. A. kommt zu dem Schluss, dass mehr als ein Drittel der im Ver- hältnis zur Körpergröße berechneten Länge des Dünndarms nicht ohne Gefährdung des Ernährungszustandes entfernt werden darf.

Langemak (Rostock).

Centralblatt für Chirurgie. No. 7. 201

Kleinere Mittheilungen.

14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. Sitsung am 9. December 1901. Vorsitzender: Herr Wolff.

1) Herr Wassermann: Über Infektion und Autoinfektion.

Dem Organismus stehen gegenüber Infektionen Schutzstoffe zur Verfügung, welche theils in den Zellen, theils in den Körperflüssigkeiten begründet sind.

Über einen Theil der in den letzteren, besonders dem Serum vorhandenen natürlichen Schutsstoffe, die von Buchner Alexine genannt wurden, haben in jüngster Zeit die Arbeiten von Bordet, Ehrlich und Morgenroth uns näheren Aufschluss gebracht. Diese Schutzstoffe wirken in der Art, dass sie lebende Keime, wie man seit Langem weiß, sur Abtödtung und Auflösung bringen. Durch die genannten Arbeiten von Ehrlich und Morgenroth wurde nun gezeigt, dass bei diesem Vorgange 2 Substansen in Thätigkeit treten, der sog. Zwischenkörper und das Komplement, ein eiweißverdauendes Ferment. Diese Komplemente, welche also eingedrungene Bakterien aufzulösen vermögen, finden sich normalerweise in jedem Blutserum und sind als äußerst wichtig für gewisse Formen der natürlichen Resistenz gegenüber Infektionen su bezeichnen.

W. weist in dieser Beziehung auf seine Antikomplementversuche hin. Die praktischen Erfolge der Bier’schen Umschnürung so wie der Alkoholverbände bei manchen Infektionen besieht W. eben so wie andere Autoren auf eine in Folge Hyperämie dabei stattfindende Koncentration der Serumkomplemente nach einer bestimmten Körperstelle. Bei der groBen Wichtigkeit dieser Stoffe ist es von praktischem Interesse, dass dieselben nach Ehrlich und Morgenroth zu einem Theile bei Erkrankung gewisser innerer Organe (Leber), nach Metalnikoff bei chronischen Eiterungen schwinden können, ferner dass Organsellen nach v. Dun- gern dieselben an sich zu binden vermögen.

Naeh W. werden ferner die Komplemente bei jeder Infektion vermindert, und daher kommt es, dass bei einer bereits bestehenden, wenn auch sehr leichten In- fektion die Resistens gegenüber einer sekundären Infektion herabgesetzt ist. Es können dann selbst Infektionskeime, die lange Zeit bereits in den mit der Luft kommunicirenden Körperhöhlen des Trägers auf der Oberfläche gewuchert haben, für dieselben pathogen werden (Autoinfektion).

Zum Schluss erörtert W. die oft dunkle Atiologie der infektiösen osteomyeli- tischen und periostitischen Processe. W. zieht zur Erklärung hierfür die experi- mentell gewonnene Thatsache bei, dass die beim Ablaufe einer Infektion auftre- tenden specifischen Sohutzstoffe des Serums zum größten Theil im Knochenmark gebildet werden. Das Knochenmark spielt also bei sehr vielen Infektionen eine sehr wichtige aktive Rolle, und es können, wie wir vom Typhusbacillus am besten wissen, nach Ablauf einer Infektion sehr lange Zeit einzelne Keime im Knochen- mark abgekapselt liegen bleiben, welche später in Folge Trauma etc. wieder eine aktire Entzündung dortselbst erseugen können.

2) Herr Hein: Über die Bruchpforte der Lumbalhernie.

H. bespricht die Lumbalhernie zunächst statistisch mit Beziehung auf die jüngst erschienene Arbeit von Borchardt und sodann vom anatomischen Standpunkte. Die Bauchwand besteht in der Lumbalgegend aus 3 Schichten; in jeder Schicht finden sieh Lücken und weniger resistente Stellen. Erste Schicht: M. latissimus dorsi und M. obliquus ext. abdominis Lücke Trigonum lumbale und Petiti; Boden der Lücke M. obliquus int. abdominis, Decke Muskelfascie, Fascia super- ficislis dorsi, Fett, Haut. Zweite Schicht: M. obliquus int. abdominis und M. serratus post. inf. Lücke swischen beiden das Lesshaft’sche Dreieck; Boden

202 Centralblatt für Chirurgie. No. 7.

Fascia lumbodorsalis tiefes Blatt (Sehne des M. transversus abdominis), Decke M. latissimus dorsi. Dritte Schicht: M. transversus abdominis, Fascia lumbodorsalis Lücken: 1) Durchtrittsstelle des N. subcostalis (Intercostalis XII), 2) Durch- trittsstelle des N. iliohypogastricus, beide stets vorhanden; dazu häufig eine dünne Stelle der Fascia lumbodorsalis zwischen 12. Rippe und dem vom Querfortsatz des 2. Lendenwirbels zur 12. Rippe gehenden verstärkten Theile derselben (Lig. lumbo- costale von Henle). Außerdem fand H. 2mal, an beiden Seiten derselben Leiche, Lücken unmittelbar über dem Darmbeinkamm; der von den Querfortsätzen der Lendenwirbel kommende Ursprung hörte etwa 1 cm über dem Darmbeinkamm mit einem scharfen verdickten Sehnenbogen auf; der Ursprung des Transversus begann nicht wie sonst am Rande des M. quadratus lumborum, sondern erst 4 cm nach außen (Demonstration).

Die Nn. clunium superiores sind wohl kaum als Pforten anzusprechen; denn sie verlaufen, als Rami dorsales laterales der ersten 3 Lumbalnerven, den M. extensor dorsi durchsetzend, in der Scheide desselben und verlassen dieselbe hart an ihrem lateralen Rande dicht über der Crista iliaca;, die Aste des 12. Interkostalnerven und N. iliohypogastricus treten noch weiter nach vorn, nahe der Spina iliaca ant. sup. aus.

Als wahrscheinliche Eintrittspforten für Hernien sind in erster Linie anzusehen die Lücken unter der 12. Rippe und über dem Darmbeinkamm, in zweiter die Durchtrittsstellen der Nn. intercostales XII und iliohypogastricus; Austrittspforten sind die Trigona lumbalia superius et inferius.

H. berichtet dann noch über einen eigenthümlichen Verlauf des Colon trans- versum, den er an einer Leiche beobachtet hat; dasselbe verschwand unter der Pars pylorica des Magens, verlief durch die Bursa omentalis, trat hinter der Cardia wieder heraus und verlief in der gewöhnlichen Weise weiter.

3) Herr J. Wolff: Über die blutige Verlagerung des Leistenhodens in das Scrotum.

Nach den Anschauungen der bei Weitem größten Mehrzahl der Autoren ist der Leistenhoden nicht nur nach, sondern auch vor der Pubertät als ein nutsloses, unter allen Umständen atrophisch und funktionsuntüchtig und zugleich zur Entzün- dung und Entartung geneigt bleibendes Organ anzusehen, und soll man daher besser thun, den Leistenhoden zu exstirpiren, als ihn ins Scrotum zu verlagern.

Dem gegenüber berichtet W. über 5 von ihm operirte Fälle von Monorehis- mus bei Pat. von 3, 4, 9, 18 und 20 Jahren, bei denen er den Leistenhoden in das Scrotum verlagert hat; 3 dieser Fälle werden vorgestellt. In allen Fällen wurden die durch den Leistenhoden bedingten großen Beschwerden der Kranken dauernd beseitigt, und ist der Hoden im Scrotum nachträglich, zwar natürlich nicht bis zu normaler, aber doch meistens zu recht ansehnlicher Größe gewachsen. In den meisten Fällen verblieb der Hoden nicht an der allertiefsten Stelle des Scrotum, an welcher er eingenäht worden war, rückte vielmehr nachträglich. bis zur Seite oder dicht unterhalb der Wurzel des Penis in die Höhe. Aber auch in dieser Lage erwies er sich als vollkommen geschützt; weder schwere Feldarbeit noch die Strapazen des Militärdienstes, noch angestrengte Turnübungen u. dgl. m. haben in den vorgestellten Fällen irgend welche entzündliche Erscheinungen oder anderweitige Beschwerden erzeugt.

Man soll nicht zögern, auch dann, wenn noch keine erheblichen Beschwerden bestehen, den Leistenhoden in das Sorotum zu verlagern. Nur in den Fällen von sog. Retentio scrotalis, bei denen noch ein nachträglicher Descensus möglich ist, wird man selbstverständlich sich abwartend verhalten müssen, und nur dann, wenn es sich um ein malignes Neoplasma im Leistenhoden handelt, wird man denselben exstirpiren dürfen.

Diskussion: Herr Hahn hat seit Jahren eine besondere Operationsmethode angewandt, die anatomisch in so fern ein besseres Resultat giebt, als der Hoden nicht nachträglich wieder in die Höhe rückt. Der Hoden wird nach Mobilisation des Samenstranges und nach Bildung eines Kanals bis zur tiefsten Stelle des Hodensackes an den Rändern eines daselbst angelegten Hautschlitzes fixirt; am

Centralblatt für Chirurgie. No. 7. 203

11. Tage werden die Nähte entfernt und gleichzeitig der Hoden mit Haut bedeckt durch eine Plastik unter Ablösung der Hautränder; bei der ersten Operation soll man den Schlitz in der Haut nicht zu eng und nachher den Verband nicht zu fest machen, um Nekrose des Hodens zu vermeiden. H. operirt im jugendlichen Alter immer, später aus kosmetischen Gründen und in Rücksicht auf den psychischen Effekt, weniger weil er glaubt, damit einen funktionstüchtigen Hoden zu erhalten. Er hat 7—8 Fälle in dieser Weise mit gutem Erfolge behandelt.

Herr Rotter hatte mehrfach bei Radikaloperationen der Leistenhernien den ektopischen Hoden zu versorgen. Er hat ihn meist wegen der meist bestehenden Kürse des schleifenförmigen, verwachsenen Samenstranges in die Bauchhöhle ver- pflanzt, indem er ihn an der Basis des Bruchsackes annähte, so dass der Nebenhoden an die subseröse Seite zu liegen kam.

Herr Körte hat meist solche Fälle operirt, die mit Hernien kompliecirt waren; es bestanden Einklemmungsbeschwerden. Der Samenstrang wurde möglichst weit nach der Bauchhöhle zu frei gelegt. Der Hoden ließ sich dann leicht nach Schüller ins Scrotum verpflanzen, rückte später aber gewöhnlich in die Höhe. K. wird in Zukunft nach Hahn’s Vorgang operiren.

Herr Israel hat den Leistenhoden principiell in die Bauchhöhle versenkt.

4) Herr J. Wolff: Krankenvorstellungen.

1) Subkutane und submuköse Hartparaffinprothesen bei ope- rativ geschlosssener angeborener Qaumenspalte und bei Sattelnase nach Gersuny.

a. 23jähriger Pat. Die Operation der angeborenen Gaumenspalte war vor 12 Jahren von W. ausgeführt worden. Die Sprache war vollkommen verständlich geworden, aber sie hatte doch noch einen leichten nasalen Beiklang behalten, und es war noch eine Verziehung der Gesichtsmuskeln beim Sprechen bestehen ge- blieben. Durch 5 Injektionen von zusammen 6,4 g Hartparaffin vom Schmelzpunkte von 56° unter die hintere Rachenwand, wurde letztere dem operativ vereinigten Gaumensegel angenähert. Der näselnde Beiklang der Sprache und die Verziehung der Gesichtsmuskulatur wurden dadurch sum Schwinden gebracht.

b. 7jähriges Mädchen mit angeborener Lippen- und durchgehender Gaumen- spalte. Die Lippe war im 1. Lebensjahr, der Gaumen von W. im Mai d. J. ope- rirt worden. In 11 Injektionen wurden 7 g Hartparaffin vom Schmelspunkte von 56° unter die ursprünglich sehr weit vom Velum abstehende, jetzt aber demselben dicht angenäherte hintere Rachenwand gebracht, auch hier mit ganz vorzüglichem Erfolge für die Sprache.

c. Fall von hoohgradiger Sattelnase bei einer 24jährigen Pat.; durch Injek- tion von Hartparaffin vom Schmelspunkte von 56° wurde die normale Form der Nase hergestellt,

2) Klumpfuß,.

51/9 Monate altes, mit hochgradigem Klumpfuß geborenes Kind, bei welchem in 21/, Monaten durch 2 Etappenverbände der normale Zustand des Fußes her- gestellt worden ist. Demonstration des eng wie ein Strumpf dem Fuße anlie- genden letzten bei dem Kinde angelegt gewesenen Verbandes.

3) Arthrolysis cubiti.

a. Vorstellung der Pat. (mit Projektion der betreffenden Röntgenbilder), über welehe W. nach Heilung der knöchernen Ellbogengelenksankylose durch Arthro- lyse dem letzten Chirurgenkongresse berichtet hat. |

b. 28jährige Pat., straff fibröse Ankylose des Humero-ulnar-Gelenks und knöeherne Ankylose des Radio-ulnar-Gelenks nach schwerer, !/s Jahr zuvor über- standener, wahrscheinlich gonorrhoischer Gelenkserkrankung. Operation im Mai à. J. Durch dieselbe wurde auch hier aktive Beweglichkeit des Gelenks und die Arbeitsfähigkeit der Pat. herbeigeführt. Die vor und nach der Operation auf- genommenen Röntgenbilder zeigen ein ähnliches Verhalten wie im vorigen Falle.

204 Centralblatt für Chirurgie. No. 7.

4) Rhinoplastik.

W. zeigt die von dem Bildhauer der Lassar'’schen Klinik angefertigten Wachsabgūsse des Gesichts einer Pat. vor und nach der Operation, bei welcher er die durch Lupus serstört gewesene Nasenspitze nach seiner der Vereinigung im Jahre 1889 demonstrirten osteoplastischen Methode wieder hergestellt hat. Die Methode besteht darin, dass der Nasenrest durch einen Querschnitt in eine obere und untere Hälfte getheilt, und dass die untere Hälfte mitsammt den an ihr ad- härent gelassenen von dem Proc. nasales maxillae superioris abgemeißelten Ossa nasi bis zur Stelle der ursprünglichen Nasenapitze herabgezogen wird.

6) Fall von habitueller Schulterverrenkung.

Die Verrenkung war 5mal, das letzte Mal bei heftigem Niesen eingetreten. Durch Verengerung bezw. Einnähung der Gelenkskapsel wurde Heilung erzielt. Pat. führt die ausgiebigsten und kräftigsten Bewegungen des Armes aus und ver- mag wieder in seinem Dienste als Postbeamter vollauf thätig zu sein.

6) Sehnenplastik.

a. 2ljährige Pat., bei welcher W. 2/3 der Behne des Flexor sublimis des linken Mittelfingers auf die peripherischen Sehnenstümpfe der 13 Monate zuvor durchschnitten gewesenen Mm. flexor subl. und prof. des linken Zeigefingers trans- plantirt hat. Der Zeigefinger hat die verloren gewesene aktive Beweglichkeit wiedergewonnen, aber der Mittelfinger hat naturgemäß bei seiner aktiven Bethei- ligung am Faustschluss eben so viel an Kraft eingebüßt als er dem Zeigefinger abgegeben hat.

b. Ostale Sehnenplastik; Fall von paralytischem Pes valgus, bei welchem W. 2/3 der Sehne des M. tibialis ant. von der Insertion am Cuneiforme I und Basis metatarsi I abgetrennt, gehörig verkürzt und bei passiv möglichst hoch gestelltem inneren Fußrande in einer operativ erzeugten Knochenrinne an der unteren Fläche des Os navioulare fixirt hat. Durch die Verlagerung der Insertion des Hebers des inneren Fußrandes weiter nach hinten und unten wurde eine dau- ernde Beseitigung des Plattfußes und ein ausgezeichneter funktioneller Erfolg er- sielt.

5) Herr J. Wolff: Historische und kritische Bemerkung zur Klumpfußbehandlung.

Auf dem Chirurgenkongresse von 1884 hat sich W. gegen die operativen Ein- griffe am Fußskelett bei der Klumpfußbehandlung ausgesprochen und den hier- gegen erhobenen Einwendungen den Hinweis auf die Lehre von der funktionellen Anpassung der Knochenformen entgegen gehalten. Gegenwärtig dürfen wohl die damaligen Darlegungen W.'s als ziemlich allgemein acceptirt gelten. Auch Lo- renz, früher ein Vertheidiger der Talusexstirpation und keilförmigen Resektion in schweren Klumpfußfällen, behandelt jetzt den Klumpfuß unter allen Umständen nach den Grundsätzen der funktionellen Orthopädie. Er bezeichnet aber dabei die Methode nach W.’s Ansicht unberechtigterweise als seine, als die Lorenz- sche Methode. Thatsächlich hat er an der Methode weiter keinen Antheil, als dass er dieselbe mit einem sehr fehlerhaften Namen, dem des modellirenden Re- dressements bezeichnet, und dass er außerdem nach der Ansicht W.’s unzweck- mäßige Modifikationen des unblutigen Redressements (das Redressement mittels Maschinenkraft und den Versuch, auch in schweren Fällen ohne Etappen in einer einzigen Sitzung fertig zu werden) einzuführen gesucht hat.

6) Herr A. Sachs: Röntgenbilder der Knochenarchitektur deformer Körpertheile vor und nach der Behandlung.

S. zeigt an zwei vor Beginn der Behandlung aufgenommenen Röntgenbildern hochgradiger Fälle von Genu valgum die abnorme Winkelstellung der Diaphysen- enden des Femur und der Tibia zu den Kniegelenksoberflächen, die verstärkte Konkavität der medialen und die Konvexität der lateralen Seite, die Verdickung bezw. Verdichtung der Corticalis und Spongiosa der lateralen Seite und die excen- trische Verlagerung der Markhöhle.

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Centralblatt für Chirurgie. No. 7. 205

6 Monate später nach beendeter Behandlung mittels des Etappenverbandes, seigt sich an den Bildern desselben Pat. eine normale Winkelstellung der Seiten- flächen der Tibia und des Femur zu den Gelenkoberflächen, ein gleichmäßiges Verhalten der Spongiosa und Corticalis der medialen und lateralen Seite und die wieder koncentrisch gewordene Lage der Markhöhle.

Diskussion: Herr Baur berichtet aus der v. Bergmann’schen Klinik unter Hinweis auf gewisse auch an einem der von Sachs demonstrirten Bilder erscheinenden Linien, über Röntgenuntersuchungen rachitischer Knochen. Bei ca. 4jährigen rachitischen Kindern sieht man im Röntgenbilde häufig dunkle, den Epiphysenlinien parallele, in mehrfacben Schichten erscheinende und den Jahres- ringen der Bäume vergleichbare Linien. Sie finden sich nur bei abgelaufener Rachitis mit schmalen, scharfen Epiphysenfugen, verschwinden häufig nach Ablauf eines Jahres und haben demnach mit der definitiven Architektur des Knochens nicbts zu thun. B. fasst sie als Verkalkungen von früheren, während des floriden Stadiums entstandenen kalklosen Wachsthumszonen auf.

Herr J. Wolff hat sich an den Baur’schen Röntgenbildern von dem sehr scharf ausgeprägten Vorhandensein der Linien überzeugt.

7) Herr C. Helbing: Über kongenitale Schenkelhalsfissuren.

H. erörtert an Röntgenbildern das von J. Wolff festgestellte Vorkommen von Fissuren des Schenkelhalses, die weit lateralwärts von den Epiphysenlinien des Schenkelkopfes liegen und stets mit Coxa vara kombinirt sind. Sie stehen senk- recht zur Achse des Schenkelhalses und sind meistens unvollkommener und dann nach unten offen. Sie können ein- oder doppelseitig vorkommen und liegen im letsteren Falle an beiden Seiten symmetrisch. Sie beruhen unter keinen Um- ständen auf einem Trauma, vielmehr stets in gleicher Weise wie die ohne solche Spaltbildung auftretende Coxa vara congenita und wie die angeborene Hüftluxation auf einem primären Fehler der Keimanlage.

In den meisten Fällen der bisher in der Litteratur beschriebenen sog. Coxa vara traumatica hat es sich wahrscheinlich um nichts anderes als um die Wolff- sche kongenitale Schenkelhalsfissur gehandelt. Durch besondere Manipulationen ist man im Stande, aus der unvollkommenen Fissur eine vollkommene zu machen und dadurch bei geeigneter Nachbehandlung die Deformität z. Th. auszugleichen.

BR. Wolff (Berlin).

15) K. Tantzscher (Riga). Zur Behandlung der perforirenden Bauch- wunden. (Sammlung klin. Vorträge N. F. No. 319. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1901.)

Innerhalb der letzten 11 Jahre sind im Rigaer Stadtkrankenhause 67 Fälle von nicht komplicirten und von mit Verletzung einzelner Baucheingeweide einber- gegangenen perforirenden Bauchwunden zur Behandlung gekommen; davon waren in 46 Messerstiche, in 15 Bevolverschüsse, in den übrigen 6 andere Gewalteinwir- kungen (Explosionen, Eisensplitter etc.) die Ursachen der Verletzung. Exspektativ sind 24 behandelt worden, und zwar 12 unkomplieirte ner (sämmtlich geheilt), 5 mit Verletzung des Magen-Darmkanals komplicirte (5 +), 6 von Ver- wundung des letsteren (3 geheilt, 3 +) und 1 hinsichtlich der Art der inneren Verletzung fraglich gebliebener (+), so dass also 12 Geheilten 9 Todesfälle nach abwartender Behandlung gegenüberstehen. Unter den operirten Fällen waren 24 nicht mit Magen- und Darmwunden komplicirte, bei denen meist wegen Vorfall von Nets oder Darm eingegriffen werden musste; davon wurden 18 geheilt und sind 6, zum Theil an anderen schweren Verletzungen, an Pneumonie, Delirium tremens ete., zu Grunde gegangen. Die zur Operation Be übrigen 17 Falle betrafen 16 Darm- und 1 Magenverletzung; 11 starben, 6, zum Theil mit mehreren Darmwunden, sind gesund geworden. Bei Berücksichtigung der ver-

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schiedenen Entstehungsarten der Verletzungen ergaben sich folgende Ziffern: Von den durch das Messer herbeigeführten perforirenden Bauchwunden waren 27 un- komplicirt, unter denen 10 konservativ (geheilt), 17 operativ (3 +) behandelt wur- den, und 10 von Verwundung des Darmes (7 +), 4 von Magenverletsung (2 ex- spektativ geheilt, 1 ohne Operation +, 1 Operirter geheilt) und die übrigen von mit anderweitigen Verletzungen komplicirten. Die 15 Revolververletsungen hatten 53% Sterblichkeit; in 13 Fällen lag der Einschuss über dem Nabel (9 exspektativ behandelt: 6 +; 4 operirt, 4 geheilt), in 2 unterhalb desselben (1 nicht operirt: geheilt, 1 operirt: +). Die aus anderen Ursachen entstandenen sind bis auf 2 tödlich verlaufen; in allen 6 wurde operativ eingegriffen. Schließlich werden vom Verf. auch noch Prognose und Therapie der Verletzung der einzelnen Or- gane, insbesondere des Magens und Darmes, näher besprochen. Hierbei stellt sich heraus, dass von 4 Pat. mit konservativ behandelten Magenwunden 2 genesen, 2 gestorben sind, die im 5. Falle vorgenommene Magennaht erfolgreich war, wäh- rend von den 17 Darmverletzungen, die sämmtlich operirt worden sind, 70% töd- lich abgelaufen sind; sur Heilung kamen 3 Verletzungen des Dünndarms und 2 des Dickdarm.

Aus den von T. aus vorliegendem Material gezogenen Schlussfolgerungen seien nur einzelne kurg zusammengefasst hervorgehoben: 1) Die Prognose des Darmvorfalls und die von Darmwunden bei Messerstichverletzungen ist ungünstig. 2) Das Gleiche gilt von den Revolververletzungen der Bauchhöhle; bei den kom- plieirten liefert die Operation bedeutend bessere Resultate, als die konservative Behandlung. 3) Jede Revolververletzung des Bauches ist als Komplikation aufzu- fassen und so bald wie möglich der Operation zu unterwerfen; in zweifelhaften Fällen giebt eine Röntgenphotographie bezüglich der Stelle des Sohnittes Auf- klärung. 4) Die Prognose der Magenwunden ist nicht ganz ungünstig und wird durch die Operation verbessert; dagegen ist die der Darmwunden sehr schlecht. Eine in den ersten Stunden nach der Verletzung ausgeführte Operation hat nur bei geringem Kothaustritt Aussicht auf Erfolg; der Grad der Blutung kommt erst in sweiter Linie in Betracht. Die Krankengeschichten sämmtlicher Fälle sind am Schluss der Abhandlung kurz mitgetheilt. Kramer (Glogau).

16) C. Griffith. Appendicitis in children of two years and under. (Univ. of Pennsilvania med, bull. 1901. Oktober.)

Verf. giebt im Anschluss an einen eigenen Fall eine statistische Übersicht über die Häufigkeit der Appendicitis im Kindesalter. Hiernach ist die Erkrankung in den ersten 5 Lebensjahren ungewöhnlich und um so seltener, je jünger das Kind ist. Von 15 vom Verf. skizzirten Litteraturfällen, welche Kinder von 2 Jahren und darunter betrafen, war in 9 Fällen der Wurmfortsatz perforirt, in 4 in den Hodensack hinabgestiegen; von 9 operirten Kindern genasen 7; 2mal war die Diagnose auf Intussusception gestellt worden.

In Verf. Falle handelte es sich um ein 3 Monate altes Mädchen, welches unter Ileuserscheinungen nach Stägiger Erkrankung zu Grunde ging. Sektions- befund: allgemeine Peritonitis. 6 cm langer Wurmfortsatz; nur an der proximalen Hälfte ist ein durch bindegewebige Stränge stark verkürztes Mesenteriolum vor- handen, welches den Fortsatz fest fixirt. In Folge dessen Abknickung der frei beweglichen distalen Hälfte des Fortsatzes, narbige Konstriktion und Verwach- sungen an der Abknickungsstelle, distale Hälfte schwarzroth verfärbt, mikro- ekopisch chronisch entzündliche und akut gangränöse Erscheinungen, im Innern keine Kothsteine, keine Perforation. Mohr (Bielefeld).

17) W. F. Poljakow. Appendicitis, von Staphylokokkenpneumonie begleitet. (Med. obosrenje 1901. Juli. [Russisch.))

Die Appendicitis und Pneumonie entwickelten sich gleichzeitig bei einem 15jährigen Knaben, verliefen typisch; erstere besserte sich nach 6—7 Tagen, ein

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sweifingerdickes Infiltrat zurücklassend;; letstere endete am 9. Tage mit kritischem Temperatursbfall. Bald darauf vollständige Heilung. Die Pneumonie lokalisirte sich unter dem rechten Schulterblatt, der Auswurf enthielt den Staphylococcus aureus et albus. P. nimmt gleichzeitige Infektion des Darmes und der Lunge vom Munde aus an. Gückel (Medwedowka, Kijew).

18) G. Sheldon. Appendicitis with thrombosis and suppuration in the right iliac and femoral veins. (Philadelphia med. journ. 1901. Juli 27.)

8 Tage nach dem Anfall traten bei einem 34jährigen Arbeiter unter Schmerzen Schwellung und blaue Verfärbung des rechten Beines auf. Tod 5 Wochen später. Autopsie. V. iliaca communis, externa, V. femoralis rechts thrombosirt, mit eini- gen Eiterherden. Die Thrombose ist nach S.’s Ansicht durch Übergreifen des entsündlichen Processes auf die Venen entstanden. Läwen (Leipzig).

19) Laplace. Some unusual features of appendicitis and their treat- ment, (Journ. of the Amer. med. Assoc. 1901. Oktober.)

Verf. theilt sunächst einige bemerkenswerthe Krankengeschichten mit. Im 1. Falle lagen die Schmerzen, ergeugt durch den mit der vorderen Bauchwand verwachsenen Wurmfortsatz, auf der linken Seite. Die richtige Diagnose wurde gestellt aus der einseitigen Kontraktion der rechtsseitigen Bauchmuskulatur. Beim 2. Falle bestand eine Geschwulst oberhalb der rechten Leiste, die selbst nach Eröffnung der Bauchhöhle zunächst für ein Sarkom gehalten wurde, so reizlos war die Umgebung. Erst ein Probestich durch die 3/4 Zoll dicke Wandung för- derte Eiter zu Tage. Der Wurmfortsatz lag mit seiner Spitze in dem Abscess. Beim 3. waren die Erscheinungen einer Gallenblasenerkrankung vorhanden, und bei der Operation fand sich ein Empyem derselben. Die gleichzeitige Untersuchung der Ileocoecalgegend ergab einen Abscess mit gangränösem Wurmfortsats. Beim 4. Pat. bestanden die Zeichen einer beweglichen Geschwulst, die zunächst für Wanderniere gehalten wurde. Nach Laparotomie fand sich unterhalb des Nabels ein frei bewegliches Konvolut aus Netz, Dünn- und Dickdarm mit ihren Mesen- terien. Das Netz hatte sich wahrscheinlich zuerst an der Ileocoecalgegend des Darmes angeheftet, war dann geschrumpft und hatte die ganzen Theile nach der Mitte und oben gezogen. Im Innern des Konvoluts lag ein Abscess mit jauchigem Inhalt und dem fast daumendicken Wurmfortsatz. Über Behandlung, Studien der Appendicitis, Behandlung der allgemeinen Peritonitis sagt L. im Allgemeinen nichts Neues. Bei letzterer will er eine permanente Ausspülung der Bauchhöhle mit Kochsalzlösung machen (ähnlich der Eichel’schen permanenten Infusion), indem an einem Ende der Bauchwunde durch ein Drain Kochsalzlösung zugeführt wird, während an einer anderen Stelle ein Abfluss der Flüssigkeit und des Eiters ete. stattfindet. Trapp (Bückeburg).

20) A. Ramoni (Rom). Duodici casi d'intervento chirurgico per peri- toniti tubercolari. (Malpighi 1901. No. 18 u. 19.)

12 Fälle, in verschiedenen Stadien der Peritonitis operirt (11 Frauen, 1 Mann). 3 Kranke mit gleichzeitig bestehenden Lungenkatarrhen starben innerhalb eines halben Jahres nach der Laparotomie. Die Operation selbst hatte keine schwerere Erkrankung des Bauchfells gezeigt, die Wunden waren bald per pr. int. geschlossen gewesen, aber die Lungenphthise maohte rasche Fortschritte.

7 Fälle leben seit 3—4 Jahren in vollster Gesundheit, von den übrigen 2 ist nichts bekannt.

Nur bei 2 Kranken konnte Heredität der Erkrankung sicher nachgewiesen werden. Die bisherige Krankheitsdauer war 2—12 Monate; ausgesprochener Ascites bestand in 11 Fällen, darunter Smal freier Erguss, 3mal encystirt. Bei der Hälfte

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der Fälle fehlte jede tuberkulöse Affektion der Brust- oder Bauchorgane, bei den übrigen bestand Pleuralerguss (4), Adnexgeschwülste tuberkulöser Natur (2mal, deren eine kastrirt wurde). 6mal wiederholte sich der Erguss im Bauch: 2mal sehr rasch, 2mal nach 2 und 4 Monaten; beide nochmals mit Ausgang in defini- tive Heilung operirt, 2mal bei den Fällen mit tödlichem Ausgang.

2mal stellte sich fungöse Infiltration der Nahtkanäle und danach der ganzen Narbe ein, so dass Nachoperationen nöthig wurden. J. Sternberg (Wien).

21) Watt. Two cases of tubercular peritonitis. (Glasgow med. journ. 1901. Oktober.)

Im ersten Falle, bei 22jährigem Manne, handelte es sich um tuberkulöse Peri- tonitis, Pleuritis, Diarrhöe und organische Hersfehler. Die Erscheinungen der Peritonitis bestanden in diffuser Geschwulst, Leberschwellung, Ausdehnung der oberflächlichen Bauchvenen und Druckschmerzhaftigkeit des Leibes. Diese Er- scheinungen gingen völlig zurück durch Gebrauch von Jodoformsalbe, von der Morgens und Abends 1 Drachme auf den Leib eingerieben wurde. Der Kranke erlag einer Hirnembolie vom Herzen aus. Beim 2. Pat., 20jährigen Mann, war operirt worden, jedoch in Folge fester Verwachsung der Därme mit der Bauchwand sofort der Darm angeschnitten, so dass die Wunde geschlossen werden musste. Nachdem Pat. sich von der Operation eben erholt hatte, wurde durch Verf. die Jodoformsalbenkur durchgeführt und voller Erfolg erzielt, indem die Geschwulst- massen im Leib völlig schwanden, eben so die Schmersen. Das Allgemeinbefinden hob sich derart, dass er in den ersten 3 Wochen um 41/2 Pfund an Gewicht szu- nahm. Nach 1/4 Jahr war im Unterleib nichts Abnormes mehr sichtbar und das Befinden besser als je. Verf. legt Werth darauf, dass bei beiden Kranken rein adhäsive Peritonitis ohne (nachweisbaren!) Ascites vorhanden war, deren operative Behandlung erfolglos ist. Trapp (Bückeburg)

22) Hermes. Zur praktischen Verwerthbarkeit der Netzplastik. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI, p. 545.)

H. berichtet einen von ihm im Berlin-Moabiter Krankenhaus operirten Fall. Es handelt sich um eine Laparotomie wegen theilweise vereiterter beiderseitiger Tubo-Ovarialeysten, bei denen zahlreiche Verwachsungen zu beseitigen waren. Zu guter Letzt wird hierbei ein retrouteriner Abscess ausgeräumt, hei dessen Ver- sorgung der Finger in eine Mastdarmperforstion geräth. Da eine Naht derselben wegen schlechter Zugänglichkeit der Stelle und wegen Brüchigkeit der Darmwand misslang, wird das leicht herabziehbare Netz vor die Perforationsöffnung gelagert und hier durch festen, aus dem unteren Bauchschnittwundwinkel herausgeleiteten Schürzentampon befestigt. Während der ersten 7 Tage Opium, so dass erst am 13. Tage Stuhlgang kam. 1. Tamponwechsel am 5. Tage, am 7. Tage beträchtliche Eiterung, Hautnähte fast alle vereitert, doch kein Koth beim Tamponwechsel Am 10. Tage kann die Tamponade fortgelassen werden. Bis dahin war die Tem- peratur Abends bis 38,2° gesteigert, um dann normal su werden. Weiterhin glatter Heilungsverlauf. Bei der Entlassung ergab die digitale Mastdarmunter- suchung an der Vorderseite eine deutlich vorspringende quere Narbe. 11/, Jahr später völliges Wohlbefinden.

Ferner fand das Netz in verschiedenen Malen zur Deckung von Magen- und Darmnähten wit Erfolg Verwendung, so wie zur Sicherung der Magen- bezw. Darmvereinigung mittels Murphyknopfs, falls dann aus irgend welchen Gründen die Bauchhöhle nicht geschlossen, sondern tamponirt wurde.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

23) T. L. Ssamssonow. Ein seltener Fall von toxischer Gastritis mit Ausscheidung der ganzen Magenschleimhaut. (Wratsch 1901. No. 36.)

Pat., 39 Jahre alt, trank zum Zwecke des Selbstmordes 2 Esslöffel Salzsäure. Nach 17 Tagen wurde die Schleimhaut des ganzen Magens und des unteren Theils

Centralblatt für Chirurgie. No. 7. 209

der Speiseröhre in einem Stück ausgestoßen; darauf entwickelte sich Pylorus- stenose und nach 21/; Monaten trat Tod ein. &ückel (Medwedowka, Kijew).

24) Hammond. Partial gastrectomy for hemorrhagic ulcer. (Philadelphia med. journ. 1901. Oktober 12.)

Laparotomie wegen eines Magengeschwürs, das bei einem 28jährigen Mäd- chen seit 8 Jahren immer wiederkehrende, schwere Blutungen veranlasst hatte. Der Sitz des Geschwürs ließ sich an der kleinen Curvatur durch Tastung der Magenwand zwischen 2 Fingern bestimmen. Exstirpation desselben. Heilung.

Läwen (Leipzig).

25) R. O. Adamson (Glasgow). Observations on perforated gastric ulcer. (Glasgow med. journ. 1901. No. 5.)

A. hat eine größere Zahl von Kranken mit Magengeschwüren nach der Per- foration zu behandeln Gelegenheit gehabt. Die Mehrzahl waren Frauen in jugend- lichem oder reiferem Alter; doch führt er auch einen Mann und eine 70jährige Frau an. Er kann das Aufstellen eines bestimmten Intervalles seit der muthmaß- lich erfolgten Perforation als Indikateur für den operativen Eingriff nicht billigen. Nur das Befinden des Kranken kann dafür maßgebend sein. Auch den Vorschlag, den Kranken sich erst vom Chok erholen zu lassen, muss A. nach seinen Erfah- rungen zurückweisen. Der »Chok« wird zumeist vom Gesicht des Pat. abgelesen und da kann Morphium eine wesentliche Veränderung herbeiführen. Auch Puls und Temperatur geben, so lange nicht allgemeine Peritonitis eingetreten ist, wenig Anhaltspunkte. Anhaltendes Erbrechen wird von vielen Autoren als wesentliches Symptom der erfolgten Perforation bezeichnet. A. hat es nur in einem Falle, in dem septische Peritonitis bestand, notirt; in 2 anderen wird nur je 1maliges Er- brechen angeführt, und 4 weitere Kranke erbrachen überhaupt nicht. Bezüglich der Leberdämpfung hat A. imal diese in normaler Größe, 4mal deutlich ver- kleinert gefunden, aber nie ganz vermisst. Da ihr Verschwinden nur von der Menge der aus dem Magen ausgetretenen Gase herrühren kann und außerdem von dem Füllungszustand der Därme abhängt, kann sie uns auch keinen Anhalts- punkt für die Prognose abgeben. Der Kontraktionszustand der Bauchmuskulatur [Härte und geringe Dehnung im Anfang, Erschlaffung und Blähung bei vor- geschrittener Peritonitis) gewährte schon größere Sicherheit. Die Athmung schil- dert A. als ausgesprochen kostal (thoracic), vorsichtig und seicht. Die Schmerzen sind sehr charakteristisch. Ihr Sitz ist gewöhnlich die Magengrube; nebenbei strahlen sie in die nächste Umgebung, in die rechte Fossa iliaca, in den Rücken aus. In 4 Fällen konnte A. klingende Rasselgeräusche ganz eigener Färbung konstatiren; imal hat er die Diagnose der Perforation ganz wesentlich auf das Vorhandensein dieses Geräusches gestützt. Die Stelle der Perforation war 1mal die Cardia (mit hypophrenischem Abscess), 6mal freie Magenserosa (4 Fälle an der vorderen Fläche nahe dem Pylorus, 2 ebendort an der Hinterfläche). 3 von den ersterwähnten Kranken wurden operirt und genasen, die beiden letzteren starben trotz Operation. Die Perforationen an der Hinterfläche des Pylorus sind wesent- lich ernster, weil der Mageninhalt sich leichter im Peritoncalraum ausbreiten kann, und weil die Operation wesentlich schwieriger ist. Der Nachweis freier Flüssigkeit im Bauch (Mageninhalt allein oder durch rasch erfolgte Transsudation vermehrt) ist eine »mechanische Frage«. Der gelungene Nachweis aber ist eine absolute Indikation zum sofortigen Eingriff und verschlechtert die Prognose aufs äußerste. J. Sternberg (Wien).

26) Rencki. Über die funktionellen Ergebnisse nach Operationen am Magen bei Ulcus und gutartiger Pylorusstenose. Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie Bd. VIII. Hft. 3.)

R. hat bei 17 Kranken der Klinik des Prof. Gluzinski in Lemberg, welche wegen gutarlartiger Pylorusstenose und Magengeschwürs dem Chirurgen

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zur Operation überwiesen wurden, vor und Jahre hindurch nach der Operation die Funktionen des Magens genau untersucht.

Von den 14 Fällen, in welchen die Gastroenterostomie gemacht wurde, schwanden Aufstoßen, Sodbrennen, Erbrechen und Durstgefühl bei der Mehrzahl; bei 5 kam es auch nach der Operation zu Erbrechen, die Schmerzen hielten an oder kehrten nach einiger Zeit wieder, doch war der Allgemeinzustand auch bei diesen bedeutend besser als vor der Operation.

Auf die motorische Funktion des Magens übte die Gastroenterostomie immer einen außerordentlich günstigen Einfluss aus; dieselbe kann nicht nur normal, sondern beschleunigt werden. Diese Besserung schreitet bei einem Theil der Kranken langsamer, beim anderen rascher vor und ist um so deutlicher, je mehr Zeit seit der Operation verflossen ist. Ihre Dauer hängt ab vom Zustande der Magenwand selbst, auf deren Muskelschicht wieder die Zeit des Bestehens der Stenose so wie die Ausbreitung bindegewebiger Veränderungen im Gefolge des lange anhaltenden Geschwürs, wodurch eine Unnachgiebigkeit der Magenwände herbeigeführt wird, von nachtheiligem Einfluss sein können. Die Ausdehnung und die Lage des Magens können, wenn auch nicht immer, zur Norm zurückkehren, und der Grad der Besserung ist ebenfalls von den genannten Verhältnissen ab- hängig. Die künstlich hergestellte Kommunikationsöffnung hält die Nahrung zurück und wirkt stellvertretend wie ein wirklicher Pylorus.

Bezüglich der sekretorischen Funktion der Gastroenterostomie ergaben die Untersuchungen, dass die Beseitigung der Stagnation des Mageninhalts einen günstigen Einfluss auf die Herabsetzung der übermäßigen Salzsäureabsonderung (Hyperchlorhydrie) so wie des gleichzeitigen Magensaftflusses ausüben kann. Das Verhalten der sekretorischen Kraft des Magens hängt nach der Operation vom Zustande vor derselben ab. Die Hyperchlorhydrie und der Magensaftfluss können nach der Operation aufhören, es kann selbst sekretorische Insufficienz, ein mu- köser und sogar atrophischer Katarrh auftreten, wenn es in Folge der langanhalten- den Reizung der Magenschleimhaut zu einer Atrophie derselben und zu einer Wucherung des Bindegewebes gekommen ist. Es können aber auch trotz Beseiti- gung des Hindernisses im Magenmechanismus sowohl der saure Magensaftfluss, als auch die Hyperchlorhydrie unverändert fortbestehen. Galle ließ sich nach der Gastroenterostomie im größten Theil der Fälle sowohl im nüchternen Magen, als auch in den Probemahlzeiten nachweisen, ohne dass ein nachtheiliger Einfluss zu bemerken gewesen wäre. 8mal wurde die Operation nach Wölfler, 6mal nach Hacker ausgeführt; ein Unterschied im Bezug auf motorische und sekre- on Funktion ließ sich nicht konstatiren. Die Pyloroplastik wurde nie aus- geführt,

In 3 Fällen wurde die Pylorusresektion gemacht. Der erste starb nach 13 Tagen; Läbmung der Magenwand führte zur Stagnation des Mageninhalts und Reißen der Nähte. Im zweiten Falle trat Anfangs Besserung ein, nach einem Jahre aber zeigten sich die alten Symptome von Neuem; mit der Fortdauer des aciden Ka- tarrhs bildete sich offenbar ein neues Geschwür und führte nach 41/, Jahren durch Perforation zum Tode, Im dritten Falle war der Erfolg ein idealer, indessen trat nach 4 Monaten an Stelle des Magensaftflusses mit vermehrter Salzsäure- sekretion ein muköser Katarrh auf, so dass der Verdacht auf Entwicklung einer Neubildung rege wurde.

Die ausführlichen Krankengeschichten und Zusammenstellung der Befunde in einer Tabelle sind der Arbeit beigegeben. Haeckel (Stettin).

27) RBR. 8. Kolbe. Le cancer de l’estomac et son traitement chirurgical. Inaug.-Diss., Lausanne, 1901. 253 S.

Diese ‚Dissertation stammt aus der Roux'schen Klinik in Lausanne (ihr Verfasser ist Professeur suppléant de la Faculté de Médecine de Buenos-Aires) und stützt sich auf 39 Gastrostomien und 96 Gastroenterostomien wegen Magen-

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krebs, die bis sum 1. Juni 1901 operirt und von denen 50 G.-E. schon veröffent- licht worden sind.

Von G.-E. hat Roux ausgeführt: die Wölfler'sche G. antecolica 18mal (+ 6), die Hacker’sche G. 13mal (+ 3), die G. retrocalica post. »en 54mal (+ 14), die Kocher’sche G. 2mal (+ 1), die G. antecolica ant. >en 2mal (+ 2), die G. retrocolica ant. 2mal (+ 1), die G. retrocolica ant. >en 5mal (+ 0). 3mal war Peritonitis, 5mal Lungenaffektion die Todesursache. Von den Resecirten starben 13 = 331/3%. Die für diese zur Anwendung gekommenen Methoden waren sehr mannigfaltig: Billroth’s I. Methode, Kocher's Methode, Pylorektomie mit G.-E. in der Nahtlinie, Pylorektomie mit G.-E. >en etc. 4mal wurde gleich- zeitig ein Stück vom Colon transversum resecirt, imal eine Ileocolostomie hinzu- gefügt. 1 Pat. mit Cardiektomie (in der obigen Zahl nicht verrechnet) starb am Tage nach der Operation, 27 mit G.-E. endeten tödlich im Anschluss an die Operation.

Was die Dauerresultate betrifft, so lebten im August 1901 von den Resecirten noch 9 mit einer mittleren Lebensdauer nach der Operation von 3 Jahren 8 Mo- saten 2 Tagen (5 Monate bis 9 Jahre 4 Monate). Für 12 nach Vollendung der Heilung Gestorbene ergab sich eine mittlere Lebensdauer von 2 Jahren 2 Monaten (3 Monate bis 5 Jahre 10 Monate). 2 Operirte kehrten zum Zweck einer neuen Operation (G.-E.) zurück nach 3 Jahren 5 Wochen und 1 Jahr 18 Tagen. Über 3 Fälle konnte nichts mehr in Erfahrung gebracht werden. Bei einem Operirten, der seit 3 Jahren anscheinend in guter Gesundheit lebt, bestand schon Carcinose des Bauchfells.

Für die Gastroenterostomie betrug bei den ersten 50 Fällen für die Über- lebenden die mittlere Lebensdauer nach der Operation 71/3 Monate; von den letz- ten 46 Fällen (+ 12 im Anschluss an die Operation) lebten im August 1901 noch å mit einer Lebensdauer von 1 Jahr 7!/, Monaten (3 Monate bis 2 Jahre 6 Monate); für 22 Gestorbene ergiebt sich eine mittlere Lebensdauer von 6 Monaten 7 Tagen (34 Tage bis 2 Jahre).

Im Übrigen bietet die fleißige, fließend geschriebene Arbeit für Chirurgen niebts Neues. Verf. bespricht das gesammte Gebiet der Chirurgie des Magen- carcinoms: Anatomie, Pathologie, Diagnostik, Therapie ete. Bei den Operations- verfahren wird besonders Roux’ bekannte >G.-E. en berücksichtigt und durch gute Abbildungen erläutert. Das Buch giebt eine gute, auch für praktische Arzte geeignete Übersicht über den augenblicklichen Stand der Frage. Die buchhänd- lerische Ausstattung ist lobenswerth. H. Lindner (Dresden).

28) W. K. Mlodzejewski. Ein Fall von Carcinomatose des Magens, Peritoneums und der Pleuren bei einer Frau von 23 Jahren. (Med. obosrenje 1901. Juli. [Russisch.))

M. beschreibt einen seltenen Fall. Die ganze Krankheit dauerte nur 2 bis 3 Monate. Der Ausgangspunkt der Carcinomatose war ein symptomlos verlaufenes Pylorusgeschwür. Außer oben genannten Organen waren die linken Supraclavi-

rüsen, so wie die Drüsen im vorderen Mediastinum entartet. Gückel (Medwedowka, Kijew).

29) C. Brunner (Münsterlingen).. Meine chirurgischen Erfahrungen auf dem Gebiete des Magencarcinoms in den Jahren 1896—1900. (Korrespondensblatt für Schweizer Ärste 1901. 3 u. ff.) |

B., dem sowohl die innere wie die chirurgische Abtheilung seines Spitals untersteht, hat in 43/; Jahren 47 Magencarcinome zur Beobachtung bekommen. Davon blieben 15 unoperirt. 12 wurden ohne Nachtheil probelaparotomirt, wobei Zmal das vermuthete Carcinom nicht gefunden wurde.

8 Kranke wurden resecirt, 10 gastroenterostomirt, 1 jejunostomirt, 2 gastro- stomirt. Einmal machte B. aus einem verdickten Pylorus eine Probeexcission zum Zwecke mikroskopischer Untersuehung; es wurde Carcinom nicht gefunden. Er

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widerräth als unnöthig die Gastroenterostomie, wenn keine Pylorustenose be- steht; denn einer späteren Verengung brauche man nicht vorzubeugen, da die mittlere Lebensdauer vom Tage der Diagnose ab keine sehr große mehr sei, bei Inoperablen nur 91 Tage.

Bei den 8 Resektionen traten 2 Todesfälle in Folge der Operation {Infektion des Peritoneums) ein. Eine 42jährige Frau, bei welcher der halbe Magen und daneben sicher carcinomatöse Drüsen entfernt wurden, lebt jetzt nach 21/s Jahren noch ohne Recidiv, ein zweiter Fall ist 5 Monate nach der Operation noch gesund. Die übrigen sind !/„—1 Jahr nach derselben gestorben.

Von 9 wegen Carcinomstenose Gastroenterostomirten sind 3 innerhalb der ersten 30 Tage nach der Operation gestorben, aber nur bei zweien ist der Tod mit dem Eingriff in Zusammenhang zu bringen. Bei 5 Gastroenterostomien wegen gutartiger Stenose trat kein Todesfall ein.

Beim Abklemmen offener Darmöffnungen mittels Metallklammern sah B. im Gegensats zu Kocher Wandnekrose. Er empfiehlt desshalb die Branchen mit Gummidrains zu überziehen, wie dies wohl meist geschieht. Auch giebt er eine als zweckmäßig erprobte bajonettförmige Klemmzange für Magen- und Darm- operstionen in einer Abbildung.

Die Arbeit berücksichtigt die wichtigste Litteratur und ist mit 17 Kranken- geschichten ausgestattet. P. Stolper (Breslau).

30) ©. Kaiser. Über die Erfolge der Gastroenterostomosis. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p 294.)

Die aus der Kocher’schen Klinik hervorgegangene Arbeit ist bereits Ende 1899 abgeschlossen und behandelt das bis damals vorliegende einschlägige Material. Sie leistet nach einem ihr von Kocher mitgegebenen Vorwort den Beweis, dass die von K. geübte Methode bezüglich Mortalität und funktionellem Erfolg sich durchaus empfehlenswerth darstellt und, was höher anzuschlagen, dass die Opera- tion als solche beim Magengeschwür und seinen Folgen als eines der wichtigsten therapeutischen Hilfsmittel anzusehen ist.

Bearbeitet sind 15 Gastroenterostomien bei gutartigen Leiden und 33 bei Car- cinom. Das größere Interesse beanspruchen durchaus die ersteren, sowohl wegen der naturgemäß hier ungleich besseren Endresultate, als auch, weil bei ihnen vor und nach der Operation mehr oder weniger erschöpfende Befunde über Größe, motorische Entleerungsfäbigkeit, so wie sekretorischen Chemismus des Magens erhoben sind.

Im Allgemeinen ist bezüglich Technik zu bemerken, dass hier des näheren auf die demnächst erscheinende 4. Auflage von Kocher’s Operationslehre ver- wiesen wird. Der Text der Arbeit ergiebt, dass je nach Lage der anatomischen Verhältnisse sowohl die Methoden ante- als retrocolicae, wie auch die Y-Methode ausgeführt wurden. Im Ganzen hält Kocher die vordere Magenwand für durch- aus geeignet zur Anastomosenanlage, und zwar fügt er die Darmschlingen senk- recht an dieselbe. Er legt Werth darauf, die tiefste Magenstelle unmittelbar über der großen Curvatur dazu zu wählen, event. die große Curvatur selbst, nachdem die großen Gefäße von derselben abgeschoben wurden, ein Vorgehen, das als Gastroenterostomia inferior zu benennen wäre. Der Darm wird der Regel nach quer eröffnet. Der Verband besteht aus einem einfachen Kollodialstreifen, wo- durch die Respiration ungestört bleibt und auch das Aufsitzen des Pat. erleichtert wird. Bei der Nachbehandlung wird etwaiger im Magen stagnirender Inhalt durch vorsichtige Spülungen beseitigt, mit der Nahrungssufuhr durch den Mund schon am Öperationstage begonnen.

Was die 15 von der Operation genesenen Gastroenterostomien wegen gut- artigen Leidens betrifft, so ist bei 9 Fällen das Endresultat als sehr gut, bei 4 als gut, bei 2 als ungünstig zu bezeichnen. Bei den beiden schlecht ausgegangenen Fällen besteht das eine Mal Carcinomverdacht, bei dem anderen lagen ungewöhn- lich ausgedehnte peritonitische Verwachsungen vor. Bei den günstig ausgegangenen Fällen fand zunächst stets eine Hebung des Ernährungszustandes und Besserung

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des Aussehens statt. Fast durchweg verschwanden ferner die Magenschmerzen, einerlei ob gleichzeitig die motorische Magenkraft und die erhöhte Acidität ge- bessert wurden oder nicht; und eben so prompt wurde das Erbrechen beseitigt. Dasselbe gilt von der häufig vor der Operation bestehenden Verstopfung bezw. Durchfällen. Wiederholt schienen frische Geschwürsprocesse sehr günstig beein- flusst zu sein. Den ziemlich gleichmäßigen Erscheinungen von Besserung des Allgemeinbefindens entsprechen aber nicht durchgängig die Veränderungen der klinischen Specialbefunde am Magen. So wurde ein deutliches Zurückgehen des vergrößerten Magenumfangs eigentlich nur imal konstatirt, und auch die moto- rische Ausleerungsfähigkeit des Organs war keineswegs durchweg gleichmäßig gebessert. Im Allgemeinen trat die Motilitätsbesserung nach der Operation um so deutlicher hervor, je hochgradiger die Retention vorher gewesen war. Auch die Verhältnisse der Acidität waren wechselnd. Bald fand eine Erniedrigung der Gesammtaecidität nach der Operation statt: von 105 zu 29, 73 zu 53, 57 zu 48, 61 zu 40; bald auch ein Gleichbleiben: 40 zu 42; 2mal sogar eine Erhöhung. In 4 Fällen, wo vor der Operation freie Salzsäure feblte, war sie nach derselben nachweisbar. 2 Fälle mit Milchsäuregehalt vor der Operation behielten diesen auch nach derselben bei etc. Galle fand sich bei den Operirten im Mageninhalt sehr häufig. Auf diese günstig verlaufenen Fälle folgen 2, die am 2. bezw. 4. Tage nach der Operation wegen Geschwür des Magens bezw. Duodenum durch profuse Blutung aus dem Geschwür zu Grunde gingen, so wie schließlich die 33 Carcinomfälle.. Von diesen starben 4 in den ersten Tagen nach der Operation, die nach der Wölfler’schen Methode ausgeführt war. Die Enderfolge sind nicht günstig, denn die Pat. überlebten die Operation durchschnittlich nur 3,6 Monate. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

31) Lebhardt. Zur Kasuistik und Behandlung der Fistula gastro- colica. (Aus der chirurg. Universitätsklinik zu Königsberg i/Pr.) (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 42.)

L. berichtet über 4 Fälle von Fistula gastrocolica, die bei Bestehen einer mit dem Quercolon verwachsenen Magengeschwulst durch den Nachweis von Koth im erbrochenen oder ausgeheberten Mageninhalt diagnosticirt worden war; gleichzeitig waren bei 3 der Pat. in Folge von Einfließen von Mageninhalt ins Colon diarrho- ische Entleerungen eingetreten. In 2 Fällen wurde durch eine Jejunostomie bezw. Colo-Colostomie ohne Abtrennung des erkrankten Dickdarmstückes die Beschwer- den der Kranken erheblich gebessert; die 2 anderen Pat. blieben unoperirt. L. bespricht den Werth beider Arten von operativen Eingriffen und empfiehlt den ersterwähnten bei in ihrem Allgemeinsustand bereits heruntergekommenen Kran- ken, um die Ernährung zu heben, als eine relativ leichte Operation, die Colo- Colostomie mit oder ohne Isolirung des kranken Colonstücks hingegen da, wo der Ernährungszustand, indem ein Theil der Nahrungsmittel noch seinen normalen Weg nehmen und resorbirt werden konnte, günstig ist, besw. schon durch eine Jejunostomie gebessert worden war. Kramer (Glogau).

32) E. Curti (Narni). Tre casi di enterectomia ed entero-anastomosi col metodo Parlavecchio. (Clinica chir. 1900. No. 11.)

Die 3 Fālle betreffen 2 Kranke mit Brucheinklemmung, bei denen brandige Darmtheile mit Benutzung der Parlavecchio’schen Doppelklemmen entfernt wurden and einen besonderes Interesse bietenden Fall, in welchem es sich um eine Laparotomie bezw. um eine Reihe von Operationen wegen Perforationsperi- tonitis bei Typhus abdominalis handelte.

Ein 25jähriger Mann erkrankt an einem »Typhus ambulatorius«, kollabirt am 6. Tage bei einem Stuhlgang und wird wegen Verdacht auf »Volvulus« 3 Tage später ins Hospital gebracht. Dort stellt sich zwar Stuhl ein, aber die Symptome sprechen für eine Knickung des Ileum. Die Diagnose >Typhus« wird bestätigt.

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Bei der Operation findet C. eine »soldogroße«, glattrandige Perforation im Ileum gegenüber dem Gekrösansatz, näht sie in 2 Etagen zu, eben so eine Ulceration ‚an einer anderen Dünndarmschlinge. Jauche, Koth, Ricinusöl etc. werden gut ausgewischt, die große -/-förmige Bauchwunde bis auf eine Drainagestelle am -queren Schenkel geschlossen. Beim Verbandwechsel am 4. Tage strömt wieder Koth und Gas aus der Wunde, und zwar aus einer frischen Perforationsstelle, welche sofort übernäht wird. Am nächsten Tage hat sich die Bauchdeckenphleg- mone zur vollen Nekrose entwickelt, große Fetzen stoßen sich ab; am folgenden fließt aus der zuletzt genähten Perforation Darminhalt wieder aus. Sorgfältige Waschungen und Tamponade. Am nächsten Tage 7 Tage nach dem ersten Eingriff wird nochmals versucht, die Kothfistel zu vernähen. Das Allgemein- befinden lässt wenig zu wünschen übrig (Temperatur 36,6 bis höchstens 38,4°, Puls 96—105). Die Bauchdecken granuliren gut. 5 Wochen später neuerlich Laparotomie, weil die Kothfistel unverändert fortbesteht und die Inanition bedenk- lich wird. Sorgfältige Freilegung der Fistelöffnung im Darm, Einstülpung, Näbte in 3 Etagen. Nach 3 Tagen Status quo ante. Bis zum 112. Tage noch weitere wie viele nicht angegeben) Versuche, durch seitliche Darmplastik etc. die Fistel zum Verschluss zu bringen. Dann Laparotomie, dies Mal wegen der ausgebreiteten und dichten Adhäsionen und Schwarten besonders schwierig und wegen der großen offenen Granulationsfläche der Bauchhaut gefährlich. Resektion und cirkuläre Vereinigung. Tamponade der nur wenig genähten Peritonealwunde. Am 4. Tage Anzeichen von Knickung an der Nahtstelle. C. zieht sofort die Schlinge, die bereits innig verklebt war, heraus und stellt durch Abstreifen mit den Fingem und stumpfes Dehnen der Nahtstelle die Wegsamkeit wieder her. In wenigen Wochen endlich vollständige Heilung, auch der großen Bauchdeckenwunde. J. Sternberg (Wien).

33) E. Fuchsig. Über die in der Klinik in den letzten 12 Jahren ausgeführten Darmresektionen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXL p. 173.) Das Berichtsmaterial entstammt der I. Wiener, früher Albert’schen Klinik und umfasst 48 Fälle, über deren wichtigste Daten folgende Tabelle Aufschluss giebt.

EEE EEE ET EI EST EEE EEE RE E Art der Darmvereinigung Resultat

, Zahl der ; Tod in Folge Krankheit Fälle |End zu |End zu | Seit zu Tod in Folge| anderwei-

End | Seit | Seit |Heilung| der |tiger Kom- Operation | piikationen

Carcinom 17 8 4 5 8 5 4

Tuberkulöse Tumoren 9 2 2 5 6 1 2

Invagination 3 1 2 2 1

Darmfistel und Anus prae-

ternaturalis 5 2 4 3

Darmincarceration 12 9 1 2 4 6 2 |as |a| e|æ|2| 1 | 8

Die Fälle sind bis auf 6 von Albert selbst operirte von den Assistenten operirt. Was die geübte Technik betrifft, so gab man nur in den ersten Fällen zur Vorbereitung Abführmittel; denn man überzeugte sich bald, dass die Resul tate dadurch nicht besser wurden. In den ersten Berichtsjahren fand die Darm- vereinigung ausschließlich durch die damals allein bekannte Ringnaht statt; später wurde von der lateralen Apposition so wie der End-zu-Seit-Vereinigung oft

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Gebrauch gemacht, wobei am Dickdarm die freie Tänie als Vereinigungsstelle be vorzugt wurde. |

Bei Sektionen zeigte sich, dass diese Darmvereinigungsarten idealere Heilungen ergaben als die End-zu-End-Vereinigung. Zum Schluss der Darmstümpfe wurde die Doyen’sche Methode mittels Durchquetschung, Ligatur und Tabaksbeutelnaht begünstigt, wobei zur Durchquetschung eine einfache kräftige Klemme diente. Der Murphyknopf fand verhältnismäßig häufig Anwendung, selbst bei Diekdarm- resektion, doch ließ der prompte Abgang des Knopfes oft zu wünschen übrig. Betreffend Nachbehandlung wäre zu erwähnen, dass Pat., falls sie nicht zu oft erbrachen, schon am Operationsabend löffelweise Flüssigkeit zugeführt erhielten und mindestens 8 Tage bei flüssiger Nahrung blieben. Opium wurde nicht ge- reicht.

Die Carcinome betrafen sämmtlich den Dickdarm, und zwar 9mal das Coecum, 2mal das Colon ascendens, imal die Flexura hepatica, 2mal die Flexura lienalis, 3mal das S romanum. In einem Falle hatte die Geschwulst eine Invagination veranlasst. 12 Pat. waren männlichen, 5 weiblichen Geschlechts, das betroffene Alter betrug 32—65 Jahre. 3 der Genesenen befinden sich zur Zeit, 3 Jahre nach der Operation, gesund, i dergleichen 8 Jahre danach frei von Recidiv, während ein anderer nach der gleichen Zeit starb, woran unbekannt. Bei den tuberkulösen Darmgeschwülsten war 2mal das Ileum, 7mal das Coecum der Haupterkrankungs- sits. 7 Pat. waren weiblichen, nur 2 männlichen Geschlechts. Hier ist ein Fall als dauernd geheilt anzusehen, er ist 7 Jahre nach der Operation gesund; 2 andere sind 2 Jahre nach der Operation als recidivfrei nachgewiesen, in einem anderen Falle trat nach 3 Jahren Recidiv ein. Die Invaginationen betrafen 2mal Kinder von 14 Jahren, imal einen 30jährigen Arbeiter. 2 waren ileocoecale, die 3. eine colica. Betreffs der ziemlich verschiedenartigen Details der Darmfistelfälle ver- weisen wir auf das Original. Unter der Gruppe der Darmincarcerationen finden sich 8 Schenkelbrüche, bei denen die Resektion durchweg tödlich verlief (!), und 1 Nabelbruch, der nach der Resektion heilte. In Fall XLVI wurde wegen Irre- ponibilitāt des im Bauchdeckenbruch verwachsenen Darmkonvoluts mit Glūck resecirt. Auch Fall XLVII wurde mit Glück resecirt, nachdem bei dem Versuch der Lösung des im Serotalbruch angewachsenen Darmes letzterer an mehreren Stellen eingerissen war. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

34) W. Conklin. Removal of the coecum for carcinoma. (Buffalo med. journ. 1901. Oktober.)

Der 43jährige Pat. erkrankte ca. 5 Monate nach einem heftigen Fall gegen die rechte Unterbauchseite unter chronisch-appendiecitischen Erscheinungen. 5 Mo- nate später akuter Anfall von Blinddarmentsündung mit Abscessbildung. Eröffnung desselben, Wurmfortsatz wird nicht gefunden. Zunächst Heilung, dann Entstehung einer Kotfistel in der Narbe, Wiedereröffnung derselben und Freilegung einer mit nekrotischem Material gefüllten Eiterhöhle. Allmählich starke Infiltration der Bauchwand in der Umgebung der Wundhöhle. Etwa 11/, Jahr nach der ursprüng- lichen Verletzung wird der carcinomatös entartete Blinddarm mitsammt einem großen Stück der ausgedehnt krebsig infiltrirtten Bauchwand in der Umgebung der Fistel resecirt, die Darmenden cirkulär vereinigt. Am Tage nach der Operation Darmlähmung, daher Enterostomie in der Mittellinie unterhalb des Nabels und Entleerung des Darmes. Trotz starker Eiterung blieb die Anastomosenstelle fast ganz sufficient. Heilung innerhalb 8 Wochen, 1/3 Jahr später noch gutes All- gemeinbefinden. Die Diagnose wurde mikroskopisch bestätigt.

Mohr (Bielefeld.

35) K. Borszéky. Ileus durch Embolie der Arteria mesenterica superior. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

Ein 54jähriger Mann war plötzlich an Koliken erkrankt. Erst blutige Stühle, dann Stuhlverhaltung, Meteorismus und Erbrechen. Am 5. Kraukheitstage Auf-

216 Centralblatt für Chirurgie. No. 7.

nahme in das Krankenhaus; klinische Diagnose: innere Incarceration. Laparo- tomie. Die Darmschlingen erweisen sich in größter Ausdehnung gangränös, sind unter einander und mit der Bauchwand verwachsen. Anus praeternaturalis. Tod am folgenden Tage an Peritonitis. Die Sektion ergab eine Embolie der A. mesent. sup. mit folgendem hämorrhagischem Infarkt eines 210 om langen Dünndarmstücks.

Aus den anschließenden Bemerkungen Verf.s sei hervorgehoben, dass in sol- chen Fällen Mangels charakteristischer Symptome eine sichere Diagnose nicht gestellt werden kann; doch ist der Verdacht einer Arterienembolie berechtigt, wenn bei einem Herzkranken unter kolikartigen Schmerzen plötzlich blutige Stühle und lleuserscheinungen auftreten. In therapeutischer Hinsicht ist exspek- tative Behandlung nicht gang zu verwerfen, da kleinere Infarcirungen ausheilen können; im Ubrigen kommt bei räumlich begrenzter Infarcirung die Darmresektion, bei sehr ausgebreiteter die Anlegung eines Kunstafters in Betracht.

Honsell (Tübingen).

36) Eichel. Uber subkutane traumatische Bauchblutungen. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 41 u. 42.)

E. bespricht, gestützt auf 2 Beobachtungen von Milzruptur und 1 von Leber- zerreißung, eingehend die subkutanen Zerreißungen von Milz, Leber, Pankreas und von größeren Gefäßen des Netzes und Mesenterium und hält die Diagnose einer intraperitonealen Blutung bei einem Kranken, der ein Bauchtrauma erlitten, dann für gerechtfertigt, wenn derselbe sich aus dem vorhandenen Chok nicht er- holt, und wenn das anfänglich gute oder leidlichbe Allgemeinbefinden sich nach kurzer Zeit verschlechtert und im Besonderen ein rapides Schneller- und Kleiner- werden des Pulses eintritt. Die Diagnose wird unterstützt durch den Nachweis einer Dämpfung im Bauch, deren Fehlen indess nicht gegen einen Bluterguss spricht, einer bei E.’s Pat. nicht vorhanden gewesenen starren Kontraktur der Bauchdecken, so wie einer lokalen oder allgemeinen Schmerzhaftigkeit des Bauches, ist aber in Bezug auf die Quelle der Blutung vor Eröffnung der Bauch- höhle meist nicht möglich. In dem vom Verf. beobachteten Falle von Leber- zerreißung bestand in der linken Bauchseite, nach der das Blut geflossen war, Dämpfung, deren Vorhandensein an dieser Stelle bei dem einen Pat. mit Mils- zerreißung letztere vermuthen ließ. Bei der von E. in allen 3 Fällen aus- geführten Operation suchte er zunächst durch Einstopfen von je einer Mullrolle nach dem unteren Bauchraum und der Leber- und Milzgegend die Bauchblutung zum Stillstand zu bringen. Alsdann entfernte er, nach der Quelle der Blutung und nach etwaiger Anwesenheit von Galle oder Darminhalt forschend, nach einander die einzelnen Tampons, stopfte die aufgefundene blutende Stelle von Neuem mit Mull aus und vermochte dadurch den Leberriss, dessen Naht wegen seiner Größe und Lage schwierig gewesen wäre, gegen weitere Blutung zu sichern; Pat. wurde geheilt. In den beiden Fällen von ausgedehnter Milzzerreißung musste die Ex- stirpation des Organs gemacht werden; auch von diesen Kranken konnte der eine gerettet werden, während der andere nach anfänglicher Erholung 12 Stunden nach der Operation im plötzlichen Collaps zu Grunde ging; die Blutung war gestillt. Bei allen 3 Pat. fanden sich je ca. 2 Liter Blut in den Bauchraum ergossen. Die Kochsalstransfusion machte E. bei dem einen in der Weise, dass er 48 Stunden lang tropfenweise die Lösung in die Bauchhöhle einfließen ließ.

Ä | Kramer (Glogau).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E. a Bergan, F, Kig, E Rite,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Tg Wöchentlich eine Nummer. Preis des J ngs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 8. Sonnabend, den 22. Februar. 1902.

Inhalt : M. Schüller, Zur parasitären Entstehung vonK rebs und Sarkom. (Orig.-Mitth.)

1) Pelllcelll, Zur Prognose der Neubildungen. 2 McCaw, Mastoiditis. 3) Lenelr, Antrektomie. 4) Geodale, Nasenverschiebung. 5) Stone, Gaumenspalt. 6) Hep- kins, Mandelgeschwülste. 7) Schultze, Rückenmarksdurchtrennung. 8) Lovett, Sko- lose. 9) Bayer, Spina bifida. 10) Gottstein, Osophagoskopie. 11) Dunham, Bpeiseröhrenstriktur. 12) Pascale, Empyembehandlung.

13) Englischer Arztekongress. 14) Preobrashenski, Tetanus. 15) Blumer und MacFarlane, Noma. 16) Vaughan, Hirnverletzungen. 17) Schatliow, Krebs im 4. Hirnventrikel. 18) Caterina, Angiosarkom des weichen Gaumens. 19) Berchardt, Halsrippen. 20) Gusmitta, Wirbelsäulenverletzung. 21) Giss, Rückenmarksverletzung. = u) Kudrjaschow, Spondylitis deformans. 23) Themas, Myelom der Wirbelsäule.

24) Albertin, Fremdkörper in der Speiseröhre. 25) Goris, Speiseröhrendivertikel. 26) Ssarkissow, Speiseröhrenfibrom. 27) Escher, Resektion der Speiseröhre. 28) Ninni, 29) Herman, Herzverletzung. 30) Salomoni, Brustdrüsenleiden.

XXXj. Deutscher Chirurgen-Kongress.

Zur parasitären Entstehung von Krebs und Sarkom. Von Max Schüller.

Es ist eine betrübende Erscheinung, dass, obwohl die Auffassung von der parasitären Entstehung des Krebses immer mehr Anhänger zu finden scheint, doch fast jeder Forscher auf diesem Gebiete einem Martyrium von Angriffen der verschiedensten Art ausgesetzt ist. So weit dieselben mich betreffen, sind sie nach meiner Überzeugung nicht begründet. Da aber manche dieser Angriffe Anderen eine ein- gehende sachliche Prüfung mindestens zu erschweren vermögen und vielleicht den Fortschritt hemmen oder doch verzögern, welcher, wie aus jeder ernsten Arbeit, so hoffentlich auch aus meiner gewonnen werden kann, so mögen mir hier einige Worte gestattet sein.

Das was ich als »große Kapseln und Maschenwerk« beschrieb und abbildete, sollten nach einer sehr bald nach dem Erscheinen meines Buches (»Die Parasiten im Krebs und Sarkom des Menschen.) veröffentlichten Mittheilung aus der Heidelberger chirurgischen Klinik

8

218 Centralblatt für Chirurgie. No. 8.

Korkzellen sein. Ich habe bereits in der Deutschen med. Wochen- schrift 1901 No. 36 ausführlich dargelegt, dass die Voraussetzungen, auf welche sich jene Behauptung stützte, sowohl für die Herstellung meiner Kulturen wie meiner Schnittpräparate willkürlich und irrig waren und eigentlich schon durch die Ausführungen meines Buches als widerlegt gelten konnten, wenigstens für Denjenigen, welcher dieselben sorgfältig gelesen hat. Denn ich habe meine Kulturgläser mit Gummi- oder Glasstöpseln verschlossen, nur reine Flüssigkeiten und diese meist filtrirt oder aus mit Glas verschlossenen Gläsern bei der Herstellung der Präparate benutzt, überdies den Nachweis dieser Gebilde auch mitten im Gewebe durch verschiedene Untersuchung» methoden geliefert, bei welchen eo ipso ein Hineingelangen von Kork unmöglich war. Bestand für mich kein Zweifel an der Rich- tigkeit meiner Angaben, so war mir doch schon vor der Abfassung meines Buches nicht entgangen, dass die großen Kapseln in man- chen ihrer Formen eine Ähnlichkeit mit Korkzellen, das Maschen- werk mit dem Korkgefüge hat. Ich hatte darüber wiederholt mit Fachleuten diskutirt und etwas in kurzer Notiz auch im Buche an- gegeben. Es konnten also auch die Zeichnungen meines Buches irrigerweise als Korkzellen gedeutet werden.

Desshalb habe ich seit jener Heidelberger Korkverdächtigung bei allen meinen ferneren Krebs- und Sarkomuntersuchungen mit der skrupulösesten Sorgfalt jede Verwendung von Kork in irgend welcher Form grundsätzlich vollkommen ausgeschlossen, so dass jede auch nur zufällige Verunreinigung unmöglich war. Trotzdem habe ich, wie das vorauszusehen war, in allen Fällen genau die gleichen Gebilde nachweisen können, welche ich als groBe Kapseln und Maschenwerk beschrieben und abgebildet habe. Ich habe sie unter den entsprechenden Kautelen zuweilen auch am Lebenden bei Krebs einiger innerer Organe in den Ausscheidungen gefunden, dann unmittelbar nach der Operation im frisch unter- suchten Gewebe, so wie endlich in gehärteten Schnitten nach den verschiedensten Methoden. In letzteren sind sie bald nur spärlich, bald reichlicher und in verschiedenen Stadien der Entwicklung wie der Rückbildung oder Resorption, häufig auch zusammengefaltet oder in Bruchstücken vorhanden. Manche fallen aber, wie ich schon früher angegeben, leicht aus und können event. im Alkohol, in dem die Schnitte liegen, nachgewiesen werden. Die Unterschiede wie die äußere Ähnlichkeit der größeren Kapseln und der Korkzellen waren für Jeden, dem ich meine Präparate zeigte, leicht ersichtlich; sie treten auch an Photographien, die ich machen ließ, hervor. Nun habe ich außerdem kürzlich noch eine chemische Reaktion gefunden, welche nach den wenigen bisherigen Versuchen die großen Kapseln meist sofort geben, die Korkzellen aber selbst nach tagelanger Ein- wirkung nicht.

Ich denke, es bleibt wohl nicht der geringste Zweifel übrig, dass die von mir zuerst im Krebs und Sarkom entdeckten großen Kapseln

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Centralblatt für Chirurgie. No. 8. 219

thatsächlich ein charakteristisches Zeichen dieser Krankheitsprocesse sind, das vielleicht auch diagnostisch von Werth sein wird.

Gleichwohl ist es nicht richtig, wenn man annimmt, dass ich diese Gebilde für die Krebserreger ansähe, wie es u. A. von Prof. Hauser geschehen ist. Das sind die großen Kapseln nur in in- direkter Weise. Sie sind nur eine Entwicklungsform der Parasiten. Nach meinen Untersuchungen entstehen in ihnen die »jungen Organismen«, welche ich als die eigentlichen Krebserreger ansehe. Diese verlassen sie in einem bestimmten Entwicklungsstadium. Die großen Kapseln bleiben dann als leere Hülsen zurück und treten desshalb auf Schnitten leicht frei heraus. Die rundlichen oder ovalen Körperchen, welche ich als junge Organismen bezeichnete, dringen theils in die Zellen, theils zwischen den Zellen in die Gewebe und verursachen die uns als Krebs oder Sarkom bekannten charakteristi- schen Veränderungen. Bei ihrer weiteren Entwicklung können die jungen Organismen wieder zu großen Kapseln werden, sie können sich aber auch durch Theilung vermehren. Ihr Nachweis ist auch an ungefärbten Schnitten nach Einwirkung verschiedener Salzlösun-

gen, wies. B. wässriger koncentrirter Lösung von Ammon. muriaticum, leicht, erfolgt aber sehr schön u. A. durch eine der von mir an-

—J er"

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: Sitze u. A. m.

n

gegebenen Modifikationen der Thioninfärbung. Hierbei lassen sich

- zuweilen auch die Beziehungen zu den großen Kapseln in den Deck- schichten, so wie die der Parasiten zu den Zellen und zu den Epithel-

perlen sehr klar zur Anschauung bringen. Dass diese jungen Orga-

nismen etwa Plasmazellen seien, wie Prof. Ribbert vermuthete,

würde er gewiss nicht annehmen, wenn er ein solches Präparat sähe. Denn man findet sie nicht nur zahlreich zwischen und in den Epithel- zellen, so wie in den von mir beschriebenen Heerstraßen oder In-

-~ Vasionsbahnen, sondern sie erscheinen deutlich als blasige runde oder : ovale Körper von der bestimmten Struktur, welche auch im Photo- ' gramm gut wiedergegeben wird.

Die Vermuthung Nils Sjöbring’s, dass die jungen Organismen meiner Kulturen »augenscheinlich Leucin« seien, sollte sich für mich erübrigen zu widerlegen schon nach den ausführlichen Angaben in

. Meinem Buche. Ich bemerke, dass ich sie selber von vorn herein , such darauf prüfte. Auch Herr Dr. Clewes vom Cancer-Laboratory a Buffalo hat das, wie er mir persönlich sagte, gethan, aber sie eben

% wie ich nicht für Leucin erklären können. Überdies ist nicht Zu vergessen, dass ich von ihnen bei lebend beobachteten Kulturen

, deutlich ausgesprochene Bewegungs- und Kontraktionserscheinungen beschrieben habe, so wie ganz typische Reaktionen gegen die -Ein-

wirkung des Alkohols, der Hitze und anderer Dinge, dass ich endlich bei Dauerbeobachtungen lebend erhaltener Präparate Theilungen, so "ie eine Körnung und Bildung neuer junger Organismen in einzel- en dieser Körper feststellen konnte, worüber ich Zeichnungen be-

gr

220 Centralblatt für Chirurgie. No. 8.

Endlich habe ich auch bei Versuchsthieren diese jungen Organismen meiner Kulturen aus Krebs- und Sarkomgeschwülsten in allen vorher studirten Entwicklungsphasen in verschiedenen Ge- weben verfolgen können. Gerade diese Thierpräparate, von welchen ich bei der Abfassung meines Buches noch lange nicht alle durch- gesehen hatte, haben auch im Weiteren vollkommen bestätigt, was ich dort z. B. bezüglich der Bildung von Epithelperlen, von typi- schen carcinomatösen Gewebsveränderungen, so wie Betreff des Antheiles der jungen Organismen und der großen Kapseln an denselben angegeben und abgebildet habe. Ich habe auch von diesen Präparaten gute Photographien machen lassen, da man die Glaubwürdigkeit auch jener Zeichnungen in Frage gestellt hat.

So viele Unvollkommenheiten meinen Untersuchungen über die parasitäre Genese des Krebses und der Sarkome auch noch anhaften mögen, so dürfte man mir wohl zugestehen, dass sich aus ihnen doch auch für eine Reihe eminent praktischer Fragen neue Auf- schlüsse ergeben, welche besser als viele frühere Bemühungen das Dunkel zu lichten vermögen. Ich hoffe, dass was ich z. B. über das Eindringen der Parasiten von außen, über die lokale Entstehung, über die lokalen und anatomischen begünstigenden Entstehung» bedingungen der bösartigen Geschwülste in bestimmten Organen und Körperstellen, über die Bevorzugung des Alters, über die Bedingun- gen und Grenzen der Übertragbarkeit, über die Recidive, über die Schutzmaßregeln auf Grund meiner Untersuchungen bringe, schon für sich das Interesse der Fachkollegen auf sich zieht und zur Mitarbeit und weiteren Ausbauung veranlasst.

Möchten diese Worte Freunde werben! Jeder echte wissen- schaftliche Forscher ringt nicht um Ruhm, sondern um Wahrheit. Aber auch die Wahrheit kann nicht gedeihen ohne Freunde!

1) E. Pellicelli (Parma). Di un nuovo criterio per la pro- gnosi dei neoplasmi. (Clinica chir. 1901. No. 3 u. 4.)

P. hat der Frage der Glykogenreaktion in bösartigen Geschwül- sten eine große Zahl von Untersuchungen (an 110 Fällen von Neu- bildungen jeder) gewidmet. Betreffs der Details der Technik etc. muss auf das Original, welches auch mehrere sehr exakt ausgeführte Tafeln enthält, verwiesen werden. Die Resultate hat der Autor in folgenden Thesen zusammengefasst:

1) Gutartige Geschwülste enthalten fast nie Glykogen; es ist ein äußerst seltenes Vorkommnis und an lokale entzündliche Vorgänge gebunden.

2) Bei bösartigen Geschwülsten ist Glykogenese einer der sicher- sten Befunde.

3) Sie ist als Ausdruck besonders lebhaften Zellaustausches auf- zufassen, nicht als degenerativer Vorgang.

Centralblatt für Chirurgie. No. 8. 221

4) Sie ist um so reichlicher vorhanden, je weniger die Elemente differenzirt sind und je rascher die Entwicklung stattfindet.

5) Der Glykogen-Koöäfficient einer Neubildung zeigt exakt den Grad der Bösartigkeit an und gestattet so Schlüsse für die Prognose.

6) Die klinische Beobachtung deckt sich durchaus mit dem mikroskopischen Befund. J. Sternberg (Wien).

2) McCaw. Influenza as a causal factor in acute mastoi-

ditis and the early treatment. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. Oktober.)

Verf. unterscheidet 2 verschiedene Formen der Tympanomastoi- ditis als Komplikation der Influenza: die eitrige und die hämor- thagische. Erstere, die weitaus schlimmere und auf einer sehr viru- lenten Infektion beruhend, führt in kurzer Frist zu einer Vereiterung nicht nur der Paukenhöhle, sondern auch des Antrum und der Cellulae mastoideae. Sie erfordert frühzeitigen operativen Eingriff zur Verhütung der drohenden Meningitis, und zwar soll der Para- centese des Trommelfells wenn danach die Druckempfindlichkeit des Warzenfortsatzes nicht in längstens 224 Stunden zurückgeht, die Aufmeißelung des letzteren unbedingt folgen.

Die hämorrhagische Form, welche sich durch Blutungen in das Gewebe des Trommelfells wie auch der Bedeckung des knöchernen Gehörganges charakterisirt, ist dagegen einer abwartenden Behand- lung zugängig: Bettruhe, ausgiebiges Abführen, Blutegel vor den Tragus und über den Warzenfortsatz und 2stündliche heiße Dusche des Gehörganges. Unter dieser Behandlung hat Verf. nur etwa 5% der Fälle dieser Gruppe in Eiterung übergehen sehen, so dass noch chirargische Behandlung nöthig wurde. R. v. Hippel (Kassel).

3) O. Lenoir. Contribution à l'étude de l’antrectomie (ouverture de l’antre petreux) consider&e comme but opéra- toire et comme temps préliminaire des opérations necessitées

par les complications des suppurations mastoidiennes. (Revue de chir. 1901. XXI. Ann. No. 7, 9 u. 10.)

Als Ziel und Zweck der Arbeit, die unter A. Broca’s Leitung und Einfluss entstanden ist, hat Verf. sich vorgenommen, nicht allein für die Erwachsenen, sondern für jedes Alter die Orientirungspunkte genau festzulegen, die uns bei der Aufmeißelung des Warzenfort- satzes mit Sicherheit in das Antrum führen und uns in die Lage

sollen, alle Klippen Sulc. sigmoid., N. facialis etc. zu vermeiden. Verf.s persönliche Studien beziehen sich auf die »tache Pongieuse«, ein auf dem nackten frischen Knochen kleinster Kin- der (bis 2 Jahre) sichtbares Fleckchen eng gestellter kleinster Emis- una, welches genau der Lage des Antrum entspricht; so wie ferner auf die Spina supra meatum (Henlei). Sie ist nach Verf. aus dem

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Epitympanale hervorgegangen und vom 4.—5. Lebensjahre ab deut- lich und recht konstant (unter 200 Malen 20mal undeutlich). Als weitere Anhaltspunkte dienen die Crista supramostoidea und die Sut. mastoidea squamosa. Im Laufe der Jahre verschiebt sich die Entfernung des Antrummittelpunktes von der Spina supra meat. bezw. den oberen Begrenzungen des Meatus ext. »Das Antrum, welches zuerst beim reifen Fötus oberhalb und ein wenig nach hinten von der oberen Wölbung des äußeren Gehörganges liegt, verschiebt sich mit wachsendem Alter von oben nach abwärts und von vom nach hinten, und entfernt sich mehr und mehr vom Scheitel jener Wölbung.«.

Unter dem Titel »les dangers de l’operation« wird die genaue Topographie des Canal. semicircularis, des Sinus sigmoid. und des N. facialis besprochen, und L. giebt etwa folgende Regeln:

Man benütze für kleinere Kinder Meißel von 4—5 mm Breite,

von 1 cm für Erwachsene. Die Verletzung des Sinus vermeidet man, indem man nicht zu weit hinten mit der Abtragung des Knochens beginnt. Die Möglichkeit, den N. facialis zu schädigen, besteht immer dann, wenn das Antrum tiefer als 1 cm liegt. Man wird am besten zuerst den Aditus zu finden suchen und hält sich dabei ziemlich hoch; ist dieser geöffnet, kann er von der Bresche und dem äußeren Grehörgang aus sondirt werden, so ist die Besorgnis bei der Erweite- rung des Trichters, den Nerven noch zu verletzen, gering. L. formu- litt: »Beim Erwachsenen muss man unterhalb der Crist. supra- mastoidea, nach vorn oben von der Sutura mastoid. squamosa, hinter- wärts vom Meatus aufmeißeln. Die Öffnung in der äußeren Tafel soll im Anfang etwa ein Quadrat von 1 cm Seite darstellen, dessen Grundlinie etwas unterhalb vom Niveau einer horizontalen liegt, welche durch die Spina supra meat. geht, dessen vordere Seite etwa 5mm Abstand von der Spina hat.« Weiterhin dringt man etwa parallel mit dem Gehörgang vor; hinten setzt man den Meißel sehr flach auf und »hobelt« nach vorn immer vorsichtig ab; von oben her meißelt man nach innen unten, vom unteren Rande leicht nach aufwärts. Die Tiefe bis zu der man vordringen muss, varlirt außer- ordentlich und mitunter wird man das Antrum noch in 2,5 bis 2,7 cm finden. . Den letzten Theil der Arbeit (Heft 10) bildet eine kritische Übersicht der anderen gebräuchlichen Operationsmethoden so wie die Kennzeichnung der Wege, die uns von der Antrektomie aus in die mittlere und hintere Schädelgrube führen können, ganz in der aus früheren Mittheilungen Broca’s bekannten Weise, wobei der selbstgefällige, sogar überhebende Ton der preisgekrönten Abhand- lung nicht angenehm berührt. Von den zahlreichen Abbildungen sind eine Reihe recht instruktiver Natur, andere jedoch als miss lungen zu bezeichnen. Die Arbeit ist für den Chirurgen geschrieben und dürfte von Seiten der Otologen nicht allzu günstig aufgenommen werden. Christel (Metz).

Centralblatt für Chirurgie. No. 8. 223

4) Goodale. The correction of old lateral deplacements of the nasal bones. (Boston med. and surg. journ. 1901. November.)

Die Operation wird in Narkose bei hängendem Kopfe oder im Sitzen vorgenommen. Die knöchernen Theile der Nase sollen in ihrer Gesammtheit verschoben werden. Dazu wird zunächst mit einer geraden Schere, die ins linke Vestibulum nasi eingeführt wird und dicht hinter dem häutigen Theile den Dreiecksknorpel durch- bohrt, ein Schnitt in der ganzen Länge des Septum, parallel dem Nasenrücken bis zur Siebbeinplatte nach oben geführt. (Bei älteren Personen muss man dazu öfters eine Säge benutzen.) Darauf wird mit Sägen die Verbindung zwischen Nasenbeinen und Proc. nasalis des Oberkiefers von innen her durchtrennt. Der auf die Haut aufgelegte Finger kontrollirt. Darauf wird durch einige Hammer- schläge die Verbindung zwischen Nasen- und Stirnbein gelöst, in- dem die konvexe Seite der Verbiegung als Angriffspunkt dient. Nach der Seitwärtsverlagerung gleitet der obere, schmale Theil des Septum über den unteren, und da gewöhnlich nach der Lösung der Nasen- knochen auch ein leichtes Sinken des Rückens stattfindet, verschieben sie sich gegen einander auch der Länge nach, wodurch ein guter Halt bewirkt wird. Eine Schiene, die aus einer Metallstirnplatte und einem Arme besteht, der mit seinem gepolsterten, fingerkuppen- artigen Ende gegen die Konvexität drückt und durch Schrauben re- gulirt wird, wird für 1 oder 2 Tage angelegt.

Der gute Erfolg der Operation ist durch eine Abbildung veran- schaulicht. Trapp (Bückeburg).

9) Stone. Cleft palate. (Boston med. and surg. journ. 1901. November.)

Die Abhandlung, die durch eine Anzahl Abbildungen frontaler Gefrierschnitte durch den Kopf mit Wolfsrachen behafteter Kinder illustrirt ist, wendet sich im Wesentlichen gegen die 1893 von Brophy angegebene Operationsmethode der Gaumenspalte. Sie besteht darin, dass, nach Beiseiteschieben der Weichtheile, sowohl durch den vor- deren als hinteren Theil der Gaumenplatte, bezw. über sie hinweg Drahtnähte geführt werden, die durch ihre Spannung die Gaumen- platten mit den Alveolarfortsätzen im Zusammenhange einander nähern. Die Nähte werden als Plattennähte angelegt. Sollte auf diese Weise keine genügende Annäherung erfolgen, so wird oberhalb der Alveolarfortsätze durch einen wagrechten Schnitt durch den Knochen ihre Verbindung mit dem Oberkiefer theilweise gelöst. Verf. verwirft die Operation 1) als zu eingreifend und die Entwicklung der Zähne störend, 2) weil der Gaumen danach sehr leicht zu schmal ausfällt, 3) die Nasengänge dadurch zu stark verengert werden und 4) andere Operationen, richtig ausgeführt, dasselbe leisten. Im All- gemeinen ist S. Anhänger einer möglichst frühzeitigen Operation,

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wegen des besseren funktionellen Resultate. Der einzige Vortheil der Brophy-Operation ist die Gewinnung eines funktionstüchtigeren weichen Gaumens, den man aber auch nach anderen Operationen durch passende Nachbehandlung erzielen kann. Verf. warnt zum Schluss noch davor, hypertrophische Tonsillen und adenoide Wuche- rungen vor der Operation zu entfernen, weil sie mit dazu dienen, den Raum, den das unvollständige und kurze Gaumensegel ver- schließen muss, zu verkleinern. Trapp (Bückeburg.

6) Hopkins. Malignant disease of the tonsil. (Boston med. and surg. journ. 1901. Oktober.)

Bösartige Mandelgeschwülste sind selten. Carcinome bilden sehr schnell Geschwüre, während Sarkome so lange geschwulstartig bleiben, bis sie durch Anstoßen an die Nachbarschaft durch mechanischen Reiz zur Geschwürsbildung kommen. Anfangs werden sie oft mit einfacher Hypertrophie verwechselt. Sarkom strebt nach hinten und infiltrirt die Nackengegend, während Carcinom leichter auf die Zunge übergreift und gewöhnlich schon im Anfange bedeutendere Schmerzen macht, als das Anfangs nur mechanisch hinderliche Sarkom. Die Diagnose ist oft schwierig; ein Fall wird angeführt, wo trotz sorg- fältiger, auch mikroskopischer Untersuchung, Sarkom angenommen wurde, dass sich aber nachher als syphilitische Schwellung heraus- stellte. Andererseits kann Sarkom mit phlegmonöser Schwellung ver- wechselt werden. Einseitige Schwellung bei Erwachsenen muss immer doppelt sorgfältig untersucht werden. Die Behandlung kann nur eine operative sein, entweder vom Munde aus in frühen, oder von außen in älteren Fällen. Die Prognose ist meistens schlecht. Englische Litteratur ist angeführt. Trapp (Bückeburg).

7) Schultze. Zur Frage von dem Verhalten der Sehnen-

reflexe bei querer Durchtrennung des Rückenmarks. (Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 4 u. 5.)

Gegenüber einer Kritik von v. Bruns betont S., dass ein früher von ihm publicirter Fall von totaler Durchtrennung des Rückenmarks, bei welchem noch nach 5 Monaten die Patellarreflexe erhalten waren, mit Unrecht als beweiskräftig angezweifelt werde, dass er vielmehr zu den Fällen gehöre, welche gegen das Bastian-v. Bruns’sche Gesetz sprechen. Haeckel (Stettin).

8) Lovett. The mechanics of lateral curvature as applied to the treatment of severe cases. (Boston med. and surg. journ. 1901. Oktober.) Das Wichtigste der längeren, durch eine Reihe guter Abbil- dungen illustrirten Auseinandersetzung ist Folgendes: Experimente an der Wirbelsäule eines skolitischen Leichnams, die im Zusammen-

Centralblatt für Chirurgie. No. 8. 225

hange mit Rippen und Becken gelassen war, ergaben: 1) dass durch Suspension keine bemerkenswerthe Ausgleichung der Seitenverbiegung erzielt wurde. Die Verlängerung der Wirbelsäule erfolgte durch Aus- gleich der physiologischen Krümmungen. 2) Seitlicher Druck auf die Konvexität der Skoliose war wirksamer bei Bauchlage als bei Extension. 3) Es war leichter, die gesammte Wirbelsäule zwischen ihren Anheftungspunkten seitlich zu verschieben, als eine merkbare Ausgleichung der Skoliose zu erzielen. 4) Durch Vergrößerung der Rotation der Wirbelkörper wurde die Seitwärtsbiegung der Wirbel- säule verringert, durch Verminderung der Rotation wurde sie ver- mehrt. 5) Die Wirbelsäule ist als elastisches Band zu betrachten, welches sich leichter seitwärts ausbiegen lässt, wenn es schlaff liegt, als wenn es straff gespannt ist. Ferner, von der Überlegung aus- gehend, dass durch die gegenseitigen Beziehungen der normalen Bie- gungen der Wirbelsäule bei Streckung des Lendentheiles auch eine Streckung des Rückentheiles eintritt und dass durch sie eine Deh- nung geschrumpfter Bänder und Muskeln so wie ein unwillkürliches Bestreben eintritt, durch Annäherung der Konvexität an die Mittel- linie das Gleichgewicht besser zu erhalten, legt Verf. Gipskorsetts nur bei gestreckter Lendenwirbelsäule an. Diese Streckung erreicht er durch Bauchlage auf einem in einen Gasrohrrahmen gespannten Segeltuch, durch welches die Beine frei nach unten durchhängen. (Abbildung.) Gipskorsetts wendet er aber nur vorübergehend und bei schweren Fällen an. Veraltete Fälle eignen sich nicht für rein gymnastische Behandlung. Bei ihnen kann man auch die Verschieb- lichkeit der Gesammtwirbelsäule als Mittel zur Besserung der ganzen Körperhaltung mit benutzten. Die Arbeit ist recht lesenswerth. Trapp (Bückeburg).

9) C. Bayer. Spina bifida. (Prager med. Wochenschrift 1901. No. 36—44.)

Die vorliegende Arbeit war ursprünglich für Kocher’s Ency- klopädie der Chirurgie bestimmt, dafür aber zu umfangreich geworden. Sie enthält eine ausführliche Darstellung der Pathologie, Pathogenese, Prognose und Therapie der Erkrankung nebst ausführlichen Litte- raturangaben und Einfiechtung zahlreicher selbstbeobachteter Fälle. B. gebietet über die stattliche Zahl von 31 eigenen Beobachtungen, unter denen 17 mit Operation. Er selbst hat die Technik der letzteren um ein eigenes Verfahren bereichert, worüber in den früheren Jahrgängen dieses Blattes berichtet worden ist (1889 p. 566; 1892 p. 977). Von seinen 17 operirten Pat. sind 6 geheilt, 4 davon mit Bestehenbleiben der Lähmungen; 7 sind zunächst auch geheilt, starben jedoch später an interkurrenten Krankheiten oder zunehmen- dem Hydrocephalus; 4 starben gleich oder bald nach der Operation.

Diese so wie anderer Operateure Erfahrungen haben B. zur Ein- schränkung der Indikation für die blutige Operation der Spina bifida gebracht. Er hält diese Indikation nur noch aufrecht in Fällen,

gte

226 Centralblatt für Chirurgie. No. 8.

welche 1) keinen ausgesprochenen Hydrocephalus, 2) keine Lähmungen zeigen und 3) deren genaue klinische Untersuchung keine kompli- cirten anatomischen Verhältnisse am Sacke erwarten lässt.

Jaffé ‘Hamburg.

10) Gottstein. Technik und Klinik der Ösophagoskopie. (Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie Bà. VIIL Hft. 1 u. 2 und 4 u. 5.)

Nachdem G. im ersten Theile seiner Arbeit (s. d. Centralblatt 1901 No. 31) das Allgemeine über Ösophagoskopie gegeben, liefert er im zweiten, speciellen Theile eine Klinik der Erkrankungen der Speiseröhre unter besonderer Berücksichtigung der Ösophagoskopie, indem er nicht bloß seine eigenen Fälle mittheilt, sondern auch alle bisher vorliegenden Beobachtungen Anderer heranzieht.

Nach kurzer Besprechung der Verletzungen der Speiseröhre wendet er sich zu den Fremdkörpern. Auf diesem Gebiete feiert die Ösophagoskopie bei Weitem am schnellsten und augenfälligsten ihre Triumphe; sie sichert nicht bloß die Diagnose in Fällen, wo die anderen Methoden: Sondirung und Skiagraphie versagen, sondern gestattet auch, die Fremdkörper durch geeignete Instrumente zu ent- fernen. 7 eigene Fälle werden mitgetheilt.

Entzündungen und Geschwüre der Speiseröhre. Bei akut ent- züundlichen Processen wird man wegen der damit verbundenen Gefahren sich scheuen, eine Sonde einzuführen, und noch viel weniger desswegen den ösophagoskopischen Tubus einzubringen. Beim chronischen Katarrh dagegen ist die Osophagoskopie von großer Bedeutung, weil man durch sie die Differentialdiagnose gegen beginnendes Carcinom, das ganz ähnliche Erscheinungen machen kaun, zu stellen vermag. Von Geschwüren der Speiseröhre, hat man katarrhalische Ero- sionen, Fissuren, Decubitalgeschwüre gesehen; tuberkulöse sind bis- her mit dem Ösophagoskop nicht beobachtet worden; sie sind an sich selten und kommen meistens im letzten Stadium der Tuber- kulose vor, wo der allgemeine Schwächezustand eine ösophagosko- pische Untersuchung verbieten würde. Dagegen giebt G. einen Fall von Gumma des Ösophagus mit Geschwür. Glänzender kann der Werth der Ösophagoskopie nicht gezeigt werden als durch den Fall G.’s, in welchem es auf ösophagoskopischem Wege gelang, durch Probeexcision ein Geschwür als Aktinomykose zu erkennen. Endlich werden 2 Fälle mitgetheilt, in denen durch das Ösophagoskop die Dia- gnose mit Wahrscheinlichkeit auf Ulcus pepticum sich stellen ließ.

Motilitätsstörungen der Speiseröhre. Zu den wenigen bisher ösophagoskopisch beobachteten Fällen von idiopathischem Ösophage- spasmus fügt G. einen neuen. Nur das Ösophagoskop kann in solchen Fällen feststellen, dass andere anatomische Erkrankungen fehlen. Ausführlich wird das dunkle Gebiet des idiopathischen Cardio- spasmus und seine Folgezustände behandelt. 2 neue Fälle von akutem Cardiospasmus werden mitgetheilt, ferner 3 charakteristische Fälle

Centralblatt für Chirurgie. No. 8. 227

von chronischem mit sekundärer Dilatation des Ösophagus, deren einer desshalb ganz besonders bemerkenswerth ist, weil sich ober- halb der Dilatation ein Carcinom entwickelte. Es folgen Fälle von sekundärem, durch Carcinom bedingtem Ösophago- und Cardio- spasmus. In einem derselben ließ sich auch mit dem Ösophagoskop die Grundursache, das Carcinom, nicht erkennen, sondern erst die Autopsie brachte Klarheit. Danach wird die Atonie der Speise- röhre besprochen unter Beibringung eines eigenen Falles; es folgen die Paresen und Paralysen der Speiseröhre, wobei ein Fall post- diphtherischer Lähmung mitgetheilt wird.

Bei den Neurosen der Speiseröhre werden 2 Fälle hysterischer Hyperästhesie beschrieben; die ösophagoskopische Untersuchung hat hierbei dadurch Werth, dass sie andere Krankheiten ausschließt.

Stenosen. Bei Narbenstenosen, die ja meist durch Verätzung entstehen, wird zur Feststellung der Diagnose die Sondenuntersuchung und Anamnese meist genügen; dagegen scheint für die Therapie die Ösophagoskopie nicht ohne Werth zu sein; doch lässt sich aus den wenigen, bisher bekannten Fällen (besonders von Epstein) ein ab- schließendes Urtheil über den Werth der Methode nicht gewinnen. Bei den Stenosen durch Neubildungen kommen fast ausschließ- lich Carcinome in Betracht. G. schildert den Befund bei einseitiger ecarcinomatöser Infiltration der Speiseröhrenwand, beim ringförmigen Carcinom, bei der Blumenkohl- und papillomatösen Form und schließt daran die Klinik des Carcinoms der Pars cardiaca des Magens, die ja zwar nicht zum Ösophagus gehört, aber in seinen Anfangsstadien wenigstens keine NMagen-, sondern Speiseröhrenerscheinungen macht. Die Diagnostik des Carcinoms ist durch das Ösophagoskop eine wesentlich sicherere geworden als bisher; eine außerordentliche För- derung erhält sie noch durch die mit der Ösophagoskopie verbundene Probeexcision, welche 19mal vorgenommen wurde. Man darf hoffen, dass nunmehr bei sehr früher Erkennung des Ösophaguscarcinoms auch die Radikalheilung durch Resektion bisweilen ermöglicht werde. Die beiden derartigen Operationen von v. Mikulicz endigten töd- lich; in dem einen Falle wurde von der Bauchhöhle aus ein Carci- nom der Cardia resecirt, der 2. Fall, der hier zum ersten Mal pub- lieirt wird, ist besonders bemerkenswerth; nachdem durch Empor- schlagen eines die 7.—9. Rippe enthaltenden Lappen freier Zugang geschaffen, wurde die Speiseröhre an der Cardia durchtrennt, das Magenende vernäht, Magenfistel angelegt. Am Hals wird die Speiseröhre quer durchtrennt; 2 dicke Seidenfäden werden an ihr befestigt und in die Bauchhöhle durch eine von unten her geführte Sonde geleitet; nun wird das ganze ausgeschaltete Stück des Ösophagus zur Bauch- höhle herausgezogen. Tod nach 24 Stunden. Es handelt sich also um den interessanten Versuch einer Totalexstirpation des Ösophagus. Kompressionsstenose, d. h. Stenosen durch Geschwülste, die außer- halb der Speiseröhre liegen, kommen am häufigsten am Haletheil vor; ist bei ihnen schon oft die Differentialdiagnose gegenüber Ge-

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schwülsten der Ösophaguswand selbst auch mit Ösophagoskopie schwer, so ist sie noch schwerer und oft unmöglich bei tief im Brusttheil sitzenden Kompressionsstenosen; indessen ist hier bei Aortenaneu- rysmen der Nachweis abnormer Pulsation an der von vorn her ein- gebuchteten Wand der Speiseröhre von entscheidender Bedeutung. G. theilt einige Fälle mit, in denen sich dadurch mittels Osophago- skopie Aortenaneurysmen sicher diagnosticiren ließen, die ohne sie von Kompressionsstenosen durch andere Geschwülste nicht zu unter- scheiden waren.

Erweiterungen der Speiseröhre. Dilatation ist schon beim Car- diospasmus erwähnt, kommt ferner oberhalb von Strikturen oft vor. Bei Divertikeln ist auch mit Ösophagoskop die Diagnose oft nicht möglich, in anderen Fällen leistet es aber auch hier diagnostisch gute Dienste. Haeckel (Stettin).

11) Dunham. The treatment of stricture of the oesophagus. (Boston med. and surg. journ. 1901. No. 9.)

Bei solchen Fällen von Verengerung, die noch geringe Flüssig- keitsmengen durchlassen, und bei denen Gastrostomie gemacht ist, wird ein schwarzer Seidenfaden durch ein gewöhnliches Trinkröhr- chen geleitet und, indem der Kranke ein Glas Wasser mittels des Röhrchens aussaugt, in den Magen gewaschen. Der Faden wird dann mit gekrümmter Sonde vom Magenmund aus gefasst. (Ähn- liches Verfahren wie das Socin’sche, verbessert von Henle, siehe Centralblatt für Chirurgie 1901 No. 34). Schluckt der Kranke nicht (z. B. Kinder), so wird durch einen ins Nasenloch eingeführten, ab- geschnittenen Katheter mit Glastrichter der Seidenfaden hinabgespült. Nachher erfolgt die Aufweitung der Striktur mit einem Drahtspindel- bougie: 5füßiger Stahldraht mit geknöpften Enden, der in der Mitte eine spindelförmige Anschwellung trägt. Zugleich mit dem Draht wird eine hanfene Angelleine eingeführt, die, nachdem der Rachen und die Ränder der Speiseröhre im Magen durch entsprechende Aluminiumschutzröhren gesichert sind, als Säge benutzt wird, indem man sie hin- und herzieht. Man fühlt am Vorwärtsgleiten der Spindel, dass die Striktur sich erweitert. Es folgen dann nachher stärkere Spindeln, event. ebenfalls mit »Einsägen« der Striktur. Für Strik- turen, die noch von oben für eine Sonde durchgängig sind, hat Verf. einen ähnlichen Sägeapparat konstruirt, bei dem die sägende Schnur durch Bohrungen in einem Sondenknopf, der an ein Fischbeinbougie geschraubt ist, durchgeht. Besondere Vorrichtungen dienen zum Schutz des gesunden Theiles des Ösophagus. Um nach dem Durch- schneiden der Striktur ein Eindringen in falscher Richtung bei der Nachkur mit Bougies zu vermeiden, hat Verf. hohle, unten mit konischem Metallstück versehene Gummisonden über einen Leitdraht, der entweder von oben oder von unten eingeführt wurde, hinab- geschoben. (Der Leitdraht scheint gefährlicher zur Erzeugung des

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falschen Weges, als die dicke Sonde! Ref.) Die ziemlich komplicirte Beschreibung der Instrumente würde durch 1 oder 2 Abbildungen wesentlicht vereinfacht worden sein. Trapp (Bückeburg).

12) G. Pascale (Neapel). La decorticazione del pulmone.

Contributo alla patogenesi e terapia dell’ empiema cronico. (Gazs. intern. di med. prat. 1900.)

P. bringt 4 weitere Fälle von chronischem Pleuraempyem, nach Delorme, Ablösung der Schwarten von der Lunge, operirt und zur Heilung gebracht. P. verbreitet sich ausführlich über die Geschichte der Operation und erörtert dann die Frage, ob die Operation für alle Fälle von chronischem Empyem geeignet sei. Er stellt folgende Kontraindikationen auf: 1) Pleuritiden (wahrscheinlich Streptokokken- infektion), bei welchen sich der Process auf das interstitielle Gewebe der Lunge fortgesetzt hat. 2) Tuberkulöse Empyeme, welche ohne wesentliche Veränderung des Brustfells einhergehen. 3) Tuberkulöse Empyeme mit schweren Lungenveränderungen. 4) Sehr geschädigtes Allgemeinbefinden. J. Sternberg (Wien).

Kleinere Mittheilungen.

13) 68. engl. Ärztekongress in Cheltenham. Sektion für Chirurgie. (Brit. med. journ. 1901. Oktober 19.)

A discussion on renal tension and its treatment by surgical means.

Reginald Harrison: Nach H. thun die Erfahrungen, welche die Fort- schritte auf dem Gebiete der Nierenchirurgie geseitigt haben, dar, dass patholo- gische Veränderungen des Nierengewebes häufig mit einer Veränderung der Kon- sisteng der Niere einhergehen. Wenn auch die Leichenbefunde in dieser Hinsicht meist nichts Charakteristisches bieten, so ist doch aus der Beschreibung der mikro- skopischen Bilder beginnende Exsudation, Blutextravasation innerhalb des Nierengewebes, Anfüllung der Tubuli mit degenerirten Epithelien, granulirter Substanz und Fettkörnchen werden verzeichnet zu entnehmen, dass im Lebenden eine Vermehrung der Konsistenz der Niere stattgefunden haben muss. Die inner- halb der Niere auftretende Spannung sieht H. für ein sehr wesentliches Moment in der Pathologie der Nierenerkrankung an, welches sehr geeignet erscheint, die De- generstion der Nierenepithelien zu beschleunigen, besw. die Ausheilung der Ver- änderungen hintanzuhalten. Als Analoga zieht er einerseits das Glaukom heran, bei welchem durch Herabsetzung des intraokulären Druckes mittels Iridektomie Besserung bezw. Heilung ersielt werden kann, andererseits die akuten Entzün- dungen des Hodens, bei welchen durch Punktion oder eine kleine Incision in die Tuniea albuginea der schädliche Einfluss auf die sekretorischen Elemente hintan- gehalten werden kann. Des weiteren weist H. darauf hin, dass es an der Harn- töhre sei es in. Folge einer Verletzung oder einer Erkrankung der Schleimhaut häufiger zu einer Durchsickerung des Urins in das umliegende Gewebe kommt, welches Ereignis auf Rechnung eines Defektes in der Schleimhautbedeckung zu setzen ist. Dadurch kommt es zur Entzündung in dem periurethralen Gewebe und durch Organisation der Entsündungsprodukte zu Strikturen der Harnröhre. H. hält es für möglich, dass in Folge des erhöhten Druckes Urin in das Nieren-

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gewebe treten kann und hier weiter zu Degenerationen Veranlassung giebt. Die Frage, wesshalb im Verlaufe von akuten Entzündungen so selten Eiterung in der Niere auftritt, beantwortet er dahin, dass es an der dasu nothwendigen Zeit man- gelt. Die Kranken gehen zu Grunde, ehe dieses Stadium erreicht wird.

H. theilt 6 Krankengeschichten mit, in welchen eine bei der Operation gefun- dene Vermehrung der Konsistenz verzeichnet ist. In 4 Fällen handelte es sich um eine Nephritis in ihren verschiedenen Stadien. 2mal war dieselbe akut, in dem einen Falle die Folge von Scarlatina, im anderen von Erkältung; imal handelte es sich um eine subakute Influenzanephritis, im 4. Falle war eine chronische Nierenentzündung durch eine Kontusion der Niere komplieirt. In sämmtlichen Fällen war der Erfolg des Eingriffs ein guter. Die Kranken erholten sich rasch, das Eiweiß verschwand aus dem Urin. H. stellt als Indikationen für chirurgisches Eingreifen folgende Gesichtspunkte auf:

1) Fortdauernde und weiterschreitende Symptome der Degeneration des Nieren- gewebes, Zunahme des Eiweißgehalts in einem Stadium der Erkrankung, wo die- selbe normalerweise abklingen müsste.

2) Suppression der Urinsekretion.

3) Störungen der Herzaktion und des Cirkulationsapparates im Verlaufe von Nierenerkrankungen. |

H. legt die Niere mittels Flankenschnittes frei, trennt die Kapsel oder punk- tirt die Niere an verschiedenen Stellen. Auf die Stelle der Kapselincision, welche ziemlich klein sein kann, wird ein Drain eingeführt, die Wunde dann zum größten Theil geschlossen. Nach Entfernung des Drains, welcher einige Tage, je nach- dem auch Wochen liegen bleibt, schließt sich der Rest der Wunde glatt. Die Frage, welches Organ man bei Nephritis angreifen soll, hält H. nicht für wesent- lich, da die Beseitigung der Spannung in der einen Niere auch für die andere einen Gewinn bedeutet.

W. D. Spanlon theilt im Wesentlichen die Anschauung Harrison's und theilt 2 Fälle mit, in denen durch Freilegung der Niere und Incision der Kapsel völlige Heilung erzielt wurde. imal handelte es sich um einen 17jährigen jungen Mann, welcher im 14. Lebensjahre im Anschluss an eine Erkältung eine Nieren- blutung durchgemacht hatte, worauf in Zwischenräumen noch verschiedentlich ein schwarzbrauner Urin entleert wurde. Die rechte Niere war etwas druckempfind- lich, der Urin enthielt rothe Blutkörperchen und Eiweiß in geringer Menge. Eiu Theil der Niere wies bei der Untersuchung eine derbe Konsistens auf und war mit der darüber liegenden verdickten Kapsel fest verwachsen. Letztere wurde ge- spalten. Blut und Eiweiß schwanden völlig aus dem Harn.

Im anderen Falle, in welchem nach einem Unfalle eine Nierenblutung auf- getreten und seitdem der Urin immer leicht blut- und eiweißhaltig war, fand sich bei der Operation die rechte Niere stark vergrößert, von derber Konsistens, be- deckt von der erheblich verdickten Kapsel. Ein Stein wurde nicht gefunden. Es wurde eine kleine Ineision in das Nierengewebe gemacht, später mittels Katgut- nähten wieder geschlossen. Eine spätere Nachblutung besieht 8. auf das Durch- schneiden der Nähte. Blut- und Eiweißgehalt schwanden allmählich aus dem Harn.

J. Ward Cousins ist der Meinung, der Werth des chirurgischen Eingreifens bei entzündlichen Vorgängen in der Niere unterliege keinem Zweifel, es sei aber der Zukunft noch vorbehalten, exakte Indikationen aufzustellen. Fürs erste sieht C. ein Eingreifen angezeigt, wenn im Verlaufe einer nach fieberhafter Infektions- krankheit auftretenden Nephritis die Urinsekretion zu versiegen droht. Dessgleichen hält er die Operation für berechtigt bei Prostatikern, bei welchen in Folge eines plötzlichen Choks eine Suppression des Urins eintritt, eben so endlich, wenn bei chronischem Alkoholismus die Nierenfunktion versagt.

Gilbert Barling betont, dass die Diagnose der Nierenerkrankungen viel-

fach recht unsicher sei, nichtsdestoweniger aber trotz fehlerhafter Diagnose die Operation häufig Erfolg habe.

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3 Momente können dabei eine Rolle spielen. Die Fixation der Niere durch die entstehenden Verwachsungen, Durchschneidung von Nervenfäden, und viel- leicht auch die Aufhebung der Spannung innerhalb des Nierengewebes, wie Har- rison meint. Fälle, in welchen nach Katheterismus eine Suppresion des Urins eintritt, hält B. nicht für geeignet zur chirurgischen Behandlung. Über die Rolle, welche die Spannung innerhalb der Niere spielt, müssten noch weitere Erfahrungen gesammelt werden.

R. C. Chicken glaubt, dass man, da die Cirkulation in der Niere und im perirenalen Gewebe in sehr engen Besiehungen steht, sur Aufhebung der renalen Kongestion mit Skarifikation der Lumbargegend auskommt.

J. Hutchinson: On certain points in the operative treatment of renal calculus.

H. betrachtet als Grundsatz bei der operativen Entfernung von Nierensteinen, das Nierengewebe möglichst wenig zu schädigen, was indessen ohne eine mög- lichst exakte Diagnose nicht gut möglich ist. Die vorgeschlagene Spaltung der Niere mittels Sektionsschnittes hält H. nicht für gerechtfertigt, weil das Verfahren sich nicht durchführen lässt, ohne die Niere aus ihrer Umgebung lossulösen und in die äußere Wunde vorzulagern. Übrigens ist die Meinung nicht berechtigt, dass die Wunden des Nierenbeckens und des Harnleiters häufiger su Urinfisteln Veranlassung giebt. H. führt eine Reihe von Beispielen an, in welchen die In- eisionswunden des Nierenbeckens glatt zur Heilung gelangten.

Als das wichtigste Hilfsmittel der Diagnose betrachtet er die Anwendung der Röntgenstrahlen, durch deren Vermittlung die Operation wegen Nierensteinen sich nicht viel anders gestaltet als die Extraktion eines tief gelegenen Fremdkörpers. H. glaubt, dass bei der nunmehr schon weit ausgebildeten Technik des Röntgen- verfahrens nahezu jeder Stein der Niere mit Hilfe desselben zu diagnosticiren sei. Nur bei sehr fetten Individuen seien Misserfolge zu verzeichnen. Zum Schluss giebt H. Anweisungen bez. der Technik der Skiaskopie bei Nierensteinen, welche der Arbeit von Leonard (Annals of surgery 1900 Februar, Ref. Centralblatt 1900 No. 34) entnommen sind.

Herbert Bramwell: A case of movable kidney producing pyloric stenosis and constriction of the duodenum by peritoneal bands.

B. verweist auf die Arbeit Bennet’s (Brit. med. journ. 1900 Februar 3, Ref. Centralblatt für Chirurgie 1900 No. 16), in welcher aus einander gesetst wird, dass es einerseits nieht immer möglich ist, eine bestimmte Ursache der Magenerweite- rung nachzuweisen, selbst nicht nach Eröffnung der Bauchhöhle, andererseits aber auch, selbst wenn während des Lebens eine deutliche Verhärtung der Pylorus- gegend nachweisbar war, die Sektion kein Ergebnis bietet. Der mitgetheilte Fall ist folgender:

Eine 49jährige Frau, IIpara, litt seit ihrem 20. Lebensjahre an wiederholten Anfällen von schwerer Verdauungsstörung. Während der letzten 10—15 Jahre hatte sich das Leiden verschlimmert. Während der Schwangerschaft hatte die Kranke weniger zu leiden. Die Anfälle setzten plötslich ein unter Schmerzen und einem Gefühl großer Völle im Epigastrium. Das Krankheitsgefühl hielt an, bis Erbrechen erfolgt war. Nachdem B. die Kranke längere Zeit beobachtet hatte, entdeckte er während eines besonders schweten Anfalles eine rechtsseitige Wander- niere; die Niere sank so tief herab, dass ihr oberer Rand su fühlen war. Da in der Folgezeit die Anfälle sich noch mehr häuften und die Erscheinungen von dem Vorhandensein der Wanderniere abhängig gemacht wurden, wurde eine Nephropexie in Erwägung gezogen, indess von der Kranken abgelehnt. Schließlich war eine Schwellung in der Gegend des Pylorus zu fühlen, eben so 2 schlecht abgrenzbare Geschwülste, die hinter dem Magen zu liegen schienen. Wiederholte Unter- suchungen des Magensaftes ergaben keine Anhaltspunkte für eine bösartige Er- krankung. Zeitweise war der Magen sehr stark aufgetrieben, so dass eine ballon- förmige Schwellung links von der Mittellinie deutlich hervortrat. In Anbetracht des schon sehr heruntergekommenen Zustandes der Kranken wurde von einem ope-

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rativen Eingriffe Abstand genommen. Schließlich trat abermals ein Anfall von hochgradiger Magenerweiterung auf, in welchem die Kranke starb.

Bei der Sektion ergab sich, dass die ganze linke Hälfte der Bauchhöhle aus- gefüllt war durch einen dünnen, opalescirenden Sack, welcher nahezu bis zum Schambein herunterreichte und den Magen repräsentirte. Die Wand war stellen- weise papierdünn und riss beim geringsten Zuge ein. Der Pylorus war von derben peritonealen Verwachsungen umgeben und deutlich kontrahirt. Die Geschwülste hinter dem Pylorus bestanden aus dem Kopfe des Pankreas und einem Drüsen- packet. Von der Oberfläche des Pylorus gingen 3 derbe peritoneale Bänder nach rechts ab und in den Peritonealüberzug der rechten Niere über. Letztere war frei beweglich und konnte 3 Zoll nach unten gedrängt werden, wobei der Peritoneal- überzug sich mit bewegte. Der untere Pol der Niere glitt nicht hinter dem Bauch- fell nach unten, sondern stülpte dasselbe mit nach unten, so dass eine vollstän- dige Tasche zu Stande kam. Beim Herabsinken der Niere übte der Peritoneal- überzug derselben einen deutlichen Zug auf den Pylorus aus. Die Verengerung des letzteren war lediglich muskulärer Natur; die Schleimhaut war gesund.

R. H. Parry: Radical oure of femoral hernia.

P. hat Behufs Heilung der Hernia femoralis folgende Methode ersonnen:

1) Bogenförmiger, nach unten konvexer Schnitt, beginnend am Tuberculum pubicum, bis zur Mitte des Lig. Puuparti reichend. Der umschnittene Hautlappen wird nach oben abpräparirt, Arteria und Vena epigastrica superfieialis unterbunden und Lig. Pouparti im Bereiche der Wunde völlig freigelegt. Nun wird der Bruch- sack freigelegt und unterbunden, sodann ein Schnitt dicht oberhalb und parallel der medialen Hälfte des Lig. Pouparti durch die Aponeurose des M. obliquus ext. geführt, der Leistenkanal eröffnet und sein Inhalt bei Seite gesogen. Die tiefe Schicht der am Lig. Pouparti inserirenden Muskulatur wird frei präparirt und die Fascia transversalis durchtrennt. Das Bauchfell bleibt unversehrt.

Behufs Versorgung des Sacks führt P. zunächst eine starke Katgutnaht durch den Grund des Sacks; dieselbe wird hier fest geknotet. Dann wird der Faden durch den Bruchsackhals, schließlich durch die Fascia transversalis und die Apo- neurose der Bauchmuskulatur geführt. Dadurch, dass Anfang und Ende des Fadens zusammengeknotet werden, verschwindet der Bruchsack in der Bauchwand. Die Aponeurose der Bauchmuskulatur wird sodann an das Lig. pubioum Cooperi angenäht bis dicht an die Vena femoralis. Die Nähte sollen eine breite Muskel partie fassen, wodurch es möglich ist, mit 2 Nähten auszukommen. Schließlieh wird die Muskulatur noch mit einigen Nähten gegen das Lig. Pouparti befestigt, um die Wand des Leistenkanals zu verstärken. Hautnaht.

P. hat auf diese Weise 15 Fälle von Schenkelbruch operirt; 6 von diesen sind über 3 Jahre, 5 über 2 Jahre unter Beobachtung gewesen. In keinem der- selben hatte der Verschluss nachgegeben.

Jordan Lloyd wünscht principiell die Entfernung des Bruchsackes als das einfachste Verfahren. Er würde lieber die Nähte unter dem Lig. -Pouparti gegen den M. peectineus führen. | i

Adam Eccles stimmt der principiellen Entfernung des Bruchsackes zu. Als Nahtmaterial empfiehlt er Seide, da Katgut zu unsicher sei. Im Übrigen hält er die Methode Parry’s für brauchbar.

Auf Anfrage von Hutchinson erklärt Parry, dass der Samenstrang einfach bei Seite gelagert wird, um den Ansatz der Muskulatur freizulegen. Bezüglich der Versorgung des Bruchsackes glaubt er, dass dieser Punkt dem Belieben des - einzelnen Chirurgen überlassen bleiben könne.

W. H. Brown: The prevention of shock during prolonged ope- rations.

B. erblickt in der Transfusion von Kochsalzlösung das wirksamste sur Ver- fügung stehende Mittel, um den Chok zu bekämpfen. Er tritt dafür ein, dass das Mittel von vorn herein bei allen länger dauernden Operationen, wenn der Zustand

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des Kranken zu Befürchtungen Anlass giebt, während der Operation selbst in Anwendung kommen sollte. Ein Assistent soll dann zu Beginn der Operation eins Vene freilegen und allmählich Kochsalzlösung in dieselbe einlaufen lassen. B. hebt hervor, dass sich so auch die Anforderungen der Asepsis besser durch- führen lassen, als wenn im Moment der Gefahr plötzlich, ohne weiteren Vor- bereitungen eine Infusion nöthig wird.

T. R. Jes sop macht vor der Operation eine Kochsalzinfusion und giebt nebenbei Strychnin.

A discussion on gastro-jejunostomy in ulcer of the stomach and duodenum and in pyloric stenosis.

Gilbert Barling hält es für wesentlich, zur Beurtheilung der Frage der operativen Behandlung des Magengeschwürs und seiner Folgesustände, dass eine richtige Mortalitätsziffer für die in Rede stehende Erkrankung ermittelt wird. Die Schätzungen französischer Beobachter, welche 50% Mortalität angeben unter ihnen befindet sich auch Doyen erscheinen su hoch. B. selbst glaubt, dass 20% noch zu hoch gegriffen ist und dass 10% Todesfälle der Wahrheit näher kommen. Übertrieben wird auch nach B. die Häufigkeit der Krebsentwicklung auf allen Magengeschwüren. B.'s Anschauung geht dahin, dass dies nur aus- nahmsweise zu Stande kommt.

B. erörtert dann die Indikationen, welche bei Bestehen eines Magengeschwürs ein operatives Vorgehen erforderlich machen, so wie die einzelnen zu Gebote stehenden Operationsmethoden. Bei lebensgefährlichen Blutungen hält B. die Aussicht, die blutende Stelle zu finden, für gering und räth desshalb im Allgemeinen von der Operation ab.

Bei wiederholten kleineren Blutungen hat sich die Indikationsstellung zu richten nach der Größe des Blutverlustes und der daraus resultirenden Anämie, ferner ist zu berücksichtigen die Beschäftigung des Kranken, namentlich, ob die- selbe eine erhebliche Störung erfährt, des weiteren noch die Abnahme des Kräfte- sustandes. Ob in solchen Fällen eine Gastroenterostomie auszuführen oder das Geschwär selbst mittels Excision oder Kauterisation anzugreifen ist, ist noch strittig. B. hat einmal mit der Gastroenterostomie einen guten Erfolg ersielt.

Die 3. Gruppe umfasst die sehr zahlreichen Fälle, in denen die Blutung surücktritt, und Schmerzen, Erbrechen, Gewichtsabnahme und häufige Störungen der Berufstbätigkeit in den Vordergrund treten. Namentlich letztere können einen operativen Eingriff räthlich erscheinen lassen; doch ist die Entscheidung oftmals nur schwer zu treffen, da die Diagnose, namentlich bei nervösen Individuen, häufig unsicher ist, und erst die Laparotomie den wahren Sachverhalt aufdeckt. Ist Ver- diekung in der Pylorusgegend fühlbar, wird der Entschluss zur Operation leichter fallen.

Pylorusstenose mit nachfolgender Dilatation des Magens giebt eine strikte Indikation zur Operation ab; welcher Art dieselbe ist Pyloroplastik oder Gastro- enterostomie richtet sich nach dem Befunde am Pylorus.

Schließlich können noch Verwachsungen die Operation indiciren. Als Opera- tion kommen dabei in Betracht Durchtrennung der Verwachsungen und gegebenen Falls die Resektion des Geschwürs oder die Gastroenterostomie.

Als typische Operationen kommen in Frage die Pylorodiosis, Pyloroplastik und Gastroenterostomie.

Von der ersteren, der Loreta’schen Operation, ist B. zurückgekommen. Er ‚sah einen Kranken nach derselben an septischer Peritonitis su Grunde gehen; es fand sich ein Risse im Pylorus, durch Überdehnung der Gewebe entstanden.

Pyloroplastik ist die gegebene Operation bei den Stenosen des Pylorus, welche dicht durch Verwachsungen und Verdiekung der Umgebung komplicirt sind.

Die wichtigste Rolle kommt der Gastroenterostomie zu. B. bevorzugt die Gastroenterostomia anterior unter Anwendung des Murphyknopfes. Der Knopf ist in keinem seiner Fälle abgegangen, doch ist daraus kein Schaden erwachsen. Beide Methoden geben gleich gute Resultate, wie die jüngsten Mittheilungen von Rob-

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son und Doyen darthun. Wichtig für den Erfolg ist der Zeitpunkt der Opers- tion, und B. vertritt den Standpunkt, nicht allsulange mit derselben zu warten.

George Heaton: Ob die Pyloroplastik oder Gastroenterostomie am Platze ist, lässt sich meist erat nach Eröffnung der Bauchhöhle feststellen. Derbe und ausgedehnte Verwachsungen mit der Umgebung kontraindieiren die Pyloroplastik. H. benutste in seinen Fällen die Gastroenterostomia anterior unter Auwendung des Murphyknopfes. Die Nachtheile, die dem letzteren anhaften, erachtet er für reichlich aufgehoben durch die Schnelligkeit, mit der unter Benutzung desselben die Operation ausgeführt werden kann. In unkomplieirten Fällen von Magen- geschwür verwirft H. die Operation, da dieselbe noch eine zu hohe Sterblichkeit hat. Als Indikationen betrachtet er

1) Pylorusstenose und daraus entstehende Magenerweiterung. 2) Ausgesprochene Invalidität des Kranken trotz medikamentöser Behandlung. 3) Schwere wiederholte Blutungen. 4) Sanduhrform des Magens.

Leonard A. Bidwell hat i4mal wegen Magengeschwürs und seiner Folge- zustände operirt; 8mal handelte es sich um eine Narbenstriktur des Pylorus, 2mal waren Verwachsungen die Ursache der Magenerweiterung, 4mal war nur ein Spasmus des Pylorus vorhanden. Die Pyloroplastik wurde 3mal, die Gastroentero- stomie 4mal, die Loreta’sche Operation Imal ausgeführt, 2mal wurde der Pylorus durch Einstülpung der Magenwand gedehnt, Imal wurden bestehende Verwach- sungen durchtrennt. Ein Pat. ging 5 Wochen nach der Operation zu Grunde in Folge von Erschöpfung.

Der Entschluss zur Operation hängt vielfach von den äußeren Umständen ab. Sind sie ungünstig, die Pflege mangelhaft, wird die Operation eher indicirt sein, als unter günstigen Verhältnissen, wo eine rationelle Diät vielfach zum Ziele führt.

Bei Pylorusstenosen geringeren Grades empfiehlt B. die einfache Dehnung mittels Einstülpung der Magenwand. Die Empfehlung, welche er der Pyloroplastik noch letzthin gegeben hat (Lancet 1900 April, Ref. Centralblatt für Chirurgie 1900 No. 24), glaubt B. in etwas einschränken zu müssen. Einmal trat nach ihr eine abermalige Kontraktur des Pylorus ein, die kaum für eine Sonde durchgängig war.

Die Gastroenterostomia post., die B. in seinen ersten Fällen sur Anwendung brachte, hat er verlassen und in seinen letzten 8 Fällen eine vordere Magen- Darmfistel angelegt. Er lässt seine Kranken möglichst früh aufsitzen, um den Rückfluss des Darminhaltes zu verhindern. Zur Vereinigung des Magens und Darmes benutzt er stets die Naht in der Form, wie sie von Halsted angegeben ist. Da der Murphyknopf meist in den Magen gelangt, so verwirft B. dessen An- wendung, weil durch Anwesenheit desselben im Magen eine weitere Reisung des Geschwürs eintreten könnte.

Sinelair White sieht die Gastroenterostomie als die typische Operation bei Magengeschwür an, da sie sich allemal im gesunden Gewebe ausführen lässt. Die Pyloroplastik kommt nur bei schmalen, ringförmigen Strikturen in Betracht. W. übt die Gastroenterostomia ant. im Allgemeinen durch Naht, nur bei herunter- gekommenen Individuen mit Murphyknopf.

Morton giebt einen kasuistischen Beitrag, der den Werth der Gastroentero- stomie bei Magengeschwür illustrirt.

Rutherford Morison tritt für eine weitergehende Anwendung der Pyloro- plastik ein, da bei der Gastroenterostomie allemal die Rückstauung des Darm- inhalt zu befürchten sei, sowohl bei der vorderen wie der hinteren Methode.

M. hat sich dadurch bewogen gefühlt, selbst eine Methode zu ersinnen, welche im Wesentlichen der Y-förmigen Methode von Wölfler entspricht, nur dass die beiden Darmstümpfe vernäht werden und die Implantation seitlich erfolgt. Das Verfehren ergab jedoch eine zu hohe Mortalität (4 + auf 8).

Paul Bush räth, die einfache Dehnung des Pylorus zu verlassen. Er be- vorzugt die Gastroenterostomia post.

Gentralblatt für Chirurgie. No. 8. 235

Parry hat 2mal die Pylorusresektion bei Geschwür und Stenose ausgeführt. Beide Kranke genasen. P. glaubt, dass diese Operation auch eine Rolle zu spielen berufen ist.

George Bagot Ferguson: An operation for perforated gastric ulcer.

F. hat bei einem 25jährigen Mädchen 3 Stunden nach erfolgter Perforation eines Magengeschwürs operirt. Die Perforation saß an der hinteren Magenwand nahe der Cardia. Das Loch wurde vernäht. Pat. genas.

George Thos. Beatson: The treatment of cancer of the breast by oophorectomy and thyroid extract.

B. führt einige Fälle auf, in denen bei inoperablem Brustkrebs die Exstirpa- tion der Ovarien vorgenommen und dann Thyreoidextrakt gegeben wurde. Der Erfolg war ein guter in so fern, als eine bedeutende Besserung zu verzeichnen war, die ursprüngliche Geschwulst nahm an Umfang ah, die Drüsenpackete schwan- den. B. hält es für zweifellos, dass irgend eine Beziehung zwischen Krebsent- wicklung und der Funktion der Eierstöcke besteht und zieht andererseits daraus den weiteren Schluss, dass die parasitäre Theorie der Carcinomentwicklung nicht richtig ist.

B. besprieht dann die Grensen, innerhalb deren die Behandlung in Anwen- dung gezogen werden kann. Werthlos ist dieselbe bei bestehenden inneren Metastasen.

Schließlich wirft er die Frage auf, ob die bisherigen Erfahrungen dazu an- gethan sind, die Oophorektomie bei der Behandlung des Brustkrebses als primäres Verfahren entweder für sich allein oder in Verbindung mit den üblichen Opera- tionen anzunehmen.

Barling beantwortet die letzte Frage mit nein. Er kann den Beweis noch nieht für erbracht ansehen, dass die Ovarien einen Einfluss auf den Brustkrebs ausüben. Möglicherweise spielt bei den Erfolgen der Oophorektomie der Um- stand eine Rolle, dass die Gewebe nach derselben eine vermehrte Resistenz auf- weisen.

Chicken befürwortet die Exstirpation der Ovarien auch als primäres Ver- fahren und will ‘dasselbe nicht allein bei den inoperablen Fällen angewendet wissen.

McAdam Eccles glaubt, dass die Entfernung der Eierstöcke vor der Menopause einen größeren Einfluss aueübe, als wenn dieselbe später vorgenom- men werde.

Harold Stiles will die Oophorektomie als berechtigte Operation anerkennen. Dieselbe soll auch in operablen Fällen in Anwendung gezogen werden als Unter- stützung der gewöbnlichen Maßnahmen.

Morison hat eine Pat. mit Brustkrebs operirt, bei der 25 Jahre zuvor beide Ovarien entfernt worden sind. Eine andere Kranke, bei der 5 Jahre vorher die Eierstöcke wegen Geschwulstbildung herausgenommen sind, ging an Brustkrebs su Grunde. Solche Fälle sprächen doch gegen die Auffassung Beatson’s.

Beatson kann in diesen Fällen keinen Widerspruch gegen seine Ansicht er- blieken. Der erste Fall sei zu unklar und beim zweiten sei möglicherweise schon in den entfernten Ovarien ein Krebs vorhanden gewesen.

James Rankin: Amputation of leg for senile gangrene.

Erfolgreiche Exartikulation im Kniegelenk bei einem 72jährigen Manne, bei dem Brand des Fußes aufgetreten war. Der Stumpf war gut, Pat. konnte ihn mit seinem Körpergewichte belasten.

Rutherford Morison: Notes on the after-history of a series of cases of pyloroplasty for pyloric stricture and ulcer.

M. giebt eine Übersicht über seine ersten 20 Fälle von Pyloroplastik. Der älteste derselben ist 6 Jahre und 8 Monate, der jüngste 2 Jahre alt. 14 der

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Kranken sind völlig geheilt und im Stande, gewöhnliche Nahrung zu nehmen; über einen konnte nichts Weiteres in Erfahrung gebracht werden, 2 sind todt, 3 sehr gebessert, haben aber hier und da noch Magenbeschwerden.

Der eine der Gestorbenen ging an Magenkrebs 6 Monate nach der Operation su Grunde, der andere an Lungenschwindsucht 2 Jahre und 3 Monate nach der Operation. Von Seiten des Magens hatte derselbe keine Beschwerden gehabt.

Ernest Herman: Oophorectomy in mammary cancer.

H. theilt 8 einschlägige Fälle mit, welche theilweise schon früher publicirt sind. Von diesen ist einer (Lancet 1898, Juni 11), bei welchem die Oophorektomie im März 1897 ausgeführt worden ist, noch am Leben und angeblich frei von Krebs. Bei 2 Kranken soll die Operation das Leben um 18 Monate, bei einer weiteren um 10 Monate verlängert haben. In 2 Fällen, von welchen einer plötzlich an einer Darmocclusion zu Grunde ging (Darmcareinom?), sollen die Knoten in der Mamma kleiner und weicher geworden sein. Bei einer Kranken war kein Einfluss der Operation zu konstatiren, und in einem Falle wurde der Verlauf der Erkrankung nur unbedeutend verzögert.

A discussion on injuries to joints with special reference to their immediate and remote treatment by massage and movement.

Howard Marsh verbreitet sich über die pysiologische Wirkung der Mas- sage so wie die Anwendung von Bewegungen, passiven und Widerstandsbewegungen bei Gelenkaffektionen. Er betont, dass diese Behandlungsmethoden nicht kritik- los zur Anwendung gelangen dürfen, vielmehr eine genaue Indikationsstellung er- fordern. Erste Grundbedingung dafür ist eine möglichst exakte Diagnose, nament- lich in Hinsicht darauf, dass nicht entzündliche Vorgänge innerhalb des Gelenks eine Rolle spielen, welche durch Anwendung der Massage eine Verschlimmerung erleiden können. Ihre hauptsächlichste Anwendung findet die Massage bei Kon- tusionen vorher gesunder Gelenke. Wenn die Schwellung geschwunden, soll ein- gehend darauf geachtet werden, ob nicht eine schwerere Störung, z. B. eine Ver- lagerung des Zwischenknorpels am Kniegelenk zu entdecken ist. Dessgleichen ist Massage und die Anwendung allmählich immer größere Exkursionen annehmender passiver Bewegungen am Platze bei der Nachbehandlung von Verrenkungen. Das Gelenk wird nur für einige Tage ruhig gestellt und dann mit der weiteren Be- handlung begonnen.

Die meisten leichteren Gelenkverletzungen heilen rasch aus; verzögert sich die Heilung, dann bieten Massage und Bewegungen des Gelenks in ihren ver- schiedenen Formen gute Mittel zur Beschleunigung der Heilung. Kommt es zu gröberen Störungen der Gelenksfunktion, so ist vor allen Dingen festzustellen, ob es sich nur um eine Adhäsionsbildung handelt, oder ob andere Processe Platz ge- griffen haben. Namentlich kommt Tuberkulose, Sarkom und Hämophilie in Frage. Dieselben bilden selbstredend eine Kontraindikation gegen die aktive Behandlung. Bei diesen Processen ist auch das Gelenk vollständig steif, wenigstens sind auch die geringsten Bewegungen mit Schmerzen verbunden, während bei Verwachsungen oftmals eine geringe schmerzlose aktive Beweglichkeit festzustellen ist. Aber auch die Verwachsung kann zu intensiven Schmerzen so wie Muskelatrophie Anlass geben. Handelt es sich um sie, so soll man sie zerstören, am besten in Narkose. Manchmal, in leichteren Fällen, ist damit die Sache erledigt, das Gelenk wieder funktionsfähig; in schwereren Fällen führt eine methodische Nachbehandlung mittels Massage und passiven Bewegungen zum Ziele.

Whitelocke hat in Oxford häufig Gelegenheit, Gelenkverletzungen bei jungen Leuten zu beobachten. Das befallene Gelenk wird mit einer dünnen Lage Watte bedeckt und mit einem elastischen Verbande umwickelt, der 12 Stunden liegen bleibt; dann wird mit Massage und leichten passiven Bewegungen begonnen. Der Verband wird regelmäßig erneuert, bis der Erguss geschwunden ist, was durch- schnittlich nach 7 Tagen der Fall. Nach 10—14 Tagen wird mit aktiven Übungen begonnen. Nach 3 Wochen ist das Gelenk wieder völlig gebrauchsfähig, nur wird es bei gymnastischen Übungen mit einer Schutzbandage versehen.

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Burghard weist der Massage bei Behandlung der Schulterverrenkung einen hervorragenden Platz zu, namentlich bei älteren Individuen, bei denen eine Ver- steifung des Gelenks sehr leicht eintrete. Er beginnt desshalb mit der Massage unmittelbar nach der Einrenkung; dieselbe wird täglich angewendet. Wenn nöthig, wird wöchentlich einmal in Narkose eine ausgiebige Bewegung des Gelenks vor- genommen.

Ward Cousins sieht es als eine erste Aufgabe bei der Behandlung der Ge- lenkkontusionen an, eine Infektion zu verhüten, wozu die geschädigten Gewebe sehr disponirt sind. Er desinficirt desshalb die ganze Umgebung, stellt das Gelenk für einige Tage ruhig und beginnt dann mit Massage und passiven Bewegungen. Die Massage erstreckt sich fürs erste auf die umgebenden Weichtheile und greift erst später das Gelenk selbst an. Das Gelenk soll jedenfalls nicht zu lange ruhig gestellt werden. Bei eingetretener Versteifung macht C. das Gelenk völlig mobil und lässt dasselbe dann sofort gebrauchen.

Gilbert Barling behandelt seine Gelenkkontusionen eben so wie White- locke, erachtet aber die Heilungsdauer für höher, als dieser sie angiebt.

Paul Bush glaubt auch, dass 3 Wochen für die Heilung einer erheblichen Gelenkkontusion nicht ausreichen.

Morison warnt davor, mit Anwendung der Massage und passiven Bewe- gungen zu weit zu gehen. Er könne sich nicht vorstellen, wie bei Zerreißung von Gelenkbändern diese Behandlung einen besonderen Nutzen stiften könne.

F. F. Burghard: The treatment non operative and operative of congenital dislocation of the hip.

B. bespricht die bei der angeborenen Hüftverrenkung in Betracht kommenden pathologischen Verhältnisse, bei deren Darstellung er sich im Wesentlichen an die Schilderung Hoffa’s anschließt. Dann werden die einzelnen zur Heilung bezw. Besserung des Leidens zu Gebote stehenden Methoden erörtert. Die Lorenz- sche Einrenkung ergab unter 10 Fällen nur einmal einen vollen Erfolg, in den übrigen 9 kam nur eine Transposition zu Stande. In 2 Fällen hat B. die Methode von Paci in Anwendung gezogen. In beiden hat sich das anfänglich gute Re- sultat bedeutend verschlechtert, und B. hegt die Befürchtung, dass das bei den mit der Methode Lorens erzielten Transpositionen ebenfalls der Fall sein könne. Die blutige Operation von Hoffa hat B. nur einmal ausgeführt, doch sah er da- nach einen sehr beträchtlichen Grad von Versteifung des Gelenks auftreten, fast eine võllige Ankylose. 5mal hat B. die Operation von Lane angewendet, Anlegung eines neuen Gelenks unterhalb der Spina ant. inf. Die Operation ist sehr ein- greifend. Der Erfolg war in keinem der Fälle zufriedenstellend. B. hat dann im letzten Jahre die Operation modificirt.

In einer vorbereitenden Sitzung werden alle sich anspannenden Gewebe, Ad- duktoren, Sehnen entweder subkutan durchschnitten oder so weit gedehnt, bis der Troehanter ohne Mühe bis zur Nölaton’schen Linie herunter geholt werden und die Adduktion mindestens bis 90° erfolgen kann. Sodann wird ein Schnitt ge- führt lateralwärts von der Spina ant. beginnend, leicht nach vorn und unten ver- laufend, parallel dem vorderen Rande des Tensor fasciae latae. Am oberen Ende verläuft der Schnitt etwas bogenförmig nach rückwärts, entlang der Crista ossis ilei. Der Tensor fasciae latae und die tiefe Fascie wurden von ihrem Ansatze am Becken abgelöst und die Muskulatur aus einander gedrängt, bis die Vorder- fläche des Gelenks frei liegt. Der Oberschenkel wird nach außen rotirt und die Gelenkkapsel incidirt parallel der Linea intertrochanterica anterior. Die Sehne des M. ileo-psoas wird vom kleinen Trochanter abgelöst, der Oberschenkelkopf vor- gewälst. Mittels Raspatoriums wird der Ansatz der Gelenkkapsel mit sammt In- sertion des M. rectus femoris von der Gelenkpfanne abgelöst, bis der Zugang frei Ist. Unter Zubilfenahme der Lorenz’schen Manöver glitt der Kopf in die Pfanne. Der Oberschenkel nahm dann von selbst die Stellung ein, die Lorenz vorschreibt, Abduktion, Außenrotation und leichte Flexion.

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So lange die Lage beibehalten wurde, trat keine Reluxation ein. Eine Ver- tiefung der Pfanne war nicht erforderlich. Der überflüssige Theil der vorderen Kapselwand wurde entfernt, die Wundränder mittels Katgut vernäht. Naht der tieferen Weichtheilschichten mittels Katgut. Schluss der äußeren Hautwunde. Mit- tels zweier Gipsschienen, von welehen die hintere das Becken und die hinteren 2 Drittel des Oberschenkels umfasste und die vordere abgenommen werden konnte, wurde der Oberschenkel in der erforderlichen Lage fixirt. Nach 1 Monat wird die Abduktion verringert, nach 6 Monaten können Verbände völlig weggelassen werden.

B. hat mit dieser Methode 5 Fälle mit gutem Erfolg behandelt. Seine Grund- sätze für die Behandlung der angeborenen Hüftverrenkung lauten:

1) Bei Kindern unter 2 Jahren, die noch keine völlige Kontrolle über Blase und Mastdarm besitzen, ist jede aktive Behandlung zu verwerfen. Massage und passive Bewegungen, namentlich im Sinne der Abduktion und Extension, sollen geübt, Nachts Extension durch Gewicht oder Apparat angewendet werden.

2) Zwischen dem 2. und 5. Lebensjahre wird zunächst ein Versuch mit der Lorens’schen Einrenkungsmethode gemacht. Eine Überwachung des Resultats mittels Skiaskopie ist erforderlich. Ist nach 2 oder 3maligen kurz nach einander folgenden Einrenkungsversuchen kein tadelloses Resultat zu erzielen, ist blutig vorzugehen.

3) Wenn bei Kindern von 5—6 Jahren ein Einrenkungsversuch nicht zum Ziele führt, blutiger Eingriff, alles Übrige ist Zeitvergeudung.

4) Nach dem 7. Lebensjahre will B. überhaupt nicht mehr operiren, sondern nur mehr die Apparatbehandlung in Anwendung ziehen, um den Gang zu ver- bessern.

Eliza Walker Dunbar: Reduction of long standing dislocations.

1 Fall von Subluxation des rechten Femur, ein anderer von Subluxation der rechten Synchondrosis sacro-iliaca, in welchen die Reduktion 6 Monate später ohne besondere Schwierigkeiten gelang.

R. H. Anglin Whitelocke: Case of hydatid cyst in the right pleura successfully treated by operation.

Eine 28jährige Frau erkrankt mit Schwäche- und Krankheitsgefühl und Schmerzen im Rücken. Allmählich bildete sich über dem 8. rechten Interkostel- raum eine Schwellung, die sur Größe einer Orange anwuchs. Über dem unteren Drittel der rechten Lunge hinten bestand Dämpfung, Aufhebung des Pectoralfremitus und des Athemgeräusches. Die Temperatur war leicht erhöht, so dass an ein Empyen gedacht wurde. Bei der Operation Rippenresektion stieß man auf eine Cyste, die einen strohgelben Inhalt und eine große Reihe von Blasen ent- leerte. Eine Kommunikation mit Lunge oder Leber, die übrigens nicht vergrößert war, nicht nachzuweisen. Die Muttercyste war mit der Lunge fest verwachsen, so dass es nur gelang einzelne Stücke zu entfernen. Im weiteren Verlaufe die Höhle wurde jedes Mal mit'steriler Gase ausgestopft entleerten sich noch einige Male eine Reihe von Tochterblasen. Die Wundhöhle schloss sich bis auf eine Fistel, die noch lange secernirte. Ein weiterer operativer Eingriff wurde abge- lehnt. Schließlich stieß sich die Mutterblase ab, und die Fistel schloss sich.

E. Mansel Sympson: A case of suprapubic lithotomy for vesical calculus weighing 200 grains in a boy aged 11 years. Kurse Mittheilung des betr. Falles.

George Heaton: A case of partial excision of the panoreas for multilocular cystic tumor.

Die Operation wurde ausgeführt wegen einer Geschwulst in der linken Seite der Bauchhöhle, die anfänglich für eine Nierengeschwulst gehalten wurde. Bei Freilegung der Niere erwies sich diese indessen als gesund; darauf Laparotomie. Es fand sich eine cystische Geschwulst hinter dem Magen, ausgehend vom Körper des Pankreas. Dieses wurde sum größten Theile entfernt, nur der Kopf blieb

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stehen. Anfänglich war Pat. stark collabirt, erholte sich aber rasch. Die Heilung ging anstandslos von statten. Irgend welche Einwirkung auf Verdauung und Zuckerausscheidung durch den Harn hat die Operation nicht gehabt.

Weiss (Düsseldorf).

13} P. A. Preobrashenski. Ein Fall von Tetanus bulbaris mit Autopsie. (Medicinskoje Obosrenje 1901. August. [Russisch.))

51 Jahre alte Frau, Trinkerin, verwundete vor einigen Tagen beim Fallen das untere linke Augenlid in der Nähe des lateralen Augenwinkels an einem Nagel. Die Wunde heilte bald; doch seit 3 Tagen Trismus, Krämpfe in den Gesichts- muskeln, Respirationserschwerung. Status praesens: Trismus, tonische Krämpfe im Gebiet beider Facialisnerven; Krampf der Augenmuskeln (Augen geschlossen; Pupillen eng, reagiren nicht ; Retraktion der Augäpfel. Von Zeit su Zeit kloni- sche Krämpfe, die auch die Rachen- und Kehlkopfmuskulatur betreffen, Krämpfe der Lippenmuskeln, Mund fest geschlossen, Cyanose; Neigung zu Opisthotonus. Hals, Hände und Füße fast frei. Im Harn viel Albumen. Morphium, Tetanus- antitoxin; Tod nach 37 Stunden. Die Sektion zeigte in den Zellen des verlängerten und Rückenmarks Veränderungen, ähnlich denjenigen bei typischem Tetanus Kopfhirn wenig betroffen. Facialisparese fehlte vollständig, ist also beim bulbären’ Tetanus ein nicht nothwendiges Symptom. P. sieht daher die Benennung Tetanus bulbaris dem Terminus Tetanus facialis vor. MWückel (Medwedowka, Kijew).

15) @. Blumer and A. MacFarlane. An epidemic of noma; report of sixteen cases. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. November.)

In dem Waisenhaus zu Albany brach im April 1900 eine Masernepidemie aus, die von 450 Zöglingen 173 befiel und einen schweren Charakter zeigte. 16 von den erkrankten Kindern bekamen Noma, und zwar 5 zusammen mit Pneumonie, 11 obne Komplikationen; erstere starben alle, von letzteren nur 2, eins mit Noma des Mundes, eins mit solcher des Mastdarms.

Von den 16 Fällen war der Mund allein 4mal befallen, der Mund und andere Theile, Ohr und Vulva, in 3 Fällen, die Vulva allein 2mal, mit anderen Theilen 'mal, der Mastdarm allein 3mal, mit anderen Theilen 5mal. Das Alter der Kinder schwankte zwischen 3—12 Jahren.

Während nach der Schilderung der Verff. prädisponirende Momente, wie un- genügende Ernährung, feuchte Wohnräume und Mangel an Reinlichkeit in der Anstalt sich mit Sicherheit ausschließen ließen, war es auffallend, dass bis auf 2 Fälle alle in der Mädchenabtheilung vorkamen, und dass die beiden erkrankten Knaben in der Krankenabtheilung der Anstalt lagen, wo Fälle von Noma be- handelt wurden; eben so wurde es bemerkt, dass nach Isolirung der Erkrankten keine weiteren Fälle mehr vorkamen.

Die Behandlung bestand in Stimulantien: Alkohol, Eisen, Chinin, Strychnin, Nitroglycerin und koncentrirter Nahrung. Lokal kamen in Anwendung häufige Duschen mit 50.xiger (?) Borsäurelösung, Wasserstoffsuperoxyd und feuchte Dauer- verbinde. Wo die Zerstörung noch nicht zu weit vorgeschritten war, schien die sorgfältige Kauterisation mit dem Paquelin das Fortschreiten der Gangrän auf- subalten, 4mal gelang dies so vollkommen, dass die Fälle, als zweifelhaft hin- sichtlich der Diagnose, nicht mitgerechnet wurden.

Bakteriologisch untersucht wurden 9 Fälle, und zwar auf Deckglaspräparaten und a&roben so wie anaeroben Kulturen auf Blutserum, Agar und Bouillon. Stets wurde auf den Deckglaspräparaten ein Orgarismus gefunden, der die Form einer Leptothrix hatte, 11/2 u breit und 5—20 oder mehr u lang war, in den kurzen Exemplaren gerade, in den längeren gekrümmt oder wellig. Er färbte sich schwach mit Gentianaviolett, gut mit Karbolfuchsin, entfärbte sich nicht nach Gram und

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zeigte keine Verästelung. Bei fortgeschrittenen Fällen verschwand er unter der Menge der verschiedensten Bakterien. Eine Kultivirung des Organismus gelang nicht.

Es handelt sich wohl sicher um denselben Organismus, den Perthes schon 1899 auf dem Chirurgenkongress beschrieben und neuerdings auch in China bei einer Anzahl Nomakranker gefundeu hat. Auch sein schon damals gegebener Rath, das erkrankte Gewebe ausgiebig mit dem Paquelin zu zerstören, hat sich offenbar bei dieser Epidemie gut bewährt. (Ref.) RB. v. Hippel (Kassel).

16) G. T. Vaughan. Three noteworthy cases of brain injury. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. November.)

Referat über die ersten 2 Fälle:

1) 18jähriger Pat., hatte unmittelbar vor der Aufnahme einen Schlag mit einem Knüttel über den Kopf bekommen und war zusammengebrochen. Mit fremder Hilfe wieder auf die Füße gekommen, ging er eine kurze Strecke, fiel dann um und wurde bewusstlos.

Befund: Tiefe Bewusstlosigkeit, schwere, manchmal seufzende Athmung. Pu- pillen dilatirt und starr; Puls 60, voll; klonische Zuckungen im rechten Arm und Bein, manchmal auch im linken Arm, mit Neigung, das Gesicht nach links zu drehen. Kleine Quetschwunde der Kopfhaut, nicht bis zum Knochen dringend, dieht über dem linken Ohr. Diagnose: Cerebrale Blutung.

Sofort Operation ohne Anästheticum. Großer Hautlappen mit unterer Basis auf der linken Seite; Schädel erscheint unverletzt. 10 cm große Öffnung über der Rolando’schen Furche angelegt, in welche sich die unverletzte, aber gespannte und pulslose Dura vorwölbt. Nach Incision tritt ein orangegroßes Blutgerinnsel aus, eine stark blutende Arterie an der Hirnoberfläche wird unterbunden, der linke Seitenventrikel ohne Ergebnis punktirt. Der einzige Erfolg der Operation war eine Verminderung der Konvulsionen und Verengerung der Pupillen. Tod nach 2 Stunden. Obduktion ergiebt zahlreiche kleine Blutungen in beiden Hemi- sphären.

Besonders bemerkenswerth ist in diesem Falle die hochgradige Hirnläsion ohne Verletzung des Schädels oder der Dura. |

2) 20jährige Pat., die eine nicht genau bekannte Gewalteinwirkung gegen die Stirn erlitten hatte. Kurze Zeit bewusstlos, kam sie bei vollem Bewusstsein ins Krankenhaus mit starkem Nasenbluten. Beide Augen durch die Schwellung ge- schlossen, fast das ganze Stirnbein 1—2 cm tief deprimirt.

Operation 3 Stunden nach der Verletzung. Schnitt quer über den Kopf an der Haargrenze von einer Schläfe zur anderen; Herunterklappen des vorderen Lappens. Die Frakturlinie verläuft von den Nasenbeinen durch den rechten Margo supraorbitalis nach oben außen, dann quer durch das Stirnbein 21/3 cm vor der Kranznaht nach der anderen Seite des Kopfes; dann ab- und vorwärts nach der rechten Fossa temporalis, gerade hinter dem äußeren Processus angularis des Stirnbeins. 2 andere Bruchlinien, jede auf einer Seite, gehen von dieser ersten aus in Richtung nach hinten durch das Stirnbein in die Scheitelbeine hinein; ihr Ende ist nicht abzusehen. Die Scheitelbeine sind frei beweglich, aber nicht dis- loeirt. Der innerhalb der Bruchlinien gelegene Theil des Stirnbeins ist tief de- primirt; er wird gehoben bis zur Anlagerung der Knochenränder und die Haut- wunde ohne Drainage mit Silkwormgutfäden geschlossen. Heilung in 2 Wochen.

Befund 1 Jahr 10 Monate später: Pat. kann arbeiten, hat aber alle 2—3 Monate nervöse Zufälle, mit geistiger Depression, Reizbarkeit, Kopfschmerz und Schlaf- losigkeit, 2—8 Tage dauernd. Die körperliche Entstellung ist gering, Geruchsinn aufgehoben. R. v. Hippel (Kassel).

17) P. J. Schatilow. Ein Fall von Krebs des Gefäßplexus im vierten Hirnventrikel. (Klinisches Journal 1901. Juni. [Russisch.)) Frau von 32 Jahren, Krankheitsdauer 4 Jahre. Hauptsymptome: Kopfschmerzen und Schwindel, Erbrechen, Verstopfung, verlangsamter Puls, Ataxie, Zittern in

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Rumpf und Füßen, gewaltsame Bewegungen, zuweilen Opisthotonus, Herabsetzung des Intellekts, Apathie, Somnolenz, Sprachstörungen, Gedächtnisschwäche und Reflexsteigerung. Bei der Sektion fand man eine walnussgroße Geschwulst, ziegel- roth im Centrum und gelblichweiß in der Peripherie; sie saß in der hinteren Hälfte des Kleinhirns, im unteren Wurmfortsatz; die Ventrikel dilatirt. Aus- gangspunkt der rechte mediale Plexus.

Der Fall ist der 5. in der Litteratur. Gückel (Medwedowka, Kijew).

18) A. Catterina (Camerino). Studio clinico e anatomo-patologico di un emangiosarcoma periteliale (cilindroma) del velo pendolo. (Policlinico 1901.)

Sjjähriger Mann bemerkt vor 5 Jahren zufällig eine nussgroße, harte Ge- sehwulst links am weichen Gaumen. Eine Punktion ergiebt Blut. Nach 3 Jahren war die Geschwulst ohne jede Beschwerde so groß geworden, dass sie hinter der Zunge verschwand. Seit einem Jahre schwierigeres Schlucken größerer Bissen, nasale Sprache. Keine Exulceration, keine Drüsenschwellung. Exstirpation ohne wesentliche Blutung, glatte Heilung. Die (ausführlich erörterte) histologische Untersuchung ergab ein Haemangiosarcoma peritheliale mit hyaliner Degeneration (typisches Cylindrom). Der Fall schließt sich den 5 von Eisenmenger susam- mengestellten an. J. Sternberg (Wien).

19) M. Borchardt. Symptomatologie und Therapie der Halsrippen. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 51.)

B. bespricht unter Wiedergabe der Krankengeschichten von 4 in der v. Berg- mann’schen Klinik operirten Fällen von Halsrippen II. Grades Symptomatologie und Therapie der Anomalie. In einem Falle, bei einer 35jährigen Pat., wurden Störungen beobachtet, die bisher in der Litteratur nicht beschrieben wurden. Es fand sich 1) Recurrenslähmung, 2) Herabsetzung der Sensibilität auf einer ganzen Körperseite bei streng auf den Plexus lokalisirten subjektiven Beschwerden, 3: Gaumensegelparese. Diese Erscheinungen fasst B. als Symptome einer gleich- seitig bestehenden Gliosis bulbo-spinalis, und zwar jener selteneren Form von Syringomyelie auf, bei der halbseitig das ganse Rückenmark erkrankt.

Die operative Entfernung der Halsrippe brachte nur geringe Besserung; Par- ästhesien, Heiserkeit, Druckgefühl im Halse blieben unverändert. Dadurch wurde der Beweis erbracht, dass die Reourrenslähmung nicht durch Druck hervorgerufen war, sondern dass sie als bulbäres Symptom aufzufassen ist. B. urtheilt am Schluss seiner Arbeit: > Die Halsrippen machen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle keine Beschwerden. Wenn aber Erscheinungen auftreten, so sind es:

1) Cirkulationsstörungen durch ihre Nachbarschaft zur Subeclavia; in diesen Fällen soll man nur operiren, wenn etwa ein Subclaviaaneurysma dem Pat. sehr lästig, oder wenn es durch dauernde Größenzunahme eine Lebensgefahr involvirt.

Die Halsrippen machen 2) Plexussymptome; dies sind die für einen chirur- gischen Eingriff dankbarsten und geeignetsten Fälle. Wenn in 1—2 Monaten mit elektrischer Behandlung keine Besserung zu erzielen ist, dann soll man operiren, womöglich ehe sich Atrophien entwickelt haben.

3) Halsrippen kommen kombinirt mit anderen Nervenkrankheiten vor, vor allen Dingen mit Syringomyelie.

Reeurrenslähmung und Sensibilitätsstörungen, die sich nicht auf das vom Plexus brachialis versorgte Gebiet beschränken, müssen den Verdacht erregen, dass andere Nervenerkrankungen vorliegen.

Desshalb ist stets das gesammte Nervensystem zu untersuchen. In diesen ver- sweifelten Fällen darf man dann eine Operation versuchen, wenn, wie bei unserer Pat., die Plexussymptome die für den Kranken quälendsten sind. «

In allen 4 Fällen wurde ein 10—15 om langer Schnitt zwischen dem hinteren Rande des Sterno-cleido-mastoideus und vorderen Rande des Cuoullaris ausgeführt, und soll dieser vor dem Querschnitt den Vorzug der besseren Zugänglichkeit haben.

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In 3 Fällen wurde das Periost mit entfernt, in einem Falle subperiostal resecirt, ohne dass sich aber die Rippe regenerirt hätte. Langemak (Rostock).

20) M. Gusmitte (Lucca). Casi e considerazioni di chirurgia dei traumatismi spinali. (Clinica chir. 1901. No. 2, 5, 6, 8.)

Ausführlicher Bericht über 13 Fälle von Wirbelsäulenverletzung aus der Klinik Guarneri’s in den letzten 5 Jahren.

Die wichtigeren seien hier angeführt:

1) 36jähriger Mann, Schusswunde im Rücken, am linken Schulterblattwinkel. Paraplegie, Blasen- und Mastdarmkrampf (Retention). Anästhesie und Muskel- erschlaffung vom 2. Lendenwirbel abwärts. Operation (am 5. Tage): Cocainanästhesie, langer Schnitt über die Dornfortsätze, Bloßlegung der Knochen. Der Dorn des 12. Brustwirbels durchbohrt, der Bogen (links) frakturirt, das Geschoss im Wirbel- kanal; das Mark unverletzt. Tod nach 40 Tagen. Nervenstatus unverändert.

2) 26jähriger Mann. Fraktur des 4. und 5. Brustwirbels durch Sturz aus 10 m Höhe. Empfindliche Vorwölbung am 4.—5. Brustdorn, Paraplegie, Anāsthesie vom 7. Brustwirbel bis Schwertfortsatz abwärts für alle Qualitäten, alle Reflexe erloschen; Retentionen; Decubitus. Operation (am 5. Tage): Chloräthyl-Cocainanästhesie. Längsschnitt. Laminektomie des 3.—5. Wirbels. Eröffnung der blutunterlaufenen Meningen. Naht. Tags darauf Cremasterreflex, dann tiefe Sensibilität wieder hergestellt, der Decubitus heilt, sonst unverändert. 2mal wird ein seröses Pleura- exsudat punktirt. In diesem Zustande Tod nach 9 Monaten.

3) 49jähriger Mann. Sturz 4 m tief, Fraktur des 5. Brustwirbels. Empfind- liche Vorwölbung vom 9.—11. Brustdorn, Paraplegie, Anästhesie vom 1. Lenden- wirbel bis Nabel abwärts für alle Qualitäten; alle Reflexe erloschen, Blasen-Mast- darmlähmung; Decubitus. Operation (am 25. Tage): Cocainanästhesie; langer Medianschnitt, EntblößBung des 9.—il. Brustdorns und der Wirbelbogen obne pathologischen Befund. Verlängerung des Schnittes nach aufwärts. Absuchen der ganzen Reihe, bis endlich ein Bruch des Dornes und rechten Bogens des 5. Wir bels gefunden wird. Nach Eröffnung des Kanals und der Meningen auf 5 cm Länge wird die Integrität des Markes konstatirt. Hierauf Resektion der Wirbel- bogen bis zum il. herab (7 an der Zahl). Dort ist das Mark weicher und ge- quollen. Der Liquor zäh, blutig, enthält Neurogliadetritus. Naht. Nach 6 Tagen die Sensibilität schwach angedeutet. Dieser Zustand auch später (wann?) unver- ändert.

4) 37jähriger Mann, Quetschung des ganzen Körpers unter einem fahrenden Lokomobil. Schlüsselbeinbruch rechts. Vorwölbung um den 1.—3. Lendendorn. Reflex vom Cremaster abwärts erloschen, Paralyse des linken Beines, Hypomoti- lität rechts; Sensibilität rechts erhalten, links nur am Oberschenkel. Blasen- und Mastdarmlähmung. Operation (am 3, Tage): Chloroformnarkose. Schnitt auf die Lendendorne, Entfernung der Bogen des 2, und 3. Wirbels. Eine geringe Menge Blutes entleert sich nach medianer Eröffnung der Meningealhöhle unter Druck (con impeto), so dass Kompression angenommen werden kann. Das Mark anschei- nend unversehrt. Naht. Nach 14 Tagen eine geringere Besserung der Sensibilität links, nach einem Monat die Sensibilität unverändert, die Motilität links erwacht, eben so die spontane Blasenentleerung. Nach 2 Jahren: Geht mit Krücken, Sen- eibilität beider unteren Extremitäten sehr gering. Blasen- und Mastdarmfunktionen normal. Hat indessen einen Sohn gezeugt.

5) 28jähriges Mädchen. Sturz aus dem 2. Stockwerk (Psychose). Empfindliche Vorwölbung am 12. Brust- und 1. Lendendorn, Paraplegie, Sensibilitätsprüfung ungenau, doch scheint bis zum Trochanter beiderseits Anästhesie zu sein. Patellar- reflex gesteigert, Fußklonus; Blasen- und Mastdarmlähmung. Operation (am 3. Tage): Chloroformnarkose, 15 om langer Schnitt über die Dornfortsätze; die ab- gebrochenen Dorne des 12. Brust- und 1. Lendenwirbels, so wie die gebrochenen Bogen werden entfernt, die Dura ist unter den Fragmenten zerrissen, subdursles

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Extravagat, das Mark unversehrt. Naht. Allmählich Besserung der Sensibilität und Erwachen der Motilität, so dass die Pat. derzeit (nach ca. 11/3 Jahre) voll- kommen geheilt ist, schnell geht, alle Sensibilitätsqualitäten normal zeigt.

6) 35jähriger Mann wird überfahren; außer verschiedenen Rissquetschwunden eine große Suffusion um den 1. Lendenwirbel mit lebhaften Schmerzen daselbst; Knochensplitter unter der Haut tastbar und krepitirend. Paraplegie, die Sensi- bilität vorn nur am rechten Oberschenkel erhalten, hinten nicht exakt bestimmt. Blasen- und Mastdarmlähmung. Operation (am 2. Tage): Chloroformnarkose; Medianschnitt vom 8. Brustdorn bis ans Kreuzbein. Der 1. und 2. Lendendorn werden leicht sammt den entsprechenden Bogentheilen entfernt. Nach Eröffnung der Dura finden sich die Nerven der Cauda equina theils gequetscht, theils ser- rissen. Reinigung so weit als möglich (una possibile toilette), Naht. Nach einigen Tagen Besserung der Motilität und Sensibilität am rechten Beine; links unver- ändert; nach 3 Monaten ist das rechte Bein aktiv beweglich, das linke paralytisch, die Sensibilität ist rechts normal, links bis zur Mitte des Unterschenkels vorhanden. Blasenentleerung erfolgt spontan.

7) 24jähriger Mann, Sturz aus 6 m Höhe aufs Kreus. Empfindliche Vorwöl- bung am 1. und 2. Lendendorn. Rechte Extremität unversehrt, linke im Hüft- gelenk schwach, im Sprunggelenk aktiv gar nicht beweglich, vom Knie abwärts anästhetisch. Die Reflexe normal, kein Fußklonus. Durch 6 Wochen Extension in Rückenlage, dann ein Sayre’sches Korsett, in dem der Pat. geht. Nach 2 Monaten vollständige Heilung.

8) 35jähriger Mann stürzt aus 6 m Höhe auf den Rücken. Winkliger Vor- sprung in der Höhe des 5. und 6. Brustwirbels, Druck schmerzhaft, Knarren deut- lich hörbar. Paraplegie, enorme Hyperästhesie, Reflexe erloschen. Reduktion nach Calot: 4 Mann ziehen an den Beinen, 4 andere an den Armen und Schultern, ein Assistent überwacht den Hals; unter kräftigem Druck mit beiden Armen auf den Vorsprung weicht unter hörbarem Krachen die Difformität. Gipsverband mit 6kg Extension und Autokontraextension. Bald Bewegungen der Beine, weniger Schmerzen, die gelähmten Blasen- und Mastdarmfunktionen stellen sich ein. Nach 4 Monaten steht der Kranke mit Stützmieder auf, nach weiteren 6 Monaten ge- heilt entlassen. Verrichtet alle Ackerarbeiten.

Weitere 5 Fälle (Schnittwunde mit vollständiger Trennung des Markes, Tod nach 3 Monaten; Fraktur der Halswirbelsäule, Tod nach 2 Tagen; Fraktur der Rüekenwirbel, Tod nach 3 Tagen; 2 Fälle von Commotio spinalis ohne nachweis- bare Knochenverletzungen mit Heilung) sind nur kurz erwähnt.

Die siemlich ausführliche kritische Besprechung bringt keine wesentlich neuen Gesichtspunkte. J. Sternberg (Wien).

21) Giss. Über einen Fall von Abfluss kolossaler Mengen von Cere- brospinalflüssigkeit nach Rückenmarksverletzung. (Mittheilungen a. d. Grensgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. VIII. Hft. 4 u. 5.)

Ein 23jähriger Mann erhielt einen Messerstich in die Nackengegend; die Klinge drang zwischen dem 6. und 7. Halswirbel in die Tiefe, brach ab und blieb in der Tiefe sitsen; erst nach 3 Tagen ließ sie sich entfernen. Ein gewal- tiger Abfluss von Cerebrospinalflüssigkeit fand danach statt, Verband und Bett waren vollständig durchnässt. Die abgeflossene Flüssigkeitsmenge wurde Anfangs auf 2—3 Liter täglich geschätzt: erst nach 5 Wochen schloss sich der Stichkanal. Die während dieser Zeit abgeflossene Gesammtmenge der Flüssigkeit betrug schätzungsweise mindestens 30 Liter. Während des Bestehens der Fistel war längere Zeit heftiges Kopfweh und hohes Fieber vorhanden, so dass man Ent- stehen einer Meningitis befürchtete. Es trat aber völlige Heilung ein, ohne andere Folgen, als dass der Charakter sich geändert hatte; im Gegensats zu früher zeigte der Kranke noch nach 2 Jahren mürrisches Wesen, Gereiztheit; er war störrisch und schweigsam. Haeckel (Stettin).

244 Centralblatt für Chirurgie. No. 8.

22) A. J. Kudrjaschow. Spondylitis deformans. (Wratsch 1901. No. 41.)

K. hält die Beehterew’sche Kyphose h£r£do-traumatique und die Strümpel- Marie’sche Spondylose rhisomelique für Spondylitis deformans. Er beschreibt einen Fall: 42jähriger Mann, erkrankte vor 10 Jahren an Gelenkrheumatismus, der an den unteren Extremitäten begann, dann Lende und übrige Wirbelsäule ergriff und schließlich zu Kyphose und fast totaler Ankylose der Wirbel führte. Nur im Halstheil beschränkte passive, sehr schmerzhafte Bewegungen mit deutlichem Knacken. Er führt mehrere Citate von älteren Autoren an und bringt zum Schluss eine Reihe photographischer Bilder ankylotischer Wirbelsäulen, die bei ver- schiedenen Sektionen gefunden wurden. Gückel (Medwedowka, Kijew).

23) Thomas. A case of myeloma of the spine with compression of the cord. (Boston med. and surg. journ. 1901. Oktober.)

Die Erkrankung begann mit heftigen Schmerzen zwischen den Schulterblättern, während Pat. früher nur unbedeutende Krankheiten, vor Allem keine Syphilis und kein Trauma der Wirbelsäule gehabt hatte. 11/, Monate später traten Stö- rungen in der Koordination der Beine, Sensibilitätsstörungen und Verlust der oberflächlichen Reflexe an Bauch und Unterextremitäten, eben so Störungen im Uriniren auf. An der Wirbelsäule war leichte Kyphose im oberen Rückenabschnitt vorhanden, ohne Schmerzgefühl dortselbst bei Stauchung desselben. Es wurde Geschwulstbildung angenommen und neben Gipskorsett eine antisyphilitische Kur eingeleitet. Die Erscheinungen von Ataxie und Gefühlsverlust nahmen zu, die Kniereflexe waren gesteigert, das Zurückhalten des Urins wurde immer schwieriger. Es trat noch eine Schwellung der 5. linken Rippe hinzu. Die Operation wurde ungefähr !/ Jahr nach Auftreten der ersten spinalen Erscheinungen vorgenommen. Sie bestand in Entfernung des hinteren Wirbelbogens vom 1.—4. Rückenwirbel. Der hintere Bogen des 4. Wirbels war dünn und bläulich, seine Rinde theilweise zerstört. Die granulationsartige Masse erstreckte sich in den Dornfortsatz, durch den Rippenansatz auf die linke Seite des Wirbelkörpers. Zwischen hinterem Bogen und Dura lagen ebenfalls solche Massen, die auf das Mark drückten, ohne die Dura selbst anzugreifen. Letstere wurde nicht eröffnet. Mit scharfem Löffel wurden alle erreichbaren Massen entfernt. Nachdem zuerst völlige Paraplegie auf die Operation folgte, trat allmählich völlige Genesung ein, so dass keinerlei Ko- ordinations- und Sensibilitätsstörungen mehr übrig blieben. Während der Nach- behandlung erhielt der Kranke Knochenmark. Verf. legt noch besonderen Werth für die Diagnose auf die Albumosurie, die bei seinem Kranken auch vorhanden war. Blutuntersuchungen wurden ebenfalls gemacht. Den guten Erfolg bei der Nachbehandlung schreibt Verf. dem Gebrauch von Knochenmark und Colay’s Serum zu. Ein sehr vollständiges Verzeichnis der Gesammtlitteratur ist beigefügt.

Trapp (Bückeburg).

24) Albertin. Corps etrangers de l’oesophage et oesophagotomie externe. (Province méd. 1901. No. 30.)

Ein 4jähriges Kind hat ein Soustück verschluckt ohne folgende Beschwerden. Nach 8 Tagen ist die Spur nur im Röntgenbilde hinter der Incisura jugularis sterni zu erkennen; mit der Sonde fühlt man nichts. Selbst nach Freilegung der Speiseröhrenwand von außen ist nichts su fühlen, auch jetzt gleitet die eingeführte Sonde glatt herunter. Naht der Wunde, weil man glaubte, dass der Fremdkörper nicht mehr dort zurückgehalten sei. Bei der erneuten Skiaskopie ist der Fremd- körper wieder an der alten Stelle zu erkennen, und wird nach Wiedereröffnung der Wunde und Osophagotomie herausgeholt. Glatte Heilung.

(In seinen weiteren Ausführungen über Erkennung und Therapie der Fremd- körper im Ösophagus, wobei er viel von der Gefahr der blinden Extraktion auf

Centralblatt für Chirurgie. No. 8. 245

dem natürlichen Wege spricht, erwähnt Verf. die Osophagoskopie mit keinem Wort. Ref.) Herm. Frank (Berlin).

25) Goris. Diverticulum de l’oesophage. (Ann. de la soc. belge de chir. 1900. No. 8. Oktober.)

In einem Falle von großem Divertikel der Speiseröhre bei einem 34 Jahre alten Manne, welches G. in der gewöhnlichen Weise operirte, hat er den Pat. unter Absehung von dtägiger Fastenzeit (Kocher) und Gastrostomie (Witzel sofort nach der Operation von einer durch die Nase eingeführten Schlundsonde aus mit Milch genährt. Am 5. Tage entfernte er sie. Am 6. Tage floss etwa !/a der getrunkenen Milch aus der Wunde, in den folgenden Tagen kam immer weniger. Vom 11. Tage an bekam Pat. schon breiige Nahrung und Fleisch. Heilung in einigen Wochen. E. Fischer (Straßburg i/E.).

26) K. D. Ssarkissow. Ein Fall von Spontanheilung bei Ösophagus- fibrom. (Wratsch 1901. No. 36.)

Eine Frau von 27 Jahren, die 2 Jahre an Schmerzen in der Herszgegend litt, hustete ein 4><2><0,5 om großes Fibrom aus, worauf Heilung eintrat. Gückel (Medwedowka, Kijew).

27) Escher (Triest). Resektion der Speiseröhre mit cirkulärer pri- märer Naht wegen narbiger Occlusion. (Zeitschrift für Heilkunde Bd. XXII. N. F. Bà. I. Hft. 3.)

In der Litteratur sind 16 Fälle von Speiseröhrenresektion bekannt, sie wurden ausnahmslos im Halstheil ausgeführt. Mit Ausnahme eines Falles musste auf die Naht versichtet werden und damit überhaupt auf die Wiederherstellung des natür- licben Weges. Einmal wurde eine Narbe cirkulär exeidirt und genäht, aber es handelte sich nur um eine Schleimhautresektion. Verf. ist in der Lage, den ersten Fall von Resectio oesophagi durch die ganze Dicke seiner Wand mit primärer cirkulärer Naht mitzutheilen, die er mit bestem Erfolge bei einer 48jährigen Frau ausführte. Es war eine fast absolute Striktur auf der Höhe des 4. Trachealringes auf dem Boden einer alten Lues. Die Ösophagostomie wurde voraufgeschickt. Dann, als die Stenose sich als unpassirbar erwies, wurden aus der Kontinuität etwa 11/3 cm oberhalb des Speiseröhrenmundes resecirt. Primärheilung der Öso- phagusnaht nach unwesentlicher Eiterung im periösophagealen Gewebe, dann später Schluss der Ösophagostomie. Bald trat völlige Heilung ein mit normaler Funktion. Vier Monate später konnte noch völlige Euphorie konstatirt werden, ohne die mindeste nachweisbare Verengerung der Speiseröhre. Schmieden (Bonn).

28) G. Ninni. Un altra sutura del cuore per ampra ferrita pene- trante del seno destro. (Estratto dagli atti della R. accademia medico-chirurgica di Napoli. Anno LV. No. III.) Napoli, Salvietti & Gaeta, 1901. 23 S. und 1 Tafel.

Der von dem Verf. mitgetheilte Fall betrifft eine Stichverletgung im dritten Zwischenrippenraum links vom Brustbein, welche mit den Anzeichen der schwersten Anämie einherging. Eine Herzswunde vermuthend, erweiterte N. den Stichkanal nach dem Brustbein hin, um entlang dem letzteren einen Vertikalschnitt von der 1. bis zur 6. Rippe zu führen. Da das Herz im rechten Ventrikel an der Grense sum Vorhof getroffen war, musste sur Ermöglichung der Herznaht ein Theil des Brustbeins abgetragen werden. Der Kranke überstand mit Hilfe von Infusionen und Reizmitteln die Operation gut, starb aber nach 4 Tagen an Sepsis. In den Besprechungen, die N. an diesen Fall anschließt, empfiehlt er sein bereits im Jahre 1898 mitgetheiltes Vorgehen: Bildung eines viereckigen Lappens mit innerer,

246 Centralblatt für Chirurgie. No. 8.

am linken besw. am rechten (Marion) Sternalrand gelegener Basis. Für die momentane Blutstillung aus der Herzwunde genüge der Druck der Fingerkuppe am besten. A. Most (Breslau).

29) A. A. Herman. Ein Fall von Verwundung des Herzens durch eine Nähnadel. (Woj.-med. journ. 1901. September. [Russisch.])

Dem 13jährigen Knaben fiel beim Herabnehmen von oben ein Stück Tuch gegen die Brust und trieb eine im Hemd steckende Nadel in die Herzgegend. Beim Versuch, die Nadel herauszusiehen brach, die letztere und die Spitse 1 cem lang blieb in der Brust. Am nächsten Morgen starke Schmerzen, Puls und Athem setzen aus; Tod am 3. Tage. Sektion: im Mediastinum anticum viel Blut, eben so hinter dem Brustbein rechte und links in den V. Interkostalräumen. In den Pleuren je 200—220 ocm Blut; im Perikard 230 com flüssigen und ge- ronnenen Blutes. An der Vorderfläche des rechten Ventrikels, an der Übergangs- stelle in den Conus arteriosus, zwei zusammenfließende, unregelmäßige zerkratste, kraterförmige Wunden der Herzwand, die hier völlig vom Perikard entblößt ist, die obere Wunde 2—3 cm, die untere erbsengroß. An der unteren steckt die Nadel 2—3 mm nach außen und 2 mm im Herzinnern. Das Endokard unversehrt, nur von der Nadel durchstochen. Unter Anderem fand man eine große Hufeisen- niere (nicht 2 verwachsene), mit 2 Harnleitern, 2 Nierenarterien und 2 Suprarenal- drüsen. Gückel (Medwedowka, Kijew).

30) A. Salomoni (Messina). Tuberculosi e tumori condromatosi della mammella. (Clinica chir. 1901. No. 3 u. 4.)

1) 22jähriges Mädohen; skrofulöser Habitus, Lymphdrüsenerweiterung am Halse. Fungöse Geschwüre an beiden Mammillen, Knoten in den Drüsen, Achsel- drüsensohwellung. Exstirpation der Ulcera, der Knoten aus beiden Brüsten, der Achseldrüsen. Rasche Heilung, die nach 4 Jahren noch anhält. Disseminirte Form.

2) 21jähriges Mädchen; keine anderen Erscheinungen als seit 2 Jahren harter Knoten in der rechten Brust; 2 Abscesse eröffnet, Fistelbildung; Achseldrüsen geschwellt. Exstirpation der afficirten Partie, Ausräumung der Achseldrüsen. Seit 2 Jahren geheilt. Thierinfektion positiv.

3) 23jährige Frau. Knoten seit 8 Monaten in der linken Brust und Aochsel- höhle, deutlich geschwellter Strang zwischen beiden. Sorgfältige Exstirpation und Heilung seit 2 Jahren. Bacillen nachgewiesen.

4) 44jährige Frau, 4 Entbindungen, 4mal gestillt. Vor 6 Jahren, während des 3. Säugens, Mastitis rechts mit großer Abscessbildung, nach deren Heilung die Brust noch ausgiebig Milch lieferte. Während des letzten, 25 Monate anhaltenden Stillens ein kleiner harter Knoten, der nach dem Absetzen rapid wächst. Jetst, nach 5 Monaten, kindskopfgroß, höckerig, unter intakter Haut, frei beweglich, stellenweise sehr hart, keine Drüsenschwellung, schmerzlos. Diagnose: Enchon- drom. Amputation der Mamma. Heilung seit 41/; Jahren. Die histologischen Details sind in kurzen Worten: Elemente des Fibroadenoma cysticum, einige Stellen mit polymorphen Zellen, andere myxomatös degenerirt, reichlich fibro-carti- laginöse Einlagerungen. J. Sternberg (Wien).

Einunddreissigster Kongress

der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie.

Der 31. Kongress der deutschen Gesellschaft für Chirurgie findet vom 2. bis 5. April 1902 in Berlin im Langenbeck-Hause statt.

Centralblatt für Chirurgie. No. 8. 247

Die Begrüßung der zum Kongress sich versammeinden Mitglieder geschieht am Dienstag, den 1. April, Abends von 8 Uhr ab in einem vorbehaltenen Zimmer des »Spatenbräu«, Friedrichstraße 172.

Die Eröffnung des Kongresses findet Mittwoch, den 2. April, Vormittags 10 Uhr, im Langenbeck- Hause statt. Während der Dauer des Kongresses werden da- selbst Morgensitzungen von 9 bis 121/g Uhr und Nachmitlagssitzungen von 2—4 Uhr abgehalten.

Die Vormittagssitzung am Mittwoch, den 2. April, und die Nachmittagssitzung um Freitag, den 4. April, sind zugleich Sitzungen der Generalversammlung.

In der 2. Sitzung der Generalversamınlung am Freitag Nachmittag wird der Vorsitzende für das Jahr 1903 gewählt; ferner findet in derselben Sitzung die Wahl von Ehrenmitgliedern statt, für welche Vorschläge dem Ausschusse eın- gereicht worden sind.

Ankündigungen von Vorträgen und Demonstrationen bitte ich zeitig an meine Adresse (Prof. Dr. Kocher, Bern, Schweiz) gelangen zu lassen, da nach dem 10. März einlaufende Anmeldungen nicht mit Sicherheit auf Be- rücksichtigung rechnen können. Ich bitte gleichzeitig, ausdrücklich angeben zu wollen, ob es sich um Demonstrationen oder theoretische Vorträge, resp. solche mit Demonstrationen handelt. Es ist dem Ausschusse der bestimmte Wunsch ausgesprochen worden, dass die Zeit der Vorträge genau nach den regle- mentarischen Vorschriften (20 Minuten) bemessen werde.

Vorträge, welche ihrem wesentlichen Inhalt nach schon anderswo gehalten oder in einer Zeitschrift erschienen sind, werden bloß in Form kurzer Demonstrationen zugelassen.

Von auswärts kommende Kranke können im Kgl. Klinikum (Berlin N., Ziegelstr. 5—7) Aufnahme finden. Präparate, Bandagen, Instrumente etc. sind an Herrn Melzer, Nachfolger des Herrn Anders, im Langenbeck- Hause (Ziegelstr. 10—11) mit Angabe ihrer Bestimmung zu senden.

Die Herren Dr. Immelmann (Berlin W., Lützowstr. 72) u. Dr. Joachimsthal (Berlin W., Magdeburgerstr. 36) sind beauftragt, eine systematisch geordnete Aus- stellung von Röntgenphotographien im Bibliothekzimmer des Langenbeck- Hauses zu veranstalten. Die Aussteller werden ersucht, bloß solche Bilder an die genannten Herren bis längstens 10. März d. J. einzusenden, bei welchen die Röntgen- aufnahme maßgebende Aufschlüsse für Diagnose und Therapie ergeben hat. Un- geeignetes wird nicht ausgestellt werden.

Ein Demonstrationsabend von Projektionsbildern wird veranstaltet werden, wenn genügend interessante Diapositive im Format 81/3>< 10 vor dem 10. Mürz eingesandt werden.

Eine Ausstellung von chirurgischen Instrumenten und Apparaten, so wie Gegen- stünden der Krankenpflege ist in Aussicht genommen.

Die Herren Louis & H. Löwenstein, Ziegelstr. 28, haben sich anerboten, ire Werkstätten den Herren Kongresstheilnehmern Vormittags 8—1/s1 Uhr zur Besichtigung offen zu halten.

Her Melzer ist beauftragt und ermächtigt, Beiträge zum Besten des Langen- beck- Hauses, Zuwendungen für die Bibliothek, so wie die regelmäßigen Zahlungen der Mitglieder entgegenzunehmen. Die Mitglieder werden gebeten, die aus- gestellten Quittungen aufzubewahren.

Anmeldungen neuer Mitglieder bitte ich mit der persönlichen Unterschrift dreier Mitglieder der Gesellschaft an den ersten Schriftführer, Herrn Prof. Dr. Körte (Berlin W., Potsdamerstr. 39) zu richten. Am Begrüßungsabende so wie während der Sitzungen wird Herr Melzer Vorschlagsformulare verabfolgen.

Die Mitglieder der Gesellschaft werden darauf aufmerksam gemacht, dass zu Ostern 1903 der regelmäßige internationale Kongress in Madrid stattfindet. Es sind bis jetzt folgende Vorträge angemeldet:

248 Centralblatt für Chirurgie. No. 8.

a) Zur Wundbehandlung:

1. Herr v. Bruns: Der erste Verband auf dem Schlachtfelde, als Einleitung zu einer Diskussion über dieses Thema.

2. Herr Honsell: Über aseptischen und antiseptischen Salben- und Pasten- verband.

3. Herr Borchardt: Dampfsterilisation der Verbandstoffe.

4. Herr Tavel: Über die Wirkung des Antistreptokokkenserum.

5. Herr Kütiner: Diagnostische Blutuntersuchung bei chirurgischer Eiterung.

6. Herr Völker: Behandlung der Frakturen mit primärer Knochennaht.

7. Herr Sultan: Über die Einpflanzung von todten Knochen in indifferente Weichtheile allein oder in Berührung mit lebendem Periost.

b) Zur Krebsfrage:

8. Herr Gussenbauer: Histiogenese der Krebse. 9. Herr Petersen: Über Carcinomrecidiv und Carcinomheilung. 10. Herr v. Mikulicz: Behandlung der Darmcarcinome.

c) Zur Pathogenese und Behandlung der Perityphlitis und Peritonitıs.

11. Herr Körte: Bericht über 58 Operationen subphrenischer Abscesse.

12. Herr Rehn: Behandlung infektiüs eitriger Herde im Peritonsalraum.

13. Herr Sprengel: Neue Erfahrungen über Appendicitis und Behandlung der Peritonitis.

14. Herr Rouz: Zur Perityphlitisfrage.

15. Herr Sonnenburg: Über Lungenkomplikationen bei Appendicitis.

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d) Zur Unterleibschirurgie:

16. Herr Bunge: Die Talma’sche Operation.

17. Herr Ehrhardt: Über Leberwunden.

18. Herr Sprengel: Über Thrombosen im Gebiet der Arteria mesenterica.

19. Herr v. Eiselsberg: Die Colopexie.

20. Herr Payr: Über erworbene Darmdivertikel.

21. Derselbe: Mechanik der Stieldrehung bei inneren Organen. a 22. Herr Graser: Über Brüche- Einklemmung des Wurmfortsatzes.

23. Derselbe: Anomalien des Mesenterium.

24. Herr Tavel: Behandlung der Neuralgie der Geschlechtstheile.

25. Herr de Quervain: Bedeutung des Ulcus für die Magenkrebsentwicklung.

e) Varia:

26. Herr König (Berlin): Chirurgie und Orthopädie.

27. Herr Kausch: Der Diabetes ın der Chirurgie.

28. Herr Lexer: Ungewöhnliche Cysten am Halse.

29. Herr de Quervaın: Die akute nicht eitrige Strumitis.

30. Herr Küttner: Die geographische Verbreitung der Blasensteinkrankhei! spec. ın Württemberg.

31. Herr Heussner: Dauererfolge bei Streckung der Kniegelenkskontraktur mit Sehnenüberpflanszung.

Bern, den 31. Januar 1902.

Theodor Kocher, Vorsitzender für das Jahr 1902.

Originalmittheilungen, Monographien und Separstsbdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlagr- handlung Breitkopf & Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt | CHIRURGIE

E. v Bm, P, Kini, E Reiter

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Á=- Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu bezieben durch alle Buchhandlungen und Postanstalten,

No. 9. Sonnabend, den 1. März. 1902,

Inhalt: L Y. Miwa, Beitrige zur Geschichte der Gelatine als Hšmostaticum. IL R. v. Baracz, Ein Vorschlag zur operativen Behandlung der Ischias. (Original-Mitth.)

1) Rela, Allgemeine Chirurgie. 2) Leser, Operationsvademekum. 3) Zibeli, Ge- letine als Hämostaticum. 4&4) Ullmann, Benutzung von Unterhautzellgewebslappen bei Operationen. 6) Becco, Versenkte Nähte. 6) Borchardt, Desinfektion der Verband- stoffe. 2 Schmieden, Vioform. 8) Borchardt, Lumbalhernien. 9) v. Stockum, Deus. 10) Naumann, Meckel’sches Divertikel.

11) Französischer Chirurgenkongress. 12) Romanin, Hernia epigastrica. 13) Piersol, Hernie des Wurmfortsatzes, 14) Kirmisson, 16) Karajan, Meckel’sches Divertikel 16) Balch, 17) Polack, Ileus. 18) Hoerscheimann, Vorfall verletzten Darmes aus dem Mastdarm. 19) Lieblein, 20) Schlofler, Mastdarmverengerungen. 21) Sernew, Caudal- anbänge, 22) Perkins, Pyocyaneusinfektion.

XX. Kongress für innere Medicin.

J. Beiträge zur Geschichte der Gelatine als Hämostaticum, Von

Dr. Y. Miwa an der chir. Klinik zu Chiba (Japan).

Die Anwendung der Gelatine als Hämostaticum ist nicht neueren Datums. In der europäischen Litteratur findet sie sich erst in An- fang und Mitte des vorigen Jahrhunderts erwähnt; in China dagegen ist schon im Anfang des 3. Jahrhunderts p. C. Gelatine als Hämo- staticum vielerlei im Gebrauch. So findet in dem wenigstens in Chma und Japan berühmten Buche San-Han-Ron (eine Art von Pathologie und Therapie) des damals in China angesehenen Arztes Chian Chiyun Kiyon, zwischen 204 und 219 nach Christi Geburt chinesisch geschrieben, Gelatine als Hämostaticum bei Blu- tungen aller Art empfohlen. Auch in der japanischen alten Litte- ratur finden sich viele Mittheilungen über dasselbe Thema.

‘Da, wie bekannt, die japanische Medicin im Alterthum aus China eingeführt wurde, so ist natürlich in Japan die Gelatine als 9

250 Centralblatt für Chirurgie. No. 9.

Hämostaticum etwas später in Gebrauch genommen, mit großer Wahrscheinlichkeit seit ca. 1000 Jahren.

Die Gelatine heißt chinesisch O-kiu, japanisch Nikawa (d. b. Lederdekokt). Solcher Nikawasorten giebts in Japan viele; gewöhn- lich bereitet man sie aus Bos taurus (Rindsleder).

In China und Japan war die subkutane und intravenöse An- wendung unbekannt; hauptsächlich war die Gelatine in Wasser ge- löst, seltener in Pulverform angewandt, z. B. zu Einblasungen bei Nasenblutung.

Chinesen und Japaner brauchten sie bei Lungenblutung (Hämo- ptoë), Nasenblutung, Blutungen aus dem Urogenitalapparate, der Gebär- mutter (besonders bei Abortus), dem Darm mit Mastdarm, bei Anämie, und zwar nicht nur rein, sondern meist mit verschiedenen Droguen versetzt, und zwar in ziemlich großen Dosen. So z. B. Gelatine mit Coptis brachypetala, Paeonia officinalis, Panax ginseng, Gardenia florida, Rehmannia lutea, Scutellaria macranta, Artemesia moxa; Pulver aus dem Horn des Nashorns (Rhinoceros).

Rp. 2 Thl. Coptis brachypetelae, 1 Scutellariae macrantae, 2 > Paeonia officinalis in decoctum, dazu 3 Thl. Gelatine, 2 > Eigelb.

Außerdem brauchten die Chinesen und Japaner die Gelatine als Stärkungs- und Blutbereitungsmittel, ähnlich dem Eisen.

Die Frage, warum die Gelatine hämostatisch wirke, beantworten die Chinesen so: Kopiöse Blutung rührt her von Anomalie der Blut- mischung und Zerfall des Blutes. Diese bringt die Gelatine in Ord- nung, sie wirkt blutbereitend und stillt so die Blutungen.

Chiba, 28. December 1901.

II.

Ein Vorschlag zur operativen Behandlung der Ischias. Von

Dr. Roman v. Barąacz, Docent für Chirurgie an der Universität Lemberg.

Die operative Behandlung der Ischias beruht gewöhnlich in der blutigen Dehnung des N. ischiadicus. Die Erfolge dieses Eingriffs lassen noch viel zu wünschen übrig; nur Schede! und Nocht be- berichten über günstigere Resultate (unter 24 Fällen sollen 21 geheilt, bei 16 soll der Erfolg augenblicklich und nachhaltig gewesen sein). Die von Trombetta? empfohlene unblutige Dehnung hat nicht viele Anhänger gefunden.

1 A. Hoffa, Chirurgie der unteren Extremitäten. Handbuch der praktischen

Chirurgie. Bd. IV. II. Theil. p. 242. Stuttgart, 1901. 2 Trombetta, Sullo stiramento dei nervi. Studii path. e clin. Messina, 1884

Centralblatt für Chirurgie. No. 9. 251

In schwierigen Fällen hat man sogar sehr große Eingriffe ge- wagt. So haben W. H. Bennet? und D. Giordano? (Venedig) in je einem hartnäckigen Falle nach misslungener blutiger Dehnung die Laminektomie und intradurale Durchtrennung resp. Resektion der hinteren Wurzeln des N. ischiadicus ausgeführt und Barden- heuer5 (Köln) mehrfach die Resektion der erkrankten Synchondrosis sacroiliaca dabei ausgeführt.

Wir ersehen daraus, dass die operative Therapie der Ischias noch nicht festgestellt ist, und dass,es sehr hartnäckige Fälle von Ischias giebt, wo die blutige Dehnung des Nerven nicht ausreicht.

In letzter Zeit hat Fajersztajn® in Lemberg auf die Wichtig- keit der zwei diagnostischen Merkmale der Ischias: auf das sog. La- segue’sche Ischiasphänomen und das von ihm gefundene sog. ge- kreuzte Ischiasphänomen die Aufmerksamkeit gelenkt, welche beide Erscheinungen meiner Ansicht nach nicht nur eine große diagnostische Bedeutung zu haben scheinen, sondern auch einen Wink für das therapeutische Handeln in gewissen Fällen von Ichias abgeben.

Das Lasegue’sche Phänomen besteht bekanntlich darin, dass man bei Ischiaskranken das leidende Bein in der Hüfte schmerzlos beugen kann, falls der Unterschenkel gleichzeitig gebeugt wird. Wiederholt man aber diese Bewegung bei gestrecktem Unterschenkel, so entsteht oft plötzlich im ganzen Verlauf des afficirten Nerven, am häufigsten jedoch an der Austrittstelle des Ischiadicus in der Gegend der Incisura ischiadica major eine meist intensive Schmerzempfindung. Fajersztajn wies nach, dass diese Schmerzempfindung an der Aus- trittsstelle des erkrankten Ischiadicus auch dann zu Stande kommt, wenn man das gesunde Bein beim gestreckten Unterschenkel in die Höhe hebt; er benennt dieses Symptom das gekreuzte Ischias- phänomen. Dass das Lasègue’sche Phänomen in Folge von Deh- nung des Ischiadicus entsteht, bewies Beuermann” durch Leichen- experimente. Dass bei dem gekreuzten Ischiasphänomen die Deh- nungswirkung vom gesunden auf den erkrankten Nerven übertragen wird, bewiesen zur Genüge zahlreiche Leichenexperimente Fajer- sztajn’s; sie bewiesen, dass sogar bei mittelstarker Dehnung die Zugwirkung quer durch den Duralsack auf die Wurzel des contra- lateralen Ischiadicus übertragen wird.

3 W. H. Bennet, Subdural division of posterior roots of spinal nerves. Royal med. and chir. soc. Lancet 1889. April 27. Vol. I. p. 839.

$ Davide Giordano, Un caso di resezione intra-arachnoidea delle radici Posteriori a cura di sciatica rebelle. Gazz. degli ospedali e delle clin. 1900. No. 147.

5 Bardenheuer, Operative Behandlung der Ischias traumatica. Versamm- lung deutscher Naturforscher und Arzte in Hamburg. Sektion für Chirurgie. Ref. in Centralblatt für Chirurgie 1901. No. 50. p. 1244.

e J. Fajersztajn, Über das gekreuzte Ischiasphänomen. Ein Beitrag zur Symptomatologie der Ischias. Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 2. p. 41—47.

? Fajersztajn, ]. c.

9*

252 Centralblatt für Chirurgie. No. 9.

Fajersztajn legte bei Bauchlage des Kadavers (mittels Lamin- ektomie und Abmeißelung der Processus transversi bis zu den Spinal- ganglien) die Dura mater spinalis und die Intervertebralkanäle des untersten Lumbaltheils, so wie die 3 oberen Canales sacrales bloß; nachher suchte er beide Nervi ischiadici in der Mitte des Ober- schenkels auf und unterband sie. Bei der Dehnung eines Ischia- dicus durch einen leichten Zug an der Ligatur wird nun nicht nur der Nervenstamm sammt den Plexusnerven gespannt und nach ab- wärts gezogen, sondern man sieht auch, dass der unterste Theil des Duralsacks sammt den Nervenwurzelscheiden in die entsprechenden Foramina intervertebralia hineingezogen wird, und dass auch die contralaterale Wand des Sacks sich von der Knochenwand entfernt.

Bei meinen Nachprüfungen der Fajersztajn’schen Experimente am Kadaver habe ich mich überzeugt, dass die oben beschriebene Erscheinung um so prägnanter hervortritt, je näher man den Ischia- dicus seinem centralen Ende dehnt. Wenn man nun den Nerven nicht wie gewöhnlich an der Glutäalfalte, sondern bei seiner Aus- trittstelle unterhalb des M. pyriformis aus der Incisura ischiadica major bloßlegt und auf eine gewisse Strecke hin in der Richtung der vorderen Kreuzbeinfläche, besonders vorn und hinten von seiner Umgebung löst, so kann man dann beim geringsten Zug an dem Nerven seine Wurzelstränge in die Intervertebrallöcher hineinstülpen, und zwar bedeutend tiefer als beim Bloßlegen und Dehnung in der Mitte des Oberschenkels und an der Glutäalfalte.e Auch im normalen Zustande ist der Nervus ischiadicus nirgends so stramm in das ihn umgebende Bindegewebe eingebettet als an seiner oberhalb der In- cisura ischiadica major in der Richtung zu den Foramina sacralıa anteriora verlaufenden Partien; um diese Verwachsungen zu lösen muss man an dieser Stelle mit einer gewissen Kraft mit dem Finger in die Tiefe vordringen.

Diese Ergebnisse meiner Experimente an Kadavern zusammen mit den Ergebnissen der von Las&gue und Fajersztajn gemachten Beobachtungen und Erfahrungen an Liebenden und ein eigener Fall von durch einen vom Becken stammenden kalten Abscess im Foramen ischiadicum majus hervorgerufener Ichias, wo nach jedesmaliger Punktion Nachlass der Schmerzen, bei Wiederansammlung des Eiters bedeutende Exacerbation derselben erfolgte, dies Alles bewog mich zur Annahme folgender Schlüsse:

1) Die Ursache der Schmerzen in gewissen Fällen von Ischias (besondere wo entzündliche Processe des kleinen Beckens oder ein Trauma der Gesäßgegend voraufgegangen sind) ist in ab- normen Verwachsungen oberhalb der Austrittsstelle des- selben aus der Incisura ischiadica major und an der In- cisur selbst zu suchen.

2) Es ist rationeller, in gewissen Fällen hartnäckiger Ischias den Nerven, anstatt ihn an der Glutäalfalte zu dehnen, beim Austritt aus der Incisura ischiadica major

Centralblatt für Chirurgie. No. 9. 253

bloßzulegen und stumpf von seinen anomalen Verwach- sungen oberhalb der Incisur mit dem Finger zu lösen.

Ob dabei noch ein gewisser Grad von Dehnung nöthig wäre event. auch Lösung der abnormen Verwachsungen der korrespondirenden Stelle des anderen gesunden Nerven, darüber müsste die künftige Er- fahrung entscheiden!

Der von mir vorgeschlagene Eingriff scheint mir rationeller und nicht größer und gefährlicher zu sein, als die blutige Dehnung an der Glutäalfalte; er ist jedenfalls geringer als der von Barden- heuer angegebene. Er wäre folgendermaßen auszuführen.

Bauchlage des Kranken mit erhöhtem Becken. Es wird ein longitudinaler, leicht nach einwärts gebogener, ca. S—10 cm langer Schnitt ein wenig nach einwärts von der Mitte einer von der Spitze des Tuber ossis ischii zum hinteren Rande des Trochanter major ge- zogenen Linie bis auf den M. glutaeus magnus geführt. Dieser wird längs seiner Fasern stumpf durchtrennt; nach Auseinanderziehen der beiden Muskelwundränder gelangt man direkt auf den Nerven. Längs demselben dringt man mit dem Zeigefinger in die Incisura ischiadica major ca. 2 cm tief nach oben bis nahe an die Foramina sacralia anteriora vor, dabei besonders die ventrale und dorsale Seite des hier abgeplatteten Nerven von seinen Verwachsungen befreiend. Die Arteria glutaea inferior und der N. cutaneus femoris posterior, die am unteren Rande des M. pyriformis nach innen vom N. ischiadicus heraustreten, können leicht geschont event. könnte die Arterie im Falle von Verletzung doppelt unterbunden werden. A. und N. pudend. int. liegen mehr medianwärts, sind somit schwer zu verletzen. Falls der N. ischiadicus noch im Becken sich theilt und dann mit 2 ge- sonderten Stämmen (dem N. peroneus und tibialis) hervortritt, müssen beide Stämme auf dieselbe Weise bloßgelegt werden. Es folgt Ver- einigung der Wunde mit tiefen Nähten event. mit Einführung eines Gazestreifens zur Drainage.

1) T. A. Rein. Kurzes Handbuch der allgemeinen Chirurgie. Moskau, 1901. Mit 88 Textfig. u. 1 Taf. (Russisch.)

In der Vorrede bestimmt Verf. sein Buch für solche Leser, die keine höhere medicinische Bildung erhalten haben, also hauptsäch- lich für Heilgehilfen, Zahnärzte u. A. m. Es muss zugegeben werden, das R. es vorzüglich gelungen ist, den Gegenstand streng wissen- schaftlich und gleichzeitig gemeinverständlich abzuhandeln. Selbst für Ärzte ist die Lektüre des Buches interessant. Strittige Theorien sind fortgelassen, und nur das angeführt, was schon endgültig fest- gestellt ist. Das Buch kann allen$Denen, für die es geschrieben ist, aufs wärmste empfohlen werden. Glickel (Medwedowka, Kijew).

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2) E. Leser. Operationsvademekum für den praktischen Arzt. Il. vermehrte und verbesserte Auflage. Berlin, $. Karger, 1902. 186 S. mit 84 zum Theil farb. Abbildgn. im Text.

Der Umstand, dass der ersten Auflage des hier noch nicht be- sprochenen Buches in noch nicht 2 Jahren die zweite folgt, enthebt den Recensenten der Prüfung, ob auch dasselbe einem Bedürfnis entsprach und ob es seinen Zweck erfüllt hat. Das ist zweifellos geschehen. Verf. hat die Besonderheit seiner Aufgabe richtig erfasst, die Ausübung der Chirurgie zu lehren, nicht wie der stets über alle Hilfsmittel gebietende Meister sie übt, sondern der mitten in den Anforderungen, aber auch in der Beschränktheit und den Verlegen- heiten des praktischen Lebens stehende Arzt. In der Auswahl und Anordnung des Stoffes, in der Fasslichkeit und der verschiedenen der praktischen Wichtigkeit des Stoffes entsprechenden Breite der Darstellung zeigt sich der Autor als Kenner der einschlägigen Ver- hältnisse; aber auch der Fachchirurg wird mit der Auswahl der einzel- nen Behandlungsverfahren, der Empfehlung kleiner Kunstgriffe, nicht weniger aber auch mit gewissen Warnungen (Operationen am Halse) einverstanden sein. Da aber auch hier erst recht das Simplex im eigentlichen Sinne des Wortes das Sigillum veri,`das einzig Wahre sein soll, so wird man immer noch Manches, was sich Jedem in der eigenen Praxis gut bewährt hat, vermissen um eins zu erwähnen, die für den Praktiker sich ausgezeichnet bewährende Sprechstunden- Radikalbehandlung der Hydrocele mittels Ac. carbolicum purum, welche trotz Bruns’scher Empfehlung bei uns viel zu wenig geübt wird. Auch eine schärfere Indikationsstellung zwischen allgemeiner und örtlicher Schmerzaufhebung, einige Unterweisungen über all- gemeine »ÖOrganisation«e einer Operation, Gruppirung der Assi- stenz u. dgl., über das Verhalten bei den unangenehmen Zwischen- ereignissen im Laufe der Operation, venösen Blutungen, unbeab- sichtigten Eröffnungen von Körperhöhlen, welche den Ungeübten so leicht in Schrecken setzen, wären wohl angebracht. Andererseits wird die in dieser Auflage neu eingeführte, den einzelnen Opera- tionen vorangestellte Aufzählung der nothwendigen Instrumente dem Praktiker, welcher ohne viel Zeit zu Überlegungen zu haben, sich rasch zu einem Eingriff bereit machen muss, willkommen sein.

Mit besonderem Interesse dürfte man der Bildausstattung des Werkchens entgegensehen, da gegen die Aufnahme so vieler fremder Bilder in der vorigen Auflage, wie der Autor selbst anerkennt, be- rechtigter Widerspruch erhoben worden ist. Nun, man kann ein ausgezeichneter Lehrer sein und braucht dabei kein guter Zeichner zu sein. Der Autor hat die für ihn sich offenbar ergebende Schwierig- keit dadurch zu umgehen gesucht, dass er die bildlichen Darstellungen in Form photographischer Ansichten gebracht hat. Das Zeugnis, dass er sich die größte Mühe damit gegeben hat, wird man ihm bereitwillig zuerkennen, eben so dass die Gewähr für größte »Natur-

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treue« gegeben ist. Leider ist unsere Technik in dieser Beziehung noch gar zu mangelhaft, und dass der didaktische Zweck auf diese Art erreicht ist, wird man doch nur von einer sehr beschränkten Anzahl der Bilder zugeben können. Der Autor wird nicht umhin können, für die folgende Auflage wiederum einen theilweisen Ersatz für diese Illustrationen zu schaffen, und wenn bei dieser Gelegen- heit noch einige, an sich bedeutungslose, Flüchtigkeiten im Stil ver- schwinden, so wird man derselben erst recht gern entgegensehen. Herm. Frank (Berlin).

3) Zibell. Warum wirkt die Gelatine hämostatisch. (Aus dem pharmakologischen Institut in Greifswald.) (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 42.)

Auf Grund einer großen Zahl von Analysen konnte Z. feststellen, dass die Gelatine als konstanten Bestandtheil im Durchschnitt etwa 0,6% Kalk enthält. Unter Hinweis auf die von Anderen gemachten Versuche, die einen innigen Zusammenhang zwischen Kalk und Blut- gerinnung ergeben hatten, ferner auf die Beziehung des Kalkes zu den Gefäßwänden und den in der Praxis erprobten günstigen Ein- fuss der Kalkpräparate auf Blutungen nimmt Z. an, dass bei ihrer Anwendung als Hämostaticum die Gelatine ihre Leistungsfähigkeit

höchstwahrscheinlich in erster Linie ihrem Kalkgehalt verdanke. Kramer (Glogau).

4) E. Ullmann. Benutzung von Unterhautzellgewebslappen

bei Operationen. (Wiener med. Wochenschrift 1901. No. 46 u. 47.)

Bildet man einen Hautzellgewebslappen, welcher bis zur Fascia in die Tiefe reicht, und trägt man von ihm die Cutis und oberen Coriumschichten ab durch einen möglichst gleichmäßigen der Haut parallelen Schnitt, so vollziehen sich bei genügender Ernährung und Fernbleiben von Infektion an ihm Gewebsveränderungen, welche im Allgemeinen darauf hinauslaufen, dass das Fett schwindet und das Bindegewebe sich schwielig entwickelt. In dieser Verfassung kann ein solcher Lappen dazu dienen, einen künstlichen Pfropf oder einen bindegewebigen Halt zu geben. Der Autor hat ihn besonders brauch- bar befunden bei der Radikaloperation von großen Schenkelbrüchen zum Verschluss der Bruchpforte, welche ja sonst bei diesen Opera- tionen so leicht nachgiebt und zu Rückfällen Veranlassung giebt. 9)mal hat er so operirt und in den 7 nachuntersuchten Fällen, welche alle älter als 2 Jahre waren, vollen Erfolg gefunden. Hier ist der Lappen 6—7 cm lang, 4—5 cm breit mit der Basis am Poupart’schen Band. Das Poupart’sche Band wird unter Abziehung der großen Gefäße am Periost des Schambeinastes angenäht und die Lücke durch den subkutanen Lappen und einen Lappen aus dem Musculus pectineus geschlossen. Für Leistenbrüche hat das Verfahren keinen

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Vorzug vor der Bassini’schen Operation, es empfiehlt sich aber vielleicht zur Radikaloperation der Nabelbrüche. Außerdem hat es sich einmal zur Befestigung der Wanderniere bewährt, die in eine solche bindegewebige Tasche eingehüllt wurde. H. Frank (Berlin).

5) A. Becco (Genua). Sul valore delle suture intradermiche e sottodermiche e di una sutura dermo-ipodermica nascosta. (Giorn. intern. des scienze med. 1901.)

B. fügt den 10 von ihm besprochenen und als unzulänglich erkannten Methoden der intra- und subkutanen Naht eine neue an: Versenkte Katgutknopfnähte, die vom Unterhautzellgewebe nach ein- wärts angelegt werden und deren Knöpfe in der Tiefe der Wunde liegen. J. Sternberg (Wien).

6) Borchhardt. Die Desinfektion unserer Verbandstofe. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Rubner hatte gezeigt, dass Dampf, auf verschiedene Objekte wirkend, ganz ungleiche Resultate zeitigen kann. Wenn er z.B. mit Wolle experimentirte, so zeigte sich, dass dann in der Wolle in wenigen Minuten eine Temperatur von 114— 115° erreicht wurde, während der Dampf sich nicht über 99,6—99,8° erhob. Wurde der Dampf gar über Wolle geleitet, welche auf 88° vorgemerkt war, so stieg das Thermometer in der Watte schon in 10 Minuten bis auf 134°. Eine Übertragung dieser Ergebnisse auf das übliche Desinfektions- verfahren nach Schimmelbusch würde zur Annahme führen, dass wir mit überhitztem Dampf sterilisiren; und da dieser letztere gegen- über dem gesättigten Dampf für das Verfahren minderwerthig ist, so würden unsere Desinfektionsapparate ungenügend sein. In diesem Sinne hat nun Braatz die Experimente Rubner’s nachgemacht und erklärt, dass in unseren Desinfektionsapparaten thatsächlich über- hitzter Wasserdampf vorhanden sei, und dass vor allen Dingen die Vorwärmung zur Herabsetzung des NDesinfektionswerthes beitrage. Zwar würde der ganze Inhalt der Apparate nicht vorgewärmt, sondern nur die Randpartien; aber deren ungenügende Keimfreiheit müsste zur Zurückweisung solchen Verbandmaterials führen. B. unterwirft nun die 23 von Braatz aufgestellten Behauptungen einer Nach- prüfung, was bei der Bedeutung der ganzen Angelegenheit gewiss verdienstlich ist. Im ersten Theil seiner Arbeit beschäftigt ihn die Frage, ob und unter welchen Umständen bei der Desinfektion der in der chirurgischen Praxis gebräuchlichen Stoffe mit Wasserdampf eine Überhitzung des Dampfes zu Stande kommt. Im zweiten Theil soll die Frage entschieden werden, ob es in unseren Apparaten bei dem bisherigen Desinfektionsmodus überhaupt zur Überhitzung des Dampfes kommt, und wie es sich mit der Wirkung der Vorwärmung verhält.

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Für die Lösung des ersten Theils der Aufgabe ward ein Ver- suchsapparat nach Braatz konstruirt. So hohe Temperaturen wie Letzterer hat B. nie erhalten, den beträchtlichen Unterschied führt er auf die Überhitzung der Metallwände bei Braatz zurück. Ferner fand er, dass die Überhitzung des Dampfes in vorgewärmter Watte nicht allein auf hygroskopische Wirkung zurückgeführt werden kann, sondern dass daneben noch komplicirte chemische Processe eine Rolle spielen, welche bei Einwirkung des Wasserdampfes auf das vorgewärmte Objekt ausgelöst werden. In Watte, die auf 40— 60° vorgewärmt ist, kommt keine Überhitzung zu Stande. Dieselbe zeigt sich erst bei einer Vorwärmung auf 70°. Gaze und Zellstoff zeigten der Watte gegenüber geringe Unterschiede. Eine schädigende Über- hitzung des Dampfes kommt auch bei ihnen erst nach Vorwärmung auf 65—70° zu Stande. Ferner ist allen 3 Stoffen gemeinsam, dass sie es nicht zu einer Überhitzung des Dampfes kommen lassen, wenn sie nass in den Desinfektionsraum gebracht werden. Gaze erhitzt sich allerdings auch ohne Vorwärmung, aber diese Überhitzung ist selbst bei Vorwärmung bis zu 60° so mäßig, dass die Desinfektion nicht darunter leidet.

Im zweiten Theil der Arbeit zeigt Verf. an einer Reihe von Versuchen, dass in den Lautenschläger’schen Apparaten die Vor- wärmung nie so groß wird, dass sie zur Überhitzung führt, und zwar auch nicht in den Randpartien. Seine Ansicht geht dahin, dass die genannten Apparate durchaus auch heute noch alle die Bedingungen erfüllen, die wir für die Sterilisation beanspruchen, dass nämlich der Dampf von oben her einströmt, dass ein geringer Überdruck in dem Apparat herrscht, und dass ferner eine gewisse aber nicht zu starke Vorwärmung möglich ist. Diese Vorwärmung muss eine stärkere Kondensation und dadurch bedingtes Durchnässtwerden der Stoffe verhindern; auf der anderen Seite darf sie nicht zur Über- hitzung des Dampfes führen. Besondere Trockenvorrichtungen müssen überflüssig sein. Es ist daher nicht nöthig, unsere Des- infektionsweise zu ändern. Allerdings muss man dazu die vom Verf. modificirten Schimmelbusch’schen Trommeln benutzen, in denen dem Princip Rechnung getragen ist, dass der Dampf oben ein- strömen und die Luft unten leicht ausweichen kann. Sie bestehen aus einem siebartig durchlöcherten Metallrumpf, einem Deckel mit seitlichen Löchern, die durch einen drehbaren Ring verschlossen werden können, und einem doppelten Boden, von denen der innere mit vielen Löchern versehene 2 cm oberhalb des massiven Bodens steht; zwischen diesen beiden Böden ist also ein Luftraum, der wiederum durch einen verschiebbaren durchlöcherten Ring mit der Außenluft in Kommunikation steht oder von ihr abgeschlossen werden kann. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

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7) V. Schmieden. Klinische Erfahrungen über Vioform. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 552.)

Das von Tavel als Wundantisepticum empfohlene Vioform ist von Schede einer ausgedehnten klinischen Prüfung unterzogen, die es, wie wir hier erfahren, sehr gut bestanden hat, so dass das Mittel weitere Allgemeinbeachtung verdient. Es wurde meist in Gestalt von Vioformgaze gebraucht, die folgendermaßen hergestellt wurde. 10 g Vioform werden mit 50 g Alkohol zu einem Brei zusammen- gerührt. Hierzu werden 500 g Wasser gefügt, in welchem 10 g Zucker und 25 g Glycerin gelöst waren. In diese das Mittel in seiner Ver- theilung enthaltenen Mischung werden Mullbinden gelegt, etwa 10 Stück, von 12 cm Breite und 5 m Länge. Dieselben saugen die Flüssigkeit völlig auf und sind, nachdem sie ca. 12 Stunden lang an einem warmen Ort getrocknet und sterilisirt wurden, gebrauchs- fertig. S. kann dem Vioform folgende Vortheile nachrühmen: 1) Es wirkt antibakteriell. Dies ist namentlich an der völligen Geruchslosigkeit lange Zeit in Wunden verbliebener Vioformgaze- tampons erkenntlich. Gelegenheit dies oft zu beobachten, gaben insbesondere die Tamponaden nach Hüftresektionen so wie nach Nephropexien, die durchschnittlich 11/2 bis 2 Wochen liegen gelassen wurden. Auch verhielten sich die Wundflächen nach Ausrottung tuberkulöser Herde eben so schön, wie bei Jodoformbehandlung; jedoch ist Schede für die konservative Behandlung von Tuber- kulosen mittels Injektion dem Jodoform treu geblieben. 2) Intoxika- tionen wurden nie gesehen. 3) Das Mittel ist fast geruchlos. 4) Es macht kein Ekzem, eignet sich vielmehr zur Behandlung dieses Übels und 5) befördert es ähnlich dem Jodoform die gute Granula- tionsbildung und hat auch bei Anwendung der Gaze einige blut- stillende Wirksamkeit. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

8) Borchardt. Über Lumbalhernien und verwandte Zustände. (Berliner klin. Wochenschrift 1901. No. 49 u. 50.)

Die Sektion eines in die v. Bergmann’sche Klinik wegen Ge- schwulst in der linken Lendengegend aufgenommenen Kindes, bei dem die Diagnose auf Lumbalhernie gestellt wurde, ergab, dass es sich nicht um eine Hernie handelte. Man fand vielmehr eine um- schriebene Ektasie der Bauchwand. Dieser Befund giebt B. Ver- anlassıng, darauf hinzuweisen, dass diese hernienartigen Ektasien der Bauchwand, die er als Herniae spuriae oder Pseudohernien be zeichnet, und die auf eine Schwäche und Atrophie der Muskulatur zurückzuführen sind, streng von den echten Lumbalhernien getrennt werden müssen, weil die letzteren einer operativen Therapie zu- gänglich, die ersteren konservativ zu behandeln sind. Als differential- diagnostisch wichtige Symptome für die Pseudohernie führt er an: 1) Das Fehlen eines scharf begrenzten Bruchringes und 2) die Größe der Geschwulst, welche der Bauchwand breitbasig aufsitzt. Die

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bisher in der Litteratur beschriebenen 54 Fälle von Lumbalhernien hat B. einer kritischen Besprechung unterworfen und die Unsicher- heit unserer Kenntnisse über diese Bruchform betont, die in der geringen Anzahl der Sektionen und der Autopsien am Lebenden und in den komplicirten anatomischen Verhältnissen eine Erklärung findet. B. kommt zu dem Schluss, dass nach den bis jetzt vor- liegenden Erfahrungen die echten angeborenen Lumbalhernien nur in Folge von komplicirten Defektbildungen der Rippen und der Bauchmuskulatur zu entstehen scheinen. Langemak (Rostock).

9; W. J. v. Stockum. De diagnose der Ileus-gevallen. (Geneesk. Bladen 1901. No. 6.)

In dieser 42 Seiten großen Arbeit versucht v. S. dem praktischen Arzte einen Überblick zu geben über die verschiedenen Schwierig- keiten bei der Diagnose des Ileus. Er giebt dazu nach Aufführung der Ätiologie eine detaillirte Beschreibung des klinischen Bildes, wie es sich vorfindet bei der mechanischen und bei der dynamischen Form. Bekanntlich sind diese streng von einander zu unterscheiden, indem bei der ersteren eine wirkliche Unwegsamkeit im Darmlumen besteht, bei der letzteren dagegen nur durch eine reflektorische Darmparalyse die Erscheinungen hervorgerufen werden. So wird ein Fall Kocher’s erwähnt, wo eine Netzeinklemmung Ursache war. Auch entfernter gelegene Entzündungsherde, wie z. B. in der Pleura, scheinen in Betracht zu kommen. Die gewöhnlichste Ursache ist aber die Peritonitis, und hiermit ist gleichzeitig gesagt, dass, als Regel wenigstens, bei dem dynamischen Ileus eine interne Behand- lung mit Opium indicirt ist, während im Gegentheil bei der mecha- nischen ausnahmslos nur das Messer Hilfe bringen kann.

Eben so wichtig in vielen Beziehungen ist aber auch die Ein- theilung des mechanischen Ileus in seine beiden Formen: den Obturationsileus und den Strangulationsileus. Es ist, wie Verf. aus- führt, die mangelhafte Beachtung der Erscheinungen dieser beiden Kate- gorien, die zu vielen Kontroversen Anlass gegeben hat. So kommt er bei der Beschreibung des klinischen Symptomenbildes dazu, Mei- nungen zu bestreiten, die vielerseits als allgemeingültig angenommen sind. Indem den Sachkundigen diese besonders interessiren werden, mögen sie kurz aufgeführt werden.

So erklärt sich Verf. gegen die landläufige Annahme, dass bei dem Obturationsileus nach einer Periode vermehrter Darmperistaltik Parese, ja schließlich Paralyse des Darmes entsteht (speciell Er- schöpfungsparalyse).. Nach v. S. kann bei derartigen Zuständen der Darm nur hypertrophisch werden und bedeutend größere Kraft ent- falten als normal, eine Parese oder Paralyse aber nie entstehen. Be- sonders beweisend ist für ihn folgender Fall aus seiner Praxis.

Ein 14jähriger Bursche hatte nach einer Verwundung durch das Horn `eines Ochsen unter dem Lig. Poup. eich ‚einen Bruch zugesogen, dessen Inhalt, wie

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nachher bei der Operation festgestellt werden konnte, aus einer Darmechlinge bestand, die ohne Bruchsack nach anßen getreten und hier mit der Haut ver- wachsen war. Beiläufig 2 Jahre später erschienen die Zeichen eines Darmrer- schlusses: aufgetriebener, aber weicher Bauch, fortdauerndes kothiges Erbrechen, Kolikanfälle, wobei auch der eigroße, sonst weiche und bequem eindrückbare Bruch an Umfang zunimmt und auch hart wird. Die Operation bei dem sum Äußersten abgemagerten Pat. ergab, dass das abführende Darmstück durch Narben- gewebe vollständig geschlossen war. Sie bestand einfach aus der Anlegung einer Darmfistel. Aus dieser Darmöffnung floss in den ersten Stunden eine große Menge Inhalt nach außen. Trotzdem starb Pat. bald danach in Collapse.

Nun glaubt Verf. aus diesem Falle folgern zu dürfen, dass, wenn das centrale Darmstück, das außerhalb des Bauches gelagert war, insufficient (-paretisch) gewesen wäre, es sich unmöglich, eben dem intraperitonealen Drucke entgegen, gleich entleert hätte.

Diese Interpretation ist indess die rein subjektive des Autors; für Andere wird gewiss die erhöhte Gasspannung genügen, die Aus- treibung aus einem im gewissen Maße starrwandigen und fixirten Rohre zu erklären.

Bei der Besprechung des Strangulationsileus wird der central vom Hindernis gelagerte Darmtheil als ganz unbeweglich und gedehnt (lokaler Meteorismus von v. Wahl) beschrieben und betont, wie diesem Zustande nicht eine Erschöpfungsparalyse (Reichel), noch Anhäu- fung von Darminhalt (Kocher) zu Grunde liegen kann, da derartige Veränderungen bei dem Obturationsileus ausnahmslos fehlen, dagegen die Einklemmung des Mesenteriums dafür verantwortlich gemacht, die ihrerseits den Darmtheil, wahrscheinlich reflektorisch, durch Rei- zung der Mesenterialnerven in eine Art von »erhöhtem Tonus« oder »Spasmus« versetzt. Übrigens meint Verf. dass dieser Meteorismus keine Regel, sondern Ausnahme ist, und findet so die bei den Pub- lıkationen verschiedener Chirurgen besonders betonten Fälle, wo die Ausdehnung des Darmes fehlte, sehr gut erklärlich.

Einige Krankengeschichten, die diesen theoretischen Anforde- rungen so ziemlich genügen, werden bei der Besprechung einer jeden Kategorie mitgetheilt.

In dem letzten Theile der Arbeit dagegen wird an der Hand einer Anzahl Fälle gezeigt, wie in praxi die Unterscheidung dieser beschriebenen Formen großen, ja unüberwindlichen Schwierigkeiten unterliegt, besonders dadurch, dass sich verschiedene Arten kom- biniren, nicht allein durch später hinzutretende Peritonitis, sondern schon von Anfang an, wie das fast die Regel bei der Einklemmung durch relativ weite Schlinge. Hier kombiniren sich die Erschei- nungen der Strangulation vielfach mit denen der Obturation. Dasselbe gilt von der Invagination. Bei bestehenden peritonitischen Verwach- sungen, bei tuberkulösen Peritonealveränderungen kann selbst die Unterscheidung des mechanischen vom dynamischen Ileus ihre Schwierigkeiten haben.

Inzwischen kann doch oft genug die für die Praxis wichtige Unterscheidung gemacht und eine rationelle Therapie eingestellt

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werden. Ist erstere nicht der Fall, so empfiehlt Verf. ohne Verzug zu laparotomiren. 6. Th. Walter (s’Gravenhage).

10) G. Naumann. Chirurgisch-kasuistische Beiträge zur Run des akuten Darmverschlusses durch Meckel’sches

Divertikel. Inaug.-Diss., Leipzig, Bruno @eorgl, 1901.

An der Hand zweier von Prof. Friedrich beobachteter Fälle und unter sorgfältigster Berücksichtigung der gesammten einschlägigen Litteratur schildert Verf. die Symptomatik dieser Art von Ileus. |

Das Meckel’sche Divertikel findet sich am Dünndarm fast aus- schließlich 30 bis höchstens 90 cm oberhalb der Valvula Bauhini. Dem entsprechend sind für beginnenden Divertikelileus charak- teristisch Schmerzen, Resistenz, Dämpfung in der Nabelgegend bei Fehlen perityphlitischer Erscheinungen und ferner Hervortreten der Kontouren einzelner Darmschlingen im mittleren Umfang des Leibes; galliges Erbrechen, das erst später kothig wird.

Als unterstützende anamnestische Momente können dienen Alter, Geschlecht, gleichzeitig vorhandene andere Missbildungen und wieder- holt beobachtete Anfälle beängstigender Verstopfung.

Verf. glaubt, dass bei Beobachtung dieser Symptome die Dia- gnose häufig früher und sicherer gestellt werden kann und sich so die bisher keineswegs günstigen Öperationsresultate wesentlich ver- bessern lassen. Coste (Straßburg i/E.).

Kleinere Mittheilungen.

il) Französischer Chirurgenkongress. 21. bis 26. Oktober 1901. (Revue de chir. 1901. No. 11.)

Chirurgie der Milz.

Fevrier (Nancy). Rupturen der Milz werden, wenn das Organ klein und beweglich, die Verletzung nicht zu groß ist, wo möglich genäht; sind sie ausgedehnt, das Organ zertrümmert, ist Splenektomie vorzuziehen; die Tamponade in Fällen von ausgedehnten Verwachsungen; ev. kann die Unterbindung des Stieles er- forderlich sein.

Man legt die Milz durch mediane Laparotomie frei.

Die Diagnose der Milzruptur wird bei Berücksichtigung aller Faktoren meist su stellen sein: Kontusion, Schmerz im linken Hypochondrium, Zeichen der inneren Blutung, starre Kontraktur der Bauchdecken, Retraktion des Penis und Hodensacks beim Manne (Trendelenburg) sind die Hauptzeichen. Fällt die Mils bei Verletsung der Bauchwand vor, wird sie zweckmäßig entfernt. Bei Leuk- imie nicht zu empfehlen, dagegen berechtigt bei großen Milsgeschwülsten in Folge von Sumpffieber, wobei der therapeutische Effekt nicht auf Heilung dieses, sondern auf Befreiung der Kranken von der Geschwulst und der durch sie be- dingten Störungen absielt. Bei vorgeschrittener Prostration und zu starken Ver- waehsungen ist die sonst nicht zu ungünstige Operation (86 Fälle mit 15 + = 17,4%) kontraindiecirt.

Die Wandermils und ihre Stieltorsion geben für F. etwa folgende operative Indikationen ab:

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Bei normaler Größe und Konsistenz möge man das lose Organ fixiren, intra- oder extraperitoneal. Welcher von beiden Methoden der Vorrang gebührt, lässt sich zur Zeit noch nicht entscheiden. Die abnorm große und veränderte Wander- milz mag entfernt werden.

Die Stieltorsion der Wandermilz ist bisher etwa 21mal operirt worden (13 $;; in den letzten 10 Jahren mit besserem Erfolg (13 mit 3 +). Dies wird noch besser werden, wenn das Ereignis früher erkannt, die Operation früher vorgenommen werden kann.

Aus der Besprechung der übrigen Milzerkrankungen seröse und blutige Cysten, Echinokokken, idiopathische Vergrößerung, Tuberkulose, Abscesse braucht nichts besonders hervorgehoben zu werden.

In der anschließenden Diskussion macht

Tedenat (Montpellier) einige Bemerkungen über Diagnose und Behandlung der Milzechinokokken. Nach ihm ist das »Schwirrene nur ausnahmsweise, Fluk- tuation meist nachzuweisen. Probepunktion ist gefährlich, da Magen oder Därme vorgelagert seien und angestochen werden können. Auch die Behandlungsweise mittels kapillarer Aspiration und nachfolgender Injektion abtödtender Flüssigkeiten ist gefahbrvoll, und Recidive sind danach häufiger als nach Splenektomie.

Gerard-Marchand hat einen Fall von Ektopie der Milz mit Cystenbildung beobachtet und operirt, wo sich der Inhalt mehrfach unter schweren Symptomen spontan in den Bauch entleert hatte.

In einem Falle von Malariamilz, den Pothe&rat operirt hat, war Lierstocks- geschwulst diagnostieirt worden.

Leont& (Bukarest) berichtet über seine Erfahrungen an 12 Splenektomien (10 wegen Malaria, 2 wegen Wandermilz) und 4 Milzcysten. Seine Technik weicht von der üblichen in so fern ab, als er linksstehend an der linken Bauchseite ein- schneidet. Dann orientirt er sich über die Verwachsungen, die, so weit möglich, gelöst werden; ev. wird sofort der Stiel aufgesucht, die Arterie unterbunden, die Mils durch Kompression vom Blut befreit, dann auch die Vene unterbunden. Erst jetzt Durchtrennung der stärkeren Verwachsungen, wobei die lästige Blutung wegfällt. Ist das Organ entfernt, werden die Gefäße nochmals einzeln versorgt. L. hatte bei seinen 12 Ektomien 4 Todesfälle. Er operirt nur bei chronischer Malaria und ist von den Erfolgen sehr befriedigt; auffallend ist die starke Ver mehrung der rothen Blutkörperchen (nach 2 Jahren in einem Falle 6500000!).

Delage&niöre (Mans) hat einmal die Naht der Milz wegen Messerstichrer- letzung ausgeführt.

Villar (Bordeaux) spricht zur Exosplenopexie, die bisher 6mal ausgeführt sel, mit 2 tödlichen Erfolgen. Die übrigen, meist kasuistischen Mittheilungen, betreffen 1) Schussverletzung der Milz, durch Tamponade geheilt (Weiß, Nancy); 1 mit Fibrin gefüllte Cyste der Mils (Routier); Perisplenitis und Abscess (Lejares); Milgruptur mit tödlicher Blutung, verkannt wegen gleichzeitigen Schädelbruchs (Reyn&s, Marseille); tödliche Zerreißung einer Malariamilz durch relativ ge- ringes Trauma (Moty); plötzlicher Tod nach Splenektomie (Faure); quere per- pleurale Splenektomie wegen Messerstich (D&mons, Bordeaux).

Behandlung tuberkulöser Drüsen.

Broca (Paris. Neben der allgemeinen Behandlung Ernährung, Medikation, Aufenthalt an der See kommen örtlich Injektionen, Ausschabungen und FEinukleation bezw. Exstirpation des ganzen erkrankten Gebietes in Betracht.

B. hält sich im Allgemeinen an folgende Indikationen: 1) Nichteiternde Drüsen sollen nur bei lymphomatöser Form exstirpirt werden. 2) Einzelne harte und käsige Drüsen können mit Injektion behandelt oder exstirpirt werden; bei Konglomeraten dieser Form ist die Exstirpation vorzuziehen. 3) Für subkuten eitern)e Drüsen eignet sich vornehmlich die Injektion; beruht die Eiterung auf Mischinfektion, greift B. zur Incision und Ausschabung. 4) Besteht Fistelbildung

un. Verkäsung größerer Drüsenpackete, kann nur die Exstirpation Heilung her- beiführen.

Centralblatt für Chirurgie. No. 9. 263

Bei dieser Operation am Halse legt B. zunächst die Gefäße frei, um sorglos operiren su können. Nach Excision alles Erkrankten wird die Wundhöhle mit Chlorsink 1:10 ausgetupft; B. berechnet hiernach 50—60% Heilungen.

Die Diskussion beschäftigt sich vorwiegend mit der Indikationsstellung opera- tirer Eingriffe und einigen technischen Details.

In mehr konservativem Sinne für Injektionen z. B. sprechen sich aus Demons (Bordeaux), welcher nur bei Erwachsenen exstirpirt, Reynier (Paris), der die Exstirpation für gefährlich hält. Ferner Thiery (Paris), Calot (Berck- sur-mer) und Andere.

Duret (Lille) greift sur Exstirpation bei größeren Konglomeraten. Er hat einmal Luftaspiration mit Collaps ohne nachfolgenden Tod beobachtet; sofortige Tamponade verhinderte weiteren Lufteintritt.

Boeckel (Straßburg) hat von 470 seit 1892 Operirten 4 verloren: 1 durch Nachblutung; 1 durch Hirnblutung; 1 Sepsis; 1 Albuminurie. Er verwirft das Ausschaben.

Chenieux (Limoges) operirt jede lokale, nicht durch andere ausgedehnte (Lungen-) Affektionen komplicirte Tuberkulose.

Mauclaire (Paris) weist hin auf die mitunter ephemer auftretenden Drüsen- schwellungen am Halse; man soll sie in Ruhe lassen. Drüsen, deren Schwinden nicht zu erwarten ist, soll man entfernen; liegen sie tief, nach vorausgehender Unterbindung der Ven. jugul.

Ménard (Berck-sur-mer) hat die V. jug. 3mal verletzt und eine Klammer 48 Stunden liegen lassen. Am Meere können große Drüsen wenn auch oft sehr langsam zurückgehen, nur nicht vereiternde. Er hat einen Fall von Ver- giftung nach Naphtholkampherinjektion gesehen.

Coudray (Paris) empfiehlt die Injektionstherapie; bei Eiterungen nahe am Durchbruch zieht er mit Vorliebe eine Borste durch.

Péraire (Paris) ist von den Injektionen gurückgekommen; wenn die medika- mentöse Therapie nicht den Schwund herbeiführt, operirt er.

P. Delbet (Paris) weist auf rein entsündliche Drüsenschwellungen hin, die nicht tuberkulöser Natur, sondern der Ausdruck irgend eines benachbarten Ent- zündungsprocesses sind. Bei einer Exstirpation tuberkulöser Drüsen der Leiste die ziemlich blutig war hat er das Bauchfell eröffnet ohne Nachtheil für den Pat.

L. Championniere (Paris) scheut >les grandes mutilations« der häufigen Recidive wegen. Es reibt mit grauer Salbe ein, giebt Jodkali und injieirt nicht Naphthol; daran wäre ihm ein Kranker beinahe gestorben, sondern Jodo- formvaseline.

Broca (Paris). Schlusswort: Die Operation der tuberkulösen Drüsen ist das radikalere und schnellere Heilverfahren und kommt wesentlich bei den armen Klassen in Verwendung. Das Meer ist jedoch wie Ménard und Calot zu- geben auch bei den Reichen keine Panacée. Die Dauerklemme nach Ménard, die Prăventivunterbindung der Vene nach Mauclaire verwirft er, eben so das Haarseil von Coudray. Bicher hafte der Operation der Vorwurf häufiger Reci- dive an; immerhin bringe sie 50—60% der Kranken schnelle Dauerheilung.

Moty (Année). Infection purulente atténuće ou staphylhémie subaigu ë.

Der Furunkel ist der Ausdruck lokaler Infektion durch direktes Eindringen der Kokken; Muskelabsoesse. bei Erwachsenen häufiger als Osteomyelitis, und diese sind in Parallele zu stellen, und Infektionen vom Blute aus. Abgeschwächte Kokkeninfektionen sind häufig, wie überhaupt die Erkrankung alle Grade der Intensität darbieten kann.

Reverdin (Genf). Épithéliome calcifié, opéré et récidivé. Diese Geschwulstform, von welcher 53 Fälle veröffentlicht sind, ist im Allge- meinen gutartig; nur zwei Recidive sind beschrieben. Nacken, Hals und Schläfe,

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Gegend der Wimpern und Augenbrauen sind bevorgugt. Wahrscheinlich be- dingen Epitheleinschlüsse ihr Entstehen.

Tuffier (Paris. Le cytodiagnostie et Phémodiagnostic en chirurgie.

Die Blutuntersuchung kann differentiell diagnostisch wichtig sein bei der Unterscheidung zwischen Appendicitis und Typhus: bei der ersten sind die Leuko- cyten bekanntlich sehr vermehrt, bei Typhus abdom. vermindert. Auch bei der Beobachtung der Sarkome und Carcinome ist die Bestimmung der Leukocyten- mengen von klinischer Bedeutung, so wie endlich bei der prognostischen Be- urtheilung von Schädelbrüchen die Untersuchung des Liquor cerebrospinalis.

P£raire (Paris. Note sur deux mille anesthésies générales par le chloroforme.

Seine Methode der ə»doses fractionnées (faibles et continues)« ist leider nicht beschrieben, entspricht wohl der Tropfmethode. P. hat einen Todesfall erlebt bei septischer, ausgebluteter Frau, 1/2 Stunde nach beendeter Operation. Im Übrigen giebt er Chloroform auch bei Herg- und Lungenleiden. Völlige Entspannung der Muskeln, völliges Erlöschen der Empfindung. regelmäßige Athmung sind die einzigen Anzeichen, nach welchen die Verabreichung des Chloroforms sich richtet.

Diskussion. L. Championnière ist überzeugt, dass die moralische Vor- bereitung sehr wichtig für die Chloroformnarkose ist; auf Drossner’s Empfeh- lung hat er das Einschläfern unter Musik versucht; es scheinen die schreckhaften Empfindungen schneller zu schwinden.

Malherbe (Paris). Sur l’anesth&sie générale par le chlorure d’6thyle.

M. rühmt dem Chloräthyl folgende Vortheile nach: 1) geringe Dosen ge nügen zur völligen Resolution (2—4,0). 2) Sie tritt vor Ablauf einer Minute ein, ohne Cyanose, Erregung, Kontraktionen und starke Sekretion hervorzurufen. 3) Unfälle sind nicht zu befürchten; die Kranken erwachen schnell. Man ist im Stande, durch wiederholte kleine Gaben die Narkose für 15—20 Minuten zu unter- halten, ev. mittels Chloroform fortzusetzen.

Villar (Bordeaux). Quelques faits de rachicocainisation.

Auf Grund von 79 Injektionen spricht V. sich sehr befriedigt über die Me- thode aus, und hält sie für ungefährlich; in der letzten Zeit benutzte er bei 120° sterilisirtes Cocain.

Diskussion. Guinard (Paris) macht das Wasser als Lösungsmittel des Cocains fūr die unangenehmen Erscheinungen verantwortlich und bedient sich folgender Technik: ist die Nadel im Duralraum, lässt er 60—80 Tropfen Liquor in einen sterilen’ Recipienten fließen, setzt etwa 0,03 steriles Cocain dazu und in- jieirt. 50mal hat er dies Verfahren angewendet und bisher nie nöthig gehabt, gegen unliebsame Störungen Mittel zu reichen.

Chipault. La méthode épidurale.

Der analgetische Werth ist gering und für chirurgische Zwecke nicht aus- reichend; hingegen können die epiduralen Injektionen sehr wohl bei schmershaften Leiden der Nerven (Kompression der Medulla durch Mal. Pottii, Carcinome) ver- wendet werden.

Letoux (Vannes). Quatre observations de tétanos.

Folgende Theorie leitete L. bei seinen Versuchen, das antitetanische Serum direkt in die Hirnsubstanz zu bringen: Das Serum kann die bereits vom Tetanusgift ergriffenen Zellen nicht mehr heilen, sondern wirkt nur immunisirend auf die noch nicht vergifteten; daher ist es nöthig, früh und viel su injiciren. L. berechnet für jede Hemisphäre 10 com. 4 Kranke hat er retten können. (Leider fehlt jeder Hinweis auf Technik und Krankengeschichte! Ref.)

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Delangre (Tournai). Premiers resultats éloignés de l'inclusion de la vaseline dans les tissus.

Bereits vor den Veröffentlichungen Gerhuzy’s (sic!) am 20. December 1899 hat D. sich sur Ausgleichung einer Narbeneinsiehung der Vaselininjektion bedient. Neben der Bildung subkutaner Prothesen (von 17 sind ihm 3 vereitert bei skrofulösen Individuen) sind auch lineare Vesicovaginalfisteln der Behandlung mittels Paraffininjektion zugänglich.

Cazin (Paris) Névrite des moignons d’amputation.

Zur Heilung hartnäckigster Neuritis des Amputationsstumpfs hat eine Kranke, der wegen Phlegmone der rechte Vorderarm hatte amputirt werden müssen, im Laufe von 4 Jahren nicht weniger als 9 weitere Eingriffe in Narkose überstanden. Die letzte, hohe Amputation des Oberarms mit weit hinaufreichender Entfernung der Nervenstämme, hat vorläufig eine lange Zeit der Ruhe geschaffen.

Dewèvre (Dunterque) L'action du venin de la vive sur le tissu osseux.

Das Gift dieses Seefisches erzeugt bei einiger Tiefe des Stiches nicht nur Konochenpanaritien, sondern z. B. bei Verletzung der Hohlhand centrifugal fort- sehreitende Nekrose und Knochenschwund. Es ist desshalb nach geschehener Verwundung sofortiges tiefes Spalten und Reinigen angeseigt.

Bousquet (Clermont-Ferrand). Quelques observations de trauma- tismes ayant nécessité une intervention chirurgicale.

Wahrscheinlich handelt sichs um Schädelverletzungen! Je später nach solchen ein operativer Eingriff zur Beseitigung centraler Störungen ausgeführt wird, um so unsicherer ist der Erfolg. Hat man bei Kopfwunden bezw. Verletzungen Grund zur Annahme, dass der Schädel betheiligt sei, solle man sofort die Situation völlig klären und ev. trepaniren.

Et. Vidal (Perigneux). Épilepsie généralisée avec compression cerebrale, diagnostiqu&e par le nitrite d’amyle. Tumeur fibreuse de la dure-mère; ablation, guérison opératoire et thérapeutique.

Bei sonst durchaus gesundem Mädchen trat Epilepsie auf; Medikamente übten keinerlei Einfluss; hingegen löste Einwirkung von Amylnitrit sofort einen schweren Anfall aus. Hierdurch war die Diagnose der Kompression gesichert. Da leichte Zuckungen zuerst auf der linken Seite beobachtet wurden, rechtsseitige Hemikraniektomie: sehr weit nach vorn von der motorischen Zone (rechter Stirn- lappen) wurde ein kleines gestieltes Fibrom der Dura entdeckt und entfernt. Die Blutung der Diplo& stand prompt unter Benutzung von 10%iger Gelatinelösung. Während 5 Monaten keine Anfälle.

Peugnez (Amiens). L’intervention cränienne d&ecompressive dans l’epilepsie traumatique.

P. trepanirte einen Kranken, der im Anschluss an eine Kopfverletzung von Epilepsie befallen wurde: er fand eine lokale Meningitis, deren Herd resecirt wurde. Trotz verwachsener, eingezogener Narbe ist Pat. von seinen Anfällen befreit worden. Auch P. bedient sich der Gelatine zur Hämostase.

Diskussion. L. Championnitre warnt vor zu früher Annahme der Heilung von Epilepsie; er hat einen Fall erlebt, wo 10 Jahre lang keine Anfälle da waren, und doch wieder aufgetreten sind. Chipault hält die chirurgische Therapie der Epilepsie für zwecklos; er hat nur Rückfälle gesehen. IL. Championnitre: Obgleich die Erfolge ungenügend seien, schafft man durch die Operation dem Kranken Linderung und solle daher unbedenklich operiren. Andererseits möge man kein Triumphgeschrei erheben, wenn eine kurze Zeit lang keine Anfälle mehr eingetreten sind.

Villar (Bordeaux) Procédés opératoires pour l’ablation du ganglion de Gasser.

V. hat durch Leichenversuche sich ein Urtheil über den Werth der einzelnen Methoden zu verschaffen gesucht und fand, dass die temporo-basale Methode mit

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großem Hautlappen das beste Licht und die größte Sicherheit gewähre; er em- pfiehlt die regelmäßige Unterbindung der Meningea med. vor ihrem Eintritt is den Schädel.

Peugnez (Amiens). Un cas de résection du ganglion supérieur du sympathique cervical pour glaucome hémorragique.

Die Hypertension ist einer Hypotension gewichen, so dass P. die Atrophie des Bulbus befürchtet; er räth zur Reserve bez. der Operationen am Sympathicus, dessen Physiologie noch so unzureichend aufgeklärt sei.

Gangolphe (Lyon). De la résection du trépied orbitaire dans la chirurgie de lorbite et de la face.

Die Resektion des Jochbeins eröffnet den Zugang sur Schläfengrube, zur Gegend des Pterygoides, zur Augenhöhle; sie gestattete ihm die Exstirpation eines Sarkoms an der äußeren Wand der Orbita und den Ersats eines Augenlides nach Epitheliomoperation.

Diskussion. Morestin hat sich dreimal dieser Resektion sehr vortheilbaft bedient. In einem Falle bestand noch 18 Monate später keine Deformation.

Morestin (Paris). Traitement opératoire du lupus, exstirpation des l&Esions et autoplastie.

M. bedauert, dass die Exstirpation des lupösen Gewebes noch nicht allgemein genug ausgeführt werde: sie ist radikal und giebt die besten Narben, die geringere Entstellung. Die Defekte schließt er autoplastisch (Lappenbildung) und greift nur ausnahmsweise gu Thiersch’schen Transplantationen.

Diskussion. Jourdan (Marseille) hat 8mal ohne Recidiv operirt. Die Miss- erfolge vorausgegangener Therapie lassen die Uberlegenheit der Exstirpation mit folgender Plastik im schönsten Licht erscheinen.

Faure (Paris). Traitement de la paralysie faciale d'origine trau matique par l’anastomose spino-faciale.

Die vor 3 Jahren von F. empfohlene Anastomose des Facialis mit dem Acces- sorius hat bisher noch wenig Nachahmung gefunden, obgleich Manasse mikro- skopisch nachgewiesen hat, dass die Achsencylinder der beiden anastomosirten Nerven in einander hinein wachsen. R. Kennedy in Glasgow hat mit Erfolg eine Kontraktur der Facialismuskeln in der von M. angerathenen Weise behandelt, indem er den durchtrennten Stumpf des Facialis mit dem seitlich angefrischten Acces- sorius vereinigte. Die seitliche Aufpfropfung setzt natürlich voraus, dass des periphere Facialisende ohne Zerrung bis an den Accessorius gebracht werden kann.

Girard (Bern). De lurano-staphylorraphie.

Nach seinen Erfahrungen an 69 Kranken spricht G. sich für die einseitige Operation im frühen Alter aus; er hat nur 1 Todesfall (Kind von 6 Jahren, an- geblich Jodoformintoxikation). Bestimmend für die Frühoperation ist ihm der bessere phonetische Effekt. Er näht entweder fortlaufend mit dünner Seide oder durch Knopfnähte mit doppelt armirtem Metalldraht. Wachsthumsstörungen sind nicht der Frühoperation zuzuschreiben und lassen sich vermeiden.

Diskussion. Ehrmann (Mülhausen) zeigt Abgüsse von Kiefern vor, die im Wachsthum zurückgeblieben sind; sie stammen nur von frühzeitig operirten Kindern.

Moure (Bordeaux) De la suture immédiate des voies aëriennes.

M. empfiehlt, nach Laryngofissur wegen Fremdkörpern und Geschwülsten so wie nach der Tracheotomie aus gleichen Grūnden die sofortige Schließung der Wunde durch Naht. Die Komplikationen, welche das Einlegen von Kandles mit sich bringt, fallen fort, und M. sah eine Reihe mit sofortiger Vernähung operirter Kranker überraschend schnell heilen.

Le Dentu (Paris). Statistique damputations du sein pour tumeurs malignes.

Die sehr beschränkte Zahl von 53 betrifft nur Kranke aus der Stadt mit zweifellosem Carcinom; die ältesten Fälle reichen bis 1879 zurück. 19 = 35,84% blieben länger als 3 Jahre recidivfrei; 21 haben die Operation um 4 Jahre und

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länger überlebt; an Recidiv bisher gestorben 31; ohne Recidiv gestorben 5; ohne Recidiv überlebend 14. Die Technik ist die allgemein übliche.

Phocas (Lille). Inflammation et tumeurs du sein.

Eine Kranke mit chronischer Mastitis mit Drüsen in der Achselhöhle wird der Amputat. mammae unterzogen, ohne dass die Drüsen ausgeräumt wurden, weil die entfernte Masse nichts Krebsiges erkennen ließ. Nach 6 Monaten deut- liches Careinom der Lymphdrüsen. In einem anderen Falle konnte mikroskopisch sehr gut die Infektion des Carcinoms durch Staphylokokken festgestellt werden. Frage: hat auch im ersten bereits Carcinom vorgelegen?

Delorme (Année) Note sur les indications de la decortication pulmonaire.

Während man bisher vor Beginn der Operation des chronischen Empyems nie sicher wissen konnte, ob man zur Sohede’schen Operation greifen oder viel- leicht noch die Loslösung der Lunge ausführen könne, haben uns Untersuchungen von Gallet nunmehr ein brauchbares Hilfsmittel in der Radiographie gegeben. Sind auf dem Bilde die Rippenschatten undeutlich, die Zwischenrippenräume eben so dunkel und von ersteren kaum abgegrenzt, so hat die Lunge alle Aus- dehnungsfähigkeit verloren, und die Thorakoplastik ist auszuführen. Heben sich jedoch von den hellen Zwischenrippenräumen die dunklen Rippen scharf ab, so ist alle Aussicht auf die Möglichkeit der Ausschälung der Lunge vorhanden.

Delag£nitre (Mans). Du pneumothorax chirurgical; ses dan- gers et sa valeur au point de vue de la chirurgie pleuro-pul- monaire d’après six observations.

Pneumothorax, welcher plötzlich entsteht, ruft schwere Erscheinungen hervor, nicht so, wenn man ihn langsam eintreten lăsst. Man beschränkt die Bildung des Pneumothorax, indem man die Lunge in die Wunde hineingieht und allseitig dicht vernăht; die Luft wird danach aspirirt. Bei Verletzung größerer Lungen- gefäße Schuss kann durch Herbeiführung des Pneumothorax die Blutung zum Stillstand gebracht werden. In einem Falle von Abscess hat D. bei un- sicherer Diagnose Pleura und Lunge nach freier Eröffnung abgetastet, die Gegend des Abscesses durch das Gefühl bestimmt, den Lappen zur Wunde herauageleitet, vernäht, incidirt; darauf Aspiration der Luft.

Bougle (Paris). Operation de Schede dans les empyèmes chro- niques.

Bericht über gwei Kranke, bei denen B. die »Schede’sche« Operation in Etappen ausgeführt hat. Er legt besonderes Gewicht auf die Ausgleichung des Sin. diaphragmaticus.

Delorme (Paris. Sur l’intervention dans les l&sions tubercu- leuses de la region cervicale du rachis.

Bei einem Kranken, der einige Zeit bei Bewegungen des Kopfes an Schmerzen litt, trat sehr plötzlich Paraplegie der Arme und Beine und Paralyse von Blase und Mastdarm ein bei erhaltener Sensibilität. Die Athmung war sehr erschwert, Etwas tiefe Schwellung zu beiden Seiten der Halswirbel. Kragenapparat nutzlos; drohende Asphyxie nöthigte zum Versuche, die Kompression des Rückenmarks su beseitigen. D. drang von rechts her gegen 2. und 3. Halswirbel vor, entleerte einen taubeneigroßen Abscess an der Stelle ihrer Synchondrose; da aus dem Zwischenwirbelloch Eiter nachfließt, wird drainirt und die Operation beendigt. Die Lähmungen blieben bestehen; Pat. starb nach 8 Tagen, und nun zeigte sich ein vom Atlas bis zum V. Halswirbel hinabreichendes Tuberculom der Vorderseite des Rückenmarkse, welches natürlich jeden Eingriff illusorisch gemacht hatte.

Ducroquet (Paris). Les appareils pour le traitement du mal de Pott au début. Die Hauptstützpunkte sind Schultern und Hüften, die Brust lasse man frei, um die Athmung nicht zu beengen. Christel (Metz). (Schluss folgt.)

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12) J. A. Romanin. Zur Frage von der Hernia epigastrica. (Wratsch 1901. No. 36.)

Innerhalb der letzten 3 Jahre beobachete R. unter 36340 Pat. in einem Dorf des Gouvernement Wjatka 534 Leistenbrüche, 31 Schenkelbrüche, 121 Nabelbrüche und 143 Herniae epigastricae. Operirt wurden davon 115 Leisten- 5 Schenkel-, 1 Nabel- und 8 Bauchbrüche. Hautschnitt quer zur weißen Linie; Netz wird re- secirt, aus den Verwachsungen gelöst und der Stumpf versenkt.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

13) @. Piersol. Early infantile inguinal hernia of the vermiform appendix. (Univ. of Pennsylvania med. bull. 1901. Oktober.)

Von den bisher veröffentlichten Fällen von Wurmfortsatz als Bruchinhalt be- trafen etwa 23% Kinder; bei vielen von diesen war der Zustand jedenfalls an- geboren. Folgenden Autopsiebefund machte Verf. bei einem 3 Monate alten Knaben. Der Blinddarm liegt bedeutend tiefer als normal; der gestreckte, ca. 81/2 cm lange Wurmfortsatz zieht in den Bruchsack eines rechtsseitigen angeborenen Scrotalbruches hinab und bildet hier eine $-förmige Krümmung. Der Durchmesser nimmt vom Coecalansats bis zur Krümmungsstelle immer mehr zu. Mesenteriolum gut ausgebildet und frei beweglich, nur an der Krümmung ist sein linker Rand fest mit der hinteren und medialen Wand des Bruchsackes verwachsen. Hoden und Nebenhoden gedreht, so dass die Längsachse horizontal liegt.

Als Ursachen der angeborenen Hernien mit Wurmfortsatz kommt zunächst das Weiterbestehen fötaler Bauchfellfalten in Betracht, welche mit dem Blinddarm in Verbindung stehen und durch die Wirkung des Gubernaculum schließlich in den Hodensack gelangen. Die besonders in Betracht kommende Plica vascularis bat jedoch nach den Erfahrungen des Verf. bei vielen Föten keinerlei Verbindung mit der Coecalgegend. Häufiger als diese Ursache kommt sekundäre Verwachsung des Fortsatzes mit einer auf der Wanderung in den Hodensack begriffenen Stelle des Bauchfells vor, und zwar in Folge fötaler Peritonitis, meist in der Nachbar- schaft des inneren Leistenrings. Ungewöhnliche Größe und Beweglichkeit des Fortsatzes begünstigt die Bildung von Verwachsungen.

In einem großen Procentsatzg der Fälle von frühzeitiger Wurmfortsatshernie bestand wie in dem oben beschriebenen Falle eine Verwachsung zwischen Fortsatz und hinterer, medialer Wand des Processus vaginalis, entstanden vermuthlich zu einer Zeit, wo der Fortsatz noch nicht in den Sack hinabgestiegen war. In seinem Falle halt Verf. die Verwachsung für ein Produkt eines frühzeitigen entzündlichen Processes. Die $-föormige Krümmung des Fortsatzes kam durch Schrumpfung und Kontraktion des fibrösen und muskulären (Cremaster-) Gewebes an der Hinterwand des Sackes zu Stande. Mohr (Bielefeld).

14) E. Kirmisson. Persistance du diverticule de Meckel ouvert & l’ombilic avec prolapsus de la muqueuse intestinale chez un enfant

de cing mois. Laparotomie. Extirpation du diverticule. Guérison. (Revue d’orthopedie 1901. No. 5.)

In der mikroskopischen Untersuchung der Schleimhaut des Divertikels wieder- holt sich der Lexer’sche Befund. In der Höhe der Nabeleinschnürung findet sich noch Cylinderepithel mit Becherzellen, Zotten, Schlauchdrüsen, geschlossene Follikel, weiter darüber hinaus nach der Haut zu gewinnen die Schleimdrüsen immer mehr den Charakter der sog. »Magendrüsen«, sie verästeln sich, werden beerenförmig, verlängern sich in die Submucosa, das Epithel wird glatt. Zugleich gewinnt die Schleimhaut mehr den Charakter von Granulationsgewebe mit stär- kerer Entwicklung von Gefäßnetzen, Rundselleninfiltration, und dieser Unterschied swischen den beiden Divertikelabschnitten macht sich besonders auffällig bemerk- lich, so dass man den Eindruck erhält, dass die ganze Umwandlung der Mucosa eine Reizerscheinung ist, bedingt durch die Nabelumschnürung und die äußeren Schädigungen. Herm., Frank (Berlin).

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15) E. R. v. Karajan. Drei Beiträge zur Pathologie des Ductus omphalo-mesentericus und des Meckel’schen Divertikels. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 30.)

Der 1. Fall betraf einen 20jährigen Studenten, der laut nachträglicher Angabe das ganze 1. Lebensjahr hindurch eine Fistel am Nabel gehabt hat, aus der sich Stuhl entleerte. Nach Jahresfrist verheilte dieselbe, um noch einige Male unter Eitersekretion aufzubrechen. In den letzten Jahren öfters Krämpfe in der rechten Bauehseite unter Fieber, Erbrechen, Stuhlverhaltung. Plötzliche Erkrankung am 1. Juni 1900 unter ähnlichen Symptomen, die aber stärker waren wie sonst; am 5. Juni Kotherbrechen, Schmersen über den ganzen Bauch. Dabei Dämpfung in der rechten Bauchseite, flacher Meteorismus, Fehlen von Peristaltik. Diagnose: Perforationsperitonitis nach Appendicitis.

Bei der Operation fanden sich die Darmschlingen injicirt, trūübe serðse Flüs- sigkeit in der rechten Darmbeingrube, und in der Nähe des Nabels ein von ver- klebten Dünndarmschlingen umschlossener nussgroßer Abscess. Vom Nabel aus ging ein Strang schräg nach hinten und außen direkt in eine Dünndarmschlinge über. Dieser Strang schnürte das nach abwärts geschlagene Quercolon, das durch ausgedehnte Verwachsung®h fixirt und centralwärts auf das 3fache seines Volumens erweitert war, von unten her ein (es lag wie ein über den Arm geworfener Shawl auf dem Strange). Knapp neben dem Nabelende des letzteren, das morsch und sunderartig war, lag der Abscess. Nur am Dünndarmende zeigte der Strang nor- males Aussehen, in seinem weiteren Verlauf dagegen alle Kennzeichen einer vor- ausgegangenen schweren Entzündung. Exstirpation desselben. Aufgeschnitten seigt er Schleimhautauskleidung. Heilung.

Es bestand also ursprünglich ein offener Duotus omphalo-mesentericus. Nach Obliteration am Nabelende entstanden Entzündungsprocesse, die aufhörten, später und neuerdings unter dem Bilde einer Appendicitis einsetzten. Vom Nabelende aus entstand nun der Abscess mit den Erscheinungen von Peritonitis, die durch die Kompression des Quercolon noch komplicirt wurden.

Der 2. Fall betraf einen 38jährigen Pat., bei welchem wegen Ileus die Laparo- tomie ausgeführt wurde. Als Ursache der Incarceration einer etwa Vorderarmlänge besitzenden Dünndarmschlinge fand sich ein vom Dünndarm abgehender Strang, der sich als Meckel’sches Divertikel herausstellte. Dasselbe reichte bis an die Wursel des Dickdarmgekröses, wo es sich als nekrotisch und gangränös zerfallen erwies. Hier hatte sich ein apfelgroßer Abscess gebildet, der beim Verfolgen des Divertikels in die Tiefe plötzlich barst und zu einer tödlichen jauchigen Perito- nitis führte. Im Abscess fanden sich 2 todte Ascariden.

Im 3. Falle fand sich bei Gelegenheit einer Radikaloperation nach Bassini ein Meckel’sches Divertikel, das 3/4 Meter oberhalb des Blinddarms aus dem Ileum gegenüber dem Mesenterialansatz entsprang, eine Länge von 6cm besaß und gegen den Bruchsackgrund verlief, wo es unmittelbar über dem Hoden durch strafe Verwachsungen an den Bruchsack angelöthet war. Nirgends Spuren von abgelaufener Entzündung. Hübener (Dresden).

16) Balch. A case of intussusception; resection of fifty six inches of small intestine; recovery. (Boston med. and surg. journ. 1901. Oktober.)

Bei 16jährigem Mädchen trat nach Genuss schwer verdaulicher und mit ein- ander unverträglicher Speisen zuerst heftiger Magen-Darmkatarrh auf. Schon in derselben Nacht war eine Geschwulstbildung im Unterleib fühlbar. Es folgte dann Auftreibung des Leibes mit Erbrechen galliger Massen. Bei Einlieferung ins Krankenhaus, etwa 30 Stunden nach Beginn der Krankheit, fand sich bei stark aufgetriebenem Leib eine Geschwulst in Nabelhöhe, die sich nach Eröffnung des Leibes in der Mittellinie als große Intussusception von Jejunum im Ileum erwies. Nach deren Resektion in ganzer Länge wurden die Darmenden durch cirkuläre Naht vereinigt. Die Rekonvalescenz war ungestört, und der Verlust von ca. 140 cm

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Darm wurde gut ertragen. In der Darmlichtung fand sich ein dieselbe fast aus- füllender Polyp. Trapp (Bückeburg).

17) Polack. Zur Atropinbehandlung des Ileus. (Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 17.)

Jleuserscheinungen bei 68jähriger Frau, die seit 8 Tagen bestanden, zuletzt recht schwerer Natur (subnormale Temperaturen, Facies bippocratica) werden durch 2 Atropininjektionen à 0,002 g so weit gehoben, dass auf Darmrohr flüssiger Stuhl, nach einer 3. Injektion derselben Dosis völlige Heilung auftrat.

Hübener (Dresden).

18) Hoerschelmann. Vorfall des verletzten Darmes per anum. (St. Petersburger med. Wochenschrift 1901. No. 46.)

Ein 38jähriger Geisteskranker, welcher an Verstopfung litt, fuhr sich, um den Stuhlgang zu erleichtern, mit einem geöffneten Taschenmesser in den After, schlitzte den Mastdarm auf, eröffnete das Bauchfell und verletzte mit der Messer- spitze noch eine Dünndarmschlinge; als er darauf die nenne in Thätigkeit setzte, fielen Darmschlingen vor. 13 Stunden danach wurde Pat. in das Kranken- haus eingeliefert. Eine große Menge stark beschmutzter Dünndarmschlingen hingen bis zu den Knien herab. Eine Schlinge hatte eine schlitsförmige, 4 cm lange, glattrandige Öffnung. Sie wird genäht, der Darm gesäubert, durch den großen, rechts sitzenden Schlitz des Masıdarmes mühsam reponirt. Die Ränder der Afteröffnung waren äußerlich unverletzt. Nach einigen Stunden riss sich der Kranke den Verband ab, ein neuer Darmvorfall trat ein. Bald danach, 20 Stunden nach der Verletzung, Tod. Keine Sektion. Da die Zeit sur Entwicklung einer tödlichen Peritonitis zu kurz war, erklärt H. den Tod durch Chokwirkung in Folge starker Abkühlung der 13 Stunden draußen liegenden Därme.

Haeckel (Stettin).

19) V. Lieblein. Zur retrograden Bougierung der entzündlichen Mastdarmverengerungen. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

L. berichtet über einen sehr schweren Fall luetischer Mastdarmverengerung, bei welchem durch retrograde Sondirung unter ungünstigen Verhältnissen, nämlich von einem Coecalafter aus, ein guter Erfolg erzielt wurde, während die zuvor versuchte Mastdarmdilatation auf gewöhnlichem Wege eine Perforation der abnorm zerreißlichen Darmwand herbeigeführt hatte. L. ‚empfiehlt nach Ausführung der Colostomie zunächst ein Schrotkorn an einem Seidenfaden durch die Striktur passiren zu lassen, dann ein Baumwollbändchen nachzuziehen und letzteres als Führungsband zu benutzen. Die Bougierung selbst wird am zweckmäßigsten mit tels der v. Eiselsberg’schen konischen Gummischläuche ausgeführt, die bis 48 Stunden ohne Schaden liegen bleiben können. Der wichtigste Vortheil der retrograden Bougierung besteht nach Verf. darin, dass, nach entsprechender Dila- tation der Striktur, dieselbe gefahrlos vom Mastdarm aus mit weichen Köhren bougiert werden kann, so dass von Anfang bis Ende der Behandlung alle starren Instrumente ausgeschlossen sind. Honsell (Tübingen).

20) H. Schloffer. Zur operativen Ausschaltung entzündlicher Mast- darmstrikturen. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXI. Hft. 3.)

In Verf.s Fall lag eine luetische Striktur des Mastdarms und des unteren Theils der Flexur vor. Mittels retrograder Bougierung (vgl. vorstehendes Referat über Lieblein, Zur retrograden Bougierung etc.) waren die Stenosenerscheinungen erfolgreich bekämpft worden, aber es blieben heftige entzündliche Anfälle zurück, welche Pat. schließlich zu einem Selbstmordversuch veranlassten und gu opera-

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tirem Eingreifen zwangen. Laparotomieschnitt in der linken Pararectallinie zeigte die Unmöglichkeit einer Exstirpation der erkrankten Partie, auch eine Procto- sigmoideostomie nach Rotter (Quertrennung der Flexur und Einpflanzung des centralen Endes in den Mastdarm) schien Verf. aus verschiedenen Gründen, die ausführlich dargelegt werden, nicht am Platze gu sein; er entschloss sich daher su einer seitlichen Anastomose zwischen Flexur und Mastdarm, die extraperi- toneal von einem Dammschnitt aus vollzogen wurde. Wegen Raummangels und schwerer Zugänglichkeit musste zur Vereinigung statt der Naht der Murphyknopf benutzt werden. In der Folge sah sich Verf. geswungen, den Knopf mittels des Messers zu entfernen, da er einen Druck an der Flexurwand hervorgerufen hatte und die Kothentleerung hinderte. Mehrfache Versuche, die nur für einen Finger durchgängige Stenose mit Klemmen zu erweitern, führten nicht zum Ziel; im Übrigen ist Pat. geheilt und blieb von ihren früheren Anfällen verschont. Honsell (Tübingen).

21) D. N. Sernow. Über die morphologische Bedeutung der Caudal- anhänge bei dem Menschen. (Vortrag, gehalten in der Kaiserl. Naturforschenden Gesellschaft zu Moskau am 15. Februar 1901.) Moskau, 1901. 33 S. Mit mehreren Textfiguren. (Russisch.)

Nachdem während des zuletzt verflossenen Jahrzehnts mehrere weitere Fälle von Auftreten schwanzähnlicher Gebilde beim Menschen bekannt geworden sind, hat die Frage nach der morphologischen Bedeutung dieser absonderlichen An- hängsel ein ernstliches wissenschaftliches Interesse gewonnen. S. behandelt nun in seiner oben angekündigten Arbeit einen Fall von Schwansbildung beim Men- schen, der gegenüber den früher bekannt gewordenen Fällen dieser Art einige Besonderheiten aufweist, und benutst diese Gelegenheit, um in hergebrachter Weise einerseits die Litteratur der menschlichen Caudalanhänge einer eingehenden Durch- sieht zu unterziehen und auf Grund solcher Durchsicht den bisherigen Stand der Frage näher zu kennzeichnen, andererseits um mit Rücksicht auf den vorliegenden —— Fall und die in der Litteratur niedergelegten Beobachtungen anderer

orscher seine persönliche Stellungnahme zu der Frage von der Bedeutung der Schwanzanhänge beim Menschen darzulegen. Es handelt sich in dem von S. genauer beschriebenen Fall um ein 24 Jahre altes männliches Individuum, einen Laienbruder aus einem griechisch-katholischen Kloster, bei welchem in der Kreuzgegend, ent- sprechend dem Niveau des 1. Sacralwirbels, ein konischer Fortsatg von 6 cm Länge sich vorfand. Der Fortsatz besaß seitliche Richtung, war dabei spiralig auf- gerollt, wie gewöhnlich mit dichten Haaren bedeckt, und erinnerte im Ganzen an die Gestalt eines Schweineschwänschens. Der Mann entschloss sich zur Vor- nahme eines operativen Eingriffe, und so konnte das amputirte Schwänzlein schließ- lich einer genauen anatomischen Untersuchung unterworfen werden; es bestand nur aus Haut und Fett, von Muskeln und Knochen fehlte jegliche Spur. S. rech- net daher den Anhang im vorliegenden Falle zur Kategorie der sog. weichen oder falschen Schwänze. Da ferner unter der Basis desselben eine Lücke im unent- wiekelten Wirbelbogen vorhanden war, so liegt auch hier eines jener auf patho- logischer Basis beruhenden Schwanzgebilde vor, auf welche bekanntlich bereits Wiedersheim hindeutet mit dem Bemerken, dass derartige falsche Schwänze höchst wahrscheinlich durch lokale Spaltung der Wirbelbogen bedingt seien. Dem entsprechend ist nun S. der Meinung, am Orte eines unentwickelten Wirbelbogens könne in Folge gesteigerten intracerebralen Druckes nicht nur eine hernienartige Ausstülpung der Meningen auftreten, sondern unter Umständen das Integument allein, Haut mit Unterhautzellgewebe, sackförmig ausgebuchtet werden. Von diesem Standpunkt aus wäre das Auftreten sog. falscher Caudalanhänge in gewissen Fällen su betrachten als Ausdruck einer in Entwicklung begriffenen Hernia cerebro- spinalis oder, wie Verf. sich ausdrückt, als erste Entwicklungsstufe einer Hernie über einer Stelle, wo unentwickelte Wirbelbogen sich vorfinden. Verf. äußert sich indessen in diesem Punkte nur vermuthungsweise. Dagegen glaubt er mit Be-

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stimmtheit aussprechen su können, dass keiner der bisher beobachteten Fälle von Schwanzbildung beim Menschen als vollgiltiger Beweis für die atavistische Genese der Erscheinung Verwerthung finden könne. Das Vorkommen von Haaren an der Oberfläche derartiger Anhängsel ist vollständig gegenstandslos. Überhaupt ist Verf. der Meinung, es fehle bisher an unzweifelhaften Beweisen für eine atavi- stische Entstehung menschlicher Caudalanhänge. R. Weinberg (Dorpat).

22) R. G. Porkins. Report of nine cases of infection with bacillus pyocyaneus. (Journ. of med. research 1901. No. 1.)

Von den 9 Fällen von Pyocyaneusinfektion, welche Verf. innerhalb 3 Jahren bakteriologisch zu untersuchen Gelegenheit hatte, sind die folgenden am bemerkens- werthesten:

1) Eitrige Endometritis nach Abort. Sekundäre eitrige Cerebrospinalmenin- gitie. Bacillus pyocyaneus in Reinkultur im cerebrospinalen Exsudat und in der Leber, gemeinsam mit Staphylokokken im Uterus.

2) Puerperale Septhämie mit eitriger Endomeritis und Bronchopneumonie. Pyocyaneus neben einer geringen Zahl großer, nicht identificirter Bacillen in den Lungen, Reinkultur im Uterus.

3) Eitrige Peritonitis nach Gastroenterostomie wegen Pyloruscarcinom. Rein- kultur von Pyocyaneus im peritonealen Exsudat.

4) Akule Orchitis nach Typhus (?). Kastration. Hoden eitrig infiltrirt, ent- hält Reinkultur von Pyocyaneus.

5) Ausgedehnte oberflächliche Verbrennung, Vereiterung der Brandblaser, Pyocyaneus im Herzblute. Kleinschmidt (Kassel).

Der 20. Kongress für innere Medicin

wird vom 15.—18. April zu Wiesbaden unter dem Vorsitze des Herrn Geha Med.-Rath Prof. Dr. Naunyn- Straßburg tagen. Als Verhandlungsgegenstände stehen auf dem Programme: Diagnose und Therapie des Magengeschwäüres (Referenten die Herren E wald- Berlin und Fleiner- Heidelberg), und: Die Lich- therapie (Referent Herr Bie- Kopenhagen).

Auferdem haben folgende Herren Einzelvorträge angemeldet: Herr Kaminer- Berlin: Über die Beziehungen zwischen Infektion und der Jodreaktion in den Leukocyten; Herr Ziemssen- Wiesbaden: Zwei Aortenaneurysmen; Herr Rumpf- Bonn: Zur Entstehung des Coma diabeticum ; Herr Paul Lazarus- Berlin: Die Bahnungstherapie der Hemiplegie; Herr Manasse-Karlsruhe: Ferratose und Jodferratose; Herr Köppen- Norden: Die tuberkulöse Peritonitis und der operative Eingriff; Herr Poehl-St. Petersburg: Der Ersatz der intravenösen Kochsalz- infusionen durch Kiysmen aus künstlicher physiologischer Salslösung; Herr Ad. Schmidt-Bonn: Zur Pathologie des Magengeschwüres; Herr Friedel Pick- Prag: Über den Einfluss mechanischer und thermischer Einwirkungen auf Blut- strom und Gefäßtonus.

Mit dem Kongress ist eine Ausstellung von pharmaceutischen, chemischen etc. Präparaten und von Instrumenten und Apparaten, so weit sie für die innere Medicin Interesse haben, verbunden. Anmeldungen zu dieser Ausstellung nimmt der ständige Sekretär des Kongresses, Herr Geh.-Ratkh Dr. Emil Pfeiffer, Wiesbaden, Parkstraße 13 entgegen.

Originalmittheilungen, Monographien und Separstabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags

handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E m Bag, P, Kuit, E Ai

Neunundzwanzigster Jahrgang.

m ꝰ)ꝰ— Wöchentlich eine Nummer. Preis des J ngs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 10. Sonnabend, den 8. März. 1902,

Inhalt: 1) Packard, Steele u. Kirkbride, Osteitis deformans. 2) Perrolini, Schild- drüse und Callusbildung. 3) Berndt, Muskelverknöcherung nacb Trauma. 4) Beck, Baynaud’sche Krankheit. 5) Diterichs, Lipoma arborescens articulorum. 6) Hahn, Dystrophia muscularis progressiva. 7) Spiller und Frazier, Trigeminusdurchschneidung. 8) Fritzsche, Unterkieferprothesen. 9) Balacescu, Sympathicusresektion am Hals. 10) Riedinger, Skoliose. 11) Christian, Geschwülste des Mediastinam anticum. 12) Gallet, Eiterung im Mediastinum anticum. 13) Fabian, Fibrom und Fibroadenom der Brustdrüse.

H. Garnerus, Ein Fall von Auus prasternaturalis, mit der Krause’schen Anastomosen- klemme behandelt. Glatte Heilung. (Original-Mittheilung.) :

14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 15) Englischer Arztekongress. 16) Ssisewskl, Paraskorbutische Knochen- und Gelenkerkrankungen. 17) Spiridonow, Wirbelbrach. 18) Ssinjuschin, Aus der Glandula carotica sich entwickelnde Ge- schwülste. 19) Hamann, Torticollis. 20) Enderlen, 21) Goldthwalt, Zur Chirurgie des Mediastinam posticum. 22) Nietert, Herzwunden. 23) Fessier, Vom südafri- kanischen Krieg.

1) Packard, Steele and Kirkbride. Osteitis deformans.

(Amer. journ. of the med. sciences 1901. November.)

Anschließend an die ausführliche Krankengeschichte nebst Ob- duktionsbefund eines selbstbeobachteten, sehr typischen Falles dieser zuerst von Paget beschriebenen Erkrankung verbreiten sich die Verf. auf Grund dieses einen und weiterer 66 aus der Litteratur gesammelter Fälle über die klinischen und pathologisch-anatomischen Eigenthümlichkeiten des seltenen Krankheitsbildes und fassen die Ergebnisse ihrer Untersuchungen folgendermaßen zusammen:

I. Vom klinischen Standpunkt:

1) Die Ostitis deformans ist eine bestimmte Krankheit von dunk- ler Ätiologie, aber möglicherweise verwandt, wenn auch nicht iden- tisch, mit Osteomalakie, Fragilitas ossium und Akromegalie.

2) Die Krankheit ist speciell eine solche des späteren erwach- senen Alters, obgleich ihr Beginn schon im 21. Lebensjahre beobachtet worden ist. Von den 67 Fällen betrafen 61% das männliche, 35%

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das weibliche Geschlecht. In einer geringen Zahl von Fällen scheint ein Trauma eine ätiologische Rolle gespielt zu haben. Wenig Wahr- scheinlichkeit spricht für eine familiäre Disposition zu der Krank- heit, obgleich einige Beispiele in der Litteratur zu finden sind.

3) Die charakteristischen allgemeinen Zeichen der Erkrankung sind Vergrößerung und Vorwärtsneigung des Kopfes, dorsocervicale Kyphose, Vorspringen der Schlüsselbeine, Verbreiterung des unteren Brustabschnittes, Rhombusform des Bauches, gekreuzt durch eine tiefe Furche, relative Zunahme des Hüftumfangs und Auswärts- und Vor- wärtskrümmung der Beine.

4) Die am häufigsten befallenen Knochen sind Schädel, Schien- bein und Oberschenkel, von denen die beiden ersteren die Gestalt- veränderung gewöhnlich zuerst erkennen lassen. Merkwürdigerweise war in der Mehrzahl der Fälle zuerst oder am meisten die linke Seite betroffen, manchmal lokalisirte sich die Erkrankung auch ge- kreuzt, derart, dass die untere Extremität der einen und die obere der anderen Seite am stärksten befallen war.

5) Die Kombination mit bösartiger Geschwulst (im Falle der Verf. bestand ein Riesenzellensarkom des linken Stirnbeins mit Metastasen auf der Pia und der Pleura diaphragmatica) scheint nicht ganz so häufig zu sein, als gewöhnlich angegeben wird.

II. Vom pathologisch-anatomischen Standpunkt:

1) Ostitis deformans ist eine Erkrankung des Schädels, der Wir- bel und gewisser langer Knochen. Ihre charakteristischen Eigen- thümlichkeiten sind:

a. Absorption der kompakten Knochensubstanz, die Vergrößerung und Konfluenz der Haversischen Kanäle bewirkt.

b. Knochenneubildung im Bereiche der befallenen und der be- nachbarten gesunden Partien. Der neugebildete Knochen verkalkt nicht und wird umschichtig wieder resorbirt.

c. Umwandlung der Marksubstanz in gefüßreiches Bindegewebe, das Fettzellen, Riesenzellen und Leukocyten enthält. In einer klei- nen Zahl der veröffentlichten Fälle kamen Cysten, gefüllt mit gelati- nöser Masse, und Riesenzellensarkome im Mark vor.

d. Als Folgezustand dieser 3 Processe sind die regelrechten Be- ziehungen zwischen kompakter und Marksubstanz gestört. Die Knochen werden außerordentlich verdickt und asymmetrisch; aber da die neugebildete Knochenmasse nicht calcificirt, so gestattet die Weichheit eine hochgradige Verbiegung der Röhrenknochen durch das Körpergewicht, und es kommt nicht zu Frakturen.

2) Das ganze Bild der Ostitis deformans vom pathologischen Standpunkt ist so sehr charakteristisch, dass dieselbe als ein ein- heitliches Krankheitsbild aufgefasst werden muss, und ihre Diagnose ist dem entsprechend einfach.

3) Die Atiologie des Zustandes ist noch eben so dunkel, als da Paget ihn zuerst beschrieb. Eine gewisse Prädisposition, wahr-

Centralblatt für Chirurgie. No. 10. 275

scheinlich trophischer Art, muss angenommen werden, und das aus- lösende Moment ist vielleicht mechanischer Natur: am Schädel Ex- treme von Hitze und Kälte und an den Wirbeln und Röhrenknochen die gewöhnlichen Traumen, denen diese Knochen ausgesetzt sind. Leiden des Nervensystems sind inkonstant und selten und wahr- scheinlich kein kausaler Faktor. R. v. Hippel (Kassel).

2) Perrolini. Sopra la preteso influenza della tiroide sul

decorso di guarigione delle fratture. (Giorn. d. R. accad. di med. di Torino 1901. No. 10 u. 11.)

Verf. hat die Versuche Steinlin’s über den Einfluss des Schild- drüsenverlustes auf die Heilung von Knochenbrüchen an Kaninchen nachgeprüft und neigt sich nach seiner vorläufigen Mittheilung der Ansicht zu, dass die dabei beobachtete Verzögerung der Callusbildung nicht einer direkten Einwirkung der Schilddrüse auf letztere zu- zuschreiben, sondern in der allgemeinen Ernährungsstörung aller Gewebe begründet sei. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

3) F. Berndt. Zur Frage der Betheiligung des Periost bei der Muskelverknöcherung nach einmaligem Trauma. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Gegenstand der Arbeit sind nur jene Muskelverknöcherungen, welche nach einem einmaligen heftigen Trauma auftreten. Zwei Fragen sind es hauptsächlich, in denen bezüglich dieser Verknöcherungen noch keine Einigkeit erzielt ist: 1) ob das Periost an der Ossifikation aktiv betheiligt ist, ob nicht; 2) die als Geschwulst imponirende Ver- knöcherung der Muskulatur als Entzündungsprodukt oder als wahre Neubildung aufzufassen ist. Einige Autoren nehmen einen aus- schließlich periostalen Ursprung an, die übrigen haben mehr oder weniger Bedenken gegen diese Annahme. Verf. hält aber die gegen die Betheiligung des Periosts angegebenen Gründe nicht für stich- haltig. Die schalenförmige Beschaffenheit, die stielartige Verbindung der Geschwülste mit dem Periost sind aus der Art der Verletzung, aus den bald nach ihr wieder eintretenden Verwachsungen der betroffe- nen Extremität zu erklären. Wenn weiter angegeben wird, dass man im Röntgenbild keinen Zusammenhang mit dem Knochen zu erkennen vermöge, so erklärt sich dies daraus, dass der relativ schmale, aus spongiösem Knochen bestehende Stiel der ossificirten Partie keinen Schatten giebt. Auf Grund zweier Fälle, die B. selbst beobachtete und genau mikroskopisch untersuchte, kommt er zu dem Schluss, dass die nach einmaligen Traumen entstandenen Verknöche- rungen Produkte des Periost sind, und zwar speciell der inneren zell- reichen Schicht desselben. Er ist fest überzeugt, dass Fälle, welche gerade so bald nach der Verletzung und in derselben Weise im Zu- sammenhang mit der Compacta des Knochens operirt werden, zu

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derselben Schlussfolgerung führen werden. Für seine Ansicht führt er weiterhin noch an, dass alle Recidive solcher Ossifikationen am Knochen fest aufsitzen und auch im Röntgenbild eine Verdickung des Knochens aufweisen. Ferner spricht auch die Schnelligkeit der Ossi- fikation für Periostbetheiligung. In 14 Tagen bis 3 Wochen vermag nur das Periost, nicht die Muskulatur, Knochensubstanz zu erzeugen. Zum Schluss bemerkt B. noch, dass er diese Muskelverknöche- rungen als auf der Grenze zwischen Geschwulst und Entzündung stehend ansieht. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

4) C. Beck. Some new points in regard to Raynaud's disease. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. November.)

B. hatte Gelegenheit, durch Skiaskopie in 2 Fällen von Ray- naud’scher Gangrän nachzuweisen, dass die trophischen Störungen bei dieser Krankheit nicht auf die Weichtheile beschränkt sind, son- dern auch die Phalangen betreffen. Er fand Atrophie der oberen Enden der 3. (bezw. am Daumen der 2.) Phalanx und knöcherne Proliferation am oberen Ende der 2. (am Daumen der 1.) Phalanx, so wie Verdickung der Epiphysenenden am 2., 3. und 4. Metacarpal- knochen. R. ve Hippel (Kassel).

5) Diterichs. Das sog. Lipoma arborescens articulorum. Diss., St. Petersburg, 1901. (Russisch.) 4 Fälle aus Prof. Welanminow s Klinik und 27 aus der Litte- ratur. Schlussfolgerungen: Das Lipoma arborescens ist keine Krank- heit sui generis, sondern bloß eine anatomische Form vieler ver- schiedener Grundleiden. Die Synovialmembran wird durch ein zu- fälliges Trauma auf tuberkulöser, syphilitischer, rheumatischer Basis zu vermehrtem Wachsen der physiologischen Zotten gereizt. Die in Folge der Gefäßdilatation vermehrte Nahrungszufuhr und die lokale Stauung führen zur Ablagerung von Fett in den Zotten. Symptome: Schmerzen, die zuweilen plötzlich in Folge Einklemmung der Zotten auftreten, Hydrops des Gelenks, Bewegungsbeschränkung. Die Dia- gnose ist ohne Eröffnung des Gelenks nicht leicht; wichtig sind die Ungleichmäßigkeit der Gelenkschwellung, Tastung der hyperplasti- schen Zotten, geringe Funktionsstörung bei langer Krankheitsdauer. Therapie: Excision der Synovialmembran, bei tiefer gehender Zer- störung Resektion; wichtig ist die allgemeine Therapie. Besondere Beachtung verdienen die Fälle, wo Tuberkulose mit Syphilis kom- binirt ist. Verf. empfiehlt jedes Mal, wenn es sich um Lipoma arborescens handelt, das Grundleiden näher zu bezeichnen: Lipoma arborescens tuberculosum, syphiliticum, neuropathicum etc. Glückel (Medwedowka, Kijew).

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6) F. Hahn. Über das Auftreten von Kontrakturen bei Dystrophia muscularis progressiva. (Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde Bd. XX.)

Verf. lenkt die Aufmerksamkeit auf das nicht gerade seltene, aber wenig gewürdigte Eintreten von Kontrakturen bei progressiver Muskeldystrophie. Veranlassung gaben ihm 2 Fälle, bei welchen das Bemerkenswerthe das Auftreten von Spitzfußstellung als Frühsym- ptom, ja als erstes Symptom der Erkrankung überhaupt war. In der Litteratur wird als häufigste Kontraktur bei Muskeldystrophie Pes equinus resp. equinọovarus erwähnt; an Häufigkeit zunächst kommen Kontrakturen im Kniegelenk; sonst sind vereinzelt Beugestellung im Hüftgelenk, Neigung zu Pes planus, Genu valgum und leichte Kon- traktur im Ellbogengelenk durch Retraktion des M. biceps erwähnt.

Verf. macht ferner darauf aufmerksam, dass in der Litteratur vereinzelte Fälle von Mitbetheiligung des Skeletts bei der progressiven Muskeldystrophie beschrieben sind, und dass diese Skelettverände- rungen vielleicht zur Erklärung der Kontrakturen, da das Phänomen durch reine Muskelwirkung allein in befriedigender Weise nicht er- klärt werden kann, heranzuziehen sind. Um dieser Frage näher zu treten, bedarf es eines weiteren Beobachtungsmaterials, an welchem es nicht fehlen wird, wenn sich die Aufmerksamkeit in höherem Maße als bisher auf derartige Vorkommnisse richten wird.

Drehmann (Breslau).

7) G. Spiller and H. Frazier. The division of the sensory root of the trigeminus for the relief of tic douloureux. (Univ. of the Pennsylvania med. bull. 1901. December.)

F. durchschnitt bei einer größeren Anzahl von Hunden die sensible Wurzel des Trigeminus, um festzustellen, ob nach dieser Durchschneidung eine Regeneration des Nerven eintreten könne. Die motorische Wurzel konnte dabei geschont werden. Die Re- sultate dieser Versuche waren nicht eindeutig, sprachen jedoch mehr dafür, dass keine Regeneration stattfände. Auf Grund der Litteratur- angaben kommen Verff. zu dem Schluss, dass beim Menschen eine eigentliche Regeneration nach Durchtrennung sensibler Nerven- wurzeln bisher nicht sicher festgestellt sei, und dass insbesondere beim Trigeminus keine Rückkehr seiner Funktion nach Durch- trennung seiner sensiblen Wurzel bekannt sei. Von diesem Ge- dankengang aus kam F. auf die Idee, an Stelle der bisherigen Me- tboden der Resektion des Ganglion Gasseri wegen Trigeminusneur- algie nur Jie sensible Wurzel des Ganglions zu durchtrennen. Er legte bei einem derartigen Falle die Gegend des Ganglion in ähn- licher Weise wie Krause frei. Nach Incision der Dura und stumpfer Freilegung der sensibeln Wurzel wurde dieselbe mit einem stumpfen Haken gefasst und durchtrennt. (Verf. will in späteren Fällen eine Kontinuitätsresektion der Wurzel an Stelle der einfachen Durch-

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trennung ausführen.) Die motorische Wurzel war bisher unversehrt geblieben, wurde aber dann aus Versehen mit durchtrennt. Es ist jedenfalls technisch möglich, sie zu schonen. Verf. glaubt, dass seine Operation vor der gebräuchlichen Resektion des Ganglions folgende Vorzüge hat: Die schwierige und oft mit starker Blutung verbundene Auslösung und Extraktion des Ganglion wird vermieden; die Operation ist praktisch so gut wie beendet, wenn die Hinter- fläche des Ganglion und seine sensible Wurzel freigelegt worden ist. Die Beschränkung des Operationsfeldes auf letztere lässt mit Sicherheit eine Verletzung des Sinus cavernosus und des Nervus abducens vermeiden. Da das Ganglion unverletzt bleibt, werden trophische Augenstörungen mit Wahrscheinlichkeit nicht eintreten. Der von F. Operirte war ein 68jähriger Mann, der seit Jahren an einer rechtsseitigen Supraorbitalneuralgie gelitten hatte. Mehrfache periphere Operationen brachten nur vorübergehend Besserung. Nach der Operation erfolgte glatte Heilung. 4 Wochen später wurde folgender Befund erhoben: rechter Supraorbitalreflex feblt; es besteht rechts eine dem Verbreitungsbezirk des Trigeminus entsprechende anästhetische Zone, keine Keratitis, Jochbein fest angeheilt. Über den weiteren Verlauf soll später berichtet werden. (1 Abbildung des Operationsgebiets und 2 Rückenmarks- und Ponsdurchschnitte vom Hunde.) Mohr (Bielefeld).

8) C. Fritzsche. Über Unterkieferprothesen und über einen

neuen künstlichen Unterkiefer. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 560.)

Das einzige Mittel, um nach Unterkieferresektionen entstellende Narbenverziehungen des gesunden Knochenstumpfes nach der operirten Seite zu vermeiden, ist die unmittelbar nach der Opera- tion vorgenommene Einlegung einer Schiene, die den Knochenstumpf in normaler Stellung festhält (»prothese immediate«). Der Franzose Martin bediente sich hierzu einer Kautschukschiene, welche die Formen des normalen fehlenden Kieferstückes genau nachahmte und welche er Zwecks Durchspritzung mit antiseptischen Wässern mit einem Kanalsystem versah, während Stoppany eine aus vergoldetem Messingblech gefertigte trogartige Hohlschiene anwendet. Auch Sauer legt gleich nach der Operation Kautschuk- bezw. Draht- schienen an. F. behandelte 2 in der Leipziger Poliklinik ausgeführte Unterkieferresektionen, das eine Mal mit Prothesen nach Sauer, das andere Mal mit der Stoppany’schen Schiene mit gutem Er- folg. Sodann fertigte er nach eigenen Ideen neue Unterkiefer- prothesen an, die ähnlich den Martin’schen in der Form genau den zu ersetzenden Skeletttheilen gleichen, aber aus Zinn gegossen sind. (Die Form wird aus Gips hergestellt und von einem passenden Unterkieferknochen durch Umgießung gewonnen.) Zur Befestigung der Schiene an die Knochenstümpfe dienen Blechstreifen, »Schienen- träger«, die an der Schiene mit Stiftchen, am Kieferstumpf mit

Centralblatt für Chirurgie. No. 10. 279

Drahtnähten verbunden werden. Ist eine Exartikulation gemacht, so wird die Schiene mit ihrem künstlichen Kieferast und Gelenk- kopf in die leere Pfanne gesetzt, wobei zu bemerken, dass der künstliche Kieferast keinen Proc. coronoideus hat, und dass seinem Gelenkkopf eine kugelige Form gegeben ist. Auch diese neue eigene Schiene ist vom Verf. bereits mit Nutzen gebraucht. Er schlägt vor, dass chirurgische Kliniken sich eine Anzahl der empfohlenen Kieferersatzschienen aus Zinn in verschiedenen Größen vorräthig halten. Mehrere Abbildungen der beschriebenen Schienen sind bei- gegeben, dessgleichen eine solche einer von F. zahnärztlich nach- behandelten unterkieferresecirten Pat. Da ist in der That ein völlig normales Aussehen erzielt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

9) Balacescu. Die totale und bilaterale Resektion des

Halssympathicus bei Struma exophthalmica. (Revista de chirurgie 1901. No. 4—9.)

Die sehr umfangreiche, mit zahlreichen photographischen Illustra- tionen ausgestattete Arbeit behandelt die von Thoma-Jonnescu geübte Methode der Sympathicusresektion bei Morbus Basedowii.

Eine Wiedergabe der Einzelheiten ist im Auszuge schwer mög- lich, es seien daher nur die Schlüsse, zu welchen Verf. gelangt, hier kurz erwähnt. Dem zufolge ist die Sympathicusresektion bei Struma exophtalmica die einzige rationelle Behandlungsmethode und allein im Stande eine volle und dauerhafte Heilung zu bewirken. Um bleibende Resultate zu erzielen, müssen aber genügend große Stücke des Halssympathicus excidirt, auch das Ganglion inferius entfernt werden. Nurin jenen Fällen, wo eine retrosternale Struma schwere Druckerscheinungen bewirkt, soll ausnahmsweise die Ge- schwulst direkt operativ angegangen werden. E. Toff (Braila).

10) J. Riedinger. Morphologie und Mechanismus der Sko-

liose. Habilitationsschrift. Wiesbaden, J. F. Bergmann, !9u1. 83 S. mit 51 Alb.

Verf. hat bei Gelegenheit einer Besprechung der im Jahre 1900 erschienenen Arbeit Albert's über den Mechanismus der skoliotischen Wirbelsäule (cf. ds. Bl. 1900 No. 47) darauf hingewiesen, dass der von H. Meyer und Albert erbrachte Nachweis der Rotation an der skoliotischen Wirbelsäule noch nicht genügt, um die Lehre vom Mechanismus der Skoliose zum Abschluss zu bringen, so wie darauf, dass auf die mechanische Theorie die statische folgen müsse, da der pathologische Anfangszustand der Deformität keine reine Gelenk- bewegung darstellt. Den Beweis soll die vorliegende Arbeit bringen. R. hat sich schon vor dem Erscheinen der Albert’schen Arbeit damit beschäftigt, da ihm an einer Reihe pathologisch-anatomischer

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Präparate klar geworden war, dass es in der Litteratur nur an der richtigen Auffassung der einfachen statischen Vorgänge bei der De- formirung der Wirbelsäule gefehlt hat. Er führt dies darauf zurück, dass in den letzten Decennien mehr von der funktionellen Anpassung als von der funktionellen Beanspruchung die Rede war. In letzterer ist die statische Ursache der Deformitäten zu suchen, wie R. an dem Beispiel der Skoliose zeigen will

Verf. führt aus, dass wir uns den Mechanismus einer Skoliose nur ganz erklären können, wenn wir wissen, welcher einfache Vor- gang von Anfang an bei der Entstehung und bei der Weiterentwick- lung der Deformität die entscheidende Rolle gespielt hat. Die Sko- liose entsteht unter dem Einflusse der Belastung; diese Belastung äußert sich jedoch nicht in Druck allein, sondern es findet außer dem Druck an der Wirbelsäule noch Durchbiegung statt. Indem zur ‚Druckspannung noch Biegungsspannung hinzukommt, wird die Wirbelsäule auf Zerknickung beansprucht. Diese Knickung kann nicht nur nach der Seite, sondern auch nach vor- und rückwärts erfolgen. Durch diese Knickung entsteht die ganze Reihe der Er- scheinungen bei der Skoliose, sie erklärt die Rotation, welche die Torsion der Wirbelkörper, und die Neigung, welche die Torsion der Wirbelbogen erzeugt. Der Nachweis der Knickung gilt desshalb dem Verf. für die Morphologie der Skoliose von fundamentaler Be- deutung. Er meint, dass die seitliche Knickung bis jetzt übersehen wurde, und zwar, weil meist nur das Studium von Einzelwirbeln zur Erklärung der skoliotischen Veränderungen herangezogen wurde.

Den Nachweis der Knickung führt R. an der Hand einer Reihe pathologisch-anatomischer Präparate. Die Beanspruchung auf Zer- knickung ist auch auf die Druckbelastung zurückzuführen, da der: Querschnitt der Wirbelsäule im Verhältnis zur Länge derselben zu klein ist, um nur Druckspannungen zuzulassen. Im normalen Zu- stande ist das Material der knöchernen Wirbelsäule fest und die bilaterale Befestigung der Wirbelsäule stark genug, um eine Zer- knickung nach der Seite hin zu verhüten. Eine solche kann nur eintreten, wenn die Knickfestigkeit vermindert ist. Die Präparate, welche R. ausführlich bespricht, zeigen z. Th. so scharfe Knickungen (Fig. 1 und 4), dass sie fast an spondylitische Processe erinnern. Verf. führt weiter aus, dass es zu solchen hochgradigen Knickungen bei der Skoliose nicht immer kommt, dass aber bei jeder Skoliose Zerknickungsspannung vorhanden ist.

In Folge der Knickung findet eine Rotation um die Längsachse statt und noch eine zweite Bewegung, eine Drehung um eine sagit- tale Achse, die als Neigung bezeichnet wird; der Widerstand, wel- chen diese Bewegungen finden, führt zur Torsion, die als longitudi- nale und als transversale Torsion auftritt. Je nachdem die Knickung nach hinten oder nach vorn erfolgt, ist von einer Kypho- oder Lordo- skoliose zu sprechen.

Centralblatt für Chirurgie. No. 10. 281

Verf. entwickelt weiterhin an der Hand des Beispiels der Be- lastung eines prismatischen Stabes, welcher an beiden Enden fest eingespannt ist, die skoliotische Kurve und zeigt, dass das Maximum der Kurve, je nachdem die Belastung zur Biegung oder bis zur völligen Knickung führt, einen Bogen mit 2 Wende- oder Inflexions- punkten oder eine Spitze darstellt. Nach den Sätzen der Diffe- tentialrechnung spricht man von einem an der Spitze oder dem Maximum der Kurve gelegenen Rückkehrpunkt. R. versteht unter Inflexion nicht die Neigung der seitlichen Verkrümmung, sondern deren Wendung. Die Inflexion erzeugt die Neigung. Die Beugung am Maximum der Kurve wird als Reflexion bezeichnet.

Nachdem die sonstigen mechanischen Theorien eine ausführliche kritische Besprechung erfahren haben, deren Wiedergabe hier zu weit führt, geht Verf. zur Erörterung morphologischer Detailfragen über. Er spricht von Rotations- und Inflexionswirbeln, welche mit den Kocher’schen Keil- und Schrägwirbeln identisch sind. An einem Beispiel einer Kyphoskoliose werden zunächst alle Erscheinun- gen der Reflexion, Rotation und Inflexion genau besprochen, sodann am zerlegten Präparat die einzelnen Wirbelkörper dargelegt.

Den Schluss bildet ein Kapitel über klinische Formen der Sko- liose.

Die vorliegende Arbeit bringt eine Fülle neuer Gesichtspunkte über die so strittige Frage von dem Mechanismus der Skoliose, dass

sie ein besonderes Studium und Kritik erfordert. Drehmann (Breslau).

tl) H. A. Christian. Dermoidcysts and teratomata of the

anterior mediastinum. (Med. and surg. reports of the Boston city hospital 1901. XII. Serie.)

Eine 38jährige Frau litt seit 6 Jahren an Brustbeklemmungen und Nacht- schweißen. Seit 2 Jahren hustete sie zeitweise Haare aus. Weiterhin stellten sich eitriger Auswurf und Hämoptysen ein. Es fand sich eine Dämpfung über der reehten Brustseite, die sich nach heftigen Hustenanfällen mit reichlichem Auswurf verkleinerte. Tod kurz nach einer Hämopto&, bei der ein Strom von Blut und Eiter, einige Haare enthaltend, entleert war. Die Sektion ergab eine kokoanuss- große Dermoideyste im unteren Abschnitt des vorderen Mediastinums. Sie war hinten mit der rechten Lunge verwachsen und kommunieirte mit einem mittelstarken Bronchialast. Cysteninhalt weißlicher Brei mit langen, lockigen Haaren.

Im Anschluss hat Verf. 39 Fälle aus der Litteratur tabellarisch zusammengestellt.

Er unterscheidet:

I) Geschwülste ektodermalen Ursprungs, auch einiges meso- dermale Gewebe enthaltend Dermoidcysten.

2) Von allen 3 Keimblättern stammende Geschwülste Teratome.

3) Dermoide und Teratome mit theilweise bösartigem Charakter.

Sie entstehen im Fötalleben. Nach C.’s Ansicht sind die meisten branchiogen, eine kleinere Zahl ist auf Keimversprengung zur Zeit der Schließung der vorderen Brustwand zurückzuführen. Ihr ge-

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282 Centralblatt für Chirurgie. No. 10.

wöhnlicher Sitz ist unmittelbar hinter dem oberen Theil des Brust- beins; von hier aus können sie nach 3 Richtungen wachsen, auf- wärts durch die obere Brustapertur, seitlich in die Pleurahöhlen oder abwärts zwischen Herz und Lungen. Dabei gehen sie fast stets Verwachsungen mit benachbarten Organen ein, gewöhnlich mit Lungen und Herzbeutel, seltener mit der Brustwand, dem Zwerch- fell, den großen Gefäßen; destruirende Processe ruten sie meist nicht hervor. Die Diagnose ist selten mit Sicherheit zu stellen. Patho- gnomonisch ist das Aushusten von Haaren. (Dass unter Umständen die Skiagraphie werthvolle Aufschlüsse geben kann, ist nicht er- wähnt. Ref) Die Behandlung kann nur eine chirurgische sein. 8 Fälle wurden operirt. Die Operation bestand bei 6 Fällen in In- cision und Drainage; von diesen endeten 2 tödlich, 4 wurden ge bessert. Einmal wurde die Cyste exstirpirt, mit vollem Erfolg. Im 8. Falle (Dardignac) wurde nach ?maliger vergeblicher Incision und Drainage schließlich durch theilweise Excision der Cystenwand voll- kommene Heilung erzielt.

Ein 40 Nummern umfassendes Litteraturverzeichnis ist beigefügt.

Kleinschmidt (Kassel).

12) Gallet. Adénites tuberculeuses du médiastin antérieur. (Journ. de chir. et anat. de la soc. Belge de chir. 1901. No. 11.)

G. lenkt die Aufmerksamkeit auf die Fälle von tuberkulöser Osteoperiostitis des Brustbeins, bei denen die Eiterung von verkästen Drüsen des vorderen Mediastinalraumes unterhalten wird. Eine ein- fache Resektion und Knochenausschabung führt in diesen Fällen nicht zur Heilung. G. hat mehrmals beobachtet, dass sich bei Er- wachsenen im vorderen Mediastinum erweichte tuberkulöse Drüsen fanden, während die Lungenaffektion nur wenig ausgedehnt oder bereits ausgeheilt war. Nach der Erweichung der Drüsenpackete erkrankt das Brustbein sammt seinem Periost. Der tuberkulöse Eiter sucht sich einen Ausweg, indem er entweder am Brustbeinrande oder durch den erkrankten Knochen selbst, mit Vorliebe zwischen Körper und Manubrium durchbricht. Es entsteht so ein Abscess, dessen eine Tasche subkutan vor dem Brustbein liegt, während die andere den vorderen Mittelfellraum darstellt. Gewöhnlich bricht dann der Eiter durch die Haut durch und es kommt zur Bildung zahl- reicher Fisteln. Man hat da nach Resektion des Brustbeins die ins Innere führende Fistel aufzusuchen, das meist verdickte hintere Periost zu spalten und den vorderen Mediastinalraum breit zu er- öffnen. G. hat 3 Fälle auf diese Weise behandelt. Ein 35jähriger Schlosser und 26jähriger Bäcker sind geheilt worden, ein dritter Pat. ist 3 Tage nach der Operation gestorben. Läwen (Leipzig).

Centralblatt für Chirurgie. No. 10. 283

13) Fabian. Die Bindegewebshyperplasie im Fibrom und im

Fiıbroadenom der Mamma. (v. Langenbeck's Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Die Arbeit des Verf. ist dazu bestimmt, die Wachsthumsart des Fibroms zu klären. Die meisten Pathologen glauben wohl, dass das Wachsthum allein aus einem Keim entstehe; indessen findet der Satz allgemeine Zustimmung, dass das Fibrom aus wuchernden Binde- gewebszellen entsteht, welche die Fasern der Geschwulst bilden. Diese beiden wichtigsten Punkte in der Entwicklungsgeschichte des Fibroms stehen im Vordergrund der mitgetheilten Untersuchungen.

F. giebt zuerst die genaue Beschreibung einer größeren Zahl von diffusen Fibromen der Bauchwand und ihrer Nachbarschaft, des Rückens, der Kreuzbeingegend, der Brustwand und der Schulter- gegend, so wie des Oberschenkels. Aus diesen Beschreibungen geht hervor, dass sich Gefäß-, Fascien-, Muskel- und Fettgewebsbinde- gewebe unter Vermehrung direkt in Fibromgewebe umwandelt. Von einer Hülle oder Kapsel war selbst bei umschriebenen Fibromen nichts zu konstatiren. Ein entzündliches Gewebe ist in der Umgebung der Fibrome niemals zu finden gewesen, wie dies z. B. bei Fremdkörpern der Fall ist. Eine Grenze zwischen dem hyperplastischen Binde- gewebe der Geschwulst und dem der Umgebung giebt es nicht. Jedenfalls wächst das Fibrom nicht so, dass sich Zellen vorschieben und Fasern bilden, was man der herrschenden Bindegewebstheorie zu Liebe theilweise angenommen hat.

Weiter schildert Verf., wie die verschiedenen Gewebsarten mit Ausnahme des Nervenbindegewebes in Fibromgewebe sich umwandeln. Bei der Muskulatur hält sich dieser Process lange an die inter- fascikulären Bindegewebszüge; das intrafascikuläre Bindegewebe ist dann noch gar nicht oder eben erst wahrnehmbar faserig hyper- plastisch. Erst wo dies in ausgedehnterem Maße der Fall ist, sind die eingeschlossenen Muskelfasern atrophisch. In ähnlicher Weise spielt sich der Process im Fettgewebe ab, indem er sich zunächst an die Septen hält, erst später die Läppchen selbst ergreift und dann erst zum Schwinden bringt. Besonders schön ist auch die Verwand- lung der Fascien in Fibromgewebe nachzuweisen.

Als weitere grundlegende Thatsache betont F., dass das aus- gebildete Fibrom frei von Elastinfasern ist. Solche finden sich nur an den Übergangsstellen, an der Peripherie des Gros der Fibrome und in den Septen. Immer aber sind dieselben geringer an Zahl als im Mutterboden, und ferner weisen sie degenerative Verände- rungen auf, die mit völligem Schwund endigen. Bei den Gefäßen wird zuerst die Adventitia, dann die Media betroffen, derart, dass die Collagenfasern sich stärker ausbilden, die Elastin- und Muskelfasern allmählich verschwinden. Lichtung und Epithel können dabei un- verändert bleiben. Desshalb kann es auch keinem Zweifel unter- liegen, dass die großen Fibromgefäße keine erweiterten Kapillaren,

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sondern veränderte früher vorhanden gewesene Gefäße sind. Die Gefäßlichtungen können übrigens ganz ausgefüllt werden durch Hyper- plasie der Intima oder sie können wesentliche Verengerung erfahren dadurch, dass sie von Nachbarbündeln beträchtlich komprimirt werden.

Weiterhin reiht Verf. Studien über das Sarkom an und kommt auf Grund seiner Beobachtungen, welche den Fibromen und Sar- komen vielfach gemeinsame Punkte aufweisen, zu der Anschauung, dass die Einheitlichkeit der Bindegewebsbyperplasie nicht geleugnet werden kann, und dass es unmöglich sei, die 3 Gruppen des Fibroms, Fibrosarkoms und Sarkoms von einander zu trennen. Neben der Umwandlung der Nachbarschaft in Geschwulstgewebe kann übrigens auch ein gleichzeitiges Wachsthum im Innern der Geschwulst statt- finden, und zwar auch beim Fibrom. Dieses Wachsthum erfährt allerdings durch nekrotisirende Processe eine Einschränkung. Der Verlust der Elastin- und Muskelfasern in den Gefäßen, die dadurch geschädigte Bluteirkulation tragen eine wesentliche Schuld an dieser Nekrose.

Ein weiterer Abschnitt der Arbeit dient dazu, frühere Unter- suchungen zu vervollständigen, durch welche der Beweis erbracht war, dass das Wachsthum des Fibroadenoma mammae mit dem des Fibroms ebenfalls übereinstimme. Und in der That konnte Verf. durch eine lückenlose Reihe von Momentbildern den Entwicklungs- gang vom Mamma- zum Geschwulstläppchen und die völlige Über- einstimmung mit den Bildungsregeln des Fibroms nachweisen. Eine eigentliche Kapsel giebt es auch bei dem Fibroadenom nicht.

Alle die in der Arbeit beschriebenen Geschwülste gehen all- mählich in ihre Nachbarschaft über, weil und so lange sich diese in sie verwandelt; sie wird von ihnen getrennt, wenn das Geschwulst- wachsthum zum Stillstand kommt durch den Gegensatz der Struktur der Geschwulst zu dem der Nachbarschaft.

Zum Schlusse sind noch einige Betrachtungen über die Ent- stehung von Geschwülsten angefügt. Außerdem sucht Verf. an dem Beispiel der sehr weit über die eigentliche Geschwulst reichenden Vorläufer eines Fibroms die Häufigkeit der Recidive zu erklären.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

Kleinere Mittheilungen.

Ein Fall von Anus praeternaturalis, mit der Krause’schen Anastomosenklemme behandelt. Glatte Heilung. Von Dr. med. H. tarnerus in Lingen a. d. Ems. Pat. (Briefträger) wurde mit perityphlitischer Eiterung ins hiesige Kranken-

haus aufgenommen. Pararectaler Schnitt zur Exstirpation des Proc. vermiformis. Nach Durchtrennung der Bauchdecken kam man auf eine sehr starke Schwielen-

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bildung, die nach oben in einen dicken Netzstrang überging, der zunächst abge- bunden und durchtrennt wurde. Ileum und Coecum waren fest in die Schwarten eingebettet. Isolirung der Därme sehr schwierig. Es gelang schließlich, das Coeeum bis auf die innere mediale Seite freizsulegen, ohne dass der Wurmfortsats gefunden wurde. An der medialen Seite zog durch die Schwarten ein Fistelkanal bis ins kleine Becken hinein. Bei der weiteren Isolirung zeigte es sich schließlich, dass eine Ileumschlinge, die man zunächst für den Proc. vermiformis angesehen hatte, eine Strecke weit ihres Mesenteriums beraubt war (analog dem Falle von Prof. Sonnenburg, cf. d. Centralblatt 1901 No. 50); und obwohl das Coecum jetzt frei dalag, war von der Appendix keine Spur zu finden also wohl ein Fall von Appendicitis gangraenosa. Eine Resektion der Ileumschlinge war sehr schwer ausführbar, da das Mesenterium der Schlinge so geschrumpft war, dass ein Hervorziehen außerhalb der Bauchdecken ganz unmöglich war, und ich legte daher eine Enteroanastomose an und lagerte die ihres Mesenteriums entblößte Schlinge so viel wie möglich vor die Bauchdecken; der übrige '[Theil wurde mit Jodoformgaze umstopft und offen behandelt. Bald etablirte sich eine Kothfistel. Die Anastomose funktionirte so weit, dass Flatus per rectum abgingen, aber schr wenig Stuhl. Beim Verbandwechsel kam auch bei Darmkontraktionen aus der abführenden Schlinge wenig Stuhl. Nach Abstoßung alles Gangränösen beschloss ich in der Annahme, dass die Anastomose zu klein ausgefallen sei, da sie schon in der Tiefe sich schwer anlegen ließ, wie es auch eine vorsichtige digitale Unter- suchung von den beiden Darmschenkeln aus bestätigte, die Anlegung der Krause- schen Anastomosenklemme zur Bildung einer ausgiebigeren Anastomose. Ihre Anlegung erfolgte genau nach den Vorschriften, die Prof. Krause in seinem Vortrag auf dem Chirurgenkongress 1900 angegeben hatte, und fand sich nach Abnahme derselben der nekrotische, trockene Darmschorf an der einen Branche. Nur einmal nach dem stärkeren Anziehen der Klemme klagte Pat. für kurze Zeit etwas über Schmerzen. Von da ab erfolgte immer mehr Stuhlgang aut natürlichem Wege. Doch ging der weitaus größere Theil noch durch die Kothfistel ab. Letstere wurde dann bald nach Loslösung beider Schenkel intraperitoneal mit Seidenknopfnähten durch doppelreihige Naht geschlossen mit bestem Erfolg. Es erfolgt sehr bald reichliche Stuhlentleerung auf natürlichem Wege, und die Wund- heilung verzögerte sich nur noch durch Ausstoßung einiger Sceidenfäden. Pat. ist im Stande, seinem Berufe als Briefträger ohne jede Beschwerde wieder nach- sugehen.

Mit Rücksicht auf den glatten Verlauf des Falles dürfte die Krause ’'sche Anastomosenklemme für geeignete Fälle doch sehr zu empfehlen sein.

14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.

Sitsung vom 13. Januar 1902. Vorsitzender: Herr v. Bergmann.

1) Gustav Tornier: Über das natürliche Entstehen und experi- mentelle Erseugen überzähliger Bildungen (mit Demonstration).

Überzählige und Zwillingsbildungen entstehen nur aus Wundbezirken in Folge falscher Verwendung der Regenerativkraft des Organismus. Experimentell können sie nach 3 Methoden hervorgerufen werden und als ergänzende oder richtige Zusatsbildungen am Organismus aus Abriss-, Längs- oder Querwunden entspringen; in der freien Natur dagegen entstehen wenigstens alle embryonal angelegten der- artigen Missbildungen aus Wunden, die bei der Verbiegung oder Knickbean- spruchung eines Organs oder des Organismus erzeugt wurden. Wie bei einem einseitig befestigten Balken erseugt eine auf das freie Ende eines Organs ein- wirkende biegende Gewalt in diesem zuerst eine Scheitelwunde mit zwei einander zugekehrten Wundflächen an der Stelle, wo an der konvexen Seite des gebogenen Gegenstandes die Theile aus einander gezerrt werden; eine zweite Wunde ent- steht dann öfter auch noch an der Stelle des Organs, wo die drückende Kraft

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einwirkt, die dann entweder in das Organ tief einschneidet oder dessen Spitze ganz abschneidet. Diese 2 Wunden mit eventuell 4 Wundflächen sind danach die Ursprungsstellen der überzähligen Gebilde an dem betreffenden Organ.

Das Entstehen von übersähligen Bildungen aus Keimplasmavariationen, welches vielfach angenommen wurde, ist durch Thatsachen nicht erwiesen.

T. hat das von ihm aufgestellte Gesetz vielfach experimentell bewiesen; er hat bei Salamander- und Molchenlarven gegabelte Beine erzeugt, indem er ihnen z. B. einen Einschnitt unterhalb des gebeugten Kniegelenks bis in die Unterseite des Oberschenkels machte, er hat ganze Hintergliedmaßen entstehen sehen, wenn er einen Einschnitt in das Becken über der hervorsprossenden Gliedmaße machte; durch Biegung und Zerreißung des Schwanzes von Eidechsen und Molchen ent- standen gegabelte Schwänze; bei Mehlkäfern hat er Missbildungen der Flügel erzeugt, dadurch, dass er nach der letzten Larvenhäutung die Flügeldeckenanlage spaltete je nach der Lage, welche die Narbe zur Flügeldeckenanlage bekam, verhinderte sie deren Wachsen ganz oder nur nach einer Seite, schnitt in sie ein und gabelte sie, gestaltete sie ring- oder sichelförmig. Diese Thatsachen beweisen also, dass embryonale Wunden, wenn sie gehörig klaffen, und eine freie Ent- wicklung aus ihnen nicht gehindert ist, neben dem fortwachsenden unverletsten Theil ganze periphere Theile aus sich heraus wachsen lassen.

Das Gleichnis des gebogenen Balkens lässt sich am besten am Eidechsen- schwanz darstellen, an dem man durch Verbiegung die zwei- und dreizinkigen Gabelschwänge herstellen kann; aus der Angrifiswunde entsteht eine Ersatsspitze für die verloren gegangene Schwangspitze; aus der Scheitelwunde entstehen, je nachdem sie klafft, vollkommene oder weniger vollkommene überzählige Schwans- spitsen; sind die Wundflächen in der Scheitelwunde seitlich gegen einander ver- schoben, so entstehen im Ganzen 3 Spitzen.

Bei den Schweinen kommt sehr häufig an der Vordergliedmaße Polydaktylie vor; es treten an der Innenseite 1 oder 2 überzählige Zehen auf in Folge einer Zereprengung des 1. Carpale; je nachdem dessen Wundflächen weit oder mäßig weit klaffen, entstehen 2 oder nur 1 überzäbliger Zeh.

Bei den höheren Wirbelthieren entstehen ferner überzählige Bildungen häufig durch Epiphysenlösung an den langen Röhrenknochen mit Verschiebung der Epiphyse; der freigelegte Epi- oder Diaphysenabschnitt erzeugt den von ihm peripher liegenden Gliedmaßenabschnitt superregenerativ; T. konnte eine der- artige Genese an einer Kinderhand nachweisen, deren Daumen von der unteren Epiphysennaht des Mittelhandknochens aus gegabelt war.

Bei Fröschen, Enten, Hühnern ist das Entstehen ganzer übersähliger Glied- maßen von Schulterblatt- und Beckenwunden aus erwiesen. Überzählige Wirbel- partien entstehen, wenn bei einem Embryo die Wirbelsäule oder ein Theil der- selben über ein bestimmtes Maß verbogen wird und dadurch die Wirbel einreißen, ohne dass gleichseitig Hautwunden mit entstehen; wenn zugleich aber ein querer Weichtheileinriss mit entsteht, bilden sich je nach dem Sitz desselben hyper- regenetisch 2 Gesichter, 2 freie Köpfe, mit dem Becken zusammenhängende Zwillingsbildungen; bei einem Längriss durch den Embryo in der Brustregion entstehen 2 Individuen, die mit der Vorderseite ihrer Brustregion so verwachsen sind, dass ihre Wirbelsäulen einander gegenüber liegen. (Demonstration sahl- reicher Objekte.)

2) Herr A. Freudenberg: Einige Fälle von erfolgreicher Bottini- scher Operation bei besonders lange bestehender kompleter Urin- verhaltung.

F. demonstrirt 2 mit vollkommenem funktionellem Resultat geheilte Fälle von Bottini’scher Operation; die Kranken litten 103/4 resp. 273/4 Jahre an kompleter Urinretention, sie sind vor 6 resp. 10 Monaten in der Bergmann- schen Klinik operirt; der erste urinirte am 3., der zweite am 13. Tage nach der Operation spontan. Der Residualharn betrug 3 resp. 5 Wochen nach der Ope- ration 31/3 resp. 15 cem; die Funktionsfähigkeit der Blase ist noch jetzt, wie auch die Demonstration beweist, eine gleich gute. Ein dritter Fall zeigt eine seit

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41/, Jahren bestehende Heilung, nachdem 5 Jahre vor der Operation komplete Urin- verbaltung bestanden hatte; er ist auf dem Chirurgenkongress 1900 vorgestellt. Zwei mit dem Bottini’schen Instrumentarium vorgenommenen Operationen ergaben nur einen halben Erfolg, die dritte, mit des Vortragenden Instrumentarium aus- geführt, ergab einen idealen Erfolg; der Residualharn schwankte zwischen 13 und 30 cem. Der Erfolg der Operationen beweist, dass bei der Urinretention der Prostatiker die Prostatahypertrophie das primäre Hindernis ist entgegen Guyon’s Ansicht mit dessen Beseitigung eine selbst jahrelang unthätige Blase wieder funktionstüchtig wird.

Seit Januar 1900 hat F. 32 Fälle operirt mit 24 Heilungen, © wesentlichen Besserungen, 1 Mißerfolg und 1 Todesfall; die Statistik der früheren Operationen findet sich in der Deutschen Medicinalzeitung 1900.

Herr Frank demonstrirt das Präparat eines Falles, in dem er bei der Bottini’schen Operation einen Misserfolg hatte; er hält besonders die Fälle nicht geignet für die Operation, in denen sich die Wülste nach der Harnröhre su ausdehnen; in diesen Fällen wird man zur Prostatektomie schreiten müssen.

Herr Freudenberg tritt dem entgegen. Wenn die Wulstungen sich weiter in die Harnröhre ausdehnen, muss man die Schnitte größer machen und sie bis dieht an die Pars membranacea heranführen. F. hat auf dem 29. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ein Präparat demonstrirt, wo er bei Wul- stungen nur nach der Harnröhre einen vollen Erfolg erzielt hat. Er meint, dass nur sehr vereinzelte Fälle sich der Wirksamkeit der Bottini’schen Operation entziehen.

3) Herr Bockenheimer: Über Spina bifida.

B. bespricht die chirurgisch wichtigen hinteren Spaltbildungen des Rücken- markkanals und seines Inhalts, die Meningocele, die Myelocystocele und die Myelocele nach ihren anatomischen Charakteren, ihrer klinischen Erscheinungsform und der bei ihnen einzuschlagenden operativen Therapie unter Verwerthung des Materials der v. Bergmann’schen Klinik in den letzten 2 Jahrsehnten. Die Indikationen zum operativen Eingreifen werden weiter gestellt als früher. v. Bergmann operirt im Allgemeinen; als Kontraindikation gilt nur gleich- zeitig bestehender Hydrocephalus, Lähmungen und andere Missbildungen. Wenn größere Weichtheildefekte nach Entfernung der Geschwulst zu decken sind, werden Fascien-Muskellappen dazu verwandt.

4) Herr K. Baur: Über die Rolle der sogenannten lokalen Toxine bei der Sepsis.

Ausgehend von der praktischen Erfahrung, dass die im Kreislauf kreisenden Bakterien für den Verlauf der Sepsis nicht bestimmend sind (z.B. bei den erfolg- reichen Amputationen wegen Sepsis), hat B. die Wirkung der im Blut kreisenden Bakterien, ihrer Toxine und der am ersten Orte der Infektion entstandenen Gift- stoffe im Thierexperiment studirt. Unter Benutzung einer besonderen Blutunter- suchungsmethode das Blut wird einen Tag im Brutofen angereichert unter Versetzung mit 1 %iger Traubenzuckerlösung 2 : 1, dann auf Agarplatten ausgesăt wurde die Zahl der bei der menschlichen Sepsis im Blut vorhandene Bakterien festgestellt; sie ist 25—30mal geringer als man gewöhnlich im Experiment davon nimmt; es zeigte sich, dass die Bedeutung der direkten Blutinfektion mit Bakterien und der Giftwirkung einer den Verhältnissen beim Menschen entsprechenden Menge von Toxine beim Thier eine recht geringe ist.

Dagegen ist die Rolle der lokalen, in Wechselwirkung mit dem Körpergewebe gebildeten Giftstoffe eine sehr wichtige. Sie wurden gewonnen aus Eiter, aus dem Gewebe von amputirten, phlegmonös erkrankten Gliedern, aus dem Gewebe künstlich inficirter Thiere. Die Gewebe wurden getrocknet, zerrieben, zur Tödtung der Bakterien mit Chloroform übergossen und mit Kochsalzlösung angerührt; es wurde eine fast klare, sterile Flüssigkeit gewonnen. Während normale, so präpa- rirte Gewebe ungiftig waren, zeigten die lokalen Toxine sehr erhebliche lokale und allgemeine Wirkungen. Im subkutanen Gewebe erzeugten sie ein schnell

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progredientes Ödem fast der ganzen Extremität, das in einigen Tagen ohne Eiterung bei leichtem Kranksein verschwand; sobald nur wenige virulente Bakterien dazu kamen, entstand eine schwere progrediente tödliche Eiterung, während dieselbe Menge Bakterien für sich allein nur unbedeutende lokale Eiterungen erzeugte das Blut enthielt Bakterien und war sehr giftig, die inneren Organe waren nach dem Tode verfettet. Wurden die lokalen Giftstoffe allein in den Kreislauf gebracht, so starben die Thiere in einigen Tagen schon bei kleinen Mengen septisch hierbei negativer Bakterienbefund, hohe Giftigkeit des Blutes für andere Thiere, Verfettung der inneren Organe. Bei experimentell erzeugten lokalen Phlegmonen hatte die Injektion der lokalen Toxine ins Blut einen eigen- thümlichen Einfluss auf den Bakterienbefund im Blut; während vorher das Blut frei von Bakterien gefunden war, zeigte es sich 30 Minuten danach von ihnen überschwemmt, d. h. vorher konnten sie kulturell nicht nachgewiesen werden, weil die baktericide Kraft des Blutes sie vernichtete; als diese durch die lokalen Toxine paralysirt war, tauchten sie in den Kulturen auf. Die Bakteriämie ist demnach bei Thieren nur ein Symptom für die zunehmende Vergiftung des Blutes mit den lokalen Toxinen. In der Vernichtung dieser Stoffe muss die Behandlung der schweren eitrigen Processe besteben; die im Handel erscheinenden Antitoxine haben sich als unwirksam erwiesen und müssen es sein, da sie sich gegen einen falschen Feind, die Bakterien und deren Toxine richten.

B. hat gefunden, dass die lokalen Giftstoffe durch Elektrolyse zerstört werden und auch bei seinen Experimenten einen Einfluss auf Phlegmonen bei Thieren fest- gestellt, die er zugleich in der üblichen Weise mit Incisionen behandelt hatte. Er ist mit der Herstellung größerer bei Menschen anwendbarer elektrolytischer Apparate beschäftigt.

Herr Canon begrüßt die Experimente B.'s als einen Fortschritt und hofft, dass wir auf der mit ihnen geschaffenen Basis theoretisch und praktisch weiter kommen werden.

5) Herr v. Bergmann: Über geheilte Schädelschüsse.

v. B. erörtert unter Demonstration dreier geheilter Fälle die bei Schädelschüssen einzuschlagende Therapie.

Die Erfahrung hat erwiesen, dass unsere heutigen kleinkalibrigen Geschosse im Schädel meist reaktionslos einheilen und nur selten zur Infektion Veranlassung geben. Der erste Fall von Stirnschuss, bei dem das Geschoss auf Röntgen- photographien im linken Occipitalhirn nachgewiesen worden ist, ist unter Rück- gang der primären durch Fernwirkung erzeugten Lähmungs- resp. Krampf- erscheinungen geheilt, obgleich das Hirn in der Wunde bloß lag und die ersten Tage viel Liquor cerebrospinalis ausfioss. v. B. ist der Ansicht, dass die primären operativen Eingriffe, welche begwecken, durcli Freilegung des Knochens und Ent- fernung von Splittern die Wundverhältnisse bei Schädelschüssen zu verbessern, in der Regel nicht angezeigt sind.

Aber auch mit sekundären Operationen, durch die man hofft, mit Entfernung des Geschosses oder von Splittern persistirende Lähmungs- oder Reizerscheinungen zu beseitigen, soll man nicht zu schnell sein. Erstens ist die Gefahr, welche mit der Freilegung ausgedehnter Gehirngebiete und mit der Durchsuchung des Gehirns nach dem Geschoss verbunden ist, eine sehr erhebliche und zweitens sind die Schwierigkeiten, dies Geschoss selbst an der Hand guter Röntgentstrahlen su finden, sehr große. In zwei Fällen, die vorgestellt werden, waren die auf Ent- fernung des Geschosses gerichteten Eingriffe erfolglos; der eine der Kranken war nach der Verletzung auf einem Auge blind, der andere erblindete im Laufe der nächsten Wochen auf einem Auge. In beiden Fällen wurde das Geschoss auf Röntgenbildern so an der Schädelbasis liegend gesehen, dass v. B. sie operativ entfernen zu können glaubte; die Geschosse wurden beide Male nicht gefunden; der N. opticus war nicht verletzt; die Operationswunden heilten glatt.

R. Wolf (Berlin).

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15) 68. Englischer Ärzte-Kongress in Cheltenham.

(Aus der Sektion für Kinderheilkunde.) (Brit. med. journ. 1901. September 7.)

Discussion on the treatment of intussusception in children.

Pitts giebt eine Übersicht über 115 Fälle von Intussusception, welche in dem Zeitraume von 1875—1900 im St. Thomashospital zur Behandlung gekommen sind. 105 Fälle betrafen Kinder im Alter bis zu 12 Jahren, von welchen 36 ge- heilt wurden, und zwar 13 nach Auftreibung des Darmes mittels Luft oder Wasser, 23 nach Laparotomie. Seit dem Jahre 1897 ist letztere Behandlungsmethode Regel geworden, und nur ein 7 Monate altes Kind wurde mittels hoher Klystiere be- handelt und geheilt. P. spricht sich zu Gunsten der sofortigen Laparotomie aus, da die Wirkung der Aufblähung des Darmes und der Wassereingießungen zu un- sicher sei, namentlich auch, weil die ödematöse Schwellung des invaginirten Darm- stückes häufig die vollständige Reduktion außerordentlich erschwert, so dass diese selbst bei der Laparotomie auf Schwierigkeiten stößt. Eben so bilden die konstant geschwellten Lymphdrüsen oftmals ein schwer zu überwindendes Hindernis. Da- durch hat P. sich bewogen gefühlt, immer mehr die sofortige Laparotomie in den Vordergrund zu stellen. Die Aufblähung des Darmes mittels Luft oder Wasser will er gelten lassen bei den Fällen, welche in den ersten Stunden bei nicht allzu stürmischen Erscheinungen in Behandlung kommen, was für die Krankenhauspraxis allerdings selten zutrifft, dann aber auch als Mittel, die Laparotomie zu erleichtern, indem der größere Theil durch die Aufblähung des Darmes reponirt wird, und zur Reposition des Endstückes eine kleinere Incision erforderlich ist. Die Even- tration sucht P. nach Möglichkeit zu vermeiden. Ist die Blähung der Darm- schlingen zu beträchtlich, und werden die Manipulationen innerhalb der Bauch- höhle dadurch gar zu sehr behindert, so werden jene incidirt, entleert und dann exakt vernäht. Bei der Entwicklung ist die möglichst größte Vorsicht von Nöthen, um ein Einreißen des Darmes zu vermeiden. Die Reposition ist eher durch Druck auf das invaginirte Stück von innen her, als durch Zug an demselben zu be- wirken. Bei erheblichen Schwierigkeiten spaltet P. die äußere Schicht und übt mittels des eingeführten Fingers direkt einen Druck auf das invaginirte Stück aus. Bei akuten Fällen lässt sich so die Resektion fast immer vermeiden, seltener bei ehronischem Verlauf. Ist bereits Gangrän eingetreten, entfernt P. das bran- dige Darmstück und näht beide Stümpfe in der Bauchwand ein. Die Wiederher- stellung der Kontinuität des Darmes bleibt einer zweiten Operation vorbehalten. Nur bei sehr hoch sitzenden Invaginationen ist unter solchen Umständen die so- fortige Vernähung des Darmes geboten.

D’Arcy Power tritt für möglichst frühzeitige Laparotomie ein. Die Invagi- nation sucht er möglichst in situ zu reponiren, wenn er auch gelegentlich bei auftretenden Schwierigkeiten nicht vor einer ausgiebigen Laparotomie und Vor- ziehen der Invagination zurückschreckt. Von 1860—1890 sind im St. Bartholomews- Hospital und The Victorian hospital for children 113 Fälle aufgenommen worden, von welcben 66 starben, 47 durchkamen. Von 1880—1890 wurden 65 Patienten der Operation unterworfen; 23 wurden geheilt, 42 starben. P. macht darauf auf- merksam, dass in manchen Jahren die Erkrankung seltener zu sein scheine; so sind z. B. in den Jahren 1878, 1879 und 1887 keine Fälle zur Beobachtung gelangt.

William MeAdam Ececles hält bei feststehender Frühdiagnose und gün- stigen äußeren Verhältnissen da die Erkrankung meist in den unteren Volks- schichten auftritt, ist Krankenhausbehandlung das beste die sofortige Operation für indicirt, welche denn auch die besten Resultate aufzuweisen hat. Eine Säuberung der Oberfläche des reducirten Darmstückes ist nach E. erforderlich. Er glaubt, dass der häufiger zu beobachtende terminale Anstieg der Temperatur auf einer Resorption septischen Materials aus dem invaginirten Darmstück beruhe. Für den Verschluss der Bauchwunde hält er tiefgreifende Nähte für genügend. Die Nachbehandlung erachtet er für sehr wichtig. Säuglinge nach der Operation an die Brust zu legen, ist nach E. nicht angebracht, da durch den Akt des Saugens

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die Peristaltik angeregt wird. Er lässt die Milch auspressen und sie dem Kind theelöffelweise verabfolgen. Um dem Darm ruhig zu stellen, werden kleine Dosen Opiumtinktur verabfolgt.

A. H. Tubby hält die Aufblähung des Darmes nur in den ersten Stunden nach Beginn der Erscheinungen für angebracht, später ist die Laparotomie indicirt. In den schweren Fällen, welche er zu beobachten Gelegenheit hatte, konnte er eine beginnende Thrombose der Mesenterialvenen, entsprechend der Spitze der In- tussusception, erkennen. Dadurch ließe sich eine rasche Verschleppung septischen Materials und so auch die terminale starke Temperatursteigerung verstehen.

Abbott stimmt bezüglich der Laparotomie mit den Anschauungen von Pitts überein. Das Ansteigen der Temperatur nach der Operation glaubt er auf Resorp- tion aus dem gestauten Darminhalt zurückführen zu müssen und hält es dessbalb für zwecklos, sich mit Reinigung des invaginirten Darmstückes aufzuhalten.

Sinclair White will die Aufblähung des Darmes nicht völlig aus der The- rapie gestrichen wissen und glaubt, dass bei völliger Ruhigstellung des Darmes durch kleine Dosen von Morphium die gefürchteten Recidive weit seltener auf- treten. Das Ansteigen der Temperatur hält er für zu rasch, als dass dasselbe in einer Sepsis seinen Grund haben sollte. W. vermuthet eher eine Störung inner- halb der Wärmecentren.

An der weiteren Diskussion betheiligten sich noch P. Bush, Lewis Mar- shall, Ch. F. Cuthbert, A. F. Forster, E. M. Sympson, McPhedran. A. D. Blackader, F. E. Batten, welche sich sämmtlich für die möglichst frühzeitige Laparotomie aussprechen.

Letzteren Standpunkt theilt auch Eve. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Form der Invagination, bei welcher dieselbe am Kopfe oder am distalen Ende des Blinddarmes beginnt, anstatt an der Einmündungsstelle des Ileum in ihn. E. hat diese Form unter 21 Fällen 6mal beobachtet.

A.H. Tubby: Results of tendon grafting in infantile and spastic paralysis. |

T. theilt seine Erfolge mit, welche er mit der Sehnentransplantation erzielt hat. Im Ganzen handelt es sich um 11 Fälle von Fußdeformitäten nach Kinder- lähmung. In 4 Fällen handelte es sich um einem Pes calcaneo-valgus. Einmal wurde die Sehne des Peron. long. und des Tib. post. auf die Achillessehne ver- pflanst, im zweiten Falle beide Peronei, und im dritten die Sehne des Peron. long. auf die Achillessehne. In letzterem Falle blieb ein geringer Grad der Deformität zurück. Beim 4. Pat. bestand nur eine mäßige Abnormität der Stellung. Tib. ant. war gelähmt, Tib. post. wirkte noch wenig. Die Sehne des Ext. dig. comm. wurde gespalten und die äußere Hälfte auf die Sehne des M. tib. ant. verpflanzt. Die Wadenmuskulatur wurde dauernd massirt und faradisirt, und das Resultat war ein gutes. T. hält es für angezeigt, zur Bekämpfung der Valgusstellung nicht allein die Sehne des Peron. long. auf die Achillessehne zu verpflanzen, sondern auch den Peron. br. zu tenotomiren.

Des weiteren wurden behandelt 2 Fälle von Pes calcaneus. Einmal war die Deformität die Folge einer missglückten Klumpfußoperation, im zweiten im An- schluss an eine Kinderlähmung entstanden. Im ersten Falle wurde die Sehne des Peron. long. mit den Resten der Achillessehne vernäht, im zweiten die Sehne des Flexor pollicis longus auf die Achillessehne verpflanzt. Im ersten Falle war ein leidliches, im zweiten ein sehr gutes Resultat zu verzeichnen.

Bei Calcaneo-varusstellung wurde durch Überpflanzung der Sehnen des Peron. long. und Flex. poll. auf die Achillessehne ein gutes Resultat erzielt.

3 Fälle von paralytischem Pes equino-varus wurden behandelt. Die Achilles- sehne wurde jedes Mal gespalten und die laterale Hälfte mit der Sehne des Peron. long. vereinigt. Bemerkenswerth ist, dass durch weitgreifende Spaltung der Sehne mit Trennung der Muskelbäuche des Gastrocnemius ein besseres Resultat erzielt wurde als durch Theilung der Achillessehne allein.

Behufs Korrektur eines paralytischen Pes equino-valgus es handelte sich um eine Lähmung des Tib. anù und post., M. ext. poll. long. und mediale Partie

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des M. digit. comm. waren geschwächt wurde die Achillessehne in ihrer ganzen Länge gespalten, die mediale Hälfte abgelöst und mit dem Tib. post. vernäht. Der Rest der Achillessehne so wie die Peronei wurden tenotomirt. Anfänglich war das Resultat ein gutes, später trat jedoch wiederum eine leichte Valgusstellung ein. T. meint, dass sich das durch Resektion eines Stückes der Peroneussehnen hätte vermeiden lassen. |

Des weiteren hat T. in 4 Fällen von spastischer Lähmung, bei welchen haupt- sächlich die Pronatoren und Flexoren der Hand afficirt waren, die Funktion durch Sehnenplastik zu bessern gesucht. Er war vor Allem bestrebt, den M. pron. teres in einen Supinator zu verwandeln. Zu dem Zwecke wurde der Ansatz des Muskels dureh eine Ofinung im Lig. interosseum auf die hintere Seite des Radius verlegt und da mittels einer durch den Knochen gelegten Naht befestigt. Der Flex. carpi rad. wurde entweder tenotomirt oder seine Sehne in ähnlicher Weise wie die des Pronator teres an die dorsale Seite des Radius verlagert und da befestigt. Zur Hebung der Flexionsstellung wurden die Sehnen der Flexoren offen durchschnitten, bis die Streckung der Finger ermöglicht war. Die Hand wurde zunächst für 10 Tage in Flexionstellung verbunden und dann allmählich in Mittelstellung ge- bracht. Das Resultat war 3mal ein gutes, imal trat die Besserung nur langsam und nur bis zu einem gewissen Grade ein.

Sinclair White: Ultimate results of tendon grafting in infantile paralysis.

W. hat in 11 Fällen von Lähmungen Sehnenoperationen vorgenommen. Ein- mal handelte eg sich um eine Lähmung der Extensoren des Daumens, in welchem Yalle der Flex. carpi rad. auf die gelähmten Extensorensehnen überpflanzt wurde. Bei sämmtlichen anderen Kranken war eine Lähmung der unteren Extremität vor- handen, meist in der Weise, dass der Tib. ant. und die Peronealmuskulatur be- fallen war. W. giebt eine Übersicht über die angewendete Technik, welche sich eng an das Verfahren Nicoladoni’s anschließt. 6 von den 10 Fällen sind be- trächtlich gebessert worden. Die Überpflanzung bei der Lähmung des Daumens ergab kein gutes Resultat.

Harold J. Stiles: Radical cure of inguinal hernia in children.

8. hat 100 Fälle von Leistenbruch im Kindesalter der Operation unterworfen.

35 gehörten dem männlichen, 5 dem weiblichen Geschlechte an. 72 waren rechts-, 20 links- und 8 doppelseitig. In 83 Fällen trat das Leiden innerhalb des ersten Lebensjahres in Erscheinung. Die Beschaffenheit des Sackes war in 78 Fällen notirt. 72mal kommunicirte derselbe nicht mit der Tunica vaginalis. Die Ver- bältnisse lagen dann ähnlich wie beim äußeren Leistenbruch der Erwachsenen. S. neigt auf Grund dieser Erfahrung der Ansicht zu, dass der größere Theil der äußeren Leistenbrüche, welche man bei noch jugendlichen Individuen antrifft, that- sächlich angeboren sind. „Von 7 Fällen, welche als irreponibel oder auch möglicherweise eingeklemmt in Behandlung kamen, gingen 4 spontan zurück. In einem Falle machte S. die Operation, obwohl die Reposition kurz vorher spontan erfolgt war. Taxisversuche waren vergeblich gewesen. 24 Stunden später erfolgte der Tod. Die Sektion er- gab, dasa eine Darmschlinge erheblich gequetscht und das zugchörige Gekröse stark sugillirt war. Die Taxisversuche waren dafür verantwortlich zu machen.

In 7 Fällen war der Darm eingeklemmt, sämmtliche Kinder kamen durch.

Coecalherinen kamen 7mal zur Beobachtung. Amal konnte der Wurmfortsatz getastet werden, Amal wurde derselbe entfernt. In 3 Fällen bestand eine Tuber- kulose des Bruchsackes. Im Ganzen gingen von den Operirten 3 zu Grunde.

Die Technik der Operation wurde möglichst einfach gehalten, Schnitt parallel dem Lig. Pouparti und Freilegung des Funiculus spermaticus. Isolirung, Unter- bindung und Abtragung des Processus funicularis. Behufs Verengerung des Bruch- sackes werden ein oder 2 Pfeilernähte angelegt. Nur in den Fällen, in welchen eme Einklemmung am Bruchsackhalse bestand, kam die Bassini’sche Methorle zur Anwendung. Weiss (Düsseldorf).

292 Centralblatt für Chirurgie. No. 10.

16) W. W. Ssisewski. Paraskorbutische Erkrankungen der Knochen und Gelenke. | (Wratsch 1901. No. 45).

5. beschreibt 4 Fälle, wo nach überstandenem Skorbut sich Knochen- und Gelenkleiden tuberkulösen Charakters ausbildeten.

1) Frau, 22 Jahre alt; Caries sicca coxae s.

2) Frau, 25 Jahre alt; Osteomyelitis ulnae s.: Synovitis cubiti s. tubereuloss, Tuberkulose der linken Lungenspitze. In diesen beiden Fällen waren während des Skorbuts die linke untere resp. obere Extremität am meisten affhioirt.

3) Mann, 52 Jahre alt. An beiden Händen Spina ventosa metacarpi V, Caries .ulnae et tibiae s.

4) Mann, 40 Jahre alt. Caries beider Unterschenkelknochen.

Überhaupt kommt in der Gegend, wo 8 arbeitete, der Skorbut sporadisch oft vor; sehr oft sieht man dort verschiedene tuberkulöse Knochen- und Gelenk- leiden. Den Grund sieht S. darin, dass der Skorbut den Tonus der Kapillar- gefäße schwächt und die Gefäßlichtung dilatirt; daher wird der Blutstrom verlang- samt, besonders in den Knochenkapillaren. Diese Verlangsamung führt zu leichter Absetzung der Infektionserreger in den Knochen.

Glückel (Medwedowka, Kijew).

17) Spiridonow. Zwei Fälle von Fraktur der Wirbelsäule in patho- logisch-anatomischer und klinischer Hinsicht. (v. Langenbeck’s Archiv f. klin. Chirurgie Bd. LXV. Hft. 2.)

Beschreibung zweier Fälle von Wirbelbruch, die durch Fall von einem hoben Fuder, resp. durch Schlag von einem schweren Balken erfolgt sind. Die Kranken- geschichten sind ausführlich mitgetheilt. Der erste Fall ist durch die Art und Form der Fraktur interessant, da eine Diastase der Wirbel so wie Bruch der Wirbelbögen im Lendentheil der Wirbelsäule sehr selten ist. Beide Pat. starben an Septicopyämie. Für den zweckmäßigsten Eingriff hält S. die von Lauen- stein und MacEwen vorgeschlagene Resektion der Wirbelbögen mit nach- folgender Extension der Wirbelsäule. E. Siegel (Frankfurt s/M.).

18) N. W. Ssinjuschin. Die sich aus der Glandula carotica ent-

wickelnden Geschwülste. (Annalen der russ. Chir. 1901. Hft. 5.)

In der Litteratur fand S. nur 7 Fälle. Seine Pat., eine Frau von 41 Jahren, bemerkte die Geschwulst vor 8 Jahren nach einer Stimmbandentzündung, unter dem rechten Kieferwinkel. Sie ist hühnereigroß und wurde nach Ablösung von der V. jugularis externa und Unterbindung der Carotis communis ext. und interna mit letzteren Gefäßen entfernt. Wundverlauf glatt, nur wurde eine Parese des Facialis und Hypoglossus beobachtet. Die Geschwulst ist 4><6 om groß, fest mit den Karotiden verwachsen, von einer derben fibrösen Kapsel umgeben; sie zeigt einen alveolären Bau, wobei die Alveolen mit gewuchertem Endothel ausgefüllt sind. Unbestimmt bleibt es, ob das Endothel oder das Perithel der Ausgangspunkt war.

Die Resultate der Behandlung sind nicht glänzend: von 8 Operirten starben 2; imal entstand Stimmbandlähmung, imal centrale Lähmung mit Aphasie. Im Falle des Verf. wurde Parese beobachtet. Gückel (Medwedowka, Kijew).

19) C. A. Hamann. Spasmodic torticollis and its surgical treatment. (Buffalo med. journal 1901. December.)

In den 4 vom Verf. beobachteten Fällen waren fortgesetzte, excessive oder oft wiederholte Zusammenziehungen der betreffenden Muskeln, welche meist durch die Beschäftigung der Kranken bedingt waren, dem eigentlichen Ausbruch der Erkrankung vorhergegangen. Diese sozusagen professionellen Bewegungen

Centralblatt für Chirurgie. No. 10. 293

gingen dann allmählich in tonische oder klonische Krämpfe über. Die Erkran- kung ist meist oorticalen Ursprungs. Interne, hygienische und mechanische Be- handlung erwies sich in schwereren Fällen als nutzlos, ebenso die einfache Durch- schneidung des Kopfniokers oder des N. accessorius. Ist der Kopfnicker allein betheiligt, so kann nach Resektion des N. accessorius Heilung eintreten. Sind außerdem noch der Splenius und andere Nackenmuskeln der entgegengesetsten Seite befallen, so müssen außerdem noch nach dem Vorgange Keen’s die hinteren Aste der 3 obersten Üervicalnerven resecirt werden. Verf. operirte 2 derartige Fälle, indem er außer der Resektion des N. accessorius und der Cervicalnerven noch die Durchschneidung sämmtlicher betheiligter Muskeln (Sternocleido, Sple- nius, Complexus, Obliquus inferior) ausführte (genauere Technik siehe Original). Die Auffindung der Cervicalnerven ist wegen ihres kleinen Kalibers und wegen der meist starken venösen Blutung sohwierig. In beiden Fällen wurde Heilung ohne funktionelle Störungen erzielt; im ersten Falle blieb ein Zittern in den be- theiligten Halsmuskeln zurück. - Mohr (Bielefeld).

20) Enderlen. Ein Beitrag zur Chirurgie des hinteren Mediastinum.. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. Bd. LXI. p. 443.)

Die sehr verdienstliche und inhaltsreiche, fleißige Arbeit knüpft an eine von E. selbst ausgeführte Mediastinotomie Zwecks Excision eines ösophagealen Fremd- körpers an und behandelt 1) die Anatomie des hinteren Mediastinums, 2) Er- krankungen desselben, die Veranlassung zu chirurgischen Eingriffen geben können. 3; Operationsmethoden zur Freilegung der Speiseröhre vom hinteren Mediasti- num aus.

Der eigene Fall betrifft einen 29jährigen Mann, der ein Gebiss verschluckte. Einen Monat später der Klinik mit reducirtem Ernährungszustand zugegangen, zeigte er den Fremdkörper 31 cm hinter der Zahnreihe festsitzend; auf einen der vergeb- lichen Extraktionsversuche folgte Blutung, Schmerzhaftigkeit und Fieber. Am 6. Oktober 1900 Laparotomie im linken Rectus, Freilegung des sehr kleinen Magens, von wo aus indess die Fremdkörperentfernung, bei hohem Sitz des Ge- bisses oberhalb der Cardia, unmöglich erschien. Desshalb nach Anlegung einer Witzel’schen Magenschrägfistel Mediastinotomie bei linker Seitenlage des Pat. Es wurde ein rechteckiger Lappen rechts von der Wirbelsäule umschnitten; die Basis reichte vom 3.—9. Brustwirbel, der laterale Rand ging bis zum Margo vertebralis. Nach Freilegung der Rippen wurde von der 5.—8. Rippe (inkl.) je 1—10 cm resecirt und die Interkostalmuskulatur nach präliminarer Unterbindung der Gefäße durchtrennt. Darauf wurde die Pleura vorsichtig stumpf gelöst, wobei es an 2 Stellen zu Einrissen kam. Die Lunge kollabirte nur wenig, bedrohliche Erscheinungen blieben aus. Allmählich gelangte man an den Ösophagus, welcher durch das Einführen einer Sonde bis zu dem Fremdkörper leichter aufündbar ge- macht wurde. Die Entfernung des Gebisses, welches mit einem Metallhaken fest in der Wand der Speiseröhre haftete, war auch nach deren Eröffnung etwas. schwierig! Wegen der hierbei stattgefundenen Wundquetschung keine Osophagus- naht, lockere Wundtamponade. Bei Ernährung zunächst durch die Magenfistel guter, doch nicht komplikationsfreier Verlauf. Der Pneumothorax kam nur lang- sam sum Verschwinden. Ein hinzukommender subphrenischer Abscess erforderte eine 2malige Operation; am 7. Januar Incision vorn auf der Mitte des Rippen- randes, Probepunktion durch den Leberrand, Eiter ergebend, Abscesseröffnung nach Durchtrennung der Lebersubstanz sodann am 28. Februar Resektion der 7. Rippe in der Axillarlinie und Eiterentleerung. Mit der Nahrungszufuhr auf natürlichem Wege war Mitte November begonnen, wobei etwas Nahrung aus der Wunde kam. Dies hörte erst im Juli auf. Bei der Entlassung am 25. Juli in bestem Ernährungszustand war die Speiseröhre für die dieksten Sonden passabel, die Narbe zeigte in der Höhe des 6. Proc. spinosus eine tiefe Einziehung, ent- sprechend der Stelle der früheren Ösophagusfistel. Der subphrenische Abscess hätte sich vielleicht vermeiden lassen, wenn man die ausschließliche Magenfistel- ernährung länger fortgesetzt hätte.

294 Centralblatt für Chirurgie. No. 10.

Zu einem näheren Eingehen auf die allgemeinen Kapitel der Abhandlung mangelt es hier an Platz, und muss Ref. sich darauf beschränken, die Gediegen- beit und Reichhaltigkeit derselben hervorsuheben und insbesondere auch auf die topographisch-anatomischen Tafeln hinzuweisen. E.’s eigene Schlusssätze lauten:

21) Die Lage des Ösophagus ist auch in der Norm in gewissem Grade wechselnd

a. zu der Wirbelsäule,

b. su den Pleurablättern, speciell dem rechtsseitigen,

c. su der Aorta.

2) Als Zugang zu dem Ösophagus empfiehlt sich

a. oberhalb der Bifurkation die linke Seite,

b. in der Höhe des 5. und 6. Brustwirbels die rechte Seite.

Von da ab

c. bis sum Diaphragma die rechte oder linke Beite.

Am besten eignet sich ein Bogenschnitt, oder ein rechteckiger Lappenschnitt {mit der Basis an der Wirbelsäule).

3) Der Ausführung der Operation vom hinteren Mediastinum aus sind enge Grenzen gezogen; sie ist im Wesentlichen beschränkt auf:

a. Fremdkörper, welche auf keine andere Weise zu entfernen sind, oder welohe den Ösophagus bereits perforirt haben,

b. die sehr seltenen Divertikel im unteren Theile des Ösophagus, falls sie einer palliativen Behandlung trotsen und nicht Verwachsungen unüberwindliche Hindernisse bieten.

4) Der Operation am Ösophagus ist die Gastrostomie voraussuschicken.

5) Bei glatter Wunde des Ösophagus kann die Naht derselben versucht wer- den, doch ist im Übrigen die Tamponade am Platze.

6) Pleuraverletzungen sind durch Tamponade während der Operation und fol- gende Naht zu behandeln.

7) Für anderweitige Eingriffe an den Gebilden des hinteren Mediastinums kommen in Betracht:

a. Eiterungen, welche von der Wirbelsäule oder von dem Ösophagus ausgehen und durch die Incision von oben (Mediastinotomia collaris Heidenhain, v. Hacker, Cavazsani und Andere) nicht su be- herrschen sind,

b. entsprechend gelagerte Lungenabscesse.«

Meinhard Schmidt (Kuxhaven).

21) Goldthwait. Abscess in the posterior mediastinum in connection with Potts disease. (Boston med. and surg. journ. 1901. November.)

Im vorliegenden Falle wurde bei 5jährigem Kinde durch Operation Heilung ersielt. Der Abscess machte, wahrscheinlich durch Druck auf Luftröhre und Hers, erst als diphtherieverdächtig angesehene dyspnoische Erscheinungen. Die Operation. bestand in Einschnitt längs der Wirbelsäule in Höhe der Kyphose (3. u. 4 Dorsalwirbel) und etwas lateralwärts von den Querfortsätsen. Die 4. Rippe wurde unmittelbar am Gelenkfortsats in Länge von 1 Zoll resecirt, die Pleura bei Seite"geschoben. Es lag ein Gebilde vor, von dem nicht feststellbar war, ob es der Abscess oder die Vena cava inferior war. Desshalb wurde eine kleine Öffnung in den Wirbel gemacht, aus der sich etwas Eiter entleerte, dann, da Collaps Weiteres verbot, Gazedocht eingeführt. Sofort trat Besserung der Athmung ein, die nach 4 Tagen, nach Entleerung einer größeren Eitermenge, normal wurde. Orthopädische Nachbehandlung. Verf. schlägt vor, den Einschnitt nicht rechts wie im berichteten Falle, sondern links der Mittellinie zu machen, da die Aorta leichter erkennbar und vermeidbar sei als die Vena cava.

Trapp (Bückeburg).

Centraiblatt für Chirurgie. No. 10. 295

22) Nietert. Penetrating wounds of the heart with suturing of the wounds. Report of a case. (Philadelphia med. journ. 1901. December 14.)

Ein 22jähriger Mann hatte durch Messerstich im 5. I.C.R. eine 3/, Zoll lange Wunde rechts vom Brustbein erhalten. 2 Stunden später wurde er bewusstlos mit den Symptomen eines Hämoperikards ins Krankenhaus gebracht. Die Pleurahöhle war unverletzt.

Sofortige Operation. Bildung eines halbmondförmigen Hautlappens mit der Basis auf der linken Brustseite. Durchschneidung der Knorpel der rechten 5. und 6. Rippe. Resektion eines Theiles des Brustbeins. Freilegung einer 3/, Zoll langen Wunde im HersbeuteL Diese wird erweitert und der Herzbeutel von Blutgerinnsel befreit. Blutkoagula fanden sich besonders auf der Hinterfläche des Hersens. In der Mitte der Vorderwand des rechten Ventrikels verlief der Längsachse des Herzens parallel eine 1/3 Zoll lange in die rechte Kammer penetrirende Wunde. Die Blutang erfolgte, wie sich beobachten ließ, in der Hauptsache während der Disstole. Die Ränder der Herswunde wurden mit Kocher’schen Klemmen ge- fasst, in die Sternalöffnung gezogen und durch 3 Seidennähte vereinigt. In den Hersbeutel wurde nach theilweisem Verschluss des Hersbeutels ein Gaxedrain ein- geführt, derHautlappen surückgeschlagen und bis auf eine kleine Drainöffnung vernäht.

Das Bewusstsein kehrte schon während der Hersnaht zurück. Doch stellte sich eine Harnverhaltung ein. Der Kranke ging 33 Stunden nach der Operation an Chok und Perikarditis zu Grunde.

Die Sektion ergab völlige Obliteration des Hersbeutels. Das Perikard war nit fibrinösem Exsudat bedeckt und stark injicirt.

Der Fall bot verschiedene Besonderheiten. Die Bewusstlosigkeit, die eine Narkose bei der Operation unnöthig machte, erklärt N. aus der Kompression des Hersens durch Blutgerinsel und der hierdurch hervorgerufenen Cirkulationsstörung. Nach Entfernung der Gerinnsel kehrte das Bewusstsein wieder. Eine Kom- munikation zwischen Pleurahöhle und Hersbeutel bestand nicht, jene war unver- letst. Ein sischendes oder plätscherndes Geräusch, wie es vielfach beschrieben worden ist, ließ sich nicht nachweisen. N. hat 4 Fälle von penetrirenden Hers- wunden operirt. In jedem dieser Fälle bestand eine Kommunikation zwischen Berzbeutel und Pleurahöhle, und in jedem war das erwähnte Geräusch zu hören. Im vorliegenden Falle ließ nach N.’s Ansicht der hohe intraperikardiale Druck ein derartiges Geräusch nicht zustandekommen. Ds nun dieser Druck nur dadurch entstehen konnte, dass das Blut keinen Abfluss in die Pleurahöhle fand, so ist dem Geräusch diagnostische Bedeutung beisumessen.

Den Modus der Blutung erklärt N. aus der Situation der Wunde im Endo- kard. Sie lag hier zwischen zwei Herztrabekeln versteckt. Während der Systole musste in Folge der Kompression dieser Trabekeln die Blutung fast gans stehen.

Zur extrapleuralen Freilegung eines genügend großen Theiles des Herzens empfiehlt N. eine von ihm an der Leiche ausgearbeitete Methode.

Quer über das Brustbein werden vom rechten Rand bis zu einem Punkte 4 Zoll nach links vom linken Rand 2 Schnitte geführt. Der eine liegt in der Höhe des Unterrandes der 3. Rippe, das andere verläuft über den Ursprung des Schwertfortsatzes. Die linken Enden beider Schnitte werden durch einen senk- rechten verbunden. Dann werden die Knorpel der 4., 5. und 6. Rippe durch- schnitten, wobei man sich besonders an der 4. Rippe vor einer Verletzung der Pleura zu hüten hat. Die der hinteren Brustbeinfläche locker anliegenden Ge- bilde löst man stumpf mit einem Elevatorium ab. Das Brustbein selbst wird mit einer Knorpelsäge und dem Rippenmesser durchschnitten. Hierbei führt man nach theilweiser Durchtrennung erst den Finger hinter das Brustbein und schiebt die Pleura vom rechten Sternalrand zurück. Endlich wird der ganse Haut- knochenlappen unter Frakturirung des Rippenknorpels nach rechts umgeschlagen.

Man bekommt auf diese Weise nach N.’s Angabe die Vorderfläche des Herzens mit Ausnahme der oberen Theile der Herzohren und er Gefäßursprünge gut zu Gesicht. Läwen (Leipzig).

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23) Fessler (München). Unter dem Rothen Kreuz in Transvaal.

München, Seitz & Schauer, 1902. 314 S. Mit 80 Illustrationen.

Unter Beigabe von Illustrationen, meist nach eigenen Momentaufnahmen, schildert F. seine Erlebnisse als Arzt der Hamburg-Antwerpener Delegation der Rothen Kreuz-Gesellschaften dieser Städte, welche unabhängig von dem Central- komit& der Deutschen Landesvereine vom Rothen Kreuz in Berlin auf eigene Faust auf Seite der Buren in Transvaal wirkte. Sowohl personell als materiell war diese Abordnung denn auch nicht glücklich zugammengesetst, namentlich das Pflegepersonal des belgischen Theiles ließ zu wünschen übrig, und theilweise hatten sich sogar Leute angeschlossen, welche unter dem Deckmantel des Rothen Kreuses unlautere Zwecke, Zuführen von Personen, Munition etc., verfolgten. Die Engländer waren mithin durchaus berechtigt zu der Aufbringung des Trans- port-Dampfers »Herzog«, nur mussten, wie immer, auch Unschuldige unter der Schuld Anderer leiden.

So interessant die Schilderungen der Begebenheiten und Schicksale des Verf. und seiner Begleiter für Beurtheilung der Verhältnisse, der Art der Kriegfüh- rung etc. auf beiden Seiten auch sind, von eigentlich medicinischen und kriegs- chirurgischen Mittheilungen finden wir nicht viel. Doch geht aus dem, was vor- liegt, hervor, dass im Allgemeinen die Beobachtungen des Verf. mit denen der übrigen englischen und deutschen Erfahrungen übereinstimmen, was ja an sich auch von Bedeutung ist. Einige Wunden werden nicht nur beschrieben, sondern auch abgebildet, und sind einzelne merkwürdig genug. So machte 1 englisches Geschoss 5 Hautöffnungen, indem es durch den rechten Oberarm, den rechten Brustmuskel, die linke Lungenspitze und den linken Oberarm gegangen war, und swar unter Zerschmetterung des linken Schlüsselbeins, von welchem einzelne Theile mit herausgerissen worden waren. Lange oberflächliche Schussröhren platzten zuweilen an den oberflächlichsten Stellen auf. Derartige Wunden, so wie auch andere, bei denen Knochensplitter durch die Haut gerissen waren, konnten sehr wohl auch durch Dum-Dum-Geschosse bewirkt sein. Dass solche in irgend erheblicher Ausdehnung von einer der beiden Parteien benutst worden seien, be- weifelt F. eben so, wie andere Berichterstatter, obgleich die Buren zweifellos in ihrer Munitionsfabrik in Prätoria Geschosse dieser Art haben herstellen lassen. Allerdings sei dies erst der Fall gewesen, nachdem die Engländer im Anfang des Krieges zuerst sich der Dum-Dum-Geschosse bedient hätten, was bekanntlich von ihnen bestritten wird. Penetrirende Bauchwunden bat F. nicht viele gesehen; ein so verwundeter Bure starb an Peritonitis, obgleich die Sektion keine Darm- oder Drüsenverletzung erwies. Mehrere andere dagegen verliefen ganz ohne schwere Erscheinungen. Die Knochen waren meist wenig zersplittert; selbst an Pferden wurden Lochschüsse mit erhaltener Kontinuität gesehen. Shrapnel - Geschosse zeigten oft geringe Durchschlagskraft, und wurden mehrfach ziemlich oberfläch- lich in der Rückenmuskulatur aufgefunden. Meist wurden sterilisirte Watte- und Gazeverbände gemacht, in Päckchen mitgeführt, zuweilen aber auch antisep- tisches Material benutzt, wie von den Engländern stets. Oft kamen die Buren erst tage- und wochenlang nach der Verwundung mit inficirten Wunden in das Lazareth. Sie hatten eine entschiedene Abneigung gegen Laszarethbehandlung, begaben sich nach Verwundung einfach nach Hause; erst wenn die Sache schlimm wurde, entschlossen sie sich, das Krankenhaus aufzusuchen. Zum Transport wurden theilweise Ochsenwagen, theilweise aber auch alte Postkutschen u. dgl. benutzt.

F. hat vielfach mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt und war Dank der Lässigkeit der Buren, oft nur auf seine eigene Thatkraft und Umsicht angewiesen. Auch den Engländern hat er an mehreren Stellen Dienste leisten können, meist in Behandlung Kranker, besonders Typhuskranker.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

Originalmittheilungen, Monographien und Separstabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Hüärtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in- Leipzig.

0 Gentralblatt CHIRURGIE

R vn Ban, RK, Re,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumerstion. Zu besiehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 14. Sonnabend, den 15. Mär ° 19902.

Inhalt: XXXI. Chirurgenkongress. | | F, de Quervaln, Über partielle seitliche Rhinoplastik. (Original-Mittheilung.) 1) Kocher uni de Quervaln, Eucyklopädie der Chirurgie. 2) v. Bergmann, v..Bruns, v. Mikulicz, Handbuch der praktischen Chirurgie. 3) Kissel, Tuberkulöse Peritonitis. å) Lothrep, Hernia epigastrica. 5) McArthur, 6) Krieger, Radikalbeilung von Bernien, 7) Sthamer, Zur Entstehung von Magenges:hwüren. 8) v. Cačković, Magen- schrumpfang. 9) Depage, Gastrostomie. 10) de Quervaln, Rechtslagerung des ganzen Dickdarms. 11) Svehla, Fissura ani. 12) Remington, 13) Hay, Hämorrhotden. 14) Französischer Chirurgenkongress. 15) Jedlicka, 16) Zahradnicky, 17) Kopf- stein, Spinalanästhesie. 18) Sanduill, Bauchwunden. 19) Munro, Appendicitis. 20) Jones, 21) Zahradnicky, Brucheinklemmung. 22) Foerster, Coecalhernien. 23) Mihel, Pylorusstenose. ' Dentsche Gesellschaft für Chirurgie.

XXXI. Chirurgenkongress.

Um möglichst rasch nach alter Weise ım Centralblatte einen sach- lich richtigen. Bericht über die Ergebnisse des Kongresses bringen zu können, bitte ich die Herren, welche auf demselben Vorträge halten werden, mir recht bald nach der Sitzung einen Selbstbericht über solche in Berlin zu übergeben oder nach Breslau, Kaiser Wilhelmstraße 115, einzusenden. Richter.

Über partielle seitliche Rhinoplastik.

Von

Dr. F. de Quervain chirurg. Oberarzt am Spital in Chaux-de-Fonds.

Die Nasendefekte, welche zu plastischen Eingriffen Anlass geben, betreffen in der großen Mehrzahl der Fälle entwender die Nasen- flügel oder den Nasenrücken. Viel seltener kommen die oberen seit- lichen Nasentheile einer Seite allein in Frage. Immerhin kann es auch hier, besonders nach Geschwulstexstirpationen, zu. Substanzdefekten kommen, welche einen plastischen Eingriff erfordern. Wir sprechen

11

298 Centralblatt für Chirurgie. No. 11.

natürlich nur von solchen Gewebsverlusten, welche nicht nur Haut und subkutanes Gewebe, sondern auch den Knochen betreffen. Erstere lassen sich stets leicht durch Lappenbildung oder Transplantation decken und bieten daher kein besonderes Interesse. Anders verhält es sich mit den Defekten, welche sich auch auf den Knochen erstrecken. Hier ist die Transplantation natürlich unmöglich, und die Lappenplastik kann nur dann ein befriedigendes Resultat geben, wenn ein Haut- Periost- oder ein Haut-Periost-Knochenlappen benutzt wird. Einen solchen kann man entweder, nach dem Princip der v. Langenbeck- schen Operation, der anderen Nasenseite entnehmen, oder, nach König, der Glabella. In beiden Fällen setzt man aber einen neuen Defekt, der wieder plastisch gedeckt werden muss und der unver- meidlich wieder zu Narbenbildung Anlass giebt. In zwei solchen Fällen hat uns die Anwendung eines Princips sehr gute Resultate gegeben, das wir nirgends angegeben fanden, obwohl es vielleicht schon von dem einen oder anderen Chirurgen benutzt worden ist, nämlich die Verwendung des Septum zur Bildung der seitlichen Nasenwand.. Die beiden Krankengeschichten sind ganz kurz folgende:

1) Frl. R., 52 Jahre alt.

Fig. 1. Kleinzelliges Rundsellsar- I kom, das, vom rechten Or-

bitalboden ausgehend, auf die Augenmuskulatur und hauptsächlich aufdierechte Nasenseite übergegriflen hatte. Nach präliminarer Unterbindung der rechten Carotis externa (die wir nach Kocher’s Rath im- mer der Oberkieferresck- tion vorausschicken, da sie den Eingriff erheblich er- leichtert), wurde am 31 Juli 1898 der Oberkiefer bis auf die Gaumenplatte entfernt. Letstere konnte zurück- gelassen werden, da die Neubildung sieh vom Or- bitalboden aus ausschließ- lich nach innen und hinten, nicht aber nach unten aus- gebreitet hatte. Nach innen mussten die Weichtheile des Augenwinkels, der Stirnfortsatz des Oberkie- fers, der Margo nasalis des Stirnbeins, das Thrānen- bein, das rechte Siebbein- labyrinth, so wie ein Theil des rechten Nasenbeins geopfert werden. Der an sich intakte Bulbus wurde noch belassen, da die Pat. vor. der Operation die Einwilligung zur Entfernung des selben nicht gegeben hatte. Diese Einwilligung ließ sich erst nach der Operation

Centralblatt für Chirurgie. No. 11. 299

erhalten, und es wurde der in seinen Bewegungen, seiner Stellung und seiner Er- nährug hochgradig beeinträchtigte Augapfel am zweiten Tage nach der Operation in meiner Abwesenheit von Dr. v.Speyr, Augenarzt, entfernt. Der Heilungsverlauf war völlig normal, doch blieb in Folge der ausgedehnten Weichtheil- und Knoshen- entfernung im Bereich des inneren Augenwinkels und der rechten Nasenseite ein Defekt übrig, dessen genauere Verhältnisse sich aus Fig. 1 beurtheilen lassen. . Da ein bloßer Hautlappen, auch bei anfänglicher Anheilung, in Folge des aus- gedehnten Knochendefektes nachträgliches Einsinken in Aussicht stellte, und da jede Bildung eines Haut-Knochenlappens eine neue äußere Narbe veranlassen musste, so versuchten wir, die Nasenscheidewand zur Plastik zu benutzen.

Am 12. Oktober 1898 wurde in Athernarkose vorerst ein Rest von Conjunc- tiva entfernt, da anjEinlegen einer Prothese bei der theilweisen Entfernung des unteren Lides und der Augenmuskeln nicht zu denken war. Sodann wurde von dem Nasendefekte aus ein viereckiger Lappen mit obe- rer Basis aus dem Septum geschnitten. Darauf wurde mit dem Finger in das linke Nasenloch eingegangen und ohne Mühe durch kräftigen Druck der Septumlappen an seiner oberen Basis abge- knickt und in den Defekt gedrängt. Von letzterem aus wurde nun die Schleim- haut auf der rechten Seite abgelöst und der Lappen mit einigen Knopfnähten an den tiefen Weichtheilen des Defektrandes befestigt. Der soangefrischteLappen wurde endlich durch eine einfache Plastik mit Haut gedeckt. Die Heilung erfolgte per primam intentionem, bis auf eine kleine, durch Granula- tionen heilende Stelle.

Die am 10. Februar 1902, also 31/3 Jahre nach der ersten Operation vor- genommenen Nachuntersu- ehung ergiebt, dass der De- fekt durch eine völlig feste Platte mit darauf verschieblicher Haut verschlossen ist. Die von der Plastik her- rührenden Narben sind nur noch als feine Linien zu erkennen. Fig. 2 gestattet, das kosmetische Resultat zu beurtheilen. Die Untersuchung des Naseninnern zeigt, vom linken Nasenloche her ausgeführt, die dem Septumlappen entsprechende Lücke in der Nasenscheidewand. Der Lappen ist also in der ihm bei der Opera- tion gegebenen Lage geblieben. Die Athmung findet wesentlich durch das linke Nasenloch statt, da die rechte Nasenhöhle in ihrem vorderen Theile durch das Hinübersiehen des Lappens theilweise verlegt ist. Dafür geht der Luftstrom vom hinteren Theile der rechten Nasenhöhle durch die künstliche Lücke in die linke Nasenhöhle. Subjektive Beschwerden werden hierdurch nicht hervorgebracht und die Pat. giebt an, sich in Bezug auf die Athmung eben so wohl zu befinden, wie früher. Ä

Von Recidiv ist keine Spur zu finden.

Fig. 2.

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300 Centralblatt für Chirurgie. No. 11,

2) Der zweite Fall betrifft einen 18jährigen Pat., F. M. Dserselbe kam mit einem Nasen-Rachenfibrom in unsere Behandlung, das in ungewöhnlicher Weise Nasen- und Rachenhöhle so zu sagen frei ließ und sich fast ausschließlich in der rechten Kieferhöhle entwickelt hatte, dieselbe gewaltig ausdehnend und von da durch den Alveolarfortsatz nach der Mundhöhle durchbrechend. Dabei bestand. - wie Kollege v. Speyr-die Güte hatte zu bestätigen, rechts leichte Opticusatrophie und Visus O. Das andere Auge war durch eine kurz vorher vorgefallene Verletzung zu Grunde gegangen. Der in den Mund ragende, stark ulcerirte Theil der Ge- schwulst war der Sitz häufiger und starker Blutungen. Bei der am 11. November 1899 mit Hilfe des Kocher’schen Schnittes für Oberkieferresektion vorgenommenen Exstirpation der Geschwulst wurde, nachdem letstere mit dem Thermokauter sn der :Schädelbasis abgetragen war, vom Wangenschnitt aus tamponirt, um die Wundhöhle nach dem Munde hin primär abschließen zu können. An der Durch- trittstelle des Tampons blieb ein Defekt bestehen, den es nicht gelang, durch Sekundärnaht und bloße Weichtheilplastik sum Verschluss zu bringen, trotsdem der Versuch mehrere Male gemacht wurde.

Der im Falle i erzielte Erfolg veranlasste uns desshalb das gleiche Verfahren auch hier sur Anwendung zur bringen, da der Defekt, wenn schon etwas kleiner, doch ähnlich gelegen war und sich auf den Stirnfortsatz des Oberkiefers erstreckte. Die Geschwulst hatte nämlich, obschon, wie die histologische Untersuchung er- gab, nicht bösartig, doch die Vorderwand des Oberkiefers bis an das Naserbein so sehr zerstört, dass die Nase seitlich nach der Operation keine Stütze mehr hatte. |

Die Operation wurde am 7. März 1900 in gleicher Weise ausgeführt, wie bei Falli. Der Septumlappen wurde nach Befestigung in seiner neuen Lage durch eine einfache Plastik mit Haut bedeckt. Die Heilung erfolgte per primam intentionem, so dass der Pat. 17 Tage später mit völlig geschlossenem Defekt entlassen werden konnte.

Eine am 8. Februar 1902 vorgenommene Nachuntersuchung ergab, wie bei Fall 1, dass der Septumlappen in seiner neuen Lage geblieben war. Die Nasen- scheidewand zeigt dem entsprechend am Ende des knorpeligen und Anfang des knöchernen Theils eine ziemlich bis unten reichende Lücke. Die seitliche Nasen- wand ist völlig fest. Auch in Bezug auf die Durchgängigkeit der Nasenhöhlen entspricht der Befund dem im Fall 1 erhobener. Die Geschwulst ist ohne Recidiv geblieben und der Visus hat sich durch Entfernung derselben und nachherige Entlastung des Opticus so weit gebessert, dass der Pat. Finger auf 1 m Distans zählt und dass er sich ohne Schwierigkeit führen kann. Diese Besserung trat era rasch nach der Operation ein und hat seither ohne Veränderung ange-

alten.

Wir haben den beiden Krankengeschichten nicht viel beizufügen. In keinem der Fälle reichte der Substanzverlust bis auf den Nasen- rücken, griff aber in beiden auf die benachbarte Wangenpartie über. Bei beiden Fällen hätten auch andere Formen von Plastik zum Ziele geführt, so z. B. ein Haut-Knochenlappen von der Stirn. Das Resul- tat wäre aber in keinem der Fülle mit so wenig äußerer Entstellung und in so einfacher bequemer Weise erreicht worden, wie unter Benutzung Fdes Septumlappens. Ein weiterer und wesentlicher Vortheil dieses Verfahrens liegt überdies in dem Umstande, dass der Septumlappen nicht, wie alle übrigen Knochenlappen, Gefahr läuft, in Folge der Nachbarschaft der Nasenhöhle und ihres Inhalts seinen Knochenantheil durch Nekrose'zu verlieren. Misserfolge sind demnach

viel weniger zu fürchten, als bei irgend einer anderen Form von Plastik.

Centralblatt für Chirurgie. No. 11. 301

Nachtheile für die Nasenathmung hat das Verfahren bei keinem unserer beiden Fälle gezeigt. Sollten solche eintreten, so ließe sich ohne Schwierigkeit durch einen kleinen Eingriff Abhilfe schaffen.

Die Indikationen sind natürlich auf diejenigen Fälle von Defekt der seitlichen Nasenwand beschränkt, bei denen die Nasen- scheidewand unversehrt ist Verhältnisse, wie sie wohl in der Regel nur nach Geschwulstexstirpationen vorkommen werden. Ob der Defekt dabei bis an den Nasenrücken reicht oder nicht, das hat keine Bedeutung. In einem wie im anderen Falle liefert der Septumlappen, vorausgesetzt, dass man auf der Wangenseite einen genügenden Widerhalt zu seiner Befestigung findet, den besten Untergrund für eine erfolgreiche Hautplastik. E

Die Technik bedarf kaum weiterer Erläuterungen. Der Lap- Fig. 3. pen wird vom Defekt aus mit Pe- riostmesser oder starker Schere reichlich groß geschnitten (vgl. Fig. 3) und sodann vom entge- gengesetzten Nasenloche aus mit dem Finger so kräftig seitlich ab- geknickt, dass er ohne jedes Fe- dern in seiner neuen Lage ver- bleibt. Sodann wird er auf der dem Defekt zugewendeten Seite von seiner Schleimhaut befreit und mit einigen Knopfnähten an den Rändern des letzteren befestigt. Diese Nähte müssen besonders auf der Wangenseite tief genug ange- legt werden. Zum Schlusse wird T —— durch UA SIJch sehe a = Ausdehnung des Defektes der ransplantation, sei es, was kos- land: u metisch besser ist, durch Lappen- = Größe des zu bildenden Septum- plastik mit Haut versehen. In das lappens. | entgegengesetzte Nasenloch wird . ein Jodoformgazetampon so fest eingeführt, dass der Lappen eine gute Stütze erhält. Da dieser Tampon einige Tage liegen bleiben muss, s0 ist es zweckmäßig, um die Nasenathmung zu ermöglichen, vor Einführung des Tampons eine Glas- oder Hartgummi-Kanüle einzu- legen. Der Tampon wird je nach der Intensität der Nasensekretion etwas früher oder später, aber wo möglich nicht vor dem 4. oder ó. Tage entfernt und durch einen neuen ersetzt, der ebenfalls wieder einige Tage bleiben soll.

Ist der Nasendefekt im Anschluss an einen größeren Eingriff entstanden, wie dies in unseren Beobachtungen der Fall war, so wird es angezeigt sein, die Plastik erst sekundär auszuführen, sobald

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man über das ohne Plastik erreichbare Resultat im Klaren ist. Handelt es sich dagegen um einen begrenzteren Eingriff, wie er z. B. bei einem auf den Knochen übergreifenden Hautkrebs der Nase denkbar ist, so dürfte eine sofortige Plastik mittels eines Septum- lappens durchaus angezeigt sein.

i) T. Kocher und F. de Quervain. Encyklopädie der ge- sammten Chirurgie. Liefg. 10—17. Leipzig, F. C. W. Vogel, 1901. Mit zahlreichen Abb.

Die erste Hälfte der schon mehrmals rühmend besprochenen Encyklopädie liegt, 750 Seiten stark, jetzt vor und erfüllt durchaus ihren Zweck, dem Arzt schnell und gut Auskunft zu geben über jede Frage der chirurgischen Praxis, ihm dieselbe von der wissenschaft- lichen Seite her zu beleuchten und in der Therapie ihm nach dem modernen Stande unserer Kunst sicheren Rath zu ertheilen, wo es nothwendig erscheint unter Einfügung von Abbildungen. Sie ist also durchaus zur Anschaffung zu empfehlen.

Bei einer zweiten Auflage wird es vielleicht möglich sein, unter der Anwendung von Hauptstichwörtern Artikel zusammen zu ordnen, die trotz engem innerem Zusammenhang jetzt örtlich weit aus einander gerissen sind. Wenn z. B. die ausgeführten Artikel Hernien, Hernia epigastrica, H. obturatoria, innere Hernien auf einander folgen, es dazwischen aber heißt: H. cruralis siehe Crural- hernie, H. inguinalis s. Leistenbruch, Hernien der Bauchdecken s. Bauchdecken, so stört das den Gebrauch des Buches, denn es ist auch bei Encyklopädien immer nützlicher und zum Mindesten be- quemer, wenn man zusammengehörige Dinge bei einander findet und nicht genöthigt ist, viel hin und her zu blättern.

Richter (Breslau!'.

2) Handbuch der praktischen Chirurgie. Bearbeitet und herausgegeben von Prof. E. v. Bergmann, Prof. P. v. Bruns und Prof. J. v. Mikulicz. 21.—26. Lfg.

Stuttgart, F. Enke, 1901.

Das im Jahre 1899 begonnene große \Verk liegt mit obigen Lieferungen vollendet vor. Von ihnen bilden 4 die zweite Hälfte des 3. Bandes, in dem Rotter die Krankheiten des Mastdarms und Afters, Sonnenburg die der Blase und Vorsteherdrüse, Schede die der Nieren und Harnleiter, v. Bramann zum Theil gemeinsam mit Rammstedt die der Harnröhre und männlichen Geschlechts- organe behandelt haben. In den übrigen 2 Lieferungen haben Schreiber die Erkrankungen von Schulter und Oberarm, Nasse und Borchardt die von Fußgelenk und Fuß zu Ende geführt, wäh- rend von Wilms der Abschnitt über Ellbogen und Vorderarm, von Friedrich der über Handgelenk und Hand herrühren. Die weib-

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lichen Geschlechtstheile, die im »Billroth-Pitha« einen großen Raum einnahmen, sind unberücksichtigt geblieben.

In Folge seines geistigen Werthes hat das Handbuch eine so rasche Verbreitung gefunden, dass sofort an die Bearbeitung der 2. Auflage hat herangegangen werden müssen, deren Erscheinen bald bevorsteht. Von ihr erwarten wir ein noch einheitlicheres Werk, wie es bei der gemeinsamen Leistung vieler Mitarbeiter in einer 1. Auflage zu erreichen nicht möglich ist, sich aber erwarten lässt, wenn die anerkannten Meisterarbeiten in ihm als Wegweiser dienen. Doppelbearbeitungen desselben Themas ausgeschieden werden und noch mehr als in dieser 1. Auflage darauf gehalten wird, dass nicht dringend erforderliche theoretische Erörterungen gegenüber der be- sonderen Berücksichtigung des klinischen Verlaufs und der Diagnose, der Prognose und Therapie zurückzutreten haben; denn es handelt sich hier um ein Handbuch der praktischen Chirurgie, das aus ver- schiedenen Gründen einen gewissen Umfang nicht überschreiten darf, in dem andererseits der Praktiker auf jede berechtigte Frage aus- reichende Antwort finden muss. Richter (Breslau).

3) F. Kissel. Über die Diagnose der tuberkulösen Peri- tonitis bei Kindern auf Grund von 54 Fällen eigener Beob- achtung. | (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Verf. macht darauf aufmerksam, dass die Veränderungen, welche bei der Operation im Bauchfell und Netz gefunden werden, sich durchweg als bedeutender erweisen, als man auf Grund der Tastung des Bauches vor dem Eingriff, so wie auf Grund des allgemeinen Habitus annehmen kann. Selbst in den frühesten Krankheitsstadien kaan man sich davon überzeugen, dass das Bauchfell verdickt ist, indem man die Bauchwand in eine Falte fasst. Das Bauchfell zeigt dann neben der Verdickung auch noch stärkere Druckempfindlichkeit. Meist gehen mit der Bauchfelltuberkulose noch gleichartige Erkran- kungen anderer Organe, besonders der Lunge einher. Eine seröse Pleuritis erhöht den Verdacht auf tuberkulöse Peritonitis. Das Be- stehen von Drüsenschwellungen an Hals und Arm ist ebenfalls ge- eignet, die Diagnose zu vervollkommnen. Verdächtig ist auch eine plötzlich eintretende Anämie des Kindes, welche nebst der Abmage- rung ihren Grund in dem Wachsen der Tuberkel hat. In differential- diagnostischer Beziehung kommt vor Allem die seröse Peritonitis in Betracht, deren idiopathisches Vorkommen indess keineswegs über alle Zweifel erhaben ist. Mag sie aber auch existiren, so ist sie doch eine seltene Krankheitsform. Bei einigen Fällen, welche unter dem Bilde dieser Art verliefen, konnte sich Verf. bei dem Eingriff von dem tuberkulösen Charakter der Krankheit überzeugen. Sämmt- liche Fälle von spontanem Ascites glaubt K. als tuberkulöse Peri-

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tonitiden ansprechen zu dürfen. Die Flüssigkeit, die aus dem Bauch gewonnen wird, ist bei der tuberkulösen Bauchfellentzündung sehr reich an Eiweiß und besitzt ein hohes spec. Gewicht. Tuberkulöse Perikarditis kann die Diagnose einer gleichartigen Peritonitis sehr erschweren; auch die Vergrößerung des Bauches bei rachitischen Kindern kann zu Fehldiagnosen Anlass geben. Der Nachweis freier Flüssigkeit im Bauch ist bei der tuberkulösen Peritonitis nicht immer leicht. Auch dieser Umstand ist geeignet, die Diagnose zu erschweren. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

J H. A. Lothrop. Hernia epigastrica and fatty tumors in

the epigastrium.

(Med. and surg. reports of the Boston city hospital. 1901. XII. Serie.)

Analog dem Entstehungsmodus der übrigen Hernien ist für das Zu- standekommen der Hernia epigastrica das Vorhandensein von weniger widerstandsfähigen Stellen der Bayuchwand Vorbedingung. Unmittelbar zu Seiten der Linea alba befinden sich feine schlitzförmige Öffnunger, welche Blutgefäßen und Nerven zum Durchtritt dienen. Diese können durch angeborenen Defekt, durch Atrophie, durch traumatische Ein- flüsse erweitert werden. Es drängt sich dann zunächst ein Klümpchen properitonealen Fettes hindurch, und unter der fortdauernden Wirkung des abdominalen Druckes kommt es allmählich zur Bildung eines der Aponeurose aufliegenden Lipoms, welches durch einen mehr oder weniger dünnen Stiel mit dem properitonealen Fett zusammen- hängt. Das Peritoneum kanı dabei unverändert seine Lage behalten. So kann der Zustand stationär bleiben oder er führt zur Bildung einer Hernie, indem das Bauchfell zipfelförmig mit nach vorn gezogen wird. Verf. glaubt, dass die Mehrzahl der epigastrischen Hernien durch ein solches. Stadium der Lipombildung eingeleitet wird.

Die Lipome an sich machen meist keine Krankheitserscheinun- gen, können aber in seltenen Fällen eben so heftige Beschwerden verursachen, wie die wirklichen Hernien.

Der Inhalt der Hernia epigastrica ist gewöhnlich Netz, seltener Dünndarm, ganz selten Colon transversum. Darmeinklemmung hat Verf. nur in 2 Fälle der Litteratur berichtet gefunden; er fügt diesen einen selbstbeobachteten Fall hinzu. | Kleinschmidt (Kassel).

5) McArthur. Autoplastic suture in hernia, and other diastases. (Vorläufige Mittheilung.)

Journ. of the amer. med. assoc. 1901. November.)

Verf. hat zuerst eine Reihe von Versuchen an Hunden angestellt, die Sehnenfasern der Aponeurose des Obliquus externus im Zusammen- hang mit ihrem Ansatz am Schambein als Nahtmaterial zu benutzen und nachher bei 12 Hernienoperationen am Menschen dasselbe Ver- fahren mit Erfolg angewandt. Es werden, je nachdem eine ober- flächlichere und eine tiefere Naht gemacht werden soll, einer- oder beiderseits des Schnittes 1 oder 2 schmale Streifen aus der Apo-

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neurose gebildet, die etwa 4—5 Zoll lang und !/,—!/, Zoll breit sind. Durch einfache Verlängerung des Schnittes zur Freilegung des Bruch- sacks nach oben bis zum Muskelbauch kann man, namentlich bei Männern, leicht diese Dimensionen erzielen, ohne dadurch die Opera- tion zu kompliciren. Die Sehnenstreifen werden an einen Seiden- faden gebunden, den man einfädelt und mit diesem als fortlaufende Naht durch das Gewebe gezogen. Die Art der Operation ist dabei gleichgültig. Die Hautnaht wird mit dem gewöhnlichen Material ausgeführt. Die Vortheile, die diese Art der Naht haben soll sind: 1) lebendes Nahtmaterial, 2) völligste Asepsis und damit Verringe- rung der Gefahr, 3) Einverleibung widerstandsfähiger Sehnenfasern in das Narbengewebe, 4) Übertragbarkeit der Methode auch auf andere Operationsgebiete. An mikroskopischen Präparaten von Hunden, bei denen diese Naht ausgeführt wurde, konnte Verf. nach- weisen, dass die Sehnenfasern lebendig blieben, wie bei Sehnen- plastik mit Läppchenbildung. Er giebt andererseits zu, dass seine so behandelten Fälle noch nicht genügend beobachtet sind. Der Einwand, dass trotz der Verwendung des lebenden Gewebes dies bald oder später resorbirt wird, scheint nicht unberechtigt. Trapp (Bückeburg).

6) Krieger (Neumünster). Über Heilung bei Leistenbrüchen.

(Deutsche militärärstliche Zeitschrift 1901. November-Doppelbheft 10/11.)

Bei körperlich Arbeitenden sind die Aussichten auf Heilung eines Leistenbruchs schon vom Ende der Schuljahre ab nur gering, ja, ist nach dem 14. Lebensjahre noch ein Leistenbruch festgestellt worden, so ist selbst bei scheinbarem Fehlen desselben bei späterer Untersuchung, z. B. zum Behuf der Einstellung in das Heer, die Wahrscheinlichkeit des Wiedererscheinens sehr groß, hat die Ein- stellung zu unterbleiben. Vom 20. Lebensjahre ab ist der Leisten- bruch als unheilbar anzusehen. Verf. schlägt vor, dass bei der Aus- hebung unter Berücksichtigung dieser Leitsätze der Nachweis des Leistenbruchs auch durch amtliche ärztliche Zeugnisse geführt wer- den könne, ähnlich wie bei Epilepsie. Einmaliges Nichtfinden eines Leistenbruchs bei der militärärztlichen Untersuchung genügt keines- wegs gegenüber früher einwandfreiem positivem Befunde. Nur durch Annahme seines Vorschlages glaubt Verf. die vielfach nöthige In- validisirung wegen Leistenbrüchen in der Armee beschränken zu können, was Ref. sehr zweifelhaft erscheint.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

7) E. Sthamer. Zur Frage der Entstehung von Magen- geschwüren und Leberinfarkten nach experimentellen Netz-

resektionen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 518.) S., Assistent der Leipziger chirurgischen Poliklinik (Prof. Fried- rich) wendet sich kritisch gegen Engelhardt und Neck, die auf 119°

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Grund von 'Thierrersuchen die Entstehung von Magengeschwüren und Leberinfarkten nach Netzresektion zum großen Theil auf bak- terielle Infektionen zurückgeführt hatten (cf. d. Bl. 1901 p. 446). Das Auftreten der Bakterieninvasionen in den Versuchen dieser Autoren ist nach S. nur Fehlern der Asepsis bei den Operationsexperimenten zuzuschreiben. Er selbst hat zur Kontrolle neue Thierversuche an- gestellt, die diese Behauptung erhärten. In einer Versuchsreihe, wo völlig einwandfrei aseptisch verfahren wurde (Genaues s. Original), fand sich auch bei Obduktion des Thieres das Bauchfell, der Netzstumpf, die Leber, so wie der jeweilig vorhandene erzeugte Leberinfarkt keimfrei, es sei denn, dass trotz der im Punkt der Asepsis wahr- genommenen Sorgfalt ein Versehen vorgefallen war; dagegen war in allen Versuchsfällen, wo weniger minutiös aseptisch vorgegangen war, auch stets Bakteriengegenwart nachzuweisen. Demnach schließt S.: »Es treten beim Meerschweinchen nach völlig aseptisch ausgeführter Ligatur und Resektion des Netzes Infarkte in der Leber und Ge- schwürsbildung im Magen auf, ohne dass bei der Obduktion Bakterien- wachsthum aus der Ligaturstelle sowohl, wie aus den Infarktherden nachgewiesen werden kann.« Desshalb muss das Auftreten von Leber- infarkten und Magengeschwüren nicht durch die Anwesenheit von Bakterien bedingt sein. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

8) M. v. Cackovic. Über totale Verkleinerung (Schrumpfung) des Magens und über Jejunostomie. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Ein Überblick über die ziemlich umfangreiche Litteratur, welche das Kapitel der totalen Magenschrumpfung behandelt, beweist, dass die Anschauung älterer Autoren sich gegenüber dem modernen Beob- achter darin wesentlich unterscheidet, dass man früher gutartige und bösartige Ursachen als Grund für das Leiden annahm, während man jetzt wohl allgemein glaubt, dass Carcinom durch diffuse Infiltration der gesammten Magenwandungen die einzige Grundlage der be- schriebenen Krankheitsform ist. Wenn man also früher von einer Cirrhose, Sklerose, fibroiden Degeneration, plastischen Linitis und Hypertrophie des Magens gesprochen hat, so hatte das seine Ursache in der mangelhaften Beobachtung und in der noch nicht in gleichem Maß wie heute entwickelten mikroskopischen Technik. Speciell die Hypertrophie setzt nach den zahlreichen Beobachtungen bei Magen- stenosen nie eine Verkleinerung des Gesammtorgans, sondern gerade das Gegentheil. Natürlich kann in einzelnen Fällen auch die Ver- heilung ausgedehnter und zahlreicher Magengeschwüre, die Verätzung des Magens mit Chemikalien und der Folgezustand phlegmonöser Processe zu Magenschrumpfung führen, aber wie auch 2 von C. selbst beobachtete und hier mitgetheilte Fälle beweisen, die Ursache des typischen verkleinerten Magens ist das diffus verbreitete Magen- carcinom. Verf. zeigt auch, wie eine ungenügende mikroskopische

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Untersuchung leicht zu dem Eindruck einer gutartigen Ursache führen kann.

Die Symptome, die Verf. auf Grund seiner beiden Beobachtungen giebt, sind gegründet auf der Kleinheit des Magens und der Starr- heit der Wände, geringem Fassungsvermögen, Retention der Speisen, leichtem Erbrechen geringer Massen. Bei einer Magenausspülung tritt das eigenartige Verhalten des Magens ganz besonders hervor. Deut- licher Magenschall ist nicht zu erhalten. Bei Aufblähung fehlt der für einen normalen Magen charakteristische Tast- und Perkussions- befund, weil eben das kranke Organ sich nicht ausdehnt. Manch- mal ist eine Resistenz zu fühlen, welche unter dem Rippenbogen liegt. Der Magenschlauch kann nur 40—50 cm eingeführt werden, dann findet er einen Widerstand. Über den chemischen Befund des Mageninhaltes und Magensaftes, über Salzsäure- und Milchsäure- reaktion ist leider, so wichtig das auch diagnostisch gewesen wäre, keine Angabe gemacht.

Für die Therapie des Schrumpfmagens käme in Betracht die totale Magenresektion, die allgemein wohl verlassene Duodenostomie und die Jejunostomie. Der letzteren ist der große zweite Theil der Arbeit gewidmet. Einer Zusammenstellung sämmtlicher Methoden, welche für sie erfunden worden sind und es sind sehr zahlreiche und der Erwähnung und statistischen Aneinanderreihung aller bisher veröffent- lichten Fälle folgt eine Auseinandersetzung über die Indikationen zur Jejunostomie. Jedenfalls ist dieses ein Eingriff, der nur als Ultimum refugium anzusehen ist. Die meisten Fälle, in denen sie in Betracht kam und kommen wird, sind recht verzweifelter Natur. Zuerst käme sie in Frage bei Magenschrumpfungen nach tiefer Ösophagusstenose, dann dort, wo bei ausgedehntem Magencarcinom keine Magen-Darmfistel möglich ist. Der weitergehenden Indikations- stellung Maydl’s kann sich Verf. nicht anschließen, da die Jejuno- stomie die Integrität des Körpers in hohem Grade verletzt. Ferner wäre möglich erwiesen ist es durch die Erfahrung nicht —, dass die Jejunostomie Nutzen bringen könnte, wenn durch sie ein mit blutenden Geschwüren durchsetzter Magen eine Zeit lang ausgeschaltet würde. Auch dort, wo in Folge hoher Inanition bei gutartigen Pylorusstenosen oder bei Säureverätzungen eine Gastroenterostomie nicht ausführbar ist, wäre die Jejunostomie in Frage zu stellen. Schließlich bliebe sie auch nach einer Insufficienz der Magennaht nach Resektion oder Anastomose die einzig mögliche Operation, wie auch dann, wenn ein radikaler oder palliativer Eingriff am Magen erfolglos, eine weitere Hilfe dagegen noch erwünscht blieb. Dass die Resultate der Jejunostomie schlechte sind, das zeigt die Auswahl der Fälle, an welchen sie bisher vorgenommen worden ist. Von 67 Operirten starben 25.

Nach den üblichen Abzügen berechnet Verf. die Mortalität der Operation selbst auf 26,8% Die durchschnittliche Lebensdauer der wegen Krebs Jejunostomirten beträgt 55 Tage. C. hält danach die

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Operation nicht für sehr gefährlich und glaubt, dass sie die Kranken keiner größeren Gefahr aussetzt als die anderen palliativen Eingriffe. Am Schluss der Arbeit sind noch eine Reihe symptomatischer diätetischer Vorschriften für die Behandlung des verkleinerten Magens angeführt, und die Empfehlung zweckmäßig dosirter Narkotica. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

9) Depage. Nouveau procédé pour la gastrostomie. (Journ. de chir. et anat. de la soc. belge de chir. 1901. No. 11.)

D. hat bei einem Kranken mit Ösophaguscarcinom folgende Operationsmethode mit gutem Resultat ausgeführt. Eröffnung der Bauchhöhle durch 7—8 cm langen Längsschnitt links von der Mittel- linie. Fixation des Magens in der Wunde durch eine Magenwand und Bauchfell verbindende fortlaufende Naht. Bildung eines zungen- förmigen Lappens mit der Basis nach oben aus der vorderen Magen- wand. Schluss der Magenwunde durch fortlaufende Naht zunächst der Schleimhaut, dann der Serosa. Dadurch, dass diese Nähte auf den Lappen fortgesetzt werden, wird letzterer in einen mit Schleim- haut ausgekleideten Kanal verwandelt, der mit seinem Ende im oberen Winkel der Bauchwunde oder durch eine besondere Öffnung in der Nähe des Processus xiphoideus fixirt wird. Zur Ernährung wird durch den Kanal eine Sonde eingeführt. Läwen (Leipsig).

10) F. de Quervain. Über Rechtslagerung des ganzen Dick-

darms und partiellen Situs inversus. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Die unvollständige oder fehlende Drehung der Nabelschlinge resp. eine Drehung derselben in unrichtigem Sinn, entgegengesetst dem Zeiger der Uhr, bilden die Ursache für die angeborenen Ver- lagerungen des Darmes, deren Kenntnis heut zu Tage für den Chi- rurgen bei der großen Entwicklung der Bauchchirurgie nothwendig erscheint. Verf. bespricht genauer den Mechanismus der Links- und Rechtslagerung des Dickdarms unter Beigabe instruktiver Zeich- nungen.

2 Fällen aus der Litteratur von Gruber und Mascarel fügt de Q. eine eigene Beobachtung von Rechtslagerung des Dickdarms hinzu. Diese 3 Fälle sind in den Hauptzügen, der Verlagerung des ganzen Dickdarms nach rechts und der Linkslage des Dünndarms, einander gleich und zeigen nur Unterschiede bezüglich des Vor- handenseins oder Fehlens eines Mesocolon ein Punkt, der aber unwesentlich ist. Die Ätiologie dieser Lageanomalien, deren Ur- sprung schon vor der 5. Embryonalwoche zu suchen ist, ist dunkel.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

Centralblatt für Chirurgie. No. 11. 309

11) K. Svehla (Prag). Neue Symptome der Fissura ani bei Kindern. (Sbornik klinicky IIL Jahrg. Hft. 2.)

Die Analfıssur bei Kindern kann Symptome verursachen, die zur Diagnose einer Coxitis verleiten können: Pathognomonische Stellung und Schmerzhaftigkeit der Extremität und des Kniees, Schmerzen bei Bewegungen und manchmal auch bei Stoß auf die Trochanteren und die Ferse, und kompensatorische Skoliose; die passive Beweg- lichkeit, die bei der Fissur stets erhalten ist, ist auch in den An- fangsstadien der Coxitis erhalten. Erklärung der Symptome: durch die Flexion, Adduktion und Rotation im Hüftgelenk werden die Gesäßbacken am meisten von einander entfernt und die Reibung der Fissur wird vermieden; durch reflektorische Kontraktur der Ge- säßmuskeln in Folge des Schmerzes wird die Fixation in dieser Stellung erhöht. Durch Stoß auf die Trochanteren und die Ferse werden die Gesäßbacken erschüttert und die Fissur wird gerieben. Da die Kinder bei jedem Niedersetzen in Folge Spannung der Haut am Gesäße Schmerzen äußern, so kann man den Schmerz, der durch die Defäkation verursacht wird, leicht übersehen. In einem der angeführten 5 Fälle war in Folge falscher Diagnose in einem Kinder- spital ein Gipsverband angelegt worden. 6. Mühlstein (Prag).

12) Remington. A simple operation for the radical treat- ment of hemorrhoids. (Journ. of the amer. med. assoc. 1901. December.)

Verf. vertritt die Ansicht, dass die Hämorrhoidalknoten histo- logische Angiome sind und dass sie schon in früher Jugend anfangen, sich zu bilden. Er operirt sie so, dass er nach sorgfältigster Aus- krempelung der Schleimhaut des untersten Abschnitts über jedem Knoten ein elliptisches Stück abträgt und darauf das angiomatöse Gewebe exstirpirt, worauf ein Zusammenfallen der Höhle und selbst- thätige Bedeckung mit Schleimhaut erfolgt. Während der Operation wird ihr ganzes Gebiet mit heißer Salzlösung überspült. Genäht wird nicht, Blutstillung meist durch wenige Unterbindungen, event. einige Umstechungen möglich. Darauf erfogt Tamponade mit einem mit Gummi überzogenen Tampon, der 48 Stunden liegen bleibt. Eine große Sorgfalt ist auf möglichste Schonung der Haut-, Schleimhaut- grenze zu verwenden, da deren Verletzung noch lange nachher schmerzhaft ist. 138 Fälle hat er auf diese Art behandelt ohne ein- mal eine stärkere Blutung oder sonstigen unangenehmen Zufall zu haben. Die Kranken konnten meist nach einer Woche, manchmal noch eher aufstehen. Trapp (Bückeburg).

310 Centralblatt für Chirurgie. No. 11.

13) G. W. Hay. The treatment of piles by the injection of

carbolic acid. (Med. and surg. reports of the Boston city hospital 1901. XI. Serie.)

Die kurze Abhandlung will von Neuem die Aufmerksamkeit auf die Behandlung der Hämorrhoiden mit Karbolsäureinjektionen lenken, allerdings nur als Palliativkur. Geeignet sind nur die inneren Knoten. Die Lösungen sollen nicht stärker als 10% sein und in jeden Knoten nur 1—2 Tropfen eingespritzt werden. Die Injektionen sollen frühestens nach einer Woche wiederholt und in jeder Sitzung nicht mehr als 2 Knoten behandelt werden. Die Wirkung ist sehr nachhaltig, so dass G. die Behandlung innerhalb eines Jahres nie wiederholen brauchte. Üble Zufälle hat er nie beobachtet.

Kleinschmidt (Kassel).

Kleinere Mittheilungen.

14) Französischer Chirurgenkongress. 21. bis 26. Oktober 1901. (Revue de chir. 1901. No. 11.) (Schluss)

F. Terrier (Paris). De la gastroenterostomie.

In dem Bericht über 15 nach v. Hacker operirte Fälle mit 6% Mortalität ist Neues nicht zu finden; den Hauptwerth legt T. auf gute Vorbereitung mit Magenwaschungen.

Diskussion. Monprofit, einer der Ersten, die in Frankreich die Roux'sche Y-Anastomose ausführten, ist auf die v. Hacker'sche Methode zurückgekommen; er betont ferner die noch so große Unsicherheit der Diagnose der Magengeschwülste; selbst die mikroskopische Untersuchung könne im Zweifel lassen. Guinard (Paris) bezeichnet die v. Hacker’sche Gastroenterostomie als die weitaus ein- fachere, die also vorzuziehen sei.

Pantaloni (Marseille). La valeur de la gastroenterostomie en Y pour les affections non cancéreuses de l'estomac, susceptibles de guérir par l’operation.

P. hält diese Methode für die überlegene, und hat von 21 Kranken nur ! eingebüßt (Mortalität von 4,76%). Indieirt bei Stenose, Geschwür, Spasmus, Dis- lokation, soll sie bei nervösen Magenübeln nicht in Betracht kommen. Seiner An- sicht nach führen uns große Statistiken nicht weiter, sondern genau detaillirte Krankengeschichten mit Angabe der Symptome und Befunde. |

Diskussion. Monprofit: Ein nach v. Hacker operirter Kranker wur wenige Monate später von Symptomen des Circulus vitiosus befallen, die sich durch einige Jahre wiederholten. Die Laparotomie ließ erkennen, dass die Magen- fistel gut funktionirte; hingegen war durch Verwachsung mehrerer Darmschlingen unter einander theilweiser Verschluss entstanden. Lösung der Verwachsungen führte Heilung herbei. Mauclaire gastroenterostomosirte wegen Pylorurstenose in Folge Geschwulst; diese verschwand, um nach 11/, Jahren wieder aufzutreten. Jetst führte M. die Pylorektomie aus. Die mikroskopische Untersuchung ließ un- entschieden, ob Carcinom oder Linitis vorlag.

Vautrin (Nancy). Traitement chirurgical de la dislocation ver- ticale de l'estomac.

V. theilt die Formen der Gastroptose in 3 Gruppen: 1) die essentielle Gastroptose, die, wenn sie chirurgischer Hilfe bedarf, durch Gastrorrhaphie und

Centralblatt für Chirurgie. No. 11. 311

Gastropexie beseitigt wird. 2) Die Gastroptose als Begleiterscheinung allgemeiner Enteroptose. 3) Die Gastroptose in Gemeinschaft mit Narben- oder Neubildungs- stenose und Dilatation; es gesellt sich dann die une zu den gegen die Stenose gerichteten Maßnahmen.

Peyrot (Paris. Sur deux cas d'exclusion de l'intestin.

Fall 1: Ileocolostomie wegen tuberkulöser Kothfistel des Blinddarmes endigte töllich; mit Heilung Fall 2: Gleiche Operation wegen Darmscheidenfistel nach vaginaler Hysterektomie.

Le Dentu (Paris). Traitement de trois anus contre nature.

In allen 3 Fällen Anus praeternat. umbilical., inguinal. und vaginal. wurde suerst das Enterotom Dupuytren’s angelegt. Einmal genügte dies sur Erzielung des Erfolges nach zweimaligem Anlegen; ein zweites Mal brauchten nur noch ein paar Knopfnähte die Fistel zu schließen, während im 3. Falle die Enteroanastomose nachfolgen musste. Einen 4. Fall(Anus praet. inguin.) hat le D. durch Resektion geheilt.

S. Souligoux (Paris). Note surtroiscas de cancer du gros intestin.

‚Das Verhalten des Operateurs richtet sich danach, ob Verschlusserscheinungen bestehen oder nicht; im ersten Falle zuvor Anlegung eines Kunstafters, im an- deren Enteroanastomose. Wo radikale Entfernung möglich, soll sie in zweiter Sitsung ausgeführt werden:

Diskussion. Monprofit erinnert an die Nothwendigkeit, die Anastomose vom Sitz der Krankheit weitab zu legen.

Goullioud (Lyon). Bur le cancer du coecum et le cancer de 1'8 iliaque, Six cas d’enterectomie.

Durch die beiden Lokalisationen sind verschiedene Symptome und verschie- dene Geschwulstformen bedingt: Enoephaloide mit starken Diarrhöen im Blind- darm, Seirrhus mit Verschlusserscheinungen am 8 romanum. Auch G. schickt der Enterektomie die Anastomose voraus. Von 6 Pat. hat er 5 am Leben erhalten. Da man oft große Portionen Gekröse und Darm entfernen kann, bieten die Darm- krebse eine ziemlich günstige Prognose.

Vidal (Perigneux). Traitement par l’opotherapie entörique de ’empoisonnement stercoral dans l’occlusion intestinale.

Die Darmepithelien besw. Schleimhäute verlieren nach V. während der Darm- verlegung ihre Fähigkeit, die Fäulnisprodukte im Darm bei der Resorption zu entgiften. Da auch nach der Hebung des Hindernisses die Schwäche der Schleim- haut fortbesteht, injieirt V. seinen Kranken Glycerinextrakt von 50 g Schweine- darmschleimhaut. (Warum nicht mehr?)

Phocas (Lille). Ent&roanastomose dans la colite muco-mem- braneux.

Ein Kind von 5 Jahren wurde durch die Operation von seinem sohmershaften Leiden geheilt. Das Oolon war oft als wechselnd dioke Geschwulst zu tasten.

Reynès (Marseille). Coup de feu dans l'abdomen; onze perfora- tions suturées; guérison.

Operation unter Alkohol-Äther-Chloroformnarkose 7 Btunden nach Revolver- schussverletzung des Unterleibes; Blutung aus Mesenterialgefäßen, aber noch keine Peritonitis. Die Naht von 1 I Perforationen nahm 3 Stunden in Anspruch; der Kranke genas.

Lucas-Championnitre (Paris). Statistique de 1030 cas de cure radicale de hernie: mortalité; solidité; recidives.

Die einzelnen Bruchformen sind in folgenden Zahlen vertreten: 868 Leisten- bräche, 82 Schenkel-, 38 Nabel-, 17 Bauchbrüche, 15 Herniae epigastricae. Die Ge- sammtsterblichkeit, q Fälle, würde sich auf 0,68% belaufen; für Leistenbrüche allein, 5 Fälle, wäre sie nur 0,57%. Für jugendliche Individuen bis 23 Jahren

312 Centralblatt für Chirurgie. No. 11.

319 Operirte sind die Aussichten am besten kein Todesfall. Im Allge- meinen lässt C. kein Bruchband nach der Operation tragen; trotzdem sind ihm nur etwa 3,4% Recidive von Leistenbrüchen bekannt geworden; für Schenkel- brüche betragen sie etwa 5%, für Nabelbrüche 9%. Seine Sicherheit verdankt C. seiner Antisepsis, und er hat von der Verwendung der Karbolsäure nie Störungen bekommen. Die unangenehmste Komplikation der Heilung sind die Pneumonien; danach innere Einklemmungen durch Stränge, endlich Blutungen. C. verwirft die Bassini’sche Operation, vernäht die Bruchpforte nicht linear, sondern durch über einander geschlagene Lappen.

Berger (Paris). Traitement de la hernie interstitielle.

Diese Brüche kennzeiehnen sich durch besondere Dünne der Bauehmuskulatur und recidiviren häufig. B. sucht durch Heransiehen der Rectusscheide, die ge- spalten und in 2 Etagen über eine tiefe Naht des Leistenkanals herübergezogen und vernäht wird, über die schwache Stelle mehrere Fiascienschichten zu legen. Es sind dazu etwa 5 Nähte erforderlich. |

Diskussion. Delorme spaltet die Reotusscheide nicht, sondern legt die Aponeurose des Muse. obl. ext. gegen die Rectusscheide in vertikaler Richtung, und vernäht sie so zu festem Wulst. Isch-W ell bedient sich dieses Verfahrens seit 8 Jahren. Championnitre findet diese Methoden gekünstelt; er hält die einfachste Naht für die beste, spaltet den Kanal lang wie zur Laparotomie, und näht in einem durch; er hat nie nach Bassini operirt. Berger hat 900mal nach Bassini operirt mit 1 Todesfall.

Savariond (Paris). Hernie par glissement du gros intestin; pro- ced& de cure radicale par retournement du sac sans résection.

Da bei dieser Art von Brüchen die vordere Wand aus dem entfalteten Mosc- colon besteht, darf der Bruchsack nicht in der üblichen Art abpräparirt und resecirt werden, sondern muss vorsichtig zusammen mit dem Samenstrang mittels Tupfer abgehoben werden; dann wird nach Öffnung des Sacks der Halstheil gut erweitert, der Sack mit Inhalt reponirt und vernäht.

Derselbe: Cure radicale des hernies ombilicales par un procédé de dedoublement.

8. sucht die schwachen Ränder des Bruches durch Übereinanderlegen zu ver- stärken. Zu diesem Zweck legt er auf der einen Seite zwei Reihen von je 5 V-förmigen Fadenschlingen, die in entsprechender Entfernung dureh dem freien Rand der anderen Seite durchgeführt werden; dann werden sie einfach verknotet.

Tailhefer (Béziers) Cystoc2le erurale étranglée.

Die Einklemmung eines Blasendivertikels im Schenkelring setste unter den gleichen Symptomen ein, als hätte sich’s um Darm gehandelt. Es bestand keinerlei Andeutung von Bruchsack.

Diskussion. Berger hat 6 oder Tmal die Blase im Bruchsack angetroffen, aber niemals vorher diagnosticiren können. Delorme hat einmal das Gleiche erlebt, ebenso Gangolphe; sein Kranker empfand Harndrang bei Druck auf den Bruch. Demoulin, der die Cystocele bearbeitet hat, findet, dass in den Fällen, wo der Bruchsackdivertikel mit der Blase nur durch einen dünnen Stiel verbunden ist, dies Zeichen fehlt; der Harndrang äußert sich nur bei breiter Kommunikation.

Thiéry (Paris. Note sur un oas d’appendicotomie & froid.

Operation nach 5—6 Anfällen; der 7 cm lange Wurmfortsats zieht bis unter die Leber und kann nicht entfernt werden; man begnügt sich, ihn vom Blind- darm zu lösen und zu versenken. Seither kein Anfall mehr.

Paul Delbet (Paris). Remarques sur 39 cas d’appendieite,

D. vertritt die Ansicht, dass jede diagnosticirte Appendieitis sofort opesirt werden soll; er hat bei seinen Operationen den Wurmfortsata stets resecirt. Sonst bringt er nichts Bemerkenswerthes.

Centralblatt für Chirurgie. No. 11. 313

Tailhefer (Béziers) Etranglement de l’appendice dans le canal orural. l

6 Tage nach Beginn der Einklemmung wurde die Herniotomie ausgeführt, bei welcher als Bruchinhalt der 8 cm lange eingeklemmte Wurmfortsats gefunden und reseecirt wird.

Legueu (Paris). Resection du foie pour syphilome.

‚Kurser Bericht über zwei Resektionen von syphilitisch erkrankten T,eberpar- tien, das eine Mal mit der Gallenblase zusammen. Präventive Blutstillung mittels Katgut.

.Schwarz (Paris) Contribution à la chirurgie des voies biliaires.

Nach S. ist die Choledochotomie jetzt eine allgemein anerkannte Operation; sie ist relativ leicht, wenn das For. Winsl. frei ist, schwer bei zahlreichen Ver- wachsungen am Hilus. Gelingt es nicht wegen Verkümmerung der Gallenblase diese oder den Ductüs cyst. durch straffes Anziehen als Handhabe zur Auffindung des Ductus choled. zu benutzen, muss man ihn aus dem Lig. hepat. duod. mittels Sonde präpariren. Bei Fisteln und chronischem Empyem der Gallenblase soll man den ganzen Tractus in Zusammenhang herauspräpariren und entfernen.

Souligoux (Paris. Note sur 8 cas de plaies et contusions de l’abdomen.

Im Ganzen hat S. 11 Laparotomien wegen Bouchverlsteungen ausgeführt; darunter sind 4 ohne Eingeweideverletsung als Probelaparotomien schnell geheilt. Von den übrigen 7 sind 4 geheilt dabei 1 Nieren-, 1 Blasenzerreißung; 3 sind erlegen, darunter 1 Verletster mit 5 Monate nach dem Unfall eingetretener Darmruptur. Vielleicht hätte ihn die sofortige Laparotomie gerettet.

Chavannaz (Bordeaux). De l’eEvisceration postop&ratoire spontanée.

65 Fälle, dabei 2 eigene, liegen dem Bericht zu Grunde; die Prognose ist ziemlich ungünstig 14% Mortalität —, ungünstiger, je früher das Ereignis nach der Operation eintritt. Leider sind keine Daten gegeben. Therapie: Asep- tisirung ev. Resektion vorgefallenen Netzes.

Reverdin (Genf. Fistule recto-uretrale congenitale: operation par dedoublement; guérison.

Bei der Geburt hatte auch Atresia ani bestanden, die sofort beseitigt worden war. Jetzt spaltete R. das Septum vesico-rectale und verschloss die beiden Fistel- öffnungen; die Harnröhrenwunde öffnete sich wieder, heilte jedoch später durch Granulation.

Rochet (Lyon). Cure radicale des rétrécissements graves de l'urètre par autoplastie cutanée. .

Urethrotomia externa, Drainage der Blase nach dem Damm; Einpflanzung eines perinealen Hautlappens in die DE 12 Operationen mit 4 Miss- und 8 guten Dauererfolgen.

Lavaux (Paris) Les prostatiques quine doivent par se sonder.

So lange die Kontraktilität der Blase noch gut sei, sollen Prostatiker sich nieht katheterisiren; tritt Insufficienz des Muskels hinzu, nur für die Dauer der- selben; bei denselben Kranken, besonders wenn sie an großer Reizbarkeit leiden, sollen Blasenspülungen und Cocainisirung ohne Katheter ausgeführt werden.

Derselbe. La polyurie chez les prostatiques.

Die Retention bei den Prostatikern ist oft die Folge der Polyurie; früher hielt man umgekehrt diese für reflektorisch durch die Erkrankung der Blase erregt.

Demons (Bordeaux). De l’hystérectomie abdominale dans certains cas de gros polypes fibreux de l'uterus.

Bei großen Fibromen der Gebärmutter, die die Scheide ausfüllen, solle man sich erst überzeugen, ob das Corpus nicht auch Fibrome aufweist; wenn ja, su

314 Centralblatt für Chirurgie. No. 11.

versichte man auf die einfache vaginale Abtragung der Geschwulst und schreite zur abdominellen Hysterektomie sur Verhütung der Recidive. Große Fibrome im Douglas, die scheinbar vaginal leicht sugänglich sind, sitzen mit ihrer Basis oft breit dem Fundus ut. auf. Auch hier ist eher die ILaparotomie am Plats.

Peyro t (Paris). D l’hyst&reotomie abdominale dans les fibromes.

Seit Januar 1900 bat P. 30mal ohne Todesfall die Operation ausgeführt; er schreibt die guten Erfolge der von ihm seither angewendeten Fixation des supra- vaginalen Stumpfes in die Bauchwunde zu. 5mal zeigte sich Wundreizung in der Umgebung des Cervicalkanals.

Bouilly (Paris). Traitement des fibromes par l’hysterectomie, observations et statistiques personnelles.

B. rechnet sich zu denen, die nicht ohne Weiteres jedes Myom operiren; seit 1895 hat er 94mal die Hysterectomia abdominalis mit 5 == 5,3% Todesfāllen ausgeführt; meist waren es große Geschwülste von 2 kg im Mittel. Die Größe beeinträchtigt sicher die Prognose der Operation. Bei 22 vaginalen Hysterekto- mien wegen kleinerer Geschwülste, bei schlaffer Scheide, hat B. 4,5% Mortalität.

Monprofit (Anger. Sur la myomectomie abdominale.

Die Indikation zur Myomeotomie ist nicht allzu oft gegeben; seit etwa drei Jahren hat M. sie 17mal verwirklicht gefunden; die Enukleation war in allen von gutem Erfolg. Nur in einem Fall ist Schwangerschaft eingetreten; sie endigte mit Abort.

- Roussel (Reims). Hystérectomie abdominale totale pour fibromes, cancer et suppurations pelviennes.

Persönliche Statistik. 39 Hyst. abd. tot. wegen Myom ohne Todesfall; warum die totale, ist nicht gesagt. Von 11 abdominalen Exstirpationen wegen Car- cinoma corp. ut. und 4 wegen Carcinoma colli verlor R. eine, von 17 wegen Pyosalpinx Operirten 3 Kranke. Die mit 2,4% berechnete Mortalität ist dem- nach wohl ein Druckfehler.

Delaunay (Paris). Blessures de la vessie et de l’uretöre au couss d’une hysterectomie abdominale pour fibrome à developpement retro - peritoneal; suture de la vessie, ur&tro-n&o-cystostomie. Guérison.

Die Verletzung der Blase bezw. des Harnleiters ist ein Ereignis, welches zu- meist bei Entfernung großer ins Lig. lat. entwickelter Geschwülste beobachtet wird, wie auch hier. Wird die Verletzung sofort bemerkt, soll die übrige Opera- tion unterbrochen und die Naht des Harnleiters ausgeführt werden. Die End-su- End-Vereinigung scheint D. nicht empfehlenswerth, eben so wenig seitliche Anasto- mose bezw. Einpflanzung ia den Darm. Im vorliegenden Falle hat er sich mittels durch die Harnröhre eingeführter Pincette die Blase so weit hochstülpen lassen, dass der mit Dauersonde versehene Harnleiter vom Einschnitt der Blase aus er- fasst und eingenäht werden konnte. Die Heilung verlief glatt.

Gross (Nancy). Contribution au traitement opératoire de l'in- version ut£rine.

3 Fälle, 1 puerperale, 2 durch Myome bedingte Inversionen. Die beiden letzten wurden theils nach vergeblichen Repositionsversuchen, theils wegen Rück- fall durch Exstirpation behandelt. Im ersten hat G. laparotomirt, das Infundi- bulum mit Dilatatoren erweitert und sich von der Scheide aus den Fundus hoch- drängen lassen. Sämmtliche Pat. überstanden den Eingriff.

Legueu (Paris). Hystérectomie abdominale et prolapsus utérin.

Statt bei Prol. vag. su ventrofixiren oder den Uterus vaginal zu entfernen, führte L. in mehreren Fällen die abdominelle Exstirpation aus und heftet nur das Collum in die Bauchwunde (pexie cervicale) Die Kolpoperineorrhaphie wird da- nach sofort angeschlossen.

Centralblatt für Chirurgie. No. 11. 315

Houzel (Boulogne-sur-mer). Accidents causés par un utérus bilabé unicervical, tombé dans le cul-de-sac et pris pour une tumeur an- nexielle.

Das in den Douglas gefallene Horn bereitete so starke Beschwerden, dass sur Laparotomie geschritten wurde, die den Sachverhalt klarlegte. H. führte die Abtragung dieses (links gelegenen) Horns aus und faltete das Lig. lat., so dass jenes seitlich am Becken befestigt liegen bleiben musste und nicht mehr kon- eipiren konnte.

Pichevin (Paris. De la cervicite chronique. Empfehlung der Abtragung der Cervixschleimhaut in hartnäckigen Fällen von Katarrh; Vernähung von Uterus- und Collumschleimhaut.

Sorel (Havre). Des indications de l’hysterectomie abdominale dans le traitement des suppurations pelviennes.

Bei Entfernung der Adnexe soll der Uterus mitexstirpirt werden 1) wenn er selbst stark verändert ist; 2) wenn es im Interesse der Drainage nöthig wird; 3‘ wenn man einen Bauchfelllappen braucht zur Deckung blutender Flächen.

Cerné (Rouen). Des opérations conservatrices dans les salpingo- ovarites même suppurées.

C. dehnt das konservative Verfahren bei Adnexoperationen auch auf Eiter- tuben aus, welche er ineidirt und mit Chlorzink austupft. Von 44 Fällen, in denen er wegen Adnexerkrankung eingriff, hat er 8 in der angegebenen Weise behandelt, sogar imal Schwangerschaft danach eintreten sehen. Eine Pat. starb an Peritonitis. Es eignen sich natūrlich nur Tuben, die nach dem Uterus su nicht obliterirt sind.

Delaunay (Paris. De l’ablation totale de l’uterus et des annexes dans les cas de tumeurs malignes do l'ovaire.

D. hat sich in 2 Fällen bösartiger Eierstocksgeschwülste überseugen können dass die Fortleitung der betr. Lymphangitis bis in die uterine Insertion der Tuben verfolgt werden kann. Er empfiehlt daher, besonders in allen Fällen, wo sichs um Frauen nahe dem Klimakterium handelt, neben den Geschwülsten {papillomatöser Natur oder mucoiden Inhalts) den Uterus mit zu entfernen.

Paul Delbet (Paris). Abouchement anormal du rectum à la vulve transplantation perineale de l’anus vulvaire.

Bei seiner jetzt 30jährigen Kranken war im Kindesalter (6 Monate) zur Be- seitigung der abnormen Mündung eine perineale Perforation ausgeführt worden; Prolapse verlangten erneute chirurgische Hilfe. D. schloss die künstliche Öffnung und transplantirte in den Damm den ursprünglichen Scheidenafter, der leidliche Kontinenz zeigt.

Bilhaut (Paris) theilt einen operativ geheilten Fall fehlerhaften Callus des Vorderarms mit,

Larger (Maisour-Lafftte) einen Fall von schnellendem Finger auf trophoneurotiscoher Basis.

Guermonprez (Lille) stellt als Grundsätze für die Chirurgie der Hand auf:

I) Beseitigung von Fingern und Theilen derselben, die ihrer Natur nach der Funktion der anderen im Wege sind. 2) Kurze Verbindungsdauer, frühzeitige Massage, Elektrotherapie. 3) Die kosmetische Rücksicht darf der Nützlichkeits- indikation nicht im Wege sein.

Berthomier (Moulins). Ligature de l’iliaque primitive avant de proce&des à la dösartioulation de la ouissse.

B. hat sich dieses Verfahrens bedient bei Exart. cox. wegen großen Sarkoms.

Diskussion. L. Championnitre findet das Vorgehen B.’s weder originel noch nothwendig; eben so Delorme. Polloson (Lyon) hebt die Vortheile der hohen Amputation mit nachfolgender Exartikulation des Femurrestes hervor.

316 Centralblatt für Chirurgie. No. 11.

Calot (Berck-sur-mer). Appareil pour immobiliser la hanche dans la coxalgie.

C. bedient sich des Gipsverbandes, der besonders der Schenkelform gut an- gepasst werden muss. Außerdem legt er Werth auf gute Versteifungen über beiden Crist. ilei.

Diskussion. Gangolphe geht bis an die Brustwarze hinauf.

Guermonprez (Lille) bezeichnet die Coxa vera adolesc. als »Coxo- pathie par ostëite sĉêche douloureuse du col femorale des jeunes campagnards«.

Seine Behandlung besteht in Bettruhe und Massage, darauf starke Extension in Abduktion und Außenrollung.

Redard (Paris). Résultats éloignés de la cure des luxations con- génitales de la hauche par la methode non sanglante.

In 50 Fällen hat R. etwa 14mal anatomische Reposition erreicht, nach- gewiesen durch stereoskopische Röntgenbilder. Doch können auch einfache Trans- positionen gute funktionelle Resultate ergeben. Er lässt die Verbände nicht allzu lange liegen und immobilisirt nur 1—2 Monate.

Ducroquet (Paris). Die Schwierigkeit der Reposition beruht weniger auf dem Alter der Pat. als der Art der Verrenkung; die Lux. il. ant. ist die leichtere, die L. post. macht mitunter die Reposition unmöglich. Nach jeder Reposition und jedem Verbandwechsel ist Kontrolle durch der Röntgenapparat nöthig, wenn man keine Misserfolge erleben will; D. hat einen eigenen Apparat konstruirt, der gestattet, dem Oberschenkel jeden beliebigen Grad von Abduktion und Rotation zu geben.

Gangolphe (Lyon) hat in einem Falle von Pseudarthrose im Collum femoris eine Trochanteroplastik ausgeführt. So weit aus dem kurzen Referat ersichtlich, wollte er zuerst eine Knochenspange vom Trochanter in die Spalte einpflanzen; ds dies nicht gelang, wurde sie einfach wie eine Art Pfannenrand angelegt und bildete also eine Nearthrose. Das Ergebnis ist nach 3 Jahren gut.

Sorel (le Havre) Sur le traitement ALDUNATE des fractures de jambe et des fractures de cuisse.

Bei Unterschenkelbrüchen legt S. eine Gipsmanschette von den Knöcheln bis zur Tuber. tibiae; für die Oberschenkelbrüche hat er sich eine Nickelschiene mit Kautschuksohle fertigen lassen, die mit eingegipst wird. 30 Frakturen hat er behandelt und ist sehr zufrieden.

Diskussion. Gangolphe befürchtet Phlebitis und entsprechende Zufälle. Thierry empfiehlt vor Allem die Knochennaht und rühmt ihr mathematische Ver- einigung und Heilung ohne Callus nach; Phocas fürchtet ebenfalls, seine Kranken würden beim Aufstehen Verschiebungen erleiden. L. Championnitre endlich schwärmt einerseits nicht für ambulatorische Behandlung der Frakturen, anderer- seits verurtheilt er die Naht. Thierry’s Kranken, vor 7 Monaten genäht, könnten heute noch nicht gehen!

Cazin (Paris). Traitement des gangrènes diabétiques.

Diabetes allein giebt keine Kontraindikation zur Amputation bei Gangrän ab; es ist sogar nicht einmal nöthig, immer im Oberschenkel zu amputiren. Man überzeuge sich vom Puls der einem Krankheitsherd benachbarten Arterie. Bei einer Lisfranc’schen Absetzung trat Heilung p. p. ein, trotzdem der Sohlen- lappen nicht blutete.

Diskussion. Tedenat äußert sich ähnlich. Guinard (Paris) empfiehlt, nach Montaz die Arterien zu katheterisiren.

Calot (Berck-sur-mer). Le role du chirurgien dans la paralysie in- fantile; spricht über Arthrodese und Sehnenüberpflanzung.

Centralblatt für Chirurgie. No. 11. 317

Merciere (Reims). Pied bot varus equin chez un homme de qua- rante ans.

Bemerkenswerth ist das Alter der Pat. und der gute Erfolg der Tarsektomie (keine Angabe der Methode).

Merciere. Ankylose du genou en position vicieuse consécutive au développement d'un osteo-chondrome intra articulaire; guérison.

M. hält seinen Fall für ganz vereinzelt. Die Diagnose konnte mittels Skia- graphie in allen Einzelheiten vor der Operation gestellt werden.

Bilbaut (Paris). Quelques considérations sur l’hallux valgus.

B. glaubt den Schlüssel zur Erkenntnis des Hall. valg. und seiner Heilung gefunden zu haben in einer radiographisch nachgewiesenen konstanten Exostose an der äußeren (fibularen) Seite des Köpfchens des ersten Metatarsus, welche die beiden Metatarsen I und II mechanisch aus einander dränge. Ihre Beseitigung gleichzeitig mit der Operation der Bursitis p. p. bedeute die Heilung. In schweren Fällen sollen die inneren Kapselbänder des Gelenks zwischen Cuneiformel und Metatarsus I noch durchtrennt werden.

Diskussion. L. Championnidre bedauert feststellen zu müssen, dass die Exostosen auf den Röntgenphotographien normale Sesambeine seien. Christel (Metz).

15) R. Jedlicka. Über subarachnoidale Injektionen.

(Sborník klinicky Bd. II. No. 3. Casopis lékařů českých 1901. No. 24. p. 705 und No. 50. p. 1364.) i

Auf Grund seiner Untersuchungen an Thieren mit Cocain, Nirvanin und Eueain empfiehlt J. das Eucainum hydrochloricum-« als das wirksamste Präparat. Er verwendet 0,05—1,0 cem einer 11/aXigen Lösung und erklärt diese Methode als vorzüglich, gefahrlos und folgenfrei. Die von anderen Autoren angeführten Gefahren erklärt er in folgender Weise: |

1) durch die Toxicität des Präparates; diese Gefahr ist bei Eucain-« ausge- schlossen;

2) durch die lokale specifische Einwirkung der injieirten Substans in Form einer Veränderung der Leitungsfähigkeit der Medulla und der Nerven, und zwar suerst der sensiblen, in stärkeren Dosen auch der motorischen, besonders in dem oberen Antheile des Rückenmarks. Da aber die Methode auf dieser Eigenschaft des Mittels beruht, ist diese Gefahr unausweichlich; sie lässt sich aber beseitigen, indem man die Injektion in sitzender Stellung des Kranken vornimmt, langsam injieirt, die Flüssigkeit entsprechend temperirt (35°) und mit 0,6 %iger, indifferenter Kochsalzlösung auf den kryoskopischen Punkt koncentrirt. Hierbei muss berück- sichtigt werden, dass gewisse Stoffe bei intrameningealer Injektion giftiger (Jod- kali), andere (Muscarin, Curare) weniger giftig sind als bei intravenöser Injektion;

3) durch Störung des Flüssigkeitsdruckes im Lumbalkanal oder durch Chok. Aus diesem Grunde bilden Krankheiten des Centralnervensystems eine Kontra- indikation für diese Methode; hierher gehört auch die Arteriosklerose;

4) durch Veränderungen im Pioarachnoidealraume in Folge der injicirten Fremdstoffe (Kopfschmerzen, Temperatursteigerung). Durch Entleerung einer kleinen Menge des Liquor vor der Injektion lassen sich diese Symptome be- seitigen. J. hat bis Ende November 1901 über 400 Fälle unter spinaler An- ästhesie operirt und keinen Todesfall erlebt. Kleinere Unfälle iretardirter, kleiner Puls, Anämie u. dgl.) sind ohne Bedeutung, lassen sich durch unsere gegen- wärtigen Kenntnisse von der Pathologie des Liquor cerebrospinalis nicht erklären und daher auch schwer beseitigen. Den oben erwähnten Kontraindikationen möchte Autor auch die incarcerirten Hernien, bei denen der Verlauf stets ein schlechter ist, als weitere Gegenanzeige anschließen. 6. Mühlstein (Prag).

318 Centralblatt für Chirurgie. No. 11.

16) F. Zahradnicky (Deutschbrod). Erfahrungen über die medul- lare Anästhesie. (Časopis lékařů českých 1901. No. 50. p. 1364.)

Autor berichtet über 105 Fälle. Er begann seine Narkosen mit Eucain-3, erlebte unter 7 Fällen 2 Collapse bei jungen Männern mit einer Dosis von 0,04 g, ging dann su Eucain-« über 81 Fälle mit 3 Collapsen bei Männern jenseits des 50. Lebensjahres; Dosis 0,03—0,04 g und verwendet jetst Tropa- cocain, bei dem er unter 14 Fällen einen Collaps bei einem 39jährigen Manne beobachtete; Dosis 0,05 g. In 67 Fällen war die Anästhesie eine vollkommene, in 28 Fällen eine unvollkommene, aber doch hinreichende, und in 7 Fällen eine ungenügende (6mal bei Eucain-«, Imal bei Tropacocain; zur Fortsetzung der Narkose mit Chloroform genügten von letsterem kleine Mengen. Von postopera- tiven, aber durchaus nicht obligaten Symptomen sind hervorzuheben: Erbrechen, Kopfschmerz und Temperatursteigerung; in 3 Fällen bestand Hyperalgesie der Wunde, in einem Falle entwickelte sich eine Psychose.

Als wichtigste Kontraindikationen stellt Z. auf: 1) Alter unter 10 und über 50 Jahren, 2) Nervosität und Hysterie. 6. Mühlstein (Prag).

17) W. Kopfstein (Jungbunzlau). Erfahrungen über die medullare ; Narkose nach Bier. (Casopis lékařů českých 1901. No. 27. p. 782.)

K. benutzte theils Eucain-« (0,03 g) theils Tropacocain (0,04—0,05 g) und ergielte Anästhesie der unteren Extremitäten und des halben Rumpfes, manchmal sogar auch der oberen Extremitäten. Neben Fieber, Kopfschmergen unà Er- brechen, verlangsamtem, beschleunigtem oder fadenförmigem Pulse und Dyepno? erlebte er auch Collapse. Tropacocain verursachte kein Fieber und geringere Kopfschmersen.

Da diese Methode nicht selten im Stiche lässt und leicht Collaps erzeugt, empfiehlt der Autor in dringenden Fällen (Incarcerationen) die Chloroform- oder

Äthernarkose, weil diese stets positiv, die medullare Anästhesie aber unsicher ist. 6. Mühlstein (Prag).

18) A. Sandulli (Neapel). Nuovo contributo clinico sulle ferite da punta e taglio penetranti nell’ addome. (Arte medica 1901. No. 48.)

Kurzer Bericht über 8 weitere Fälle von penetrirender Stich- oder Schnitt- verletzung des Bauches unter Bezugnahme auf des Autors erste einschlägige Arbeit in der Riforma medica (Anno XIV No. 283 im Jahre 1898), die wiederum darthuen, dass diese häufiger ohne, als mit einer Schädigung der Eingeweide ein- hergehen. Nichtsdestoweniger empfiehlt S. die sofortige Laparotomie, da für ge- wöhnlich eine Eingeweide-Verletzung nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen ist. Bei den 8 Fällen des Verf. war je 1mal das Colon, das Mesocolon (unbe- deutende Wunde), eine Arteria mesocoli und eine größere Lebervene verletzt. Alle Fälle genasen bis auf den letztgenannten, bei welchem die gewaltige Blutung schließlich nur durch Übernähen von Netz gestillt werden konnte; der Tod er folgte am 5. Tage an Sepsis. A. Most (Breslau).

19) J. C. Munro. Lymphatic and portal infections following appen- dicitis.

(Medical and surgical reports of the Boston city hospital. XII. Series. 1901.) Verf. fügt seiner früheren Arbeit über das gleiche Thema (Referat in diesem Blatt 1901 p. 942) 4 weitere Fälle von Entzündung der retroperitonealen Lymph- bahnen und eitriger Pfortaderentzündung nach Epityphlitia hinzu und betont nochmals den schweren Verlauf der Pfortaderentzündungen. Gewöhnlich bilden sich multiple Absoesse, und der Erfolg der Operation scheitert an der Schwierig-

keit, alle Eiterherde aufzufinden, und an dem septischen Allgemeinzustand. Kleinschmidt (Kassel).

Centralblatt für Chirurgie. No. 1t. 319

20) W. Jones. Causes of death in strangulated hernia. (Buffalo med. journal 1901. December.)

63jährige Frau, seit 6 Tagen Incaroerstionserscheinungen. Operation, leichter Einklemmungsring an dem sonst gesunden Darme, Bruchinhalt hauptsächlich Nets. 6 Stunden nach der Operation beginnen profuse, anhaltende blutige Ent- leerungen, an denen Pat. zu Grunde geht. Sektionsbefund: Schleimhaut des auf- steigenden und queren Colons stark hyperämisch und geschwollen, stellenweise Erosionen und tiefere Geschwüre, Darm mit Blut gefüllt. Verf. nimmt an, dass das eingeklemmte Netz einen Zug auf das Colon ausgeübt habe, so dass dessen Gefäße in Folge der Spannung und °Verlagerung verlegt wurden und eine starke Stauungshyperämie in dem betreffenden Darmtheil eintrat. Mohr (Bielefeld).

21) F. Zahradnicky (Deutschbrod). Die primäre Resektion des Darmes bei incarcerirten, gangränösen Hernien. (Sborník klinický. III. Jahrg. Hft. 2. p. 81.)

Unter 76 eingeklemmten Brüchen waren 14 brandig (18,4%); in 10 Fällen wurde die primäre Resektion des Darmes mit Enterorrhaphie vorgenommen, und stets trat Heilung ein; in den restlichen 4 Fällen wurde ein Kunstafter angelegt; alle Pat. starben. Bezüglich der Wahl der Operationsmethode verwirft Verf. jeden exklusiven Standpunkt; man dürfe weder in jedem Falle die primäre Re- sektion und Enterorrhaphie vornehmen, noch in jedem Falle einen Kunstafter anlegen. Der Mittelweg ist der beste. Verf. geht in folgender Weise vor: dauert die Incarceration nicht su lange, ist die Hersthätigkeit gut, keine Peritonitis, kein bedeutender Meteorismus, keine ausgedehnte sterkorale Phlegmone vorhan- handen, sind die Darmschlingen nicht gelähmt, lassen sie sich leicht entleeren, und bestehen keine technischen Schwierigkeiten, dann macht er unter günstigen hygienischen Bedingungen die primäre Resektion und die Enterorrhaphie; im ent- gegengesetzten Falle legt er einen Kunstafter an, indem er die Wichtigkeit der einzelnen vorhandenen Symptome sorgfältig abwägt. In zweifelhaften Fällen lagert er die suspekte Darmschlinge vor und wartet 24—48 Stunden; erholt sie sich, so wird sie reponirt; im entgegengesetzten Falle macht er die Resektion mit Enoterorrhaphie. G. Mühlstein (Prag).

22) O. Foerster. Statistical study of 53 cases of left cecal hernia,

with report of an additional case. (Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1901. December.)

Verf. hat im Anschluss an eine eigene Beobachtung 53 Fälle von links- seitiger Coecalhernie gesammelt, deren Krankengeschichte er im Auszuge mit- theilt. Die Erkrankung wurde meist bei Erwachsenen beobachtet; auf 46 Männer kamen nur 4 Frauen. 14mal bestanden Einklemmungserscheinungen, besonders häufig bei kleinen Kindern; 15 Fälle waren irrcponibel. Fast immer war ein ausgebildeter Bruchsack vorhanden. In 1/3 der Fälle zeigte der Wurmfortsatz im Bruchsack pathologische Veränderungen. Unter normalen Verhältnissen kann der Blinddarm nicht den Inhalt eines linksseitigen Bruchsacks bilden. Atiologisch kommen verschiedene Umstände in Betracht: ungewöhnliche Entwicklung eines längeren Mesocoecum oder Mesocolon ascendens in Folge Zugs seitens benach- barter Darmtheile (Enteroptose), Verlängerung des Blinddarms als Altersver- änderung in Folge Ausdehnung des Colon ascendens, wodurch der Blinddarm ins kleine Becken verlagert wird, ferner dessen Verlagerung nach links in Folge einer angeborenen Entwicklungsstörung, schließlich Kyphose und Skoliose. Alle diese Faktoren können zu einer primären linksseitigen Coecalhernie führen. Andererseits kann es bei primärer Dünndarmhernie, besonders bei großen Soro- talhernien alter Männer su sekundärer linksseitiger Coecalhernie kommen.

Die eigene Beobachtung des Verf. betraf einen 18jährigen Mann mit an- scheinend angeborenem linksseitigem Scrotalbruch. Bei der Operation fand man in dem mit dem Inhalt sehr fest verwachsenen Bruchsack außer Netz Theile des Diekdarms, darunter Blinddarm mit dem normalen Wurmfortsatz; Bassini ; dauernde Heilung. Mohr (Bielefeld).

320 Centralblatt für Chirurgie. No. 11.

23) E. Mihel. Ein ungewöhnlicher Fall von Pylorusstenose. (Srpski arbiv za celokupno lekarstvo 1901. No. 8. Serbisch.)

Bei der Sektion eines 70jährigen Mannes fand M. einen sehr erweiterten Magen. Beiläufig 3 cm von dem Pylorus starke fibröse Verwachsungen, die als schwielige Züge zwischen der unteren Fläche der Leber und der kleinen Curvatur bis sum Pylorus hin verliefen; an dieser Stelle erscheint der Magen wie unter einen scharfen Winkel geknickt. An der Unterfläche der Leber, entsprechend dem Ansatze der Verwachsungen, weißlich-graue, harte, fibröse Platten von Zwei- Dinargröße, unter welchen sich beim Einschnitt die erweiterten und verdünnten Gallengänge fanden, in denen ein bohnengrößer Gallenstein saß. Die Gallenblase ganz mit der Leber verwachsen, klein, ihre Wandungen verdickt; die Haupt- gallengänge durchgängig. Pylorus fibrös verdickt und bedeutend verengt.

Ursprünglich wurde nach Ansicht des Verf. hier durch Steine an der Unter- fläche der Leber eine Cholangitis und Pericholangitis adhāsiver Natur erzeugt, die den präpylorischen und pylorischen Theil des Magens mit ergriff und eine chronische Perigastritis und Gastritis erzeugte, die die Ursache der Verengung des Pylorus und consecutiv der Magenerweiterung abgab.

v. Cačkovié (Agram.

Deutsche Gesellschaft für orthopädische Chirurgie.

l. Eröffnung des Kongresses, 1. April, 10 Uhr im Operationssal der Kgl chirurgischen Universitätsklinik zu Berlin (Ziegelstrajie).

2. Berathung der Satzungen.

3. Wahl des Vorsitzenden und der anderen 6 Ausschussmitglieder.

4. Bisher angemeldete Vorträge:

Herr Hoffa: 1. Über die neurogenen Skolivsen. 2. Zur Technik der wn- blutigen Reposition der angeborenen Hüftyelenksluxationen.

Herr Joachimsthal: 1. Die Zeitdauer der nothwendigen Fixation nach der unblutigen Einrenkung der angeborenen Hüftverrenkungen. 2. Über Spondylitis gum- mosa. 3. Federndes Knie im frühen Kindesalter. 4. Spontanheilung der angeborenen Kniegelenksluxationen. (Sänmtlich mit Krankenvorstellungen.)

Herr Schanz: Über die Bildungsgesetze der statischen BERNER SER

Herr Garre: Über Skoliose bei Halsrippen.

Herr Vulpius: 1. Zur Kasuistik des hysterischen Spitzfußes. 2. Zur Ätiologie des angeborenen Klumpfufßes. 3. Dauererfolge des Calot'schen Redressements des Grbbus.

Herr Hoeftman: 1. Skoliosenbehandlung mit Zuhilfenahme der Weir- M itschel- schen Kur. 2. Beitrag zur operativen Behandlung des Genu va

Herr Drehmann: 1. Dauerresultate bes der Behandlung der angeborenen Hüftverrenkung. 2. Angeborener Femurdefekt. 3. Frühzeitige Massagebehandluny der Gelenkfrakturen.

Herr Preiser: Über Chondrodystrophia foetalis mit multiplen Verrenkungen.

Herr Codivilla: Über das forcirte Redressement des Genu valgum und varum.

Herr Schulthess: 1. Klinische Beobachtungen über Formverschiedenheiten an 1100 Skoliosen (mit Demonstrationen von Kurven und Tabellen). 2. Über Veründe- rungen der Vertebralscheiben nach Spondylitis. (Demonstration eines Präparate.

Herr Herz: Zur Kenntnis des Negerfußes.

Herr Henle: Ischümische Muskelkontraktur.

Herr Kausch: .Angeborener Hochstand der Scapula.

Herr Stumme: Multiple cartilaginöse Exostosen (mit Röntgen- Demonstrattonen'.

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlagr bandlung Breitkopf $ Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Contralblatt CHIRURGIE

herausgegeben E. von Bergmann, F. König, E. Richter,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu bezieben durch alle Buchbandlungen und Postanstalten.

No. 12. Sonnabend, den 22. März. 1902.

Inhalt: XXXI. Chirurgenkongress.

H. Stamm, Beitrag zur Lagebestimmung von Fremdkörpern im Gehirn mittels Röntgen- photographie.

1) Leser, Krebs. 2) Blos, 3) Bledert, Appendicitis. 4) Bourget n. Roux, Gastro- enterostomie. 5) Wiesinger, Mastdarmkrebs. 6) Pascale, 7) Lastarla, Lebercirrhose. 8) Kusnetzow, Leberresektion. 9) Ehret und Stolz, Cholecystitis und Cholangitis. 10) Evans, 11) Beck, Fettnekrose.. 12) Nasi, Resektion des Sympathicus abdo- minalis. 13) Reynolds und Friedmann, Beckeneiterung. 14) Rubetz, Harnröhren- striktaren. 15) Horwitz, 16) Schlagintweit, 17) Fuller, 18) Syms, 19) Guiteras, Pro- statahypertrophie. 20) Suter, Tuberkulose der Harnorgane. 21) Iliyés, Harnleiter- katheterismus. 22) Kolischer und Schmidt, Skiaskopie bei Harnleiter- und Nieren- leiden. 23) Englisch, Cysten in der Raphe der äußeren Geschlechtsorgane. 24) Fa- brini, Resektion der Nebenhoden. 25) Göbell, Descensus testiculorum. 26) Nichol- son, Transplantation der Eierstücke.

27) Schmieden, 23) Gebele, 29) Skalicka, -Geschwülste.e 30) Sneguireff, Milz- resektion. 31) Covilie, Milzruptur. 32) Kehr-Welp, Jahresbericht. 33) Finkel- stein, Leberruptur. 34) Grekow, I,eberwunden 35) Dona, Cholecystitis. 36) Treu- berg, Gekröscysten. 37) Romm, Chondroma retroperitoneale. 33) Levison, Prostata- stein. 39) Krotoszynes, 40) Freyer, Prostatahypertrophie. 41) Cawardine, Harn- leiterkatheterismus. 42) Jenckel, Blasenriss. 43) v. Calkovic, Ektopie der Hoden.

AXXI. Chirurgenkongress.

Um möglichst rasch nach alter Weise im Centralblutte einen sach- lich richtigen Bericht über die Ergebnisse des Kongresses bringen zu können, bitte sch die Herren, welche auf demselben Vorträge halten werden, mir recht bald nach der Sitzung einen Selbstbericht über solche in Berlin zu übergeben oder nach Breslau, Kaiser Wilhelmstraße 115, einzusenden. Ä Richter.

322 Centralblatt für Chirurgie. No. 12.

(Aus dem städt. Krankenhause zu Hildesheim. Dirigirender Arzt: Kreisarzt Dr. Becker.)

Beitrag zur Lagebestimmung von Fremdkörpern im Gehirn mittels Röntgenphotographie. Von Dr. H. Stamnı.

Ich gestatte mir in Nachstehendem ein Verfahren zur Lokalisation von Fremdkörpern im Gehirn durch Röntgenstrahlen anzugeben, auf das ich in Folge einer Anregung seitens des Herrn Dr. Becker ge-

kommen bin, und welches bei seiner Einfachheit in vielen Fällen eine genaue Orientirung über den Sitz eines Fremdkörpers im Gehirn zulässt.

Zuvor möchte ich jedoch einige Daten über den Fall geben, in dem das zu erwähnende Verfahren znr Anwendung kam.

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Centralblatt für Chirurgie. No. 12. 323

Dem i8jährigen Schreiber K. aus E. war im August 1899 beim Spielen mit einer Flobertpistole eine 6 mm-Kugel durch das rechte untere Augenlid gedrun- gen, hatte das rechte Auge zerstört, war durch die Orbita ins Gehirn gelangt und dort stecken geblieben. K. wurde sofort in das hiesige Krankenhaus geschafft. Hier wurde eine Lähmung der unteren und oberen linken Extremität konstatirt. Das Bewusstsein hat K. nur für kurze Zeit verloren. Durch eine Röntgen- aufnahme wurde die Kugel in der hinteren rechten Scheitelbeingegend steckend gefunden. Bei dem Fehlen von Reizsymptomen beschränkte man sich auf die Be- handlung der äußeren Wunde (Enucleatio bulbi etc.). Die Lähmung des linken Armes schwand nach einiger Zeit und auch die des linken Beines ging so weit surück, dass K. dasselbe zum Gehen gebrauchen konnte. Am 30. September 1899 wurde K. entlassen. Am 21. Januar 1902 ließ er sich wiederum aufnehmen, da er die Entfernung der Kugel in Folge zahlreich auftretender Krämpfe wünschte, die nach seiner Angabe ihren Anfang im Magen nahmen, nach oben stiegen und dann auf den linken Arm übersprangen. Die Muskeln des linken Armes waren

während des Anfalles stark kontrahirt, während gleichzeitig Zittern im linken Bein und Unfähigkeit zu Sprechen bestand. Das Bewusstsein war während des Anfalls nicht gestört. Die Krämpfe traten zum 1. Mal im November 1899 auf. Sie stellten sich Anfangs in großen Intervallen (I—2 Monaten, nach Gebrauch einer Bromkur in 3—4 Monaten) ein. Seit Mai v. J. häuften sie sich jedoch so, dass sie zuweilen mehrmals an einem Tage auftraten. Die Anfälle hielten mehrere Minuten an. Nach denselben bestand oft tagelang anhaltende Appetitlosigkeit. Bei der Wiederaufnahma des K. zeigte sich außer den vorerwähnten Krämpfen, dass der linke Fuß in Plantarflexion stand und nicht nach außen rotirt werden konnte. Die rohe Kraft des linken Beines war erheblich herabgesetzt. Der linke

12*

324 Centralblatt für Chirurgie. No. 12.

Patellarreflex war klonusartig gesteigert. Eine Röntgenaufnahme ließ die Kugel an ihrer früheren Stelle erscheinen.

Zu ihrer genauen Lagebestimmung bediente man sich eines etwa 40 cm langen, 1 cm breiten, dünnen Blechstreifens, durch welchen in Abständen von genau 1 em kleine Nägel mit flachen, breiten Köpfen getrieben und mit Wachs angeklebt waren. Der Nagelstreifen wurde zuerst genau in der Medianebene des Schädels bei der Nasenwurgzel apsetzend mit Gasebinden fest dem glattrasirten Schädel auf- gelegt. (Vgl. Fig. 1. Hier ist der Nagelstreifen, um ihn deutlich zu zeigen, lose angelegt.) Die Profilaufnahme durch den Röntgenapparat (Fig. 3) ließ den Kugel- schatten zwischen dem 23. und 24. Nagel dicht unter der Schädeldecke erkennen. Die Mitte swischen dem 23. und 24. Nagel wurde auf dem Schädel mittels Dermato- graphen bemerkt, dann senkrecht zur . Steifenrichtung eine Linie durch diesen Punkt gezogen. Auf dieser Linie wurde der Nagelstreifen zum 2. Mal, also in transversaler Richtung, angelegt. Diese zweite Streifenebene wurde dann durch Vorwärtsneigen des Kopfes parallel der photographischen Platte und senkrecht

Fig. 3.

zur Durchleuchtungsachse (Fig. 2) gestellt. Das zweite Röntgenbild (En face- Aufnahme) zeigte den Kugelschatten unter dem 9. Nagel von links (Fig. 4). Der 9. Nagel befand sich 1'!/,cm rechts von der Medianlinie.e Es kommt dies daher, weil man, umK. bei der Profilaufnahme in Rückenlage photographiren zu können, ca. 10 Nägel auf der einen Seite des Blechstreifens entfernt hatte. Vom 9. Nagel aus wurde ebenfalls eine senkrecht zur Streifenebene laufende Linie auf den Schädel gezogen. Der Kreusungspunkt der beiden Dermatographenlinien musste nun genau den Sitz der Kugel markiren.

Es wurde hierauf an dieser Stelle, welche durch ein kleines in die Epidermis geritztes Kreuz für die Operation kenntlich gemacht war, ein Haut-Knochenlappen nach Wagner gebildet, welcher die Dura unter dem Kreuzchen in 10Pfennigstück- größe freilegte.e Nach Spaltung der Dura fühlte der palpirende Finger im Cen- trum der Öffnung die Kugel, welche leicht entfernt werden konnte.

Die Wunde ist gut verheilt. K. hat bis heute (14 Tage) keinen Krampf- anfall gehabt. .

Centralblatt für Chirurgie. No. 12. 325

Das geschilderte Verfahren entspricht somit dem der Feststellung der Lage eines geographischen Punktes auf dem Globus durch Längs- und Breitengrade. Man fixirt zunächst den Nagelstreifen durch Gazebinden in der Medianlinie des Schädels, legt durch eine Profil- aufnahme den Sitz eines Fremdkörpers fest und zieht von dem Punkt des Nagelstreifens aus, welchem auf der Photographie der Fremd- körperschatten am nächsten gelegen ist, mittels Dermatographen senkrecht zur Streifenrichtung eine Linie. In der durch sie ange- deuteten Transversalebene legt man den Nagelstreifen zum 2. Mal an. Die En face-Aufnahme zeigt dann den seitlichen Abstand des Fremdkörpers von der Medianebene. Zieht man nun auch durch den dem Schatten nächstgelegenen Punkt des Streifens eine senkrecht zur Streifenrichtung verlaufende Linie auf den Schädel, so muss sich

Fig. 4.

unter dem Kreuzungspunkt der beiden Dermatographenlinien der Fremdkörper befinden.

Ist der Fremdkörperschatten bei der Profilaufnahme sehr tief unter dem Nagelstreifen sichtbar, wie z. B. bei Fremdkörpern, welche im rechten oder linken Temporallappen stecken, so empfiehlt es sich event. noch, eine dritte Aufnahme zu machen. Der Streifen wird dann in der Richtung der zweiten Dermatographenlinie angelegt.

Bei allen Aufnahmen muss die durch den Nagelstreifen markirte Ebene parallel zur photographischen Platte gestellt werden. Die Irradiationsquelle bringt man entsprechend dem Sitz des Fremd- körpers gegenüber dem Vorder-, Mittel- oder Hintertheil des Schädels an. | Ä

Bei einer etwa 50—60 cm von der Streifen- bezw. 60—70 cm von der Plattenebene betragenden Entfernung der Irradiationsquelle wird man nur ganz geringe und daher nicht beachtenswerthe Ver- schiebungen des Fremdkörperschattens erhalten.

Da die Nägel auf dem Blechstreifen in gleichen, uns bekannten Abständen angebracht sind, ist es möglich, aus der Photographie auch

326

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Centralblatt für Chirurgie.

No. 12.

genaue Aufschlüsse über die Tiefe, in welcher ein Fremdkörper im Gehirn sitzt, zu erhalten.

Ob mittels des Nagelstreifens auch dicht der Gehirnbasis anliegende Fremdkörper bezüglich ihrer Lage bestimmt werden können, kann ich in Folge Mangels an Versuchsmaterial nicht mit Sicherheit angeben. Vielleicht führt in diesem Falle ein in horizontaler Ebene um den Schädel zu legender Blechstreifen, welchem hinter jedem 5. Loche ein überstehendes Drahtstück angelöthet ist, zum Ziel (vgl. nebenstehende Zeichnung). Der durchlochte Bandstreifen ist ebenfalls so beschaffen, dass seine Centimetereintheilung auf der Photo- graphie kenntlich wird. Da der Streifen auf

seine Fläche photographirt wird, so ist die Centi-

metereintheilung durch Löcher bewirkt. Da ferner das Bandmaß sich den Schädelkrüämmungen an- schmiegen muss, und in Folge dessen auf den Photographien eine Anzahl Löcher nicht genau zu erkennen sein wird, so dienen die überstehen- den Drahtenden dazu, genau über die Zahl des Loches zu orientiren, über bezw. unter welchem der Schatten eines Fremdkörpers zu sehen ist.

Die Vortheile, welche nun die vorerwähnte Methode zur Lagebestimmung von Fremdkörpern im Gehirn mittels Röutgenpliotographie vor an- deren bietet, sind kurz folgende:

1) Man bedarf keiner komplicirten Special- apparate, sondern kann sich den nothwendigen Nagelstreifen in kurzer Zeit selbst anfertigen.

2) Man erhält ohne jegliche Rechenexempel ein genaues Resultat.

3) Man ist im Stande, da auf dem Röntgen- bild der Maßstab mit photographirt ist, sich über alle Größenverhältnisse der Photographie leicht zu orientiren.

1) Leser(Halle). Über ein die Krebskrankheit beim Menschen

häufig begleitendes, noch wenig gekanntes Symptom. (Münchener med. Wochenschrift. 1901. No. 51.)

Schon vor dem Jahre 1898 war es Verf. einige Mal aufgefallen, dass bei Krebskranken multiple, kleinste, das Niveau der Hautdecke überragende, bei Fingerdruck nicht verschwindende, scharf ab- gegrenzte blau- oder hellrothe Geschwülste in der Haut namentlich des Rumpfes, seltener der Gliedmaßen vorkommen. Seitdem hat er diese Befunde weiter beachtet und mit seinem früheren Assistenten

Centralblatt für Chirurgie. No. 12. 327

Dr. Müller sowohl Krebskranke als auch andere chirurgische bezw. interne Fälle auf das Vorhandensein dieser makro- und mikroskopisch als Angiome anzusprechenden Neubildungen untersucht. Unter 50 Carcinomen der Haut, Mamma und inneren Organe fehlten diese Geschwülstchen nur in einem einzigen Falle, und waren sonst bei 17 Männern 310, bei 33 Frauen 444 solcher Angiome immer nach- zuweisen, in einzelnen Fällen selbst in der Zahl von 58, 76 und 216 vorhanden, während sie bei den 300 nicht mit Krebs behafteten Kranken nur ausnahmsweise, erst im späteren Alter von über 50 Jah- ren und in spärlicher Zahl beobachtet werden konnten. L. wünscht eine Nachprüfung seiner Befunde, namentlich auch in Bezug darauf, ob die Angiome schon vor den ersten Symptomen des Carcinoms ev angeboren auftreten, sich bei der Ausbildung des letzteren vermehren, ob sie auch bei Sarkomen sich finden und vielleicht dem Aus- breitungsbezirk einer Vene in der Nachbarschaft des Krebses folgen. Kramer (Glogau).

2) Blos. Über die Entzündungen des Wurmfortsatzes. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)

Nach B. ist die sekundäre Wurmfortsatzentzündung, welche nach Hernienbildung und gynäkologischen Erkrankungen aufıritt, von der eigentlichen primären Appendicitis zu unterscheiden. Über die Genese der letzteren gehen die Anschauungen noch weit aus einander. Durch Kothsteine, Fremdkörper oder durch Eindringen von Bakterien allein lässt sich die Appendicitis noch nicht erklären. Dagegen scheint es, dass eine abnorme Gestaltung des Processus, so wie residuale plastische Bildungen als ätiologisches Moment in Betracht kommen. Ein derart primär veränderter Wurmfortsatz könnte dann den Angriflspunkt für Traumen, Kothsteine und Mikro- organismen bilden. Auch die beachtenswerthe Ramm’sche Incarce- rationstheorie setzt einen primär veränderten Wurmfortsatz voraus. Manche Gründe giebt es auch, welche auf eine allgemeine Ent- stehungsursache hindeuten, so dass vielfach Appendicitis im Gefolge sonstiger Infektionskrankheiten getroffen wird, und dass die All- gemeinerscheinungen nicht in konstantem Abhängigkeitsverhältnis zu den örtlichen Störungen stehen. Pathologisch-anatomisch werden folgende Formen unterschieden: 1) Die akute Appendicitis serosa, 2) abgesackte appendicitische Abscessbildungen, 3) akute eitrige Appendicitis mit folgender diffuser eitriger Peritonitis, 4) chronische und chronisch recidivirende Appendicitis. Aus der sehr eingehenden Besprechung der Diagnose sei hervorgehoben, dass Verf. entgegen Sonnenburg es für unmöglich hält, auf Grund specieller klinischer Kennzeichen auf die anatomischen Veränderungen des Wurmfort- satzes zu schließen. Besondere Bedeutung wird mit Recht der sog. Schmerztrias von Dieulafoy beigelegt. Sie ist das früheste und sicherste Zeichen einer peritonealen Eiterung und berechtigt daher zur Annahme der Indicatio vitalis für das therapeutische Eingreifen.

328 Centralblatt für Chirurgie. No. 12.

Bei subakut verlaufender Appendicitis sichert oft der Nachweis eines leichten Bauchdeckenödems und einer palpirbaren Infiltration der Darmwand bei mangelnder Dämpfung die Diagnose einer umschrie- benen Eiterung.

In therapeutischer Hinsicht befdiwortet Verf. beim schweren, akuten Anfall die Operation in den ersten 24 Stunden. Bei leichten Anfällen wird zunächst exspektativ behandelt (kein Opium!), ziehen sie sich in die Länge, so wird operirt; eben so wird unter allen

Umständen sofort operirt, wenn sich der Anfall wiederholt. Honsell (Tübingen).

3) Biedert (Hagenau). Zur Behandlung der Perityphlitis, insbesondere zur operativen. Eine offene Darlegung. (Jahrbuch für Kinderheilkunde N. F. Bd. LIV. Hft. 5.)

Verf. ist zu seiner Arbeit verlanlasst »durch das Gefühl der Beängstigung, die uns zur Zeit vor dem Entschluss zum Handeln in allen den schweren Fällen von Perityphlitis befällt, in denen es nicht ohne Weiteres klar ist, ob man schon oder noch operiren soll«.

Er versteht unter diesen Fällen die in den letzten Jahren so

oft diskutirten heftigen, mit allgemeiner Peritonealreizung beginnen- den oder sich rasch dazu entwickelnden Erkrankungen, in denen der Arzt vor die folgenschwere Entscheidung gestellt wird, ob ein so- fortiger operativer Eingriff oder eine abwartende Haltung mit interner Behandlung das Richtigere ist. ,. An der Hand einer Reihe von Kranken- und Operations- geschichten (40 Fälle, davon 10 gestorben, operirt 9, davon 6 ge- storben) würdigt er die von den verschiedenen Autoren für die Operation aufgestellten Indikationen einer Kritik und kommt zu dem Ergebnis, dass nach welcher dieser Indikationen man auch operiren mag immer eine Reihe der oben charakterisirten Fälle übrig bleibt, bei denen es uns an bestimmten Anhaltspunkten für den rechten Zeitpunkt zur Operation fehlt.

Verf. stellt (im Einklang mit den meisten Operateuren) als all- gemein gültige Indikationen für die Operation auf: Anhalten hohen Fiebers über 3—4 Tage zweckmäßiger Behandlung hinaus, besonders schnell (und klein) bleibender Puls, der die Temperatursteigerung überdauert oder übertrifft, anhaltendes Erbrechen, Ileuserscheinungen (insbesondere wenn jenes nach anfünglichem Nachlassen wieder- kehrt. Für die Fälle von Peritonitis von noch dunkler In- oder Extensität spricht B. sich dahin aus, dass ein nach anfänglichem Rückgang wiederkehrendes Erbrechen das Maßgebende sei.

Als Operationsmethode für diese Fälle empfiehlt er die J. A. Ro- senberger’sche Methode (3—6 cm langer Schnitt parallel dem Lig. Pouparti über der Geschwulst oder dem MeBourney’schen Punkt, scharf durch einen Theil der Bauchwand, dann stumpf Einbohren mit dem Finger bis zum Bauchfell, Durchbohrung desselben mit Finger oder Hohlsonde, Eingehen mit dem Finger zum nun gefühlten

Centralblatt für Chirurgie. No. 12. 329

Wurmfortsatz bezw. Blinddarmende oder ins kleine Becken, wenn die Höhle dahin geht. Einführung von 1—2 Drains, großer asep- tischer Verband); jedoch räth B. für den Fall, dass man mit dem stumpfen Vorgehen nicht leicht in den Abscess oder die freie Bauch- höhle kommt, den Bauchschnitt zu erweitern und nun immer nach außen von den vorliegenden Theilen den Eiter zu suchen.

Was die interne Behandlung der Perityphlitis betrifft, so räth D. zu einer einmaligen oder periodischen Entleerung mit nachfolgen- der Opiumbehandlung zusammen mit mehr oder weniger radikaler Ernährungssuspension.

Schließlich regt er zur Klärung der wichtigen Frage an, eine Art Enquête mittels zwischen großen Krankenhäusern verabredeter Abwechslung systematischer Reihenbehandlung, zu veranstalten, um die beste Methode der Behandlung, resp. den günstigsten Zeitpunkt zur Operation bei den oben charakterisirten schwer zu beurtheilen- den Fällen auf Grund möglichst zahlreicher Beobachtungen fest- zulegen. Seefisch (Berlin).

4) Bourget und Roux (Lausanne). La gastro-enterostomie. L’oeuvre medico-chirurgical. Paris, 1. Januar 1902.

In der 50 Seiten langen Arbeit unterziehen B. als innerer Medi- einer und R. (Schüler Kocher’s) als Chirurg die eine chirurgische Behandlung heischenden Magenerkrankungen so wie Ausführung und Resultate der Gastroenterostomie einer eingehenden Besprechung und liefern durch dieses Zusammenarbeiten zweifellos einen werthvollen Beitrag zur Frage der Magenchirurgie.

Die Ausführungen B.’s sind durchweg so gehalten, dass gerade der Chirurg größtes Interesse daran nehmen muss. Besonders werth- voll erscheinen die Fingerzeige für eine exakte Diagnose der Pylorus- stenose.

B. legt wenig Gewicht auf die Anamnese abgesehen von einer eventuellen Geschwürsanamnese —, eben so wenig auf das chemische Verhalten des Magens. Den Hauptwerth legt er auf das mechanische Verhalten und richtet danach auch die Probemahlszeit ein: 200 cem Bouillon, 100 g gehacktes Beefsteak, 50 g Brot, 6 gekochte Backpflaumen. Auf letztere legt erbesonderes Gewicht, da er die Erfahrung gemacht hat, dass Pflaumenschalen selbst einen mäßig verengten Pylorus nur sehr schwer passiren. Gewöhnlich macht er 3 Untersuchungen: 21/,, 5 und 12 Stunden nach der Probe- mahlzeit. Ergeben alle drei einen Rückstand, besonders von Pflaumen- schalen, so räth B. zur Operation. Zur Aufblähung des Magens em- pfiehlt er (wie ja auch die meisten Übrigen) direkte Lufteinblasung.

Aus den differentialdiagnostischen Ausführungen ist hervorzu- heben die Methode, eine rein nervöse Dyspepsie festzustellen. B. geht dabei von der Erfahrung aus, dass das individuelle Verhalten desMagensin mechanischer Hinsicht meist ein sehr konstantes ist. Er- giebt also bei «mehreren Untersuchungen des Kranken eine Jede

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ein anderes Resultat, so hält B. eine nervöse Dyspepsie für erwiesen und räth von der Operation ab.

Beide Autoren sind darin einig, dass die auffallend große Menge von Pneumonien gerade nach Magenoperationen ihren Grund darin hat, dass der Schnitt in der Regio epigastrica den Infra-thoracal- Gürtel trennt und dadurch die Expektoration beeinträchtigt. Viel weniger machen sie die Narkose verantwortlich. Aus diesem Grunde räth R., die Laparotomie möglichst tief (in Nabelhöhe oder darunter) zu machen, oder dem Pat., falls dies nicht ausführbar ist, einen Gürtel nach Art der bei Asthmatikern gebräuchlichen zu geben.

Bei den Vorbereitungen zur Operation beschränkt sich R. auf nicht sehr kopiöse, dafür lieber häufigere Kochsalzinfusionen. Selbst Magen- und Darmspülungen verwirft er bei sehr schwachen Indi- viduen.

Morphium-Injektionen vor der Narkose widerräth er, um die Zeit der mangelhaften Expektoration nicht zu verlängern. Die Narkose selbst (meist Ather) sei so kurz und leicht wie möglich.

AlsOperationsmethode empfiehlterdie Gastroenterostomia posterior retrocolica in Y-Form, wie sie von Wölfler für die anterior zwar vorgeschlagen, aber nicht ausgeführt, von ihm für die posterior eingeführt ist.

Nach kurzem Hautschnitt in Nabelhöhe oder tiefem Empor- schlagen des Colon transversum Aufsuchen der Plica duodeno- jejunalis. Durchtrennen der Jejunumschlinge zwischen zwei Dauer- klemmen. Einnähung des Endes der distalen Schlinge in den durch das Mesocolon gezogenen Magen. Einnähung des Endes der cen- tralen Schlinge seitlich in die so eben in die Magenwand eingenähte Schlinge etwa 10—20 cm unterhalb der Magenwunde. Sämmtliche Nähte mit Seide in 3 Etagen, Fixation des Mesocolonschlitzes. Schluss der Bauchwunde durch Seidenknopfnähte in 3 Etagen.

Den Murphyknopf wendet R. nur an, wenn Zeit gespart werden muss. Den Gallet’schen Knopf verwirft er wegen seiner Klein- heit ganz.

Im weiteren Verlauf gibt R. nach Wunsch der Pat. schon sehr bald feste Nahrung, lässt sie auch schon in den ersten Tagen sitzen oder aufstehen. Den Circulus vitiosus glaubt er durch seine Methode ganz zu vermeiden.

Sehr günstig sind R.’s Erfahrungen bei Gastroenterostomien wegen Geschwürs mit und ohne Excision desselben.

Zum Schluss warnt auch er vor vorschneller Diagnose einer ner- vösen Dyspepsie und macht auf die sog. Atrophie serogelatineuse des Magens und der Därme bei anämischen und neurasthenischen Personen aufmerksam, die oft daran schuld sein soll, dass die Operation nicht den vollen erhofften Erfolg hat. Seefisch (Berlin).

Centralblatt für Chirurgie. No. 12. 331

5) Wiesinger. Zur Behandlung hochsitzender Mastdarm- carcinome. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 496.)

W. legt bei schwierigeren Fällen von hochsitzendem Mastdarm- krebs zunächst einen Kunstafter an der linken Bauchseite nach Schede an, in einer zweiten Sitzung folgt die thunlichst radikale Excision des kranken Mastdarms, wobei aber der obere Darmstumpf nicht nach unten gezogen wird, sondern übernäht im oberen Wund- winkel liegen bleibt. Der Kunstafter wird nicht wieder geschlossen, sondern dient dauernd auch nach der Wundheilung zur Koth- entleerung. Die Vorzüge des der Geschwulstexstirpation vorauf- geschickten Kunstafters, welche Schede hervorhob, erkennt auch W. demselben zu. Derselbe beseitigt die Kothstauung über dem Carcinom nebst den durch sie herbeigeführten Katarrhzuständen im Darm, was der Kräftigung des Pat. zum Überwinden der eingreifen- den Hauptoperation zu Statten kommt. Die Freihaltung der er- krankten Darmpartie von durchgehendem Koth erlaubt zudem, die- selbe durch Ausspülung zu säubern, wobei, wie 2 Beobachtungen lehrten, vorher durch entzündliche Reizungszustände anscheinend fixirte Därme beweglich und hiermit operabel werden können. Für den Hauptoperationsakt ist dann ein kothfreies, sauberes Operations- feld gewonnen, in dem Heilungsstörungen ungleich weniger zu be- fürchten sind, als bei unverhinderter Kothpassage durch die Wunde. Das Motiv aber abweichend von allen anderen neueren Mastdarm- carcinomsoperationsmethoden, die Defäkation dauernd dem Kunst- after zu überlassen, bildete für W. der Umstand, dass die Versuche nach der Operation durch Darmnaht, bezw. durch Durchziehen des oberen Darmstumpfes durch den konservirten After etc. normale oder auch nur annähernd normale Defäkation herzustellen allzu oft miss- lingen, vielmehr durch Gangrän des Darmes, Aufgehen der Naht zur Infektion und Lebensgefahr führen können, häufig auch lästige Darmfisteln bezw. einen sacralen widernatürlichen After hinterlassen, eben so wie Stenosen, neuralgische Beschwerden und Inkontinenz, Folgen, die selbst bei anfänglich tadellosen Heilungsresultat noch jahrelang später auch ohne Recidivbildung eintreten und zum Tode führen können. Hingegen gewinnen die mit bleibendem Kunstafter behandelten Pat. verhältnismäßig rasch eine glatte Heilung und finden sich mit ihren abnormen Defäkationsverhältnissen bald gut ab, so dass sie berufs- und gesellschaftsfähig werden und bleiben. Stellt sich ein Recidiv ein, so haben sie den Vortheil, dass die De- fäkation am Kunstafter nicht alsbald Noth leidet.

Was die Technik betrifft, so führt W. die Anlage des Kunst- afters nach Witzel aus; Schnitt am Außenrande des linken Rectus durch Bauchdecken und Bauchfell, Hervorholung des Darmes. Dann Schnitt an der Außenseite der Spina il. a. s. bis auf den Knochen und von hier aus Unterminirung der Bauchmuskeln. Durch den

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332 Centralblatt für Chirurgie. No. 12,

erbohrten Kanal wird die Darmschlinge hervorgezogen, ihr Scheitel in der Wunde an die Haut befestigt und geöffnet, der Bauchschnitt vernäht. Nach vollendeter Heilung (auch der Hauptoperation) ver- ursacht dieser Kunstafter keinerlei nennenswerthe Beschwerden, vor dem sacralen Kunstafter, der nach den konkurrirenden Methoden so häufig auch hinterbleibt (cf. z. B. Hochenegg’s Statistik), hat der ventrale After den großen Vortheil, dass Pat. an ihm unter Leitung des Auges bequem hantiren kann. Bei der Hauptoperation exstirpirt W. den erkrankten Darm am liebsten im Zusammenhang mit dem Aftertheil. Durch keine Rücksicht auf noch zu besorgende Darm- naht etc. genirt, kann die Geschwulstausrottung bequem radikal vor- genommen werden. Das Bauchfell wird stets geöffnet, der Darm noch oberhalb der Carcinomgrenze weithin resecirt nebst dem event. krebsdrüsenhaltigen Mesocolon, in Ausdehnung von 6—10 cm, das Bauchfell zum Schlusse wieder vernäht.

Nach diesen Principien hat W. i1mal operirt, wobei stets gute Wundheilung eintrat. Doch starben 2 Pat., der eine 14 Tage nach der Operation an Bronchitis, der Andere 6 Wochen danach an Er- schöpfung. Die übrigen 9, im Alter von 16—80 Jahren stehend, haben den Eingriff überstanden. Die längste bis jetzt erzielte Recidiv- freiheit beträgt 4'!/, Jahre; 3 Pat. bekamen Recidive, die sämmtlich operirt werden konnten, 2mal allerdings mit nur vorübergehendem Erfolge, während im dritten Falle 3/, Jahr seit der Recidivoperation (11/, Jahr nach der Primäroperation) verstrichen sind.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

6) G. Pascale (Neapel). L'intervento chirurgico nella cirrosi epatica con speciale riguardo alla legatura della vena portae e della vena cava inferiore. Ricerche sperimentali e ri- sultati clinici. (Communicasione all’ accademia med.-chir. di Napoli. Anno LV. No. 4.)

7) F. Lastaria (Neapel). Della cura chirurgica dell’ ascite da cirrosi epatica. (Arte medica 1901. No. 46.)

Die eingehende Arbeit P.’s theilt sich in 2 Abschnitte, einen experimentellen und einen rein klinischen.

Im 1. Theile stellt sich P. folgende 3 Fragen: 1) Ist es möglich dem Pfortaderblut einen Abfluss durch die Netzgefäße zu verschaffen und wie lässt sich dies Ziel am Besten erreichen? 2) Sind mit einer derartigen Ausschaltung der Leber aus dem Kreislauf Gefahren für den Organismus verbunden ? 3) Wird die Funktion der Leber dadurch geschädigt? Zur Beantwortung der ersten Frage hat Verf. bei seinen Thierexperimenten, verbunden mit klinischen und patho- logisch-anatomischen Beobachtungen, gefunden, dass in der Nähe der Linea alba die Kollateralen sich am spärlichsten entwickeln, da sich

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das dort fixirte Netz zum großen Theile fibrös umwandelt. Anderer- seits geht die Gefäßneubildung an jenen Stellen, wo das Netz mit dem subperitonealen und intermuskulären Gewebe in Berührung kommt, besonders gut von Statten. Da nun weiterhin die klinische Erfahrung lehrt, dass sich bei der Lebercirrhose die Kollateralen (auch ohne Operation) vor Allem in der Nähe des Nabels entwickeln, empfiehlt P. folgende Operationstechnik: Mediane Laparotomie in der Nabelgegend mit Excision des Nabels. Abfluss des Ascites und Untersuchung der Leber. Nun wird im Umkreis von einigen Centi- metern um die Bauchwunde herum das Peritoneum parietale und die tiefe Fascie von den Bauchmuskeln abpräparirt und entfernt. Nach Ausbreitung des Netzes wird dasselbe 2—3 cm unterhalb der Gegend des Nabels und seitlich möglichst weit von der Bauchwunde entfernt mit tiefgreifenden Nähten befestigt, nachdem das Bauchfell mit einem Gazebausch oder dem Löffel angefrischt wurde. Ver- schluss der Bauchhöhle, und zwar so, dass das Netz auch in der Mitte gegen die Nahtlinie befestigt wird. Durch diese breite Be- rührung des Netzes mit der vorderen Bauchwand und speciell mit der Muskulatur in der Nähe der Nabelgegend wird die Entwicklung einer reichen Vaskularisation begünstigt. Zur Beantwortung der zweiten Frage hat P. bei Hunden früher oder später nach Ausfüh- rung der beschriebenen Anastomosenoperation die V. portae bezw. die V. cava inferior unterbunden; alle Thiere starben unter denselben Phänomenen bis auf eines, das die Ligatur der V.cava überstand. Die Versuche sind zwar noch nicht abgeschlossen, indessen hält sich P. zu der Annahme berechtigt, dass die Ableitung des Portalblutes von der Leber direkt in den venösen Kreislauf an sich nicht toxisch wirke, dass der Tod der Versuchsthiere auf Cirkulationsstörungen zurückzuführen sei. Die dritte Frage glaubt P. verneinen zu dürfen; ihre exakte Beantwortung allerdings muss er noch offen lassen. | |

Im 2. Theil seiner Arbeit giebt Verf. eine ausführliche Tabelle der bereits publicirten Fälle der Talma’schen Operation (33 an Zahl). Diesen fügt er 14 eigene Beobachtungen bei (13 nach obiger Methode operirt), welche durchweg per primam heilten, und bei denen sich meist der Kollateralkreislauf prompt entwickelte. Für die Beurthei- lung des therapeutischen Erfolges kommen allerdings nur 9, bereits längere Zeit beobachtete Fälle in Frage. 5mal wurde keine wesent- liche Besserung des Zustandes erzielt, 3mal trat eine solche ein, ein- mal war noch nach 7 Monaten eine Heilung zu konstatiren. Trotz dieser bescheidenen Erfolge ist nach P. das gedachte Operations- verfahren nicht von der Hand zu weisen; im Allgemeinen sei es ungefährlich; ja er empfiehlt sogar ein frühzeitiges Eingreifen, da so für die Entwicklung des Kollateralkreislaufes und die Funktion der Leber bessere Bedingungen geschaffen würden. Und wenn auch das Grundleiden nicht direkt bekämpft wird, so kann doch die Operation etwa in der Hälfte der Fälle dem Ascites einen gewissen

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Abfluss schaffen und die Urinsekretion und den Allgemeinstatus günstig beeinflussen.

Auch L., der Verf. der zweitgenannten Arbeit, hält die Ana- stomosenoperation bei der Lebercirrhoge, wenn frühzeitig ausgeführt, für ein immerhin werthvolles therapeutisches Hilfsmittel bei der sonst unheilbaren Krankheit. Seine, nach Ansicht des Referenten allerdings weniger durchdachte, Technik ist folgende: Nach medianer Laparotomie frischt er mit dem scharfen Löffel (links vom Lig. sus- pensorium) die Kuppel des Zwerchfelles und die Leberkonvexität an; das Gleiche geschieht mit der Oberfläche der Milz so wie mit dem Peritoneum parietale in größtmöglicher Ausdehnung. Die Magen- und Darmserosa sucht Verf. auf chemischem Wege zu schädigen; durch Abreiben mit einem Sublimattupfer. Nun wird das Netz ent- faltet und mittels einiger Nähte am Peritoneum parietale befestigt. L. hofft auf diesem Wege ausgedehnte Verwachsungen und eine wichtige Vaskularisation zu schaffen. Dies trat auch bei dem von ihm mitgetheilten Falle ein, allerdings ohne dass der klinische Er- folg bei dem bereits vor der Operation sehr heruntergekommenen Kranken ein befriedigender war. A. Most (Breslau).

8) M. M. Kusnetzow. Zur Frage von den Methoden der Blutstillung bei Leberresektion und Entfernung von soliden Lebergeschwälsten.

(Annalen der russischen Chirurgie 1901. Hft. 5.)

Die durch ein Vorwort von Prof. v. Mikulicz eingeleitete Arbeit vertheidigt die Priorität des Verfahrens von K. und Penski zur Stillung von Leberblutungen. Die Methode wurde schon 1892 bis 1893 ausgearbeitet und besteht bekanntlich in einer Lebernaht, die mittels besonderer stumpfer Nadeln ausgeführt wird, im Fassen der einzelnen Gefäße mit Arterienklemmen und Ligaturen, in temporärem Einnähen von Gazetampons mit Hilfe von Katgutnähten in die Leber-

wunde. Die Methode wurde im Juli 1895 zuerst von v. Mikulicz am Menschen mit Erfolg versucht; weitere Operationen von v. Miku- licz, Kader, Terrier, Meyer, Chapot-Pre&evost u. A. bewiesen ihre Zweckmäßigkeit. Dampf und heiße Luft (Schneider, Abra- mowitsch) genügen wohl für Wunden und Rupturen, doch nicht für Excision tiefer liegender Geschwülste Mit des Verf. Methode kann man aber verhältnismäßig gefahrlos große Stücke der Leber reseciren und größere Geschwülste entfernen.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

9) Ehret und Stolz. Über experimentelle Cholecystitis und Cholangitis autoinfektiösen Ursprungs. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 1.) Die vorliegende Arbeit bildet eine Fortsetzung der verdienst- vollen und interessanten Untersuchungen der beiden Autoren über

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den Keimgehalt der Gallenblase in normalen und pathologischen Zuständen (cf. d. Centralblatt 1902 p. 164).

Um festzustellen, ob es nicht möglich sei, ohne künstliche Ein- bringung fremder Keime in die Gallenwege, lediglich durch die entsprechende Schädigung der Motilität Entzündungserscheinungen hervorzubringen, wurden bei 5 Hunden 8—12 Stück 10—13 mm im Durchmesser messende Hohlkugeln aus dünnem Glas in die Gallen- blase eingenäht. Die Thiere befanden sich Anfangs wohl; erst als sie unter schlechtere kalte Nahrung gesetzt wurden, stellten sich mehr oder weniger heftige Durchfälle ein, und 2 Thiere gingen, nachdem sie zum Skelett abgemagert waren, am 12. bezw. 21. Tage ein. Sie boten das Bild einer lokalisirten eitrigen, infektiösen Chole- cystitis.

Diese Versuchsanordnung wurde in der Weise modificirt, dass bei 6 Hunden 0,5 cm im Durchmesser messende sterilisirte Watte- bäusche in die Gallenblase eingenäht wurden. 2 Hunde wurden nach 8 bezw. 10 Wochen in scheinbar bestem Wohlbefinden wieder laparotomirt. Bei beiden fand sich eine fast kleinapfelgroBe Gallen- blase mit dicken weißen Wandungen, in einem Falle war ein, im anderen zwei Tampons im Cysticus. Watte und Inhalt der Gallen- blase wiesen enormen, nicht virulenten Keimreichthum auf. Die übrigen 4 Hunde gingen in der 8.—16. Woche zu Grunde; es fand sich bei allen eitrige, bis in die feinsten Verzweigungen des Gallen- baumes reichende Entzündung. Die Keime waren im Großen und Ganzen dieselben, die nach Schädigung der Motilität in der Gallen- blase auftreten.

Da die Erkrankung der Thiere erst lange Zeit nach der Ope- ration und dann plötzlich einsetzte, so glauben die Autoren wohl mit Recht, dass die Entzündungserreger aus dem Thierkörper selbst stammen, dass es sich um eine Entzündung autoinfektiöser Natur handelt. Die Versuche bestätigen die Ansicht der Autoren, dass in den Gallenwegen Infektionsgelegenheit wirklich vorhanden ist, und sie beweisen, dass bei Hunden Fremdkörper in der Gallenblase, gerade wie beim Menschen, seltener Erscheinungen machen, als Fremdkörper in den Gallenwegen. Langemak (Rostock).

10) Evans. A report of 4 cases of fat necrosis in connection

with gallstones. (Journ. of the amer. med. assoc. 1901. November.)

11) Beck. Fat necrosis from a surgical stand point (Ibid.) Der erste Autor bringt eine zusammenfassende Darstellung von 4 Fällen, darunter auch den von B. berichteten. Nur der letztere kam zur Genesung, die anderen 3 starben, und die Diagnose wurde erst bei der Sektion gestellt. Allen Fällen war gemeinsam, dass sie

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mehrere Jahre lang Gallensteinbeschwerden hatten und dass in der letzten Zeit neben den eigentlichen Gallensteinbeschwerden noch ein anderes, sehr schwer zu beschreibendes, unbehagliches, oft sehr schmerzhaftes Gefühl von schlecht zu bestimmendem Sitz im oberen Theil des Leibes bestand. Außerdem bestand bei Allen Erbrechen und Temperatursteigerung. Die nekrotischen Fettzellen bildeten weiße, kalkfarbene, sich scharf abhebende Punkte im Mesenterium und waren von einem hyperämischen Hof umgeben. Als Ursache wird Eintreten von Pankreassekret entweder in die Blutbahn oder ein Durchdringen desselben aus der Drüse selbst in die Nachbar- schaft angenommen. E. untersucht seine verschiedenen Fälle darauf- hin und zieht daraus den Schluss, dass die lokale Wirkung häufiger sei. Bei Gallensteinen, die unterhalb der Vereinigung des Ductus pancreaticus mit dem Ductus choledochus eingekeilt sind, kann neben der theilweisen Retention des Pankreassaftes ein Eindringen von Galle in das Pankreas selbst und dadurch eine Schädigung der Drüse stattfinden. Dass Störungen des Pankreas Fettnekrose erzeugen, zeigt E. an anderen Fällen, z. B. Lebersyphilis Verletzung des Pankreas, bei welchen sie vorhanden war. Eine Diagnose am Lebenden ist, sowohl nach E. wie nach B., sehr schwierig und vollkommen un- sicher. Neben dem eigenartigen Schmerz betonen Beide die blasse oder cyanotische Färbung des Gesichts. E. will auch einer öfter beobachteten dunkeln Färbung des Epigastriums und Auftreibung desselben, so wie dem Puls, der rascher und kleiner sein soll, als bei Gallensteinen und -Koliken allein, einen gewissen Werth beilegen. In Bezug auf die Behandlung, namentlich wenn die Fettnekrose bei Gallensteinoperationen entdeckt wird, soll man sich, nach B., nicht mit einfacher Entleerung der Gallenblase von Steinen und ihrer Drainage begnügen, sondern stets den Ductus choledochus absuchen und event. von Steinen befreien. Die nekrotischen Stellen können, wenn nicht zu weit fortgeschritten, ausheilen. Für die Nachbehand- lung hält B. die völlige Ausschaltung des oberen Theils des Magen- Darmkanals durch 8—10 Tage für sehr wichtig. Trapp (Bückeburg).

12) ©. Nasi (Modena). Sulla resezione parziale del simpatico

addominale. Esperienze sugli animali. (Clinica chir. 1901. No. 4.)

N. berichtet über Thierversuche zum Zweck des Ausbaues der Methode, die Ruggi auf den Gedanken basirt hat, bei gewissen Genitalneurosen beider Geschlechter durch Resektion der Sympathicus- verbindungen Heilung zu erzielen.

Im Besonderen handelt es sich um die Isolirung und Resektion der utero-ovariellen Gefäßnervenbündel beim Kaninchen und um die Resektion der die utero-ovariellen und spermatischen Gefäße begleitenden Nervenfasern.

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Die Resultate der ersten Serie lassen sich in Folgendem zu- sammenfassen: Die beiderseitige Sympathectomia abdominalis utero- ovarica bewirkt in der Mehrzahl der Fälle Sterilität durch Atrophie der inneren Genitalien. Die einseitige Operation hat trophische Störungen zur Folge; öfters leidet die Fruchtbarkeit.

Werden nur die Nervenfasern entfernt, welche die utero-ovari- ellen oder die spermatischen Gefäße begleiten, so treten keinerlei bemerkenswerthe Schädigungen in der Struktur der Genitalien ein.

J. Sternberg (Wien).

13) E. Reynolds and L.V. Friedmann. The scope of vagi- nal section in the treatment of pus in the pelvis, with a report of 82 abdominal sections without mortality and

18 vaginal sections with one death, due to accidental causes. (Med. and surg. reports of the Boston city hospital 1901. XII. Serie.)

Da bei der operativen Behandlung frischer eitriger Entzündungen in Tuben, Ovarien uud anderen Beckenorganen auf abdominalem Wege die Gefahr der allgemeinen Peritonitis recht erheblich ist, begnügt sich R. in allen diesen Fällen, von der Scheide aus den Eiterherd zu eröffnen und zu drainiren, ohne eine radikale Entfernung des erkrankten Organs zu versuchen. Er bedient sich dabei eines queren oder T-Schnittes gewöhnlich im hinteren Scheidengewölbe, von dem aus theils scharf, theils stumpf der Abscess zugänglich ge- macht wird.

Stößt er bei einer Laparotomie auf einen derartigen Eiterherd, so öffnet er nach Entfernung desselben die Scheide und drainirt durch beide Wunden. In 2 Fällen, in denen die Verhältnisse sich rechtzeitig genug erkennen ließen, verließ er den abdominalen Weg, beendete die Operation von der Scheide aus und verschloss die Bauchwunde.

Es wird über eine fortlaufende Serie von 18 Vaginalschnitten mit 1 Todesfall und 82 Laparotomien ohne Todesfall berichtet.

Kleinschmidt (Kassel).

14) N. G. Rubetz. Die Elektrolyse bei Harnröhrenstrikturen. (Wojenno-med. Journal 1901. April. [Russisch.))

Schlussfolgerungen: Die Elektrolyse ist selbst bei alten und impermeablen Strikturen verwendbar, ist ungefährlich (keine Kom- plikationen und Verbrennungen). Bei der Behandlung kann man alle Besonderheiten des Falles berücksichtigen, da die Stromstärke und die Widerstandskraft messbar sind. Jede von den verschiedenen Elektroden die lineäre, die von Chardin, und die olivenförmige hat ihre eigenen Vorzüge und speciellen Indikationen. Die Be- handlung giebt eben so standhafte Erfolge, wie die anderen Methoden. Erfolglosigkeit nach 4—5 Sitzungen bedeutet, dass nicht die richtige Elektrode oder Stromstärke verwendet wurde. Die Anwendung von

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Bougies oder Metallsonden nach der Elektrolyse unterstützt die Be- handlung sehr. R. bringt 4 Krankengeschichten. Gückel (Medwedowka, Kijew).

15) O. Horwitz. The present status of the Bottini operation as a method of treatment in obstructive hypertrophy of the prostate gland, derived from a summary of eight hundred and eighty-eight operations by forty-eight operators. (Philadelphia med. journ. 1901. November 16, 23, 30.)

Aus 888 Fällen berechnet H. die Mortalität der galvanokausti- schen Prostatomie auf 5,7%; ohne Erfolg blieb der Eingriff bei 10%; gebessert und geheilt wurden 84,3% der Fälle. Dagegen wird die Mortalität bei der partiellen perinealen oder suprapubischen Pro- statektomie auf 14,3%, die der totalen Prostatektomie auf 18—25% angegeben. Die Mortalität bei der Bottini’schen Operation ist also geringer als bei jedem anderen radikalen Eingriff.

Mit Bolton Bangs hält H. die Prostatahypertrophie für keine typisch senile Erkrankung, sondern nimmt an, dass sie bereits in früheren Lebensperioden beginnt. Gelegentlich cystoskopischer Unter- suchungen hat er öfters bei Männern zwischen 40 und 50 Jahren beginnende Vergrößerung eines oder mehrerer Prostatalappen gesehen, ohne dass Symptome hiervon zu bemerken gewesen wären.

H. empfiehlt, relativ früh zu operiren, d. h. vor einer schweren Erkrankung der Blase und anderer Organe. Die Frühoperation sichert geringe Sterblichkeit, rasche Rekonvalescenz und radikale Heilung. Er stützt sich hierbei auf 14 von ihm selbst operirte Fälle. Es handelt sich um Männer von 49 bis zu 61 Jahren. Alle hatten erst kurze Zeit Beschwerden bei der Urinentleerung. 12 von ihnen gebrauchten den Katheter seit 2—4 Monaten. 2 hatten nur starken Harudrang. Residualharn fand sich bei allen. In jedem Falle trat nach der Operation dauernde Heilung ein. In diesem Sinne be- zeichnet Verf. den Bottini’schen Eingriff als eine prophylaktische Operation.

Bei nur geringer Prostatavergrößerung räth H., erst den peri- nealen Steinschnitt zu machen und dann, nachdem man sich mit dem Finger über den Zustand des Organs orientirt hat, an der ge- eignetsten Stelle den Incisor wirken zu lassen. Für diesen Zweck eignet sich besonders das von Charles Chetwood modificirte In- strument (Med. record 1901, Mai 10).

Im Allgemeinen schließt sich Verf. dem Satze Willy Meyer’s an, nach dem man den Eingriff dann vornehmen soll, wenn man sich gezwungen sieht, dem Pat. selbst den Katheter in die Hand zu geben.

Kontraindicirt ist die Operation, wenn sich eine klappenartige Bildung am Blasenausgang findet und bei sehr starker Hypertrophie, besonders wenn sie zur Taschenbildung über und unter dem Blasen-

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halse geführt hat. Im ersten Falle ist die partielle suprapubische Prostatektomie, im zweitem bei gutem Allgemeinbefinden die Total- exstirpation der Prostata am Platze.

Die Bottini’sche Operation fordert strikte Anwendung fehler- loser Instrumente, eine sorgfältige Technik und reiche Erfahrung im Gebrauch des urogenitalen Instrumentariums. Vor der Operation hat man sich mit dem Steinsucher durch cystoskopische und rectale Untersuchung die Länge der Harnröhre, so wie Größe und Form der Prostata genau zu bestimmen.

Über die Resultate des Eingriffs kann Folgendes ausgesagt werden: Die galvanokaustische Prostatomie entfernt das für die Urinentleerung bestehende Hindernis. Pat., die genöthigt waren, täglich den Katheter zu brauchen, sind bald nach der Operation im Stande, spontan Urin zu entleeren. Bangs vermuthet, dass diese spontane Urinentleerung nicht nur Folge der Furchenbildung, son- dern auf die Retraktion der Narben und die Atrophie des Organs zurückzuführen ist. H. hat in der That in einer Reihe von Fällen einige Wochen nach der Operation die Prostata stark verkleinert gefunden. Die Urinretention fällt allmählich ganz weg. Auch die Cystitis und der häufige Harndrang kommen zur Heilung. Bei alten, bereits stark heruntergekommenen Prostatikern mit Atherom der Arterien, vorgeschrittener Blasen- und Nierenerkrankung und starker Urinretention bedeutet der Bottini’sche Eingriff eine pallia- tive Operation. Der Katheter kann wieder leichter und schmerzlos eingeführt werden, die hartnäckige Verstopfung schwindet, das All- gemeinbefinden hebt sich, die Cystitis wird einer entsprechenden Behandlung zugängig.

Eine bestehende Pyelitis kontraindicirt die Operation nicht un- bedingt.

Eine der Bottini’schen Operation vorhergehende suprapubische Cystotomie, um die Lage des Incisors überwachen zu können, ist nach H. nicht nöthig. Verf. hat mehrmals beobachtet, dass alte, vom hohen Steinschnitt herrührende Fisteln sich schlossen, wenn wegen einer gleichzeitig bestehenden Prostatahypertrophie die Bot- tini’sche Operation vorgenommen werden musste.

Die Neigung zu Recidiven nach dem Eingriff ist nur gering. Unter 36 eigenen Fällen hat H. nur 3mal wieder auftretende Be- schwerden beobachtet. Sie wurden durch Wiederholung des Ein- griffg beseitigt. Läwen (Leipzig).

16) F. Schlagintweit. Das Anhaken, Andrücken, Heben und Senken des Incisors während der Bottini’schen Operation.

(Centralblatt f. d. Krankheiten d. Harn- u. Sexualorgane Bd. XIII. Hft. 1.)

Vorliegende Arbeit stellt ein Kapitel aus einer demnächst er- scheinenden Monographie über »Prostatahypertrophie und Bottini-

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sche Operation« dar. Verf. wendet sich gegen die in der Überschrift genannten Manipulationen bei Gebrauch des Incisors, er verwirft sie vollständig und schiebt ihnen viele Misserfolge nach der Bottini- schen Operation in die Schuhe. Unter Zugrundelegung beschriebener Präparate (von welchen 5 stereoskopische Abbildungen beigegeben sind) und unter kritischer Besprechung von Fällen aus der Litteratur, so wie nach Ergebnissen von Versuchen kommt Verf. zu folgenden Schlüssen : |

1) Durch das Anhaken kann der Schnabel des Incisors seitlich von einem Prostatamittellappen abgleiten, während letzterer eine Drehung nach der entgegengesetzten Seite ausführt, so dass sein Querdurchmesser in mehr vertikale Stellung kommt. Auf diese Weise bekommt man statt der beabsichtigten Spaltung des Mittel- lappens einen seitlichen Schnitt und bleibt event. der Erfolg der Operation aus.

2) Der Incisior rutscht auf den Lappen, den man einschneiden will, herauf, indem er ihn nach abwärts drückt, ja er kann sogar . ganz in die Harnröhre hineingleiten. In Folge dessen wird der Schnitt viel kürzer und seichter als beabsichtigt und lässt am vesi- calen Ende des Lappens eine Barriere stehen, die den Erfolg ver- eiteln kann. Es kann sogar vorkommen, dass überhaupt kein Schnitt entsteht, weil der Schnabel des Instruments den Lappen abwärts drückt, oder dass bei in die Harnröhre gerutschtem Instrument eine unfreiwillige Urethrotomia interna gemacht wird.

3) Die Länge des Schnittes kann aber auch viel bedeutender sein, als das Instrument angiebt, wenn durch das Anhaken die Pro- stata komprimirt wird und sich während des Schneidens am Messer vorbei wieder nach hinten ausdehnt. Aus dem gleichen Grunde wird der Schnitt zu schnell gemacht, indem in derselben Zeit, die für einen Schnitt von z. B. 2 cm Länge berechnet war, vielleicht ein solcher von doppeltem Ausmaß herauskommt.

4) Das Anhaken ist oft schmerzhaft und macht den Pat. un- ruhig. Eine Durchtrennung des Sphincter int., die durch das An- haken erzielt werden soll, findet bei großem Mittellappen nicht statt, da der Sphinkter hinter dem Lappen liegt; bei kleinem Lappen wird er ohne Anhaken eher erreicht als mit solchem, weil eben in letzterem Falle der Schnabel des Instruments in die Höhe steigt (siehe sub 2). Blasenfalten oder Ureterenwulst könnten nur bei fehlendem Mittellappen gefasst werden, und um so leichter, je mebr der Griff des Incisors gehoben wird. Fr. Brunner (Zürich).

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11) Fuller. Prostatectomie, the method of choice in the

management of prostatic obstruction. (Journ. of the amer. med. assoc. 1901. November.)

18) Syms. Perineal prostatectomy. (Ibid.) 19) Guiteras. Prostatectomy versus prostatotomy in the radical treatment of senile hypertrophy of the prostate. (Ibid.)

Alle 3 Autoren wenden sich gegen Anwendung der Prostatotomie, hauptsächlich gegen die Bottini’sche Operation, die mit Unrecht als in allen Fällen zur Heilung führend angepriesen sei. Sie wollen sie nur in leichteren Fällen angewandt wissen. Als Normalverfahren betrachten sie die Entfernung der Prostata, welche in den Fällen, in denen sie gelingt und das sind nach ihrer übereinstimmenden Ansicht die meisten stets zur völligen Heilung führt, sehr oft direkt lebensrettend wirkt. Im Einzelnen führen sie Folgendes aus:

F.: Die Prostatektomie ist indicirt 1) bei solchen Kranken, bei denen die Drüse durch die Harnröhre unzugänglich ist durch Strikturen etc.; 2) bei solchen, die Drainage der Blase erfordern; 3) wenn Niereninfektion besteht; 4) bei Vorhandensein von Blasen- steinen, die der Zertrümmerung unzugänglich sind; 5) wenn die Masse der Prostata zu groß ist. In allen diesen Fällen ist allein durch die Entfernung der Drüse Heilung zu erreichen. Bei Aus- wahl der zu operirenden Kranken soll man sich nicht abschrecken lassen durch schlechten Zustand derselben, so fern er durch das Leiden selbst erzeugt ist, da auch in den verzweifelsten Fällen voll- ständige Heilung eintreten kann. Ernstlichere und event. in Be- tracht zu ziehende Hindernisse sind Arteriosklerose und innere Er- krankungen. Das Alter der Pat., bei welchem F. noch operirt, hat er stets heraufgesetzt; der älteste mit sehr gutem Erfolg operirte zählte 78 Jahre. Die Gefahr der Prostatektomie wird, seiner Ansicht nach, überschätzt. Allerdings gehört zu ihrer Ausführung völlige Vertrautheit mit der Gegend, wo man operirt, und eine große Schnelligkeit der Ausführung ist zur Abkürzung der Narkose un- erlässlich. Welche Methode er anwendet, führt er nicht an. Die Nachbehandlung besteht in Blasendrainage und, je nach Erfordernis, innerer Medikation.

8. betrachtet die perineale Methode als das Normalverfahren. Er hat die Alexander’sche Methode der nach Epicystotomie mit in die Blase eingeführtem Finger die Prostata gegen den Damm drängt und dann stumpf ausschält in so fern vervollkommnet, als er den Blasenschnitt erspart und durch eine Art Kolpeurynter, der in die Blase eingeführt und stark mit Wasser aufgepumpt wird, die Prostata in die Dammwunde drängt. Dies Herausdrängen wird event. erst nach Eröffnung der Pars membranacea urethrae von der Wunde aus bewirkt. Die Entfernung der Prostata beginnt am linken Lappen

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und wird nur stumpf, indem der rechte Zeigefinger die Drüse aus ihrer Kapsel schält, bewirkt. Die Nachbehandlung besteht in Heber- drainage durch die Dammwunde und häufigen Blasenspülungen. Die Ausführung der Operation soll nicht schwer sein und namentlich nur geringe Blutung erzeugen; aber auch S. betont, dass man mit ihr vertraut sein muss. Er hat von 9. Pat., von denen er 6 nach seiner Methode operirte, keinen verloren.

G. giebt zunächst einen Überblick über sämmtliche zur Heilung oder Besserung der Beschwerden bei Prostatahypertrophie unter- nommenen Operationen. Er selbst wendet fast ausschließlich die Prostatektomie an, einmal als vesico-rectale Methode, die darin be- steht, dass nach Cystotomia suprapubica 2 Finger der linken Hand in den Mastdarm, der Zeigefinger der rechten in die Blase ein- geführt werden, worauf, unter Gegendrängen vom Mastdarm her, die Spitze einer gekrümmten Schere von der Blase aus in die Drüse eingestochen und durch Öffnen der Schere ein Riss gemacht wird, von dem aus die stumpfe Ausschälung erfolgt. Danach erfolgt eine Eröffnung der Pars membranancea zur Drainage, die außerdem auch noch durch Einnähen eines Drainrohrs in die Blasenwunde bewirkt wird. Die perineo-prävesicale Methode besteht in Eröffnung des Cavum Retzii, von welchem aus mit der linken Hand gegengedrängt wird, während die Ausschälung stumpf, wie bei Syms, vom Damm aus erfolg. Die Bauchwunde kann sofort geschlossen werden. 7 recht übersichtliche Abbildungen zeigen die verschiedenen Arten der Pro- statahypertrophie und die Ausführbarkeit und Nichtausführbarkeit der Bottini-Operation bei ihnen. Trapp (Bückeburg).

20) F. Suter. Über Sekundärinfektion bei der Tuberkulose der Harnorgane. (Centralblatt f. d. Krankheiten d. Harn- u. Sexualorgane Bd. XII. Hft, 12.)

Bei 17 Fällen von Tuberkulose der Harnorgane, wo im Urin Tuberkelbacillen nachgewiesen worden waren, wurde der Urin mikro- skopisch und kulturell auf Anwesenheit anderer Mikroorganismen untersucht und festgestellt, dass er bei Tuberkulose der Harnwege nur Tuberkelbacillen enthält, und erst, wenn durch die Harnröhre Infektionserreger in die Blase gebracht werden, eine Sekundärinfek- tion eintritt. Diese Thatsache kann für die Diagnose verwerthet werden: erweist sich steril entnommener eitriger Urin auf den ge- wöhnlichen Nährböden als steril, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass Tuberkulose vorliegt, sehr groß, auch wenn keine Tuberkelbacillen gefunden werden. Nur gonorrhoische Cystitis (ohne Gonokokken- befund) wäre damit zu verwechseln. Eine hämatogene Sekundär- infektion bei Tuberkulose der Harnorgane, wie sie Albarran an- nimmt, kommt nicht vor; die sekundäre Infektion ist vielmehr stets instrumentell erzeugt, woraus sich ergiebt, wie wichtig es ist, strengste Asepsis bei der Behandlung zu üben.

Fr. Brunner (Zürich).

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21) G. v. Illyés. Der Ureterenkatheterismus im Dienste einiger neuerer Methoden der Nierendiagnostik. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 377.)

Wir erfahren durch die aus der Dollinger’schen Klinik in Budapest hervorgegangenen Arbeit, dass dortselbst die gesonderte Urinauffangung mittels des Harnleitercystoskops Behufs separater Untersuchung des Urins der einzelnen Niere jetzt unter die regel- mäßigen diagnostischen Arbeiten aufgenommen ist. Es wird vom Urin jeder Seite bestimmt: die Harnmenge, das spec. Gewicht, die Reaktion, der Gefrierpunkt (»«), die molekulare Diurese (>a«), die chemische Beschaffenheit bezw. der procentische NaCl- und N-Gehalt, so wie endlich die Nierendurchgängigkeit für Methylenblau, wozu dann noch die Gefrierpunktsbestimmung für das Blut (>d«) hinzu- kommt. Von diesen Untersuchungsarten sieht Verf. die gesonderte Gefrierpunktsbestimmung für den jederseitigen Urin für die weitaus wichtigste an, da sie allein darüber Auskunft giebt, ob im Falle ein- seitiger Nierenerkrankung und beabsichtigter Nephrektomie die anders- seitige Niere allein genügend funktioniren würde. Die an sich eben- falls sehr werthvolle Blutgefrierpunktsbestimmung kann nach I. hierüber nicht Gewissheit geben. Die molekulare Diurese wird be- stimmt »durch Multiplikation der Tagesmenge der Harne mit / und dividiren durch 0,73, den Gefrierpunkt der Kochsalzlösung, wo wir dann dieselbe in "NaCl-Äquivalenten ausgedrückt erhalten. Sie hat dann den größten Werth, wenn die Harnbestandtheile in viel Wasser gelöst entleert werden«. Die (sonst bekanntlich wenig verwerthete) Prüfung der Nierendurchgängigkeit für Methylenblau ist von Achard und Castaigne angegeben. Der Pat. erhält eine Pravazspritze voll einer 5 %igen Methylenblaulösung subkutan, wonach die beiderseitigen Urine stündlich gesammelt werden. Die Ausscheidung beginnt nor- malerweise bereits in der ersten Stunde, erreicht nach einigen Stun- den ihr Maximum, um nach 36—48 Stunden aufzuhören. Die Ver- zögerungen und sonstige Störungen der Methylenblauausscheidung lassen auf Abnormitäten der Nierenfunktion schließen. Zur Mengen- bestimmung der Farbstoffausscheidung dient der Vergleich mit einer Farbenskala von 1—24, die die Farben verschiedenprocentiger Blau- lösungen zeigt (näheres s. Original).

12 Protokolle über der Art bei verschiedentlichen Nierenkranken ausgeführte Untersuchungen illustriren die besprochenen Urinprüfungs- methoden, so wie deren diagnostische Brauchbarkeit, nicht nur für Bestimmung krankhafter Nierenzustände, sondern auch für Beweis- führung von Gesundheit der Nieren, wo diese vor der Untersuchung krankheitsverdächtig waren. Zur Harnleiterkatheterisirung diente meist das Nitze’sche, einmal auch das Albarran’sche Instrument.

Im Eingange der Arbeit geht Verf. kurz auf die verschiedenen bekannt gewordenen Methoden zur gesonderten Urinauffangung und die hierzu angegebenen Instrumente ein, eben so wird die v. Ko-

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ranyi’sche Gefrierpunktsbestimmung für Blut und Harn kurz Be- treffs Theorie und Technik allgemein durchgesprochen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

22) Kolischer und Schmidt. New method of skiagraphic diagnosis for renal and ureteral surgery.

(Journ. of the amer. med. assoc. 1901. November.)

Verff. haben zuerst an Leichen Versuche angestellt, feinen Blei- draht, der mit einer dünnen Antimonschicht überzogen war, durch die Harnleiter in das Nierenbecken einzuführen und haben vollen Erfolg gehabt. Der Bleidraht schmiegt sich dem Lauf des Harn- leiters genau an, biegt sich im Nierenbecken um und zeigt auf diese Art im Röntgenbild nicht nur den Verlauf des ersteren, sondern auch die Lage und Ausdehnung des Nierenbeckens. Sie haben dann cystoskopisch solche Drähte auch beim Lebenden eingeführt und waren so im Stande, eine Reihe genauer, durch Operation bestätigter Diagnosen zu stellen. Folgenden Forderungen wird ihr Verfahren gerecht: 1) Es ist völlig gefahrlos. 2) Verlauf, Ansatz des Harnleiters event. Erweiterungen, Knickungen und Verschlüsse desselben event. auch deren Natur, so wie Steine in ihm sind auf diese Weise sicher festzustellen. 3) Dilatation des Nierenbeckens und Steine in ihm. 4) Nierensteine im Parenchym sind genau feststellbar nicht nur ihrem Vorhandensein, letztere auch ihrem Sitz nach. 5) Man kann eine Differentialdiagnose zwischen Gallen- und Nierensteinen, dess gleichen zwischen Nierengeschwülsten, Geschwülsten der Nachbar- schaft und verlagerten und dilatirten Nieren machen, eben so tuber- kulöse Nieren, die sonst nicht leicht auffindbar gewesen wären, sicher feststellen. Eine Anzahl Abbildungen ist beigefügt, die ge- eignet sind, den hervorragenden Werth der Methode vor Augen zu führen. . Trapp (Bückeburg).

23) Englisch. Über angeborene Cysten in der Raphe der

äußeren Geschlechtsorgane.

(Centralblatt f. d. Krankheiten d. Harn- u. Sexualorgane Bd. XIH. Hft. 1.) E. hat aus der Litteratur 34 hierher gehörige Fälle gesammelt, die er kurz anführt und denen er 6 neue eigene Beobachtungen anfügt. Allen diesen Gebilden ist gemeinsam, dass sie in der Mittel- linie oder ganz in deren Nähe liegen, dass sie, wenn keine Entsün- dung vorangegangen ist, locker im Unterhautbindegewebe sitzen und desshalb leicht ausgeschält werden können, dass viele durch Stränge mit der fifrösen Umhüllung der Harnröhre zusammenhängen, endlich, dass die Haut darüber unverändert ist. Sie sitzen an der Vorhaut, am Frenulum, an der unteren Seite des Gliedes, am Hodensack und am Mittelfleisch. Pathologisch-anatomisch stellen sie sich dar als

Dermoidcysten, Atherome, Schleimcysten, Talgceysten. Fr. Brunner (Zürich).

Centralblatt für Chirurgie. No. 12. 345

24) F. Fabrini (Pisa). Come si rigenerino le vie di elimi-

nazione dello sperma in seguito a resezione dell epididimo. (Clinica med. chir. 1901. No. 3 u. 4)

Thierversuche (Hund) über die Frage der Wiederherstellung von Wegen für den Samen nach partieller Resektion des Nebenhodens. Die Verletzung bestand in 1) querer Resektion (blutig) aus dem Kopf; 2) Zerstörung des Kopfes mit dem Thermokauter; 3) Quer- schnitt durch den Kopf; 4) partielle Zerstörung der Länge des Neben- hodens noch mit dem scharfen Löffel.

Nach entsprechendem Intervall wurden die Tbiere kastrirt, die Vasa deferentia sofort auf das Vorhandensein von Spermatozoen untersucht, die makroskopische Untersuchung der Hoden bezüglich entstandener Verwachsungen durchgeführt und die Gewebe fixirt. Die mikroskopische Untersuchung wurde an vollständigen Serien angestellt.

Die Intervalle bis zur Kastration wechselten zwischen 6 Tagen und 7 Monaten.

Die histologischen Details können auszugsweise nicht wieder- gegeben werden. Es sei nur angeführt, dass sich die Stümpfe der quer- durchschnittenen oder der resecirten Nebenhoden rasch ver- schmälern und zuspitzen; die Kanälchen an beiden Enden ver- schließen sich, im Narbengewebe liegen deutlich erkennbare Spermatozoen, zum Theil in cystischen Räumen. Andere echte Retentionscysten mit kubischem Epithel bilden sich an den Enden der Kanälchen am proximalen (vom Hoden aus) Stumpfe, als Beweis der fortdauernden Produktion, während am distalen Stumpf weder Retentionen noch kubisches Epithel gefunden werden. An den mit dem Glüheisen behandelten Organen fehlte jede Spur reparativer Vorgänge. f Sternberg (Wien).

25) R. Göbell. Über die Bedeutung des Descensus testi- culorum für die chirurgische Pathologie. (Aus der chirurg.

I. Univ.-Klinik zu Kiel.) (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 53.)

G. weist nach, dass das Verständnis für die Entwicklung vieler pathologischer Zustände am Hoden und Processus vaginalis nur mög- lich ist, wenn man bei der Erklärung immer wieder auf den De- scensus testiculorum zurückgreift. Zu dem Zweck schildert er, wie letzterer zu Stande kommt und erörtert die verschiedenen Theorien, die über die Ursache des Vorgangs existiren. Sodann giebt er einen Überblick über die mannigfaltigen pathologischen Zustände, zu wel- chen der Descensus testiculorum führen kann, 1) wenn er normal verläuft, aber Unvollkommenheiten hinterlässt und 2) wenn er selbst pathologisch ist, nicht erfolgt oder unvollkommen bezw. in falscher Richtung geschieht. Kramer (Glogau).

346 Centralblatt für Chirurgie. No. 12.

26) W. Nicholson. A review of the literature of ovarian

transplantation. (Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1902. Januar.)

N. kommt auf Grund der vorhandenen, von ihm ausführlich besprochenen Litteratur über die Transplantation der Ovarien zu folgenden Schlüssen: Sowohl die homo- wie die heteroplastische Transplantation der Eierstöcke ist möglich, und in einem geringen Procentsatz der Fälle kann später Schwangerschaft eintreten. Es besteht zweifellos ein den Ovarien innewohnender Einfluss außer auf die Ovulation auch auf die Entwicklung und Erhaltung der Geschlechtstheile; er beruht wahrscheinlich auf einer inneren Sekre- tion. Die Wirksamkeit transplantirter Ovarien kann vielleicht De- generationserscheinungen an den Geschlechtstheilen verhüten. Es ist daher das ganze Ovarium oder, wenn das nicht möglich ist, wenigstens ein Theil desselben bei allen Operationen zurückzulassen, ausgenommen, wenn dieses Vorgehen die Gefahr für den Pat. be- deutend vermehrt. Mohr (Bielefeld).

Kleinere Mittheilungen.

27) V. Schmieden. Über den Werth der Theorie von der trauma- tischen Geschwulstgenese und über einen geheilten Fall von cen- tralem Riesenzellensarkom der Tibia.

(Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 1.)

Ein 17jähriges Mädchen hatte 7 Monate vor der Operation einen Fußtritt gegen die innere Knöchelgegend erhalten und im Anschluss daran die Entwicklung einer Geschwulst bemerkt. Nach Sicherung der Diagnose durch Röntgenaufnahme wurde der Knochen aufgemeißelt und die Geschwulst mit dem scharfen Löffel etc. entfernt. Dieselbe erwies sich als ein typisches myelogenes Riesengellsarkom, das nirgends in den Knochen selbst übergegriffen hatte, sondern sich von dem- selben leicht entfernen ließ. Heilung. Kein Recidiv.

Verf. bält die typischen myelogenen Riesenzellsarkome für klinisch wie anato- misch gutartige Geschwülste.e Die gegentheiligen Berichte über einzelne Fälle scheinen wie s. B. der Fall von Oberst darauf zu beruhen, dass hier eine Verwechslung mit anderen Sarkomarten (hämorrhagischem Sarkom) vorlag.

Verf. hält es für unbewiesen, dass ein Trauma in einem gesunden Gewebe eine Geschwulst ins Leben rufen kann. Borchard (Posen).

28) Gebele. Über Angiome und ihren Zusammenhang mit Carci- nomen. (Aus der kgl. chir. Klinik zu München.) (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 4.)

Die Angaben Leser’s, dass das Auftreten von Angiomen der Hautdecken bei Careinomen sehr häufig, bei anderen Erkrankungen dagegen nur selten zu beobachten sei, konnten in der Münchener chirurg. Klinik an der Hand aller- dings von nur 21 Krebs- und von 200 anderen Krankheitsfällen nachgeprüft werden. Bei ersteren war in 11 Fällen, bei letzteren in 86 das Ergebnis positiv, bei allen übrigen negativ. Von den 11 Krebskranken mit Angiomen überschritten 5, von den 86 anderen Kranken mit Angiomen 35 die Grenze von 50 Jahren; die Angiome waren in all diesen Fällen über 50 Jahre alter Pat. zahlreicher als bei den jüngeren Kranken; ihre Entwicklung wird auf die physiologische Gewebs-

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schwäche des Alters zurückgeführt. Auch bei anderen Geschwäülsten gut- und bösartiger Natur wurden Angiome gefunden; letstere waren überhaupt häufig bei jüngeren Leuten mit blondem Haar und hellem Teint nachsuweisen.

Kramer (Glogau).

29) J. Skalicka (Prag. Die Carcinomverhältnisse in Prag. (Sbornik klinicky. III. Jahrg. p. 59.)

Die Stadt Prag liegt zum Theile in einem Becken der Moldau, an deren beiden Ufern, zum Theil auf 7 anschließenden Hügeln von 189—292 m Höhe. In den niedriger gelegenen Quartiren ist die Sterblichkeit an Carcinom eine auf- fallend größere, als in den hochgelegenen Stadttheilen; in ersteren betrug sie 5,6%, in den letzteren nur 2,3% aller Todesfälle. Im Übrigen beschäftigt sich die statistische Arbeit mit der Vertheilung des Carcinoms nach Geschlecht, Alter, Beschäftigung und nach den einzelnen Organen. 6. Mühlstein (Prag).

30) Sneguireff. Ein Fall von partieller Resektion der Milz unter Anwendung des Wasserdampfes als Blutstillungsmittel. (v. Langenbeok’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Wie die Überschrift sagt, exstirpirte Verf. ein größeres Stück der Milz einer 29jährigen Frau, indem er die Blutstillung der 9 cm langen und 5 cm breiten Schnittfläche ausschließlich mit Dampf bewerkstelligte.e Mit einem eigens zu diesem Zweck hergestellten und näher beschriebenen Apparate gelang ihm die Blutstillung auch vollständig. Nach der Operation und der bei derselben vorge- nommenen Anheftung des Milzstumpfes an die Bauchwand atropbirte der Milzrest noch weiter. Die Pat. genas vollständig und wurde geheilt entlassen. Die Untersuchung des resecirten Stückes ergab, dass es sich um ein kavernöses Angiom der Milz handelte. Pat. konnte noch 2 Monate nach dem Eingriff beobachtet werden. Weitere Nachrichten von ihr fehlen seitdem.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

31) Coville. Rupture traumatique de la rate avec hémorragie lente. (Gaz. des höpitaux 1902. No. 11.)

Eine 65jährige Frau fällt auf die rechte Seite des Gesäßes, ohne sich fühl- baren Schaden zu thun. Am nächsten Tage empfindet sie beim Ausfegen einen lebhaften Schmerz im linken Hypochondrium, der sie zwei Tage lang zur Ruhe zwingt. Von da ab leidet sie an Schmerzen in der linken Seite und bemerkt dort eine leichte Schwellung.

In den folgenden 14 Tagen halten die Schmerzen an und die Schwellung nimmt zu, so dass Pat. zum 1. Mal ins Spital kommt, wo eine unbewegliche Ge- schwulst in der linken Bauchhälfte gefunden wird, von den Rippen bis unter den Nabel hinab, fest und wenig schmerzhaft, fluktuirend, wenn man sie von hinten her umgreift.

3 Tage später kommt Pat. wieder. Die Schwellung hat deutlich zugenommen. Diagnose: latente Hydronephose, in die eine Blutung stattgefunden hat; eine Punktion entleert stark blutige Flüssigkeit, die 1,9 g Harnstoff pro Liter enthält.

Bei der Operation findet sich aber eine völlig normale Niere; dagegen gelangt man in eine Höhle, aus der sich ein Liter blutiger Flüssigkeit und Gerinnsel er- gießen und in deren Grunde die Milz liegt, mit der Umgebung rings verklebt. Da aus der Tiefe noch Blut sickert, wird die Splenektomie gemacht, worauf die Blutung steht. Drainage, reaktionsloser Verlauf, Heilung.

C. nimmt an, dass der Fall die Milz nur in mäßigem Grade schädigte, damit aber die Disposition für die Ruptur (am nächsten Tage) und Blutung schaffte.

Victor E. Mertens (Breslau).

348 Centralblatt für Chirurgie. No. 12.

32) XI. Jahresbericht der Kehr-Rohden’schen Privatklinik in Halberstadt. Guben, König, 1902. 246 S.

Dieser Jahresbericht beginnt mit einigen Mittheilungen über die Klinik, An- gaben über Anzahl und Herkunft der Kranken, Art und Zahl der Operationen etc. Der 2. Theil bildet die erste Fortsetzung der im Vorjahre begonnenen Beiträge zur Bauchchirurgie. Kehr bespricht die. 95 Gallensteinoperationen des Berichts- jahres und handelt nochmals ausführlich über bestimmte Punkte der Diagnostik und Therapie der Gallensteinkrankheiten, über Auswahl zur Operation, über Re- eidive etc. {p. 171 ff... Es folgt eine Arbeit von Dr. Welp (p. 179) über die Talma’sche Operation der Lebereirrhose in Anschluss en einen von Kehr mit sehr guten Erfolge operirten Fall 68jähriger Mann. W. stellt die in der Litteratur aufgeführten Fälle zusammen und findet mit Einschluss des seinigen 26 zur Beurtheilung des Werthes der Operation brauchbare Fälle, von denen 15 geheilt, 2 gebessert wurden, 5 ungeheilt blieben, 4 starben. Er kommt zu dem Resultat, dass es sich in geeigneten: Fällen von Pfortaderverschluss empfiehlt, die Operation vorzunehmen. Den Schluss des Buches bildet eine zweite Arbeit von Welp: Über den Gallenfluss nach Echinococcusoperationen (p.217). W. unter- scheidet postoperativen und späten Gallenfluss; ein Kehr’scher Fall, der bei einer 4ljährigen Frau beide Arten beobachten ließ und in Heilung ausging, wird referirt und das bisher über das I'hema Bekanntgewordene zusammengestellt. Näheres muss im Original eingesehen werden. H. Lindner (Dresden).

33) B. K. Finkelstein. Zur Frage von den Rupturen der Leber. (Wratsch 1901. No. 44.)

6 Fälle aus Trojanow’s Abtheilung im Petersburger Obuchowspital. 1} Stoß durch eine Maschine, Tod nach t'> Stunde; Riss durch 2/3 des rechten Lappens. 2) Bei einer Benzinexplosion gerieth Pat. unter eine einstürzende Zimmerwand. Operation nach 4 Stunden. Tiefer Riss an der Unterfläche der Leber, Tamponade, Tod nach 1 Stunde. 3) Pat. stürzte 21/5 m tief auf einen Stein. Operation nach 50 Stunden. 10 cm tiefer Riss an der Konvexität, Tamponade. Subphre- nischer Abscess, transpleurale Operation, Heilung nach 3 Wochen. 4) Pat. ge- rieth unter einen Lastwagen. Operation nach 4!/3 Stunden, an der Unterfläche ein Riss, 4 cm lang, 1/2 cm tief. Tamponade, Heilung nach 2 Monaten. 5; Pat. wurde von einem Pferde gestoßen. Operation nach 5 Stunden. Ruptur im rechten Lappen, 15 cm lang. Tamponade. Heilung nach 6 Wochen. 6) Pat. fiel von bedeutender Höhe herab. Symptome eines Ergusses im subphrenischen Raum. Probepunktion gab reine Galle. Abwartende Behandlung. Heilung nach 26 Tagen. F. spricht sich für Tamponade der Leberrisse aus.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

34) J. J. Grekow,. Zur Kasuistik der Stich - Schnittwunden der

Leber. (Wratsch 1901. No. 44).

3 Fälle aus dem Petersburger Obuchowspital. Alle 3 Pat. erhielten Messer- wunden; 2mal waren die Leberwunden größer, als die der Haut. In 2 Fällen fanden sich die Wunden vorn an dem linken Lappen; sie waren 1 cm resp. 2,5 cm tief und wurden genäht; im zweiten Fall wurde ein Tampon bis zur Nahtlinie geführt. In Fall 3 war die Wunde 10 cm tief, saß rechts unter der Pleura und blutete sehr stark; Tamponade; es waren in diesem Falle noch 2 weitere Wun- den: der rechten Lunge oben (Naht der Lunge und Pleura) und des Bauches mit Netzvorfall. Heilung nach 11/2 Monaten.

Schlussfolgerungen: Das Normalverfahren zur Blutstillung ist die Naht, die aber nur da anzulegen ist, wo die Wunde leicht zugänglich ist: am linken Lappen und am Vorderrand des rechten. Bei tiefen, stark blutenden Wunden, besonders an der oberen Fläche, muss man tamponiren.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

Centralblatt für Chirurgie. No. 12. 349

35) R. Dona, Cholecystitis calculosa mit falscher Symptomatologie. (Spitalul 1901. No. 23 u. 24.)

Die bis dahin gesunde Kranke kam ins Krankenhaus mit Symptomen des Darmverschlusses. Eine durch Vaginaluntersuchung nachweisbare Geschwulst in der Gegend der rechten Adnexe und andere Symptome von Seiten des Uterus deuteten auf eine Erkrankung der Genitalorgane hin. Bei der Laparotomie zeigte eich, dass die getastete Geschwulst die enorm erweiterte Gallenblase war, welche außer einer großen Gallenmenge 3 Steine enthielt, deren einer den Ausführungs- gang vollständig verschloss. Cholecystostomie. Nach 20 Tagen volle Heilung.

E. Toft (Braila).

36) J. J. Treuberg. Über chylöse Mesenterialcysten. (Annalen der russ. Chir. 1901. Hft. 5.)

18 aus der Litteratur gesammelten Fällen fügt T. einen eigenen hinzu.

Die 23 Jahre alte Frau leidet seit 5 Jahren an einer Geschwulst im Unterleib. Die Geschwulst ist mehr als faustgroß, sehr beweglich, von gedämpft tympani- tischem Schall, der sich nicht ändert bei vollem oder leerem Magen und Dickdarm. Harn normal. Diagnose: Mesenterialeyste. Die Operation konnte wegen lokaler Peritonitis erst nach einigen Wochen gemacht werden. Die Geschwulst war von Dünndarmschlingen umgeben und eng mit ihnen verwachsen, konnte daher nicht entfernt werden; sie wurde eröffnet, eine rahmige Flüssigkeit entleert und die Geschwulst mit der Hautwunde vernäht. Heilung nach einigen Monaten. Die mikroskopisch untersuchte Wand der Geschwulst bestand aus einem Bindegewebs- sack mit gut erhaltenen typischen Lymphdrüsenelementen. Die Cyste war also eine Retentionscyste, entstanden in einer der Mesenterialdrüsen.

Bei Durchsicht der Litteratur fand T., dass fast alle Fälle die oben beschrie- benen typischen Symptome zeigten, nie größer als ein Kindskopf waren und da- her genügend viel Anhaltspunkte zum Stellen einer richtigen Diagnose darboten.

Glickel (Medwedowka, Kijew).

37) Georg Romm. Ein Fall von Chondroma petrificans retroperi-

toneale. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 577.)

Bemerkenswerther, doch nur mit lakonischer Kürze beschriebener Fall, an einem 16jährigen Jungen mit Glück im Hospital zu St. Jakob in Wilna operirt. Die Geschwulst, angeblich seit 2 Jahren entstanden, saß knochenhart und manns- kopfgroß zwischen Rippenrand und Hüftbeinkamm links. 2 Längsschnitte vorn und hinten, verbunden durch Querschnitt. Die 11. und 12. der Geschwulst auf- liegende Rippe konnten abgetrennt, auch die Geschwulst vom Bauchfell und Zwerch- fell abgelöst werden; da reißt der Geschwulstrest ab, wodurch das Zwerchfell vom Rippenbogen 12 cm lang sich löst und Herzbeutel wie der collabirende, untere Lungenlappen sichtbar werden. Rasche Beendigung der Operation durch völlige Geschwulstexeision unter Mitnahme eines handtellergroßen Stücks Parietalperito- neum, so dass Milz, Magen und Därme zu sehen waren. Die Geschwulst war ungestielt und ohne Zusammenhang mit irgend einem Eingeweide. Naht des Zwerchfells und des Bauchfellfensters, Wundhöhlenverkleinerung durch versenkte Nähte, Drainage mit Gazestreifen, Naht, reaktionslose Heilung. Verf. vermuthet Entstehung der Geschwulst durch einen verirrten embryonalen Keim.

| Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

38) Levison. Prostatic calculus removed by perineal section. (Boston med. and surg. journ. 1901. December.) l 2 Arten Prostatasteine sind zu unterscheiden: 1) primäre, die sich im Prostata- gewebe selbst, wahrscheinlich durch Umlagern eines Corpus amylaceum mit Kalk oder um eingedrungene Bakterien bilden sie finden sich häufig sehr zahlreich als gans kleine Konkremente bei Sektionen, aber sehr selten in größerer Aus-

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dehnung während des Lebens; 2) sekundäre, um Steintrümmer oder Fremdkörper als Kern herumgelagert, wenn jene in dem Sinus pocularis sich festklemmen. Auch sie sind selten. Im Falle von L. handelte es sich um einen Stein ersterer Art bei einem 35jährigen Mann, der 7 Jahre schon mit Tripper und seinen Folge- zuständen zu thun und in letzter Zeit viel an Schmersen in der Dammgegend gelitten hatte. Während von der Harnröhre aus nichts zu fühlen war, fühlte man vom After aus im Mittellappen der Prostata einen harten Körper, die Seitenlappen waren geschwollen. Durch einen U-förmigen Schnitt vor dem After wurde die Prostata leicht freigelegt und der Stein ohne Schwierigkeit entfernt; er wog ôg. Sofort nach Entfernung waren die Beschwerden beseitigt. Das Bemerkenswerthe ist die richtige Diagnose durch rectale Untersuchung. Trapp (Bückeburg).

39) Krotoszynes (San Francisco). The present status of the Bottini- operation, with special reference to personal experience. (Pacific. med. journ. 1901. Decemberheft.)

K. hat 16 Kranke operirt, von denen 3 starben, 2 an Nierenkomplikationen und 1, dessen Harnröhre bei der Operation geplatzt war. 11 Operirte haben völlig normale Funktion, entleeren alle 3—5 Stunden ihren Harn in gutem Strahl und mit einem Residualharn von 5—10 cem; 6 Operirte haben zwar sehr gute Funktion, aber einen größeren Residualharn und müssen täglich I—2mal den Katheter benutzen. Bei 4 Kranken wurde gar keine Besserung erreicht. Die 2 übrig bleibenden Kranken waren junge Leute mit eiteriger Entzündung der Prostata nach Tripper, bei denen die Krankheitserscheinungen zwar beseitigt wurden, jedoch Inkontinenz eintrat, einmal allmählich gebessert.

Seine Erfahrungen leiten K. zu der Vorsicht, nicht zu operiren, wenn nicht die Cystoskopie vorher gemacht werden kann und wenn die Nieren sich nicht nach einigen Tagen der Beobachtung als völlig gesund zeigen. Am besten eignen sich die Kranken, die noch im ersten Stadium der Krankheit, d. h. ohne wesent- liche Erkrankung der Blase sind; doch sind auch noch weiter vorgeschrittene Fälle geeignet, wenn nur die Nieren gesund sind.

Hinsichtlich der Technik betont K., dass das schneidende Blatt zu Weiß- glühhitze erhitzt sein müsse, was mit 45—50 Ampère zu erreichen sei. Die Kühl- vorrichtung muss ganz in Ordnung, die dünnen Kanäle für das kalte Wasser müssen völlig durchgängig sein. Es entstehen sonst leicht Fisteln, deren Heilung viel Zeit beansprucht, an den Stellen, wo überhitzte Stellen des Instrumentes lagen. Muss man daher mehrere Einschnitte machen, so empfiehlt es sich, das Instrument vor jedem Einschnitt herauszunehmen und von anhängenden ver- brannten Geweben u. dgl. zu reinigen. Meist hat K. die Harnblase mit Borsäure- lösung angefüllt, zuletzt aber mit Luft mäßig ausgedehnt, ohne unangenehme Folgen, Lufteintritt in die Venen, zu erleben. Anfänglich hat er stets unter ört- licher Cocainisirung operirt, in letzter Zeit aber mehrere sehr empfindliche Kranke auch unter Spinalanästhesie, ohne irgend üble Erfahrungen damit zu machen.

Die Nachbehandlung ist einfach: es empfiehlt sich, für einige Tage einen Dauerkatheter einzulegen. Nie hat K. wie Freudenberg erlebt, gesehen, dass sogleich nach der Operation der Harn spontan entleert werden konnte. Meist werden auch große Gewebsfetzen entleert, erst nach einer Woche etwa begann die spontane Harnentleerung allmählich. Lühe (Königsberg i/Pr...

40) P. J. Freyer. A clinical lecture on the total exstirpation of the prostate for radical cure of enlargement of that organ. (Brit. med. journ. 1901. Juli 20.) F. tritt warm für die Totalexstirpation der Prostata bei Hypertrophie der- selben ein und theilt 4 diesbezügliche Krankengeschichten mit. Bei sämmtlichen Kranken trat völlige Heilung ein, obwohl die Funktion der Blasenmuskulatur in

Folge des langen Katheterlebens schon beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen war und die Kranken schon erheblich heruntergekommen waren. Bei einem der-

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selben war übrigens früher die Resektion des Vas deferens ohne Erfolg ausgeführt worden, bei einem zweiten außerordentlich geschwächten Manne war wegen einer akuten Harnverhaltung, da der Katheterismus sich als unausführbar erwies, die Seetio alta ausgeführt worden, nach welchem Eingriff der Kranke sich rasch er- holte.

Die Exstirpation des Organs wurde in allen Fällen vom hohen Blasenschnitt aus vorgenommen. Die Schleimhaut über den Wülsten der Prostata wurde inci- dirt und die Drüse dann stumpf ausgeschält. Die Manipulationen wurden dadurch erleichtert, dass ein Assistent die Drüse vom Mastdarm aus nach oben drängte. Die anfänglich ziemlich beträchtliche Blutung wurde durch heiße Spülungen be- herrscht. Unterbindungen wurden nicht erforderlich. Zur Nachbehandlung wurde ein Drain in die hohe Steinschnittwunde gelegt und die Blase mehrmals am Tage von einem in die Harnröhre eingeführten Gummikatheter aus durchgespült. Nach durchschnittlich 14 Tagen konnte der Urin durch die Harnröhre entleert werden. Die Heilungsdauer betrug 4—6 Wochen. Weiss (Düsseldorf).

41) Th. Carwardine. Cystoscopy and ureteral catheterization. (Bristol. med.-chir. journ. 1901. December.)

Verf. berichtet über 20 Fälle von diagnostisch unklaren Erkrankungen, bei denen erst die Cystoskopie (bei beiden Geschlechtern) und die Harnleiterkathete- risirung (bei der Frau) eine sichere Diagnose ermöglichte.

Bei einer Pat. mit den Symptomen einer tuberkulösen Cystitis ergab die Cystoskopie, dass die Blase normal war, und die Harnleitersondirung, dass sich aus dem linken Harnleiter eitriger Urin entleerte. Hierauf Operation einer links- seitigen Nierentuberkulose. Bei 2 Pat. mit eitrigen Blasenkatarrhen wurde dessen tuberkulöse Natur durch den cystoskopischen Nachweis charakteristischer tuber- kulöser Schleimhautgeschwüre festgestellt. In einer Reihe von Fällen deuteten die Symptome auf Blasensteine hin. Im ersten derselben, einem 17jährigen Pat., der bereits mehrfach auf Steine hin sondirt war, war die Harnröhre zu eng für die Einführung des Instruments. Daher Cystoskopie von einer suprapubären Cystotomieöffnung aus. Es wurde eine polypoide, die innere Harnröhrenöffnung klappenartig verschließende Geschwulst festgestellt und entfernt. Die mikrosko- pische Untersuchung derselben ergab Tuberkelriesenzellen und Tuberkelbacillen. Bei einigen anderen Pat. mit Steinsymptomen fand Verf. Balkenblasen mit zahl- reichen herniösen Ausstülpungen. Einige Male wurden Blasensteine, welche mehr- fachen Sondirungen entgangen waren, cystoskopisch festgestellt. Bei einer Kranken mit Pyurie unklaren Ursprungs fand sich in der Nähe der rechten Harnleiter- mündung eine granulirende Stelle; die Harnleitersonde drang in das Centrum der- selben ein, und nach Zurückziehen der Sonde ergoss sich aus der Öffnung Eiter im Strahle. Die genauere Untersuchung ergab, dass es sich um den Durchbruch einer im linken Ligamentum latum lokalisirten eitrigen Entzündung in die Blase bandelte. In einer weiteren Anzahl von Fällen wurden Blasenepitheliom und Zottengeschwülste cystoskopisch festgestellt. Mohr (Bielefeld).

42) Adolf Jenckel. Ein Fall von geheilter, traumatischer, intra- peritonealer .Blasenruptur. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 578.)

Der Fall stammt aus der Göttinger Klinik und betrifft einen 16jäbrigen Jungen, der, Morgens 7 Uhr von einem Wagen über rechten Oberschenkel und rechte Beckenhälfte überfahren, bald Nachmittags der Klinik zuging. Durch Röntgen- strahlen wird rechtsseitiger Beckenbruch festgestellt. Zunächst keine Unterleibs- beschwerden, spontanes Entleeren klaren Urins. Abends aber Erbrechen, Puls- beschleunigung. Am nächsten Tage gedunsenes Aussehen, P. 140, Bauch aufge- trieben, unten druckempfindlich. Im Katheterurin jetzt schwarze Bröckchen, mikroskopisch als Blut erkennbar. 35 Stunden nach dem Unfall Laparotomie, die reichliche urinöse alkalische Flüssigkeit entleert. Bei Beckenhochlagerung ist mit

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elektrischer Stirnlampe jetzt an der rechten hinteren Hälfte des Blasenscheitels ein ca. 11/) cm langer, quer verlaufender, unregelmäßiger Riss sichtbar, aus dem sich Harn in den Douglas entleert. Entleerung der Blase durch Nelaton, sodann Blasennaht: 5 Katgutnähte durch Serosa-Muscularis, 7 Seiden-Lembertnähte. Abtupfung der leicht injieirten Dünndarmschlingen, Bauchwundnaht bis auf einen kleinen, unten offen bleibenden Schlitz, durch den ein Gazedrain auf die Blasen- naht gelegt wird. Dauer-Nelaton. Guter Verlauf. Am Ill. Tage Katheterent- fernung. Vom 18.—27. Tage quoll aus der offenen Bauchwundstelle Urin hervor. Am 39. Entfernung des Gazedrains. Am 44. Tage aufgestanden und am 52. ge- heilt entlassen. Auch der Beckenbruch war gut geheilt.

Bislang waren 26 durch Operation geheilte Fälle intraperitonealer Blasenruptur bekannt, wie Verf., die betreffende Litteratur (zum Schluss ein 25 Nummern säh- lendes Verzeichnis derselben) heranziehend, ausführt.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

43) M. v. Cackovid. Ectopia testiculorum intraparietalis facticia. (Liecnicki viestnik 1902. No. 1. [Kroatiach)].

Ein 37jähriger Wagner führt an, dass ihm die Hoden sehr tief, fast bis zur Mitte des Oberschenkels, herabhingen und ihm bei seiner schweren Arbeit stark behinderten. Ein alter Patronus chirurgiae drängte sie ihm desswegen nach oben in die Bauchdecken und fixirte sie dort mit einem doppelten Bruchband; weder die Reposition, noch die spätere Fixation war schmerzhaft. Der linke Hoden fixirt sich oben, während der rechte noch in das Scrotum herabgedrängt werden kann, was Pat. aber durch einen selbst konstruirten Riemen verhindert. Diese abnormale Lage macht ihm keine Beschwerden, im Gegentheil, er arbeitet jetst leichter; die Geschlechtsfunktionen sind in Ordnung; Pat. ist Vater von zwei Kindern. Ins Krankenhaus ließ er sich aufnehmen, weil ihm jeden Morgen gegen seinen Willen einige Tropfen Urin ausrinnen.

Das leere Scrotum bildet ein kleines, stark gefaltetes Säckchen. Der linke Hode befindet sich 1 Querfinger unterhalb und 3 nach innen von der Spina ant. sup. sin., scheint unter der Haut zu liegen, ist wenig beweglich. Der äußere Leistenring für den Finger bequem durchgängig, rund, die Columnen schlaff. An der oberen äußeren Seite wird das Vas deferens gefühlt, das sich in den Leistenkanal verliert. Der rechte Hode liegt zwei Finger über und einen nach außen von der Leistenöffnung. Der Funiculus kann im weiten Leistenring gefühlt werden, über dem Leistenring ist der Leistenkanal stark erweitert, so dass der Finger große Exkursionen in demselben machen kann. Der Hode ist gut beweglich, er kann bis über das Poupart’sche Band herabgedrängt werden, während sich der Finger in der Leistenöffnung befindet.

Ein abnormaler Descensus kann bei Pat. ausgeschlossen werden, da der Samenstrang im Leistenkanal gefühlt wird. Dass der Hode durch den Leisten- ring nach oben gedrängt worden wäre, ist nicht wahrscheinlich, da die Öffnungen relativ zu eng sind; dagegen spricht auch, dass der rechte Hode bis über den Leistenring herabgedrängt wird, während sich der Finger in demselben befindet. Das letztere Experiment weist auf das lockere Unterhautzellgewebe, in das der Hoden nach oben verlagert werden kann.

Durch das lockere Unterhautbindegewebe dürfte der Hoden in die Bauch- decken gekommen sein und hier zwischen Haut und Fascie liegen eine Ekto- pie, die man als intraparietale extraabdominelle bezeichnen könnte.

Wunderbar ist, dass sich s. Z. der Chirurg nicht mit der Verordnung eines Suspensoriums begnügt hat. (Selbstbericht.)

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf $ Härtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E. vun Bergman, F, Kinie, E, Bit,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumerstion. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 13. Sonnabend, den 29. März. 1902.

Inhalt: P. Sudeck, Weitere Erfahrungen über das Operiren im Ätherrausch. (Orig.- Mittheilung.)

1) Tavel, Erysipeloid. 2) Lotheissen, Lungenembolie nach Verletzungen. 3) Sargent, Karbolsäure. 4) Tschitscherin, Phenosalyl. 5) Lange, Seidene Sehnen. 6) Salomon, 7) Brauser, 8) Dörfler, Biutvergiftung und Ampntation. 9) Herz, 10) Maass, Störungen des Knorbenwachsthums. 11) Köhler, Knochenerkrankungen im Röntgenbild. 172) Hildebrand, Scholz, Wileting, Stereoskopische Röntgenbilder von Knochenbrüchen. 13) Dreesmann, Angeborene Hüftverrenkung. 14) Wieting, Zur Technik der Becken- und Beinverbände. 15) Bruns, Laufwasen. 16) Dietzer, Ober- schenkelbrüche. 17) Whitman, Pes calcaneo-valgus. 18) Wieting, Prothesen bei Beinverkürzung.

0. Woift, »Schiefer Mund« nach Halsdrüsenexstirpation. Operative Heilung. (Original- Mittheilung.) :

19) Ponfick, Topographischer Atlas. 20) Flockemann, Ringel und Wieting, Vom südafrikanischen Krieg. 21) Herhold, Vom Chinafeldzag. 22) Gerota, Sonde zur Tamponirung. 23) Seubert, Gangrän nach Scharlach. 24) Schwarz, Tropacocain- analgesio. 25) Finkelstein, Lymphdrüsentuberkulose. 26) Lewin, Operationen an Nerven. 27) Bossi, Achondroplasie. 28) Mendel, Thymusdrüse und Rachitis 3 Elgart, Osteomyelitis. 30) Passower, Ruptur des Musculus pectoralis major. 31) Wachter, 32) Pankow, Schulterblattbochstand. 33) Petzold, Sehnenscheidensarkom. 34) John, Veraltete Verrenkungen. 35) Dreyzehner, Zerreißung des Biceps.. 36) Schmiz, Myositis ossificans. 37) Mörlel, Knochenbruch bei Syphilis. 38) Ahela- wald, Sarkom beider Oberarmknochen. 39) Gevaert, Spontane Hüftverrenkung. 40) Nov6-Jossorand, Hüftgelenkentzündung. 41) van der Briele, Myositis ossiflcans traumatica, 42) Fillipello, Knietuberkulose. 43) Graudi, Genu recurvatum nach Resektion. 44) Le Dentu, Talus valgus paralyticus. 45) Mertens, Verletzung des Fußgelenks. 46) Dumstrey, Nervenpfropfung.

(Aus dem allgemeinen Krankenhause Hamburg-Eppendorf.) Weitere Erfahrungen über das Operiren im Atherrausch,

Von Dr. P. Sudeck,

leitendem Arzt des chir. Ambulatoriums.

Vor Jahresfrist theilte ich im Hamburgischen ärztlichen Verein mit, dass ich mit sehr befriedigendem Erfolg eine größere Zahl von kurzdauernden Operationen im »Ätherrausch« ausgeführt hätte. Die

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Methode hat mir auch weiterhin in zahlreichen Fällen gute Resul- tate gegeben; ich habe sie unterdessen des öftern im Ambulatorium des Eppendorfer Krankenhauses auch bei länger dauernden Opera- tionen angewandt, so dass ich mich veranlasst sehe, im Centralblatt noch einmal darauf zurückzukommen, zumal ein Referat meiner Publikation hier nicht erschienen ist.

Meine Methode beruht auf der Beobachtung, dass bei den meisten Menschen schon nach kurz dauernder Einathmung von Äther völlige Analgesie eintritt, so dass man bereits nach wenigen Athemzügen die Operation beginnen kann. Ich verwende dazu die bei uns übliche offene Czerny’sche Äthermaske, die in Form eines oben und unten offenen Cylinders in ihrem Innern mehrere aufgespannte Flanell- lagen zur Aufnahme des Äthers enthält. Die untere Öffnung der Maske bedeckt Mund und Nase und legt sich mit Hilfe eines Gummiluftringes ziemlich fest anschließend an. Der Inspirationsluft- strom durchstreicht die mit 30—50 g Ather getränkten Flanelllagen, so dass also der Patient mit den Ätherdämpfen bei jedem Athem- zuge reichlich frische Luft einathmet.

Man lässt den Patienten, bevor man die Maske über Mund und Nase hält, zur Übung einige tiefe In- und Exspirationen ausführen und fordert ihn auf, auch nach Aufsetzen der Maske tief und ener- gisch weiter zu athmen. Es tritt dann bereits nach wenigen tiefen Athemzügen bei den meisten Patienten ein Zustand des Rausches ein, der mit dem Alkoholrausch große Ähnlichkeit hat. In diesem Zustande ist die Haut besonders im Gesicht kongestionirt (nicht cyanotisch.. Die Psyche ist meistens leicht gestört. Die Patienten sind entweder theilnahmlos, liegen wie hypnotisirt oder sie sind ver- wirrt, aufgeregt, vertraulich, heiter, witzig, renommistisch, kurz leicht maniakalisch oder manchmal auch weinerlich gestimmt; sie geben in diesem Zustand meist Antwort auf Fragen. Die höheren Sinnes- funktionen und das Tastgefühl sind nur getrübt, nicht aufgehoben, nur die Schmerzempfindung pflegt in diesem Stadium ganz aufge- hoben zu sein. Nach weiterer Einathmung sind die Patienten ge- wöhnlich völlig desorientirt, träumen, lachen oder schimpfen. Die Operation beginnt nach wenigen tiefen Athemzügen; es erfolgt in der Regel keinerlei Reaktion, keine Schmerzäußerung und keine Ab- wehrbewegung. Einige Patienten schreien anfänglich, jedoch ohne Abwehrbewegungen zu machen, oder sie behaupten, Alles zu fühlen, sie könnten aber sehr viel aushalten. Eine Patientin, die sich offen- bar selbst genau beobachtete, wiederholte während der ersten Athem- züge fortwährend »ich bin noch nicht weg«. Dann wurde sie plötz- lich heiter und sagte: »Nun können Sie anfangen, nun bin ich weg«. Sie hatte offenbar auch subjektiv das Gefühl der Anästhesie. Ein Patient, der stellenweise laut schrie, sagte mir nachher, er be- griffe nicht, warum er geschrien haben sollte, denn er hätte nichts gefühlt. Das Schreien ist überhaupt nicht allemal das Zeichen von wirklich empfundenem Schmerz, denn viele von diesen Patienten

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machen keinen Unterschied, ob man operirt oder sie nur mit dem Zeigefinger berührt.

Die psychische Reaktion ist so verschieden, dass es unmöglich ist, auf alle Einzelheiten einzugehen.

Bei den verhältnismäßig seltenen Fällen, in denen die Methode ganz fehl schlug, handelte es sich um Patienten, die offenbar von vorn herein fest entschlossen waren, nichts an sich machen zu lassen, bevor sie ganz schliefen. Diese erhoben sofort lebhaftes Geschrei, sprangen auf und remonstrirten energisch. ‚Diese Fälle waren aber sehr selten. Wenn die Excitation eintritt, werden die Patienten un- geberdig und geben auch vielfach Schmerzäußerungen von sich. Man muss es also nicht zur Excitation kommen lassen oder wenn diese eingetreten ist, sofort die Maske entfernen. Man kann dann ge- wöhnlich gleich weiter operiren. Anfänglich habe ich nur solche Operationen mit dieser Methode unternommen, die ich bis zum Be- ginn der Excitation beenden zu können glaubte, später aber führte ich auch länger dauernde Operationen aus unter Vermeidung der Excitation. (So, um nur einige Beispiele anzuführen, im Januar 1901 Resektion eines Callus des Nervus medianus mit Nervennaht, Arthro- tomie des Schultergelenks bei Tuberkulose, im Februar 1901 Lym- phomoperation am Hals (27 Minuten), Arthrotomie der Schulter (30 Minuten), später Sehnenplastik, Knochenausmeißelung und Ähn- liches.) In diesen Fällen musste natürlich Ather nachgegossen werden. Man hat bei langer Operationsdauer allerdings verhältnis- mäßig oft mit vorübergehenden Unbequemlichkeiten, Ungeberdigkeit der Pat. zu kämpfen, während bei kurzen Operationen gewöhnlich Alles glatt geht.

Die Übernahme des chirurgischen Ambulatoriums brachte mich von selbst dazu, nur noch diese Methode anzuwenden. Indicirt ist die Methode bei allen Operationen, bei denen es nicht auf absolut ruhige Lage und völlige Muskelerschlaffung ankommt.

Als Vorzüge des Ätherrausches hob ich in meiner genannten Publikation hervor: Sie ist die ungefährlichste Methode der allge- meinen Anästhesie, da keine Synkope zu befürchten ist und un- günstige Einwirkung auf die Athmungsorgane nicht beobachtet ist; die Patienten sind in ihrem Allgemeinbefinden kurze Zeit nach der Operation meist nicht mehr alterirt, sondern können mit Appetit ihr Mittagessen nehmen. Erbrechen ist selten. Schließlich kann man bei etwaigem Fehlschlagen ohne Weiteres die gewöhnliche Narkose einleiten.

Bei der Einleitung des Ätherrausches spielt das psychische Moment gewiss eine große Rolle, was schon daraus zu ersehen ist, dass die aufgeregtesten Menschen am wenigsten zugänglich sind. Es ist desswegen natürlich von Wichtigkeit, dass die Vorbereitungen zur Operation so getroffen werden, dass der Patient keine Aufregung davon hat, und hier muss, wie bei jeder Narkose, der narkotisirende Arzt durch persönliches Zureden und Instruiren das Seinige beitragen.

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Ich habe früher das psychische Moment, die Suggestion, entschieden überschätzt, da offenbar die Anästhesie zum allergrößten Theil rein medikamentöse Ätherwirkung ist.

Ganz kurz nach meiner Mittheilung theilte Kronacher!t seine Erfahrungen der letzten 3 Jahre mit, die er ebenfalls auf der Suche nach dem idealen, ungefährlichen, allgemeinen Anästheticum mit dem Äther gemacht hatte. Kronacher’s »koupirte Äthernarkose: besteht darin, dass der Patient bis zum Beginn der Excitation und noch ein wenig darüber hinaus, narkotisirt wird, die Maske wird dann abgenommen und die Operation in dem nun folgenden anästhe- tischen Stadium gemacht. Die Methode beruht, wenn sie auch mit dem Ätherrausch nicht völlig identisch ist, auf dem gleichen Princip, nämlich Vermeidung der tiefen Narkose mit ihren Gefahren. Der Unterschied besteht darin, dass Kronacher das analgische Stadium vor Beginn der Excitation nicht ausnutzt. Er fängt erst an, wo ich aufhöre oder gegeben Falls wieder anfange.

Meine Methode hat dann von Teweles?, Sekundararzt am Rudolfinerhaus in Wien, eine Nachprüfung in ausgedehnterem Mab- stabe erfahren. Seine Beobachtungen decken sich mit den meinigen, und der Gesammteindruck von der Brauchbarkeit der Methode, den Teweles gewonnen hat, entspricht meinen Erfahrungen.

Teweles hat die Methode in ähnlicher Weise, wie ich es ge- than habe, weiter ausgebildet, und es ist im Rudolfinerhaus bis zu einer Stunde im Ätherrausch operirt worden. Teweles gießt an- fänglich nur 20—30 ccm Äther auf und giebt je nach Bedarf wei- tere Dosen von 10 ccm. Er hält praktischerweise Ätherfläschchen mit 10 ccm Inhalt zu diesem Zwecke bereit.

ji) Tavol. Das Erysipeloid. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXL p. 528.)

T. referirt zunächst die einschlägige Litteratur und theilt dann 9 neue Krankengeschichten größtentheils selbst beobachteter Fälle mit. Klinisch sind diese Fälle unter sich, was Schwere der Infektion und Dauer anbetrifft, recht ungleich; bakteriologische Untersuchungen sind nicht gemacht. T. entwirft aus ihnen etwa folgendes patho- logische Bild. Infektionsursache meist Hantiren mit Fleisch oder Fischen in der Küche bezw. anderen thierischen Stoffen, auch Ver- wundung beim Operiren bezw. Obduciren. Inkubationsdauer 1 bis 3 Tage. Symptomatologie: Ziemlich plötzlicher Krankheitsbeginn mit Schmerzhaftigkeit, Schwellung, intensiver Röthung der ganzen Nach- barschaft. Eiterung bleibt aber aus. Gerade die tieferen Theile, Sehnenscheiden, Gelenkkapseln sind am meisten betroffen und schmerz-

1 Kronacher, Die koupirte Äthernarkose. Centralblatt für Chirurgie 191. No. 19.

2 Teweles, Über den Ätherrausch und seine Anwendungsweise. Wiener klin. Wochenschrift 1901. No. 37.

Centralblatt für Chirurgie. No. 13. 357

haft, daher verhältnismäßig starke Beweglichkeitsbeeinträchtigung. Die Hautröthung zeigt isolirte Flecke, bei Weiterverbreitung »kriecht« sie. Lymphangitis und starke Drüsenschwellungen können kom- plikatorisch hinzukommen. Nur bei schwereren Fällen Fieber und Allgemeinbefindensstörung. Einige Fälle zeigten Recidive. Therapie:

Ruhe und Hochlagerung des Gliedes, ev. graue Salbe und Ichthyol. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

2) G. Lotheissen. Zur Embolie der Lungenarterie nach

Verletzungen und operativen Eingriffen. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXX11. Hft. 2.)

L. hat die bisherigen Beobachtungen über Lungenembolie nach chirurgischen Erkrankungen und operativen Eingriffen gesammelt und stellt ihnen 4 weitere Fälle der v. Hacker’schen Klinik an die Seite. Das kasuistische Material umfasst 36 Frakturen (30 Todes- fälle), 6 Kontusionen (5 Todesfälle), 4 Sehnen- und Muskelzerrungen (sämmtlich gestorben) und 20 blutige Eingriffe (16 Todesfälle). Zur Entstehung der Lungenembolien ist eine gewisse Disposition erfor- derlich, wie sie durch Veränderung der Blutzusammensetzung und der Gefäßwände, so wie durch Verlangsamung des Blutstroms ge- geben wird. Besonders große Neigung zeigen zur Thrombosen- bildung die Unterschenkelvenen, die Venen in der Umgebung des Uterus und der Plexus haemorrhoidalis. Zeichen, welche auf eine Venenthrombose mit Sicherheit hindeuten, fehlen nicht selten, auch das Mahler’sche Pulsphänomen lässt sich nicht immer nachweisen. Die Erscheinungen der Embolie bestehen in hochgradiger Athem- noth, Angstgefühl, Blässe, dann Cyanose des Gesichts, Pupillen- erweiterung und unregelmäßiger Herzaktion. Der Tod erfolgt theils sofort, theils nach mehreren Stunden, doch kann auch Heilung ein- treten. Die Hauptaufgabe der Therapie besteht in Verhütung der Thrombose und, wo eine solche trotzdem entstand, in Verhütung der Embolie. Nach erfolgter Embolie sind Äther- und Kampherinjek-

tionen empfehlenswerth, daneben ist Morphium zu verabreichen. Honsell (Tübingen).

3, W.Sargent. Carbolic acid: its use and abuse. (Bufallo med. journ. 1901. December.)

Verf. bespricht die auf Grund des bekannten Antagonismus zwischen Karbolsäure und Alkohol bisher erzielten Heilerfolge. Verf. konnte an sich selbst die Folgen einer aus Versehen mit koncentrirter Karbolsäurelösung vorgenommenen Waschung der Hände durch so- fortige Alkoholwaschung aufheben. Indolente Beingeschwüre heilte er in kurzer Zeit folgendermaßen: Abschabung der Geschwürsfläche, dann einen Augenblick lang 95%ige Karbolsäure, bis die Oberfläche weiß wird, sodann Behandlung mit 95%&igem Alkohol, bis eine reine Granulationsfläche vorhanden ist. Die Anwendung des Alkohols als Antidot der Karbolsäure, resp. in Kombination mit der Karbolsäure

358 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

bewährte sich bei folgenden Erkrankungen: Karbolvergiftung, eitrigen und geschwürigen Processen verschiedenster Art, Empyem, Puerperal- fieber, Furunkeln, Phlegmonen (Injektion), Erysipel, tuberkulösen Abscessen, Cystitis, Hydrocele. Mohr (Bielefelö).

4) T. J. Tschitscherin. Phenosalyl bei gummösen und

varikösen Geschwüren. (Wratsch 1901. No. 35.) Gute Resultate in 7 Fällen; das Phenosalyl wird in 10 bis 35 %igen Glycerinlösungen auf die Geschwüre aufgetragen, bei vari- kösen in höchstens 20%igen Lösungen. Nach 2—3 Wochen werden bei solcher Behandlung die Geschwüre rein und heilen dann wie einfache Geschwüre. Gückel (Medwedowka, Kijew).

3) F. Lange (München). Weitere Erfahrungen über seidene

Sehnen. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 1.)

Dem von L. auf p. 1172 ds. Bl. 1901 gegebenen Bericht über seine Erfahrungen mit der Bildung seidener Sehnen Vortrag auf der letzten Naturforscher- und Ärzteversammlung in Hamburg ist aus der vorliegenden ausführlichen Mittheilung nur noch hinzuzufügen, dass sich die Methode dem Verf. auch in seinen weiteren im Ganzen 56 Fällen vollständig bewährt hat, alle 56 Seidensehnen primär eingeheilt sind, allerdings in 2 nachträglich eine Ausstoßung der Fäden in Folge eines technischen Fehlers bei der Operation stattgefunden hat. Die Seidensehnen, ursprünglich nur stricknadel- dick, erreichen allmählich die Stärke eines Bleistifts oder kleinen Fingers, indem sich um sie herum echtes Sehnengewebe bildet, wie L. durch anatomische Untersuchung nachweisen konnte. Einige lehrreiche Krankengeschichte illustriren die vom Verf. erreichten schönen funktionellen Resultate. Die Technik der Seidensehnen- bildung wird kurz geschildert. Kramer (Glogau).

6) Salomon. Amputation bei Phlegmone. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 51.)

Wenn auch S. nicht völlig auf dem Standpunkt Dörfler’s steht, dass unter allen Umständen die Amputation bei Phlegmone zu vermeiden ist, so kann er doch dem allgemein gehaltenen Aus- spruch v. Bergmann’s, man solle amputiren, wenn sich die Spal- tungen als nutzlos erwiesen, nicht beipflichten. Die Bestimmung dieses Zeitpunktes sei so schwierig, dass manches Glied nutzlos ge- opfert würde. Außerdem sei die Amputation durchaus kein unfehl- bares Heilmittel bei der Phlegmone. Als Regel würde wohl in Zukunft gelten, selbst bei der schweren progredienten Form konser-

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virend zu verfahren und die Amputation in den allerseltensten Aus- nahmefällen auszuführen. Borchard (Posen).

1, H. Brauser. Blutvergiftung und Amputation. (Aus der Münchener chirurgischen Klinik.) (Münchener med. Wochenschrift 1902. No, 3.)

ò) H. Dörfler. Amputation und Blutvergiftung. (Ibid.)

Der Standpunkt der Münchener chir. Klinik, durch B. zum Ausdruck gebracht, entspricht in jeder Beziehung den von v. Berg- mann und Wolff (s. ds. Bl. No. 2) ausgesprochenen Grundsätzen, wie sie in des Ersteren Klinik in Bezug auf die Indikationen der Amputation bei »Blutvergiftung« in Geltung sind. B. bringt gleich- falls einige besonders charakteristische Krankengeschichten aus einer groBen Zahl von Fällen, in denen die Amputation lebensrettend ge- wirkt; unter ihnen ist auch ein Fall von septischer Phlegmone, in welchem aus dem Blute Staphylococcus pyogen. alb. gezüchtet wer- den konnte.

D. wendet sich gegen die Kritik v. Bergmann’s und Wolffs’ über seine erste Abhandlung (Referat p. 612 ds. Bl. 1901) und hebt hervor, dass er mit dieser nur den in der Praxis, nicht in den Kliniken zu früh und zu häufig vorgenommenen Amputationen bei progredienter Phlegmone nach kleinen Verletzungen und sonstigen traumatischen Komplikationen entgegentreten wollte. Aus seinen eigenen Erfahrungen und aus in zustimmenden Zuschriften ihm von Kollegen mitgetheiltem Material erwähnt er eine Reihe von Fällen, welche trotz metastatischer Erkrankungen ohne Amputation genesen, andere, welche trotz Absetzung des Gliedes nicht mehr zu retten waren, in denen am Amputationsstumpf die Phlegmone rasch weiter auf den Rumpf fortschritt. D. verwirft nicht principiell die Amputa- tion bei Sepsis jeder Art, sondern nur die frühzeitige bei frischer progredienter Phlegmone, und dann, wenn diese aus kleinen Ver- letzungen hervorgegangen, die Extremität in ihrer Totalität durch Traumen nicht alterirt ist. Kramer (Glogau).

9; M. Herz. Zur Frage der mechanischen Störungen des

Knochenwachsthums. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LX. p. 398.)

10) H. Maass. Über mechanische Störungen des Knochen- wachsthums. (Ibid. Bd. LXI. p. 417.) Die beiden kritisch-polemischen Arbeiten drehen sich um H. Maass’s Publikation »Über mechanische Störungen des Knochen- wachsthums (Virchow’s Archiv Bd. CLXIII, referirt in unserem

360 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

Blatt 1901 p. 566). H. greift die von M. entwickelten Theorien an, während M. sie vertheidigt. Einzelheiten s. Original. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

11) Alban Köhler. Knochenerkrankungen im Röntgenbilde. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1901. 78 5. 20 Taf., 17 Fig. im Text.

Verf. hat, aus einem reichen Beobachtungsmaterial schöpfend, im vorliegenden Werk eine Anzahl sehr schön ausgeführte Skia- gramme veröffentlicht, die eine ganze Reihe von Knochen- und Ge- lenkerkrankungen umfasst: so Knochengeschwülste, Tuberkulose, Lues, Osteomyelitis, Knochenabscess, Coxitis, Arthritis deformans, Rachitis, Knochenveränderungen bei Syringomyelie, endlich den Schädel eines Zwerges. Wo es wünschenswerth erschien, hat er neben dem Bilde des kranken Körpertheils auch das des entsprechen- den gesunden wiedergegeben, ein Verfahren, das besonders auf- klärend für die Kenntnis jener Knochenatrophien wirkt, die sich namentlich bei Knochen- und Gelenktuberkulose rasch einzustellen pflegen, während Verf. sie bei gut- wie bösartigen Knochengeschwülsten nie beobachtet hat, selbst wenn diese mehrmonatliche Ruhe der er- krankten Extremität veranlasst hatten. Allerdings ist sie auch nicht die Begleiterin jeder Knochentuberkulose, wie sie auch bei Osteo- myelitis ganz fehlen kann.

Ist der vorliegende Atlas durchaus zu loben, so möchte man von dem Text wünschen, er hätte sich auf die kurze Krankengeschichte der abgebildeten Fälle und den Hinweis auf das Charakteristische in den Einzelskiagrammen beschränkt. Was wirklich geboten wird, macht größere Ansprüche und genügt solchen doch nicht. Dazu ist unsere Erfahrung in der Skiaskopie noch nicht umfangreich und sicher genug, stehen solche speciell dem Verf. noch nicht so reich- lich zu Gebote, dass er all das begründen könnte, was er im Text deponirt. Doch ist das Buch ein werthvoller Stein zum Aufbau des neuen Gebäudes, das durch Zusammenwirken zahlreicher Mitarbeiter mit der Zeit sich solid erheben wird. Richter (Breslau).

12) Hildebrand, Scholz, Wieting. Frakturen der unteren Extremität. 10 stereoskopische Bilder mit Text. Aus Rumpf und Kümmell, Sammlung von stereoskopischen Röntgen- bildern aus dem Neuen Allgemeinen Krankenhaus Hamburg- Eppendorf. Liefg. 2. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1901.

Ist durch die Skiaskopie die Lehre von den Knochenbrüchen schon in der trefflichsten Weise gefördert worden, so bildet die Ver- werthung des stereoskopischen Verfahrens’ dabei, das zu den 2 Flächen- dimensionen noch die Tiefendimension hinzufügt und so Bilder von wunderbarer Plastik gewährt, sowohl für die Diagnostik des Einzel-

Centralblatt für Chirurgie. No. 13. 361

falles wie die Kritik seiner Behandlung und vor Allem für den Unter- richt eine neue Stufe des Fortschritts, die der vollsten Berücksich- tigung werth ist. Wer sich am besten an Diapositiven davon überzeugt hat, wie klar in guten stereoskopischen Bildern die Vor- und Hintereinanderlagerung der gebrochenen Knochen, die Richtungs- linie der Bruchebenen, die Stellung der Gelenkpfanne zum aus- gerenkten Gelenkkopf, der Ort eines Fremdkörpers festgestellt wer- den kann, wird es durchaus für angebracht erklären, wenn Chirurgen, denen ein reichliches Krankenmaterial und trefflichste Röntgen- apparate zu Gebote stehen, dieses Material zur Herstellung eines stereoskopischen Atlasses verwenden, der als zweckmäßigstes Lehr- material dienen kann. Die Verff. der vorliegenden Sammlung haben 10 sehr charakteristische Fälle von Knochenbrüchen und Verrenkungen der unteren Extremität ausgewählt und dieselben so gut reproducirt, wie man es von den Hamburger Skiagrammen gewöhnt ist, mit un- gemeiner Klarheit und Schärfe. Nur fällt es auf, dass die Weich- theile im Allgemeinen kaum oder gar nicht angedeutet sind, in ein- zelnen Bildern aber als eigenthümliche wolkige ungegliederte Massen hervortreten. Kurze Erklärungen weisen auf das Charakteristische eines jeden Bildes hin.

Die Sammlung, die hoffentlich sich rasch vergrößert, sei zur Anschaffung auf das beste empfohlen. Bichter (Breslau).

13) Dreesmann (Köln). Zur unblutigen Behandlung der an- geborenen Hüftverrenkung. (Münchener med. Wochenschrift 1901. No. 52.)

D. berichtet über die von ihm mit der unblutigen Methode er- reichten Resultate, um unter Hinweis auf die von anderen Chirurgen erzielten, nicht immer vollständig befriedigend ausgefallenen, die von ihm angewandten Modifikationen bei der Reposition, der Wahl der Primärstellung und Nachbehandlung aufmerksam zu machen. Zu der Frage, ob wir bei der Reposition Außen- oder Innenrotation machen müssen, bemerkt D., dass letztere in Anbetracht der Ante- versionsstellung des Schenkelkopfes bei nicht abducirtem Schenkel zweifellos zum Ziele führen kann, dass aber bei einer Abduktion von 90° eine Außenrotation von 90° nothwendig ist, um den Kopf der Pfanne gegenüber zu bringen und ihm die Möglichkeit des Eintritts in sie zu verleihen. Bei der Einrenkung, sei es über den oberen, sei es über den hinteren Pfannenrand, benutzt D., wie Lorenz, nur die Hand, keine maschinellen Einrichtungen; nach erfolgter Re- position behält er, um eine Reluxation zu verhüten, die Abduktions- stellung von 90° bei, indem er bei einseitiger Verrenkung den Kindern einen um 10—12 cm mittels Kork erhöhten Schuh auf der kranken Seite, bei doppelseitiger einen nach unten sehr weiten Lauf-- korb giebt, der allmählich bei Verringerung der Abduktion er höht werden kann. In diesem Laufkorb bewegen sich die Kinde

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362 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

sehr gut fort, wobei kleine Rotationen der Oberschenkel, für die Ausgestaltung der Pfanne werthvoll, stattfinden. Außerdem lässt D. auf das rechtwinklig gebeugte, vom Gipsverband frei gebliebene Kniegelenk eine rechtwinklig gebogene, innen gut gepolsterte, rinnenförmige Metallschiene befestigen, die durch einen Gurt am Unterschenkel und den eingegipsten Oberschenkel fixirt und in der Richtung des Oberschenkels zum Becken angezogen wird; diese Bandage wird Anfangs nur stundenweise, später den ganzen Tag über getragen. Sie rückt allmählich den Kopf näher ans Becken, kann allerdings bei rachitischen Knochen sogar eine Ausbiegung des Oberschenkelschafts unterhalb des großen Trochanter herbei- führen. Den Gipsverband legt D. gern in Bauchlage der an den Beinen emporgehaltenen Kinder an, so dass eine Überstreckung des abducirten Schenkels erreicht wird; bei einseitiger Verrenkung wird auch das gesunde Bein in den Verband hineingenommen. Stets ist eine Kontrolle des Kopfstandes im Verband durch das Röntgenbild nothwendig. Die Primärstellung behält Verf. bei einseitiger Ver- renkung 3 Monate, bei doppelseitiger oft bis 6 Monate bei; dann wird die Abduktion, wenn auf dem Röntgenbild sich ein gut ent- wickeltes Pfannendach zeigt, um 45° vermindert, der Gipsverband nach 5—6 Monaten, bei doppelseitiger Verrenkung nach 10—12 fort- gelassen und, ohne Anwendung von Apparaten, das Hauptaugenmerk auf Kräftigung der Muskulatur und Mobilisirung der Hüftgelenke gerichtet. Die von D. erreichten Resultate waren in der Mehr- zahl der Fälle von einseitiger Verrenkung in jeder Hinsicht vortreff- lich, bei denen von doppelseitiger wenigstens in einigen sehr be- friedigende. Kramer (Glogau).

14) J. Wieting. Die vertikale und die horizontale Extension bei Manipulationen am Becken und an den unteren Extre- mitäten.

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 3.)

W. empfiehlt zur Anlegung des Beckengipsverbandes die senk- rechte Schwebe. Dem Pat. wird in liegender Stellung eine gut sitzende Filzhose angepasst, welche Becken, Bauch und krankes Bein umfasst. An dieser Filzhose wird mittels eines frei schwebenden Ringes der Pat. in einem gewöhnlichen Beely’schen Rahmen suspen- dirt, während gleichzeitig eine Gewichtsextension an den Beinen nach abwärts zieht. Die Korrektion von Kontrakturen erfolgt namentlich durch Anbringung horizontaler Züge. Als Vorzüge dieses im Eppen- dorfer Krankenhaus seit 4 Jahren geübten Verfahrens seien hervor- gehoben: Einfachheit und Billigkeit des Apparats, so wie dass der Pat. vollkommen ruhig und schmerzfrei hängt, dass die Tubera ischii und das Becken frei zugänglich sind, und dass die Tubera, die von Natur an Druck gewöhnt sind, die Extension allein zu tragen haben. Narkose allerdings kann bei der vertikalen Suspension kaum ver- wendet werden.

Centralblatt für Chirurgie. No. 13. 363

Auch bei Anlegung des Beckengipsverbandes in horizontaler Ex- tension lässt W. zunächst eine Filzhose anfertigen. Von dieser gehen 2 Stricke nach dem Kopfende des Tisches und werden dort fixirt. Kopf und Schultern ruhen auf einem Kissen auf; der Rumpf wird nur durch eine das Becken umfassende vertikale Schlinge gehalten; an den Beinen wirkt wiederum ein Gewichtszug.

Honsell (Tübingen).

15) C. Bruns. Über Anwendung von Laufwagen bei Läh- mungen der unteren Extremitäten. (Aus der chir. Abth. des städt. Krankenhauses zu Barmen.)

(Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 1.)

In dem durch Abbildungen illustrirten Laufwagen, an welchem über dem Untertheil eines Kinderwagens ein aus 2 sich kreuzenden, gewölbartig gebogenen Stücken Bandstahl eine Art von Schwebe- gerüst hergestellt und zwischen diesen Stützen ein kleines Geländer angebracht ist, wird das Kind in einer Glisson’schen Schwinge sus- pendirt (um das Schwanken des Rumpfes möglichst zu vermeiden), und lernt darin allmählich sich immer besser fortzubewegen. Sehnen- überpflanzungen werden von Heusner erst dann vorgenommen, wenn die Muskulatur kräftiger geworden ist. Auch danach werden Gehversuche im Laufwagen und im Heusner’schen Gehstuhl weiter vorgenommen. Für Erwachsene kommt ein größerer, auch als fahr- bare Tragbare benutzbarer Laufwagen in Anwendung.

o Kramer (Glogau). 16) W. Dietzer. Über Spiralfrakturen des Oberschenkels. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 260.)

Die interessanten spiraligen Knochenfrakturen sind seit Ein- führung der Skiaskopie diagnostisch zugänglich und als viel häufiger vorkommend erkannt worden, als man bisher annahm. Hierfür liefert D.’s Arbeit einen Beleg, indem sie das einschlägige Material aus dem Kölner Bürgerhospital (Bardenheuer) zur Kenntnis bringt. Von September 1897 bis 1. April 1901 wurden daselbst 150 Oberschenkelbrüche beobachtet, von denen ausweislich des Röntgenbildes 68,4% Querbrüche, 15,8 Schrägbrüche, 6% Schräg- brüche mit sehr steil verlaufender spiraliger Bruchlinie und 9,8% Spiralbrüche waren. Das Überwiegen der einfachen Querbrüche er- klärt sich durch die starke Vertretung junger rachitischer Kinder in dem Krankenmaterial: 100 Kinder im ersten Lebensjahrzehnt. Schaltet man diese aus, so erhält man 54% Querbrüche, 25% Schräg- und 20% Spiralbrüche. Die Behandlung bestand in der bei v. Bar- denheuer bekanntlich überall bevorzugten Extension und ergab durchweg gute Resultate, womit Kröll’s Behauptung von der schlechten Heilbarkeit dieser Bruchformen, bezw. ihrer schlechteren Prognose widerlegt ist.

364 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

4 Abbildungen geben interessante Muster der aufgenommenen Röntgenbilder. Sie zeigen deutlich den spiraligen Spaltverlauf. Im Allgemeinen überwogen in der Kölner Sammlung die linksgewunde- nen Spiralbrüche beim rechten Oberschenkel und umgekehrt. Die an diese Thatsache von D. geknüpfte Bemerkung, dies Verhalten stimme völlig mit der Behauptung Kröll’s überein, wonach die Richtung der Spirallinien stets entgegengesetzt der Torsionsgewalt verlaufe, erscheint aber dem Ref. problematisch; denn auf die Glied- maßen beider Körperseiten können doch eben so gut rechts wie links gehende Torsionen zur Einwirkung gelangen.

Übrigens waren in dem besprochenen Material sowohl die Schräg- als auch die Spiralbrüche mit je einer Ausnahme durch in- direkte Gewalt, Fall auf die Beine, entstanden. Die Drehungsgewalt, die den spiraligen Bruchverlauf veranlasste, ist in einem Schwunge des Oberkörpers anzunehmen, und der Grund, dass gerade der Ober- schenkel einbrach, darin zu suchen, dass das Glied an der hier lädirten Stelle die geringste Torsionsfestigkeit besaß, die sowohl an Fuß-, Knie- und Hüftgelenk als auch an dem doppeltknochigen Unterschenkel stärker war. Dazu kommen dann noch Muskel- wirkungen, von denen die Glutäen und der Ileopsoas auswärts rotirend sich bethätigen, während die Adduktoren in entgegen- gesetztem Sinne wirksam sind. Bei den jüngeren Pat. ist meist die Mitte des Knochens gebrochen, während im mittleren und höheren Alter die Grenzen zwischen den verschiedenen Schaftdritteln den Lieblingssitz der Fraktur bilden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

17) R. Whitman. The operative treatment of paralytic talipes of the calcaneus type.

(Amer. journ. of the med. sciences 1901. November.)

W. ist der Ansicht, dass bei dem paralytischen Pes calcaneo- valgus weder die Anwendung von Apparaten, noch die gebräuchlichen Operationen, als Verkürzung der Achillessehne, Transplantation der Peroneussehnen auf dieselbe oder Arthrodese zum Ziele führt. Er geht daher radikaler vor und kombinirt diese Methoden mit der Exstirpation des Talus.

Die Operation verläuft folgendermaßen: Langer, bogenförmiger Schnitt unterhalb des äußeren Knöchels von der Achillessehne bis zum Kopf des Talus. Die beiden Peroneussehnen werden frei ge- macht und entweder getheilt oder nach hinten verlagert. Der Talus wird freigelegt und exstirpirt. Von allen angrenzenden Knochen wird der Knorpel entfernt. Die Achillessehne wird verkürzt, wenn sie länger ist, als es der neuen Stellung des Fußes entspricht, und an sie werden die Sehnenden der Peronei angenäht. Die Wunde wird dann geschlossen und der Fuß rückwärts verschoben, so dass der innere Knöchel in Kontakt mit dem Schiffbein kommt, und in

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dieser Stellung ein Pflasterverband in leichter Plantarflexion des Fußes angelegt.

13 Fälle hat W. auf diese Weise operirt und ist mit dem Er- folg sehr zufrieden. In der Nachbehandlung verwendet er einen Apparat, der im Wesentlichen aus 2, unter dem Knie durch einen gepolsterten Ring angreifenden, gebogenen Seitenschienen besteht, welche unter dem Ballen des Fußes durch eine Stahlplatte ver- bunden sind. Darüber kommt der Stiefel, dessen Absatztheil durch eine Korkeinlage erhöht wird. R. v. Hippel (Kassel).

18) G. Wieting. Prothesen zur Ausgleichung von Ver-

kürzungen der Unterextremität. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)

Der von W. erläuterte Apparat beruht auf dem O’Connor’schen Princip der »Extensione. (Der Fuß des verkürzten Beines wird in Equinusstellung gebracht und das Gewicht auf die schräggestellte Fußsohle vertheilt.) Er besteht aus einer nach Gipsmodell gewalkten Lederhülse, welche mit der Sohlenfläche auf einer, den freien Raum zwischen SpitzfußB und Erdboden ausfüllenden hölzernen Prothese aufruht und an der Hinterseite zur Stütze eine Aluminiumkappe trägt. Verkürzungen von 20 cm lassen sich derart bequem aus- gleichen. Das Gehen der Pat. ist ein sehr gutes, und auch äußer- lich fällt die Prothese wenig auf. Anschließend wird an einem Fall von Wladimirow-Mikulicz’scher Fußplastiık kurz demonstrirt, wie sich auch andersartige tragfähige Stümpfe ohne besonderen Auf- wand kosmetisch verschönern und praktisch brauchbar machen lassen.

Honsell (Tübingen).

Kleinere Mittheilungen.

"Schiefer Mund« nach Halsdrüsenexstirpation. Operative Heilung.

Von Dr. Oscar Wolff,

Oberarzt am kath. Krankenhaus zu Essen (Ruhr).

Im vorigen Sommer operirte ich eine Dame wegen ausgedehnter tuberkulöser Lymphome auf beiden Seiten des Halses. Die Drüsen gingen hinten, wie gewöhn- lich, bis zum Foramen jugulare; vorn endigten sie aber nicht unter dem Kiefer- rande, sondern gingen über diesen hinweg bis zur Parotis. Ich entferne derartige Drüsenpackete stets in toto, indem ich zunächst die Vena jugularis communis in der Fossa supraclavicularis freilege und von unten nach oben gehend das Packet als Ganzes bis zur Schädelbasis von der Vene ablöse. Meist bleibt der Musculus sterno-cleido-mastoideus dabei intakt, und man hat Übersicht genug, wenn er mit stumpfen Haken nach innen gezogen wird, zumal, nachdem er an seinem hinteren Rande 1—2 cm weit eingekerbt ist. In Torgeschrittenen Fällen, wo Abscessbildung im Muskel besteht, trage ich kein Bedenken, ihn theilweise oder ganz mit fort- sunehmen. Eine wesentlich funktionelle Schädigung wird dadurch nicht bedingt,

366 Centralblatt für Chirurgie. No. 13,

die Beweglichkeit des Kopfes leidet nur unbedeutend; auch der kosmetische Effekt oder Defekt ist nicht so störend, dass er gegenüber den Vortheilen ins Gewicht fiele, welche reines Operiren und Entfernung alles Kranken mit sich bringen. Wenn man so operirt, dass zum Schluss das Operationsfeld sich wie ein anatomi- sches Präparat dem Auge darstellt, sichert man sich eine Prima intentio und schützt sich vor Fisteln und Recidiven. Der schlechte Ruf, in dem die Operation bei Laien und manchen Arzten wegen der häufigen Recidive steht, würde ver- schwinden, wenn allgemein nach obiger Methode operirt würde und man sich nicht mit dem Ausrupfen der einzelnen Drüsen begnügen wollte.

Bei der Operation kann es passiren, dass der Mundwinkelast des N. facialis verletzt wird, der Ramus marginalis, welcher dem Unterkieferrande parallel verläuft; er versorgt die Muskeln, welche vom Kieferrande sum Mundwinkel laufen und letzteren nach außen und unten ziehen: den Depressor anguli oris und Labii inferioris. Der Effekt der Durchschneidung ist außerordentlich unangenehm.

Während der geschlossene Mund seine normale Form bewahrt, verzieht sich die Unterlippe stark nach der gesunden Seite, sobald der Operirte den Mund öffnet und sprechen will. Der Mund ist schief, ein Zustand, der für den Kranken empfindlich, für den Operateur, dem die Verletzung passirt ist, sehr ärgerlich ist, um so mehr, als sich nicht viel daran bessern lässt. In einzelnen Fällen tritt zwar mit der Zeit eine Besserung resp. Heilung ein, in anderen aber bleibt die Läh- mung dauernd bestehen, der Mund wird schief, sobald die Lippen zum Sprechen bewegt werden.

Der Zustand ist wohl allgemein bekannt, und die meisten Chirurgen werden aus eigener Erfahrung sprechen können. Die Verletzung passirt ja nicht nur bei Drüsenexstirpationen, sie kann bei allen Operationen in der Nähe des Kieferrandes vorkommen, bei Incision der Parulis, der Phlegmone der submaxillaren Drüse ete,

Auch in meinem Falle war der Nerv durchschnitten, und da ich wegen der Größe der Tumoren zunächst einseitig nur rechts operirt hatte, verzog sich nach der Operation der Mund beim Sprechen in sehr hässlicher und entstellender Weise nach der linken Seite. Schwieg die Pat., so war nichts Abnormes zu sehen. Dieser Umstand führte mich zu dem Entschluss, die entsprechenden Muskeln der linken Seite, welche die Verzerrung veranlassten, außer Thätigkeit zu setzen. Eine wesentliche Bedeutung für die Sprache konnte ihnen nicht zukommen, und ich nahm an, ihre Bedeutung für die Konfiguration des Mundes beim Sprechen würde eine geringe sein, da ja der Mund im Ruhezustande derselben normal aussah. Außerdem überzeugte ich mich, dass der Orbicularis oris von dem betr. Facialisast nicht versorgt wird, sondern seine Innervation von höher oben, vom Ramus sygo- maticus erhält.

Ich durchschnitt also absichtlich den Ramus marginalis der anderen Seite, als ich 10 Tage später die Exstirpation der linksseitigen Halsdrüsen vornahm.

Die Wirkung hatte den beabsichtigten Erfolg:

Nach dem Erwachen war der Mund nicht nur beim Schweigen normal, son- dern er blieb es auch beim Sprechen. Von Versiehen des Mundwinkels nach einer Seite war keine Spur mehr vorhanden. Die Unterlippe selbst hatte beim Sprechen ich will sagen fast normale Form. Nur bei genauem Zusehen glaubte man zu bemerken, dass sie beim Sprechen in der Nähe der beiden Winkel etwas breiter wurde als normal. Der Unterschied war indess so gering, dass man über- baupt darüber hätte streiten können.

Später habe ich die Durchschneidung des Nerven noch 2mal ausgeführt, Imal nach ausgedehnter Spaltung einer Phlegmone der Glandula submaxillaris. Ich machte die Neurotomie hier nachträglich, und zwar subkutan, indem ich am Kiefer- rande der nicht operirten Seite ein spitzes Messer flach einführte, etwa 3 cm weit nach oben; dann drehte ich das Messer um 90°, so dass die Schneide nach unten sah und zog es unter leichtem Druck heraus. Natürlich muss die Art. maxillaris externa geschont werden. Der Erfolg war in diesen beiden Fällen genau so prompt; wie im ersten. So klein der Eingriff, so erfreulich ist seine Wirkung.

m

Centralblatt für Chirurgie. No. 13. 367

Die Verletzung des Nerven erfolgt während der Operation zuweilen, ohne dass der Operateur sie bemerkt. Dann wird man die Neurotomie erst sekundär ausführen. Manchmal äußert sich die Durchschneidung in einem leichten Zucken des Mundwinkels, und in diesem Falle empfiehlt es sich, gleich in derselben Sitzung die subkutane Durchtrennung des Ramus marginalis der anderen Seite an- suschließen.

19) E. Ponfick. Topographischer Atlas der medicinisch-chirurgischen Diagnostik. Zweite Lieferung. Jena, 1901.

Unter den 6 in dieser Lieferung publieirten Fällen möchte ich zunächst die Darstellung eines angeborenen linksseitigen Zwerchfellbruches durch das abnorm weite Foramen oesophageum erwähnen, der den Tod gleich nach der Geburt ver- anlasst hatte. Die in die linke Pleurahöhle eingetretenen Baucheingeweide hatten das Herz und die übermäßig voluminöse Thymus, ja einen Theil der linken Lunge bis über den rechten Brustbeinrand hinübergedrängt. Sehr interessant ist der an der liegenden Leiche geführte Horizontalschnitt durch das Epigastrium eines 40 Stunden nach Perforation eines runden Magengeschwürs verstorbenen Mannes. Es war danach nämlich eine große Menge von Luft in die Bauchhöhle ausgetreten, in die im Übrigen eine frische Peritonitis reichlich serös-eitriges Exsudat ergosson hatte. Letzteres füllte den größten Theil der Bauchhöhle aus, während der vor- derste Theil des ganzen Epi- und Mesogastriums davon frei erschien; denn diese Partie war, wie schon im Leben sichergestellt, von Luft eingenommen, die übrigens das Zwerchfell links bis an den unteren Rand der 3. Rippe, rechts bis zum 3. 1.C.R. emporgedrängt hatte. Dieser luftgefüllte Raum hatte etwa die Gestalt einer auf- rechten, leicht schräg nach oben und hinten gerichteten Linse und war unten durch das straff gespannte Lig. suspens. hepatis in zwei Hälften getheilt. Leider kann man an dem einzigen Schnitt Vieles, was man gern sehen möchte, nicht wahrnehmen, erfährt die abnormen Lagerungen nur aus der Textbeschreibung. 80 liegt der Magen mit seiner Perforationsöffnung und seiner durch das alte ge- schrumpfte Geschwür veranlassten Gestaltveränderung ganz außerhalb des Schnittes. Er wie die Mils war ganz nach oben verschoben. Die Leber blieb von der vor- deren Bauchwand um mindestens 6 cm entfernt. Die Nieren waren nach auf- wärts geschoben und bei im Übrigen normaler Beschaffenheit ihres Gewebes geradezu ummodellirt, erschienen in ihrer Länge vergrößert, in Breite und Tiefe verkürst; dabei überragte wunderbarerweise die Spitze der rechten Niere die der linken um 4 cm. Der Pankreaskopf war dich: an die Wirbelsäule angepresst. Höchst charakteristisch ist auf einem weiteren Blatt die Formveränderung des Brustkorbes und die Verschiebung der in ihm enthaltenen Eingeweide auf einem durch die Brusthöhle eines Buckligen mit rechtsseitiger cervicodorsaler, links- seitiger dorsolumbaler rachitischer Kyphoskoliose geführten Horizontalschnitt zu sehen, der 3 Brustwirbelkörper getroffen hat. Die letzte Tafel endlich giebt das Bild eines Frontal- wie eines Horizontalschnittes durch Schädel und Gehirn eines an Sarkom des Hypophysis und Hydrocephalus int. verstorbenen Mädchens und dazu noch die Abbildung der aus ihrem Lager herausgehobenen vollständigen Neubildung. Die Geschwulst, dem Hirnanhang entstammend, hatte den Türkensattel nach allen Seiten ausgeweitet, war seitlich über ihn, das Chiasma durchbrechend, in beide mittleren Schädelgruben vorgedrungen, überall die Dura mater vor sich berschiebend, und war weiter nach oben gegen das Gehirn vor- gewachsen, wobei sie von der harten Hirnhaut halsförmig eingeschnürt wurde. Über dieser Einschnürung sich kugelförmig erweiternd zu einer Geschwulst von 6,2 cm frontalem und 7,9 cm verticalem Durchmesser, ist sie auf dem Wege durch den 3. Ventrikel in den linken Seitenventrikel eingedrungen und hat hier die cen- trelen Ganglien gewaltig lateralwärts, das Corpus callosum dagegen nach rechts verdrängt. Stark verlängert und zur Seite gedrückt hat sie ferner die Optici und die anderen ihr anliegenden Nervenwurzeln, ist auch die Ursache zu reichlichen

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Ergüssen in die Seitenventrikel gewesen. Und trotzdem hatte die Besitzerin dieser Geschwulst 3 Wochen vor ihrem Tode mit dem einen Auge noch auf 5 Schritt Finger zählen, ja bis 3 Tage vor ihrem Tode regelmäßig ihre Arbeit Herstellen von Cigarren leisten können.

Die Ausführung der Tafeln ist eben so trefflich, wie in der ersten Lieferung; dieselben bilden einen ausgezeichneten Lehrapparat. Richter (Breslau).

20) A. Flockemann, T. Ringel und J. Wieting. Kriegserfahrungen der zweiten deutschen (hamburgischen) Ambulanz der Vereine vom rothen Kreuz aus dem südafrikanischen Kriege.

(Sammlung klin. Vorträge N. F. No. 295/296.)

Über die Erfahrungen der Verff. hat bereits Ringel auf dem vorjährigen Chirurgenkongresse (cf. Bericht des Centralblattes p. 29) in der Hauptsache be- richtet. Die Verf. geben die Abbildungen einer Reihe von Geschossen und be- sonders interessanten Verletzungen und theilen eine Anzahl charakteristischer Krankengeschichten mit.

Granatsplitterwunden waren verhältnismäßig häufig infieirt, vielleicht, weil Granaten und Aufschlagzünder stets vorher den Boden berühren und unreine Stoffe mitreißen. Von Lyddit-Granaten wurden Leute, auch ohne direkt getroffen zu sein, außer Gefecht gesetzt, wahrscheinlich durch die mechanische Wirkung der plötzlichen Gasexpansion. Von den Shrapnelverwundungen waren etwa die Hälfte durch Füllkugeln bedingt. Infektion war selten; die Schussöffnungen waren etwas größer, die Sekretion stärker und die Heilung langsamer als bei Klein- kaliber-Gewehrwunden. Die Durchschlagskraft dieser Shrapnelkugeln war oft gering. Bei den Kleinkaliberverletzungen war am Einschuss kein durch- greifender Unterschied zwischen Nah- und Fernschüssen zu entdecken; der Aus- schuss war meist kleiner wie der Einschuss. Aus der Beschaffenheit der Haut- wunde konnte man nicht auf den Umfang der unter ihr verborgenen Läsion schließen. Eine Läsion der Gefäßwandung: glatte Durchbohrung oder seitliches Herausschlagen eines Stückes, war nicht selten. An den peripheren Nerven kamen außer schweren Lähmungen durch theilweise oder völlige Durchtrennung des Nerven auch kurzdauernde Lähmungen mit erhaltener Sensibilität vor, viel- leicht durch leichtere Nervenquetschung verursacht, ferner Nervenläsionen durch Druck von steckengebliebenen Geschossen und Knochensplittern, schließlich reine Neuritiden obne direkte Geschosswirkung, wahrscheinlich als Folge einer infek- tiösen Entzündung des Nerven vom nahe gelegenen Schusskanal aus. Bei Rückenmarksschüssen erschien ein operativer Eingriff in allen Fällen an- gebracht, wo eine totale Querschnittsläsion ohne distale Reizerscheinungen bestand, die nicht in kurzer Zeit eine deutliche Besserung zeigte. Von den Schädel- schüssen kamen außer Streif- und Rinnenschüssen bei voll auftreflendem Ge- schoss nur Fernschüsse in Behandlung: einfache Depression durch matte Geschosse, perforirende Schüsse mit Fissurbildung. Die Operationsindikationen sind die- selben, wie bei den Friedensverletzungen und wie bei den komplicirten Knochen- verletzungen überhaupt. Die Ausdehnung der Knochenzerstörung wächst mit der Sprödigkeit der Knochen, mit der Abnahme der Entfernung, mit dem mehr oder weniger centralen Auftreffen des Geschosses. Eine Reihe interessanter Ab- bildungen illustrirt die Wirkungen auf den Knochen im Einzelnen. Schussfrak- turen wurden entweder mit einfacher Extension (Oberarm) oder mit Gipsverband (untere Extremität) behandelt. Bei den Lungen schüssen liegt eine der Ursachen des meist günstigen Verlaufs in der äußerst geringen Infektiosität dieser Ver- letzungen. Bezüglich der penetrirenden Bauch schüsse cf. Ringel’s Bericht.

Die Zahl der getroffenen, aber nicht außer Gefecht gesetsten Kämpfer ist beim kleinkalibrigen Geschosse eine relativ große; noch viel weniger als die Menschen werden die Pferde momentan unbrauchbar. Auch die Forderung, dass die Verwundeten auf möglichst lange Zeit hin vom Kriegsschauplatze fern ge- halten werden, wird nur in beschränktem Maße erfüllt. Verletzungen, die früher

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eine ungünstige Prognose boten, verlaufen beim Kleinkaliber entschieden gün- stiger. Kurze Mittheilungen über die von den Verff. beobachteten internen Er- krankungen schließen die Arbeit. Mohr (Bielefeld).

21) Herhold. Über die während der ostasiatischen Expedition im Feldlazareth IV (Paotingfu) beobachteten Schussverletzungen. (Deutsche militärärtliche Zeitschrift 1901. Hft. 10 u. 11. p. 603.)

Da die Chinesen verschiedene Gewehre benutzten, eines mit großkalibrigem li mm Bleigeschoss, zwei andere mit kleinkalibrigen 7,9—8,0 mm Stahlmantel- geschossen, so konnte im Einzelfall meist nur durch Schätzung aus der Größe der Einschussöffnung die Art des Geschosses festgestellt werden. Nur 5mal waren Bleigeschosse, imal ein nicht deformirtes Stahlmantelgeschoss im Körper oder in der Kleidung aufgefunden worden. Nur einem Verwundeten war auf 800 m Abstand durch ein nichtgeplatztes Vollgeschoss aus 10 cm Mausergeschütz ein Theil des Schädeldaches und Gehirns fortgerissen, überall sonst lagen Ver- wundungen durch Kleingewehr vor. Beobachtet wurden 36 Schussverletzungen, wovon 7 Kopf und Gesicht, 7 Brust und Rücken, 1 Unterleib, 3 die oberen, 18 die unteren Gliedmaßen betroffen haben.

Der Verwundungs-Schmerz und Chok war überall gering, die Leute mit Fleischwunden gingen oder ritten zum Verbandplatz, selbst ein Mann mit Brust- schuss und Lungenverletzung war dazu im Stande. Dies erleichtert den Kranken- trägen ihre Arbeit. Wegen Blutung aus der A. mandibularis bei Bruch des Unterkiefers musste die Carot. comm. dextr., Iimal bei Bruch des Unterschenkels A. tib. ant. unterbunden werden; beide Blutungen erfolgten sekundär, am 13. und 24. Tage, wahrscheinlich in Folge Anspießung des Arterienrobres durch einen Knochensplitter; im letzten Falle war die Wunde inficirt.

Die Brustschüsse heilten in Zeit von durchschnittlich 22 Tagen, einer davon, mit Zwerchfell- und Leberverletzung komplieirt, verlief verhältnismäßig schwer. Bei 4 von den 5 Lungenverwundungen war Hämopto& vorhanden, die 5. Wunde war nur ein Fleischschuss. Eine zweite Bauchwunde, nach Lage der äußeren Wunden wohl zweifellos perforirend, heilte bald ohne ernstere Erscheinungen, eine dritte hatte raschen Tod zur Folge; der Verwundete kam nicht zur Aufnahme.

Von 5 Schussbrüächen waren 4 der unteren Gliedmaßen, 1 des Unterkiefers. Verf. macht darauf aufmerksam, dass bei gleicher Entfernung der Schützenlinien von einander, 600 m, 2mal vorwiegend große, Imal vorwiegend kleine Knochen- splitter vorhanden waren; letztere Verwundung war durch Bleigeschoss bewirkt, und lässt die Größe des Einschusses 15 mm vielleicht auf Stauchung des Geschosses durch vorheriges Aufschlagen oder auf einen Querschläger schließen; der Ausschuss war aber groß, zerrissen; aus ihm hingen Muskelfetzen heraus; trotzdem trat nach primärem Debridement glatte Heilung ohne Eiterung ein.

Kleiderfetzen, Tuch und Watte wurden nur einmal bei Eröffnung einer Muskeltasche nahe dem Ausschuss vorgefunden und bewirkten Infektion; wahr- scheinlich handelte es sich um ein Bleigeschoss aus 700—800 m Abstand.

Verf. glaubt, den günstigen Heilungsverlauf auf das baldige Anlegen eines einfachen Deckverbandes ohne Sondirung und ohne Säuberung der Umgebung, nebenbei auch auf die Reinheit und Trockenheit der Luft in China, zurückführen su sollen. Doch macht Verf. darauf aufmerksam, dass auch die Transportver- hältnisse gut wuren, Dank dem Umstand, dass das Feldlazareth mit einem Theil sehr nahe an den Gefechtsfeldern etablirt war, und dass der weitere Rücktrans- port erst nach einigen Tagen auf eigens zum Transport hergerichteten Karren er- folgen konnte. |

Fügen wir schließlich noch hinzu, dass bei den 4 sofort tödlichen Schädel- schüssen durch Kleingewehr eine Sprengwirkung nicht vorgefunden wurde und auch nicht zu erwarten war, da es sich um Schüsse aus 500 800 m Abstand handelte. Lühe (Königsberg i/Pr.).

370 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

22) Gerota. Sonde zur Tamponirung der Hohlräume. (Revista de chirurgie 1901. No. 12.)

Das Instrument besteht aus einem metallischen geraden oder leicht gebogenen Katheter, an welchem zwei Ringe zum Halten angebracht sind. Mit einem passen- den Tamponträger werden Jodoform- oder andere medikamentöse Gazestreifen durch die Röhre in den betreffenden Hohlraum, Harnröhre, Uterus, Peritoneal- oder Pleurahöhle eingeführt. Das Verfahren ist einfach, für die umgebenden Weichtheile schonend, und kann mit demselben eine viel genauere Tamponirung ausgeführt werden, als mit den bisher üblichen Methoden. ŒE. Toff (Braila).

23) R. Seubert (Mannheim). Ein Fall von Gangrän nach Scharlach. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 2.)

In einem Falle von leichtem Scharlach trat nach der Abschuppung bei dem jährigen Kinde plötzlich Auschwellung des ganzen linken Beines mit blaurother Verfärbung mehrfacher Hautstellen und in kurzer Zeit vollständige Gangrän ein. An dem amputirten Bein fanden sich die größeren Gefäße mit eiterigen Thromben verschlossen, die Muskulatur gelblich verfärbt, gequollen, voll trüber Flüssigkeit, im Blut Streptokokken. Das Kind genas nach der Operation.

Kramer (Glogau).

24) Schwarz (Agram). Erfahrungen über 100 medullare Tropacocain- Analgesien. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 4.)

Sch. hat die günstigen Erfahrungen, über welche er in diesem Blatte No. 9 1901 und auf dem letsten Deutschen Chirurgenkongresse berichtet hatte, auch bei weiterer Anwendung der medullaren Tropacocain-Analgesie in bis jetzt im Ganzen 100 Fällen vollauf bestätigt gefunden. Von dem Versuch, durch Injektion von Tropacocain (0,05) mit einer größeren Wassermenge (5 com) höher hinauf- reichende Unempfindlichkeit zu erzielen, ist er, da er danach Schüttelfröste, Fieber, Erbrechen und heftige Kopfschmerzen beobachtete, wieder abgekommen; er injicirt desshalb wie frūher nur 1 ccm Tropacocain (0,05)-Lösung und bringt die Pat. nach der in sitzender Stellung gemachten Einspritzung für 10 Minuten in Beckenhochlagerung, wodurch die Analgesie auch höher hinauf eintritt. Die Operationen, bei denen S. dieses Verfahren benutzte, werden von ihm näher angegeben; es waren auch recht große Eingriffe darunter. Bezüglich der nur geringfügigen Neben- bezw. Nachwirkungen der »Rachitropacocainisatione werden die früheren Angaben S.’s bestätigt; namentlich die Kopfschmerzen und Tem- peratursteigerung waren nur leichter Art. Kramer (Glogau).

25) B. K. Finkelstein. Beiträge zur Frage der Tuberkulose der Lymphdrüsen. (v. Langenbeck’s Archiv für klin. Chirurgie Bd. LXV. Hit. 2.)

F. streift in vorliegendem Aufsatz aus dem Obudow’schen Männerkranken- hause alle Fragen, welche Bezug auf die tuberkulöse Drüsenerkrankung haben. Alter, Beruf, Zusammenhang mit Zahncaries, anderweitigen tuberkulösen Organ- erkrankungen, speciell am Knochensystem und an der Lunge, werden behandelt. Kurze Besprechung erfährt auch die Differentialdiagnose des Leidens. Gegen- über syphilitischen Processen wird Jodkali als wichtigstes Hilfsmittel zur Ent- scheidung der Diagnose gebraucht. Was die Behandlung betrifft, so musste in der überaus großen Mehrzahl der Fälle operirt werden. Die Zahl ausschließlich intern behandelter Pat. ist sehr klein. Lokale Behandlung mit Wärme brachte es oft zu einer Verkleinerung großer Drüsenpackete, in anderen Fällen wiederum war sie ganz ohne Erfolg. Die Behandlung fistulöser Drüsenpackete war schr schwierig. Alle Mittel, Atzung, Ausschabung, Injektion von Silberlösung etc. führten nur in 25% zu einer Vernarbung, die übrigen Kranken verließen nach

Centralblatt für Chirurgie. No. t3. 371

langer Frist ungeheilt das Spital. Bei geschlossenen Abscessen führte Puuktion oder Incision mit Ausschabung auch nicht zu einer höheren Zahl von Heilungen. Die Ziffer der ungeheilt Gebliebenen beträgt auch hier 66%.

Was die Enukleation der Drüsen betrifft, so hebt Verf. die häufige Schwie- rigkeit der Narkose gerade bei Halsdrüsenoperationen hervor. Er führt Fälle von fünfstündigen einschlägigen Operationen an, welche allerdings ein Zeichen der großen Geduld der Öperateure wie der unnöthigerweise in Anspruch ge- nommenen großen Widerstandsfähigkeit der Pat. sind. 116 Fälle von 215 Enu- kleationen heilten per primam. Die Einlegung einer Drainage in die tiefste Partie der Wundfläche wird als sweckmäßig angesehen. Einen bestimmten Schnitt an- zugeben, ist nicht möglich; für ausgedehnte Operationen ist der Küttner'sche der beste. Die präventive Freilegung der V. jug. int. erleichtert das weitere Operiren sehr. Die Mortalität der an Hals-, Achsel- und Leistendrüsen Operirten beträgt 0,49%. Zu den postoperativen Komplikationen zählen in erster Reihe einige Faeislisparesen und meist rasch vorübergehende Ödeme der Umgebung des Operstionsfeldes.. Das Auftreten von Recidiven ist am besten durch eine zweck- mäßige allgemeine, hygienische Behandlung zu vermeiden. Eine bestimmte An- gabe über die Zahl der Rückfälle vermag Verf. nicht zu geben.

E. Siegel (Frankfurt a/M...

26) Lewin. Über Nervennaht, Nervendehnung und Nervenlösung peripherer Nerven. Inaug.-Diss., Breslau, 1901.

Übersichtliche Zusammenstellung der Operationen an den peripheren Nerven und ihrer Indikationen; gleichzeitig Veröffentlichung von 16 Fällen aus der Klinik v. Mikulioz: 10 Nervennäthen, 3 Nervendehnungen, 3 Nervenlösungen.

Hiervon verdient besondere Erwähnung ein Fall von Naht des Nervus radialis; es war in diesem Fall zur Vereinigung der beiden Enden eine Kontinuitätsresek- tion aus dem Humerus erforderlich. Es wurde annähernd vollständige Heilung erzielt. Beachtenswerth ist ferner die Beobachtung, dass keineswegs die frische- sten Fälle eo ipso die günstigste Prognose bieten. Schmieden (Bonn).

27) P. Bossi. Sopra un acondroplasia vivente. (Arch. di ortop. 1901. No. 3.)

Die unter verschiedenen Namen (Achondroplasie, Micromelia chondromalacica, Chondrodystrophia foetalis) verlaufende Affektion ist meist an lebensunfähigen Neu- geborenen und Föten beschrieben; nur wenig Individuen leben, darunter das vom Autor beschriebene Mädchen, dasselbe ist jetzt 6 Jahre alt und misst 73 cm, wovon etwa nur 1/3 auf die Beine entfallen. Die einzelnen näher im Original nach- zusehenden Verhältnisse des Skelets entsprechen den sonstigen Beschreibungen. 1 Photographie, 1 Röntgenbild sind beigegeben.

E. Pagenstecher (Wiesbaden).

28) F. Mondel (Essen). Thymusdrüse und Rachitis. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 4.)

Die von Friedleben aufgestellte Theorie, dass gestörte Thymusfunktion und Rachitis in ursächlichem Zusammenhange stehen, wiederaufnehmend und ein- gehend besprechend, glaubt M., für ihre Richtigkeit die Ergebnisse seiner an über 100 rachitischen Kindern mit Darreichung von frischer Kalbs-Thymusdrüse in Fleischbrühe so viel Gramm, als das Kind Monate zählt oder Thymus- tabloids gemachten Versuche heranziehen zu können. >»In vielen seiner Fälle«, in denen an der Ernährung und sonstigen Lebenshaltung so wenig wie möglich geändert wurde, soll eine günstige Einwirkung auf den rachitischen Process und seine Symptome, und auch da, wo eine Milzschwellung, von M. als vikariirende Hypertrophie angesehen, bestand, rasch eine Abnahme derselben eingetreten sein.

372 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

Die Behandlung wurde, ohne dass sich unangenehme Nebenwirkungen bei ihr geltend machten, mehrere Monate lang, allmählich mit kleineren Dosen, fortgesetzt. Kramer (Glogau).

29) F. Elgart. Osteomyelitis beim Neugeborenen. (Wiener med. Wochenschrift 1901. No. 49.)

Die Mutter, 25jährige IIpara, erkrankt im 7. Monate der Schwangerschaft an akutem Gelenkrheumatismus ohne Endokarditis mit Schüttelfrost etc. 4 Wochen später Geburt des Kindes, welches 10 Tage nichts Auffälliges bot, dann ein »Ekzem« bekam. Arztlicherseits wurde dann Fieber festgestellt und am Ende der sweiten Woche die ersten deutlichen örtlichen Erscheinungen einer Osteomyelitis beider Tibien. Ausheilung unter Abstoßung eines die ganze obere Hälfte der Tibiadiaphyse begreifenden Sequesters rechterseits., Man kann als Ausgangsstelle der bei Neugeborenen äußerst seltenen Infektion an das Ekzem denken, die Mög- lichkeit liegt aber mindestens eben so nahe, dass die Osteomyelitis angeboren war und von der mütterlichen Polyarthritis herstammte.

Hermann Frank (Berlin).

30) Passower. Ein Fall von subkutaner Ruptur des linken Mus- culus pectoralis major. (Woj.-med. journ. 1901. Juli. [Russisch.))

Die Verletzung geschah, als Pat., sich am Barren schaukelnd, den Körper auf den Armen hob und senkte. Nach 4 Wochen war das ergossene Blut resor- birt, und man konnte nun deutlich die tiefe Furche zwischen den Theilen des serissenen Muskels fühlen, die 4 cm breit vom Brustbein an der 2. Rippe nach außen und unten zur 6. Rippe, 5 Querfinger breit vom Brustbein reichte. Der Muskel war vor der Zerreißung völlig gesund. Nach einem Jahre war er merklich im Volumen verkleinert, doch traten die Ränder des Risses nicht mehr so deut- lich hervor. Gückel (Medwedowka, (Kijew).

31) Wachter. Über angeborenen Hochstand des Schulterblattes. Inaug.-Diss., Straßburg, 1901. Beschreibung zweier hierher gehöriger Fälle aus der Straßburger Klinik; beigefügt sind 2 Abbildungen und Litteraturverzeichnis.. Schmieden (Bonn).

32) Pankow. Über den angeborenen, insbesondere beiderseitigen Hochstand der Scapula. Inaug.-Diss., Leipzig, 1900. 33) Petzold. Zur Kasuistik der Sehnenscheidensarkome. Inaug.-Diss., Leipzig, 1901. Kasuistische Mittheilungen aus den betreffenden Gebieten, jeweils mit sorg- fältiger Angabe der schon früher bekannten Fälle. Schmieden (Bonn).

34) H. John. Über die Behandlung veralteter Luxationen des Schulter- und Ellbogengelenks. Inaug.-Diss., Breslau, 1901. Aus einer Zusammenstellung des einschlägigen Materials aus der Breslauer Klinik folgert Verf. folgende Schlusssätze: I. Schulterluxationen. 1) Ist eine veraltete Schulterluxation durch die Deformirung eines Gelenk- theils komplicirt, so ist die Resektion des Humeruskopfes angezeigt. 2) In allen übrigen Fallen ist zunächst die unblutige Reposition zu ver- suchen ; führt diese nicht zum Ziele, so ist a) bei bloßer Interposition von Kapselresten oder Weichtheilen die Arthrotomie mit Reposition,

Centralblatt für Chirurgie. No. 13. 373

b) bei starken Adhäsionen die Resektion des Humeruskopfes am besten nach der Langenbeck'schen Methode auszuführen. IL Ellbogenluxationen.

1) Ist die veraltete Luxation mit ausgedehnten Frakturen der Gelenktheile vergesellschaftet, so ist die partielle oder totale Resektion indicirt.

2) In allen übrigen Fällen ist zunächst die unblutige Reposition zu ver- suchen, und erst wenn diese erfolglos bleibt, die blutige Einrenkung nach der oben erwähnten Methode der Anlegung lateraler Längsschnitte oder nach der von Bunge angegebenen vorzunehmen.

Schmieden (Bonn).

35) Dreyzehner. Ein Fall von Zerreißung der centralen Sehne des Musculus biceps brachii. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Bei einem 6ljährigen Arbeiter wurde eine Ruptur der Sehne des langen Bieepskopfes an ihrer oberen Ansatzstelle beobachtet. Entstanden war sie durch das Heben eines 40—50 Pfund schweren Postens Tuch auf die rechte Schulter. Die Sehne war ungefähr 10cm aus ihrem Fache herabgeglitten. Da die Naht an der Ansatzstelle nicht ausführbar war, wurde die Sehne hoch oben in ihrer Scheide durch 2—3 feine Seidennähte fixir. Die Funktion des Armes war bei einer späteren Untersuchung gerade so gut wie vor der Verletzung.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

36) Schmiz (Coblenz.. Beitrag zur Myositis ossificans traumatica. (Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1901. November.)

Es werden 6 Fälle von Myositis ossificans im Musc. brach. intern. mit- getheilt; 5mal lag einmalige Quetschung des linken Oberarms durch Bajonett- stoß als Ursache vor, imal trat die Entwicklung der Knochenmasse im rechten Oberarm nach Verstauchung des Ellbogens beim Turnen ein. S&S. glaubt sich der Anschauung von Düms anschließen zu sollen, dass Blutung in den Muskel und entsündliche Gewebsneubildung mit Ausgang in Knochenneubildung, aber nieht vom Periost aus erfolge. Lühe (Königsberg i/Pr.).

37) Möriel (Toulouse). Radiographie d’une fracture pathologique syphilitique. (Bull. et mém. de la soc. anat. de Paris Année LXXVI. No. 6.)

Aus Anlass eines Bruches des rechten Oberarms wurde der etwa 32jährige Kranke ins Spital aufgenommen. Eine schmerzhafte Auftreibung des linken Ober- arms am oberen Drittel erweckte die Aufmerksamkeit: sie bestand seit 2 Jahren, ohne deutliche Ursache. Die Skiagraphie ergiebt, dass es sich hier um eine alte Kontinuitätstrennung in Folge von syphilitischer Ostitis handelt, die unerkannt geblieben war.

Pat. leugnet, selbst an Lues erkrankt zu sein. Vielmehr habe man ihn im 12. Lebensjahre wegen Syphilis heredit. tarda (Ostitis der rechten Tibia) mit Jodkali behandelt.

Ob das Zustandekommen der Fract. hum. dextr. auch durch Knochenerkran- kung bedingt war, ist leider nicht gesagt. Christel (Metz).

38) M. Rheinwald. Ein Fall von symmetrischem Sarkom beider Oberarmknochen. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 1.)

Bei einem 48jährigen Manne wurde ein 2faustgroßes Sarkom des rechten Dberarmes durch Amputatio scapulo-thoracica entfernt. Nach 5/4 Jahren trat an symmetrischer Stelle des linken Oberarmes (oberes Ende) eine neue Geschwulst auf, die zu einer Spontanfraktur des Knochens führte. Resektion des oberen

374 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

Humerusendes. 8 Monate später Tod an Lebermetastasen. Die Frage, ob die 2. Geschwulst eine Neuerkrankung oder ein Recidiv bedeutete, möchte Verf. nicht bestimmt beantworten. Bemerkenswerth bleibt jedenfalls die ganz isolirte Be- theiligung eines Knochens so wie der Umstand, dass die 2. Neubildung ebenfalls die Epiphysenlinie befallen habe. Honsell (Tübingen).

39) Gevaert. Luxation soudaine de la hanche au cours du rhuma- tisme aigu. (Journ. de chir. et annal. de la soc. belge de chir. 1901. No. 11.)

Bei einem I3jährigen Mädchen hatte sich im Verlauf eines auf das linke Hüftgelenk beschränkten akuten Rheumatismus spontan eine Luxatio obturatoria entwickelt. Durch eine brüske Bewegung des Kindes verwandelte sich dieselbe spontan in eine Luxation nach oben und hinten. G. gelang die Reposition nach dem Lorenz’schen Verfahren in Narkose noch ca. 16 Monate nach ihrer Ent- stehung. Das Gelenk wurde in leichter Abduktionsstellung des Beines fixirt. Heilung. Der Gang blieb etwas hinkend.. Selten ist die Art der Luxation. Ge- wöhnlich handelt es sich bei den hierber gehörigen spontanen Hüftgelenksrer- renkungen um solche nach hinten und oben. G. räth unter allen Umständen die Reposition in tiefer Narkose zu versuchen. Läwen (Leipzig).

40) G. Nov6-Josserand. Variété particulière d’une osteo-arthrite de la hanche chez les enfants. (Revue mens. des malad. de lenfance 1901. No. 37.)

Die Mutter der Pat. litt vom 12. bis 15. Jahre an leichtem Hinken, Schmerzen in der Hüfte. Spontane und vollständige Heilung. Pat. erkrankt mit 61’ Jahren an leichtem, rechtsseitigen Hinken. Zustand 1 Jahr nach Beginn des Hinkens: Leichte Atrophie des rechten Schenkels, Verkürzung des Beines um I cm, geringe Neigung, bei Stehen und Liegen das Bein nach innen gedreht und adducirt zu halten. Bewegungen außer der Außenrotation und Abduktion, die wenig be- schränkt sind, völlig frei. Druck auf den Trochanter erzeugt Knieschmers. Das Kind läuft und springt ohne Schmerz, nur schnellere Ermüdbarkeit, dann erst stärkeres Hinken und leichter Schmerz. Im Röntgenbild zeigt sich dagegen der Beckenknochen in Ausdehnung der Gelenkpfanne und des hinten oben angrenzen- den Tbeiles stark aufgetrieben, der Schatten ist heller, an einer Stelle ein heller Fleck, der Femurkopf ohne Veränderung. Streckverband. Die Bewegungs- fähigkeit danach sehr bald absolut normal. Nach 6 Monaten nur noch kaum be- merkbares Hinken. Trotzdem ist die Veränderung im Röntgenbild am Becken stärker ausgesprochen. Der Oberschenkelhals ist jetzt weniger scharf begrenst, Biegung wie bei Coxa vara. 1 cm Verkürzung. Nach einem Jahre ohne weitere Behandlung auch auf dem Röntgenbild wieder völlig normaler Befund. Verf. glaubt, dass es sich hier um eine vielleicht nicht seltene Knochenerkrankung des Kindesalters handelt, die nicht tuberkulös ist. Vergleich mit Skoliose, Genu varum, Pes valgus. Fr. Göppert (Kattowitz).

41) van der Briele. Ein Fall von Myositis ossificans traumatica. Inaug.-Diss., Leipzig, 1901.

Es wird ein Fall beschrieben, bei welchem 10 Wochen nach einer schweren Quetschung der Kniegegend aus der vorderen Oberschenkelmuskulatur dicht über dem Knie ein Knochenstück durch Operation entfernt wurde, das dem Femur gegenüber frei beweglich war, aber mit ihm weiche Krepitation erkennen ließ. Von Hämorrhagien durchsetzt, lag es in der Muskelsubstang, von einer bindege- webigen Hülle umgeben; an einer Seite trug es einen deutlichen Knorpelüberzug. Den Vorgang, den Verf. bald als Myositis, bald als Osteom bezeichnet, will er aufgefasst wissen als eine »wahre Geschwulstbildung, ausgehend von abgesprengten Periosttheilohen«; trotsdem nennt er es Myositis ossificans traumatica. Verf. ist

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Centralblatt für Chirurgie. No. 13. 375

der Anschauung, dass der ganze räthselhafte Befund durch ein Trauma vor 10 Wochen hervorgezaubert sei. Schmieden (Bonn).

42) @. B. Fillipello (Turin). Sulla cura della tuberculosi del ginocchio. (Arch. di ortopedia XVII. No. 3—5.)

F.'s Résumé über die Behandlung der Kniegelenkstuberkulose bearbeitet ein Material von 99 Fällen (an 97 Kranken) aus der Klinik Oliva’s. Dem Geschlechte nach kamen 59 männliche und 38 weibliche Pat. in Behandlung; sie standen zum größten Theil im Alter bis zu 40 Jahren (1—5 Jahre 7%, 6—10 und 11—15 Jahre je 19,5%, 16—20, 21—30, 31—40 je 12;5%). Die Fälle kamen wie gewöhnlich erst sehr spät in ärztliche, bezw. klinische Behandlung, nach monatlicher bis 3jähriger und noch längerer (bis zu 10jähriger) Dauer. ilmal konnte Heredität sichergestellt werden, bei 31 Kranken fanden sich andere tuberkulöse Erkran- kungen; 13 Kranke gaben in der Anamnese ein vorausgegangenes Trauma (di diversa natura) an.

4imal konnte die primäre Lokalisation der Tuberkulose nachgewiesen werden, und zwar war es bei 24 primäre Ostitis, bei 17 primäre Synovitis. 26 bezw. 30% der Ostitiden und Synovitiden waren nach Trauma entstanden.

Nur bei 12 Kranken konnte die Anfangs konservative Behandlung beibehalten werden (Immobilisation nach Beseitigung der Flexion, Jodoform-Glycerininjektionen, Durante’s Jodkur, imal auch erfolglos Koch’sche Tuberkulininjektionen), bei 13 anderen ging Oliva später zur operativen Behandlung über; die übrigen 72 wurden sofort einer Operation unterzogen. Die Eingriffe selbst wurden sehr indi- vidualisirt; sie bestanden in Auskratzungen verschiedenen Umfanges, partiellen Resektionen, Arthrektomien, typischen Resektionen, Amputationen und (1 Fall) Exartikulation im Hüftgelenk. Dazu kommen zahlreiche sekundäre Exkochlea- tionen, orthopädische Korrektionen ete. im Ganzen 124 Operationen. Hervor- zuheben ist die große Zahl von Totalresektionen (Volkmann): 52% gegenüber 17% partiellen, ferner 7% primäre und 4% sekundäre Amputationen.

Von den 12 konservativ behandelten Kranken blieben 7 dauernd geheilt, davon 1 mit beweglichem Gelenk; von 5 steht das Resultat aus. Von den 85 Operirten sind 5 (in seguito all’ operazione) gestorben, 54 nach dem ersten Eingriff dauernd geheilt geblieben; bei 26 Lokalrecidive und zweite Operation. (Mehr als 3/, dieser letzteren wiesen multiple Tuberkulose auf.)

Einer besonders ausführlichen Besprechung unterzieht F. die Resektionen im höheren Alter. Oliva beschränkt sich auch bei Erwachsenen principiell auf die Resektion; er hat seit 1896 (die Arbeit umfasst die Jahre 1888—1900) keine pri- märe Amputation ausgeführt. Die Resultate haben ihm Recht gegeben: spärlich Recidive, welche einer zweiten, ja imal einer dritten Resektion zugeführt werden konnten, und schließlich eine sehr große Zahl in zufriedenstellender Position er- haltener Glieder. Dazu kommt als wichtiger Punkt die Dauer dieser guten Lokal- erfolge durch die gute Einwirkung der Operation auf den geschädigten Organismus.

J. Sternberg (Wien).

43) Graudi. Casi di genu recurvatum consecutivo alla resezione del ginocchio e loro trattemento. (Arch. di ortopedia 1901. No. 5 u. 6.)

Genu recurvatum ist eine sehr seltene Folge von Knieresektionen. G. hat 4 Fälle beobachtet. Als Ursache musste theils zu frühe Belastung des Beines nach der Operation, oder zu kurzes Tragen eines Stützapparates, theils einseitige Belastung des operirten Beines, einmal ein Arbeiten mit über einander geschlagenen Beinen, wodurch die Resektionsstelle dauernd von vorn belastet wurde, angeschul- digt werden. Die Operation selbst war allemal eine Reihe von Jahren vorher typisch ausgeführt worden. Einmal wurde die Osteotomie im unteren Theil des Femur, sonst manuell gewaltsames Geraderichten angewandt. In allen Fällen wurde enter Erfolg erzielt. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

376 Centralblatt für Chirurgie. No. 13.

44) Le Dentu. Talus valgus paralytique opéré par résection du tendon d’Achille et anastomose du tendon du jambier antérieur avec

celui de l’extenseur propre du gros orteil. (Bull. et mém. de Ja soc. de chir. de Paris T. XXVII. p. 52.) Der Überschrift ist nur hinzuzufügen, dass Pat. durch die Operation nicht nur eine große Verbesserung der Statik des Fußes, sondern auch der Funktion des ganzen Gliedes erlangt hat. Beichel (Chemnits).

45) Mertens. Eine seltene Verletzung des Fußgelenks. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 507.)

Beobachtung der Leipziger Klinik. Der kleine, sehr leicht gebaute 34jährige Pat. war bei einer Balgerei zu Falle gekommen und zeigte danach eine ausge- dehnte Schwellung des rechten Fußgelenks wie bei Knöchelbruch, der aber nicht vorhanden war. Vielmehr zeigte das Röntgenbild ein ziemlich starkes Klaffen der Malleolengabel ohne Fraktur der Art, dass die Tibia in Subluxationsstellung aus ihrer Verbindung mit der normal stehenden Fibula medialwärts ausgewichen war. Die Malleolen ließen sich durch Druck ziemlich zusammenbringen, federten aber alsbald wieder aus einander. Dabei Spitzfußstellung, seitliche Schlotterbeweglich- keit des Fußes im Talo-Cruralgelenk, verbunden mit Schrägfraktur des Fibuls- schaftes in der Mitte. Enganschließende Gipsverbände, Heilung. Kurze Citirung von ein paar einigermaßen ähnlichen Fällen aus der Litteratur. Photogramm und Röntgenbild des verletzten Fußes. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

53) F. Dumstrey. Über Nervenpfropfung. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 40.)

D.behandelte im städtischen Krankenhause gu Rathenow einen 10jährigen Jungen, der nach einer vor ca. 26 Monaten erlittenen rechtsseitigen Ellbogenfraktur eine völlige Ulnarislähmung zeigte. Bei der Operation zeigte der Ulnaris oberhalb des dislo- eirten und deformirten Condylus int. eine mehrere Centimeter lange Delle, in welcher nur die bindegewebige Nervenscheide aber keine Nervensubstang mehr vorhanden zu sein schien. D. implantirte nun den distalen Ulnarisstumpf in einen Schlitz des vorpräparirten Medianus und zog außerdem den proximalen Ulnaris- atumpf durch einen Katgutfaden ebenfalls an den Medianus heran, so dass er die Richtung auf die Operationsstelle hatte. Die Heilung erfolgte unter Gangrän der Hautwundränder (trophische Störung?). Das Endresultat ist leider unbekannt geblieben, da Pat. verzog, doch zeigten sich binnen 1/4 Jahres, während dessen er n Beobachtung blieb, überraschende Besserungszeichen. Das erste waren auf- fallende Parästhesien im Ulnarisgebiet, dann Empfindungsvermögen für heiß, kalt, spitz, stumpf, Lösung der vorher vorhandenen schweren Kontrakturen und be- ginnende Mobilität in früher gelähmten Muskelbezirken, so dass die Hand wieder etwas funktionsfähig zu werden begann. Der Fall kann also als ein erfolgreicher verrechnet werden. D. zählt von früheren Operationen ähnlicher Art, sog. »greffe nerveuse« Le&ti&vant, 5 auf, von denen 3 Erfolg hatten, 2 nicht. Er ist über- zeugt, dass die Operation häufiger versucht zu werden verdient und bei weiterer Anwendung auch sicher öfter gute Resultate geben wird.

D. hat sodann die von ihm gemachte Operation experimentell auch bei Hunden nachgeahmt, und zwar 6mal. Die Versuchsthiere, die übrigens trotz der gemachten Ulnarisdurchschneidungen keine Lähmungserscheinungen beobachten ließen und deren Wunden unter Eiterung heilten, wurden 38—84 Tage nach der Operation getödtet, und das ihnen entnommenene Nervennabtpräparat genau makro- und mikroskopisch untersucht. Mehrere Bilder geben über das anatomische Verhalten Auskunft. Das, worauf es ankummt, ein Auswachsen der Nervenfasern in die Narbe und durch die Narbe konnte nur in 2 Fällen mit Sicherheit konstatirt werden. (Details und Abbild. s. Original.) Meinhard Schmidt (Cuxhaven). Sn En ee nun ern

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder au die Verlags- handlung Breitkopf & Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in.Leipzig.

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Centralblatt CHIRURGIE

E m Baum, P. Khi, E Riit,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

ceee —— ————— —— ——— —z Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No, 14. Sonnabend, den 5. April. 1902.

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Inhalt: B. Przewalski, Ein sehr frühes Symptom der Pleuritis exsudativa. (Original- Mitthellung.)

I) Haushalter, Etienne, Spilimann und Thiry, Klinik in Bildern. 2) Hildebrand, Jahresbericht. 3) Klapp, Parenchymatöse Resorption. 4) Hellendall, Diazoreaktion. 5) Wegner, Gelenkentzündung bei Streptokokkensepsis. 6) Chaput, 7) Guinard, Spinalanästhesirung. 8) Caminiti, Dura mater und Knochenneubildung. 9) Kocher, Hirnerschütterung, Hirndruck, chirurgische Eingriffe bei Hirnkrankheiten. 10) Hins- berg, Labyrintheiterungen. 11) Jansen, 12) Brieger, Otogene Pyämie. 13) Mygind- Hoigor, Krankheiten der oberen Luftwege. 14) Turner, Naseunebenhöhlen. 15) Mo- iini6, Wasserstoffsuperoxyd in der Oto-Rhinologie. 16) Magnus, Erysipel der Luft- wege. 17) Wood, Keratose des Mundes. 18) Gradenigo, 19) Sarcemone, Rachen- mandeln. 20) Painter, Zerreißung der Wirbelsäulenbänder. 21) Klenböck, Syringo- myelie. 22) v. Hacker, Fremdkörper in der Speiseröhre.

23) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 24) Jaehne, Diabetische und senile Gangräin. 25) Rigler, Aktinomykose.e 26) Legueu, Spinalanästhesirung. 27) Brosckaert, Parsffininjektionen. 23) Köhler, Schädelverletzungen. 29) Hins- berg, Meningitis nach Stirnhöhleneiteraung. 30) Stenger, Klinischer Bericht. 31) Doutschiänder, Mittelohreiterung. 32) Preindisberger, Echinococcus der Augen- höble. 33) Mann, Mucocele des Siebbeins. 34) Stein, Oberkiefergeschwülste., 35) Hagen-Torn, Kiefercysten. 36) Liebold, Sarkom des harten Gaumens. 37) Ja- aewsky, Lippenkrebs. 38) Eicke, Zungenkrebs. 39) Poroschin, Rachenlipom. 40) von zur Mühlen, Subglottische Narbenstenose. 41) v. Hacker, Narbenstriktur der Luftröhre. 42) Pankoast, Halsrippe. 43) Klilan, Gräte im Bronchus. 44) Craig, Brastschuss. 45) Garrd und Sultan, Lungenoperationen. 46) Troussaint, Wirkun- gen des Sandflohs. 47) Honsell, Alkoholinjektionen bei Angiomen.

Ein sehr frühes Symptom der Pleuritis exsudativa. Von Dr. B. Przewalski in Charkow.

Bei sorgfältiger Untersuchung des Thorax bei Kranken mit einer Pleuritis exsudativa im frühesten Stadium habe ich in einer ganzen Anzahl Fälle (14 Pleuritis serosa und 5 suppurativa, wie es durch eine Probepunktion nachgewiesen worden ist) stets und ohne Aus- nahme eine Verengung der Interkostalräume und eine ansehnlichere

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378 Centralblatt für Chirurgie. No. 14.

Resistenz derselben auf der afficirten Seite vorgefunden. Dieses Symptom lässt sich am leichtesten bei Kindern studiren.

Die gegenseitige Rippenannäherung auf der das Exsudat ent- haltenden Seite des Thorax ist ganz charakteristisch und scheint eine gewisse Analogie mit Muskelkontrakturen an den Extremitäten (attitudes fixes des membres), die man im Laufe von Gelenkent- züundungen zu beobachten Gelegenheit hat, darzubieten.

Die Ursache dessen, dass ein so konstantes und darum typisches anatomisches Symptom der Pleuritis exsudativa bis jetzt nirgends, auch nicht in den bekanntesten Handbüchern für Diagnostik er- wähnt wird, liegt lediglich darin, dass die Verschiebung der einzelnen beweglichen Segmente des Brustkorbes (attitudes fixes des cötes, kann man sagen) in sehr geringem Maßstab vorgeht.

Auf Grund der Gesetze der normalen Mechanik der Athmung kann die Annäherung der Rippen bei Pleuritis exsudativa durch die Betheiligung hauptsächlich der Mm. intercostales interni erklärt werden, vom physiologischen Standpunkt aus aber kann man sie als eine Reflexkontraktur im Sinne von Henle und Hunter be- trachten.

1) Haushalter, Etienne, Spillmann und Thiry. Cliniques médicales iconographiques. Paris, C. Nand, 1901.

Die erste Lieferung dieses auf 62 groBe Tafeln mit 398 Figuren veranschlagten photographischen Atlas enthält ausgezeichnete Ab- bildungen aus zwei Krankheitsgruppen: der progressiven Muskel- atrophie spinalen Ursprungs (Poliomyelitis anterior chron.) und der eigentlichen Myopathien (Dystrophia muscul. progress., Amyotrophia hereditaria). Es sind theilweise Typen dieser Krankheiten, theilweise interessante Besonderheiten, beobachtet in den Krankenhäusern von Nancy. Eine gute Schilderung des Symptomenkomplexes und der ätiologischen und pathologisch-anatomischen Verhältnisse ist den einzelnen Krankengeschichten voraus geschickt.

Die genannten Kliniker beabsichtigen in den weiteren Tafeln die Folgen der Facialislähmung, der peripheren Nervenerkrankung, der Kinderlähmung, des Hydrocephalus, der Basedow’schen Krank- heit, des Myxödems, des chronischen Rheumatismus, der Rachitis etc. in ihren Erscheinungsformen darzustellen. Auch Hautkrank- heiten, syphilitische Eruptionen, Dermatosen, trophoneurotische Zu- stände sollen zur Darstellung gelangen. So steht zu erwarten, dass dieses elegant ausgestattete Werk in ähnlicher Weise alles photo- graphisch Darstellbare in typischen Bildern bringen wird, wie dies der von Neisser herausgegebene Atlas photographisch-stereosko- pischer Bilder in Deutschland thut. P. Stolper (Breslau).

Centralblatt für Chirurgie. No. 14. 379

2) Hildebrand. Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete der Chirurgie. VI. Jahrg. Bericht über das

Jahr 1900. Wiesbaden, Je F. Bergmann, 1901.

H.'s Jahresberichte, die unter Mitwirkung einer größeren Reihe von Chirurgen erscheinen, sind für jeden wissenschaftlich Arbeiten- den ein angenehmes und werthvolles Unterstützungswerk. Das gilt auch von dem jetzt vorliegenden 6. Jahrgang, der in guter Uber- sichtlichkeit die überaus zahlreiche Litteratur zusammenstellt, die das Jahr 1900 aus der Hand der Fachgenossen producirt hat. Fast die Mehrzahl wichtiger wissenschaftlicher Arbeiten ist auch in größe- rem Maßstabe referirt, das Unwesentlichere nach Gebühr mit kürzeren Bemerkungen registrirt. Einzelne Abschnitte sind geradezu vorzüg- liche Sammelreferate, so dass man im Stande ist, sich über die in Entwicklung begriffenen Zweige der Chirurgie, wie z. B. über lokale Anästhesie oder über die Bier’sche Methode der medullären Narkose aus dem Werke in ausgezeichneter Weise zu orientiren. Die Zu- sammenstellung der Referate in Unterabtheilungen nach ihrem inneren geistigen Zusammenhang, die schon in früherer Kritik in diesem Blatte lobend erwähnt ist, verdient auch diesmal wegen ihrer Über- sichtlichkeit hervorgehoben zu werden. Sie bewirkt jedenfalls, dass man bei irgend welchem größeren Gebiete der Chirurgie nicht erst 100 Titel und Überschriften durchlesen muss, um 3—4 Arbeiten mühsam herauszufinden. Die Schwierigkeiten der redaktionellen Lei- tung und Leistung machen es begreiflich, dass der Bericht von 1900 erst jetzt erscheint. Es würde manches Litteraturstudium erleichtern, wenn es dem eifrigen und umsichtigen Herausgeber gelänge, den Termin der Herausgabe auf einen früheren Zeitpunkt zu verschieben. Freilich mag das bis dat qui cito dat bei der Fülle des Materials, dem Umfange des Werks und der beruflichen Thätigkeit des Heraus- gebers wie einzelner Mitarbeiter ganz besonders schwierig sein.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

3) R. Klapp. Über parenchymatöse Resorption. (Aus der kgl. chirurgischen Klinik zu Greifswald.)

(Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie.)

Bei der experimentellen Prüfung der parenchymatösen Resorp- tion wurden in früheren Zeiten Gifte oder Farbstoffe dem Körper einverleibt und alsdann der Beginn der Vergiftungserscheinungen bezw. das erste Auftreten der Farbstoffe im Urin beobachtet. Es ist ersichtlich, dass hierdurch lediglich die Zeitdauer der Resorption bestimmt wurde, nicht aber die Größe der Resorption in einer be- stimmten Zeiteinheit. Diese festzustellen, so wie ihre Beeinflussung durch beschleunigende und verlangsamende Mittel, stellte sich K. zur Aufgabe. Er benutzte zu seinen Experimenten Milchzucker, der, wie Voit gefunden, die Eigenschaft besitzt, bei subkutanen Injek-

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380 Centralblatt für Chirurgie. No. 14.

tionen fast gänzlich unzerlegt durch die Nieren ausgeschieden zu werden. Er spritzte Hunden 5 ccm einer 10%igen Lösung in das zwischen den Unterschenkelknochen, Calcaneus und Achillessehne gelegene lockere Zellgewebe, da er sicher war, hier in kein anderes Gewebe als das Zellgewebe zu injiciren, und außerdem der Raum so viel Flüssigkeit fasst, dass jede Druckwirkung des gespannten Gewebes ausgeschlossen war. Alsdann stellte er die Menge Milch- zucker, die in einer bestimmten Zeiteinheit im Urin erschien und mittels Dauerkatheter aufgefangen wurde, durch den Polarisations- apparat fest und versuchte diese gefundene Größe natürlich bei dem- selben Thiere durch verschiedene Mittel zu beeinflussen und zu ver- ändern. Die Schwankungen der Menge musste die vermehrte oder verminderte Resorptionsfähigkeit angeben.

Die Resultate sind folgende:

Resorptionsfördernd wirken heiße Luftbehandlung und Stauungs- hyperämie, resorptionshemmend Kälte und vertikale Suspension,

Resultate, die sich mit den praktischen Erfahrungen und hier- in liegt das Interesse der Experimente für die Chirurgie völlig decken. Coste (Straßburg).

4) H. Hellendall. Die Ehrlich’sche Diazoreaktion in ihrer Bedeutung für chirurgische Krankheiten. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)

Nach H.'s Untersuchungen zeigen aseptische chirurgische Affek- tionen, abgesehen von Neubildungen, keine Diazoreaktion; auch die bösartigen Neubildungen verhalten sich mit wenigen Ausnahmen ge- wöhnlich negativ.

Unter den Entzündungskrankheiten zeigen akut eitrige und schwer infektiöse Formen sehr häufig Diazoreaktion. Sie schwindet mit dem Aufhören des progredienten Processes und erscheint von Neuem bei Wiederaufleben desselben. Unter den chronischen Ent- züundungen zeigt Lues die Reaktion fast nie, Aktinomykose sehr intensiv und konstant. Die größte Bedeutung besitzt die Diazo- reaktion für die Tuberkulose, aber nicht auf diagnostischem, sondern auf prognostischem Gebiet. Im Allgemeinen entspricht die Intensität der Reaktion der Schwere des Processes. Ihr konstantes Fehlen spricht für leichte, ihr konstantes, starkes Auftreten für schwere Formen. Verschwindet sie dauernd, so ist Ausheilung zu erwarten, dagegen ist es als ein prognostisch sehr ungünstiges Zeichen an-

zusehen, wenn sie auch nach operativen Eingriffen noch fortdauert. Honsell (Tübingen).

5) Wegner (Berlin). Beitrag zur Behandlung multipler Ge- lenkentzündungen bei Streptokokkensepsis. (Charit&-Annalen XXVI. Jahrg. 1900/01. Berlin, August Hischwald, 1902.)

Wenn man bei schwerer Allgemeinsepsis mit Erkrankung mehrerer großer Gelenke von einfacher Gelenkdrainage mit Ausspülungen

Centralblatt für Chirurgie. No. 14. 381

nichts mehr erwarten darf, kann breite Eröffnung der Gelenke oft noch eine genügende Ableitung der Absonderung und hiermit Aus- heilung der Gelenkeiterung herbeiführen. Ob dabei die Brauchbar- keit des Gelenkes unter medico-mechanischer Nachbehandlung noch eine günstige wird, hängt lediglich von dem Grad der Zerstörung der Gelenkfläche ab. Daneben ist ein Hauptaugenmerk auf An- regung der Widerstandsfähigkeit des Körpers durch kräftige Diät etc. zu richten.

Die angeführten beiden Fälle sind Beispiele für die Richtig- keit dieser Anschauungen. Wenigstens bei einem der Kranken war auch das Ergebnis ein recht gutes, weniger vollkommen bei dem anderen.

Verf. macht zugleich darauf aufmerksam, dass die Erfolge der medico-mechanischen Behandlung durch den guten Willen beider Kranken noch besonders begünstigt wurden, da beide nicht Unfall- kranke waren. Lühe (Königsberg i/Pr.).

6) Chaput. L’anesthésie générale ou tres étendue obtenue par la rachicocainisation. (Presse méd. 1901. No. 90.)

C. spricht sich auf Grund zahlreicher Erfahrungen sehr lobend über die Cocainanästhesie aus.

4 cg Cocain, in den Duralsack eingespritzt, genügen immer, um eine allgemeine Anästhesie zu erzielen.

C. benutzt, um hohe Anästhesie zu erhalten, die Seitenlage und injicirt sehr schnell.

Operationen an den oberen Extremitäten, Mammaamputationen, Laparotomien, Rippenresektionen lassen sich so gut ausführen. Auch der Kopf wird häufig gefühllos, doch haben die Operationen hier beim nicht bewusstlosen Pat. Manches gegen sich.

Bertelsmann (Hamburg).

7) Guinard. A propos de la rachicocainisation. (Presse méd. 1901. No. 91.)

G. benutzt den Liquor cerebrospinalis selbst als Lösungsmittel für das Cocain, das er vor der Lumbalpunktion in koncentrirter Lösung sterilisirt bereit hält. Er fügt dem abgelassenen Liquor die nöthige Anzahl Tropfen Cocainlösung zu und spritzt die Mischung in den Duralsack zurück. Nach G. hat es sich als sicher heraus- gestellt, dass nur das mitinjicirte Wasser bei der früheren Methode die üblen Nebenerscheinungen der Rückenmarksanästhesie veran- lasste. Er selbst hat 70 Anästhesien nach seiner Methode erzeugt, ohne die mindesten unangenehmen Folgen zu beobachten. Er hat dabei weder den Hals mit einer Gummibinde umschnürt noch irgend welche andere Vorsichtsmaßregeln beobachtet. (Siehe auch No. 87

p. 247 Guinard und Tuffier über dasselbe Thema.) Bertelsmann (Hamburg).

mn 382 Centralblatt für Chirurgie. No. 14.

8) R. Caminiti (Rom). La dura madre nelle riparazioni

delle lesioni del cranio. (Clinica chirurgica 1901. No. 5.)

C. hat sich mit der Frage beschäftigt, in welchen Grenzen, unter welchen Bedingungen und auf welche Weise die Dura mater an der Knochenbildung bei Schädelverletzungen theilnimmt. Die zahlreichen, bisher vorliegenden Arbeiten haben noch keine befrie- digende Lösung gebracht.

Bei den Versuchen war es nöthig, von vorn herein die Wirkung des Periosts und der Diploë sicher auszuschließen. Beide wurden daher weithin weggeschnitten, bezw. ausgeschabt. Die in Formalin gehärteten, dekalcinirten Stücke wurden in lückenlosen Serien unter- sucht.

In einer 2. Gruppe von Versuchen wurde die Dura schwer ge- schädigt: ein großer Lappen mit breitem Stiel umgeschlagen.

Die 3. Reihe erhielt die gestielten Duralappen zwischen Periost und Haut, bezw. Unterhautzellgewebe eingelagert.

C. kann folgende Ergebnisse verzeichnen:

1) Die Dura mater nimmt an der Knochenneubildung direkt in geringem Maße Theil, analog dem Periost und dem Mark, aber durch einen histologisch differenten Process.

2) Die gebildete Knochenschicht ist sehr dünn, die Hauptmasse wird von den beiden anderen Faktoren geliefert.

3) Die Galea aponeurotica kann in gleicher Weise wie die Dura mater ossificiren.

4) Wenn die Dura mater schwer geschädigt oder ganz entfernt wird, so entfällt der knöcherne Verschluss nicht Mangels der Dura- thätigkeit, sondern wegen der sofort entstandenen Hernia cerebralis.

5) Auch die unter die Muskeln verpflanzte Dura mater producirt hier Knochengewebe wie dorthin gebrachtes Periost.

6) Das Periost, auch in dickeren Schichten, wird resorbirt, die Dura mater nie. J. Sternberg (Wien).

9) Th. Kocher. Hirnerschütterung, Hirndruck und chirur-

gische Eingriffe bei Hirnkrankheiten. (Nothnagel’s specielle Pathologie und Therapie Bd. IX. Th. IH. Abth. 1.) Wien, Hölder, 1901.

Das ist wieder ein Meisterwerk des bewundernswerth vielseitigen Berner Chirurgen, dessen chirurgische Kunst von seiner physiolo- gischen Forschungslust und klinischen Beobachtungsgabe fast noch übertroffen wird. Das umfangreiche Werk (457 S.) behandelt im Wesentlichen die Frage des Hirndrucks, und zwar auf Grund von ganz neuen Experimenten, die K. selbst mit seinen Schülern Cushing, Maasland, Saltikoff, A. Kocher u. A. ausgeführt hat. Der erste Theil, »Anatomie und Physiologie der Hirncirku- latione, ist eben so nur als Einleitung zu dieser Kernfrage anzusehen,

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wie das Kapitel »chirurgische Operationen«e nur als Anhang. In dieser Beziehung unterscheidet sich K.’s Arbeit von der mehr syste- matisch durchgeführten E. v. Bergmann’s (Die chirurgische Be- handlung der Hirnkrankheiten), mit dessen Hirndrucktheorie sich K. nicht ganz einverstanden erklärt. K. kommt auf Grund seiner experimentellen und klinischen Erfahrungen zu Anschauungen über das Wesen des Hirndrucks, welche die Indikationsgrenzen für ope- rative Eingriffe bei Hirnkrankheiten wieder erheblich erweitern, nachdem v. Bergmann dieselben in Moskau so überraschend eng gezogen. »Es kann nicht gleichgiltig sein, ob wir mit Bergmann eine Anämie des Gehirns durch allmähliche Kapillarverengerung als Grundlage der Drucksymptome annehmen oder mit Albert eine Hyperämie des Gehirns durch venöse Stase, d. h. eine Füllung der Gefäße unter abnorm gesteigertem Druck als anatomischen Ausdruck der klinischen Erscheinungen festhalten, oder ob wir nach unserer Auffassung die verschiedenen Stadien des Hirndrucks von einander trennen, indem wir die Periode beginnenden Hirndrucks mit Stö- rungen des venösen Abflusses und daheriger Dysdiämorrhysis (im Sinne behinderten Durchfließens des Blutes) allmäblich anwachsen lassen bis zum Schlusse des manifesten Hirnduckstadiums zu Kom- pression der Gefäße mit Anämie und erst intermittirender, aber schließlich dauernder Adiämorrhysis (im Sinne aufgehobener Cirku- lation). Das Stadium der Adiämorrhysis im strengen Sinne des Wortes kann bloß für nicht unmittelbar lebenswichtige Hirntheile einige Dauer haben«.

K. geht von der Ansicht Geipel’s aus, dass es nicht auf Anämie oder Hyperaemia cerebri ankommt, sondern darauf, ob in der Zeit- einheit durch einen gegebenen Querschnitt des Kapillargebietes ein genügendes Quantum sauerstoffhaltigen, ernährungsfähigen Blutes hindurchströmt: En-, Hyper-, Dysdiämorrhysis.

Von Einfluss auf die Hirncirkulation sei nach L. Hill jede Ver- änderung im arteriellen und venösen Blutdruck; auch die respi- ratorischen Gehirnbewegungen seien unter normalen Verhältnissen durch die respiratorischen Veränderungen des arteriellen Blutdrucks bedingt. Ein lokaler vasomotorischer Mechanismus sei für die Hirn- cirkulation nicht anzunehmen. Nach Cushing’s Experimenten ist das Gehirn in die Lage gesetzt, durch seine Centren sich die peri- phere Cirkulation in seinem Interesse dienstbar zu machen; das Vasomotorencentrum in der Medulla vermag bei Störungen im Gehirn durch seine Einflüsse auf die peripheren Gefäße jede Störung aus- zugleichen. Die Gehirngefäße können schon desshalb nicht unter dem gleichen Einfluss stehen.

. Kommt es zu Hirndruck durch Versagen der Regulation, des Übertritts vom Liquor in den Wirbelkanal, in die Venen etc., so beginnt das vollendete Bild des Hirndrucks mit der Zeit, wo der Hirndruck die Gefäße komprimirt, d. h. über die Höhe des Blut- drucks in denselben sich erhebt. Diese Hirnanämie ist nur dadurch

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mit dem Leben während längerer Zeit verträglich, weil Anämie des Vasomotorencentrums in der Medulla oblongata einen Reiz auf dieses ausübt, welcher genügt, den Blutdruck je und je wieder über den Hirndruck hinaus zu steigern.

Der Liquor cerebrospinalis tritt auf den reichlichen Resorptions- wegen in die Sinus zurück, auch event. in den Rückgratskanal, von hier in die Nervenscheiden, ferner in die Diploe, in die Scheiden der Hirnnerven, in die Lymphwege nach dem Hals. So lange die Venen trotz Kompression Lichtung genug behalten, um das Blut abzuführen, treten keine wesentlichen Drucksymptome ein. Diese Periode be- zeichnet K. als Kompensationsstadium, nicht ganz identisch mit dem Stadium latenten Hirndrucks (Naunyn), aber oft schon erkennbar an der Stauungspapille.

»Ist der Liquor ganz aus dem Schädel ausgetreten und ist das venöse Blut so weit abgeflossen, als ohne Behinderung der Cirkulation durch Verengerung der Gefäße (Dank der damit verbundenen Be- schleunigung des Blutstroms) ausweichen kann, so beginnt das Anfangsstadium des manifesten Hirndrucks durch fortschreitende Verengerung der Venen arterienwärts.« Diese Dysdiämorrhysis im Kapillargebiet bedingt Symptome gestörter Hirnfunktionen, Zerrungs- erscheinungen der Hirnhäute, Kopfschmerzen, Schwindel, Glieder- schmerzen, Unruhe, Ohrensausen, Delirien, Schlaf mit Träumen (kli- nisch das Stadium erregter Funktionen),

Bei weiterem Wachsen des intrakraniellen Drucks kommt es zu völliger Anämie des Gebirns, die, wenn sie umschrieben ist, Lähmungssymptome, Aphasie, Hemianopsie machen kann, je nach der Stelle des Lokaldrucks (klinisch das Stadium herabgesetzter Funktio- nen). A- und Endiämorrhyse wechseln. Der Tod tritt ein, wenn die Centren der Medulla oblongata betroffen werden, besonders das vasomotorische (klinisch Lähmungsstadium), unter Einsetzen von Koma, Aussetzen der Respiration oft nach dem Typus Cheyne- Stokes. Es geht ein Wechsel von Adiämorrhysis und Dysdiämor- rhysis dem Tode voraus.

Von den speciellen Hirndrucksymptomen bespricht K. zunächst die Reflexsymptome und hebt hervor, dass nach den Experimenten von Maasland und Saltikoff der Kopfschmerz und die Zeichen der Unruhe, Umherwerfen, Unregelmäßigkeit der Athmung, auf Druck gegen die Trigeminusfasern in der Dura zurückzuführen sind, da sie wegfallen, wenn man die Dura cocainisirt.

Die Stauungspapille kann schon im Kompensationsstadium oft gefunden werden, zu einer Zeit, wo sonst keine oder nur unbe- stimmte Hirnsymptome vorhanden. Sie ist nur so lange nachweisbar, als Liquor cerebrospinalis im Schädel vorhanden; sie schwindet, sobald dieser ausgepresst ist. Sie ist also für den Operateur ein prognostisch günstiges Zeichen. Die Frage, ob es sich um eine Papillitis bezw. Neuritis optica handelt, beantwortet K. dahin, dass durch Retention

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von Auswurfsstoffen der Ernährungsflüssigkeit sich entzündliche Er- scheinungen sehr wohl zu denen der Stauung gesellen können.

Die Bewusstseinsstörungen, die wesentlichsten Symptome bei Hirndruck, trennt K. in Bewusstlosigkeit und in die leichtere Form: Aufregungszustände, unmotivirte Bewegungen, Schreien, Stöhnen, Schimpfen, Delirien. Letztere seien keineswegs immer Zeichen einer Contusio cerebri. |

Neben den Augensymptomen (conjugirte Deviation, Pupillen- veränderung, Nystagmus) kommen Respirationsveränderungen und der Druckpuls (langsam, regelmäßig, starke Spannung und Füllung der Arterien) auch in so fern für den Chirurgen in Betracht, als ihre Veränderung, ihr Kleiner- und Unregelmäßigwerden auf das letzte Stadium hinweist.

Für die Druckentlastung genügt bei Liquordruck die von A. Kocher beschriebene Punktion des Subarachnoidealraums und der Ventrikel, bei Hirndruck im engeren Sinne K.s ist stets die Trepanation geboten. »Und wenn es zehnmal richtig ist, dass Herd- symptome häufiger auf direkter Zerstörung von Hirnsubstanz, z. B. Kontusion, beruhen können, so ist es zehnmal kein Fehler, wenn ein solcher Fall trepanirt wird bei Verdacht, dass ein lokaler Druck dabei im Spiele ist.«

Den Namen Commotio cerebri wünscht K. auszumerzen und zu ersetzen durch Hirnpressung, da der akute Hirndruck nicht durch ein Hin- und Hervibriren bedingt ist, sondern in einer einmaligen heftigen Zusammenpressung des Gehirns durch Mittheilung einer plötzlichen Bewegung besteht. Die Grenze zwischen Hirnpressung und Kontusion lässt sich nach K.’s zahlreichen Erfahrungen nicht scharf ziehen. Ja man sollte sich, ehe man derart Verletzten gestattet, aufzustehen, gegenwärtig halten, dass die Symptome sich zusammen- setzen aus Folgen eines Stoßes, welche vorübergehen können, mit solchen, welche bleibender Natur sind, weil sie dem Gebiete der Kontusion angehören, und aus solchen, welche progressive Entwick- lung aufweisen (Bollinger’s Spätblutungen), weil sie ihrer ana- tomischen Grundlage nach zu zunehmender Kompression Veranlassung

eben.

a Als therapeutische Maßnahmen kommen bei der Hirnpressung in Betracht die Autotransfusion und Transfusion bei bloßem Chok, die künstliche Athmung, so fern die Centren der Medulla oblongata betroffen sind (Verlangsamung und Stillstand der Athmung und der Herzthätigkeit). Bei zunehmendem Druck in der Schädelhöhle kommt auch die Trepanation in Frage, wobei die Narkose (mit Ather) nicht zu fürchten ist. Gut narkotisiren ist bei Schädelverletzten mit Chokerscheinungen dringend geboten, da Schmerz die letzteren steigert. Auch Morphium empfieblt K. gegen Reizerscheinungen anzuwenden.

Von den chirurgischen Operationen ist nur Allgemeines gesagt. Es lässt sich aus verschiedenen Hinweisen schließen, dass noch eine

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größere Arbeit über die Operationen bei den einzelnen Hirnkrank- heiten zu erwarten ist.

Das vorliegende Werk wird die mancherlei Streitfragen über den Hirndruck neu in Fluss kommen lassen; es bringt dem prak- tischen Chirurgen, einschl. Otologen und Ophthalmologen, nicht weniger wie dem Physiologen neue Gesichtspunkte. Auffallend dürfte es manchem Leser erscheinen, dass K. für den langsam sich ent- wickelnden Hirndruck gar keine Krankengeschichten beibringt, während er für den akuten sich so reichlich auf eigene klinische Erfahrungen bezieht. Es scheint auch dies dem nächsten, hoffentlich recht bald folgenden Theil vorbehalten. Hervorgehoben sei noch, dass man die anatomischen und physiologischen Verhältnisse der Hirncirkulation, die in der Litteratur niedergelegten Experimental- ergebnisse dazu in größter Vollständigkeit und mit Knappheit und Klarheit zusammengestellt findet. Wer sich für die Hirndrucktheorien

interessiert und das sind nicht bloB die Chirurgen —, der wird dies Buch mit vielem Nutzen und aufrichtigem Dank gegen den Verf. lesen. P. Stolper (Breslau).

10) V. Hinsberg. Über Labyrintheiterungen. Eine klinische Studie. Habilitationsschrift.e. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1901.

H. hat es in vorliegender Arbeit unternommen, Alles, was wir bisher über eitrige Erkrankungen des Labyrinths wissen, zusammen- zustellen, kritisch zu verwerthen und darauf die Grundsätze, wie sie heute für die Behandlung derartiger Affektionen zu Recht bestehen sollen, aufzubauen. Verf. stützt sich zu einem beträchtlichen Theil auf eigene Erfahrungen. Nach H. ist die Infektion in den publi- cirten Fällen stets vom Mittelohr aus erfolgt, sei es durch ein Trauma, sei es durch eine Mittelohreiterung; hierbei fand sich nirgends so oft die Durchbruchstelle, wie am horizontalen Bogengang; sonst kommen dafür noch in Betracht: die Fenster, der hintere obere Bogengang und das Promontorium (Tuberkulose). Labyrintheite- rungen kommen häufiger bei chronischer Mittelohreiterung vor, sel- tener bei akuter, und zwar hier meist nach Scharlach. Die patho- logisch-anatomischen Befunde sind noch zu spärlich, um”auch die Annahme Jansen’s, dass die Vorhofseiterung sich gewöhnlich gegen die Schnecke abgrenze und umgekehrt, als gesichert erscheinen zu lassen. Für die Verbreitung ins Schädelinnere kommt von präfor- mirten Wegen vor Allem der Acusticuskanal in Betracht. Alle Durch- brüche führen zu Affektionen der hinteren Schädelgrube, nur vom vorderen Schenkel des oberen Bogengangs aus kann die mittlere er- griffen werden; daher sind nach Labyrintheiterungen bisher nur Cerebellarabscesse beobachtet worden.

Sehr zweckmäßig theilt Verf. die Symptome in solche, die auf der Eiteransammlung als solcher beruhen (zuweilen Fieber) und die

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auf Reiz oder Ausfallserscheinungen zurückzuführen sind. Hier er- wähnt er, ein Anhänger der Maydl-Breuer’schen Theorie, was wir von den einzelnen Störungen der akustischen und statischen Funk- tion bei Labyrintheiterungen : wissen (Schwindel, Nystagmus_ etc.). Der Verlauf der Labyrintheiterungen ist aber so mannigfaltig, dass sich einzelne Typen nach den jetzigen Erfahrungen noch nicht auf- stellen lassen; oft können nach Wochen noch Meningitiden auftreten. Jedenfalls ist das Hörvermögen fast nie restitusbar. Von intra- kraniellen Komplikationen ist öfter Meningitis als Hirnabscess (Klein- hirn) beobachtet, deren Differentialdiagnose ja noch äußerst lücken- haft ist.

Nach Darlegung der Gesichtspunkte, die demnach für die Dia- gnose maßgebend sind, versucht Verf. mit Hilfe des vorliegenden Materials die therapeutischen Grundsätze festzulegen:

Mit der zweifellos vorhandenen Möglichkeit einer Spontanheilung lässt sich nicht rechnen, da wir nicht im Stande sind, gefährliche von gutartigen Formen zu unterscheiden. Somit müssen wir jede Labyrintheiterung als gefährlich betrachten. Die nicht wegzuleug- nende Gefahr (3—4% Mortalität durch die Operation selbst ver- ursacht) besteht in Mobilmachung von Keimen, Zerreißung von schützenden Verwachsungen etc. in Folge der Erschütterung; sie wird aber durch die günstigen operativen Erfolge bei unkomplicirten, selbst ausgedehnten Labyrintbeiterungen überkompensirt (10% Mor- talität der operirten Fälle. Demnach bält Verf. die Labyrinth- eröffnung für einen berechtigten Eingriff und ermuntert zu weiteren Versuchen. Näheres über die Operationstechnik ist im Original nachzulesen.

So lückenhaft unsere Kenntnisse auch Betreffs einer scharfen Lokaldiagnose noch sein mögen, so hat Verf. doch in Folge der kritischen Würdigung der operirten Fälle in dankenswerther Weise daran erinnert, dass Labyrintheiterungen nicht mehr ein »Noli me tangere« für den ÖOtochirurgen bilden. Mit der weiteren Vervoll- kommnung der labyrinthären Chirurgie wird auch die Zahl der töd- lich verlaufenden Mittelohrkomplikationen noch mehr eingeschränkt werden können. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

11) Jansen. Über den gegenwärtigen Stand der Lehre von der otologischen Pyämie. (Referat, erstattet auf der X. Versammlung der deutschen otologischen Gesellschaft 1901.)

J. erörtert vor Allem die Frage, ob der osteophlebitischen Pyämie, der Pyämie ohne Betheiligung von Sinus und Jugularis, die Rolle gebühre, die ihr von Körner zuertheilt worden sei. Auf Grund der Litteratur und seiner eigenen Erfahrungen, die sich seit seiner letzten, vor 9 Jahren erfolgten Veröffentlichung beträchtlich vermehrt

hätten, kommt er zu dem Resultat, dass der osteophlebitischen Py- +

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ämie bei ihrer extremen Seltenheit eine praktische Bedeutung über- haupt nicht zukomme; er habe bei seinen Fällen stets eine Erkran- kung des Sinus oder der Jugularis nachweisen können, und zwar ist der Sinus bei chronischen Eiterungen in Folge der häufigen Affektionen des Warzenfortsatzes mehr gefährdet, während bei akuter Mittelohrentzündung der Bulbus öfter befallen ist. Sodann weist Verf. auf den Einfluss von Periphlebitiden und perisinuösen Ab- scessen in Bezug-auf Sinuserkrankungen hin, indem durch dieselben mittels der Lymphbahnen eine Verbindung mit der Innenwand des Sinus hergestellt werde. J. unterscheidet die obturirende, mehr oder weniger septisch zerfallene Thrombose, die wandständige, und er sah ferner »bisweilen so mächtige extradurale Abscesse am Sinus, dass er zu der Annahme gedrängt wird, durch den Druck dieser enormen Ansammlungen von Eiter und Granulationen müsse der Sinus zu- sammengedrückt, unwegsam gemacht und die Entstehung einer Throm- bose auf rein mechanischem Wege obne jegliche Infektiosität und ohne Möglichkeit einer nachfolgenden Pyämie in die Wege geleitet werden«. (Ob, wie der andere Ref., Brieger, bemerkt, nicht die Virulenz, die Qualität des Eiters, hier eine größere Rolle spielt, als die Kompressionswirkung, die Quantität? Ref) Zum Schluss fixirt J. seine therapeutischen Grundsätze dahin, dass er den Sinus freilegt, so bald bei Fieber die Indikation der Warzenfortsatzeröffnung vorliegt. Den Sinus eröffnet er nur bei Nachweis von septisch zer- fallenen Thromben, Gangrän der Wand und sehr schlechtem All- gemeinbefinden. Betrefis der Jugularisunterbindung, einer brennen- den Streitfrage unter den modernen Otologen, steht Verf. auf keinem extremen Standpunkt und erörtert die einzelnen Fälle, bei denen er unterbindet. Die nähere Ausführung dieses Punktes muss im Ori- ginal nachgesehen werden. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

12) Brieger. Über den gegenwärtigen Stand der Lehre von der otogenen Pyämie.

(Referat, erstattet auf der X. Versammlung der deutschen otologischen Gesellschaft 1901.)

B. giebt ein erschöpfendes und ungemein gründliches Bild von obigem Thema; leider ist es im Rahmen eines Referats nur möglich, auf einige wesentliche Punkte dieser ausgezeichneten Arbeit hinzu- weisen. Auch B. vertritt die Ansicht, dass die otogene Pyämie ge- wöhnlich durch Sinusphlebitis bedingt ist, dass aber auch die Mög- lichkeit rein bakterieller, ohne das Mittelglied einer Venenthrombose entstandener Embolien vorliegt. Die Osteophlebitispyämie dagegen hält er für unbewiesen. Bei dem gegenwärtigen Stand unserer bak- teriologischen Kenntnisse hält er es trotz des häufigen Befundes von Streptokokken immer noch für besser, das therapeutische Handeln von zuverlässigen klinischen Gesichtspunkten, als von der bakterio- logischen Untersuchung des Sekrets abhängig zu machen. Aus dem

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symptomatologischen Abschnitt ist vor Allem hervorzuheben, dass auch B. immer mehr zu der Überzeugung kommt, wie wenig typisch der Fieberverlauf ist. Therapeutisch steht Verf. in der Frage der Jugularisunterbindung auf fast dem gleichen Standpunkt wie Jansen; auch er unterscheidet von Fall zu Fall. Dies sind nur einige wenige Punkte aus der sehr lesenswerthen, überall den erfahrenen Operateur verrathenden Arbeit. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

13) Mygind-Holger. Kurzes Lehrbuch der Krankheiten der oberen Luftwege. Berlin, O. Coblentz, 1901. 252 S.

Das vorliegende, deutsch geschriebene Lehrbuch des dänischen Autors, dessen Namen auch in deutschen otolaryngologischen Kreisen einen guten Klang besitzt, hat, wie M. im Vorwort sagt, den Zweck, >praktischen Ärzten und Studirenden zur Diagnose und Behandlung der in der Nasenhöhle, der Rachenhöhle und im Kehlkopf vor- kommenden Krankheiten Anleitung zu geben«. Diesem Zweck ent- sprechend sind die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Krankheiten in erster Linie berücksichtigt, seltenere Affektionen nur kurz gestreift. Die Therapie ist, so weit sie auch vou dem Nicht- specialisten ausgeführt werden kann, eingehend besprochen. Die Darstellung ist kurz und präcis, die Abbildungen sind meist gut. Für den oben angeführten Zweck ist das Kompendium entschieden empfehlenswerth. Hinsberg (Breslau).

14) A. L. Turner. The accessory sinuses of the nose, their surgical anatomy and the diagnosis and treatment of their

inflammatory affections. Edinburgh, William Green & Sons, 1901. 211 S. 40 Tafeln mit 81 Abbildungen.

Das letzte Jahrzehnt hat uns eine Reihe von ausgezeichneten Bearbeitungen der normalen Anatomie und der Pathologie der Nasen- nebenhöhlen gebracht. Ich nenne nur die Monographien von Zucker- kandl, Hartmann, Hajek und das entsprechende Kapitel im Hey- mann’schen Handbuch der Rhino-Laryngologie. Diesen deutschen Arbeiten reiht sich die von T. würdig an.

Außer einer klaren und gründlichen Zusammenstellung des bis- her über Anatomie, Pathologie und Klinik der Kiefer-, Stirn-, Sieb- bein- und Keilbeinhöhlen Bekannten, die durch ausgezeichnete Ab- bildungen illustrirt ist, enthält sie eigene Untersuchungen des Verf., die zum Theil bisher kaum bearbeitete Fragen betreffen.

T. ist wohl der Erste, der es unternommen hat, durch Unter- suchung von Rassenschädeln eine vergleichende Anatomie der mensch- lichen Stirnhöhle zu schaffen. Er hat zu diesem Zweck an 578 Schä- deln, die von den verschiedensten Rassen aller Welttheile stammen (11 Rassen), die Dimensionen der Stirnhöhle vermittels der Durch-

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leuchtungsmethode festgestellt. Bei allen Rassen fanden sich erheb- liche individuelle Verschiedenheiten bezüglich der Ausdehnung der Sinus frontales, wie die zahlreichen Abbildungen beweisen. Ein Ver- gleich der Durchschnittszahlen für Höhe und Breite bei den verschie- denen Rassen ergiebt jedoch keinen wesentlichen Unterschied. Bei allen Stämmen war die Stirnhöhle an männlichen Schädeln größer als an weiblichen.

Sehr interessant sind die Daten über das Vorhandensein bezw. Fehlen des Sinus frontalis. Bei den europäischen Schädeln wurde Fehlen eines oder beider Sinus konstatirt in 17% der untersuchten Objekte, eben so bei den Asiaten, bei den australischen Stämmen in 44,8%, bei den Maori in 62%. Das ergiebt eine wesentliche Differenz für die einzelnen Rassen. Für sämmtliche 578 untersuchten Schädel wurde eine Durchschnittszahl von 27,1% für das Fehlen der Stirn- höhle gefunden. Beim weiblichen Geschlecht ist der Mangel der Sinus häufiger als beim männlichen. Sehr werthvoll wäre es für den Aızt, wenn er aus der Form des Schädels Schlüsse auf die Größe der Stirnhöhlen ziehen könnte. Auch in dieser Richtung hat T. sein Material genau untersucht, mit dem Resultat, dass einem be- stimmten Schädeltypus (Brachycephalie, Dolichocephalie) eine be- stimmte Form des Sinus nicht entspricht.

Aus dem klinischen Theil sei besonders das Kapitel über die Durchleuchtung der Kiefer- und Stirnhöhle hervorgehoben. Für den Sinus frontalis hält T. dieselben in Übereinstimmung mit der Mehr- zahl der Autoren für wenig werthvoll, weil unsicher. Nur wenn eine operative Eröffnung der Stirnhöhle in Frage kommt, kann die Durch- leuchtung, wenn das Resultat mit der nöthigen Vorsicht beurtheilt wird, werthvoll sein in so fern, als ein positiver Ausfall Anhalts- punkte für die Größe der Höhle ergiebt.

Für die Diagnostik der Kieferhöhlenerkrankungen ist nach den Erfahrungen des Autors die Durchleuchtung viel wichtiger. Von 51 Fällen aus seiner Beobachtung, die auf eine Erkrankung des Antrum verdächtig waren, zeigten 82,2% eine deutliche Verdunkelung bei der Durchleuchtung; bei den übrigen Fällen war das Resultat unsicher. An der mangelhaften Durchleuchtbarkeit der erkrankten Kieferhöhle trägt weniger die Anwesenheit von Eiter, als die Ver- dickung der Schleimhaut Schuld. Bleibt das Antrum auch nach Ausspülung des Eiters dunkel, so beweist das nach T.'s Erfahrungen erhebliche Veränderungen an der Höhlenwandung; ein solches Ver- halten ist also prognostisch wichtig.

Die äußere Ausstattung des Werkes Druck, Papier, Abbil-

dungen ist in jeder Beziehung mustergültig. Hinsberg (Breslau).

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15) J. Molini6. Utilisation en oto-rhinologie des propriétés decollantes de l’eau oxygene&e. (Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1901. No. 48.)

Nachdem von chirurgischer Seite darauf aufmerksam gemacht worden ist, dass sich Weasserstoffsuperoxyd vorzüglich zur Lösung festklebender Verbände unter Vermeidung von Blutungen und Schmerzen eignet, empfiehlt Verf. auch in der Oto- und Rhinologie von dieser Eigenschaft des Mittels Gebrauch zu machen. So hat er es bei dem oft recht schmerzhaften Verbandwechsel nach Radikal- operationen und Aufmeißelungen verwendet, bei dem überdies eine Vermeidung der Blutung eine bessere Übersicht gewährleistet; ferner zum Aufweichen und Entfernen von Cerumenpfröpfen, Epithelschuppen bei diffuser Otitis externa, zum Lösen von Nasentampons und end- lich bei der Nachbehandlung nach Trennung von Synechien. Hier

legt er statt Celluloidplättchen kleine mit H,O, getränkte Tampons ein. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

16) Magnus. Über Schleimhauterysipele der Luftwege. Inaug.-Diss., Leipzig, 1901.

M. bespicht an der Hand eines Falles, den er unter Tillmanns im Leipziger Kinderkrankenhause beobachtet hat und bei dem die Diagnose: Erysipel des Rachens, Kehlkopfs und der tieferen Luft- wege gestellt worden war, das oben genannte Thema. Die Pneumonia migrans will er mit unter die obige Rubrik rechnen und führt hierzu Beweise aus der Litteratur an. Die Symptome und Komplikationen der gewiss manchmal nicht genügend beachteten Schleimhauterysipele

werden auf Grund von Litteraturstudien besprochen. Bertelsmannn (Hamburg).

17) G. Wood. The pathogenesis of lacunar keratosis of the tonsil. (Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1902. Januar.)

W. hat mehrere Fälle von lakunärer Tonsillitis genau unter- sucht. Hiernach ist die gewöhnlich als Leptotbrixmykose angesehene Erkrankung in Wirklichkeit eine echte Keratose des Epithels, die im Grunde der Krypten beginnt, dieselben ganz auskleidet und sich über die freie Oberfläche der Mandeln ausdehnen kann, ohne dass Leptothrix oder ähnliche Organismen vorhanden sind. Der Lepto- thrix buccalis maximus, der Bacillus buccalis maximus und ähnliche Mikroben finden sich höchstens in den äußeren Schichten der kera- toiden Masse; diese Mikroorganismen haben daher keine ätiologische Bedeutung, sondern sind Saprophyten. Die Erkrankung wird wahr- scheinlich durch einen mäßigen Grad von Entzündung des Mandel- parenchyms veranlasst, wodurch ein vermehrtes Wachsthum der normalen Kryptenepithelien herbeigeführt wird. Mohr (Bielefeld).

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18) C. Gradenigo. Die Hyperplasie der Rachentonsille. Eine Monographie. Jena, &. Fischer, 1901. 392 8.

Nach den grundlegenden Arbeiten von H. Meyer aus den Jahren 1869—1873 ist eine fast endlose Zahl von Publikationen über die Hyperplasie der Rachenmandel erschienen, so dass es heute für den Einzelnen kaum möglich ist, die gesammte Litteratur über diese Er- krankung zu beherrschen. G. hat es desshalb unternommen, das vorhandene Material in Form einer Monographie zu sammeln und der Gesammtheit bequem zugänglich zu machen.

Die vorliegende Arbeit, das Resultat dieser Bestrebungen, erfüllt ihren Zweck in bester Weise. Sie giebt einen ausgezeichneten Über- blick über alle in Betracht kommenden Fragen. 45 Textabbildungen und 3 Tafeln dienen zur Illustration der wichtigsten anatomischen und klinischen Verhältnisse. Das Buch ist klar geschrieben und über- sichtlich angeordnet, und kann desshalb bestens empfohlen werden.

Hinsberg (Breslau).

19) M. Sarcemone. Des vegitations adenoides dans les petits pharynx. (Revue mens. des malad. de l'enfance 1901. p. 310.)

Gering vergrößerte Adenoide, wenn sie seit dem ersten Lebens- jahr bestehen, können, ohne dass es zum hochgewölbten Gaumen und Änderung der Zehenstellung kommt, die Entwicklung der Cho- anen bezw. des oberen Rachens und damit des Gesichts im ver- tikalen Durchmesser aufhalten. Die praktische Wichtigkeit beruht darin, dass bei der Untersuchung, da der ganze Raum ausgefüllt erscheint, die Diagnose fälschlich auf erhebliche Größe der Rachen- mandel gestellt wird und nach der Operation zunächst das erwartete Resultat ausbleibt. Die Nasenathmung wird aber in solchen Fällen doch in einigen Monaten erlernt. Das Längenwachsthum des Ge- sichts soll gleichfalls in schneller Weise dann das Versäumte nach- holen. F. Göppert (Kattowitz).

20) Painter. Cases of rupture of the spinal ligaments. (Boston med. and surg. journ. 1901. Januar.)

Verf. führt 18 Fälle theils eigener, theils fremder Beobachtung auf und zieht aus der Betrachtung folgende Schlüsse: 1) Die Bänder der Wirbelsäule können beim Lebenden zerreißen, ohne dass Bruch oder Verrenkung der Wirbel damit vergesellschaftet ist. 2) Nerven- symptome können allein durch eine starke Biegung der Wirbelsäule erzeugt werden. 3) Die Wiederherstellung dauert lange Zeit und erfordert eine Lage, in der die zerrissenen Enden der Bänder ein- ander genähert sind (meist flache Rückenlage). 4) Die Gewalteinwir- kung, die gewöhnlich die Bänderzerreißung bewirkte, war so, dass

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man aus ihr von vorn herein auf eine Bänderzerreißung schließen konnte (?).

Aus den angeführten Fällen geht nicht immer mit überzeugender Gewissheit hervor, dass es sich um reine Bänderverletzung gehandelt hat. Bei einigen wurde sie allerdings durch Sektion festgestellt. Ein ziemlich reichhaltiges Litteraturverzeichnis ist beigefügt.

Trapp (Bückeburg).

21) R. Kienböck (Wien). Kritik der sogenannten »trauma- tischen Syringomyelie«. (Jahrbücher für Psychiatrie u. Neurologie Bd. XXII. Hft. 1.)

Die von H. Schlesinger (d. Centralblatt 1902 No. 2) in seinem Buche über Syringomyelie bereits angekündigte Arbeit von K. fasst den Ausdruck Syringomyelie nur in dem engeren Sinne des Klinikers, der darunter die primäre centrale Gliose (Syringomyelia gliosa) ver- steht, zu deren charakteristischen Eigenthümlichkeiten die chronische Ausbreitung des Leidens gehört. Diese entspricht dem anatomischen allmählichen Umsichgreifen in den centralen Partien vorwiegend nach aufwärts und in der Längsrichtung des Organs. K. schließt also Processe, die zeitweilig oder stets mit Höhlenbildung im Rückenmark einhergehen, z. B. reine (unkomplicirte, latente) Hydromyelie, Glio- matose (echte Geschwulstbildung), Myelomeningitis (namentlich syphi- litica), sklerosirte Narben nach Verletzung von der echten Syringo- myelie aus. Als traumatische Syringomyelie dürfen nach K. nur solche Krankheitsfälle bezeichnet werden, in welchen das Rücken- marksleiden durch Trauma allein erzeugt wurde und in anatomischer und klinischer Hinsicht mit Syringomyelie übereinstimmt.

Als Vorbild für seine Studie diente dem Verf. die ausgezeichnete kritische Arbeit von Hitzig »Über traumatische Tabes«, von der man nur wünschen kann, dass ihre Rathschläge alle Autoren recht beherzigen möchten, die Beiträge zur traumatischen Entstehung von Nervenleiden zu bringen beabsichtigen.

K. bespricht 140 Fälle aus der Litteratur und mehrere eigene Beobachtungen unter gruppenweiser Zusammenstellung.

Die 1. Gruppe umfasst die traumatischen, apoplectiform ein- setzenden Rückenmarksläsionen, insbesondere die partiellen, centralen. Da man klinisch oft nicht sagen kann, ob es sich um eine Hämato- myelie oder um eine Nekrose handelt, so empfiehlt es sich, die mit akuten schweren Lähmungserscheinungen einhergehenden Fälle von traumatischer Markverletzung als traumatische Myelodelese zu be- zeichnen. Von solchen Fällen liegen auch Sektionsbefunde vor von Kocher, Minor, Wagner, Stolper, wo Höhlenbildung in der Narbe und Gliomwucherung gefunden wurde. Aber diese Fälle sind doch nicht als Syringomyelie anzusehen, da ihnen die chronische Progres- sion im klinischen Verlauf fehlt; es handelt sich dabei um cystische Vernarbung des traumatischen Destruktionsherdes mit anfänglich

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schwersten Ausfallserscheinungen, darauf folgender Besserung und schließlichem Stillstand der Symptome. Niemals, auch bei jahre- und jahrzehntlanger Beobachtung, ist aus solcher Markläsion eine echte Syringomyelie entstanden.

In einer anderen Gruppe fasst K. die klinisch beobachteten Fälle von Syringomyelie zusammen, deren traumatische Entstehung mit Bestimmtheit geleugnet werden muss. Hierher rechnet er die Fälle von Eulenburg, Mies, Thiem, Schmey, Stein, die durch ein peripheres Trauma entstanden sein sollten, und zwar durch ascen- dirende Neuritis. Letztere sei anatomisch in keinem der Fälle er- wiesen, die klinische Schilderung der Fälle sei durchweg anfechtbar.

Nur in so weit erkennt K. dem Trauma eine Rolle zu, als ein an Syringomyelie erkranktes Rückenmark durch eine Gewalt- einwirkung zur weiteren Entwicklung des Leidens angeregt werden könne. Das sei aber ungemein selten der Fall.

Wenn es eine traumatische Syringomyelie gäbe, dann hätte man von den kleinen Läsionen, die bei schweren Querschnittsquetschungen erfahrungsgemäß oft oberhalb der Hauptläsionsstelle beobachtet wer- den, gelegentlich eine chronisch-progrediente Spinalerkrankung sich entwickeln gesehen; das ist thatsächlich nicht der Fall. Verf. führt aus der Litteratur zahlreiche syringomyelieähnliche Fälle an, die 10 Jahre und länger nach der Markquetschung beobachtet wurden. Eine klinisch echte Syringomyelie entstand niemals in dieser Zeit.

Unter dem Eindruck besonders der Bawli’schen Arbeit haben wohl viele Autoren (auch Ref. 1897) der traumatischen Entstehung der Syringomyelie nach Rückenmarksläsionen, besonders der hämato- myelogenen, das Wort geredet. Ref. tritt auf Grund eigener Er- fahrungen der letzten Jahre voll und ganz den Anschauungen K.'s bei, dessen unendlich fleißige Zusammenstellung des großen, aber in vielen Punkten anfechtbaren Materials ersichtlich macht, dass es rein durch Gewalteinwirkung erzeugte, chronisch progressive gliöse Syringomyelie nicht giebt. P. Stolper (Breslau).

22) v. Hacker. Zur Frage des zweckmäßigsten Verfahrens, um Fremdkörper aus dem unteren Theil der Speiseröhre vom Magen aus zu entfernen.

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)'

Wie v. H. ausführt, können die Schwierigkeiten bei der Ent- fernung von Fremdkörpern aus dem unteren Speiseröhrenabschnitt vom Magen her verschiedene Ursachen haben; und zwar handelt es sich vor Allem um folgende Punkte:

1) Bei vorgezogen gehaltenem Magen kann von einer kleinen Öffnung aus die Cardia mit dem Finger überhaupt nicht erreicht werden.

2) Sowohl bei Einstülpung des Magens durch den von einer kleinen Öffnung eingeführten Finger (Wilms), als bei Einführung

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der ganzen Hand in den vorgezogen gehaltenen, eröffneten Magen kann durch Faltenbildung der Eingang zur Cardia so verlegt werden, dass man ihn mitunter nicht findet, namentlich bei ersterem Ver- fahren. Durch bestimmte Manipulationen wird das Auffinden der Cardia erleichtert. |

3) Bei höher über der Cardia steckenden oder .bei fest ein- gekeilten Fremdkörpern genügt ein Finger häufig überhaupt nicht, um den Fremdkörper zu befreien und zu entfernen; in solchen Fällen muss entweder primär oder sekundär nach weiter Eröff- nung des Magens mit der ganzen Hand in denselben eingegangen werden.

Im Ganzen stehen zur Entfernung von Fremdkörpern aus dem unteren Speiseröhrenabschnitt vom Magen her 4 Verfahren zu Ge- bote: Das Verfahren des Fingereinbindens nach Wilms, die Ein- führung von Instrumenten durch eine kleine Magenöffnung, die Einführung der Hand in den vorgezogenen und eröffneten Magen und endlich die Handeinführung in den provisorisch herausgenähten und eröffneten Magen. Sollte es sich bestätigen, dass das Wilms- sche Verfahren, mit Umwicklung von Gaze kombinirt, sicher vor Austritt von Mageninhalt schützt, so wäre zunächst dieses Verfahren, dann der Reihe nach die beiden folgenden zu versuchen. Ein vor- heriges Herausnähen des Magens würde namentlich bei schwer vor- zuhaltendem Magen in Betracht kommen. Honsell (Tübingen).

Kleinere Mittheilungen.

23) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. Sitzung vom 10. Februar 1902. Vorsitzender: Herr Hahn.

1) Herr Neumann: Über subkutane Darmrupturen nach Bauch- kontusionen.

N. stellt-einen Pat. vor, den er vor 11/2 Jahren wegen Darmruptur, entstanden durch Fall auf einen Farbentopf, nach den Hahn’schen Principien mit Resektion der ein thalergroßes Loch haltenden, gequetschten Jejunumschlinge (Murphyknopf) und anschließende Bauchnaht 6 Stunden nach dem Unfall operirt hat; die Hei- lung erfolgte, nachdem die ersten 2 Tage schwere peritonitische Erscheinungen vorhanden waren.

N. hebt die Schwierigkeit der Diagnose der Darmruptur hervor und betont, dass man außer dem klinischen Symptomenbild besonders die Art der Gewalt- einwirkung berücksichtigen soll.

Er hat die Bauchkontusionen, die in den letzten 20 Jahren in das Kranken- haus Friedrichshain eingeliefert wurden, in Bezug auf ihre Erscheinungen und ihren Verlauf kontrollirt. Von 133 Fällen waren 62 mit Verletzung innerer Organe komplieirt; von diesen betrafen 21 Rupturen des Darms (1 Darm und Blase), 16 solche der Niere, 6 der Leber, 4 der Milz, 4 Leber und Milz, 1 Magen, Milz, Netz, Uterus, 2 Milz und Niere; 6 waren schnell tödlich und sind nicht seeirt.

Nach der Art der Gewalteinwirkung hat man die Bauchkontusionen zu trennen in die, welche eine umschriebene Partie der Bauchwand treffen (Hufschlag, Fuß- tritt, Stoß durch Wagendeichsel, Anprall kantiger Gegenstände), und die, welche

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mit breiter Fläche angreifen oder den Bauch im Gansen komprimiren (Über- fahrung, Fall platt auf den Bauch, Verschüttung, Fahrstuhlquetschung); von ersteren betrafen Darmrupturen 17 unter 68 = 26% (besonders häufig waren sie bei Hufschlägen, unter 18 Fällen 8), von letzteren 4 unter 599 = 7%.

Auffällig ist, dass bei schweren Überfahrungen im Gegensatz zu den par- enchymatösen Organen nur imal der Magen-Darmkanal der Magen verletst war; eben so auffällig, dass sie öfters ohne innere Organverletzung einhergingen.

Bei den breit angreifenden Gewalten schützt der knöcherne Rahmen des Bauches, besonders das Becken, die Bauchorgane, so dass z. B. bei Überfahrungen der erste Anprall durch dasselbe abgefangen wird, und ferner bietet die Bauch- muskulatur, die hier, wo die herannahende Gefahr meist noch bemerkt wird, in Spannung versetst wird, gerade dem elastischen Darm einen gewissen Schutz, während die fixirten parenchymatösen Organe leichter verletst werden. Die um- schrieben angreifenden Kontusionen erfolgen unvorhergesehen, blitzartig, der Bauch ist nicht gespannt. Dass insbesondere die Darmrupturen in der Regel durch direkte Zerreißung oder Quetschung zwischen Wirbelsäule und Gewalt, nicht durch Berstung, eintraten, beweist auch der anatomische Befund; die Form und gequetschte Umrandung des Risses ließ die direkte Verletzung bei der Opera- tion stets erkennen. Es fand sich überhaupt nur einmal, und das in einem Falle von Überfahrung, eine Berstungsverletzung (Serosalängsriss am Magen neben Milz- ruptur); es ist also die Darmruptur durch Berstung noch seltener als diejenige bei breit angreifender Gewalt. Damit ist zugleich entschieden, dass die Kompression des Bauchraums für die Darmruptur eine nebensächliche Rolle spielt; denn sonst müsste die Berstung fern vom Ort der Gewalteinwirkung häufiger sein.

Bezüglich der Symptomatologie hebt N. hervor, dass den Darmrupturen unter den Bauchkontusionen keine eigenthümlichen Symptome zukommen. Der primäre Chok fehlte zuweilen vollständig, so dass schwere Erscheinungen erst nach 1 bis 11/2 Tage auftraten; die Diagnose konnte desshalb bei 3 Fällen nicht gleich ge- stellt werden. Andererseits können schwere, sich steigernde Symptome, Collaps, Leibschmerz, brettharte Spannung der Bauchmuskulatur, Erbrechen, bei einfachen Bauchkontusionen vorhanden sein; in einem solchen Falle wurde unter der Dia- gnose Darmruptur laparotomirt, ohne dass eine Verletzung im Bauchraum gefunden wurde; Pat. genas. Als prägnantestes, für innere Verletzung sprechendes Symptom führt N. die brettharte Spannung der Bauchmuskulatur an. N. warnt vor Dar- reichung von Opium, weil dadurch die Symptome schnell verschleiert werden; in einem Falle wurde nach mäßigen Opiumdosen 1!/,; Tag lang Wohlbefinden beob- achtet unter Beseitigung der schweren initialen Symptome, welche bereits die Diagnose ermöglicht hatten, bei einem Pat., der 3 Darmperforationen und 2 Blasen- perforationen hatte.

Es wurde immer möglichst schnell operirt. Von den 18 rechtzeitig diagnosti- cirten Fällen kamen nur 9 rechtzeitig zur Operation, der vorgestellte Pat. 6 Stunden, die übrigen 5—24 Stunden nach dem Unfall. Durchgekommen ist nur der eine vorgestellte Pat., die übrigen sind der eitrigen Peritonitis erlegen. Nur durch schleunigste Operation kann das Resultat gebessert werden; besonders bei den umschriebenen Quetschungen soll man bei der Möglichkeit einer Darmruptur operativ eingreifen, selbst wenn dabei einmal die Bauchhöhle nur explorativ er- öffnet werden sollte.

Diskussion: Herr Ries weist auf eine ziemlich typische Darmruptur hin, die er 3mal beobachtet hat, nämlich die quere Abreißung des Jejunum vom Duo- denum. 2mal kam dieselbe durch Überfahrung zu Stande, die Kranken kamen moribund in die Behandlung; ein Dritter, durch eine Wagendeichsel verletzt, kam 6 Stunden später zur Operation. Darminhalt war noch nicht ausgetreten; eine gleichzeitige Zerreißung des Mesocolon transversum erforderte eine Resektion des Colon; der Kranke ist einer Nachblutung aus dem Stumpf des Colon erlegen.

Herr Hermes berichtet über die Heilung einer Darmruptur, die er erst 16 Stunden nach dem Unfall operirte, als bereits diffus-eitrige Peritonitis bestand. Der Kranke, am Abend vorher in einem Krankenhaus abgewiesen, hatte die Nacht

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im Freien zugebracht. Wegen irreponiblen Leistenbruchs wurde zunächst auf diesen eingeschnitten; er enthielt degenerirtes Netz. Nach dessen Abtragung fließt aus der"Bauchhöhle Eiter. Bei der medianen Laparotomie findet sich diffuse eitrig-übrinöse Peritonitis und an einer Ileumschlinge ein Loch; Naht, Übernähung mit Nets, Kochsalzausspülung, partielle Bauchwandnaht. Der weitere Verlauf war komplieirt”"durch Gangrän der Bauchwand um die Laparotomiewunde, die sich in Folge der Quetschung entwickelte; auch die Darmnaht ging auf. Pat. überwand diese Komplikation; die Kothfistel wurde später operativ beseitigt.

Herr Körte betont, dass wir keine sicheren Symptome für die Darmruptur haben. Wenn wir befriedigendere operative Resultate haben wollen, müssen wir alle schweren Fälle von Bauchkontusionen schnell operiren, wenn die Art des Traumas die Vermuthung der Darmruptur aufkommen lässt. Dass dabei einige einfache Kontusionen mit operirt werden, kann nicht in Betracht kommen.

Herr Hahn: Wenn die Kranken längere Zeit nach dem Unfall eingeliefert werden bei ausgebildeter Peritonitis, räth er davon ab, bei einem operativen Ein- griff zu gründlich vorzugehen. Ist der Eiter in der Bauchhöhle geruchlos, so lässt er nur den Eiter ab; wenn man nach der Darmruptur suchen würde, würde man die Verklebungen, durch welche die rupturirte Stelle abgekapselt ist, zerreißen. Stinkt der Eiter und ist keine genügende Abkapselung anzunehmen, so muss man natürlich die verletzte Darmschlinge versorgen.

Herr Hahn erwähnt sodann 2 Fälle von geheilter Magenperforation durch Ulcus ventriculi, die beide weit im Gesunden resecirt sind; der erste wurde als Perforationsperitonitis nach Appendicitis operirt; im zweiten lag Perforation an einem Sanduhrmagen vor es wurde das Geschwür sammt dem eingeschnürten Theil des Magens entfernt.

2) Herr Goldstein: Über Nierenverletsungen.

G. berichtet über die in den letzten 20 Jahren im Krankenhaus Friedrichshain behandelten 27 Nierenverletzungen. Von ihnen starben 6, 4 in Folge anderer Verletzungen. Außer einer Schussverletzung waren es sämmtlich (22) subkutane Verletzungen, die bis auf eine (Fall aus der Höhe) durch direkte stumpfe Gewalt entstanden waren. 2 Fälle wurden operirt, der eine bei der Einlieferung 2 Tage nach dem Unfall wegen der schweren Allgemeinerscheinungen: lumbale Exstirpa- tion der Niere, deren oberes Drittel abgerissen war; das Peritoneum war mit- verletst; Tod 11 Tage später an Ileus, der durch Abknickung einer adhärenten Dünndarmschlinge entstanden war; der zweite, der von vorn herein ein großes Hämatom mit peritonealen Reizerscheinungen hatte, kam am 4. Tage wegen einer schweren Nachblutung zur Operation; die ganz zerquetschte Niere wurde entfernt, die Gefäße unterbunden; Tod an Peritonitis, die offenbar schon vor der Operation eingesetzt hatte. Peritoneale Reizerscheinungen wurden 7mal beobachtet; die Entscheidung, ob sie nur durch ein retroperitoneales Hämatom oder durch einen Einriss ins Peritoneum bedingt sind, ist schwer. Außer bei dem operirten Falle wurden noch 5mal Nachblutungen beobachtet zwischen dem 7. und 20. Tage; eine führte zu schwerem Collaps, die anderen nur zu stärkerer Anämie. Blut im Urin fand sich vom 4. bis zum 23. Tage nach dem Unfall. Operativ greift H. nur ein, wenn eine abundante Blutung bei Abreißung von Nierengefäßen oder völliger Zertrümmerung der Niere vorliegt.

3) Herr Schendler: Über Fremdkörper in den Luftwegen.

Nach einleitenden Bemerkungen über Häufigkeit und Art der aspirirten Fremdkörper, von denen 8. nur die elastischen und festen mittlerer Größe im Kehlkopf und den tieferen Luftwegen als chirurgisch wichtig anerkennt, bespricht er die Schwierigkeiten der Diagnose besonders: bei den Fällen mit reinen Ab- dominalerscheinungen und erwähnt u. A. einen durch Röntgenbilder erläuterten Fall angeblichen Verschluckens eines blechernen Bleistiftschoners bei einem 8jäh- rigen Knaben. Es stellten sich dabei Blutbrechen und blutiger Stuhl ein; der Fremdkörper wurde im Magen vermuthet. Da sich auch peritonitisehe Reiz- erscheinungen einstellten, wurde unter Annahme der Perforationsgefahr die La-

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parotomie gemacht; sie ergiebt alte peritonitische Stränge in der Bauchhöhle, nirgends aber findet sich der Fremdkörper. Weiterhin entwickelte sich Dämpfung der ganzen linken Thoraxseite und hohes remittirendes Fieber; durch Röntgen- photographie wurde die Hülse im linken Bronchus nachgewiesen; Heilung durch Aushusten des Fremdkörpers. In der Prognose und Indikationsstelluug sur Ope- ration schließt sich S. den modernen Anschauungen an und verlangt vor jeder Operation möglichst Durchleuchtung oder Photographie mittels Röntgenstrahlen.

4) Her Hahn: Über Rückenmarkschirurgie.

Chirurgische Eingriffe am Rückenmarkskanal kommen in Betracht a. bei Ver- letzungen durch Stich oder Geschoss, b. bei Frakturen mit Kompression oder Quetschung des Rückenmarks, o. bei Tumoren, d. bei entzündlichen Zuständen (Osteomyelitis, Tuberkulose). H. bespricht die 3 ersten Indikationen an der Hand seiner Erfahrungen.

Von der ersteren Kategorie hat H. 4 Fälle beobachtet; 2 sind ohne beson- deres Interesse sie betrafen eine bei der Punktion abgebrochene Kanülenspitze und eine Schussverletzung der Halswirbelsäule, bei der die Revolverkugel nach- träglich spontan abging. Die beiden anderen betreffen Stichverletzungen durch Messerstich. Der eine ist, von hohem klinischen Interesse, weil er von vorn herein genau beobachtet ist und die bleibenden Veränderungen am Nervensystem noch nach Jahren kontrollirt sind. Es ist der 1887 im Friedrichshain behandelte und von Bode 1890 vorgestellte Fall von Stich in das Rückenmark swischen 2. und 3. Halswirbel mit Brown-Se&quard’scher Lähmung, wahrscheinlich mit Durch- trennung der rechten Pyramidenseitenstrangbahn. Im Januar d. J., 15 Jahre nach der Verletzung, wurde er zuletzt nachuntersucht; ein großer Theil der Erschei- nungen war bereits 3 Wochen nach der Verletzung geschwunden; er bot jetzt noch folgende Erscheinungen: Die linke Pupille war weiter als die rechte, der rechte Arm atrophisch, cyanotisch, grobe Kraft bedeutend herabgesetzt, bei Anstrengung klonische Zuckungen; rechts bestand Erhöhung der Reflexe, Hyperästhesie, links Temperatursinnsstörungen. Dies sind die irreparablen Veränderungen, welche dem Ausfall der Funktion der Theile entsprechen, die der Stich durchtrennt hat. Der Fall bestätigt die von Enderlen experimentell gewonnenen Thatsachen, dass die durch Stich oder Schnitt gesetzten Verletzungen der Nervensubstang des Rücken- marks irreparabel sind. Die anfänglichen Symptome sind nicht allein durch die Ausdehnung der Verletzung bedingt, sondern durch die reaktive Quellung, welche sich um die Verletzungsstelle entwickelt; diese Quellung bildet sich zum großen Theil zurück; ein Urtheil über die Ausdehnung der Verletzung lässt sich desshalb erst längere Zeit nach der Verletzung geben.

H. demonstrirt sodann, dass ein Messerstich an der Halswirbelsäule von hinten und seitlich leicht eindringt, dass er an der Brustwirbelsäule nur bei gebückter Haltung in der Richtung von hinten unten nach vorn oben in den Wirbelkanal gelangen und dass er an der Lendenwirbelsäule wieder leichter auch in gerader Richtung eindringen kann, ohne die Knochen zu verletzen.

Der 2. Fall wurde 1894 mit der Wahrscheinlichkeitsdiagnose Tumor der chirurgischen Station des Krankenhauses zugewiesen. Der Kranke gab nachträg- lich an, vor 12 Jahren einen Messerstich erlitten zu haben; vor 2 Jahren hatte er einen Fall vom Gerüst gethan. Symptome von Kompression hatten sich seit 2 Jahren entwickelt; zuletzt bestand Paralyse der unteren Extremitäten bis auf die rechten Zehen. Starke Spasmen mit Steigerung der Reflexe und Anästhesie bis 2cm unterhalb des Nabels beraufreichend. In der Höhe des 9. Brustwirbels fand sich eine Narbe. Vom 8. und 9. Brustwirbel wurden die Bögen resecirt; eine stalaktitenförmige Erhebung an dem einen Wirbelkörper ließ einen Fremd- körper vermuthen; es wurde vergeblich versucht, denselben zu entfernen. Der Kranke starb an den Folgen seines Decubitus. Die Sektion wies eine im 9. Wirbel- körper steckende, von Knochen umwachsene, 1!/a cm lange Messerspitze nach; das Mark ist von der ÖOperationsstelle bis zum Conus herab in eine bandförmige, weiche Masse verwandelt.

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b. Für unser Verhalten bei Frakturen bestehen hinsichtich der Indikation sum operativen Eingreifen noch keine klaren Normen. H. eitirt die Kritik Gold- soheider’s, welche Letzterer an 48 Frühoperationen und 59 Spätoperationen, die aus Chipault’s Statistik zusammengestellt sind, übt und wo er nur bei sehr wenigen Fällen einen Zusammenhang zwischen Heilung resp. Besserung durch die Operation anerkennt. H. hat 4 Fälle nach 3, 14, 22 Tagen, 9 Wochen operirt ; es waren Bogenfrakturen, von denen 2 mit Körperfrakturen komplicirt waren. Alle Verletzte hatten schwere Lähmungserscheinungen. Die Kranken haben bis auf einen den Eingriff gut überstanden, die Rückenmarkssymptome besserten sich nur sum kleinen Theil, die Kranken sind ihrem Leiden nach Wochen resp. Mo- naten erlegen.

H. tritt dafür ein, dass man Bogenfrakturen, bei denen das Mark komprimirt wird, bald operiren soll, um degenerative Processe zu verhüten. Bei Körper- frakturen wird man einige Zeit beobachten, um festzustellen, ob eine Durch- quetschung, eine Blutung oder eine Kompression wahrscheinlich ist; bei Kom- pression soll man den Versuch machen, das Rückenmark operativ von dem Druck su befreien. H. demonstrirt an zahlreichen Präparaten, wie die Kompression bezw. die Durchquetschung gewöhnlich zu Stande kommt; der obere, nach vorn disloeirte Wirbel nimmt das Mark mit nach vorn, so dass es an der vorragenden Kante des unteren, gebrochenen Wirbels komprimirt wird. H. resecirt die Wirbel- bogen immer von einem Längsschnitt aus.

e. Unter der Diagnose Tumor im Rückenmarkskanal hat H. 6mal operirt. In 2'Fällen lag ein Echinococcus vor. Im 1. Falle war derselbe über die Hälfte der Brustwirbelsäule ausgedehnt und lag extradural; es wurden 4 Wirbelbogen re- secirt, nach 2 Tagen trat der Tod ein; der 2. Fall lag günstiger; er betraf einen retropleuralen 9 Wirbelkörper zerstörenden Echinococcus; es wurden mehrfache In- eisionen und Exkochleation gemacht. Später trat deutlicher Gibbus auf, Heilung. In einem 3. Falle deuteten die Wurzelsymptome auf eine Geschwulst in der Höhe des 1. Lendenwirbels; bei der Operation wurde eine solche nicht gefunden, der Kranke wurde gebessert entlassen. In 2 anderen Fällen wurde statt des Tumors Erweichung des Rückenmarks resp. Syringomyelie gefunden. Der 6. Fall ist der 12 Jahre vorher durch einen Messerstich Verletzte.

Außerdem zeigt H. ein metastatisches Carcinom der Halswirbel mit plötzlichem letalem Ausgang, ausgehend von einem Carcinom der Glandula thyreoidea. Diese Kasuistik zeigt die diagnostischen Schwierigkeiten, welche einem erfolgreichen operativen Eingreifen entgegenstehen. Treffen wir auf einen Tumor, so sind die Chancen für dessen operative Entfernung und die Heilung des Kranken ver- hältnismäßig günstige, besonders wenn derselbe extradural liegt und die Dura bei der Operation nicht eröffnet zu werden braucht. Das Vorkommen der extraduralen su den intraduralen Tumoren ist wie 1:2. Da man nach dem Vorgang von Groh durch Abschnürung des Rückenmarks oberhalb der Geschwulst den Ausfluss der Cerebrospinalflüssigkeit verhindern kann und die Tumoren des Rückenmarks meist hinten liegen und gutartige sind, so resultirt daraus für die Operation der Rücken- markstumoren eine bessere Prognose als für alle anderen Operationen am Rücken- mark. Die Höhendiagnose hält H. nach den heutigen Kenntnissen für viel we- niger schwierig als die Feststellung der Art der Erkrankung.

R. Wolf (Berlin).

24) Jaehne. Über diabetische und senile Gangrän. Inaug.-Diss., Jena, 1901.

Das von J. zusammengestellte Material Riedel’s (20 Beobachtungen von seniler, 19 von diabetischer Gangrän) beweist aufs Neue (cf. Heidenhain, Lan- dow, König) die Übereinstimmung beider Formen der Gangrän, in so fern ihre Ursache auf Arteriosklerose beruht, ihre Verschiedenheit, den bösartigeren Cha- rakter der Diabetesgangrän, in so weit das Operationsergebnis bei ihr um 20% schlechter ist als bei der senilen Form (22% :42,2% Heilungen).

400 Centralblatt für Chirurgie. No. 14.

Das Princip, nach dem Riedel operirt, ist das der Entscheidung von Fall zu Fall: Die Absetzung erfolgt an der Stelle, wo die Arterie frei wird; so erwies sich in 2 Fällen die Amputation nach Pirogoff als indicirt (Heilung), in 2 wei- - teren die Unterschenkelamputation etc.

Bemerkenswerth ist die Beobachtung Riedel’s bezüglich des Verhaltens der Art. femoralis; es zeigte sich, dass die arteriosklerotischen Veränderungen meist nur bis zur Durchtrittsstelle durch den Hiatus adductorius bestehen, weiter_ober- halb die Arterie relativ gesund und frei wird.

Nähere Details (Operationsmethoden, Wundbehandlung etc.) sind aus der Arbeit zu ersehen. Gross (Jena).

25) Rigler. Die Aktinomykose in Thüringen. Inaug.-Diss., Jena, 1901.

R. berichtet über 27 während der letzten 8 Jahre an der Jenenser chirurgi- schen Klinik beobachtete Fälle von Aktinomykosis (mit Ausschluss der Aktinomy- kose des Nahrungskanals).

23mal war der Process lokalisirt im Gesicht (Wange, Unterkiefer) und am Hals (6mal Regio trachealis und laryngealis); besondere Beachtung beansprucht eine Beobachtung von Aktinomykose der Speicheldrüsen: die Glandula sub- maxillaris und sublingualis waren hochgradig zerstört mit Perforation ihrer Kapsel und Übergreifen des Processes auf die unterhalb gelegene Halspartie; R. hält eine Invasion des Strahlenpilzes durch die Ausführungsgänge in diesem Falle für sehr wahrscheinlich, weil das Gebiss (im Gegensatz zu der großen Mehrzahl der Beobachtungen) gesund war und >»sich bei der Operation keine nach dem Unter- kiefer zu reichende Fortsetzung der Geschwulst« konstatiren ließ.

Die Bedeutung einer weiteren Beobachtung von Aktinomykose der Zunge hat Verf. nieht genügend hervorgehoben: Ein Landmann erwacht plötzlich Nachts wegen Athombeschwerden in Folge hochgradig geschwellter Zunge; in den nächsten 3 Tagen Ausbildung eines Abscesses etc.

In diesen 24 Fällen, wie noch in einem Falle von Aktinomykose der Bauch- decken wurde Heilung erzielt.

Ein weiterer Pat. mit Aktinomykose des »Rückens« (Fistel oberhalb der Crista ilei) entzog sich vor vollendeter Heilung der Beobachtung; bei einer ausgedehnten Lungenaktinomykose beschränkte sich die Therapie lediglich in Spaltung nach außen erfolgter Perforationen.

In sämmtlichen Fällen dieselbe Behandlung: Eröffnung von Abscessen, Ver- folgung der Gänge etc.; einmal erwies sich Unterkieferresektion als nothwendig. Jodkali in der Nachbehandlungszeit. x

Bei 2 Beobachtungen glaubt Verf. die Möglichkeit einer Übertragung der Aktinomykose vom Vieh auf den Menschen annehmen zu können.

Gross (Jena).

26) Legueu. Deux cas de mort immédiate par rachicocainisation. (Presse méd. 1901. No. 90.)

L. sind 2 Pat. im unmittelbaren Anschluss an die Cocaininjektion, welche nach allen Regeln der Technik gemacht war, gestorben. Beide befanden sich allerdings schon vor der Injektion in sehr üblem Zustand, so dass man glaubte, ihnen die Chloroformnarkose nicht gumuthen zu dürfen.

Bertelsmann (Hamburg).

27) Broeckaert. Prothèse nasale au moyen d'injections de paraffine solide d’apres de procede d’Eckstein. . (Revue hebdom. de laryngol., d’otologie et de rhinologie 1901. No. 49.)

Nach einer Besprechung der seit Gersuny’s Veröffentlichung erschienenen Litteratur hebt Verf. die Vorzüge des Eckstein’schen Paraffins hervor, das sehr rasch nach der Injektion erstarrt, und dessen Resorption gleich Null ist.

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Nachdem er bei einem Pat. versuchsweise 0,5 ccm injicirt und 4 Wochen darauf bei einem Einschnitt in die betreffende Hautstelle konstatirt hatte, dass eine Cystenwand das Paraffin umgab, wendete er diese Methode in 4 weiteren Fällen *“ an, und zwar bei luetischer Sattelnase, bei swei traumatischen Deformitäten und bei einem Falle von Epicanthus, in dem die Hautfalte durch das Paraffin empor- gehoben und so die Entstellung beseitigt wurde. Die Resektion war stets mini- mal, der Erfolg äußerst zufriedenstellend.._ F. Alexander (Frankfurt a/M.).

28) A. Köhler (Berlin. Zur Kasuistik merkwürdiger Schädel- verletzungen. (Charit&-Annalen XXVI. Jahrg. Berlin, Hirschwald, 1902.)

Ein Mann hatte bei einer Schlägerei einen Schlag gegen den Kopf, wahr- scheinlich mit der Krücke eines Stockes erhalten und nicht das Bewusstsein ver- loren, die entstandene Wunde machte nur unbedeutende Beschwerden. Bei näherer Untersuchung fanden sich Hirnpartikel in dieser etwas nach hinten von der Mitte des Scheitels liegenden Hautwunde und ein rundes wie mit dem Locheisen geschlagenes Loch im Schädeldach mit einigen cirkulären und radiären Sprüngen, wie bei einer Schusswunde. In der Tiefe von 5 em lagen Knochensplitter, nach deren Ent- fernung eine heftige Blutung aus dem Sinus longitudinalis auftrat. Auch noch weitere Hirnpartikel so wie Haare und Schmutz wurden entfernt, dann die Höhle locker ausgestopft. Diese füllte sich allmählich in fast 3 Monaten aus; die Narbe pulsirte und es blieb eine runde Lücke in dem Schädelknochen, sonst aber keiner- lei Störung zurück. Nach 1/; Jahre war dies gute Befinden ungestört, später aber konnte der Mann nicht mehr aufgefunden werden. Auffallend war die Dicke des Schädels 1cm an der Stelle der Verletzung. Durch Köhler’s Krani- encephalometer wurde ermittelt, dass die Verletzung wohl den Cuneus oder die erste oceipitale Windung betroffen, das Sehcentrum aber nicht berührt hatte.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

29) Hinsberg. Über den Infektionsmechanismus bei Meningitis nach Stirnhöhleneiterung.

(Aus den Verhandlungen der X. Versammlung der deutschen otologischen Gesell- schaft 1901.)

Während bei den meisten chronischen Empyemen die Fortleitung durch Lücken oder nekrotische Stellen stattfindet, können bei einer kleinen Anzahl chronischer und der Mehrzahl der akuten Eiterungen makroskopische Knochenveränderungen vollständig fehlen; hier nimmt man an, dass die Fortleitung durch die Vasa per- forantia erfolge. Ein klassisches Beispiel für diese Verbreitung bietet der vom Verf. beobachtete Fall: ein Pat., der wegen doppelseitiger Stirn- und Kieferhöhlen- eiterung bisher endonasal erfolgreich behandelt worden war, erkrankte plötzlich mit heftigen Kopfschmerzen, besonders über dem rechten Auge, unter Verschlech- terung des Allgemeinbefindens (Puls und Temperatur dauernd normal). Daher Eröffnung der rechten Stirnhöhle, Entfernung von Eiter und geschwollener Schleim- haut; die cerebrale Wand war vollständig intakt; darauf foudroyante Meningitis; 36 Stunden nach der Op. Tod. Die Autopsie ergab eine starke Eiteransammlung im Subduralraum der rechten, vorderen und mittleren Schädelgrube, weiche Häute nur wenig verändert. Bei der mikroskopischen Untersuchung fanden sich in der Durspartie, die der unversehrten, hyperämischen, knöchernen Stirnhöhlenwand anlag, zwei mit Kokken durchsetzte Rundsellenherde, von denen der eine gegen die Schädelhöhle durch eine dünne Duralamelle abgeschlossen war, der andere dagegen mit ihr frei kommunicirte; Knochengefäße zum Theil thrombosirt; somit war der Infektionsweg nach den Meningen aufgeklärt. Verf. nimmt sicherlich mit Recht an, dass vor der Operation eine umschriebene Meningitis bestand, deren einziges Symptom der Kopfschmers war; die plötzliche und rasche Verbreitung führt er auf eine Sprengung schützender Verklebungen zurück und sieht die Ur- sache hierfür in der Erschütterung beim Meißeln.

F. Alexander (Frankfurt a/M.).

402 Centralblatt für Chirurgie. No. 14.

30) Stenger (Berlin). Bericht über die Ohrenklinik der Kgl Charite, Direktor Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Trautmann, für das Jahr vom 1. April 1900 bis 31. März 1901.

(Charite-Annalen XXVI. Jahrg. p. 252. Berlin, Hirschwald, 1902.)

Im Berichtjahre sind 50 Antrum- und 70 Radikaloperationen ausgeführt worden, seit 1893 im Ganzen 244, bezw. 476 Operationen. Es werden der Klinik von den anderen Stationen fortwährend schwere Fälle unter den verschiedensten Diagnosen überwiesen, z. B. wird vielfach otitische Pyämie anfänglich als Typhus behandelt. Hieraus ergiebt sich, wie wenig Werth gerade der innere Arzt den Ohrkrankheiten als Ausgangspunkt für ernstere Komplikationen beilegt. Solche hatten sich vielfach gezeigt, 11mal subperiostale Abscesse, wovon 2mal mit Senkung nach Hals und Nacken, so dass dort Einschnitte nöthig wurden, 9mal ein extraduraler Abscess. 3 mit Antrumaufmeißelung Operirte starben, 1 an Pneumonie, 1 an Myokarditis, 1 an vorher schon bestandener Meningitis und Sinusthrombose Von den radikal Operirten (10 beiderseitig) starben 10, einer derselben beiderseitig operirt. Dabei wurden mehrfach zum Schluss der Haut- defekte Transplantationen gemacht und die Trichloressigsäure als vortreffliches Mittel zur Beförderung der Epidermisirung verwendet. Größere Operationen am Sinus wurden unter den sämmtlichen Operationen ilmal nöthig, davon 5 mit Aus- gang in Tod. Lühe (Königsberg i/Pr.).

31) Deutschländer. Vorstellung eines Kranken mit Mittelohreiterung, deren Komplikationen (Parotisabscess, extraduraler Abscess am Sinus transversus und Bulbus V. jugularis, Senkungsabscess in das Atlanto- occipitalgelenk) durch mehrfache, tiefgehende, chirurgische Eingriffe beseitigt wurden. (Aus den Verhandlungen der X. Versammlung der deutschen otologischen Gesell- x schaft 1901.) Alles Wesentliche aus der Überschrift ersichtlich. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

32) Preindisberger (Sarajevo). Zwei Fälle von Echinococcus der

Orbita. (Wiener klin. Rundschau 1901. No. 50.)

Verf. giebt 2 interessante Krankengeschichten. In beiden Fällen entwickelte sich bei kleinen Mädchen eine über walnussgroße Echinococeusblase in den Weich- theilen der Augenhöhle ohne Zusammenhang mit dem Knochen zwischen der Bulbusmuskulatur. Schmerzen wurden nicht dadurch hervorgerufen, nur starker Exophthalmus und Sehstörung. Die Therapie bestand das erste Mal in der Total- exstirpation inkl. Bulbus, in der Annahme einer bösartigen Geschwulst; das zweite Mal in der Freilegung, Probepunktion und Extraktion der Mutterblase; Heilung per secundam. Schmieden (Bonn).

33) Mann. Mucocele des rechten Siebbeins. (Aus den Verhandlungen der X. Versammlung der deutschen otologischen Gesell- schaft 1901. Durch endonasale Eröffnung des Siebbeins und Entleerung der Mucocelen- flüssigkeit verschwand sofort die Geschwulst am linken inneren Augenwinkel; der

stark verdrängt gewesene Bulbus kehrte in seine normale Stellung zurück. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

34) Stein. Zur Statistik und Operation der Geschwülste des Ober- kiefers. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2.)

Verf. giebt eine statistische] Arbeit über das Material von Oberkiefer- geschwülsten aus der v. Bergmann’schen Klinik aus den Jahren 1890-1900.

Centralblatt für Chirurgie. No. 14. 403

Überwiegend sind die Carcinome, welche 53mal gegenüber 34 Sarkomen und 14 Epuliden beobachtet wurden. Die letzteren beiden Formen bevorzugen das Alter von 20—40 Jahren, der Oberkieferkrebs das jenseits des 5. Decenniums,. Das Carcinom bevorzugt das männliche Geschlecht, das Sarkom das weibliche. Der Krebs entsteht am häufigsten in der Highmorshöhle, das Sarkom am Alveolar- fortsats. Histologisch sind die häufigsten Geschwülste der Plattenepithelkrebs und das Riesenzellensarkom.

Von im Ganzen 118 Geschwülsten waren inoperabel 31 = 26,2%. Die Zahl der Operationen betrug 87, darunter ATmal Totalresektion des Oberkiefers, 23mal partielle Resektion, 17mal kleinere Eingriffe. 14mal wurde die präliminare Tracheo- tomie ausgefūhrt,į nur imal die Carotis externa unterbunden. Die Prognose der Operation ist trotz Anti- und Asepsis nicht besser geworden als in der vor- antiseptischen Zeit. Manche Autoren nehmen eine Mortalität von ca. 30% an. Nur Krönlein hat eine Sterblichkeit von 2,8%, weil er ohne Narkose operirt und so die durch Blutaspiration herbeigeführte Pneumonie vermeidet. Um diesen grausamen Modus zu vermeiden, aber doch die Gefahren der Aspirationspneumonie möglichst berabzusetzen, empfiehlt Verf. die Carotis externa zwischen Art. thyreoidea superior und Art. lingualis zu unterbinden und dann bei hängendem Kopf in Narkose zu operiren. Bei der von Schlatter vorgeschlagenen Unterbindung an der Theilungsstelle der Carotis soll leicht die Wiederherstellung eines Kollateral- kreislaufs und damit eine neue Blutung erfolgen können. Die Mortalität der in der v. Bergmann’schen Klinik ausgeführten Oberkieferresektionen beträgt 14,8%. Die partielle Oberkieferresektion wurde 23mal vorgenommen mit nur einem Todesfall. Bei richtiger Auswahl kann sie zu guten Dauerresultaten führen. Das Gesammtbild der Dauererfolge ist indessen kein erfreuliches. Das Recidiv nach Totalresektion wegen Carcinom erfolgte im Durchschnitt 3,6 Monate nach der Operation, während der Tod im Mittel nach 11 Monaten eintrat. Keiner von diesen Pat., so weit Antwort erhältlich war, lebt heute noch. Von den mit Sarkom behafteten Pat. sind 6 zur Zeit gesund und recidivfrei. Die partielle Resektion ergiebt eine Dauerheilung von mindestens 3 Jahren in 50% der Fälle, darunter 5 Sarkome und ein Careinom des Oberkieferkörpers.

E. Siegel (Frankfurt a/M.). 35) J. E. Hagen-Torn. Über proliferirende Kiefercysten und über Protesen bei Unterkieferresektion. (Annalen der russ. Chir. 1901. Hft. 5.)

Beschreibung eines lange Zeit hartnäckig recidivirenden Falles. Die 34 Jahre alte Pat. bemerkte die ersten Spuren des Leidens vor 9 Jahren. Im September 1891 wurde die Geschwulst ausgekratzt; im Oktober, November und December 1892 musste die Operation wiederholt werden, Das nächste Recidiv trat 1897 auf; im Oktober wurde die äußere Wand des Knochens entfernt und alles Krankhafte sorgfältig mit dem Löffel ausgeschabt und nach Golowin’s Methode verätzt. Im November und December waren neue Operationen nöthig. Im Februar 1899 machte Prof. Weljaminow die Resektion eines großen Theiles der linken Unter- kieferhälfte.e Die Schleimhaut konnte vollständig genäht werden; es wurde eine Sauer'sche Prothese angebracht. Im weiteren Verlauf stellte sich eine Kommuni- kation zwischen der Wundhöhle und dem Munde her und trat Eiterung auf. Schließlich vollständige Heilung mit gutem kosmetischen Resultat (s. Photogra- phie). Der entfernte Knochen zeigte mikroskopisch ein Bild, das mit dem Bau des Kystoma proliferum glandulare ovarii identisch ist. Verf. spricht sich für die Sauer-Hahl’sche Prothese aus. Gückel (Medwedowka, Kijew).

36) Joh. Liebold. Über Melanosarkome des harten Gaumens, nebst Bemerkungen über das Schwanken der Pigmentbildung in Recidiv- tumoren und Metastasen.

Inaug.-Diss., Leipzig, 1901.

L. theilt zunächst einen Fall von Melanosarkom des harten Gaumens mit, der ihm wegen des jugendlichen Alters des Pat. (junger Mann von 24 Jahren)

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bemerkenswerth erscheint, ferner dadurch, dass sich nach Exstirpation der stark pigmentirten Primärgeschwulst 2 pigmentfreie Lokalrecidive bildeten. Da Pat. sich einer eingreifenden Operation nicht untersiehen wollte, war die radikale Ent- fernung nicht möglich.

Im zweiten Theil seiner Arbeit giebt L. eine Zusammenstellung der bisher beschriebenen Melanosarkome des harten Gaumens (9 Beobachtungen), so wie eine Übersicht über die Melanomlitteratur (Stellung im System der Geschwülste, Her- kunft des Pigments, Genese). Hinsberg (Breslau).

37) L. J. Janowsky. Zur Frage des Lippenkrebses. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 2).

In vorliegender Arbeit ist das Material des Krankenhauses und Ambulatorium Kaiser Nikolaus II. in Kiew verwendet, und zwar im Ganzen 71 operirte und 100 nicht operirte Fälle aus den Jahren 1894—1899.

An 71 Kranken wurden 89 Operationen ohne Todesfälle vollsogen. Die Aus- räumung der submentalen und und submaxillären Drüsen war die Regel. Sie wurde zu Beginn des Eingriffs vorgenommen. Meist wurde Keilexcision und Naht ausgeübt mit gutem kosmetischen Resultat. Dreimal wurde Oberlippenkrebs beobachtet, 68mal Carcinom der Unterlippe. Günstige Resultate wurden in min- destens 49% erzielt. Wenn dieser Procentsats niedriger ist als der an anderen Kliniken, so liegt das an der Intoleranz, mangelnden Einsicht und geringeren Kulturstufe der behandelten Bauernbevölkerung. Gegen frühere Zeiten haben sich übrigens die Erfolge der Operation beim Lippencarcinom wesentlich ge- steigert. Da die Operationsmethoden dieselben geblieben sind, ist die Ursache dafür noch nicht aufgeklärt. Ein 3jähriger Termin gilt für die Beurtheilung des Dauerresultates als genügend. Die meisten Recidive treten im ersten Halbjahr nach der Operation auf. Verf. beobachtete 36mal Recidive bei 23 Pat., am häufig- sten an der Stelle des ersten Erscheinens und in den Submentaldrüsen. Die Zeit- dauer seit Beginn der Erkrankung spielt für das operative Resultat keine große Rolle. Die mehr oder weniger große Bösartigkeit des Carecinoms bestimmt das Dauerresultat. Die Vereinigung aller Lippenkrebsformen in eine Gruppe hält J. für einen Fehler fast aller Statistiken. Eine wesentliche Verlängerung der Lebens- dauer durch die Operation glaubt er den Pat. nicht zusprechen zu können.

Hervorzuheben ist ferner, dass 73% der an Lippenkrebs Erkrankten Feld- arbeiter waren, so dass auf den ersten Blick ein Zusammenhang des Leidens mit dem Beruf nicht von der Hand zu weisen scheint. Indessen zweifelt Verf. bei dem vorliegenden Material doch an der Berechtigung zu solcher Schlussfolgerung. Am meisten neigt die Altersklasse von 60—70 Jahren gur Erkrankung an Lippen- krebs. Hohes Alter ist keine Kontraindikation gegen operative Hilfe. Ja, die besten Resultate wurden gerade bei den älteren Pat. erzielt. Bei Frauen ist die beschriebene Krankheit 10mal seltener als bei Männern.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

38) Eicke. Über den Zungenkrebs und dessen Heilbarkeit auf ope- rativem Wege. Inaug.-Dise., Breslau, 1901.

Bericht über die in den letzten 10 Jahren in der v. Mikulicg’schen Klinik und Privatklinik beobachteten und behandelten 42 Fälle von primärem Zungen- krebs. Hoch dabei war die Betheiligung des weiblichen Geschlechts, nämlich 8 Fälle = 19%. Das Durchschnittsalter der beobachteten Fälle ist 523/4 Jahre, ein verhältnismäßig recht bohes; hoch ist auch das jüngste Alter mit 35 Jahren. Der Einfluss der disponirenden Momente, 'Tabaksgenuss, Potatorium, Zahnoaries, Trauma, Psoriasis und Lues steht im Einklang mit den bisherigen Beobachtungen. Von Interesse ist die Ausdehnung des Krebses zur Zeit der ersten Beobachtung, in so fern die damit Behafteten häufig erst spät ärztliche Hilfe nachsuchen. Da- her kann Ref. auch eine Betheiligung des Mundbodens mit 20 Fällen nicht als

Bat h m Ho om

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eine ungewöhnlich hohe halten. Nur in 14 Fällen war die Zunge allein ergriffen; bei 4 von diesen war der Krebs aber auch so groß, dass die Operation große Substanzverluste der Zunge bedingte. Von der Nachbarschaft waren der Kiefer 6mal, Gaumengebilde 9mal (= 28%), vereinzelt Wangenschleimhaut, Kehlkopf und seitliche Rachenwand ergriffen.

Aus der Symptomatologie seien hier nur die blitzartig auftretenden nächt- lichen Schmerszanfälle, und von der Erkrankung der Drüsen nur die isolirte Be- theiligung der Glandulae cervicales profundae inferiores hervorgehoben, wodurch die Beobachtung Küttner’s bestätigt wird, dass von der Zunge eine direkte Verbindung zu diesen Drüsen besteht. Bei der Besprechung der Diagnose wird in zweifelhaften Fällen vor einer zu langdauernden Anwendung einer antiluetischen Kur gewarnt, da neben einer syphilitischen Anfangs gut beeinflussbaren Affektion ein Careinom bestehen kann.

Was die Behandlung betrifft, so wurden bei inoperablen Fällen Diphtherie- und Erysipelseruminjektionen versucht, ohne Erfolg. Für die Operation wird die vorhergehende Unterbindung der Arteria lingualis empfohlen. Bei der Exstir- pation hat sich in der Mehrzahl der Fälle die temporäre Durchtrennung des Unterkiefers nach Langenbeck oder modifieirt als nothwendig herausgestellt. In 2 Fällen wurde der aufsteigende Kieferast nach Braem resecirt. Von den 32 Operirten starben 3; 25 wurden geheilt entlassen, 4 waren nicht vollständig operirt. Letstere starben 21/,—6 Monate nach der Operation. Von den 25 geheilt Entlassenen konnten 19 weiter beobachtet werden; 14 starben davon noch in der Zeit bis über 2 Jahre. 5 Fälle sind länger als 21/, Jahre recidivfrei geblieben, so- mit als geheilt anzusehen. Von den geheilten Fällen betrifft ein großer Theil Frauen; vielleicht dass eine relative Gutartigkeit der Zungenkrebse beim weib- liehen Geschlecht eben so gut besteht wie eine gewisse Immunität.

Moser (Zittau).

39) N. N. Poroschin. Ein festes Lipom im pharyngolaryngealen Raum. Pharyngotomia subhyoidea. (Wratsch 1901. No. 48.)

Der 25 Jahre alte Soldat leidet seit einem halben Jahre an Behinderung des Sprechens und Schlingens. Wealnussgroße Geschwulst scheinbar in der Plica glossoepiglottica.. 26. Märs Tracheotomie, 6. April Pharyngotomie nach Mal- gaigne. Am 25. April zeigte es sich, dass der größte Theil der Geschwulst zurückgeblieben war: an der linken Seite der Epiglottis sitzt ein kleinorangen- großes Stück. 21. Mai neue Pharyngotomie nach Rosenbaum-Lacour; Haut- schnitt 11 cm lang. Die an einem 11/, fingerdicken Stiel sitzende Geschwulst 4,5><3,5 cm groß wird entfernt. 18. Mai geheilt entlassen.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

40) A. von zur Mühlen. Ein Fall von operativ geheilter subglotti- scher Narbenstenose. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 2.)

Bei einem 18jährigen Mädchen hatte sich nach einer 14 Jahre vorher aus- geführten 'Tracheotomie eine fast circuläre, wallartige, zum Centrum hin sich ver- schmälernde Narbe gebildet, durch die die unter den Stimmbändern befindliche Liehtung des Kehlkopfs vorn und zu beiden Seiten so eingeengt war, dass in der Mitte ein nur wenige Millimeter (3) breiter und etwa 8 mm langer Spalt blieb. Es wurde erst die Tracheot, infer. gemacht und 3 Wochen später die Thyreotomie und Excison der Narbe. Primäre Vereinigung der Wunde. Entfernung der Kanüle 2 Tage später. Völlige Heilung 1 Jahr später.

Verf. warnt davor, Schornsteinkanülen zur Nachbehandlung einzulegen oder Tampons einzuführen, da der Kehlkopf gegen derartige Irritationen besonders empfindlich zu sein und mit Granulationsbildung zu reagiren scheint.

Borchard (Posen).

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41) v. Hacker. Resektion der Luftröhre mit primärer eirkulärer Naht wegen hochgradiger ringförmiger Narbenstriktur. Idee einer halb- seitigen Laryngoplastik.

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)

In dem von Verf. operirten Fall handelte es sich um einen 21jährigen Mann, dem durch einen Beilhieb die Luftröhre unter dem Kehlkopf völlig quer durch- trennt worden war. Aufnahme nach 3 Monaten wegen Athemnoth. Wunde bis auf eine Fistel verheilt, oberhalb der Fistel ist die Luftröhre bis auf eine feinste Ofinung verschlossen. Tiefe Tracheotomie, dann Radikaloperation:: quere Durch- trennung der Trachea in der Narbe. Resektion von !/,cm am unteren, von 2cm am oberen Querschnitt, Anpassung der beiden resecirten Enden und Vereinigung derselben durch Katgut-Knopfnähte. Peritracheale Übernähung. Einführen von Gazestreifen. Hautnaht. Verlauf komplieirt durch Bronchopneumonie und Auf- treten einer Luftröhrenfistel, dann vollständige und dauernde Heilung.

Außer in Verf.s Fall ist die Resektion und Naht der Luftröhre erst 3mal ausgeführt worden. Die Erfahrungen, die sich aus diesen Fällen ergeben, werden dahin zusammengefasst, dass bei hochgradigen circulären Narbenstrikturen der Luftröhre das beste Resultat durch Ausschneidung der verengten Stelle und direkt angeschlossene Kreisnaht der Enden zu erreichen ist. Die Exeision findet in der Regel am zweckmäßigsten in Ringform statt. Die Naht erfolge mittels durch- greifender Katgutnähte; außerdem sind vortheilhafterweise auch peritracheale Stütznähte anzulegen. Die Operation findet entweder bei hängendem Kopfe oder in sitzender Stellung (Tamponkanüle) statt; ersteres ist besonders dann vorzu- ziehen, wenn eine Tracheotomie unterhalb der Operationsstelle unmöglich ist. In der Nachbehandlung soll der Kopf längere Zeit nach vorn fixirt werden. An- schließend wird noch kurz das Projekt besprochen, bei halbseitiger Kehlkopf- exstirpation eine Laryngoplastik durch Hinaufnähen der mobilisirten und bajonett- förmig angefrischten Luftröhre auszuführen. Honsell (Tübingen).

42) H. Pankoast. Cervical rib. (Univers. of Pennsylvania med. bulletin 1902. Januar.)

Bei einem 15jährigen Mädchen, welches seit 1/2 Jahr an Schmerzen oberhalb der Mitte des linken Schlüsselbeins und im linken Arm litt, fand sich über dem Schlüsselbein eine pulsirende Geschwulst und unterhalb dieser ein knöcherner Vorsprung, der unbeweglich und sehr druckschmerzhaft war. Im Röntgenbild seigte sich an dieser Stelle eine Halsrippe. Bei der Operation ergab sich, dass die abnorm hoch liegende A. und V. subclavia in 2 Rinnen über die Halsrippe hinweg gespannt verliefen. Die nur theilweise verknöcherte Rippe entsprang vom 7. Halswirbel; ihr distales Ende war fest mit der ersten Rippe vereinigt. Nach Resektion der Cervicalrippe sanken die Gefäße in ihre normale Lage hinab. Hei- lung p. p. 14 Tage nach der Operation bestanden nur noch bei Armbewegungen Schmerzen. (1 Röntgenbild.)

Die durch Halsrippen verursachten Drucksymptome können Gefäße und Nerven betreffen: Aneurysmen und Thrombosen der Subelavia mit ihren Folgen für die Extremität, ausstrahlende Schmerzen, Gefühl von Taubheit und Schwäche im Arm. Verwechslungen können vorkommen besonders mit ÖOsteomen der ersten Rippe. Halsrippen finden sich häufiger beiderseitig als einseitig; fast immer ist nur ein Paar vorhanden. Die hintere Artikulation findet gewöhnlich mit dem 7. Hals- wirbel statt. Halsrippen entstehen entweder aus ungewöhnlich entwickelten Rudi- menten des Processus transversus anterior des 7. Halswirbels oder aus abnorm entwickelten Epiphysenauswüchsen, die mit dem Querfortsatz des 7. Halswirbels ertikuliren. Im ersteren Falle kommen alle Übergänge von ganz kursen Stum- meln bis zu völlig ausgebildeten, mit der ersten Rippe oder dem Manubrium sterni artikulirenden Rippen vor. Eine entsprechende Interkostalmuskulatur kann gang oder theilweise ausgebildet sein; die Scaleni entspringen von der Halsrippe oder der ersten Rippe. Die großen Gefäße können über oder unter der Halsrippe

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verlaufen. Zwischen überzähligen Halsrippen und den sog. bicipitalen, zwei- gespaltenen Rippen bestehen nahe Beziehungen, eben so finden sich häufig bei Halsrippen gleichzeitig Abnormitäten in den untersten Rippen des Brustkorbs, besonders mangelhafte Entwicklung. Mohr (Bielefeld).

43) Kilian (Worms). Entfernung einer Fischgräte aus dem linken Bronchus eines 3!/,jährigen Kindes vom Munde aus mittels der direkten oberen Bronclıoskopie.

(Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 52.)

Die Fischgräte stak seit 11 Wochen und wurde unter direkter Kontrolle des Auges mit einem Häkchen entfernt. Das übrige Wissenswerthe des Falles sagt die Überschrift. Borchard (Posen).

44) Craig (Lowes Lake, Calif). Remarkable shot-gun wound of the thoracic cavity followed by recovery. (Occid. med. times 1901. December. p. 430.)

Die hier gebrachte Krankengeschichte ist in der That »remarkable«. Ein Farmer verletzte sich selbst durch Schrotschuss an der Brust: Einschuss 5 cm linke von der Mittellinie in Höhe der 6. Rippe, von dieser fehlen 5 cm, Ausschuss in Höhe der 5. Rippe in der Achsellinie, Vorfall des unteren Lappens der linken Lunge aus der Eintrittswunde, der desinfieirt und dann zurückgeschoben wird. Durch die große Öffnung sieht man nun die Zusammengziehungen des Herzens und vermag auch das Bruchstück der Rippe, das gegen die hintere Brustwand geschleudert war, zu entfernen; die ganze Lunge war völlig zusammengesunken. Um neuerem Lungenvorfall zuvor zu kommen, wird die Hautwunde genäht. Es begann dann erhebliche Eiterung und allmähliche Abstoßung der ganzen rechten Lunge in mehr oder weniger großen Fetzen. Zur Ausfüllung des Raumes dehnte sich die gesunde Lunge zwar aus, auch fiel der Brustkorb beiderseits erheblich ein, allein es blieb doch eine sehr große Höhle zurück. Um diese gu schließen, bedurfte es einer ausgedehnten Rippenresektion ähnlich der Estlander’schen Operation, wonach die Höhle allmählich kleiner wurde. 4 Monate nach der Ver- letzung war die Heilung abgeschlossen, beide Wunden verheilt. Der Verletzte fühlt sich wohl, vermag jedoch nicht körperliche Arbeit zu verrichten.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

45) Garrö und ©. Sultan. Kritischer Bericht über 20 Lungenopera- tionen aus der Rostocker und Königsberger Klinik. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXIL Hft. 2.)

Verff. geben einen kritischen Überblick über sämmtliche Fälle von Lungen- chirurgie, welche in den letzten 5 bis 6 Jahren in der Königsberger (v. Eisels- berg) und Rostocker Klinik (Garr&) operirt worden sind. 16mal handelte es sich um Echinokokken. Meist konnte mit dem Durchbruch des Echinococcus in die Bronchien eine sichere Diagnose gestellt werden. Ein Durchbruch in die Pleura ist trotz des oft eigenartigen Bildes der Pleuritis weniger geeignet, die Diagnose zu fördern. Für die Behandlung kann nur die Pneumotomie in Betracht kommen. Probepunktionen sind wegen der Gefahr einer allgemeinen fibrinösen Pleuritis zu vermeiden. In Fällen, wo es zweifelhaft ist, ob Lungenbasis oder Leberkuppe den Sitz der Erkrankung bilden, wird der transpleurale Weg empfohlen. Um die Lokalisation eines Lungenherdes festzustellen, ist die direkte Betastung der Lunge der Tuffier’schen transpleuralen Exploration entschieden vorzuziehen. Bei großen Eiterhöhlen in der Lunge können ausgedehnte Rippenresektion und Resektionen von Lungengewebe nöthig werden. Indurirte oder vereiterte Lungen- theile bleiben so wie so funktionsunfähig und stören nur die Wundheilung.

Von 5 Lungenabscessen sind 4 geheilt, ein Fall, welcher durch Empyem kom- plicirt war, und wo multiple Abscesse vorlagen, hat tödlich geendet. In 6 weiteren

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Fällen war Gangrän vorhanden, davon starben 2 an Blutung resp. an schwerem komplieirendem Empyem mit chronischer Pneumonie. Viel ungünstiger gestalteten sich die Resultate bei bronchiektatischen Abscessen und Kaverxen ‘(5 Fälle, davon 4 gestorben), und Verf. werfen daher die Frage auf, ob es bei solchen chronischen Bronchiektasien nicht besser sei, auf die Pneumotomie zu verzichten und nur den Collaps der Lunge durch Rippenresektion zu erstreben.

Bezüglich der Einzelheiten der durchweg sehr interessanten und eingehend erörterten Krankengeschichten sei auf das Original verwiesen.

Honsell (Tübingen).

46) Troussaint. Accidents graves produit par le Sarcopsylla pene- trans (Puce chigue) et leur ressemblance avec l'ulcère phagédénique des pays chauds.

(Arch. de méd. et de pharm. milit. 1902. Januarheft. p. 41.)

T. hat bei 6 aus Madagascar zurückkehrenden arabischen Arbeitern an dem inneren Fußrande und an der Fußsohle in deren Höhlung 5—7 om große miss- farbige Geschwüre gesehen, welche den bekannten phagedänischen Geschwüren der Tropen außerordentlich ähnlich waren, sich aber durch das Nichtvorhanden- sein des Vincent’schen Bacillus von diesen unterschieden. Dagegen fanden sich stets zahlreiche Eier des Sandflohs Sarcopsylla penetrans; nur in einem Falle fehlten die Eier, es wurde dafür aber mit einem linsengroßen weißen Körper der Vordertheil des Tbieres mit sahlreichen Eiern gefunden (offenbar also wohl der bekannte Eiersack unter dem Bauche des Thieres; Ref.). Besonders auffallend war die sehr erhebliche Schmerzhaftigkeit des Geschwürs und der eigenthümliche Gestank desselben, welcher wohl an den Eiern zu haften scheint, Bei mehreren der befallenen Leute fanden sich auch die weit häufigeren Onychien an Füßen und Händen. Die Behandlung mit Sublimatwasser 1:1000 führte rasch zur Hei- lung, je nach der Tiefe und Ausdehnung des Geschwürs.

T. macht darauf aufmerksam, dass leicht dureh die barfußgehenden arabischen Arbeiter das Insekt von Madagascar in Algerien eingeschleppt werden könne, welches bisher davon frei gewesen sei. Lühe (Königsberg i/Pr.).

47) Honsell. Über Alkoholinjektionen bei inoperablen Angiomen. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 1.)

Schwalbe hat zuerst die methodische Injektion von Alkohol bei Gefäß- geschwülsten empfohlen. Obwohl er über gute Resultate zu berichten hatte, liegen sur Zeit nur über die Behandlung des Rankenangioms mit Alkoholinjektionen günstige Berichte vor. Über einen von Dandois durch die genannte Methode sur Heilung gebrachten Fall von gewöhnlichem Angiom fehlen nähere Details.

In der Bruns’schen Klinik wurde eine Pat. mit vorsüglichem Erfolg be- handelt, die ein inoperables und progredientes Angiom besaß, das die ganze linke Halsseite, die Regio parotidea und die Wange einnahm. Es wurden täglich 1—2—3 com zuerst 50%igen, später 70%igen Alkohols injieirt. Zuerst wird die Geschwulst in einem Abstand von 1 em mit Injektionen umkreist, wobei die In- jektionsstellen 1/a cm von einander entfernt bleiben, sodann wird weiter nach der Geschwulstmitte zu ein 2. Injektionskreis angelegt eto. Um nicht in ein Gefäß hinein zu injieiren, wird zuerst die Kanüle ohne die Spritze eingestochen. Die Injektionen bewirken entzündliche Infiltration mit nachfolgender Narbenschrum- pfung der perivasculären Interstitiien. Die Schrumpfung bewirkt Konstriktion und Obliteration der Gefäße. Der von H. mitgetheilte Erfolg wird gewiss zu weiterem Vorgehen in dieser Richtung anregen. Bertelsmann (Hamburg).

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Originalmittheilungen, Monographien und Separstsbdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage- handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel i in Leipzig.

Gentralblatt CHIRURGIE

E. vun Bergmann, F, Kinig, E, Richt,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

E Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumerstion. Zu bezieben durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 15. Sonnabend, den 12. April. 1902.

Inhalt: W. Sykow, Ein weiterer Beitrag zur Entwicklung der Frage der Kniegelenks- resektion. (Original-Mittheilung.)

1) Gersuny, Zur kleinen Chirurgie. 2) Bum, Massage und Heilgymnastik. 3) Rossi, 4) Martens, Knochenbrüche. 5) Möhring, Gelenkneurosen und Gelenk- neuralgien. 6) Dujarler, Amputation. 7) Tavel, Durchwanderungsperitonitis. 8) Signard, Appendikektomie.

9) Roehrig, Rachen- und Speiseröhrenverschluss. 10) Braun, Speiseröhrenresektion. 11) ito und Orni, Ascites. 12) Brothers, 13) Huber, Appendicitis. 14) Gibbow, 15) Wikerhauser, Coecalbruch. 16) Bähr, Außerer Schenkelbruch. 17) Schloffer,

18) Wiesinger, Zur Magenchirurgie. 19) Lipscher, Tuberkulöse Pylorusstenose 20) Sheen, Meckel’sches Divertikel. 21) Stierlin, 22) Gage, Darmverschlus. 23) Pozza, Invagination. 24) Nehrkorn, Chronische Dysenterie.e. 25) Wiesinger,

Darmausschaltung. 26) Mankowskl, Gleichzeitige Tuberkulose und Krebs des Mast- darms. 27) Henle, Mastdarmvorfall. 28) v. Mosetig-Moorhof, Ikterus durch Pan- kreatitis. 29) Simmonds, Pankreaszerreißung. 30) Pels Leusden, Zur Pankreas- chirargie. 31) Smoier, Mesenteriale Lympheyste. 32) Orlow, Elephantiasis. 33) Manteufel, Peniscarcinom. 34) Lauwers, Urethrotomia interna. 35) Le Clerc- Dandoy, Bottini’sche Operation. 36) Goodfellow, 37) Macias und Gonzales, Prostat- ektomie. 38) Dohrn, Blasensteine. 39) Luys, Instrument zum gesonderten Anf- fangen des Nierensekrets. 40. v. Illy&s, Harnleiterkatheterismus und Skiagraphie. 41) Sutor, Teleangiektasie des Nierenbeckens. 42) de Quervain, Nierenverletzung. 43) le Dentu, Nierenkrebs. 44) Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie. 45) Wiker- hauser, Haruleiterkompression nach Ampntatio uteri. 46) Lodi, Struma der Neben- niere in Eierstöcken. 47) Aronheim, Kuochenabscess. 48) Jacoel, Klammer zur Knochennaht. 49) Goidthweit und Pointer, Schulterhochstand. 50) Romm, Ele- phantiasis der Hand. 51) Honsell, Fibromyoangiom des Muskels. 52) Hübscher, Kniescheibenankylose. 53) Milbradt, Knochenbruch durch Muskelzug.

Ein weiterer Beitrag zur Entwicklung der Frage

der Kniegelenksresektion. Von Dr. W. Sykow, Assistent an der chirurg. Hospitalklinik in Moskau. Bei der Behandlung des tuberkulös erkrankten Kniegelenkskomnien zwei Methoden zur Anwendung, die operative und die konser- vative. Die Grundzüge der letzteren, Ruhe und Streckung, werden

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noch bis auf den heutigen Tag angewandt, wobei die Pat. selbst instinktiv die Streckung mit Hilfe des gesunden Beines ausführen. Es ist richtig, dass man durch die konservative Behandlungsmethode bessere Resultate bezüglich der Form der Extremitäten und der Funk- tion derselben erzielen kann, als durch eine ‘Operation; aber erstens . dauert diese Methode sehr lange, 3-—-4 Jahre, zweitens gehören zu derselben besondere hygienische und klimatische Bedingungen, welche in Anbetracht socialer Verhältnisse nicht immer ausführbar sind, drittens endlich ist der Erfolg nicht immer sicher (es kann Eiterung eintreten).

Was die Resektion be- trifft, halten wir das Re- sultat derselben für be- friedigend, wenn eine vollständige Verlöthung der Knochenenden ein- getreten ist, wenn wir kein Genu valgum oder varum erhalten, wenn die Extremität unter nur ge- ringem Winkel steht, und wenn die Verkürzung derselben nicht mehr als 3—4 cm beträgt; eine größere Verkürzung ver- unstaltet die Extremität und den Gang, selbst bei Anwendung entsprechen- der orthopädischer Hilfs- mittel.

Nachdem ich mit Er- folg die Autoplastik des Knochengewebes zum Ersatz eines Knochende- fekts im mittleren Theile des Unterkiefers versucht hatte!, machte ich im oa vor. Jahre den Versuch, die von mir vorgeschlagene Methode zum Ersatz von Knochendefekten auch bei Kniegelenksresektionen auf ihre praktische Verwendbarkeit zu prüfen, in der Hoffnung, auf diese Weise einer beträchtlichen Verkürzung der operirten Extremität vorzubeugen.

Ich rechnete in diesem Falle, wie auch in dem früher beschrie- benen, auf die Bildung der sogenannten intermediären oder angebo-

; n t Sykow, Zur. Frage der Knochenplastik am Unterkicfer. Oentralblait für Chirurgie 1900. No. 35. ;

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genen Knochenschwiele, deren Bildung, wie wir wissen, erleichtert wird durch Einbringen eines Fremdkörpers zwischen zwei Knochen- marksenden. Es ist natürlich klar, dass dieser. Fremdkörper erstens von demselben Organismus genommen sein muss, zweitens aus Elementen des Knochengewebes bestehen und endlich dass er aseptisch sein muss; sonst wird er vermittels Eiterung aus den ihn umgeben- den Theilen einfach eliminirt.

Die Kranke, W.8., 18 Jahre alt, ist sehr heruntergekommen, da sie seit ihrer Kindheit an typischer Tuberkulose des Kniegelenks leidet. Nachdem die konser- vativre Behandlung (Röntgenbild), welche aus entsprechenden hygienischen Maß- regeln, Anschneidung der Sehnen und permanenten Verbänden bestand, erfolglos geblieben war, wurde die Kniegelenksresektion gemacht. Zum Ersatz des entfernten Gelenks hatte ich aus dem unteren Dritttheil des Oberschenkels ein Stück derartig ausgesägt, das nur die hintere Wand zurückblieb. Der auf diese Weise erhaltene Knochenhalbring wurde an Stelle der entfernten Knochenenden eingefügt und plastisch mit Periost vom Oberschenkel bedeckt. Die Extremitäten sind von fast gleicher Länge, die Pat. begann nach 3 Monaten gu gehen; ein nach einem Jahre aufgenommenes Röntgenbild zeigt vollständige Verlöthung der Knochenenden; die Kranke geht frei und hat sich sehr erholt.

1) R. Gersuny. ‚Alltägliches in der kleinen Chirurgie. (Wiener med. Presse 1902. No. 2.)

In diesem außerordentlich lesenswerthen Vortrage bespricht G. zunächst die Behandlung des Furunkels und Karbunkels. Bei letzterem empfiehlt er radiäre Incisionen, die an der Peripherie bis ins Ge- sunde reichen, in der Mitte aber nicht zusammentreffen. Dann nimmt man einen scharfen Löffel von entsprechender Größe und geht von den verschiedenen Incisionen ein, zerwühlt das ganze kranke Ge- webe und reißt möglichst viel davon heraus. Durch jeden Schnitt werden Gazestreifen geführt.

Bei der Furunkulose der Kinder empfiehlt es sich, sämmtliche Abscesschen auf einmal mittels spitzen Skalpells zu eröffnen. Auch beim Panaritium ist ein möglichst frühzeitiges Vorgehen, wenn mög- lich unter Anwendung lokaler Anästhesie angezeigt. Tiefer liegende Abscesse werden nach einer kleinen Hautincision mit der Lister- schen Drainzange eröffnet. Diese leistet auch bei der Eröffnung retropharyngealer Abscesse bei Kindern sehr gute Dienste. Das beste Mittel gegen die Schmerzen bei frischen Verbrennungen ist der Alkohol. Auch bei Intertrigo genügen Waschungen mit Alkohol zur Heilung. Beim eingewachsenen Nagel wird entschieden zu häufig operirt. Meist genügt ein kleiner, unter die Nagelecke untergescho- bener Wattetampon, um die Haut vom drückenden Nagelrande ab- zudrängen. Bei der Behandlung des Erysipel empfiehlt G. die Haut bis handbreit über die sichtbaren Grenzen: des Rotblaufs hinaus mit Siecativ zu bepinseln, die ganze Fläche dann mit Guttapertschapapier zu bedecken und darüber einen leichten Bindenverband zu legen. Weit mehr.als die. Hälfte der von G. beobachteten, so behandelten

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Fälle zeigte danach ein überraschendes Verhalten: Der Schmerz hörte auf und die Temperatur fiel von ihrer meist großen Fieberhöhe binnen wenigen Stunden bis zur Norm, um von da an normal zu bleiben. Es fand dem entsprechend kein weiteres Fortschreiten des Erysipels mehr statt; nach 4 Tagen wurde der Verband dauernd ent- fernt. P. Wagner (Leipsig).

2) Bum. Handbuch der Massage und Heilgymnastik für praktische Arzte. 3. Auflage. Wien, Urban & Schwarzenberg, 1902.

Verf. erblickt in dem Nothwendigwerden einer dritten Auflage seines Handbuches innerhalb eines Lustrums den Beweis eines er- folgreichen Mitarbeitens an der Entwicklung der Mechanotherapie, und er darf sich in der That dieses Erfolges rühmen. Die neue Auflage soll auch weiterhin dazu beitragen, die Mechanotherapie zum Gemeingut des praktischen Arztes zu gestalten. Durch Berück- sichtigung der neuesten Fortschritte in wissenschaftlicher und tech- nischer Hinsicht im Sinne des Verf. hat das Buch wiederum eine Vermehrung erfahren. Auch wurde das mit Sorgfalt zusammen- gestellte Litteraturverzeichnis revidirt und nach dem neuesten Stand der Disciplin ergänzt. J. Riedinger (Würzburg).

3) B. Rossi. Experimenteller Beitrag zur Frage der Be- handlung von Knochenfrakturen. (Wiener med. Presse 1902. No. 4.)

Verf. hat im Münchener pathologisch-anatomischen Institut eine experimentelle Arbeit über Knochenbrüche in Form einer Reihe von vergleichenden Untersuchungen an Thieren begonnen, um den Hei- lungsprocess bei verschiedenen therapeutischen Methoden kennen zu lernen. Aus dem klinischen Verlauf und der mikroskopischen Unter- suchung der Bruchstellen ergab sich übereinstimmend, dass Massage und frühzeitige Mobilisation in der Hand des Chirurgen mächtige Handhaben sind, um eine möglichst rasche knöcherne Callusbildung zu bewirken.

Verf. präcisirt dahin: Massage und Mobilisation sind für die Therapie jener Frakturen geeignet, die ohne Dislokation der Frag- mente einhergehen und für jene Fälle, wo man die Anlegung von temporären Apparaten mit methodischer Massage verbinden kann.

Massage und frühzeitige Mobilisation sind zweifellos für die Mehrzahl der artikulären und periartikulären Frakturen, die ohne Dislokation einhergehen, geeignet. Massage wird sich schließlich manchmal auch der Traktionskur zugesellen können, wenn kein die Bruchstelle völlig deckender Apparat zur Anwendung gelangt. In den Fällen von Fraktur mit Dislokation wende man möglichst bald die Massage an, d.h. schon zu einer Zeit, wo die Fragmente bereits so stark zusammenhängen, dass die Gefahr einer erneuten Dislokation nicht vorliegt. P. Wagner (Leipzig).

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4) Martens (Berlin). Über die Naht bei frischen Knochen-

brüchen. (Aus der chirurgischen Universitätsklinik.) (Charit&-Annalen XXVI. Jahrgang 1900/01.) Berlin, August Hirschwald, 1902.

Wenn auch das Skiagramm nur ein mangelhaftes Aneinander- liegen der Bruchenden zu erkennen giebt, so ist doch die Thatsache nicht zu bestreiten, dass trotzdem der funktionelle und kosmetische Erfolg sehr gut sein kann. Daher ist im Allgemeinen die Neigung zum Anlegen von Knochennähten nicht sehr groß, auch nicht in der Klinik König’s.. Für die Behandlung einen wesentlichen Unter- schied zwischen einfachen und geschlossenen Brüchen zu machen, liegt an sich keine Veranlassung vor; Beherrschung der Asepsis ist immer Voraussetzung und wird man nöthigen Falls auch einen Ein- schnitt nicht scheuen. Trotzdem wird w. g. von König nur selten zur Naht geschritten, selbst bei Kniescheibenbrüchen; in den letzten 6 Jahren nur 15mal stets an offenen Brüchen und nur wenn die Bruchstücke nicht an einander gebracht werden konnten, zumal wenn auch die seitlichen Ausstrahlungen der Quadricepssehne zerrissen waren. Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Olecranon, das nur 2mal genäht wurde. Unangenehm ist hierbei, dass die Nähte leicht ausreißen. Doch fand stets gute Vereinigung statt.

4mal wurde die Naht des Unterkiefers vorgenommen, wo Neigung zur Verschiebung vorlag und die meist ausreichenden Sauer’schen Interdentalschienen nicht genügten. Nicht einmal die »Flötenschnabel- brüche« des Unterschenkels bedürfen sämmtlich der Naht, welche nur 5mal gemacht wurde, und zwar immer an offenen Brüchen, 2mal als letzter Versuch konservativer Behandlung, der fehlschlug, so dass die Absetzung doch noch nöthig wurde. Gerade für die Unter- schenkelbrüche gilt der Eingangs erwähnte Satz bezüglich Erzielung guter Leistungsfähigkeit bei scheinbar schlechtem Röntgenbild. Bei Schenkelhalsbrüchen kommt man mit Extensionsverband aus; zu- gehende Pseudarthrosen werden mit Nagelung oder Exstirpation des Schenkelkopfes behandelt.

Als eine besondere Anzeige der Naht muss Druck eines Bruch- stückes auf Nerven oder Gefäße angesehen werden. Besonders kommt dies an Schlüsselbein und Wadenbein (Peroneus) in Frage. Bei einem Oberarmbruch war ein Bruchstück so verschoben, dass es auf den Radialis drückte und völlige Lähmung veranlasste. Es wurde ent- fernt und die Bruchenden genäht, aber vorläufig ohne Wiederher- stellung der Funktion des Nerven. Zuweilen kann auch die Gussen- bauer’schen Klammer gute Dienste leisten.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

5) C. Möhring. Gelenkneurosen und Gelenkneuralgien. (Zeitschr. für orthop. Chir. Bd. IX. Hft. 4.) Verf. bespricht die Unterscheidungsmerkmale zwischen Neuralgie und Neurose und kommt alsdann auf die Krankheitsbilder an den

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Gelenken zu sprechen. Unter Berücksichtigung der in der Litteratur niedergelegten Erfahrungen wird besonders die Symptomatologie der Gelenkneurose einer eingehenden Erörterung unterzogen. In klarer Darstellungsweise verbreitet sich Verf. hierbei über die Schwierig- keiten, die sich der Diagnose entgegen stellen können, über die Be- ziehungen der Neurosen zur Hysterie und zum Trauma, so wie über die Abhängigkeit der Krankheitsbilder von anderweitigen Erkran- kungen. Den Schluss bilden 10 kasuistische Mittheilungen von Gelenkneurose aus der Beobachtung theils von Prof. Riedel in Jena, theils von Dr. Möhring in Kassel. J. Riedinger (Würzburg).

6) Dujarier. Amputation des membres. Procédé circulaire à fentes latérales. | (Presse med. 1901. No. 104.)

D. empfiehlt bei Gliedamputationen, die Haut cirkulär zu durch- schneiden, stark zurückzuziehen, am Hautrand dann die Muskeln zu durchschneiden. Darauf wird ein Messer oberhalb dort auf den Knochen eingestochen, wo man denselben durchsägen will. Die Spitze am Knochen, wird das Messer bis zu dem Zirkelschnitt hinunter durch das Gewebe geführt. Derselbe Vorgang wird an der diametral gegenüberliegenden Seite des Gliedes wiederholt. Es ent- stehen so zwei Hautmuskellappen, die man leicht bis zu dem Punkte vom Knochen ablösen kann, wo man diesen durchsägen will. Die Lappen müssen so angelegt werden, dass ihre seitlichen Schnittflächen die großen Gefäße nicht kreuzen. Bertelsmann (Hamburg).

1) E. Tavel. Durchwanderungsperitonitis. (Korrespondensblatt für Schweiser Ärzte 1901. No. 20.)

An der Hand von 7 klinischen Beobachtungen von operirten incarcerirten Hernien und Ileusfällen betont Verf. die Wichtigkeit der Läsionsinfektion des Bauchfells neben der hämatogenen und der Implantationsinfektion und versteht darunter die Durchwanderungs- peritonitis als Folge von Eintrocknung des Bauchfells, von chemi- schen Schädigungen durch starke Antiseptica, von Wunden des Peritoneums. Er warnt daher vor der streng durchgeführten trocke- nen Asepsis und empfiehlt für die feuchte Asepsis die Kochsalz-Soda- lösung (71/2/99 Kochsalz, 2'/2°/ Natr. carbon. calcinat.).

P. Stolper (Breslau). 8) Signard. De l’appendicectomie sous-sereuse. (Revue de chir. 1901. No. 12.)

Die Forderung, bei Operationen wegen Appendicitis den Wurm- fortsatz mit zu reseciren, lässt sich nicht immer erfüllen, es sei denn, dass man durch Zerreißung abgrenzende Verwachsungen des Bauch- fells waghalsig gefährden will.

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Der Zufall ist Poncet zu Hilfe gekommen, das Problem der Resektion des verwachsenen Wurmfortsatzes in einfacher Weise zu lösen. Bei dem Versuch, eine stark verwachsene Appendix zu be- freien, blieb nach Durchtrennung derselben und Abklemmung der ganze Schleimhautcylinder in den Händen des Operateurs, wie aus einer Scheide gezogen. Verf. hat dies zur Grundlage eines Operations- verfahrens gemacht, das er als Appendicectomie sous-sereuse be- zeichnet; es ist die Enukleation des Schleimhautcylinders aus der lose anhaftenden Serosahülle, loser als an allen Darmtheilen. Die Tech- nik weicht sonst wenig von der allgemein üblichen ab. Der Stumpf des Wurmfortsatzes wird. nicht versenkt, sondern mit dem coecal- wärts abgestreiften Theil der Serosa übernäht.

Als Operation de necessit€ mag ran diesen Ausweg wählen; er mag sich in manchen Fällen wie auch Ref. erlebt von selbst ergeben; in anderen wird er einfach im Stiche lassen. Welche Vor- theile diese Enukleation bei freier Appendicites während des Inter- valls bieten soll, ist nieht einleuchtend; bei Appendices mit mehr- fachen oder tiefen Geschwürsprocessen wird die Abstreifung der Serosa nicht ohne mitunter mehrfache Eröffnung der Lichtung mög- lich sein. Christel (Metz).

Kleinere Mittheilungen.

9) Roehrig. Über den angeborenen Verschluss des Pharynx und des Osophagus. F Inaug.-Diss., Leipzig, 1901.

R. beschreibt unter eingehender Würdigung der Litteratur einen Fall, in dem die Speiseröhre in der Höhe der Bifurcatio tracheae durch einen bindegewebigen Strang in 2 Theile getheilt war. Das obere Schlauchende endigte blind, das untere vom Magen aufsteigende kommunicirte mit der Luftröhre. Außerdem be- stand noch eine Atresia ani, eine Fistula rectovaginalis, eine Verdopplung der Scheide und der Portio vaginalis uteri. Bertelsmann (Hamburg).

10) Heinrich Braun. Resektion einer Narbenstriktur des Ösophagus. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXI. p. 511.)

Die von B. operirte Striktur gehörte einem 19jährigen Mädchen, das sie vor einem Jahre durch Schwefelsäuretrinken erworben hatte. Sie saß dicht unter dem Kehlkopf und hatte der Sondendilatation getrotzt, wobei die Sonden bald leicht durchgingen, bald aber sich in Falten und Taschen verfingen. Außerdem waren noch 2 tiefer gelegene Strikturen vorhanden. B. führte zunächst auf einer Bougie die Ösophagotomie oberhalb der Verengerung aus, die einen schmalen Spalt darstellte, und oberhalb deren die Sonde die Schleimhaut taschenförmig ein- gestūlpt hatte. Dann Spaltung der 11/, cm langen Striktur, schließlich eirkuläre völlige Resektion der Speiseröhre so weit, bis überall weiches, verschiebliches Gewebe vorlag. Cirkuläre Katgutknopfnaht der Speiseröhrenstümpfe. Der Oso- phaguslängsschnitt, dessen Lippen an die Haut geheftet wurden, diente sur Ein- führung eines Gummirohres in den Magen, nachdem die tiefen Strikturen durch Bougies genügend erweitert wurden. Lockere Jodoformgazetamponade der Wunde. Guter Verlauf und Heilung mit mäßiger Eiterung. Die zunächst hinterbleibende Speiseröhrenfistel wurde durch Abpräpariren des Ösophagus von der Haut, Naht

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und Versenkung desselben geheilt. Pat. wurde gesund und sehr gut schluckfähig entlassen, was sie auch nach gestellten Erkundigungen gemäß dauernd (seit 1891) geblieben ist trotz mangelndem Bougiren.

Derartige Fälle sind sehr selten. Ein ganz analoger ist neulich von San- delin in Helsingfors beschrieben. Auch Kendal Franks machte eine ähnliche Operation mit Glück, doch handelte es sich hier wahrscheinlich um eine ange- borene Striktur. Dagegen endigte eine von A. Krogius gemachte Resektion bei Narbenstriktur tödlich. Die Krankengeschichten dieser im Auslande publieirten Fälle werden von B. genau referirt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

11) H. Ito und K. Orni. Klinische und experimentelle Beiträge zur chirurgischen Behandlung des Ascites. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 141.)

Die aus der Klinik in Kyoto (Japan) hervorgegangene Arbeit bringt zunächst klinisch den Bericht über 5 Fälle von Lebereirrhose mit mehr oder weniger starkem Ascites, in denen nach vorgenommener Laparotomie Zwecks Erstattung neuer, die Pfortader umgehender, venöser Blutbahnen das Netz an die Bauchwand genäht wurde. Vorher war das Parietalperitoneum durch Reibung bezw. Behand- lung mit einem scharfen Löffel wund gemacht, Imal wurde auch zwischen Parietal- peritoneum einar- und Leber und Mils andererseits auf diese Weise Verwachsungen herbeizuführen gesucht. Der Erfolg war mit einer Ausnahme schlecht. Fall 3 überlebte die Operation nur 5, Fall5 nur 4 Tage. Fall 4 starb zwar erst 41/2 Mo- nate nach der Operation, doch war der Ascites nach derselben bald recidivirt und erforderte wiederholte Punktionen. In Fall 1 lag eine Malaria-Lebercirrhose vor, in dem die Operation zwar günstig auf den Aseites einwirkte, Pat. nach derselben aber von Zeit gu Zeit rebellische Fieberanfälle bekam und in Folge hämorrhagischer Diathese auch 1/4 Jahr nach der Operation zu Grunde ging. Nur der Pat. von Fall 2 befand sich nach der Operation stets in leidlioher Gesundheit. Hier han- delte es sich um einen 13jährigen ziemlich elenden Knaben, seit 3 Jahren über Palpitation und Dyspno& bei Anstrengungen klagend, mit Nachtschweißen und Ab- magerung. Halsdrüsenschwellung, rechts oben etwas verlängertes Exspirium. Leber vergrößert, mit scharfem druckempfindlichem Rande. Bauch oben etwas aufgetrieben, dilatirte Venen zeigend, Ascites aber nicht nachweisbar(!. Bei der Operation findet sich die Leber kleinhöckerig und derb, die Milz etwas vergrößert, Ascites in mäßigem Grade vorhanden. Glatte Heilung. Ein ärztlicher Bericht 10 Monate nach der Operation meldet das Wohlbefinden des Pat., an dem vor Allem nie Ascites auffindbar gewesen sei. Die dilatirten Bauchwandvenen sind viel unan- sehnlicher geworden. Die Verff. schreiben den Erfolg in diesem Falle dem Um- stande zu, dass die Operation genügend frühzeitig bezw. noch im präasecitischen Stadium der Lebereirrhose ausgeführt ist.

Der zweite experimentelle 'Theil der Arbeit studirt die Folgen der Pfortader- unterbindung beim Thier und die Bedeutung der Netzanheftung für die Her- stellung eines Collateralkreislaufs.. Neue Resultate ergaben sich hierbei nicht, vielmehr lieferten die nach bereits von anderen Forschern angegebener Anord- nung angestellten Versuche nur schon sonst konstatirte Ergebnisse. Nämlich Nach Pfortaderunterbindungen, gleich viel ob ober- oder unterhalb der V. gastro- lienalis, sterben die Thiere unter Verblutungserscheinungen. Bei einer vielzeitigen, allmählich centralwärts vorschreitenden, successiven Pfortaderunterbindung können die Thiere dieselbe bis zur Einmündungsstelle der V. gastrolienalis noch über- leben. Bei Unterbindung oberhalb letzterer sterben sie ebenfalle, doch weniger stürmisch als bei einzeitiger Unterbindung. Bei einer vorherigen intra- oder extra- peritonealen Omentofixation (Netzeinnähung zwischen das abgelöste Parietalperi- toneum und Fascie) ertragen die Thiere bald die Pfortaderunterbindung, bald aber auch nicht. Im ersten Falle können sie monatelang gesund bleiben und an Gewicht zunehmen. In diesen Fällen scheint aber der Collateralkreislauf nicht allein auf dem Wege der künstlichen Netzverwachsungen zu Stande zu kommen,

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sondern durch weit verbreitete Verwachsungen aller Baucheingeweide unter ein- ander.

Die Verff. empfehlen desshalb auch bei künftigen operativen Heilungsversuchen bei Ascites auf möglichst weitgehende Peritonealrerwachsungen hinzuarbeiten. Zu dem Zwecke schlagen sie ausgiebige lockere Tamponade mittels eines langen sterilen Gazestreifens vor, der in alle Taschen und Winkel der Bauchhöhle geschoben und nach 24 Stunden entfernt werden soll.

Zum Schluss ein Litteraturverseichnis von 75 Nummern.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

12) 8. Brothers. Appendicitis, complicating pregnancy, labor and the puerperium. (Buffalo med. journ. 1902. Januar.)

Eine Viertgebärende, welche bereits während und nach der vorhergehenden Schwangerschaft an chronisch-appendicitischen Erscheinungen gelitten hatte, er- krankte im 6. Monat ihrer jetzigen Schwangerschaft an akuter Appendieitis mit rechtsseitiger Exsudatbildung. Einige Tage später eitriger, übelriechender Aus- fluss aus der Scheide, 2 Tage danach Frühgeburt eines lebensschwachen Kindes, manuelle Placentarlösung, 2 Tage darauf Fieber und stinkende Lochien; nach Ausschabung des Uterus Fieberabfall. Eine Woche später Entwicklung eines linksseitigen, parametrischen, eitrigen Exsudats; nach dessen Eröffnung glatte Heilung.

Aus der von Verf. ausführlich besprochenen Litteratur ergiebt sich, dass die Diagnose der Appendicitis während Schwangerschaft, Geburt und Puerperium oft äußerst schwierig ist. Die Hauptgefahr liegt darin, dass die schwangere Gebär- mutter oft eine Wand des appendicitischen Abscesses bildet. Der Entzündungs- reis führt zu Abort resp. Frühgeburt, der sich susammenziehende Uterus zerreißt die den Abscess abgrenzenden Verwachsungen. Gleiches kann bei manueller Placentarlösung eintreten. Ferner kann der mit der Gebärmutter verwachsene, ehronisch erkrankte Wurmfortsatz bei Kontraktionen derselben perforiren. Eine Infektion der Uterushöhle vom Abscess aus wurde mehrfach beobachtet. Einzelne Autoren empfehlen daher möglichst frühzeitige Operation der Appendicitis, mög- lichst bevor Wehen eingetreten sind, und ohne Rücksicht auf eine etwaige Unter-' brechung der Schwangerschaft. Dieselbe wird jedenfalls nicht immer durch die Operation bedingt, das Kind scheint häufig verloren zu sein.

Mohr (Bielefeld).

13) A. Huber (Zürich). Über Irrwege bei der Perityphlitis. (Korrespondenzblatt für Sohweizer Ärzte 1901. No. 15.)

10 interessante Fälle, bei denen die Diagnose der Appendicitis lange Zeit eine unsichere war oder nicht gestellt wurde. Drei Beobachtungen lehren, dass es im Gegensatz su Sonnenburg oft nicht leicht ist, eine Wurmfortsatzerkrankung von einer Gallensteinkolik zu unterscheiden. Die Lokalisation des Krampf- schmerses im Epigastrium lenkte gerade bei rein katarrhalischer Erkrankung der Appendix die Aufmerksamkeit ab. In einem vierten Falle täuschte ein in der rechten Uteruswand sitzendes Myom einer Reihe sehr bekannter Kliniker eine Appendicitis vor.

Des weiteren beriohtet H. über zwei Knaben, bei denen hochgradige perito- neale Reizerscheinungen (Erbrechen, Fieber, Collaps) an Blinddarmentzündung denken ließen, obwohl die Druckempfindlichkeit in der Ileocoealgegend und am MacBurney’schen Punkte fehlte, und auch keine Resistenz gefunden werden konnte.

Die Ewald’sche Bezeichnung Appendicitis larvata lässt auch H. nur mit großer Einschränkung gelten, berichtet aber über einen einschlägigen Fall, bei dem eine Perforation kurz vor der beabsichtigten klinischen Beobachtung zum Tode führte,

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Wie Gerbardt dies schon beschrieben, beobachtete auch er eine doppelseitige Pleuritis, die das Bild der Appendicitis verdeckte. Bemerkenswerth ist bei dieser Beobachtung noch, dass die Perforationsperitonitis so wenig in die Erscheinung trat, dass Pat. 4 Tage nach dem Durchbruch des Wurmfortsatzes und mit einem peritypblitischen Abscess noch zu Fuß in das Sprechsimmer des Arstes kam.

Endlich sei noch des letzten Falles gedacht: Ein Pat., der seit Jahren an schweren Kardialgien litt, sich aber in den letzten 21/3, Jahren im Allgemeinen sehr erholt hatte, erkrankte weiter mit Magenschmersen und Auftreibung der Magengegend. Im weiteren Verlauf ist der ganze Bauch, auch die Coecalgegend druckempfindlich, kein Fieber, Eiweiß, schließlich Collaps, Tod. Die Autopsie ergab ein altes, ausgeheiltes Duodenalgeschwür und eine perforirte Gangrän der Appendix. P. Stolper (Breslau).

14) J. H. Gibbow. Left coecal hernia, with a report of two cases. (Annals of surgery 1901. Juli.)

Die beiden von G. operirten Fälle sind dadurch bemerkenswerth, dass es sich jedes Mal um linksseitige Hernien handelte. Es bestand in beiden Fällen seit langer Zeit eine große Scrotalhernie linkerseits. Im ersten Falle war der Wurm- fortsatz in den aus Dünn- und Blinddarm bestehenden Bruchinhalt nicht ein- besogen, im zweiten wurde dieser von dem Blinddarm mit Wurmfortsatz und einem beträchtlichen Stück Colon ascendens gebildet.

Der erste Pat., ein 70jähriger Mann, starb nach Stägigem Wohlbefinden plötzlich am 9. Tage nach der Operation, der andere, 55 Jahre alte, der außerdem an einer engen Harnröhrenstriktur litt, 13 Tage nach der Operation an Sepsis.

G. weist auf die Unrichtigkeit der früheren Ansicht hin, dass bei diesen Brüchen das Peritoneum nur zum Theil die Eingeweide bedecke; das Gegentheil ist richtig. Was die Frage der Entstehung betrifft, so handelt es sich bei Kin- dern um eine angeborene Verwachsung zwischen Blinddarm oder Wurmfortsats und Hoden; bei Erwachsenen ist der Bruch erworben.

Von 63 rechtsseitigen Coecalhernien betraf kein einziger eine Frau, von 9 linksseitigen einer.

Als Ursache der erworbenen Coecalhernie bezeichnet G. einen schmalen, leicht beweglichen Blinddarm bei präexistirendem Leistenbruch, der namentlich bei weiter Bruchpforte den Blinddarm leicht nach sich zieht. An der linksseitigen Coecal- bernie trägt in den meisten Fällen ein langes Mesocolon bei vorher bestehendem Leistenbruche, selten ein Situs inversus die Schuld.

Die Anwesenheit des Blinddarms im Bruchsack giebt sehr leicht Anlass zu Entzündung und Strangulation. In den erwähnten 63 Fällen war der Bruch 28mal strangulirt, 2mal eingeklemmt, in 12 Fällen irreponibel, in 11 reponibel; in 10 Fällen fehlten die Angaben hierüber. Bongartz (Düsseldorf).

15) T. Wikerhauser. Coecum und Appendix vermiformis in einer linksseitigen Hernie. (Liecnicki viestnik 1902. No. 2. [Kroatisch.])

3jähriges männliches Kind mit linksseitigem, angeborenem, freiem Leisten- bruch und sehr weiter Bruchöffnung.

Bei der radikalen Herniotomie wurde als Bruchinhalt der Blinddarm mit dem Wurmfortsatz gefunden. Letzterer bedeutend verdickt, an einigen Stellen knotig, 9 cm lang wurde amputirt.

Am Präparat zeigte sich seine Schleimhaut stark geröthet, im unteren Theile zwei Koprolithen, von Hanf- und von Reisgröße.

Volle Heilung. Y. Cačkovió (Agram).

16) Ferd. Bähr. Ein weiterer Fall von äußerem Schenkelbruch (Hesselbach-Bähr). (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 189.) Ein 73jähriger Arbeiter »stand am 26. März 1901 auf einem laufenden Feld- bahnwagen, der plötzlich zum Stehen kam. Um sich gegen das Umfallen zu

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schützen, machte er eine heftige Bewegung, wobei angeblich vorwiegend das rechte Bein die Wucht des Stoßes auszuhalten hatte«. Danach Schmerzen in der rechten Leistengegend und ärztliche Behandlung wegen einer Schwellung daselbst, die auf das Hüftgelenk bezogen wurde, bis Anfang Mai. Als Pat. Ende Juli schwerere Arbeiten versuchte, wieder Schwellung mit erneuten Beschwerden, wess- halb Untersuchung und Begutachtung durch B., der einen äußeren, d. h. durch die Lacuna muscularis austretenden Schenkelbruch feststellte. In der fraglichen Gegend fühlte man einen harten, elastischen, wenig druckempfindlichen Widerstand, der die Art. femoralis ein wenig emporhob und bei der Tastung gurrte. Innenrotation macht Schmerzen in der Leistenbeuge, daher Pat. beim Stehen den Fuß stärker auswärts rotirt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

17) H. Schloffer. Die in der Wölfler’schen Klinik seit 1895 ope-

rirten Fälle von gutartiger Magenerkrankung. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)

Verf.s Bericht liegen 24 operirte Fälle von gutartigen Magenerkrankungen aus der Wölfler’schen Klinik zu Grunde so wie ein nicht operirter Fall. 2mal handelte es sich um sohwere Magenblutungen, 2mal um Geschwürsperforationen und 20mal um unkomplicirte Fälle von Magengeschwür oder deren Folgeerschei- nungen. Die Resultate werden dahin zusammengefasst, dass bei chronischem Geschwür mit häufigen Blutungen bei erfolgloser innerer Therapie die Operation möglichst früh ausgeführt werden soll; dagegen ist bei einmaliger schwerer Blu- tung die Indikation nur mit größter Vorsicht zu stellen, da weder ihre absolute Nothwendigkeit noch ihr Gelingen mit Sicherheit vorauszusehen ist. Bei nicht komplicirtem Geschwür, entzündlicher Pylorusgeschwulst und narbiger Pylorus- stenose soll die Gastroenterostomie als operatives Normalverfahren betrachtet werden. Eine unbedingte Indikation zur Gastroenterostomie liegt vor bei Narben- stenose und entzündlicher stenosirender Geschwulst des Pylorus, sie ist aber auch in allen Fällen von hartnäckigem, auf innere Therapie nicht weichendem Geschwür am Platze, und zwar auch dann, wenn das Geschwür nicht am Pylorus, sondern an anderer Stelle des Magens sitzt. Die unmittelbaren Operationserfolge sind nicht ungünstig; nur 2 von 19 operirten, unkomplicirten Fällen endeten tödlich. Bezüglich der Technik wird die Gastroenterostomia antecolica anterior mittels Naht und kombinirt mit der Braun’schen Anastomose empfohlen. Sollte die Pyloroplastik gewählt werden, so ist dieselbe jedenfalls mit Hilfe eines möglichst langen Längsschnittes auszuführen. Honsell (Tübingen).

18) Wiesinger. Ein Fall von Magenperforation mit allgemeiner

Peritonitis; Operation 4 Tage nach Beginn des Leidens. Heilung. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 5.)

Die Überschrift enthält das Wissenswertheste des Falles. Der Schluss der Magenperforation gelang durch Übernähung der von weit her herbeigeholten Magenwandung, da die Umgebung der etwa bohnengroßen Perforation, die an der kleinen Curvatur etwa in der Mitte zwischen Pylorus und Cardia lag, in der Aus- dehnung eines Thalers hart und infiltrirt war. Der weitere Verlauf war noch durch mehrfache Abscessbildungen komplicirt. Borchard (Posen).

19) M. Lipscher. Ein Fall von tuberkulöser Pylorusstenose. (Ungarische med. Presse 1901. No. 27.)

Bei einem 23jährigen Kranken fanden sich die Zeichen einer unbeweglichen, empfindlichen Pylorusgeschwulst und Pylorusstenose. Der sauer reagirende Magen- inhalt enthielt keine Salzsäure, aber reichlich Milchsäure. Die bei der Operation gefundenen Verwachsungen ließen nur eine Gastroenterostomie zu. Die Geschwulst glich äußerlich vollkommen einem Carcinom, doch war es auffallend, dass die Mesenterialdrüsen der Nachbarschaft nicht infiltrirt waren. Desshalb wurde Behufs mikroskopischer Untersuchung ein keilförmiges Stück aus der Pförtnergeschwulst ausgeschnitten, dessen mikroskopische Untersuchung Tuberkulose ergab.

Neugebauer (Mährisch-Ostrau).

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20) W. Sheen. Some surgical aspects of Meckel’s diverticulum. (Bristol med. chir. journ. 1901. December.)

1) 12/jjähriges Kind, im Centrum des Nabels eine seit der Geburt bestehende, polypöse, weinbeerengroße Geschwulst, mit schleimhautähnlicher Oberfläche; im Centrum der Geschwulst ein 21/, cm tiefer Kanal, aus dem darmsaftähnliche Flüssigkeit abgesondert wird. Abtragung der Geschwulst und Kauterisirung der Basis. Nach der Operation anhaltendes Erbrechen, Tod nach 8 Tagen. Sektions- befund: keine Peritonitis; am Dünndarm ein mit dem Darm durch eine enge Offoaung kommunicirendes, bulböses Meckel’sches Divertikel, das 3 cm vom Nabel entfernt blind endet und mit dem Nabel durch ein solides Band verknüpft ist. Der Dünndarm ist am Ursprung des Divertikels in einem Spalt des Mesenteriolums des Divertikels eingeklemmt und der Perforation nahe.

2) Aljähriger Mann mit den Symptomen eines kompleten Ileus. Tod während der Operation an Collaps. Sektionsbefund: 2 Fuß oberhalb der Ileocoecalklappe entspringt vom Dünndarm ein an der Ursprungsstelle breites, allmählich sich ver- engerndes, 10 cm langes, in ganzer Länge durchgängiges Meckel’sches Diver- tikel ohne Mesenteriolum; dasselbe komprimirt den Darm an 3 verschiede- nen Stellen, nämlich 1) an der Ursprungsstelle des Divertikels, indem es sich rund um den Darm herumgeschlungen hat, 2) an seinem Endpunkt, welcher durch feste Verwachsungen mit einem Punkt des Ileum 12 cm über der Bauhin’schen Klappe vereinigt ist und zu völliger Abschnürung der Darmlichtung geführt hat, 3) in der Mitte zwischen diesen beiden Punkten, indem das über eine Darm- schlinge hinwegziehende Divertikel dieselbe verengt hat. Mohr (Bielefeld).

21) Stierlin (Winterthur). Über Darmocclusion. Kasuistisches und Kritisches. (Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte 1901. No. 13 u. 14.)

14 zum Theil recht interessante Beobachtungen von Darmverschluss verdienen volle Beachtung bei der Bearbeitung dieses immer aktuellen Themas. Verf. räth vor Allem zur Frühoperation, da noch immer viele Fälle zu spät in chirurgische Behandlung kommen. Der Chirurg muss bemüht sein, die Art der Verschließung zu ergründen und nicht bei der Allgemeindiagnose »Peritonitis< stehen bleiben. Die Verwechslung mit septischer Peritonitis lässt viele operable Fälle verloren gehen. In zweifelhaften Fällen ist stets der Bauchschnitt auszuführen. Die Nar- kose ist bei allen Operationen wegen Darmverschluss oder Peritonitis sehr gefähr- lich und daher nach Möglichkeit einzuschränken. Fälle von Knickungen des Darmes und Verwachsungen der Knickungsschenkel unter einander neigen un- gemein stark zu Recidiven. Um diesen vorzubeugen, soll man wo immer möglich und das gilt vor Allem für postoperativen Ileus sich nicht mit der Lösung der Verklebungen begnügen, sondern eine Enteroanastomose hinzufügen. Event. braucht man dann die Verklebung überhaupt nicht zu lösen.

P. Stolper (Breslau).

22) Gage. Acute intestinal obstruction. (Boston med. and. surg. journ. 1901. December.)

Die vorliegende Krankheitsgeschichte bietet ungewöhnliches Interesse, da 2 Operationen am selben Pat. mit 5 Jahren Zwischenraum ausgeführt wurden, und zwar im Alter von 75 bezw. 80 Jahren. Bei der ersten Operation wurde ein Car- cinom der Flexura sigmoidea entfernt, nach vorheriger Anlegung eines Kunst- afters. Völlige Ausheilung und normale Darmfunktion traten ein. 5 Jahre später abermals Erscheinungen des Ileus. Die sofort vorgenommene Laparotomie zeigte die Bildung eines Bandes, wahrscheinlich vom Mesenterium eines benachbarten Darmtheiles ausgehend, das eine Dünndarmschlinge abschnürte. Das Band riss beim Versuch, seinen Ursprung zu ermitteln, ab. Beim Bauchschnitt, der neben der Narbe des früheren Kunstafters lag, wurde der Darm angeschnitten, sofort durch Nähte geschlossen. Es trat wiederum völlige Heilung ein. Verf. weist auf

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das befriedigende Ergebnis hin, dass kein Recidiv gefunden wurde, und auf den Werth frühzeitiger Eröffnung der Bauchhöhle bei Darmverlegung. Trapp (Bückeburg).

23) P. Pozza (Fivizzano). Contributo clinico alla cura dell invagi- namento acuto con lo soustamento immediato dell’ intestino ed entero- anastomosi laterale.

(Clinica chirurgica 1901. No. 5.)

Ein Fall von geheilter Invagination. 37jährige Frau. Vor 6 Tagen Schmerzen rechts im Bauch, die sich bald enorm steigerten, Brechen aller Nahrung, der wegen Verstopfung und Tympanitis verordneten Mittel und endlich von Koth Am 4. Tage etwas blutiger Schleim; kein Fieber, keine Druckempfindlichkeit. Operation in Narkose: Dem Blinddarm entsprechend eine große Geschwulst, die sich als invaginirtes Ileum erweist. Die eine Hälfte eines Murphyknopfes wird am Colon transversum angelegt, dann das enorm geblähte Ileum eröffnet, eine große Menge fiüssigen Kothes und Gas entleert und ebenda durch die andere Knopfhälfte die Verbindung hergestellt. Der Verlauf war während der ersten 5 Tage unter Abgang großer Kothmengen auf natürlichem Wege durch schwere nervöse Erscheinungen, Hallucinationen, Erregung gestört, Puls sehr gut. Am 7. Tage ging ein großer nekrotischer Klumpen ab, der sich als ein 60 cm langes Stück Dünndarm erwies. Das Darmrohr war nur an 3 Stellen der Wand offen, die Lichtung wechselnd, eine Tasche angedeutet; P. möchte daher, obwohl keine Spur eines Processus vermiformis da war, Ileum, Coecum und Colon ascen- dens im Abgestoßenen annehmen. Die Gekrösinsertion war deutlich als weiß- licher, gefranster Streifen erkennbar. Heilung p. pr. Entlassung am 18. Tage. Auch später vollkommenes Wohlbefinden.

Als ganz besonders wichtig sieht P. die Entleerung auf dem Operationstisch an und führt darauf, wie auf die rasche und wenig eingreifende Enteroanastomose mit dem Murphyknopf den glücklichen Ausgang zurück.

J. Sternberg (Wien).

24) Nehrkorn. Temporäre Kolostomie bei chronischer Dysenterie. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 1.)

19jähriger Cigarrenarbeiter mit chronischer Dysenterie unter vorwiegender Er- krankung des S romanum. Außerst elender Zustand. Körpergewicht 85 Pfund. Hämoglobingehalt des Blutes 30%; die Anzahl der rothen Blutkörperchen 1800000. Da die Grense der internen Therapie erreicht war, linksseitige Kolostomie, wobei sich etwas klarer Ascites entleerte. Die Darmwand erweist sich als verdickt, auf dem freiliegenden kleinen Schleimhautabschnitte präsentirten sich umschriebene, hyperämische, wulstige Erhabenheiten, und im zuführenden Schenkel fühlte der tastende Finger in der Schleimhaut zwei etwa pfennigstückgroße Substanzverluste, die schon bei leichter Berührung bluteten. Gleich nach der Operation endeten die Darmblutungen. Die lokale Behandlung bestand in täglichen Ausspülungen (1—2mal) mit dünner Salicyllösung. Am 3. Tage auf Ricinus breiige Stuhl- entleerung ohne Blutung. 31/3 Monate nach der ersten Operation wurde, da Pat. sich ausgezeichnet erholt hatte, der Kunstafter wieder geschlossen.

Verf. glaubt, dass ein chirurgisches Vorgehen dann erlaubt oder geboten sei, wenn entweder trots Ausführbarkeit interner Medikationen der Krankheit kein Einhalt gethan wird, oder wenn jene nicht ausführbar sind, weil der Körper die Einführung der anzuwendenden Mittel nicht verträgt, speciell der Darm nicht fähig ist, genügend große Eingießungen zu halten.

Je nach der voraussichtlichen Lokalisation der Krankheit kommen in Frage die linksseitige, rechtseitige Kolostomie oder bei der Ausschaltung einzelner Dick- darmtheile die Enteroanastomose. Borchard (Posen).

422 Centralblatt für Chirurgie. No. 15.

25) Wiesinger. Über Dauerresultate bei Darmausschaltung. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXIL p. 1.)

W. verfügt über 2 Fälle totaler Darmausschaltung (mit Verschluss beider Enden des ausgeschalteten Stückes), die bereits in der Litteratur bekannt und insbesondere in unserem Blatte 1896 p. 1007 und 238 angezeigt sind. Beide Fälle werden nochmals kurz erzählt und dabei mitgetheilt, dass beide Pat. stets seit ihrer jetst 6 Jahre zurückdatirenden Operation gesund gewesen sind, sich besten Befindens erfreuen, die eine sich mittlerweile verheirathet hat. Bei dieser Pat. besteht allerdings eine feine in den ausgeschalteten Darm führende Fistel mit minimaler, wenig belästigender Absonderung, während bei der anderen der aus geschlossene Darm thatsächlich seit 6 Jahren keine Kommunikation mit der Außenwelt mehr hat. W. hält diesen Fall für einzig dastehend, 3 ihm zur Seite gestellte anderer Chirurgen (Friele, Obalinski, v. Bargcos) haben wieder aus- geschieden werden müssen.

Gelegenheit zu totalen Darmausschaltungen wird nur äußerst selten vorhanden sein, da eine solche nur bei minimaler Sekretion im auszuschaltenden Darmstück erlaubt erscheint. Da aber Tuberkulose und Carcinom zumeist eine Darmaus- schaltung indiciren, ist hierauf nicht oft su rechnen.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

26) A. F. Mankowski. Zur Frage von der gleichzeitigen Affektion des Rectum durch Carcinom und Tuberkulose. (Wratsch 1902. No. 1.)

Pathologisch-anatomische Beschreibung einer Geschwulst, bei einem 50jährigen Manne entfernt. Die carcinomatösen und tuberkulösen Besirke griffen an einer Stelle in einander. Viel Riesengellen, einige mit Koch'schen Bacillen. In der Litteratur fand M. nur 2 Fälle von gleichzeitiger Tuberkulose und Krebs des Rectum: von Metterhausen und Nägeli.

Glickel (Medwedowka, Kijew).

27) Henle. Zur Technik der Resektion des Mastdarmvorfalls. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)

H. hat in einem Falle von Mastdarmvorfall, folgendes, auf dem Princip der Nikoladoni’schen Mastdarmbefestigung beruhendes Verfahren eingeschlagen: Bei vorgezogenem Vorfall wurde der After an der Schleimhautgrenze umschnitten, die Darmschleimhaut abwärts gezogen, das Bauchfell eröffnet und sofort wieder ver- näht. Nach Durchtrennung der Stränge des Mesocolon ließ sich der Vorfall streoken, so dass der Darm als 18 om langes Rohr herabhing. Es folgte die Be festigung des Darmes am Afterringe mittels Katgutnähten, die Kürzung des vor- ragenden Stückes und das Einbinden eines Glasrohres in den Mastdarm. Für künftige Fälle empfiehlt Verf. das Baucohfell erst nach der Streckung des Darmes zu vernähen und das Glasrohr mit dem Ring zu vertauschen. Die Vortheile des Verfahrens liegen in den besseren Aussichten einer aseptischen Wundheilung: geringerer Blutung, Vermeidung einer Darmretraktion und in der Möglichkeit, die Peritonealtasche am vorderen Umfang des Darmes weiter nach oben zu verlegen. Eine Nachbehandlung mittels der Thure-Brandt’schen Massage ist allerdings nach Verf.s Erfahrung anscheinend nicht zu umgehen. Honsell (Tübingen).

28) R. v. Mosetig-Moorhof. Schwerer Kompressionsikterus durch tumorbildende chronische Pankreatitis. (Wiener med. Presse 1902. No. 2.)

Bei der 31jährigen Frau bestand seit mehreren Monaten schwerster Ikterus mit kolossaler Abmagerung; keine Geschwulst tastbar. Die vollständige Sperre des Gallenabflusses ließ die Diagnose auf Gallenstein stellen, der, in den gemein- schaftlichen Ausführungsgang gerathen, zu dessen Verlegung geführt hatte. Zu-

Centralblatt für Chirurgie. No. 15. 423

nächst Spaltung der Gallenblase und Entleerung von ca. 12 kleineren Konkre- menten. Im Choledochus kein Stein; dagegen war der Pankreaskopf der Sitz einer kleinapfelgroßen derben Geschwulst, die als chronische Pankreatitis gedeutet wurde. Anlegung einer Gallenblasenfistel, Schluss der Laparotomiewunde. Voll- kommene Heilung; der Abflussweg der Galle durch den gemeinschaftlichen Gang wurde allmählich wieder frei, eine Thatsache, die nur durch das Aufhören der Kompression in Folge spontaner Involution des Pankreaskopfes erklärbar ist.

P. Wagner (Leipzig).

29) Simmonds. Disseminirte Fettgewebsnekrose nach Pankreas- zerreißung. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 3.)

Bei der Sektion eines 51 Jahre alten mageren Mannes, der 41/; Tage zuvor von einem schweren Lastwagen überfahren war, fand sich u. A. eine totale Quer- serreißung des Pankreas an der Grenze zwischen Kopf und Schwanz und zahl- reiche Herde von Fettgewebsnekrose in der Umgebung des Pankreas, die mit der Entfernung vom Pankreas spärlicher wurden und in größerer Entfernung gar nicht mehr vorhanden waren.

S. hält das Auftreten der Fettgewebsnekrosen für das sekundäre und weist auf die praktische Bedeutung dieser Frage in der Unfallbegutachtung hin.

Borchard (Posen).

30) Pels Leusden. Beitrag zur Pankreaschirurgie. (Charite-Annalen XXVI. Jahrg. Berlin, Aug. Hirschwald, 1902.)

Bei der relativen Seltenheit der Pankreaserkrankungen ist jeder Beitrag hin- sichtlich ihrer Erkennung und Behandlung willkommen. In dem einen der beiden hier mitgetheilten Fälle handelte es sich um akute eitrige Pankreatitis, welche aber nicht diagnostioirt war. Vielmehr verleiteten die Erscheinungen plötzlich auftretende starke Sohmerzen in der linken Bauchseite unter dem 10. Rippen- bogen, Auftreibung des Leibes, Erbrechen, Stuhlverstopfung zur Annahme einer Perforationsperitonitis durch Magengeschwür. Wegen der offenbaren unmittel- baren Lebensgefahr wurde die Bauchhöhle eröffnet, dabei nur geringe leicht getrübte gelbliche Füssigkeit in ihr gefunden, außerdem aber zahlreiche Fett- nekrosen im Netz, nach Aufheben des Magens und Querdarms eitrige Infiltration des Bauchfells hauptsächlich in der Gegend des Pankreaskopfes und -Schwanzes. Der schlechte Zustand der Kranken drängte zum Schluss der Operation, doch wurde noch festgestellt, dass eine Magendurchlochung nicht vorlag. Jodoform- gasedrain in die Nähe des Kopfes, im Übrigen Schluss der Bauchhöhle; vollstän- dige dauernde Heilung. Da auch zahlreiche peritonitische Verwachsungen in der Gegend der Porta hepatis und Verschluss des Foramen Winslowii gefunden wurden, ist es sehr wohl möglich, dass solche Verwachsungen auch den Ductus Wirsungianus verschlossen und hierdurch Sekretanhäufung und Entzündung veranlasst haben. Durch das Hantiren mit dem Magen und Nets kann solche Verwachsung gerissen, dem Sekret Abfluss verschafft und somit in nicht erwarteter Weise Heilung be- wirkt sein. Übrigens handelte es sich um eine junge syphilitische und dem Alkohol- missbrauch ergebene Kellnerin mit chronischem Magenkatarrh.

Im zweiten Falle lag eine Cyste vor, die sich im Pankreaskopf entwickelt und durch Druck auf die Gallengänge einerseits Gelbsucht, auf Magen und Leber andererseits Verdrängung des Zwerchfells nach oben und Dyspno& veranlasst hatte. Da die Kranke außerdem durch Lungen- und Genitaltuberkulose sehr herab- gekommen war, musste man sich damit begnügen, durch Entleerung der Cyste unter Vornähung ihrer Wand an die Bauchwunde und Drainirung die unmittel- bare Lebensgefahr zu beseitigen. Es trat in der That Besserung, Verschwinden der Gelbsucht und allmähliche Verödung der Höhle ein. Allein bald verschlechterte sich der Zustand wieder, es bildete sich eine neue Cyste, deren Inhalt sich nach breiter Eröffnung stark zersetzt, hämorrhagisch erwies und der Bursa omentalis entsprach. 9 Tage nach der Operation erfolgte unter Zunahme der tuberkulösen

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Erscheinungen der Tod. Außer den erwähnten krankhaften Zuständen und all- gemeiner adhäsiver Peritonitis fand sich interstitielle chronische fibröse Entsün- dung und ausgedehnte Gangrän des Pankreas.

Verf. glaubt, dass durch frühzeitige Eröffnung der Bauchhöhle und Drainage nicht selten eine eitrige Pankreasentzündung koupirt werden könne, dass man aber bei Cysten im Pankreas und Abscessen in der Bursa omentalis mit Einnähung der Wand, Eröffnung und Drainage auskommen könne.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

31) F. Smoler. Zur Kasuistik der mesenterialen Lymphcysten. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 2.)

S. berichtet über folgenden Fall:

Bei einem 60jährigen Manne, der seit einem Jahre an Leibschmerzen und Ver- dauungsstörung gelitten und seit 3 Monaten eine Geschwulst in der rechten oberen Bauchgegend bemerkt hatte, wurde durch Laparotomie eine mesenteriale, kinds- kopfgroße Cyste festgestellt. Punktion und Entleerung von 800 com weißgrauer, rahmartiger Flüssigkeit; hierauf Ausschälung der Cyste, Vernähung der Gekrös- wunde. Schluss der Bauchhöhle. Heilung. Nach dem mikroskopischen Befunde der Wand und des Inhalts lag eine echte Chyluscyste vor.

Wie Verf. ausführt, ist es nicht wohl angängig, einen einzigen Entstehungs- modus für die mesenterialen IL,ymphcysten anzunehmen. Vielleicht gehört die große Mehrzahl derselben zu den Lymphangiomen, indessen ist die, Diagnose Lymphangiom nur dort voll berechtigt, wo wirklich aktive Hypertrophie und Hyper- plasie in Bezug auf Wundbeschaffenheit und Hohlraumanordnung nachweisbar ist, und Anhaltepunkte für eine einfachere Genese fehlen. Wo keine Hypertropbie und Hyperplasie vorhanden ist, und ein lokales Hindernis im Ductus thoracicus aufgefunden wurde, ist die lokale Stauung als ursächliches Moment aufzufassen. Andere Fälle sind auf eine chronische Entzündung der Lymphgefäße zurückzu- führen; endlich können die Cysten auch aus Lymphdrüsen hervorgegangen sein. Für die Diagnose ist der Nachweis einer elastischen, äußerst beweglichen, fluk- tuirenden Geschwulst in der Nähe des Nabels von Wichtigkeit. Die Behandlung kann nur eine operative sein, und zwar würde in erster Linie die Enukleation, wo diese nicht ausführbar ist, die Incision und Drainage in Betracht kommen.

Honsell (Tübingen).

32) L. W. Orlow. Über die sporadische Elephantiasis. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 5.)

O. berichtet über 4 Fälle sporadischer Elephantiasis, die der Universitätsklinik in Charkow zugingen und von ihm dort operirt sind. Die ersten 3 Fälle betrafen die männlichen Genitalien, der 4. die Bauchhaut einer unmäßig fettleibigen 50jäh- rigen Frau, deren bis über die Knie herabhängender Bauch in Folge wieder- holter erysipelatöser Processe eine elephantiastische Veränderung seiner Haut erfahren hatte. Ihr wurde der abhängige Theil ihrer kolossalen Bauchhautfalte 22 Kilo schwer! amputirt. Die Wunde heilte aber größtentheils nur per secundam und nach Vornahme Thiersch’scher Transplantationen. Pat. wurde leid- lich gehfähig entlassen. Bei den Fällen von Elephantiasis der männlichen Geni- talien ist beim 1. Pat. allein das Scrotum betroffen. Enorm vergrößert hängt es bis zu den Knieen herab. Bei der Operation wurden der Hoden, Samenstränge und Penisschwellkörper herausgeschält, was verhältnismäßig einfach war. Endresultat: Scrotum von fast natürlicher Größe, aber etwas derberer Haut als normal. In Fall2 war Scrotum und Präputium, in Fall 3 allein die Penishaut betroffen. In beiden Fällen benutzte O. das innere Blatt der Vorhaut, zurückgeschlagen auf den nackten Penisschaft, erfolgreich zur Deckung von dessen peripherem Theil Genaueres über die Operationen im Original.

Zuletzt referirt O. über die Litteratur der Plastiken am Penis. Doch fehlt hier die Arbeit von Bessel-Hagen, dessen Verfahren bessere Resultate gegeben hat als die des Verf. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

Centralblatt für Chirurgie. No. 15. 425

33) K. Manteufel. Ein Beitrag zur Statistik der Peniscarcinome. Inaug.-Diss., Breslau, 1900.

Verf. berichtet über die Resultate der Breslauer Universitätsklinik. Es wurde bei 29 Fällen die Amputatio penis vorgenommen, 19 mit Ausräumung der Inguinal- drüsen, 10 ohne dieselbe. Es starben unmittelbar im Anschluss an die Operation 2 Pat., der eine an Bronchopneumonie, der andere wahrscheinlich an Sepsis; an Recidiven 3; ohne Recidive an anderen Krankheiten 2. Bei 2 Pat. sind z. Z. Recidive eingetreten. Das Schicksal von 7 Pat. war nicht zu ermitteln. Es be- trägt somit die Zahl der Geheilten 13 = 46,4%, von denen 11 länger als 2 Jahre

geheilt sind. Somit wurde eine Dauerheilung von 35,7% erreicht. Coste (Straßburg i/E.).

34) Lauwers. Dangers de l’uretrotomie interne. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. No. 9.)

L. hat in 3 Fällen nach der inneren Urethrotomie, die meist mit dem Mai- sonneuve’schen Instrument in Frankreich und Belgien noch viel angewendet wird, in der Nacht nach der Operation Delirien und hohe Temperatursteigerungen beobachtet. Ein über 60 Jahre alter Mann ging am nächsten Morgen zu Grunde. Ein anderer Pat. wurde nur durch schleunigst vorgenommene äußere Urethrotomie mit breiter Tamponade der Wunde gerettet.

Da durch Ausspülungen die Harnröhre nicht zu desinficiren ist, wird bei der inneren Urethrotomie im inficirten Gewebe eine Wunde angelegt, in der sich die vorhandenen Keime rasch vermehren. Hierdurch wird eine schwere Allgemein- infektion hervorgerufen. Läwen (Leipzig).

35) Le Olerc-Dandoy. Un cas d’operation de Bottini apres cystotomie. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. No. 10.)

Verf. hat bei einem 68jährigen Prostatiker die Sectio alta sur Entfernung eines Blasensteines ausgeführt und dann die Bottini’sche Operation unter Leitung des Instruments durch den Finger vorgenommen. Der Harn wurde durch ein Drain aus der Steinschnittwunde geleitet. Die Prostatawunden blieben hierdurch vor dem Urin geschützt. Die Cystitis besserte sich. Die Spontanentleerung des Urins trat nach Vernarbung der Steinschnittwunde ein. Verf. glaubt durch die Verbindung der Bottini’sche Operation mit der Sectio alta die Hämaturie, das Urethralfieber, so wie Blasen- und Nierenentzündungen vermeiden zu können.

Läwen (Leipzig).

36) Goodfellow (San Francisco). Perineal prostatectomy a new ope- ration. (Oceident. med. times 1901. Novemberheft.)

37) Macias and Gonzales (Mexico). Perineal prostatectomy. (Ibid. p. 389.)

G. hat die Operation schon 1896 angegeben und seitdem l5mal ausgeführt, 2mal auch die hohe Methode eingeschlagen. Bei letzterer ist die Blutung stets erheblich, dagegen gering bei der perinealen. Alle Kranken genasen. Dagegen haben M. und G. 30mal operirt, aber 2 Kranke verloren, einen an Pneumonie, einen an Erschöpfung. Vorgeschrittenere Blaseninfektion gilt ihnen nicht als Gegenindikation, im Gegentheil giebt die breite Eröffnung der Harnblase dabei der Blase die Möglichkeit gänzlicher Ruhe und Ausheilung.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

38) K. Dohrn. Das Röntgenbild als diagnostisches Hilfsmittel zum Nachweis von Blasensteinen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 184.)

`- D. theilt mit, das in der Königsberger Klinik unter v. Eiselsberg in sämmt- lichen der Art geprüften (7) Fällen von Blasenstein das Röntgenverfahren deut-

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liche Bilder der Konkremente geliefert hat, obwohl es sich: stets um Phosphate gehandelt hat, die bekanntlich noch am schlechtesten zu photograpbiren sind. Die Expositionszeit betrug durchschnittlich 21/; Minuten; kürzere Expositionen lieferten keine erheblich besseren Bilder. Besonders bewährte sich das Verfahren in einem Falle von mehrfachen Divertikelsteinen, die der Steinsonde nicht zugänglich gewesen waren, so wie bei einem Sjährigen (?) Prostatiker, dessen verengte Harn- röhre für die Sonde nicht durchgängig war. Über den Werth der Skiagraphie für die Steindiagnostik kann desshalb kein Zweifel bestehen. Die gewonnenen Radio- gramme werden in dem Röntgenbilderatlas von v. Eiselsberg und Ludloff veröffentlicht. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

39) Luys. La separition de l’urine des deux reins. (Presse med. 1902. No. 4.)

Nach einer Besprechung der bekannten Methoden, den Urin einer Niere ge- sondert aufzufangen, giebt L. ein Instrument eigener Konstruktion an. Dasselbe bestebt in einem doppelläufigen Katheter, an jedem Lauf befinden sich seitlich mehrere Augen, zwischen beiden Läufen kann man durch den Zug einer Kette ein Kautschuksegel so hoch emporheben, dass die Kette nebst der obersten First des Kautschuksegels die Sehne zu dem Bogen bildet, den das untere Ende des Katheters beschreibt.

Das Instrument wird gegen die hintere Blasenwand angedrückt, durch An- ziehen der Kette wird die Blase durch das Kautschuksegel in 2 Kammern getheilt. Eine Saugvorrichtung, die an jedem Katheterlauf angebracht ist, fördert den Urin der Nieren angeblich getrennt zu Tage. Bertelsmann (Hamburg).

40) G. v. Illyés. Ureterkatheterismus und Radiographie. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXIL p. 132.)

Die Idee, den Verlauf der Harnleiter nach Einführung radiographirbar ge- machter Katheter durch das Röntgenverfahren sichtbar zu machen, stammt von Tuffier (1899), der erste Bericht über derart gewonnene Bilder, wo die ein- geführten Ureterkatheter mit einem Bleidraht armirt waren, von L. E. Schmidt und G. Kolischer in Chicago, so wie von F. Loewenhardt in Breslau. v.I berichtet hier über 4 in der Budapester Klinik von Dollinger gemachte Auf- nahmen, deren interessante Bilder beigegeben sind. Die Harnleiterkatheter waren durch einen eingeführten feinen Silberdraht undurchlässig gemacht. Ia Fall l, wo es sich bei einer Geschwulst um die Differentialdiagnose Wandermilz oder Wanderniere< ? handelte, zeigt sich ein gang normaler Harnleiterverlauf, so dass die Wanderniere ausgeschlossen war. In Fall 2 sieht man auf dem Bild& den Katheter nur bis zur Symphysis sacro-iliaca vorgedrungen und einen kleinen kugeligen Schatten berührend, der als eingekeilter Harnleiterstein diagnosticirt und durch die Operation als solcher bestätigt wurde. Auch in Fall3 sieht man das Instrument aufgehalten, und zwar schon an der Linea innominata es han- delt sich um Wanderniere mit geknicktem Harnleiterverlauf. Ahnlich auch Fall 4, eine an der Wirbelsäule verwachsene Nierengeschwulst, wo der Katheter im Harn- leiter auf Hindernisse stieß, bestehend in Kompression durch die Geschwulst Wie hieraus ersichtlich, kann das Verfahren interessante und werthvolle diagno- stische Aufschlüsse geben. Vor seiner Vornahme ist es rathsam, den Pat. abführen zu lassen und auf leichte, flüssige Kost zu setzen, damit man keine Kothschatten bekommt. Zur Undurchlässigmachung der Katheter empfiehlt v. I., dieselben mit einer Suspension von Bismuthum subnitriecum zu füllen.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

41) Suter. Über einseitige renale Hämaturie, bedingt durch Tele- angiektasien des Nierenbeckens. (Centralblatt für die Krankheiten der Harn- u. Sexualorgane Bd. XIII. Hft. 1.)

Eine 32jährige tuberkulös belastete Kranke wurde durch seit 1!/, Jahre bestehende Hämaturie sehr heruntergebracht, Innere Organe gesund. Linke

Centralblatt für Chirurgie. No. 15. 427

Nierengegend empfindlicher als rechte, keine Geschwulst zu fühlen. Urin braun- roth, steril, wird in normaler Menge entleert, enthält nur Blut, keine Tuberkel- baeillen. Das Blut entleert sich aus dem linken Harnleiter. Die lumbale Nephr- ektomie ergab an der Niere, die uneröffnet herausgenommen wurde, äußerlich nichts als einen sehr dünnen Harnleiter. Pat. erholte sich rasch. Die aufgeschnittene Niere zeigt am Parenchym nichts Abnormes, dagegen sitzt im Nierenbecken um die Harnleiteröffnung herum ein Kranz kleiner stecknadelknopf- bis hanfkorngroßer Geschwürchen von hellblutrother Farbe. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass es sich um Angiome handelte mit Neubildung von Kapillaren unter und in dem Epithelbelag des Nierenbeckens und um stellenweisen Verlust des Epithels und Hämorrhagien aus den weiten zarten Gefäßen.

Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass es eine funktionelle oder essentielle Hämaturie nicht giebt, sondern dass gerade Hämaturie auf eine allgemeine oder lokale Ursache zurückzuführen ist. Fr. Brunner (Zürich).

42) F. de Quervain. Über subkutane intraperitoneale Nierenver- letzung. | (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 58.)

Verf. hat einen eigenen Fall mittels Laparotomie, Reinigung der Bauchhöhle und Gazetamponade auf den Bauchfellriss über der gequetschten Niere mit Glück behandelt und schließt an den Bericht hierüber sehr gründliche, allgemeiner Kenntnisnahme werthe Allgemeinbesprechungen über diese Verletzung.

de Q.’s Pat. war ein Sjähriger schwächlicher Knabe, der unter einen schweren Schlitten gerathen und angeblich 3mal gerollt war. Am Verletzungstage reich- liche Hämaturie, am 2. Tage weniger Blutharnen, dagegen Erbrechen. Am 3. Tage Aufnahme im Spital. Es finden sich Ekchymosen am rechten Oberschenkel, über der rechten Sp. il. a. s. und der rechten Unterbauchgegend. Bauch etwas auf- getrieben. Urin blutfrei, aber etwas eiweißhaltig. Temperatur normal, Puls 100 bis 110. Abends Temperatur 38,7, Puls 120, klein, schwach, dazu zunehmende Dyspno&, Erbrechen, Bauch etwas ausgedehater, diffus druckempfindlich. Dess- halb I.aparotomie in der Linea alba. Keine Peritonitis, aber dunkles Blut in der Bauchhöhle ohne Gerinnsel und ohne Harngeruch, dessen Quelle, nachdem der Bauchschnitt quer nach rechts herüber verlängert worden, in einem Bauchfellriss über der rechten Niere gefunden wird, an der Flexura coli dext., die durch den- selben von der Bauchwand abgelöst ist. Blutige Durchtränkung des Zellgewebes daselbst. Ein Nierenriss ist nicht zu tasten. Wundversorgung wie angegeben. Die Genesung war durch rechtsseitige Pneumonie komplieirt, sonst ungestört. Bei der Entlassung nach ca. 1/4 Jahr bestand noch leichte Albuminurie.

Bei der klinischen Beurtheilung der Verletzung kommt de Q. in mancher Hin- sicht zu anderen Ansichten als von den bisherigen Autoren vertreten sind. Ins- besondere hebt er hervor, dass nicht, wie bislang meist angenommen, ein Peri- tonealriss bei gleichzeitiger Nierenquetschung nothwendig zu schwerer Peritonitis führen müsse. Bei Thierversuchen bleibt vielmehr, wie auch de Q. selbst sich überzeugt hat, unter solchen Verhältnissen eine Peritonitis aus, und die Thiere genesen. Dass Ähnliches auch beim Menschen sich ereignen kann, ist außer Zweifel, und wahrscheinlich ist schon manche derartige Verletzung ohne Zwischen- fälle zur Heilung gelangt. Danach berechtigen bei der Diagnose etwaige peri- tonitische Erscheinungen keineswegs zur allemaligen Annahme eines Peritoneal- risses, eben so wenig wie ihr Fehlen auf das Nichtvorhandensein eines solchen zu schließen erlaubt, und ist prognostisch ein Bauchfellriss an sich allein keine meistentheils tödliche Komplikation. Diagnostisch werden Nierenrupturen mit und ohne Bauchfellriss kaum sicher aus einander zu halten sein. Zu unterscheiden sind aber leichtere und schwerere Fälle. Die ersteren können, auch wo begrün- deter Verdacht auf Bauchfellriss besteht, zunächst sehr wohl exspektativ behandelt werden, doch ist der Katheterismus wegen der mit ihm verbundenen Infektions- gefahr aufs thunlichste zu meiden. In den schwereren Fällen aber ist unbedingt operativ einzuschreiten, und zwar sobald als möglich, je nachdem mit lumbalem

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oder transperitonealem Schnitt. Den ersteren wähle man, wenn anscheinend der Nierenverletzung die Hauptbedeutung zukommt, und verlängere ihn, wenn nöthig, nach vorn. Ist die Diagnose ungewiss, und erscheint von der Niere abge- sehen eine Revision der Baucheingeweide angezeigt, so ist zu laparotomiren. de Q.’s Operation zeigt, dass auch mit einem Bauchschnitt sehr wohl die Konservirung einer gequetschten Niere vereinbar ist, was von anderer Seite (Küster) nicht geglaubt wurde. Meinhardt Schmidt (Cuxhaven).

43) A. le Dentu. Le cancer du rein. Etude clinique statistique. Paris, Baillière et fils, 1902.

Bearbeitung der 57 von le D. in der Zeit von 1872 bis 1901 in der Stadt operirten Fälle von Brustkrebs; die im Hospital operirten sind wegen der Unmög- lichkeit, sie alle zu verfolgen, nicht mit berücksichtigt. Von diesen 57 Fällen haben nur 2 nicht bis zur Gegenwart beobachtet werden können und scheiden desshalb aus der Besprechung aus, eben so wie 2 Fälle mit etwas unsicherer Dia- gnose. Es bleiben also 53, von denen 36 gestorben sind, und zwar 31 an Reci- diven, 5 an interkurrenten Krankheiten, letztere mit mittlerer postoperativer Lebensdauer von 641/2 Monat. Die Recidive werden eingetheilt in lokale (13) = 36,11%, lokale Recidive und Metastasen (12) = 33,33%, Metastasen ohne lokale Recidive (6) = 16,6%. Die Mehrzahl der Fälle sind also lokale Reeidire. Von den insgesammt 18 metastastrenden Fällen sind allein 10 Metastasen im Knochengerüst zur Beobachtung gekommen, 4 in der Pleura, 3 in der Leber. Geschieden werden diese 36 Fälle in schlechte Resultate mit einer postoperativen Lebensdauer bis zu 3 Jahren 20 Fälle; mittlere und ziemlich gute Resultate mit einer Lebensdauer bis zu 8 Jahren 12 Fälle; gute Resultate 8 bis 14 Jahre 4 Fälle.

In der Gruppe der schlechten Resultate ist die zweite Operation der ersten schon nach 6—16 Monaten gefolgt. Bei Pat., die —5 Jahre nach der Operation gestorben waren, war die zweite Operation 11/, bis 2!/, Jahre nach der ersten nothwendig geworden. Je zeitiger also die zweite Operation wegen Recidiv gemacht werden muss, um so schlechter ist die Prognose.

17 Operirte leben noch, 10 davon über 3 Jahre nach der Operation; 13 sind als vollkommen geheilt zu betrachten; 3 sind wegen Recidiven noch ein- resp. zweimal operirt worden. Die Gesammtzahl der Reeidive von allen 53 Fällen ist 28 = 52,83%. Es folgt ein Vergleich mit anderen Statistiken, die theilweis ein besseres Resultat zeigen, weil sie nur die Zeit der modernen Operationstechnik berücksichtigen. Schärfer kritisirt wird die so günstige Statistik Halsted’s, dem D. nachrechnet, dass der Procentsatz der lokalen Recidive bei seinen Fällen nicht 10,4 sondern 26,2% ist. Nach Verf.s Erfahrungen ist für den guten Erfolg allerdings eine radikale Operation, aber noch vielmehr eine rechtzeitig ausgeführte maßgebend. Dem radikalen Vorgehen Halsted’s, der die Ausräumung der Fossa supraclavicularis in allen Fällen gemacht wissen will, kann er sich nicht sn- schließen, glaubt vielmehr, dass, wenn diese Drüsen einmal ergriffen sind, dann für die betreffenden Kranken überhaupt keine Rettung zu erwarten ist. Hinsicht- lich der Technik verwirft D. auch die Lappenbildung von Halsted, weil dabei gerade die die Neubildung und die Drüsen bedeckende Haut erhalten bleibt. Die Untersuchung der Achselhöhle empfiehlt Verf. in der Weise vorzunehmen, dass dabei die Kranke die Hand der zu untersuchenden Seite auf die gegenüber- liegende Schulter des Arztes legt. Die Sterblichkeit der 57 Operationen ist übrigens = 0 gewesen. | Moser (Zittau).

44) Aus den Verhandlungen den deutschen Gesellschaft für Gynä- kologie. 9. Versammlung. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1901.

1) Schuchardt (Stettin): Sollen wir das Carcinoma uteri paravaginal oder abdominal operiren? S. empfiehlt den von ihm angegebenen Para-

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vaginalschnitt grundsätzlich für jedes Uteruscarcinom. Er bringt zunächst die auf dem vorjährigen Chirurgenkongress schon mitgetheilten Tabellen (cf. dieses Blatt, Verhandlungen des Chirurgenkongresses p. 128) und führt dann die Vortheile des Paravaginalschnittes näher.aus. Als solche nennt er 1) die größere Bequemlichkeit und Sicherheit der vaginalen Uterusexstirpation, 2) erhebliche Erweiterung der Indikationen für letztere. 8. eitirt mehrere Fälle, die, obwohl nicht radikal operirt, doch sich erholt und lange am Leben geblieben sind. Das an die Scheide und den Uterus grensende Beckenbindegewebe lässt sich vom Paravaginalschnitt eben so gründlich angreifen, wie von der Bauchhöhle. Die Wertheim’schen Angaben zeigen, dass man auf eine Infektion der Beckenlymph- drüsen mit Überspringung der Parametrien nur ausnahmsweise zu rechnen haben wird; daher hält 8. es weder theoretisch noch praktisch für gerechtfertigt, grund- sätzlich den Bauchschnitt vorzunehmen.

2) Mackenrodt (Berlin): Die Radikaloperation des Gebärmutter- scheidenkrebses mit Ausräumung des Beokens. M. hat eine Operabili- tät von 92,9%, eine ÖOperationsmotilität von 17,9%. Von allen Operirten (38) wurden 13 recidiv, und 18 Fälle sind seit 31/,—61/, Jahren gesund geblieben. M. wendet eine neue, »transperitoneale« Methode an, die er seit Anfang 1899 entwickelt hat. Ein breiter suprasymphysärer Querschnitt legt beide Fossae iliacae und die Harnleiter frei. Nach stumpfer Ablösung der Scheide werden die Para- metrien und Drüsen ausgeräumt. Dann erst folgt die Eröffnung des Bauchfells und Versorgung der uterinen Gefäße, worauf ersteres wieder geschlossen wird. Zum Schluss kommt die Entfernung des Uterus nach Amputation der Scheide. Drainage der Wundhöhle nach oben und unten.

3) J. A. Amann (München): Ein neuer Weg zur Exstirpation des carcinomatösen Uterus. A.'s Methode ist ebenfalls eine transperitoneale Operation. Ein suprasymphysärer Querschnitt trennt die Mm. recti, ohne das Bauchfell zu eröffnen. Nun wird vom Cavum Retzii aus stumpf im paravesicalen und paravaginalen Raume vorgedrungen, das Lig. rotundum isolirt und nach Unterbindung durchschnitten, dann der Harnleiter nebst Art. uterina freigelegt. Nun erst wird das hintere Blasenperitoneum eröffnet, der Uterus hervorgezogen und dann sofort das Blasenperitoneum mit dem Peritoneum der hinteren Becken- wand wieder vereinigt. Folgt Exstirpation des Uterus und Entfernung etwaiger Drüsen. A. hat seine Methode bisher 5mal ausgeführt und verlor einen Fall mit weit vorgeschrittenem Carcinom. Wir haben nunmehr 5 Wege für die Total- exstirpation, den vaginalen, perinealen, sacralen, abdominalen und transperitonealen.

4) Asch (Breslau): Schäden der Formalinverwendung. A. warnt be- sonders vor Anwendung der Formalindesinfektion von elastischen Celluloidbougies sur Einleitung der künstlichen Frühgeburt und von Laminariastiften. Erstere verlieren in den Formoldämpfen ihre Elasticität völlig und werden daher unwirk- sam. Letztere können durch Atswirkung tiefgehende Nekrose der Schleimhaut an Cervix und Corpus uteri hervorrufen, wie A. in einem Falle zum großen Schaden der Pat. erlebte. Vollkommene Atresie und Atrophia uteri waren hier die Folge.

5) Krönig (Leipzig): Demonstration von fabrikmäßig sterilisirtem Katgut. K. empfiehlt das von der Firma Dronke hergestellte und in Cumol sterilisirte Katgut. Bisher hatte der Abnehmer keine Garantie dafür, dass die Katgutfäden auch wirklich auf 160° erhitzt waren. K. benutzt jetzt als Testobjekt eine Metallperle, die aus einer bei 160° schmelzenden Metalllegirung besteht und am Ende des obersten Fadens in der Schachtel angeknotet wird. Bei der Er- hitzung der Schachtel im Cumolbad schmilst die Perle um den Faden an, wenn die Temperatur 160° erreicht hat.

65 Küstner (Breslau): Methodik der gynäkologischen Laparotomie. K. berichtet zunächst über mehrere Technicismen bei der Laparotomie, die er im

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Interesse der Asepsis für wichtig hält. So lässt er seine Assistenten Gummihand- schuhe tragen, hat selbst wenigstens auf der linken Hand einen solchen, empfiehlt für die Bauchhöhle nur sanft fassende, nicht verwundende Zangen und benutst zum Ausschöpfen von Flüssigkeit aus dem Bauche einen sterilen Löffel. Zur Vermeidung von Bauchbrüchen, Verwachsungen und auch in kosmetischer Hin- sicht hat sich ibm jetzt in über 100 Fällen der gsuprasymphysäre Kreus- schnitt bewährt. In keinem einzigen Falle kam es zur Bildung einer Bauch- hernie.

7) Pfannenstiel (Breslau): Weitere Erfahrungen über meinen supra- symphysären Fascienquerschnitt. P., der den suprasymphysären Kreus- schnitt zum Fascienquerschnitt vertieft hat, d.h. alle Schichten der Bauchwand quer durchtrennt, hat ebenfalls in bis jetzt 134 Fällen keine Hernie danach erlebt. Die Methode erscheint auch geeignet, um postpuerperale Diastasen der Recti sur Heilung zu bringen. Da P. in seinen 134 Fällen keinen Todesfall hatte, so hält er seinen Schnitt für nicht gefährlicher, wenn nicht ungefährlicher, als die vagi- nale Köliotomie, vor der er den Vortheil größerer Übersichtliohkeit im Becken- raume besitzt. Die Nachtheile der Methode bestehen in der Schaffung einer breiten Wundfläche, die bei Infektion zur Eiterung neigt. Daher ist neben pein- lichster Asepseis auch exakte Blutstillung, besonders im Bereich der Fascien- ablösung, erforderlich. Geeignet ist der Schnitt für mindestens 1/3 aller Laparo- tomien, besonders für Ventrifixationen, Adnexoperationen und Extra-uterin-Schwan- gerschaften. Jaff& (Hamburg).

45) J. Wikerhauser. Kompression des Ureters nach supravaginaler Amputation des Uterus wegen Fibromyom. (Lieönicki viestnik 1902. No. 2. [Kroatisch.))

Nach der Operation eines 25 kg schweren intraligamentär und retroperitoneal entwickelten Uterusmyoms, wo viele Ligaturen nöthig waren, trat vollständige Anurie auf. Am Abend des zweiten Tages Relaparotomie, wobei der rechte Harn- leiter kleinfingerdick erweitert und in eine Gruppe von Ligaturen des Stumpfes gefasst gefunden wurde. Da er sich nicht aus den Ligaturen lösen lässt, wird er proximal an dieser Stelle durchschnitten und transperitoneal nach Witsel in den Scheitel der Blase eingepflanzt. Vollkommener funktioneller Erfolg, doch geht Pat. an Sepsis zu Grunde, die offenbar nach der zweiten Operation in den retroperitonealen Hämatomen ihren Ursprung genommen hat.

Bei der Sektion wurde die rechte Niere hypertrophisch, ihr Harnleiter ver- diekt und reaktionslos in den Scheitel der Blase eingewachsen gefunden. Die linke Niere klein, atrophisch, hydronephrotisch degenerirt; der linke Harnleiter dünn, leer, zeigt zwei omegaförmige (Q), jedoch durchgängige Schlingen.

v. Cačković (Agram).

46) M. Lodi (Modena). Sopra un caso di germi aberranti delle cap- sule surrenali nelle ovaie. (Clinica chirurgica 1901. No. 5.)

L. theilt aus der Klinik R.uggi’s einen Fall von Struma gland. suprarenalis aberratae in beiden Eierstöcken bei einer 4ljährigen Frau mit, die wegen chro- nisch-hämorrhagischer Metritis und beiderseitigem Cystovarium operirt wurde. Im linken Ovarium beide waren aufs dreifache vergrößert fanden sich drei, im rechten zwei bis nussgroße, vollkommen abgekapselte, weiche Knoten. Sie saßen an der Peripherie der Organe, ohne über das Gewebe hervorszuragen. Das histologische Bild entsprach den von Lubarsch beschriebenen suprarenalen Ge- schwülsten. Von den bekannten Geschwülsten etwa 40 an der Zahl ist keine außerhalb der Niere gefunden worden. Von aberrirten Nebennieren kennt die Litteratur 6 am männlichen Genitale oder am Darm, aber nur einen Fall am Ligamentum latum, keinen im Ovarium. | J. Sternberg (Wien).

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47) Aronheim (Gevelsberg i/W.). Über den Knochenabscess. Inaug.-Diss., Freiburg, 1901. l

Die Arbeit, bereits 1858 der Fakultät vorgelegt, berichtet über 4 an der Klinik Kraske’s operirte Fälle von osteomalakischem Knochenabscess; in den ersten 3 Beginn 7, 3/4 und 5 Jahre vor der Operation, die im Alter der Kranken von 25, 16, 20 Jahren vorgenommen wurde; Intervallzeit gekennzeichnet durch typische Anfälle. Operationsbefund: Eiterhöhle ohne Sequester, mit Membran in 3 Fällen; im vierten keine ausgebildete Höhle, nur umschriebene, eitrige Infiltration bei morschem Knochen (beginnender Knochenabscess, Ref.).

Die Litteratur ist nur bie 1885 berücksichtigt. Gross (Jena).

TE

48) Jacoel. Une agrafe pour sutures osseuses. (Presse méd. 1901. No. 103.)

J. giebt eine Klammer zur Knochennaht an. Die beiden Spitzen der Klammer, die in den Knochen eingetrieben werden sollen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich stufenförmig nach unten verjüngen. Ihre Form stellt man sich am besten vor, wenn man sich eine Reihe immer kleiner werdender Ohrentrichter in einander gesteckt denkt, deren unterster und engster in eine scharfe Spitze ausläuft. Da- durch wird bewirkt, dass die Klammerspitze nicht wie ein langer Keil wirkt, was leicht zu Splitterungen führen könnte. Der Widerstand wird in viele einzelne Theile zerlegt.

Nur am Schienbein ist es bisher unter heftigen Hammerschlägen beim Ein- treiben der Klammer zu leichten Rissen gekommen. Es empfiehlt sich hier, vor- her Bohrlöcher anzulegen. Bertelsmann (Hamburg).

49) Goldthweit and Pointer. Congenital elevation of the shoulder. (Boston med. and. surg. journ. 1901. December.)

Bei dem einen Pat. war die Deformität durch ungenügende Entwicklung der Muskeln, die das Schulterblatt nach median und unten ziehen, beim anderen durch ein besonderes Gelenk zwischen dem oberen Schulterblattwinkel und der Wirbel- säule bedingt. Beide Male handelte es sich um 12- bezw. Iljährigen Knaben, die Deformität saß einmal rechts, einmal links; bei beiden war sie erst während des ersten Lebensjahres bemerkbar geworden. Die Operation im ersten Falle be- stand in Abtrennung des Trapezius, der Rhomboidei, des Levator anguli scapulae, des Serratus ant. von dem Schulterblatt, das dann genügend nach außen und unten gezogen werden konnte. Darauf wurden die Rhomboidei höher oben wieder angenäht. Durch den Verband wurde die Schulter nach außen gedrängt und herabgezogen. Nach 2 Wochen Beginn mit passiven Bewegungen; der Arm erhielt normale Brauchbarkeit. Im zweiten Falle war neben dem Hochstand der rechten Schulter eine erhebliche linkskonvexe Dorsalskoliose vorhanden. Zwischen dem oberen Schulterblattwinkel und Wirbelsäule bestand eine knöcherne Brücke. Bei der Operation wurde auf diese eingeschnitten, die Brücke, die gelenkig mit dem Querfortsatz des 7. Halswirbels und dem oberen Schulterblattwinkel verbunden war, entfernt; keine Muskeldurchschneidungen. Das Schulterblatt ließ sich da- nach ziemlich frei seitwärts und abwärts ziehen. Bei der Nachbehandlung wurde durch Suspension und Massage die Wirbelsäulenverbiegung zu beeinflussen ge- sucht. Das Resultat ist beim ersten Fall nach Ausweis der beigegebenen Ab- bildungen besser. Das flügelförmige Absteben der Schulterblätter wurde, nament- lich im zweiten Falle, nur wenig beeinflusst. Trapp (Bückeburg).

50) @. Romm. .Ein Fall von Elephantiasis manus. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 188.) Der im Hospital zu St. Jacob in Wilna (Russland) beobachtete Fall betrifft einen 60jährigen Ackerbauer. Seit langen Jahren Ulcerationsprocess an der linken oberen Extremität, die linke Hand seit 4—5 Jahren geschwollen. Große strahlige

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Narben auf Brust, Rücken, Beinen. Ausgebreitete, meist mit den Knochen verwachsene, theilweise geschwürige Narben am linken Vorderarm. Die Hand m einem unförmlichen elephantiastischen Klumpen entartet (Photogramme). Wahr- scheinliche Krankheitsgrundlage Lues. Amputation im Oberarm, Heilung. In der Tiefe des Operationspräparates wurden einige gzerfallende Knoten (Gummata?) gefunden, in denen sich Bacillus smegmae vorfand.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

51) Honsell. Über einen Fall von Fibromyoangiom des Muskels. (Beitrāge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 1.)

Es handelt sich, wie die Operation erwies, um 2 gleichartige Geschwülste, von denen die eine im Musc. biceps femoris sinistri, die andere im Semitendinosus und Semimembranosus derselben Seite saß. Nach der anatomischen Untersuchung enthielt die Geschwulst, die mit dem Biceps exstirpirt worden war Semitendi- nosus und Semimembranosus wurden wegen des zu befürchtenden Funktions- ausfalles unversehrt gelassen ein Angiom, eine enorme Wucherung interstitiellen Bindegewebes und eine Neubildung glatter Muskulatur.

Die ausgedehnte Bildung jungen, das massenhafte Vorhandensein alten Binde- gewebes, die geschwulstartige, myomatösen Charakter tragende Wucherung glatter Muskelzellen geben der Geschwulst eine Sonderstellung unter den bisher be schriebenen. _ Bertelsmann (Hamburg).

52) Hübscher (Basel). Blutige Lösung der ankylosirten Kniescheibe. Interposition von Magnesiumblech. (Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte 1901. No 24.)

Nach der Empfehlung von Payr und Chlumsky legte H. nach blutiger Lösung der Kniescheibe Magnesiumblech zur Verhütung der Ankylose ein, und zwar ein 0,5 mm dickes Stück. Das vorläufige funktionelle Ergebnis war ein günstiges. Interessant aber ist ein Intermezzo bei der Wundheilung. Es fand sich bei dem ersten Verbandwechel am 4. Tage ein mächtiges Haut- besw. Gelenk- emphysem. Nach Lösung zweier Nähte entströmte unter hörbarem Zischen eine Menge Gas, offenbar Wasserstoff, da 1g Magnesium bei seiner Auflösung ca. 1 Liter dieses Gases entwickelt. P. Stolper (Breslau).

53) Milbradt. Eine Oberarmfraktur durch Muskelzug. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 7.)

Zwei kräftige Männer versuchten ihre Kraft dadurch zu messen, dass sie die rechten Ellbogen fest und dicht an einander auf den Tisch setzten und die Hände dann in der Weise verschränkten, dass die Daumen sich verhakten. Bei dem Versuch, seinem Gegner, welcher den Arm herabdrücken wollte, das Gleichgewicht zu halten, spannte Pat. seine Muskelkräfte auf das äußerste an; plötzlich knackte es; der rechte Oberarm war handbreit über dem Ellbogengelenk gebrochen. Eine abnorme Brüchigkeit der Knochen lag nicht vor. M. nimmt an, dass die Fraktur durch heftige Kontraktion des M. brachialis zu Stande kam.

Langemak (Rostock).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-

handlung Breitkopf $ Hüärtel, einsenden. CS Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E na Bugun, F, Kinig, E Ritter

Neunundzwanzigster Jahrgang.

gg Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumerstion. Zu besieben durch alle Buchhandlungen und Postanstalten,

No. 16. Sonnabend, den 19. April. 1902.

Inhalt: F. Roloff, Über manuelle Reposition von Luxationen ohne Narkose. (Original- Mittheilung.)

1) Marchand, Wundheilung. 2) v. Hansemann, Bösartige Geschwülste. 3) Pe- tersen, Carcinom. 4) Roth’s Jabresbericht. 5) Uzac, Geschossdeformation. 6) Bockenheimer, Spina biflda. 7) Roncall, Traumen der unteren Rückenmarkshälfte. 8) Howard, Sarkom von Speiseröhre und Magen. 9) Blondi, Bauchfell und In- fektion. 10) Hartmann, Chirurgie des Magen-Darmkanals. 11) Tavel, Gastroentero- stomie. 13 Albeck, Dünndarmstrangulation. 13) Czaplickl, Atropin bei Darmver- schluss. 14) Italia, Parotis und Pankreas.

15) Hildebrandt, Bericht über den südafrikanischen Krieg. 16) Dieulafoy, Gehirn- gumma und Jackson’sche Epilepsie. 17) Roncali, Trauma der Lendenwirbelsäule. 15) Oppenheim, Lungenembolien nach Operationen. 19) Mayo, Pankreatitis.

(Aus dem Krankenhause »Bergmannstrost« zu Halle a/S. [Prof. Oberst].)

Über manuelle Reposition von Luxationen ohne Narkose, Von Dr. F. Roloff, Assistenzarzt.

Angeregt durch Versuche von Stimson hat bekanntlich Hof- meister ein Verfahren zur Reposition von Schulterluxationen ohne Narkose mittels permanenter Gewichtsextension ausgebildet und im vorigen Jahre über eine Reihe günstiger damit erzielter Erfolge be- richtet!. Ob das Verfahren von anderer Seite schon angenommen worden ist, darüber liegen zur Zeit noch keine Mittheilungen vor. Ohne Zweifel liegt in der Vermeidung der Narkose und der heftigen Gewalteinwirkungen ein sehr wesentlicher Fortschritt gegenüber den bisher üblichen Methoden. Auch die sehr einfache Technik wird in den meisten Fällen wenig Schwierigkeiten bereiten. Immerhin schien es verlockend, auch diese noch zu vereinfachen, auf Grund desselben Princips die Reposition ohne jeden Apparat, einfach mit

1 Vortrag auf dem XXX. Chirurgenkongress zu Berlin 1901. Ausführliche Mittheilung in v. Bruns’ Beiträgen zur klin. Chirurgie 1901. Bd. XXX.

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der Hand zu machen. Den ersteu Versuch haben wir im Herbst v. J. bei einem nicht sehr kräftigen Arbeiter gemacht. Die Reposition gelang in 7 Minuten. Der Verletzte, dessen Aufmerksamkeit möglichst ab- gelenkt wurde, hatte keine Schmerzen dabei gehabt. Ein Einschnappen des Kopfes war nicht bemerkbar gewesen, sondern der Kopf war ganz allmählich in die Pfanne getreten.

Seither ist dieser Weg hier noch in 7 Fällen von Luxatio sub- coracoidea und in einem Falle von Luxatio humeri infraspinata ein- geschlagen worden. Er hat in 3 Fällen über diese weiter unten einige Worte nicht zum Ziele geführt, in den anderen aber so gut, dass wir ihn namentlich für den praktischen Arzt, der doch wohl manchmal Schwierigkeiten mit der Beschaffung des Extensionsapparates haben dürfte, als ersten Versuch wohl empfehlen zu können glauben.

Wir verfahren folgendermaßen: Der Pat. wird mit dem Rücken auf den Boden gelegt, man tritt auf die verletzte Seite, ergreift die Hand des luxirten Arms und beginnt langsam zu extendiren. Ganz allmählich steigert man die Energie des Zuges ein wenig, doch bleibt sie immer nur gering; gleichzeitig geht man allmählich in Abduktion, schließlich bis in annähernd vertikale, d. h. der Körperachse parallele Stellung des Arms über. Den Zug übt man ohne besondere Kraft- anstrengung durch leichtes Hintenüberlegen des Rumpfes aus. Ist die Abduktion vollendet, so steht meist der Kopf bereits in der Pfanne, und indem man den Arm, unter Unterstützung des Kopfes von der Achselhöhle, langsam senkt, ist die Reposition vollendet. Hat man keine geschulte Assistenz, so kann man zuletzt die Ex- tension einem Anderen übergeben und die Direktion des Kopfes selbst übernehmen. Schmerzen treten bei richtigem Verfahren nicht auf; im Gegentheil ist es auffallend, wie manche vorher äußerst empfind- liche, jammernde Pat. sofort beruhigt sind, sobald die leichte Extension begonnen hat. Von Wichtigkeit ist, dass Störungen, d. h. Anlässe - zur Muskelkontraktion, also ruckweises Ziehen, unnöthige Palpation vermieden werden; Ablenkung der Aufmerksamkeit des Pat. durch allerlei Gespräche erleichtert die Erschlaffung der Muskulatur. Man fühlt sehr deutlich, wie diese allmählich vor sich geht und kann sich danach mit der Vergrößerung der Abduktion richten. Die Zeit- dauer, die in den gelungenen Fällen nöthig war, betrug zwischen 7 und 13 Minuten; die Verletzten waren zum Theil sehr kräftige Arbeiter, einer davon betrunken.

Wie oben erwähnt, gelang in 3 Fällen die Reposition nicht.

In 2 davon lag es offenbar daran, dass das Verfahren nicht mit der nöthigen Geduld und Vorsicht versucht wurde. Bei dem 3. waren schon gewaltsame Repositionsversuche ohne Narkose vorausgegangen; es gelang, den Arm ganz zu abduciren, doch trat der Kopf nicht über den Pfannenrand, sondern blieb mit dem Hals an ihm hängen. In Narkose sprang er dann bei sehr erheblicher Gewaltanwendung unter auffallend rauhem Schnappen ein.

Außer an Schulterluxationen ist das entsprechende Verfahren von

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uns kürzlich in 2 Fällen von Luxation des Vorderarms nach hinten mit voll befriedigendem Resultat angewandt worden: Sanfter, keinen Schmerz verursachender Zug in der Längsrichtung des Arms, wäh- rend dessen man deutlich die allmähliche Verlängerung der Extre- mität sah, schließlich leichte Hyperextension, langsame Flexion unter Vorschieben des Olecranon führten in einem Falle in 3, im anderen in etwa 10 Minuten zum Ziel.

Nach den in Tübingen und hier gemachten Erfahrungen dürfte es nicht zu weit gegangen sein, wenn man für die Zukunft die For- derung aufstellt, dass in allen Fällen von Schulterluxation für die übrigen fehlt es noch an genügenden Erfahrungen gewaltsame Ver- fahren und Narkose nicht eher in Anwendung gezogen werden soll- ten, als bis der Versuch der Reposition durch allmählich wirkenden Zug auf diese oder jene Weise vergeblich gemacht worden ist. Ein vergeblicher Versuch bereitet dem Pat. weder Schmerzen noch Schaden. .

Seit Abschluss der Arbeit sind noch 3 frische Fälle von Luxatio humeri sub. nach der beschriebenen Methode mit vollem —— in 3, 4 und 12 Minuten reponirt worden.

1) F. Marchand. Der Process der Wundheilung mit Ein- schluss der Transplantation. (Deutsche Chirurgie Liefg. 15. Stuttgart, Ferd. Enke, 1901. )

M. fasst in diesem Werke in erschöpfender Weise Alles zu- sammen, was die Untersuchungen über die feineren Vorgänge bei der Wundheilung bis jetzt ergeben haben.

Nach einer einführenden geschichtlichen Übersicht über die Wandlungen, welche die Anschauungen von den Wundheilungs- processen seit Anbeginn erfahren haben, werden in einem ersten Abschnitt in allgemeinerer Weise die unmittelbare Wirkung und die weiteren Folgen der Verwundung, der irritative Zerfall und die re- aktive Regeneration der einzelnen Gewebsarten für sich abgehandelt. Hierbei werden die störenden Komplikationen der Wundheilung, insbesondere die Entzündung und die durch ihr Fehlen oder Ein- setzen bedingten Heilungsarten eingehend berücksichtigt. Aufbauend dann auf den gewonnenen Grundanschauungen schildert Verf. in einem weiteren Theil die komplicirteren Vorgänge bei der Wund- heilung der zusammengesetzten Gewebe, der Organe, so wie die Er- scheinungen bei der Einheilung von Fremdkörpern und der Trans- plantation lebender Gewebe, wie Haut, Knochen, Muskeln, Ner- ven u. A.

Das hochbedeutsame Werk geht auf alle Fragen dieses umfang- reichen und vielbearbeiteten Gebietes mit größter Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit ein, trägt den verschiedenen Auffassungen mit strenger Objektivität Rechnung, sichtet dabei aber äußerst kritisch und hebt das Brauchbare heraus. Die Deduktionen M.'s, durchaus frei von hypothesenreicher Phantasie, ziehen die Schlussfolgerungen

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streng wissenschaftlich nur aus Erfahrungen und Ergebnissen, die als gesichert zu betrachten sind. Besonders werthvoll wird uns das Werk dadurch, dass M. uns allenthalben seine eigene Ansicht klar zu erkennen giebt und uns mit seinen aus langjährigen gründlichen Studien auf diesem Gebiete gewonnenen eigenen Erfahrungen be- kannt macht.

Was hierbei an selbständiger Arbeit, experimentellen und mikro- skopischen Untersuchungen geleistet ist, ist erstaunlich. Die genaue Kenntnis der Wundheilungsprocesse ist für den Chirurgen unerläss- lich, und er kann sie nirgends übersichtlicher, kritisch schärfer be- leuchtet und geistvoller erläutert finden als in diesem Werke, wel- ches zu den besten Lieferungen der deutschen Chirurgie gerechnet werden muss. Buchbinder (Leipsig).

2) v. Hansemann. Die mikroskopische Diagnose der bös- artigen Geschwülste. Berlin, August Hirschwald, 1902. 255 8.

Unter dem obigen Titel ist das v. H.’sche Werk in II. Auflage erschienen. Der Umfang des Werkes ist nicht unerheblich vermehrt, das Litteraturverzeichnis vervollständigt, eine Anzahl von Abbildungen hinzugefügt, einige sind fortgelassen worden. Das 2. Kapitel der I. Auflage: »Die Morphologie bösartiger Geschwülste im Vergleich mit dem Muttergewebe« ist in 5 aufgelöst worden, welche bezeichnet sind:

1) Morphologie der Carcinome im Vergleich mit dem Mutter- gewebe.

2) Morphologie der Sarkome im Vergleich etc.

3) Die Carcinome und Sarkome der Endothelien.

4) Bösartige Mischgeschwülste.

5) Komplicirte Geschwülste verschiedener Art.

Durch die Einfügung von 5 ist einem Mangel abgeholfen worden, auf den Ref. in der Recension der I. Auflage des Werkes (cf. dieses Centralblatt 1897 p. 489 ff.) aufmerksam gemacht hatte. Schon damals war die Kenntnis der Chorionepitheliome doch schon so weit geför- dert, dass sie in einem zusammenfassenden Werke (cf. die Einleitung zu der I. Auflage, p. 3, Zeile 9 und 10 von unten) wenigstens eine Erwähnung verdient hätten, wenn auch nur in dem Sinne, dass die Frage der bösartigen Choriongeschwülste für den Verf. noch nicht genügend geklärt sei. Ich komme hierauf speciell zurück, weil sich in dem Werke auf p. 85 und 87 in einer Fußnote eine Bemerkung über mein damaliges Referat findet, die, um v. H.’s eigene Worte zu gebrauchen, hier ausdrücklich erwähnt werden muss: »Anm. In der I. Auflage dieses Buches wurden die Chorionepitheliome nicht berücksichtigt, und zwar mit Absicht. Die ganze Angelegenheit schien mir damals noch nicht genügend geklärt, um in ein lehrhaftes Buch aufgenommen zu werden. Auch hatte ich selbst noch wenig Gelegen-

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heit gehabt, mir ein eigenes Urtheil zu bilden und die Ansichten, die sich schroff einander gegenüber standen, auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Herr Pels-Leusden, der auch einmal darüber gearbeitet hat und nun zu seinem Leidwesen nicht citirt wurde, nahm daraus Veranlassung, das ganze Buch im Centralblatt für Chirurgie abfällig zu kritisiren. Ich will ihn desswegen hier ausdrücklich erwähnen. «

Über den Ton dieser Anmerkung will ich keine Worte verliereh; das Urtheil darüber kann ich getrost meinen Fachgenossen überlassen. Die Anmerkung enthält aber eine Unrichtigkeit, indem ich niemals über Chorionepitheliome gearbeitet habe. Vielleicht meint Herr v. H. eine Arbeit von mir betitelt: > Über die serotinalen Riesenzellen und ihre Beziehungen zur Regeneration der epithelialen Elemente des Uterus an der Placentarstelle (Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynä- kologie Bd. XXXVI Hft. 1), in der jedoch, außer in dem Litteratur- verzeichnis, nirgends etwas von Chorionepitheliomen steht. Ich konnte also gar keinen Anspruch auf die Ehre machen, von Herrn v. H. erwähnt zu werden. Damit fällt dann auch das unlautere Motiv für meine abfällige Kritik weg, dass Herr v. H. in seinem lehrhaften Buch sich erlaubt hat, mir zu insinuiren.

Alles in Allem habe ich keine Veranlassung von meiner dama- ligen Kritik etwas zurückzunehmen, insbesondere scheint mir das Werk nicht dasjenige zu halten, was der Praktiker nach seinem Titel da- hinter vermuthen könnte. | Pels-Leusden (Berlin).

3) W. Petersen. Beiträge zur Lehre vom Careinom. I. Über

Aufbau, Wachsthum und Histogenese der Hautcarcinome. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXII. Hft. 3.)

P.’s Beiträge zur Lehre vom Aufbau, dem Wachsthum und der Histogenese der Hautcarcinome gründen nicht nur in eingehenden mikroskopischen Untersuchungen, sondern vor Allem in einer eigen- artigen Untersuchungsmethode, die bisher bei Hautcarcinomen in solchem Umfang und mit gleicher Fragestellung noch nie Verwen- dung gefunden hatte, nämlich der plastischen Rekonstruktion von Carcinomen nach dem Born’schen Plattenverfahren. Bei demselben wird die Geschwulst in Serienschnitte zerlegt, dann alle epithelialen Theile der Schnitte bei einer bestimmten Vergrößerung aufgezeichnet, auf Wachstafeln von ausgerechneter Wandstärke projicirt, letztere ausgeschnitten und zusammengeklebt.

P. unterscheidet zunächst das unicentrische Carcinom, bei wel- chem die Epithelwucherung an einer einzigen Stelle beginnt und von hier auf die Umgebung einschließlich des Nachbarepithels über- greift, vom multicentrischen Carcinom, das an verschiedenen Stellen beginnt, und dessen Weiterwachsen durch Bildung immer neuer selb- ständiger Carcinomherde in der Peripherie der Hauptgeschwulst er- folgt. Die von je einem Centrum ausgehenden Carcinomzellen wachsen als Stamm mit Asten und Zapfen kontinuirlich weiter; die Diskon-

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tinuität des Epithelwachsthums gehört nicht unbedingt zum Begriff des Carcinoms. Neben kleinen beginnenden Carcinomen sind nament- lich solche carcinomatöse Randwucherungen, die nachweislich (Platten- modell!) unabhängig von der Hauptgeschwulst sind, zum Studium der Histogenese geeignet. Aus dem Verhalten dieser selbständigen Randwucherungen lässt sich zwingend beweisen, dass das Epithel primär, ohne wesentliche Betheiligung des Bindegewebs, carcinoma- tös entarten und sich kontinuirlich in die Tiefe ausbreiten kann.

Die beim Carcinom auftretenden Bindegewebsveränderungen sind den Epithelveränderungen zum Theil subordinirt, zum Theil koordi- nirt. Einen einheitlichen Charakter besitzen sie nicht. Ein multi- centrisches Carcinom entspricht vollkommen einer Gruppe primärer multipler Carcinome. Die Recidive sind beim unicentrischen Car- cinom stets direkte, beim multicentrischen kommen auch indirekte Recidive in Betracht.

Bezüglich der Ätiologie neigt Verf. auf Grund seiner Unter- suchungen mehr der Annahme einer rein cellulären als einer para- sitären Entstehung zu, da sich eine größere Ähnlichkeit mit ent- wicklungsgeschichtlichen als mit anderen pathologischen Processen ergab. Honsell (Tübingen).

4) W. Roth’s Jahresbericht über die Leistungen und Fort- schritte auf dem Gebiete des Militärsanitätswesens. XX VI. Jahr- gang, Bericht über das Jahr 1900.

(Supplementband zur Deutschen militärärztlichen. Zeitschrift.) Berlin, S. Mittler & Sohn, 1901.

In dem Ende 1901 erschienenen R.’s Jahresbericht für das Jahr 1900 ist diesmal die Piece de resistance eine kurze zusammenhängende Übersicht über die chirurgische Litteratur des Jahres aus der Feder A. Köhler’s. Ferner ist ein ausführlicher Auszug aus einem Bericht des spanischen Militärarztes Aycart über den Philippinenfeldzug von Döring geliefert, welcher reges Interesse beansprucht. Aus diesem Material sei besonders aufmerksam gemacht auf die Beschreibung zahlreicher Verwundungen der Spanier durch ein eigenthümliches Hackmesser der Eingeborenen, Bolo genannt, welche besonders häufig in den ersten Kämpfen der Spanier gegen die Aufständischen vor- kamen, ehe die letzteren sich mit Gewehren versehen hatten. In dieser Periode machten diese Wunden 60% aller Verwundungen aus, nur 40% kamen auf Gewehrschüsse, also ein umgekehrtes Verhält- nis, als sonst in den modernen Kriegen üblich ist, in welchen ja naturgemäß nur ein geringer Procentsatz auf die blanken Waffen kommt. Der Hauptsitz dieser Wunden war Kopf und Hals, dann Unterarme und Hände. Häufig waren bei jenen die Schädelknochen verletzt und Hirnbruch vorhanden, oft waren auch große Hautlappen abgeschält, so dass durch die spätere Narbenzusammenziehung nicht selten zahlreiche plastische Operationen nöthig gemacht wurden.

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Die Wunden durch Handfeuerwaffen waren dadurch sehr ver- ‚schiedenartig, dass ganz altmodische Gewehre mit kugeligen Geschossen von 9—15 mm oder cylindro-ogivalen von ca. 11 mm Kaliber, ‚meist aus Weichblei verwendet, andererseits aber auch moderne Kleinkalibergeschosse mit hartem Mantel benutzt wurden. Während die kugeligen meist deformirten Geschosse nur wenig Durchschlags- kraft besaßen und häufig stecken blieben, war die Wirkung des Ge- schosses Remington, System Freire-Boull, von cylindro-ogivaler Form, 11 mm-Kaliber mit Messingmantef sehr zerstörend, in der Nähe stark »explosive. Dies wird auf longitudinale, transversale und schrauben- förmige Schwingungen zurückgeführt. Bei Treffern aus weiter Ent- fernung soll auch Trennung des Geschosses in Mantel und Bleikern die Regel gewesen sein, so dass mehrere Einschusswunden vorhanden waren. Auch Mitreißen von Kleiderfetzen war häufig und aus allen diesen Gründen Eiterung fast immer die Folge.

In der Schlacht bei Cavite kamen auf spanischer Seite auch viele Verwundungen durch amerikanische Artilleriegeschosse vor, nämlich in der Flotte und Landarmee 75 Tödtungen und 281 Ver- wundungen, wogegen auf Seite der Amerikaner nur 9 Mann ver- ‚wundet worden sind. Die Verwundungen waren nicht allein durch Sprengstücke, sondern auch durch die explosive Flüssigkeit veranlasst, letztere wohl mehr oder weniger oberflächliche Hautverbrennungen. Hierauf ist desshalb etwas ausführlicher eingegangen worden, weil die Arbeit Aycart’s im Centralblatt nicht besprochen worden ist.

Lühe (Königsberg i/Pr.).

5) Uzac. Etude sur les deformations des balles modernes. (Presse méd. 1901 No, 82.)

U. unterscheidet zwei Typen der Deformation.

1) Type hélicoidal, dadurch zu Stande kommend, dass das i in Rotation befindliche Geschoss seitlich aufschlägt, abprallt. Ist der Gegenstand, an den es anprallt (am Boden liegende Steine, Mauer- kanten u. dgl.), hart genug, so entsteht am Geschoss in Folge der Eigenbewegung desselben ein schraubenförmiger Eindruck. U. unter- scheidet bei beiden Typen 3 Grade je nach dem Verhalten des Mantels: 1) Deformation ohne Mantelriss, 2) Deformation unter Riss des Mantels mit theilweiser Trennung von Mantel und Kern, 3) voll- ständige Trennung von Mantel und Geschoss mit Zersplitterung des Geschosses.

Nach den Untersuchungen der französischen Militärschule riko- chetiren bei 1000 m Flugbahn aufschlagende Geschosse fast alle, von denen, die nach 1800 m den Boden berühren, rikochetiren noch 40%. Diese rikochetirten Geschosse können noch 500—2200 m weit fliegen unter nur geringer seitlicher Abweichung, so dass leicht Verwundungen durch diese Geschosse entstehen können, wie sie von Delorme, Habart, Pitot, Treves, Mathiolius und Matignon beobachtet sind.

440 Centralblatt für Chirurgie. No. 16.

2) Type de Champignonnement. Deformation durch Stoß auf die Spitze. Es handelt sich hier um pilzartige Formveränderungen. Schraubenförmige Deformationen, jedoch im umgekehrten Sinne wie die vorher beschriebenen, entstehen auch bei Aufschlagen mit der Spitze durch die rotirende Bewegung der Geschosse.

Abbildungen und Einzelheiten sind im Original nachzusehen.

Bertelsmann (Hamburg). 6) P. Bockenheimer. Zur Kenntnis der Spina bifida. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 3.)

Die pathologische Anatomie der Spina bifida ist besonders durch die Arbeiten von v. Recklinghausen in unserer Zeit genügend aufgeklärt worden. Eine umfassendere klinische Arbeit, die sich auf ein reicheres Material stützt, haben wir indessen lange entbehren müssen. So kommt die vorliegende Arbeit des Verf., die in der v. Bergmann’schen Klinik entstanden ist, einem zweifellosen Be- dürfnis nach. Mit Recht sind für die Eintheilung klinische Gesichts- punkte maßgebend gewesen, so dass B. nur die 3 Arten: Myelocele, Myelocystocele und Meningocele behandelt. Die anatomischen Ver- hältnisse sind entsprechend diagnostischen und therapeutischen Be- dürfnissen kurz, aber übersichtlich bei jeder einzelnen Unterart be- sprochen. Schematische Abbildungen unterstützen dabei die Vor- stellung der nicht immer einfach gelegenen Verhältnisse.

Was zunächst die Myelocele anlangt, so ist die Ansicht von v. Recklinghausen auch heute noch gültig, dass hier eine Ent- wicklungshemmung vorliegt und die geschwulstartige Vorwölbung dadurch zu Stande kommt, dass auf der ventralen Seite des Rücken- marks ein Hydrops entsteht, der das Rückenmark aus dem Kanal hervordrängt. An der Oberfläche der Myelocele sind 3 Zonen zu unterscheiden, von außen nach innen die Zona dermatica, die Zona epithelio-serosa und die Zona medullo-vasculosa, welch letztere genau die Kuppe der Geschwulst einnimmt und ihrem Aussehen nach leicht mit einem Cavernom zu verwechseln ist. Sie stellt die Reste des gespaltenen Rückenmarks dar, das stark gedehnt, degenerirt und durch intra- wie extra-uterine Processe vernichtet worden ist. Am crauialen wie am caudalen Pol dieser Zone finden sich Grübchen, die sich in den Ceutralkanal bezw. in den Conus terminalis fort- setzen. Die Zona medullo-vasculosa ist oft nach der Geburt der Ort eitriger Entzündung, die leicht durch die Maceration zu Stande kommt. Überleben die Kinder, was selten ist, diese Entzündung, so erscheint die Zona medullo-vasculosa eben so wie die Zona epithelio- serosa allseitig epidermisirt. Die Nerven, deren Verlauf, je nach der primären Entstehung des Hydrops im Subarachnoidealraum oder im Subduralraum, ein verschiedener ist, sind durch die Zerrung aus dem Rückgratskanal degenerirt, und zwar die motorischen mehr wie die sensiblen. Darum sind höher sitzende Myelocelen häufig mit Lähmung der oberen Extremitäten, tiefer gelegene mit Lähmung der

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Beine und der Blase wie des Mastdarms kombinirt. Die Sensibilitäts- störungen sind seltener und meist gering, häufiger dagegen sind trophoneurotische Störungen, Ekzeme und Decubitalgeschwüre an- zutreffen. Klinisch ist immer Fluktuation und Schmerzhaftigkeit bei Druck zu konstatiren. Verkleinern lässt sich die Geschwulst nicht. Der Knochenspalt ist meist weit. Von anderweitigen Missbildungen sind Nabel- und Nabelschnurbrüche am häufigsten. Die Prädilektions- stelle der Myelocele ist die Regio lumbosacralis; am seltensten kommt sie in der Regio sacralis vor. Die Geschwulst wird höchstens faust- groß; dann kommt sie zum Platzen und es erfolgt der Tod.

Die Myelocystocele ist ebenfalls eine Bildungshemmung, aber später entstanden wie die Myelocele, erst nach der 3. Woche, so dass eine normale Vereinigung des Rückenmarks und der Haut oder des Ektoderms, dagegen mangelhafte Verbindung der Dura und der Wirbelsäule oder des Mesoderms besteht. Die bruchartige Vorstülpung des Rückenmarks erklärt sich aus dem ungleichen Wachsthum der Wirbelsäule und des Rückenmarks selbst, von denen das letztere normal, die erstere zu langsam wächst. An der Stelle der Vor- wölbung der Medulla spinalis kommt es durch Knickung derselben zur Degeneration und zu Transsudation innerhalb des Centralkanals, wodurch das Rückenmark noch mehr geschädigt wird und noch mehr entartet. Man kann bei dieser Unterart der Spina bifida Stellen finden, wo man nur noch Reste des Rückenmarks vor sich hat. Die Myelocystocele sitzt breitbasig auf und ist an der Basis reichlich behaart und mit Teleangiektasien versehen. Die Haut ist auf der Höhe der Wölbung oft sehr atrophisch und kann durch den starken Innendruck zum Platzen kommen. Fluktuation ist immer vorhanden, weniger dagegen Verschieblichkeit der Geschwulst. Reposition in den Wirbelkanal ist oft möglich. Hydrocephalus ist eine häufige Begleiterscheinung gerade der Myelocystocele. Er entsteht meist erst nach der Geburt. Druck auf die Geschwulst bringt leicht Hirndruck- erscheinungen hervor; Unruhe, Krämpfe, Nystagmus, Strabismus, selbst Blindheit sind in Folge der Steigerung des intraoculären Drucks beobachtet worden. Auch Stillstand der Athmung resp. Verlang- samung derselben kann durch Druck verursacht werden. Lähmungen sind selten, da der ventrale Theil des Rückenmarks am wenigsten gefährdet ist und die Nervenfasern nicht aus ihrer Lage verdrängt werden.

Da die Myelocystocele sich oft durch einen seitlichen Defekt des Wirbels erstreckt, sind manchmal Pes varus, valgus oder equino- varus einseitig vorhanden. Isolirte Blasen- und Mastdarmlähmungen sind dagegen häufiger und treten oft erst nach Jahren auf, wie auch die trophoneurotischen Processe. Sensible Störungen sind häufiger wie bei der Myelocele. Als begleitende Missbildung ist am meisten die Bauch-Blasen-Darmspalte zu finden, ferner Diastase der Musculi recti und einseitige Lähmung der Bauchmuskulatur. Der Wirbel- spalt ist meist klein und nicht tastbar. Hauptsitz ist die Lumbal-

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und Dorsalwirbelsäule. Da die Myelocystocele normale Haut besitzt, kann sie größer werden und ist länger vor dem Platzen bewahrt wie die Myelocele.

Die Meningocele ist die seltenste Form der Spina bifida. Von den 63 Fällen des Verf. sind nur 5 dieser Form zugehörig. Übrigens kann erst die genaue pathologisch-anatomische Untersuchung die Diagnose sichern, da manche Fälle als Meningocele imponirten, und sich bei genauer Präparation später doch zeigte, dass eine Myelo- cystocele dahinterstecke. Ursache der Meningocele ist eine Ent- wicklungshemmung der Wirbelsäule und der Dura mater. In den meisten Fällen sind bei derselben keine Nerven im Sack zu finden, anderen Falls ist nur der jeweilig direkt am Spalt liegende Nerv in den Meningocelensack gezogen. Lähmungen sind in Folge dessen selten. Erst beim Wachsthum des Sackes, wenn mehr Nerven in ihm gezerrt werden, können solche auftreten. Doch sind die be- treffenden Fälle nicht ganz einwandsfrei. Die Geschwulst sitzt bei dieser Art der Spina bifida in der Regel gestielt auf, ist aber oft auch breitbasig. Die Haut über ihr ist oft sehr dünn, denn die Größe ist manchmal sehr beträchtlich; es wurden schon kindskopf- große Säcke beobachtet; die Gefahr des Platzens ist sehr groß. Die Meningocele ist am seltensten von Komplikationen, wie Missbildun- gen, motorischen und sensiblen Störungen begleitet. Nach v. Berg- mann bleibt es Übrigens noch nachzuweisen, ob sie in der bisher angenommenen und beschriebenen Form vorkommt. Am häufigsten sitzt sie über dem Kreuzbein. Die Träger dieser Missbildung können ein höheres Alter erreichen wie die der anderen Arten.

Differentialdiagnostisch sind für die Unterscheidung der einzelnen Arten der Sitz der Geschwulst, die Art der Lähmungen, die Kom- bination mit anderweitigen Missbildungen resp. deren Fehlen, das Fühlen eines Spaltes zu verwenden. Die Diagnose wird sich dann meist richtig stellen lassen. Das Röntgenbild giebt keinen genügen- den Aufschluss.

Die früheren Behandlungsmethoden sind seit der Ära der Anti- septik der offenen Operation gewichen. An der v. Bergmann ’'schen Klinik werden jetzt die Indikationen weiter gestellt als früher und alle 3 Arten operirt. Die Meningocele soll operirt werden, und zwar so früh wie möglich, so weit es der Allgemeinzustand zulässt; denn sie kann platzen, es können später Lähmungen auftreten und sie kann in späteren Jahren nach Katzenstein zur Spina bifida occulta werden. Hydrocephalus und Lähmungen kontraindiciren den Ein- griff. Die Erfolge bei den geeigneten Fällen sind gute. Auch die Myelocystocele soll operirt werden; abgesehen von Fällen mit hoch- gradigen Missbildungen, mit Hydrocephalus und schweren Lähmungen einer ganzen oder beider Extremitäten. leichtere Lähmungen von Blase und Mastdarm, leichter Pes varus etc. sind kein Grund gegen die Operation. Nach deren Heilungen können orthopädische Maß- nahmen die Fußstellungen korrigiren. Von 9 Fällen des Verf. wur-

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den 7 geheilt. Am schwierigsten ist die Indikationsstellung für den Eingriff bei der Myelocele. Die Kinder sind hier meist besonders elend, und doch kann man nicht lange warten. Indessen die Erfolge der v. Bergmann’schen Klinik beweisen, dass man auch hier bei geeigneter Auswahl gute Resultate erzielen kann; denn von 8 Fällen wurden 3 geheilt. So sind denn alle 3 Arten in der That operabel. Die Technik der Operation ist relativ einfach bei der Meningo- und Myelocystocele. Bei beiden ist es am besten, wenn möglich, den ganzen Sack zu exstirpiren. Die Resektion des degenerirten Rückenmarks bis an die Knochenlücke ist bei der zu zweit genannten Form meist ohne Nachtheile möglich. Schwieriger ist die Operation der Myelocele. Besonders die Reposition der nervösen Bestandtheile macht hier viel zu schaffen, da der Wirbelkanal an der Stelle des Spaltes klein und mit Lipomen besetzt ist, deren Entfernung sehr blutig sein kann. In einzelnen Fällen ist die Reposition überhaupt unmöglich. Doch soll dies nicht vom Eingriff zurückhalten. Für die Deckung des Lappens genügt die Vernähung der Hautränder; doch kann man sich auch eines Muskellappens (Bayer) oder einer Knochenplastik dazu bedienen. Auch künstliches Material hat man verwendet. Tamponade ist zu unterlassen. Gewissenhafte Nach- behandlung ist sehr wichtig. Die häufigsten Todesursachen sind Meningitis, Pneumonie und Enteritis. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

7) D. B. Roncali (Rom). Patologia e chirurgia dei traumi del rigonfiamento lombare, del cono terminale e delle coda equina.

Rom, Soc. ed. Dante Alighieri, 1901. XII und 2i7 S.

R. hat sich der dankenswerthen Aufgabe unterzogen, die bisher mitgetheilten 86 Fälle operativ behandelter Schädigungen der unteren Rückenmarkhälfte: Lendenanschwellung, Conus terminalis und Cauda equina, einheitlich und kritisch zu bearbeiten. Weitere 5 Fälle haben ihm Durante, Chipault und Scalzi (je 2) zur Verfügung gestellt.

Die Arbeit ist um so verdienstlicher, als es sich zum Theil um ein Gebiet handelt, vor dem die Mehrzahl der bisherigen klinischen Bearbeiter Halt gemacht zu haben scheint. Gegenüber den zahllosen experimentellen und anatomischen Erfahrungen, über die wir bezüg- lich der oberen Rückenmarksabschnitte verfügen, sind wir nicht in der Lage, die Diagnose, besonders die lokale, bei tief gelegenen Lä- sionen mit der gleichen Exaktheit zu stellen. Es sei nur auf die kombinirten Krampflähmungszustände hingewiesen, die eben so gut für Markerkrankungen, wie für Wurzelaffektionen sprechen. Noch Henle klagt über die fast manchmal durchaus unüberwind- lichen Schwierigkeiten, die der exakten Diagnose bei Caudaerkran- kungen entgegenstehen (Handbuch der praktischen Chirurgie Bd. II).

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R.’s Untersuchungen liegen nun in einem stattlichen Quart- band vor.

Der 1. Abschnitt stellt unsere heutigen Kenntnisse der anato- mischen und physiologischen Details der in Rede stehenden Rücken- markspartien auf Grund der neuesten Forschungen in gedrängter, aber klarer und durch Skizzen und Schemata illustrirter Form zu- sammen; es sind dies insbesondere die äußerst komplicirten Innerva- tionsverhältnisse motorischer wie sensorischer Art, die Reflexversorgung; Gebiete, auf denen die anatomische Forschung und die klinische Beobachtung ununterbrochen neue 'Thatsachen zu Tage fördern. Die Darstellung stützt sich in diesem Theil einfach auf die Arbeiten Raymond’s, van Gehuchten’s nnd anderer neuerer und neuester Forscher, die Bilder und Schemata sind Kocher, Soulié u. s. f. entlehnt.

Das nächste Kapitel behandelt Ätiologie, Pathogenese und patho- logische Anatomie der Erkrankungen dieser Rückenmarksabschnitte. Hier wird auch eingehend die consecutive, aufsteigende Degeneration besprochen.

Bei dem Stand der klinischen Kenntnisse ist es begreiflich, dass der folgende Theil, die Symptomatologie, zu dem umfangreichsten des ganzen Buches gehört. R. stellt schließlich folgende Thesen auf: Die Symptome sind außerordentlich wechselnd, weil die Frakturen des gleichen Wirbels nicht immer von den gleichen Folgen begleitet sind, diese vielmehr wesentlich von der momentanen Position des Markes im Kanal abhängen. Wurzelläsion und Markläsion, beson- ders umschriebene, stimmen häufig in ihren Erscheinungen überein.

Die Diagnose wird sich aber nicht mit der Frage nach dem Sitz begnügen dürfen, sondern auch die Natur der Schädigung be- rücksichtigen müssen. Diese Momente, so wie die Prognose über- haupt, enthält das 4. Kapitel, während der nächste Abschnitt den Indikationen und Kontraindikationen zur Laminektomie und ihrer speciellen Technik gewidmet ist. Aus den Thesen für die ersteren seien erwähnt: Bei konstatirter Verletzung des Duralsackes nebet oder ohne Knochenbrüche ist ein Eingriff immer und sofort vorzunehmen. Bei konstatirter Verletzung der Lendenanschwellung ceteris paribus ist ebenfalls sofortiger Eingriff indicirt. Bei sub- kutaner Wirbelfraktur mit Dislokation ist auch bei Mangel schwerer Nervenläsion ein Eingriff sofort indicirt. Weitere Thesen detail- liren die erwähnten Grundsätze.

Für die Operationen schlägt R. eine Reihe kräftiger Knochen- instrumente vor und beschreibt eingehend die Einzelausführungen. Charakteristisch sind die vorangestellten Principien für den Operateur: 1) sei der Eingriff so vollständig als möglich, 2) so wenig furchtsam, 3) so früh als möglich auszuführen.

Das letzte Kapitel enthält die Resultate der ausgeführten Lamin- ektomien. Schon aus der vorantiseptischen Zeit berichtet R. von 10 Operationen mit 4 günstigen Resultaten. Unter den 81 späteren

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waren 26 von vollem, 23 von zeitweiligem oder theilweisem Erfolg begleitet; der Tod trat in 23 Fällen ein; in den übrigen blieb der Zustand unverändert.

Das Werk schließt mit dem Citat aus Raymond’s Leçons sur les maladies du système nerveux, das ihm auch vorangestellt ist, dass dieses Kapitel »die delikatesten Probleme der Diagnose und Behandlung zur Diskussion stellt auf dem Grenzgebiet der Mediciner und Chirurgen«.

Die Krankengeschichten der 86 Fälle sind im Anhang kritisch geordnet angefügt.

Die Ausstattung ist des bereits in wissenschaftlichen Kreisen rühmlich bekannten ne »Dante Alighieri würdig.

J. Sternberg (Wien).

8) Howard. Primary sarcoma of the oesophagus and stomach. (Journ. of the amer. med. assoc. 1902. Februar.)

Nach Beschreibung eines Falles von Sarkom des unteren Öso- phagusabschnittes mit Metastasen im Magen, der während des Lebens als Carcinom angesehen war, unterzieht Verf. die 12 in der Litteratur vorliegenden Fälle von Ösophagussarkom und 50 von Magensarkom, die er auf 61 vermehrt, einer kritischen Betrachtung. 4 Fälle von Magensarkom hat er selbst beobachtet, keiner war als solches dia- gnosticirt. Sie sind mit ausführlichen Sektionsberichten mitgetheilt. In Bezug auf Speiseröhrensarkom kommt Verf. zu folgenden Schlussfolgerungen: 1) Sarkom ist bei Männern häufiger als bei Frauen, es kommt in der gleichen Periode wie Carcinom am häufig- sten vor, doch auch schon im kindlichen Alter. 2) Die untere Hälfte der Speiseröhre war am häufigsten befallen. 3) Da die Geschwülste meist ringförmig sind, bilden sie häufige polypenartige Gewächse. 4) Ösophagusverschluss lag bei 11 von den 12 Fällen vor. 5) 4mal wurde Perforation in die Athmungsorgane beobachtet. 6) Aus- genommen Angiosarkom wurden alle Formen gefunden, Rundzellen- sarkom am häufigsten. 7) Metastasen sind häufig und manchmal sehr ausgebreitet. 8) Die Diagnose am Lebenden ist unmöglich Mangels von Carcinom unterscheidender Symptome. 9) Der tödliche Ausgang erfolgt viel schneller als beim Carcinom. 10) Die von Stark beobachteten Besonderheiten des Schmerzes: frühzeitiges Auf- treten, starker stechender Charakter, stärkeres Hervortreten während der Magen leer ist, besonders Nachts, und Ausstrahlen zwischen die Schulterblätter können für die Differentialdiagnose wichtig werden, wenn es durch mehr Beobachtungen bestätigt wird.

Über das primäre Magensarkom kommt Verf. zu folgenden Schlüssen: 1) Magensarkom ist häufiger als bisher vermuthet. Sorg- fältüge Untersuchung jeder Magenneubildung daraufhin wird noch mehr Fälle auflecken. 2) Beide Geschlechter sind annähernd gleich häufig befallen. 37,7% der Fälle kamen vor dem 40., 11,44% vor dem 20. Jahre vor. 3) Hintere Wand und große Curvatur sind am

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häufigsten befallen; Pylorus war nur in 26,23%, Cardia in 4,9% ergriffen, diffuse Verbreitung in 21,31%. 4) Sarkom erreicht eine bedeutende Größe, bis zu Mannskopfumfang, und kann sich in die Magenlichtung oder in die Bauchhöhle hinein erstrecken bis unter den Nabel (13,1%). Dadurch findet öfter Stielbildung statt, und die Geschwulst wird leicht entfernbar, aber meistens falsch diagnosticirt. 5) Sarkom geht von der Submucosa oder Muscularis aus und zeigt weniger Neigung zu Geschwürsbildung und Blutung als Carcinom. 6) Alle Arten des Sarkoms sind im Magen gefunden. 7) Metastasen sind seltener als bei Carcinom, können aber weitverbreitet sein. (Leber nur in 11,47% metastatisch krank.) 8) Klinisch unterscheidet sich Sarkom nicht vom Carcinom. In 3 Fällen wurde aber doch richtige Diagnose aus den aus dem Magen gewonnenen Massen ge- stellt. 10) Große, mit dem Magen zusammenhängende Geschwülste, besonders wenn sie bis zum Nabel oder tiefer reichen, sind ziemlich sicher Sarkome, eben so alle Magengeschwülste, die vor dem 20. Jahre auftreten. 11) Die Operation ist eben so erfolgreich (?) als beim Carcinom.

Reichhaltige deutsche, englische, amerikanische und französische Litteratur nach Angabe des Verf. alles über den Gegenstand Existirende ist angeführt, Trapp (Bückeburg).

9) Biondi. Ricerche sperimentale sulle modificazioni della resistenza del peritoneo alla infezione da bacterium coli in seguito ad iniezioni endo-peritoneali di diverse sostance e loco applicazioni alla chirurgia addominale nelľ uomo. (Policlinico 1902. No. 1 u. 2.)

Die natürliche Widerstandskraft des Bauchfells gegen Infektion beruht auf Keimzerstörung durch Endothelien und Leukocyten. Kann man dieselbe steigern durch Injektion von Substanzen, die die Leukocyten anregen, etwa Kochsalzlösung o. dgl.? B. bereitete sich eine hochvirulente Kultur von Bact. coli, von welcher 8 Tropfen, ir die Bauchhöhle injicirt, als tödliche Minimaldosis für Meerschweinchen bestimmt wurde. Injicirte er Tags vorher 1 cem Kochsalzlösung, so trat der Tod langsamer, injicirte er 2 ccm (was beim Menschen ca. 300 ccm bedeuten würde), so trat er erst bei Injektion von 17 Tropfen Kultur ein. Injicirte er sterilisirte Kulturen des Bact. coli, so wurden bis zu 21 Tropfen der Kultur vertragen.

Die Leukocyten nehmen die Bakterien auf und tödten sie. Da- durch werden Bakteriengifte frei, die zur Intoxikation führen können, wenn sie zu massenhaft werden, andererseits die Leukocyten auf- lösen, wodurch wieder bakterientödtende Alexine frei werden. Ge- nügt daher die Leukocytenzahl und Kraft, so kann die Infektion überwunden werden. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

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10) Hartmann. Chirurgie gastro-intestinale. These de Paris, 6. Steinheil, 1901. 152 8.

H. bespricht in 8 Vorlesungen das obige Thema. Das Werk zeichnet sich aus durch Klarheit und Knappheit der Sprache und eine große Anzahl vorzüglicher Illustrationen. Besonderen Werth legt Verf. auf die Kenntnis der normalen und pathologisch-ana- tomischen Verhältnisse, aus welchen er das jeweilige Operationsver- fahren logisch entwickelt. Die Diagnose und die Indikationsstellung werden eben so berücksichtigt, auch wird meistense in Überblick über die Geschichte der Operationen gegeben, wobei sich Verf. mit der deutschen Litteratur gut vertraut zeigt. Hervorzuheben ist, dass H. bei allen Darm- und Magennähten 2 fortlaufende Nahtreihen an- wendet; die eine fasst die ganze Dicke der Eingeweidewand und dient zugleich zur Blutstillung Unterbindungen macht H. hier nicht —; die andere fasst Serosa und Muscularis und stülpt die erste Naht ein. Bei der Exstirpation des Carcinoma pylori nimmt H. den größten Theil der kleinen Curvatur mit fort, weil die Studien seines Prosektors Cun&o und seine eigenen ihm bewiesen haben, dass an dieser am häufigsten krebsig infiltrirte Drüsen sitzen.

Den Mastdarmkrebs will H. vom perinealen Wege aus operirt wissen; bei allzu hohem Sitz soll man nach Qu&nu zuerst von einer Laparotomiewunde aus mobilisiren, um dann die Exstirpation vom Damm aus zu vollenden. Mit dem sacralen Wege kann H. sich nicht befreunden. Die Darstellung dieses Kapitels hätte durch eine schärfere Trennung der hochsitzenden von den tiefsitzenden Carci- nomen gewonnen. Die Chirurgie des Wurmfortsatzes ist nicht be- sprochen. Im Übrigen geben die oben bezeichneten Vorzüge dem Werk einen hohen Lehrwerth, und auch der ältere Chirurg wird mit Vergnügen und Nutzen der eleganten Darstellung, die stets auf eigene Erfahrungen und Untersuchungen zurückgreift, folgen.

Bertelsmann (Hamburg).

11) E. Tavel. Le reflux dans la gastro-entérostomie. (Revue de chir. 1901. No. 12.)

Betrachtungen über die Leidensgeschichte eines deutschen Kol- legen, der im Jahre 1897 viermal in kurzen Zwischenräumen operirt werden musste, nachdem er 1896 wegen motorischer Insufficienz nach Kocher’scher Modifikation die Gastroenterostomia antecolica ant. hatte vornehmen lassen, welche hartnäckige Rückflusserschei- nungen im Gefolge hatte. T. nimmt hierbei Gelegenheit, die ver- schiedenen Arten und anatomischen Verhältnisse dieses störenden Ereignisses einer genauen Kritik zu unterziehen, und beginnt die- selbe mit der Sanktionirung der Bezeichnung »Reflux« für den Ab- fluss der Galle und des Pankreassaftes in den Magen, so wie anstatt der üblichen Benennungen »Circulus vitiosus« und »Regurgitation«.

448 Centralblatt für Chirurgie. No. 16.

Bei der gewöhnlichen Gastroenterostomie mit isoperistaltischer Anheftung der Darmschlinge können 4 Arten des Reflux zu Stande kommen, für welche T. leider keine Namen, sondern Chiffern bezw. Beschreibungen gebraucht: Galle und Paunkreassaft gelangen in den Magen

a. durch den Pylorus rückwärts,

b. durch die zuleitende Schlinge,

c. durch Entleerung des Mageninhalts in die zuleitende Schlinge

(eigentlich Circulus vit.), d. durch retroperistaltische Bewegungen der ableitenden Schlinge.

In der Litteratur sind etwa 11 verschiedene Erklärungen für das Zustandekommen des Reflux niedergelegt; sie sind besonders von Chlumsky gesammelt und ausführlich studirt. Die klinische Wich- tigkeit des Übertretens von Galle und Pankreassaft in den Magen ist durch Untersuchungen am Krankenbett und die schönen Thierver- suche von Chlumsky und Steudel genügend dargethan: Während geringe Mengen von Pankreassaft im Magen schon faden, pappigen Geschmack, Durst, Appetitlosigkeit hervorrufen, kann Galle auch in größeren Mengen ertragen werden. Tritt jedoch sämmtlicher Pankreassaft in den Magen ein, so ist damit eine zum Tode führende Störung gesetzt.

Zahlreich sind die Modifikationen der Gastroenterostomie, die zur Verhütung des Reflux erdacht und ausgeführt worden sind. Sie werden der Reihe nach gewürdigt, wobei T. zum Schlusse gelangt, dass nur die Methoden von Doyen und Roux (Y-Anastomose) volle Sicherheit gewähren. Die letzte ist noch vorzuziehen, weil die zeit- raubende Resektion des zuführenden Schenkels, wie Doyen sie aus- führt, fortfällt.

Eine treffende Illustration hierzu bietet die oben genannte Krankengeschichte. Ein Kollege, der an motorischer Insufficienz leidet, wird lange intern behandelt, dann 1896 gastroenterostomirt (Gastroenterostomia antec. ant. mit Klappenbildung nach Kocher). Nach ungestörter Heilung Appetitlosigkeit, Widerwillen gegen Fleisch, unerträglich fader Geschmack im Munde, Aufstoßen. Unerträglicher Zustand. Etwa 2 Monate später plastische Vergrößerung der stark geschrumpften Fistel und komplementäre Enteroanastomose. Kein Erfolg; Eventration. Die bald nachher vollzogene dritte Laparotomie zeigte Kompression des Colon durch zu kurses Mesenterium der sehr spitz einmündenden szuleitenden Schlinge. Diese wird nach v. Hacker gefaltet, das Mesenterium gedehnt. Vorübergehende Besserung. Doch muss 2 Monate später von Neuem zur Operation geschritten werden, bei der das Duodenum vom Pylorus abgetrennt wird; gleichzeitige Beseitigung der Eventration. Auch dies Mal blieb der Erfolg aus, und erst nachdem in fünfter Bitzung die zu- leitende Schlinge resecirt war, trat endgültige Heilung ein: es war somit der Zu- stand geschaffen, wie er nach einer Doyen’schen Gastroenterostomie ausgesehen haben würde.

Die Abhandlung wird allgemein interessiren. Christel (Mets).

Centralblatt für Chirurgie. No. 16. 449

12) Albeck. Experimentelle und klinische Untersuchungen über die Todesursache bei Dünndarmstrangulation. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 3.)

Die bisher bekannten Untersuchungen über die Durchwanderung von Bakterien durch die Darmwand bei Strangulationen beweisen besonders nach Buchbinder’s Experimenten, dass geringere Cirku- lationsstörungen an sich nicht genügen, die Darmwand durchgängig zu machen. Es ist in den meisten Fällen eine Gangränisirung der Wandung nothwendig, um zu der erwähnten Komplikation zu führen. Prüfte Verf. das ihm zu Gebote stehende Material von 51 inneren Dünndarmstrangulationen darauf hin, so konnte er konstatiren, dass in der That in einer großen Mehrzahl der Fälle die Peritonitis mit als Todesursache anzusehen war. Eine Reihe von Fällen aber zeigte durchaus keine erkennbaren peritonealen Veränderungen, so dass man bei 6 tödlich geendeten Fällen an den Tod durch Intoxikation denken muss. Diesen wichtigen Fragen suchte A. durch experimentelle Ver- suche näher zu treten. Es wurden bei Thieren durch Fadenschnü- rung künstliche Strangulationen erzeugt und der weitere Verlauf da- nach beobachtet. Fast ausnahmslos kam es zu einem schweren Krankheitsbild, das sehr rapid einsetzte, nachdem eine vorübergehende kurze Erholung von dem operativen Eingriff erzielt war. Die Sektion wurde gleich nach dem Tode der Thiere vorgenommen. Meist fand sich Flüssigkeit im Peritonealraum, immer aber wurden Bakterien gefunden. Colibacillen, Staphylokokken, Proteus waren je nach der Thierart das Hauptkontingent der Mikroorganismen. Im Herzblut und im Urin war der Bakterienbefund in der Mehrzahl der Fälle ein geringer, oft gleich Null. Zweifellos waren allenthalben die Zeichen einer leichten Peritonitis vorhanden. Es blieb desshalb die Frage noch zu beantworten, waren die Bakterien durch die Darmwand hin- durchgedrungen oder waren sie von außen bei der Operation in die Bauchhöhle gelangt. In 10 Fällen fand sich bei der mikroskopischen Untersuchung, dass die Darmwand ganz, d. h. durch alle Schichten hindurch, nekrotisch und von Bakterien durchsetzt war. Bei 14 an- deren Thieren dagegen sprach eine Reihe von Einzelheiten, darunter die verschiedene Virulenz der Peritoneal- und der Darmbakterien, dafür, dass operative Bauchfellentzündung vorlag. In den Fällen, wo eine Durchwanderung der Bakterien durch die Darmwandung statt- gefunden hatte, war die Virulenz in Durchschnitt eine höhere als bei den Thieren, bei welchen die Bakterien von außen her in das Bauchfell eingebracht waren. Von besonderer Wichtigkeit sind die Experimente und Injektionsversuche, die A. mit der Peritonealflüssig- keit der an Strangulation zu Grunde gegangenen Thiere vornahm. Sie scheinen ihm zu beweisen, dass der Tod der Thiere mit Dünn- darmstrangulationen oft ohne Peritonitis, wahrscheinlich durch eine Vergiftung vom Darme aus eintritt. Die große Ähnlichkeit des Krank- heitsbildes bei Thieren und Menschen scheint ihm so frappant, dass

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man auch die obigen Schlussfolgerungen auf den Menschen über- tragen darf, zumal sich in einem Theile der klinisch beobachteten Dünndarmstrangulationen keine Peritonitis findet.

Weiterhin beschäftigt sich Verf. mit der Giftigkeit des Darm- inhalts bei Strangulationen und bei normalen Verhältnissen. Bei intraperitonealer und intravenöser Injektion normalen Inhalts blieben einige Thiere am Leben, einige starben an Peritonitis. Die Injektion des Darminhalts dagegen, der Thieren mit Strangulationen entnommen war, führte rasch in allen Fällen schwere Krankheit und Tod herbei. Das Krankheitsbild war ein sehr typisches. Erbrechen, Temperatur- erniedrigung, Durchfall traten rasch in Erscheinung. Zuletzt betrug das Absinken der Körperwärme bis zu 5°. Dasu kamen noch to- nische und klonische Krämpfe. Bei den Kaninchen, die im Ganzen diese Erscheinungen wie die anderen Thiere hatten, fehlte nur das Erbrechen. Die intravenöse Injektion hatte eine raschere Wirkung wie die ins Bauchfell. Der Sektionsbefund war aber bei beiden Arten der gleiche. Vor Allem fanden sich Bakterien im Bauchfell und im Herzblut.

Die sich anschließenden Untersuchungen über die Bildung des Giftes und seine Abhängigkeit von den Mikroorganismen, ebenfalls durch experimentelle Versuche studirt, ergaben als Resultat, dass das Gift sowohl dem Kochen wie dem Passiren durch Chamberland’sche Filter widerstand. Es war also in Wasser löslich und gehört zu den sogenannten putriden Giften. Bezüglich der Resorption der Toxine ist es wahrscheinlich, dass stetig eine gewisse Aufsaugung vom Bauchfell ausgeht, indem von der Oberfläche der Darmschlinge giftige Flüssigkeit in dasselbe ausgeschieden wird. Die Menge dieser Gifte ist in der Zeiteinheit wohl eine geringe; aber die Sekretion und Resorption ist doch eine stetige. Wahrscheinlich findet eine Aufsaugung des Giftes auch durch die Gefäße des Gekröses statt. Dass letztere komprimirt sind, ist wohl kein Hindernis dafür. Die Bildungsstelle des Giftes ist nicht nur die zuführende Darmpattie, die ja in vielen Fällen stark erweitert ist und Geschwüre (Dehnungs- ulcera nach Kocher) zeigt, sondern die strangulirte Darmschlinge selbst spielt hier wohl eine große Rolle, vielleicht sogar die wesent- lichste bei einer großen Reihe von Fällen.

Eine tabellarische Übersicht der klinisch beobachteten Fälle und der Thierexperimente schließt die Arbeit ab, die im Universitäts- laboratorium für medicinische Bakteriologie in Kopenhagen ent- standen und in der Hauptsache wohl als eine Nachprüfung der im vorigen Jahre von Kukula publicirten Versuche anzusehen ist, welch letztere allerdings noch wesentlich umfangreicher und umfas- sender angestellt sind, und die eine noch etwas eingehendere Be- rücksichtigung verdient hätten als es geschehen ist.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

. Ceptralblatt für Chirurgie. No. 16. 451

13) T. Czaplicki. Über die Wirkung des Atropins in ge- wissen Fällen von Darmverschluss. (Medycyna 1901. No. 42—45.)

Thierversuche zeigten, dass Atropin in erster Linie den Tonus der cirkulären Muskelfasern der Därme steigert, eine arterielle Hyper- ämie verursacht, den Blutdruck in den Mesenterial- und Darmgefäßen hebt. Sein Einfluss auf die Peristaltik ist nur gering; und zwar kann es die Muskeln selbst ohne Vermittlung der Nerven beeinflussen. ‘Vom klinischen Standpunkte ist Verf. gegen eine Verwendung des ‚Mittels in allen Fällen. Seine Anwendung dürfte vor Allem in den ersten 24 Stunden der Krankheit angezeigt sein, und zwar nament- lich in gewissen Formen des Ileus dynamicus und obturatorius.

Trzebicky (Krakau).

14) F. E. Italia. Ipertofia funzionale compensativa tra par-

otide e pancreas. (Policlinico 1902. No. i u. 2.) :

Angaben über Wechselbeziehungen zwischen Pankreasund Speichel- drüsen liegen mehrfach vor. I. prüfte die Frage experimentell an Hunden. Zerstörung des Pankreas durch verschiedene Agentien, Atzung, Quetschung, Unterbindung der Art. pancreatica, führte zu Abmagerung event. zum Tod. Stets, schon sehr früh, fand sich Vergrößerung der Parotiden, die beim Hund die einzigen Speichel- drüsen sind. Dieselbe beruhte auf Zunahme des Volumens der secer- nirenden Elemente mit allen Zeichen einer vermehrten Sekretion, so wie auf einer Neubildung von Acinis, die aus bereits normaler- weise im perikapsulären Gewebe liegenden Zellhaufen entstehen. Wurden umgekehrt die Parotiden entfernt, so magerten die Hunde ab, litten an unersättlichem Hunger und Durst und starben: das Pankreas war vergrößert, und neben den histologischen Zeichen einer vermehrten sekretorischen Thätigkeit fand sich eine von den normalen Läppchen selbst ausgehende Neubildung von Parenchym.

Die Ursache dieser Drüsenhyperplasie sucht I. in der durch das Nervensystem vermittelten kompensatorischen Sekretionssteigerung.

E. Pagenstecher (Wiesbaden).

Kleinere Mittheilungen.

15) A. Hildebrandt. Beobachtungen über die Wirkungen des’ klein- kalibrigen Geschosses aus dem Boerenkrieg 1899—1900. | (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 3.)

Vorliegende Arbeit ist eine Ergänzung zu den Kriegsberichten von Küttner und Matthiolius. Sie behandelt die vom Verf. beobachteten Fälle von Schuss- verletsungen im Burenkrieg und giebt die eigenen Ansichten des Autors wieder.

Wie bekannt, wurden in dem noch wüthenden Kriege in der Hauptsache klein- kalibrige Geschosse von 7—8 mm Laufweite benutzt. Von den maßgebenden Stellen auf Seite der Buren sind Dum-Dum-Geschosse sicher nicht ausgegeben

452 Centralblatt für Chirurgie. No, 16.

worden, Blieben die Projektile im Körper stecken, so verursachten sie nur selten Beschwerden; doch fand man trotzdem entzündliches Exsudat in ihrer Umgebung. Am häufigsten wurde das Steckenbleiben von Geschossen im Körper beobachtet sei Schüssen, welche die kompakten Theile der langen Röhrenknochen trafen, und zwar hauptsächlich der stärksten Skeletttheile. Im Großen und Ganzen setzt das Steckenbleiben der Geschosse einen Aufschläger voraus, wenn der Schuss nur durch Weichtheile und spongiöse Knochen gedrungen ist. Um Fernschüsse han- delte es sich dabei seltener. Tuchfetzen gaben nur selten Anlass zu einer Infek- tion. Die Größe der Hauteinschussöffnung ist von dem Winkel abhängig, unter dem das Geschoss auftrifft, von der Größe des Durohmessers, mit dem es durchtritt und von der Beschaffenheit der Haut. Häufig wurden auch mehrere Einschuss- öffnungen beobachtet. Die Ausschussöffnung war im Allgemeinen größer als die Einschussöffnung. Jene war oft rund, die Ränder aber nicht glatt. Bei Schuss- verletsungen aus nächster Nähe war die Ausschussöffnung manchmal sehr klein, meistens aber recht groß. Das gilt für die Weichtheilschüsse. Bei Verletzung der stärkeren Skeletttheile gestaltet sich das Verhältnis jedoch anders. Bei Ex- tremitätenschüssen deuten große Ausschussöffnungen von 3,5 cm und darüber im Allgemeinen auf Verletzungen der kompakten Theile der langen Röhrenknochen. Doch kommen größere Ausschüsse bei reinen Weichtheilschüssen selbst aus weiter Distanz vor. Mehrere Ausschussöffnungen wurden nur bei Knochenverletzungen beobachtet. Die Infektionsgefahr steht in direktem Verhältnis sur Größe der Hautöffnungen.

Reine Weichtheilschüsse machten eine auffallend geringe Verletzung. Bei Schüssen aus nächster Nähe mit ausgedehnten Zertrümmerungen kam es aber zu umfangreichen Eiterungen mit langwieriger Heilungsdauer. Schüsse mit sehr langen Schusskanälen heilten oft auffallend gut. Ausgedehnt war die Weichtheil- verletzung bei Schussfrakturen der langen Röhrenknochen. Die bedeutendste Zerstörung der Weichtheile fand in den Fällen statt, in denen der Knochen in viele kleine Theile zerschmettert war, bei Nahschüssen. Die Zerstörung der Weichtheile, welche durch die herausgerissenen Knochenpartikel bedingt ist, er- folgt nicht nur in der Richtung des Ausschusses, sondern auch in der des Ein- schusses. Die Wunden bluteten im Allgemeinen wenig, selbst bei Verletzung von Gefäßen mittleren und größeren Kalibers; doch mögen derart Getroffene sum Theil auf dem Schlachtfeld sich verblutet haben. Höhlenblutungen sind selbst aus kleineren Gefäßen gefährlicher wie Extremitätenblutungen, z. B. aus der Fe- moralis. Sehr häufig wurden bei Geheilten Aneurysmen beobachtet, und zwar gerade an den größeren Gefäßen, so dass man erst aus diesen auf die schwere Verletzung und ihre Art Schlüsse ziehen konnte. Den Verblutungstod aus peri- pheren Arterien hält H. indessen nicht für extrem selten. Als Grund führt er an, dass die Zahl der Todten bei den nahe an den Feind gekommenen englischen Truppen im Verhältnis sehr groß ist gegenüber der Zahl der Verwundeten. Die Ursache sieht er nicht in den Schädelschüssen, sondern gerade in dem häufigeren Verblutungstod. Spätblutungen sind bei dem meist reaktionslosen Verlauf der Wundheilung selten gewesen. Der Schmerz der Verwundeten direkt nach der Verletsung war meist sehr gering, oft nicht der Schwere der Verletzung ent- sprechend. Hatte das Geschoss seinen Weg an größeren sensiblen Nervenstämmen vorbei genommen, so wurde die Verletzung vom Getroffenen oft in die Peripherie verlegt. Der Nerv selbst brauchte gar nicht getroffen zu sein. Bewusstlosigkeit nach dem Schuss zeigt im Allgemeinen eine Gehirnverletsung an. Doch trat sie auch bei Verletsung größerer Nervenstämme, namentlich bei Gesichtsschüssen, auf. Nach Nervenverletsung kam es oft zu neuralgischen Beschwerden von recht langer Dauer, ferner zu infektiöser Neuritis, trophoneurotischen Störungen und neuro- paralytischen Entzündungen. Bezüglich der Bauchschüsse ist H. der Ansicht, dass Verletzungen der Eingeweide heilen können, ohne dass eine Laparotomie gemacht wird, da die Löcher im leeren Darm nur klein sind, übrigens die Dart.- schlingen auch auszuweichen vermögen. Schüsse durch die Niere verlaufen häufig ohne größere Blutung und mit gutem Ausgang, [doch sind Volltreffer aus naher

Centralblatt für Chirurgie. No. 16. 453

Distanz oder mittlerer Eztfernung meistens tödlich. Bei Verletzungen der Blase spielt die Füllung des Organs bezüglich der Schwere des Unfalls eine wesentliche Rolle. Die Zahl der Beobachtungen ist hier indessen klein. Streifschüsse der Harnröhre geben eine gute Prognose. Nicht weniger interessant, und die Be- richte der anderen Chirurgen aus dem gleichen Krieg bestätigend und ergänzend, sind die Abschnitte über die Verletzungen des Schädels, des Rückenmarks, der Knochen und Gelenke, deren exakte Beobachtungen den Interessenten gur Lektüre empfoblen seien.

Bei einer kriegschirurgischen Würdigung des neuen Geschosses kommt H. zu dem Schluss, dass sich die Verluste in künftigen Kriegen nicht erhöhen werden. Bei Kämpfen in naher Distanz hat sich die Zahl der Todten gegenüber den Ver- wundeten vermehrt, doch dürfte dies Verhältnis im Allgemeinen bei den übrigen Gefechten kein ungünstigeres sein wie in früheren Kriegen. Die Zahl derer, welche später ihren Verwundungen noch erliegen, hat sich wesentlich vermindert. Wenn es früher als Regel galt, dass der verwundete Krieger ein Krüppel war, so ist das jetzt zur Ausnahme geworden. Wenn man von Humanität der modernen Geschosse gesprochen hat, so hält es Verf. für bedenklich, dass auch ärztliche Stimmen auftreten, welche die Einführung grausamerer Geschosse fordern, zumal diese Humanität vielleicht doch nur eine scheinbare ist, die bei europäischen Kriegen sich nicht als so hervorragend erweisen könnte.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

16) G. Dieulafoy. Gomme syphilitique du lobe frontal avec attaques d’epilepsie Jacksonienne; grave atteinte à la doctrine les localisa- tions cerebrales.

(Bull. de acad. de méd. Ann. LXV. Ser. III. No. 34, 36, 38—40.)

Die kasuistische Mittheilung des Vortr. an sich würde kaum hierher gehören, wenn sie nicht eine lebhafte, in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerthe Diskussion erweckt hätte.

Es handelte sich um eine ausgedehnte Gummibildung des linken Frontal- lappens, die unter Koma, Fieber und Krämpfen, die etwa 6 Tage vor dem Tode zum ersten Male auftraten, schnell zum Tode führte. Die rein Jackson’schen Krampfanfälle hatten im rechten Arm ihren Anfang genommen und hinterließen sogar eine halb(rechts-)seitige Parese. Demnach war die Diagnose auf Gummi der Centralwindung, Armcentrum, gestellt worden. Um so größer war die Über- raschung, als die Obduktion eine Affektion des Frontallappens aufdeckte.

D. scheint dieser Fall angethan, die Lehre von der strengen Lokalisation der Gehirnfunktion bedenklich ins Wanken zu bringen. Pat. war Syphilitiker; wohl hat Herber in seiner Arbeit »Caracteres de l’evolution clinique et symptomes de la gomme cérébrale circonsorite«< hervorgehoben, dass Rindensyphilome sich häufiger im Frontallappen als in der motorischen Zone (8:2) entwickeln. Als allgemeine Regel aber gelte doch, dass Jaokson’sche Epilepsie von den motorischen Centren ausgehe. D. hat noch folgende analoge Fälle zusammenstellen können:

1) Lépine, Gomme des lobes frontaux. Revue de med. 1895. Juni 10. 2 Mit- theilungen.

2) Faquet und Lowitz, bei Herber.

3) Chipault, Revue de neurol. 1893. p. 145.

» Wenn uns, fragt D., weder die einseitig lokalisirten Krämpfe, noch auch die Paralysen sicheren diagnostischen Anhalt gewähren, welche Handhaben sind uns dann für die regionäre Differentialdiagnose geboten?« Die Antwort hierauf müsse vorläufig verneinend lauten. Immerhin scheint zur Zeit noch die auf die untere Extremität beschränkte Epilepsie zu machen, was vielleicht mit der hohen Lage des Beincentrums zusammenhängt.

Die Diskussion zieht sich über 4 Sitzungen hin.

Pitres (Bordeaux) weist vor Allem Dieulafoy’s Ansicht zurück, dass durch die mitgetheilten Beobachtungen die Lehre von den Lokalisationen erheblich er-

454. Centralblatt für Chirurgie. No. 16.

schüttert werde. Ähnliche Fälle, wie die von Dieulafoy, seien längst bekannt. Vor Allem würde nicht mehr das von Dieulafoy beliebte Schema des Zusammen- hangs Jackson’scher partieller Epilepsien und bestimmter Rindengebiete der Zona Rolandi in so dogmatischer Form aufgestellt. Es sei bekannt, dass experi- mentell von jedem beliebigen Punkt (sur n'importe quel point de la surface du cerveau) der Hirnrinde aus durch elektrische Reizung partielle Kontraktionen und Krämpfe ausgelöst worden seien; dass klinisch bei Urämie, Diabetes, Absintb- vergiftung u. A. epileptoide Anfälle beobachtet seien, wo die nachfolgende Autopsie gar keine sichtbaren Hirnläsionen aufdeckte.

Anders steht es mit den Monoplegien, die in wesentlich konstanterer Ab- hängigkeit von bestimmten Rindengebieten der motorischen Zone stehen. Doch konnte bereits Ferrier (Bull. et m&m. de la soc. de chir. 1891 p. 414) 20 Fälle sammeln, wo partielle Krämpfe bei negativem Befund in der motorischen Zone bestanden hatten. Auch die Berichte von Bramwell, Oppenheim und Bruns (Kongress zu Moskau) sprechen in diesem Sinne. P. schließt mit der These von Auvray: »Wenn die typische Jackson'sohe Epilepsie mit eindeutigen Symptomen verläuft, gut abgegrenzt beginnt, sich langsaun von der Peripherie nach dem Centrum fortpflanst, der Kranke den Beginn des Anfalls bei Bewusstsein beobachtet, wenn ferner Monoplegien der betreffenden Seite zurückbleiben, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Krankheitsherd in der Centralwindung oder in ihrer unmittelbaren Nähe liegt, sehr groß.«e Geschwülste bringen im Allgemeinen klinisch komplieirte Erscheinungen mit sich und setzen mehr dem Irrthum aus.

Lucas-Championniere hat an 70 Trepanationen wegen nicht traumatischer Hirnaffektionen mehrfach Erfahrungen gesammelt, die den Beobachtungen Dieu« lafoy’s nahe stehen. Wer hieraus einen Beweis gegen die Lokalisationslehre ableiten wolle, befände sich auf dem Abweg zu falscher Deutung der Thatsachen, Die Geschwülste des Frontallappens berühren die motorische Zone; selbet weiter entfernte, an der Basis gelegene können Jackson’sche Krämpfe auslösen, sei es durch Kompression der Centren, sei es durch fortgeleitete entzündliche Vorgänge, Besonders diese, wenn sie nur kurze Zeit bestanden haben, wie im vorliegenden Falle, können wohl bei der Trepanation als lokale Injektion und Durchtrānkung erscheinen, bei der Obduktion aber gänzlich verschwunden sein. Epilepsie, Kopf- weh, Schwindel geben die Indikation, Monoplegien die Richtung des Eingriffs an. Seien wir uns bewusst, dass die Beseitigung des Krankheitsherdes nicht das einzige Ziel der Chirurgie sein könne; sie würde sonst auf eine Minderzahl glück» licher Zufälle beschränkt werden. Die Druckmilderung stehe als Indikation im Vordergrund. Um jedoch dem anderen Ziele näher su kommen, müssen wir breite Öffnungen anlegen, die uns in den Stand setzen, auch die weitere Umgebung der motorischen Zone zu betrachten und event. ausgedehntere Schäden zu beseitigen. Auch im Dieulafoy’schen Falle hätten Koma, Temperatursteigerung und Jack- son’sche Krämpfe die Indikation zur Operation gegeben. Eine breite Offnung hätte vielleicht sogar die Grense der Gesohwulst zu fühlen gestattet. Jedenfalls hätte durch Beseitigung von Entzündung und Kompression der Kranke Zeit ge- wonnen, dass die eingeleitete antiluetische Kur ihre Wirkung thun konnte. L.-C. belegt dies durch Beispiele seiner Erfahrung.

Laborde ist der Ansicht, dass die Kliniker nicht genügend Anschluss aa die Physiologie hätten. Das erste Faktum, das er feststellen möchte, sei die Er- mittlung der Experimentatoren, dass die motorische Zone zu eng aufgefasst worden sei. Nach und fnach ausgeübte Reizungen, von der Basis ausgehend, über den Frontallappen nach der Rolando’schen Furche zu, lassen alle Übergänge von der Unerregbarkeit bis zu maximaler Erregbarkeit erkennen. In der Pathologie kommt vor Allem die sekundäre Ausbreitung der Reize in Betracht. L. hat zum Studium pathologischer Reize künstlich Hirnblutungen erzeugt, indem er bei Hunden dse Blut der Carotis mittels eines Perforators unter die Schädeldecke leitete. Unter den erzeugten Symptomen waren stets bei jeder Lokalisation konvulsive Vorgänge zu beobachten. Pitres und Charcot haben bereits 1883 Theile der Stirn- und Scheitelwindungen als zur motorischen Zone gehörig angesehen. Aus

è

Centralblatt für Chirurgie. No. 16. 455

Allem gehe hervor, dass die Jackson’sche Epilepsie wohl vorwiegend im moto- rischen Centrum (Rolando’sche Furche) ihren Sitz habe, dass man jedoch, be- sonders bei Eingriffen, damit rechnen müsse, dass Frontal- und Parietalwindungen in ihren angrenzenden Theilen eben so die Ursache enthalten können, und dass es sich oft um fortgeleitete Reize handelt.

Dieulafoy wiederholt, es sei ihm nicht fremd, dass es eine Jackson’sche Epilepsie der motorischen Zone und des Frontallappens gebe. Seine Frage habe gelautet, ob es differentiell-diagnostische Anhaltspunkte gebe, sie zu trennen. Er wisse keinen; und die Redner der Diskussion hätten ihm noch nicht auf diese Frage geantwortet.

Raymond theilt mehrere Fälle von Hirngeschwülsten mit, deren Symptome, vorwiegend Hemi- und Monoplegien, Jackson’sche Krämpfe, doch zu irrthüm- licher Bestimmung des Sitzes geführt hatten. So lange Geschwülste des Stirn- lappens ohne charakteristische Störungen des Intellekts verlaufen, wird man ihren Sitz leicht fälschlicherweise in das motorische Centrum verlegen.

Lucas-Championniere: Dieulafoy habe aus seiner und ähnlichen Be- obachtungen den Bankerott der Hirnlokalisationslehre hergeleitet. Hieraus könnten, wenn nicht entschiedener Widerspruch erhoben würde, für die Hirnchirurgie höchst nachtheilige Konsequenzen entstehen. Er habe daher an der Hand seiner Er- fahrungen beweisen müssen, dass, obgleich man sich die Thatsache vor Augen halte, dass die Jackson’sche Epilepsie, selbst wenn sie mit Monoplegien gepaart sei, zur Lokalisation des Herdes in der motorischen Zone nicht schematisch be- rechtige, darum doch frühzeitiges und breites Freilegen der sei es direkt er- krankten, sei es indirekt in Mitleidenschaft gezogenen motorischen Zone indieirt bleibe.

Laborde weist noch auf die Schlusssätze der Herber'schen Arbeit hin, welche lauten: /

1) Postepileptische Lähmungen, die von außerhalb der Rolando’schen Zone gelegenen Partien ausgehen, sind im Verlauf der Rindengummibildung häufig zu beobachten.

2; Daher ihre Eigenartigkeit; da sie nämlich dynamischer Natur sind, ver- ursacht durch die Erschöpfung, nicht die Zerstörung des Centrums, sind sie von kurzer Dauer, verschwinden und recidiviren leicht. Christel (Metz).

17) Boncali. Laminectomia per disturbi funcionali consecutivi a caduta sulla regione sacrale. (Policlinico 1901. No. 11—12b.)

Ein junger Mann stürzt 2 m tief auf das Kreuzbein. 48 Stunden lang Koma; danach bestehen eine motorische und sensible Lähmung der unteren Körperhälfte, Blasen-, Mastdarm- und Genitalstörungen; später Besserung der Motilität, doch blieben Schwäche, Inkontineng und Impotenz, Geschwüre und andere trophische Veränderungen an den Beinen.

Nach Jahren machte Durante 2mal eine Laminektomie der Lendenwirbel und entfernte jedes Mal ausgedehnte, bindegewebige Verwachsungen und Narben- stränge swischen Knochen und Dura des Lendenmarks. Nach der 1. Operation vorübergehende Wiederkehr der Motilität; nach der 2., bei der die Dura noch eröffnet und eine Erweichung in der Nähe des Filum terminale sich findet, bleibt Alles beim Alten.

R. erörtert sehr ausführlich die Symptomatologie und Diagnostik dieser Stö- rungen, um den Schluss zu ziehen, dass es sich in seinem Falle im Wesentlichen um extraduralen Bluterguss mit nachfolgender Schwielenbildung und Druok auf die Cauda equina, daneben um geringere intradurale Veränderungen in der Kern- region des Secralplexus handelte. Die Erörterungen über die Segmentaldiagnose lassen sich im Referat nicht wiedergeben. Wurzel- und Kernlähmungen können nach R. oft ein gleiches Bild geben, besonders bei ausgedehnten schweren Pro- cessen. Ob eine Wirbelverletzung mit Quetschung der serösen Substanz, Hämato- myelie oder ein Bluterguss vorliegt, wird sehr wesentlich für die Prognose be-

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stimmend. In den beiden ersteren Fällen ist auch ein chirurgisches Eingreifen nutzlos. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

18) Oppenheim. Lungenembolien nach chirurgischen Eingriffen mit besonderer Berücksichtigung der nach Operationen am Processus vermiformis beobachteten.

(Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 5.)

Wenn auch durch diese Arbeit fūr den Chirurgen nichts wesentlich Neues geboten wird, so sind doch die mitgetheilten Krankengeschichten interessant und die Ausführungen des Verf. lesenswerth.

Unter 189 von Sonnenburg im freien Intervall in O.'s Sanatorium operirten Fällen waren 4 Thrombosen; 4 andere bekamen Lungeninfarkte, ohne dass Throm- bosen nachweisbar waren. Unter 18 mit perityphlitischen Abscessen Operirten starb einer an Lungenembolie, 2 bekamen Thrombose der V. femoralis. Bei 2 Pat. traten Lungenembolien mit nachfolgendem Infarkt auf.

O. ist der Ansicht, dass die beim perityphlitischen Abscess häufiger als bei anderen Krankheiten beobachteten Thrombosen ihre Ursache in der Krankheit selbst haben und erklärt sie als Kompressionsthrombosen im Sinne Billroth’s. Die Thrombosen nach Operationen im freien Intervall verhalten sich ähnlich; bei den Bemühungen, den verwachsenen Wurmfortsatz aus seinen Verbindungen zu lösen, werden die Gefäße gezerrt, und kommt dann als zweiter und Hauptfaktor noch eine Cirkulationsstörung dazu, so sind die Bedingungen für das Zustande- kommen einer Thrombose: Stromverlangsamung, Alteration der Gefäßwände, g* schaffen. Der Sitz der Lungenembolie ist immer rechts im unteren Lappen, ge- wöhnlich in der Nähe der Pleura zu suchen. Verlauf der Thrombose, Entstehung und Verlauf der Embolien werden eingehend besprochen.

Langemak (Rostock).

19) Mayo. Case of acute pancreatitis with fat necrosis, operation, recovery. (Journ. of the amer. med. assoc. 1902, Januar.)

Bei einem 59jährigen, sehr kräftigen Mann war allmählich eine Abnahme des Körpergewichts eingetreten ohne irgend welche auffindbare Ursache, außer Ver- dauungsstörungen unbestimmter Natur. Plötslich traten sehr heftige Schmerzen in der Magengegend mit starker Auftreibung des Leibes, leichtem Ikterus und einer Geschwulstbildung in der Gegend der Gallenblase ein, so dass, da auch noch Singultus auftrat, auf eine akute gangränöse Cholecystitis, vielleicht mit Perfora- tion, diagnostieirt wurde. Es wurde sofort die Laparotomie vorgenommen durch den rechten Rectus. Das Netz fand sich verklebt und mit zahlreichen weißen und bräunlichen Knötchen von Hanfkorn- bis Erbsengröße besetzt, eben so die Mesenterien. Die Geschwulst war das sehr stark geschwollene Pankreas, aus dem bei Probepunktion aber nur serös-blutige Flüssigkeit zu Tage kam. In der Gallen- blase ein hühnereigroßer Stein neben schleimig-eitrigen Massen. Der Stein wurde entfernt und eine Drainage eingelegt (Gummirohr), die zur Wunde herausgeleitet wurde. Nach 18 Stunden entleerte sich eine sehr reichliche, zellenarme, stark reizende Flüssigkeit aus ihr, die sich als Pankreassaft herausstellte. Die Sekretion blieb 2 Wochen in dieser Art bestehen, wurde allmählich gallenreicher und schließ- lich durch reine Galle ersetst; nach 4 Wochen schloss sich die Fistel.e. Nach der Operation bestand für 1 Woche höchste Lebensgefahr, 6 Wochen danach war völlige Heilung eingetreten. Der Gallenstein war Ursache einer aufs Pankreas übergreifenden Cholangitis; durch die Operation wurde Abscessbildung verhindert.

Trapp (Bückeburg).

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Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder au die Verlags- handlung Breitkopf & Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

K m Baum, Kl, A

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumerstion. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 17. Sonnabend, den 26. April. 1902.

Inhalt: E. Holländer, Carcinom und Hautveränderungen. (Original-Mittbeilung.)

1) Friedmann, Altersveränderungen. 2) Enderlen und Justi, Unna’sche Plasma- zellen. 3) Michallow, Blutstillung. 4) Maylard, Hautdesinfektion. 5) Chlumsky, Karbolbehandlung. 6) Schanz, Belastungsdeformitäten. 7) Lange, Elasticitäts- verhältnisse der Wirbel. 8) Völcker, Caput obstipum. 9) Judson, Rückgratsver- krümmung. 10) Claudius, Kathetersterilisirung. 11) Roth, 12) Proust, Prostata- hypertrophie. 13) Livio, Allgemeininfektion durch Bakterien in der Harnblase. 14) Cornezzi, Perinealer Biasenschnitt. 15) Senator, Nierenkolik und Nierenblutung. 16) v. Friediänder, Angeborene Hüftverrenkung. 17) König, Hüftgeleukskrank- beiten. 18) Biencke, 19) Reiner, Angeborener Femurdefekt. 20) Ghiilini und Cane- vazzi, Statik des Oberschenkeiknochens. 21) Blodgett, Auskultation des Kniegelenks. 22) Alossandri, Refraktur der Kniescheibe. 33) Wenzel, 24) Citernesi, Unter- schenkelvaricen und -Geschwüre. 25) Freiberg, Fußabdrücke. 26) Michallow, Temporäre Fersenresektion. 27) Baumgärtner, Entfernung des Nagels.

E. Braatz, Röhrenkessel-Dampfsterilisator und neue Verbandstoffeinsätze. A. Böger, Ein Fall von großem Varix der Vena saphena magna in der rechten Fossa subinguinalis, der bis zur Operation allseitig für einen Schenkelbruch gehalten worden war.

a Linser, Schussverletzungen. 29) Aus dem japanisch-chinesischem Seekriege. ) Fiakeistein, Verwundungen der großen Venenstämme. 31) Hübscher, Re- dressionsapparate. 32) Weber, Osteomyelitis der Wirbel. 33) Seitz, Tuberknlöse Spondylitis. 34) Pendi, 35) Roth, 36) Becker, Skoliose. 37) iwanow, Penisfraktur. 38) Young, Prostatahypertrophie. 39) Bogajewski, Blasendermoide. 40) Hobbs, Erkrankung der Beckenorgane bei Geisteskranken. 41) Reichard, Sebnenverpflanzung. 42) Matas, Aneurysmen der Vasa subolavia.. 43) Lamm, Schulterhochstand. i8) Redard, Angeborene Hüftverrenkung. 45) Krause, Muskelverpflanzung.

46) Brintet, Zerreißang des Lig. Patellae. 47) Wanscher, Unterschenkelvaricen. 45) Teichmana, Hallux varus. 49) Durst, Achillodynie. 50) Sick, Mal perforant.

Carcinom und Hautveränderungen.

Von Dr. Eugen Holländer in Berlin.

In der deutschen med. Wochenschrift 1900 No. 30 veröffentlichte ich unter dem Titel: »Beiträge zur Frühdiagnose des Darmcarcinoms (Hereditätsverhältnisse und Hautveränderungen)« prämonitorische Symptome, die ein Carcinom vermuthen lassen, auch wenn es sich

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noch bisher der direkten Palpation entzieht. Diese für die Früh- diagnose von Darmcarcinom besonders wichtigen Hautveränderungen können, wie ich dies betonte, als generelle Zeichen auch die anderen inneren Carcinome begleiten. Unter diesen Hautveränderungen er- wähnte ich an erster Stelle die kleinen Angiome und sagte von ihnen: »Man findet gerade bei Krebskranken sehr zahlreiche, hell- rothe, stecknadelkopf- bis erbsengroße, das Hautniveau etwas über- ragende Flecke, welche stets isolirt in gesunder Umgebung zu finden sind. Sie schwanken in ihrem Verhalten zwischen kapillären Blu- tungen und kleinen Angiomen resp. Kapillaraneurysmen, unterschei- den sich von diesen jedoch darin, dass Finger- und Glasdruck sie nicht blass werden lässt; nur durch ganz energisches Wegdrücken kann man die hellrothe Farbe verschwinden lassen. Ob diese im reiferen Alter auch bei gesunden Individuen auftretenden Verände- rungen auf atrophische resp. kachektische Zustände zu beziehen sind, scheint mir desshalb fraglich, da ich dieselben gerade auch bei fetten Individuen und auch an den fettreichsten Hautstellen fand. Diese Hautveränderung, die zweifellos auch bei Gesunden vorkommt, scbeint bei inneren Carcinomen jedoch mit einer gewissen Konstanz und einer auffallenden Multiplicität in Erscheinung zu treten.«

Diesen Verhältnissen wird jetzt bei der Aktualität der Krebs- frage eine gesteigerte Beachtung geschenkt, und dabei besonders eine spätere Mittheilung Leser’s (Uber ein die Krebskrankheit bei Menschen häufig begleitendes, noch wenig gekanntes Symptom. Münchener med. Wochenschrift 1901 No. 51) nachgeprüft. Zunächst möchte ich nun darauf hinweisen, dass diese Veröffentlichung meine erste Publikation über diese Dinge bestätigt und nicht umgekehrt, wie Herr Leser es darzustellen beliebt. Diese Angiombildung, der Langenbeck, Israel, Freund und wohl viele andere Chirurgen schon ihre Beachtung schenkten, wurden von mir 10 Jahre hindurch kontrollirt, an einem übergroßen Krebsmaterial, und würden unsere Erfahrungen, zahlenmäßig veranlagt, sicher eine vierstellige Beobachtungsziffer ergeben. Dem gegenüber kann natür- lich eine Nachprüfung an 21 Krebsfällen, wie eine solche Gebele publicirt (Münch. med. Wchschr. 1902 No. 4), als noch nicht abgeschlos- sen gelten. Durch die Leser’schen Mittheilungen scheint mir aber der Kernpunkt dieser von mir mitgetheilten Angelegenheit ganz verschoben zu sein, da er aus den drei von mir angezogenen Hautveränderungen, welche bei inneren Carcinomen überhaupt, bei Darmcarcinomen am intensivsten auftreten, allein die Angiombildung herausgenommen hat, der, wie ich dies ausdrücklich betonte, nur dann eine gewisse Bedeutung zuzukommen scheint, wenn sie mit einer bestimmten Plötzlichkeit und Multiplicität auftritt und mit den beiden anderen Formen vergesellschaftet ist. Denn diesseits und jenseits der 50er Jahre kann man ungewöhnlich oft diese kleinen Angiome an allen Körperstellen, Rumpf und Extremitäten, finden, ohne dass diesen allein irgend eine funeste Bedeutung zukommt.

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Zweck dieser Zeilen ist es, darauf hinzuweisen, dass bei dem Nachprüfen dieser Angelegenheit die Hautveränderungen überhaupt zu kontrolliren sind, nicht nur die Angiome allein, sondern auch die Warzenbildung und die Pigmentirungen. Gerade in der Kombination dieser 3 Symptome liegt die prämonitorische Bedeutung. Denn der wesentliche Werth dieser kleinen, unscheinbaren und an sich ganz belanglosen Veränderungen liegt doch nur in der Unter- stützung einer Frühdiagnose.

Was die Warzenbildung betrifft, so finden wir sehr häufig bei unseren Krebsoperirten eine Aussaat vieler flacher Wärzchen und Warzen, die auf den ersten Blick wie Unsauberkeiten ‘aussehen, in Wirklichkeit aber etwas pigmentirte Talgdrüsenepithelwucherungen darstellen. Auch diese, den Alterswarzen ähnliche seborrhagische Warzen kommen bei Gesunden vielfach vor, aber ihr massenhaftes Auftreten und das Vorkommen bei Jugendlichen kann als Neigung zu Epithelneubildungen überhaupt aufgefasst werden. Bekannt ist ja, dass diese seborrhagischen Warzen selbst wieder Veranlassung zur Krebebildung geben.

Die 3. Gruppe umfasst die Pigmentirungen. Es treten nämlich ziemlich konstant im Laufe einer Krebserkrankung, namentlich auch des Intestinaltractus, schwankend nur nach Intensität und Aus- breitung, fleckförmige Pigmentirungen auf, die sich über den ganzen Körper verbreiten können. Während der einzelne Fleck eine gewisse Ahnlichkeit mit Sommersprossen hat, unterscheidet sich die Aus- breitung dadurch, dass mit Vorliebe die dauernd bedeckten Körper- stellen ergriffen werden; auch ist das Kolorit dunkler und die Peri- pherie zerrissener wie bei den Epheliden; oft sehen wir solche Sprenkelung in der Nähe des an Krebs erkrankten Theils, wie z. B. derGlutäalgegend bei Rectumcarcinom. Sind diese Pigmentirungen vorhanden, so glaube ich, dass ihnen im Verhältnis zu den beiden anderen Gruppen die größere Bedeutung zukommt. Diesen vor 2 Jahren veröffentlichten Mittheilungen möchte ich noch zu- fügen, dass ich sie in dieser Zwischenzeit häufig aufs Neue bestätigt sehen konnte. Zweck dieser Mittheilungen, schrieb ich damals, soll es sein, die Fachgenossen auf diese Hautveränderungen aufmerksam gemacht zu haben. Dieser Zweck scheint mir jedoch bisher nur zum Theil erreicht zu sein, da, sehr zum Nachtheil der ganzen An- gelegenheit, nur ein Punkt, und gerade der unwichtigste, heraus- gegriffen und einer Nachprüfung unterzogen wurde.

1) F. Friedmann. Die Altersveränderungen und ihre Be- handlung. Grundriss einer Lehre von der Altersinvolution in

ihren Beziehungen zur Physiologie, Pathologie und Therapie. Wien, Urban & Schwarzenberg, 1902. 247 8.

Dass eine zusammenfassende Betrachtung der Physiologie und

Pathologie der Altersinvolutionen im Licht der modernen Wissen-

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schaft thatsächlich eine Lücke ausfüllt, glauben wir mit dem Verf. annehmen zu dürfen.

Für das Altern der einzelnen Gewebsarten gilt die Regel, dass das Epithel, also das Gewebe, das den Embryonalkörper vor der Gewebsdifferenzirung zusammensetzt, sich immer neu bilden, somit nicht altern kann. Je näher ein Gewebe dem ursprünglichen Epi- thelgewebe steht, je mehr es sich regeneriren kann, um so weniger ist es den Altersveränderungen unterworfen und umgekehrt. Daher sind nach dem Epithel am Muskelgewebe die Altersveränderungen am geringsten, beim Nervengewebe schon mehr, am meisten bei den verschiedenen Bindegewebsarten. Das Altern der einzelnen Organe, das ja ein sehr verschiedenes ist, ist nun je nach der verschiedenen histologischen Zusammensetzung und je nach der auch äußerst ver- schiedenaltrigen Vollendung des Wachsthums die Lungen wachsen z. B. nach Mühlmann bis in das höchste Alter großen Diffe- renzen unterworfen. Diese beiden Momente sind jedenfalls stets von bedeutendem Einfluss, eben so fast überall die Arteriosklerose.

Auf anderweitige Einflüsse und die übrige Physiologie und Patho- logie des Alters kann hier nicht näher eingegangen werden, und ist auf das Original zu verweisen. Als von chirurgischem Interesse sei hier nur der »arteriosklerotische Rheumatismus« erwähnt, der sich nach v. Manteuffel mit Vorliebe in den unteren Extremitäten (FuB- rücken, Sohle, Malleolargegend), nach Rosenbach auch in den Wirbelgelenken lokalisirt und häufig mit Parästhesien verknüpft ist. Mit der »Claudication intermittente« Charcot’s ist er nicht zu ver- wechseln.

Von den pathologischen Involutionen am Verdauungsapparat ist die Gastrektasie mit relativer Verengerung des Dünndarms, in an- deren Fällen wieder eine Dilatation des Darms, zumeist des Dickdarms, hervorzuheben.

Bei der Therapie des physiologischen und pathologischen Alterns ist die Prophylaxe besonders berücksichtigt. Im Vergleich zu der ausführlich besprochenen inneren Therapie erscheint die chirurgische Therapie etwas vernachlässigt. E. Moser (Zittau).

2) Enderlen und Justi. Beiträge zur Kenntnis der Unna- schen Plasmazellen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 82.)

Die Verff. beschreiben ihre mannigfachen mikroskopischen Be- funde: an verschiedentlichen Operationswunden nicht entzündeter Gewebe zu verschiedenen Zeitpunkten, an artificiellen Entzündungs- herden im Thierkörper, und zwar nach Terpentininjektionen bei Meerschweinchen, Einbringung von Hollundermark in die Bauch- höhle bei Meerschweinchen, Leberätzung mit Karbolsäure bei Ka- ninchen, akuten Eiterungen beim Menschen, normalen Granulations- geweben verschiedenen Alters, chronischen Entzündungen, und zwar

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Lupus, Tuberkulosen der Sehnenscheiden, Rippen, des Bauchfells; ferner einer Aktinomykose vom Halse, Syphilom auf dem Fußrücken; sodann von Geschwülsten, Carcinomen der Mamma, der Lippe ete., so wie verschiedenen gutartigen Neubildungen, endlich an verschie- denen normalen Organen. Das Resultat der Untersuchungen ist im Wesentlichen folgendes. Im Gegensatz zu Unna sind die typischen Plasmazellen als Abkömmlinge der rundkernigen Leukocyten an- zusehen; denn man beobachtet alle erforderlichen Übergänge von den letzteren. Sie vermehren sich durch indirekte Kerntheilung, doch kann die Möglichkeit einer direkten Kerntheilung nicht bestritten werden. Als Degenerationsvorgänge finden sich in ihnen unregel- mäßige Einbuchtungen des Protoplasmasaumes, diffuse, häufig blassere Färbung und Schrumpfung des Kerns, vakuoläre Zerklüftung des Protoplasmas. Funktionell ist ihnen die Fähigkeit, an der Regeneration des Bindegewebs Theil zu nehmen, abzusprechen. Auch mit den Granu- lationen des Tuberkels scheinen sie nichts zu thun zu haben, eben so wenig wie sie sich in Sarkomzellen umzuwandeln für fähig zu halten sind. Auch phagocytäre Eigenschaften im gewöhnlichen Sinne sind ihnen abzusprechen, da sich Pigment oder rothe Granula nie- mals in ibnen fanden. Dagegen scheint in sie von außen eine in Methylenblau färbbare Substanz einzudringen, welche zunächst den »Körnchensaum« bildet, weiterhin aber tiefer in den Zellleib geht und sich schließlich in solchen Massen anhäuft, dass nur noch neben dem Kern ein heller Hof übrig bleibt. Diese von der Plasmazelle aufgenomme Substanz entsteht wahrscheinlich durch Zerfall anderer Zellen. 4 sehr deutliche mikroskopische Bilder veranschaulichen besonders charakteristische Präparate. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

3) N. N. Michailow. Zur Frage von der präventiven und

nachfolgenden Blutstillung. (Westnik Chirurgii 1901. No. 15. [Russisch.))

Bei Operationen am Kopf unterband M. 3mal die Carotis externa und 2mal die Carotis communis temporär mit Gummidrainrohr oder dünnem Nelatonkatheter; nach der Operation wurde die Ligatur entfernt; keine üblen Nachfolgen. Bei Nachblutungen empfiehlt M. das Penghawar-Djambi, das ihm in mehreren schweren Fällen prompt geholfen hatte. Um bei Gelenkresektionen Nachblutungen zu verhüten, ist auch das von Ssapeshko vorgeschlagene ausgiebige Bepinseln mit 10—20 %iger Kreosotlösung in Spiritus zu empfehlen.

(In einem vom Ref. unlängst operirten Falle von fast totalem Tibiasequester versagte das zur Stillung einer starken Nachblutung aus der Knochenwunde angewandte Penghawar; dagegen stand die Blutung sofort nach Tamponade mit in Kreosotlösung getränkter Marly.) Gückel (Medwedowka, Kijew).

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4) A. E. Maylard (Glasgow). The cause of »stitch ab- scesses« and their prevention. (Annals of surgery 1902. Januar.)

Verf. empfiehlt eine von ihm schon seit einiger Zeit geübte Methode der Desinfektion der Hände und des Operationsfeldes.

Er geht von folgender Überlegung aus: Die Hände des Opera- teurs sind aus dem Grunde niemals ganz keimfrei zu machen, weil Mikroorganismen in den Schweiß- und Talgdrüsen vorhanden sind, die, sobald in Folge der Thätigkeit und der Wärme des Operations- raums die Hände sich erwärmen und schwitzen, an die Oberfläche gelangen. In Bezug auf das Operationsgebiet liegen die Verhältnisse so, dass die in den oben bezeichneten physiologischen Räumen de- ponirten Bakterien durch den Schnitt resp. durch den Nadelstich befreit werden und dann ihre schädliche Wirksamkeit entfalten können.

Aus diesem Grunde verfährt er folgendermaßen:

a. Für die Hände: Er taucht zuerst die Hände 5—10 Minuten lang in möglichst heißes Wasser, wodurch die Kapillaren sich er- weitern und eine stärkere Hautsekretion eintritt. Dabei massirt und reibt eine Hand die andere, um alles Sekret sofort zu entfernen. Verf. nennt dies »Einweichen«. Dann werden die Hände geseift und zuletzt in 2!/,%iger Karbollösung abgespült, und letzteres wäh- rend der Operation oft wiederholt, um alle eventuell noch zu Tage tretenden Organismen sofort zu entfernen. Seine Methode kenn- zeichnet Verf. mit dem Satz: »Einweichen ist besser als Seifen«.

b. Für das Operationsfeld:

1) Desinfektion der Haut in üblicher Weise mit Wasser, Seife, Terpentin und Alkohol etc.

2) Reichliche Einreibung mit 20%igem flüssigem Quecksilber- lanolin. Darauf Bedeckung des Operationsfeldes mit einem Leinen- stück, welches mit der gleichen Salbe bestrichen ist. Letzteres bleibt 24 Stunden liegen. Zur größeren Sicherheit wird diese Procedur dann wiederholt und abermals ein Salbenumschlag 24 Stunden lang gemacht.

3) Auf dem Operationstisch Entfernung des Salbenumschlags und Abreiben der Salbe mit einem sterilen Gazetupfer. Dann ist Alles zur Operation fertig.

M. hat ausgedehnte Untersuchungen zur Prüfung seiner Methode gemacht und kommt zu folgenden Resultaten:

Die chemische Untersuchung ergab keine nachweisbaren Queck- silbermengen in den tieferen Geweben.

Die bakteriologischen Untersuchungen zeigten eine starke Ver- minderung der Bakterien in den excidirten und untersuchten Haut- stücken. Dass eine völlige Sterilität nicht erzielt wurde, erklärt er damit, dass naturgemäß die in die Lymphbahnen eindringende Salbe doch nicht an sämmtliche Depöts von Mikroorganismen gelangen

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könne. Jedenfalls sollen die Kolonien spärlicher aufgegangen sein, ala nach den sonst üblichen Desinfektionsmethoden.

Die klinische Beobachtung ergab ideale Resultate in Bezug auf reaktionslose Heilung. Verf. glaubt also, dass dies Verfahren einmal alle Mikroorganismen in den Lymphbahnen tödtet und zweitens die Gewebe widerstandsfähiger gegen die Angriffe zurückbleibender Bak- terien macht. Seeflsch (Berlin).

5) Chlumsky (Krakau). Über die Karbolbehandlung der inficirten Wunden und der septischen Processe. (Wiener klin. Rundschau 1902. No. 8.)

Verf. spricht der von Phelps angeregten Behandlung der in- fektiößsen Processe mit Acidum carbolicum liquefactum das Wort. Die vom Verf. angewandte besondere Methode ist ihm von Herrn Brylinski empfohlen und besteht in Betupfen und Begießen der kranken Stellen mit einer Mischung von Acidum carbolicum purum liquidum und Camphora trita &. Die Menge der angewandten Flüs- sigkeit betrug mehrere, bis 20 ccm. Der Überschuss derselben wurde durch kein Mittel weggewaschen, und die kranke Stelle nach even- tueller vorheriger trockener Tamponade mit trockener Gaze oder Watte verbunden.

Verf. hat auf diese Weise etwa 50 Fälle von Erysipelas, Phleg- monen, Panaritien, Sepsis u. A. behandelt, fügt hinzu, dass er ge- eigneten Falls viel Gewicht auf ausgiebiges BloBlegen der inficirten Partien legte, und steht unter dem Eindruck, dass vermöge der Karbolanwendung die Fälle milder und schneller verliefen und »dass sie einen gewissen Einfluss auf den Krankheitsverlauf ausübte, der nicht zu unterschätzen war«. Schmieden (Bonn).

6) A. Schanz. Über die Ätiologie der statischen Belastungs- deformitäten. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd.X. Hft. 1.)

Die Frage nach der Ätiologie einer statischen Belastungsdefor- mität ist gleich zu setzen der nach der Ätiologie des deformirenden Processes. Letztere beruht im Allgemeinen auf einem Missverhältnis zwischen statischer Leistungsfähigkeit und statischer Inanspruch- nahme. Es werden folgende Möglichkeiten erörtert: 1) Erhöhung der statischen Inanspruchnahme durch Erhöhung des Gewichts der Last, durch Verlängerung der Dauer der Belastung oder durch diffe- rente Auflagerung der Last, 2) Verminderung der statischen Leistungs- fähigkeit durch Verminderung der Festigkeit der Knochen oder der Festigkeit der die Knochen verbindenden Weichtheile oder durch differente Einstellung des Traggerüsts, 3) eine Kombination dieser Schädlichkeiten. Die Ergebnisse seiner theoretischen Ausführungen fasst Verf. in einem Schema zusammen. Auch auf klinische Belege ist an einzelnen Stellen hingewiesen. J. Riedinger (Würzburg).

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7) C. Lange (Kopenhagen). Untersuchungen über Elasti- citätsverhältnisse in den menschlichen Rückenwirbeln mit Bemerkungen über die Pathogenese der Deformitäten. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.)

Um zur Aufklärung der Elasticitätsverhältnisse der menschlichen Knochen beizutragen, hat sich Verf. der mühevollen Arbeit unter- zogen, Versuche so exakt als möglich an einem Material anzustellen, welches kurz nach dem Tode entnommen wurde. In der Regel wurde der 10. Brustwirbel gewählt. Aus der interessanten und verdienst- vollen Arbeit können nur einige Schlussfolgerungen angeführt werden: Der Elasticitätskoefficient ist 12000 (beim Eisen 2000000). Die Wirbel von Erwachsenen brechen nicht unter einer momentanen, nur selten unter einer dauernden Belastung von 250 g. Die normale Bruchstelle fand sich unter dem obersten Viertel der Vorderfläche des Wirbels. Die Elasticitätsgrenze wechselt in hohem Grad: Bei Kindern ist die Elasticität der Wirbel unvollkommener als bei Er- wachsenen, bei letzteren unvollkommener als bei Greisen. Bei wieder- holter Anwendung desselben Drucks, der die Elasticitätsgrenze nicht stark überschreitet, findet eine Hebung der Elasticitätsgrenze statt. Bei dauerndem Druck liegt die Elasticitätsgrenze niedriger, als bei momentanem. Ein Wirbel, der durch schiefen Druck keilförmig geworden ist, kann unter Mitwirkung der Bandscheiben durch einen schiefen Druck in entgegengesetzter Richtung gerade werden. Ein spongiöser Knochen kann, ohne einen Bruch zu erleiden, durch traumatische Einwirkung seine Tragfähigkeit theilweise verlieren (»Osteomalacia traumatica«). J. Biedinger (Würzburg).

8) F. Völcker. Das Caput obstipum eine intra-uterine Belastungsdeformität. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXIII. Hft. 1.)

Verf. sieht im Caput obstipum eine intra-uterine, durch Raum- beengung entstandene Difformität und fasst die fibröse Muskeldegene- ration als die Folge einer Ischämie auf, welche durch Druck der Schulter auf den Hals hervorgerufen wurde.

Hierbei stützt er sich zunächst auf 4 Fälle von Caput obstipum, die in frühester Jugend zur Beobachtung kamen und eine Reihe sicher intra-uterin erworbener Veränderungen (Grube an der Hals- seite, Faltung des Ohrs, Asymmetrie des Schädels) aufwiesen. Aber auch bei solchen Fällen, die erst in späteren Lebensperioden mani- fest geworden waren, ließen sich vielfach ganz gesetzmäßige Ver- bildungen (Verkürzung und Verbreiterung an der einen, Abplattung und Zusammenschiebung an der anderen Ohrmuschel) erkennen, die ebenfalls nur als Folgeerscheinungen einer schiefen Zwangslage in der Gebärmutter gedeutet werden können.. Es ergab sich ferner, nach eingehenden Untersuchungen über die Schädel- und Gesichts- skoliose, dass auch diese Anomalien sich nicht allein durch die Wir-

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kung der Muskelkontraktion erklären lassen, sondern dass auch ihnen eine abnorme intra-uterine Belastung zu Grunde liegen muss. Sie stellen daher auch keine der Muskeldegeneration subordinirte, sondern eine ihr koordinirte Erscheinung dar.

Dass sich manche Gründe für andere Entstehungsweisen des Caput obstipum heranziehen lassen, wird auch vom Verf. keineswegs verkannt. Zu Gunsten seiner Erklärung spricht namentlich der Um- stand, dass er in durchaus wahrscheinlicher Weise sämmtliche Er- scheinungen des Caput obstipum, die Muskeldegeneration, die Asym- metrie des Gesichts und die Verbildung der Ohrmuscheln, auf eine einheitliche Ursache zurückzuführen vermag. Honsell (Tübingen).

9) A. B. Judson. Über Stützapparate bei Rückgratsver-

krümmung. (Deutsch von Simon.) (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.)

Beim Pott’schen Buckel überträgt das gewaltsame Hervorrufen einer Lordose den Druck von den Wirbelkörpern auf die Fortsätze. Bei seitlicher Verkrümmung ruft dieselbe Kraft den gleichen Effekt hervor, indem sie die Körper, die sich von der Mittelinie abwenden, eines Theils ihres Gewichts entlastet und dasselbe auf die Fortsätze überträgt. Damit ist der Weg angedeutet, der betreten werden soll, um die Rotation zu bekämpfen. Verf. verkennt die dabei entstehen- den Schwierigkeiten nicht. Technische Vorschläge hat er nicht im Sinn. Den Schluss der Arbeit bilden einige Bemerkungen über experimentelle Erzeugung der Rotation an einem Modell aus Gummi und einige historische Notizen. J. Biedinger (Würzburg).

10) M. Claudius. Eine neue Methode zur Sterilisation der Seidenkatheter. | (Hospitals Tidende 1901. No. 13.)

Verf. empfiehlt, die Seidenkatheter durch Kochen in einer kon- centrirten Kochsalzlösung zu sterilisiren (400—1000, Siedepunkt 110°). Die Katheter vertragen das Kochen sehr gut, selbst nach wieder- holtem Auskochen bleiben sie völlig unverändert. Das Kochen tödtet in 2 Minuten die gewöhnlichen Staphylokokken, in 10 Minuten sehr resistente Erdsporen.

Die Kochsalzlösung ist der Ammonium sulphuricum-Lösung vor- zuziehen, weil Kochsalz leicht zu bekommen und sehr billig ist, und außerdem ist die Lösbarkeit des Kochsalz ungefähr dieselbe bei 0 und 110°, so dass keine Auskrystallisirung in den Kathetern bei Abkühlung stattfindet; es ist daher möglich, die Katheter in der Lösung, in welcher sie gekocht sind, steril aufzubewahren. (Diese Methode ist seit 3/4 Jahr in der chirurgischen Abtheilung des Kgl. Friedrichs- hospitals zu Kopenhagen [Prof. Bloch] mit gutem Erfolge ver- wendet. Ref.) Schaldemose (Kopenhagen).

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11) E. Roth (Budapest). Die Radikaloperation der Prostata- hyertrophie. (Wiener klin. Rundschau 1902. No. 4—8.)

Verf. giebt zunächst eine Schilderung der klinischen und ana- tomischen Verhältnisse der Prostatahypertrophie und ihrer Therapie, so wie über letztere eine historische Übersicht. Im Mittelpunkte steht natürlich die Bottini’sche Operation, als deren lebhafter Vertheidiger Verf. schon bekannt ist. Seine Technik hat keine Be- sonderheiten aufzuweisen. Er anästhesirt mit Eucain. Während er früher bei gefüllter Blase operirte, hat er mit gleichem Erfolge auch bei leerer Blase operirt; zuletzt wählte er die Ausfüllung mit Luft, als die geeignetste Methode.

Nach seiner Anschauung verdienen 4 Punkte besondere Berück- sichtigung:

>I. Der erste und für die Orientirung bei der Ausführung der Operation wichtigste Faktor ist die genaue Kenntnis der örtlichen Verhältnisse. Wir müssen genau informirt sein über den Grad der Obstruktion, über die Veränderungen in der Pars prostatica und am Blasenhalse. Die verschiedenen manuellen Untersuchungsmethoden und die Anwendung des Cystoskops werden uns hierüber Aufschluss geben.

II. Zweitens müssen wir ermessen können, ob die obstruirenden Prostatalappen mit unserem Instrumentarium zu bewältigen sind, resp. ob unser Instrumentarium geeignet ist zur ausgiebigen Be- seitigung des vorhandenen mechanischen Hindernisses.

III. Drittens müssen wir uns über die nähere Natur der Vor- steherdrüse, ihre histologische Natur so fern das in vivo möglich ist thunlichst genau informiren, weil dies nicht nur für die Aus- führung, sondern selbst für den Ausgang der Operation von großer Wichtigkeit ist.

IV. Endlich ist nebst der größten Vertrautheit mit dem Instrumen- tarium eine ausgiebige Erfahrung in dieser speciellen Frage der Urologie ganz besonders zu betonen, weil nur dem Erfahrenen Licht ist, wo der Anfänger nur im Dunklen operirt.

Ist der Operateur im Besitze aller dieser vier Voraussetzungen, so kann und muss der Erfolg stets ein idealer sein.«

Dann bespricht Verf. die Indikationen zur Bottini'schen Ope- ration, und sagt, dass sie vor Allem da als indicirt zu betrachten sei, Wo komplete chronische Urinretention vorliegt, mit und ohne Dehnung der Blase. Während in diesen Fällen die Erfolge sehr günstig seien, seien sie verhältnismäßig weniger günstig bei un- vollständiger Retention. Kontraindicirt ist die Operation nur bei vorgeschrittenen Parenchymerkrankungen der Nieren. Verf. giebt dann die Krankengeschichten einiger besonders interessanter Fälle, und zum Schlusse seine eigene Statistik. Er überblickt ein Material von 12 Fällen, von denen er 9 als geheilt bezeichnet, 1 als gebessert, 1 als ungeheilt: 1 Pat. starb. Schmieden (Bonn).

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12) R. Proust. La prostatectomie et la position perineale inversée. (Presse méd. 1901. No. 87.)

P. lagert zur Prostatektomie den Pat. auf einen besonderen Tisch so, dass der Damm vollkommen horizontal, der Oberkörper schräg nach unten liegt.

Von einem bogenförmigen Schnitt aus dringt er in den Raum zwischen Mastdarm und Blase nebst Prostata ein. Ein hakenähn- liches Instrument drängt den Mastdarm nach unten, bis der Griff des Instruments am Os coccygis Halt findet. Hierdurch wird die Prostata nach außen, dem Operateur entgegen gedrängt viel besser als wenn man einen Zug nach hinten ausübte. In die Harnröhre führt man ein katheterähnliches Instrument durch eine kleine Öff- nung an der Grenze zwischen Pars membranacea und Pars prostatica ein. Mit diesem »Desenclareur« wird die Prostata noch weiter nach außen herausgehebelt, auf ihm in der Mittellinie durchschnitten. Von diesem Medianschnitt aus gelingt es leicht die beiden Prostata- hälften von der Harnröhre und der Blase zu trennen. Das Vas deferens wird sorgfältig unterbunden. Abbildungen sind im Original nachzusehen. | |

Albarran hat bei 11 Fällen mit dieser Methode gute Erfolge erzielt.

Siehe auch No. 94 p. 298 unter Albarran, Verhandlungen des Kongresses für Urologie. Bertelsmann (Hamburg).

13) V. Livio. Contributo allo studio delle infezioni da bat-

teri inoculati in vescica. (Gazz. degli ospedali e delle clin. 1902. No. 12.)

Um das Vorkommen und die Entstehung von Allgemeininfek- tionen bei Anwesenheit von Bakterien in der Harnblase festzustellen, injicirte V. Meerschweinchen in die volle Harnblase Kulturen des > Bacillo opale-agliaceo«, der Pseudotuberkulose hervorruft. Die Allgemeininfektion erfolgte, und zwar aųf dem Lymphwege, ohne dass die Blase selbst erkrankte. Die Niere wurde erst dann afficirt, als die Bacillen bereits im Blut vorhanden waren. Dreyer (Köln).

14) A. Cornezzi (Paviaſ. Il metodo prerettale del Nélaton nella cistotomia ed in altri atti operativi sugli organi genito- urinari.

(Clinica chirurgica 1900. No. 12.)

Aus der sehr umfangreichen Arbeit, die einen anatomisch-physio- iogischen und historischen Abschnitt dem eigentlichen Thema: der Kritik der perinealen Blasenschnitte, voranschickt, erfahren wir, dass Bottini, eben so wie sein Vorgänger Porta, den perinealen Weg dem suprapubischen bei Weitem vorzieht und sich fast ausschließ-

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lich des prärectalen Nelaton-Dupuytren’schen Schnittes bedient. (Porta hat 134 eigene Fälle zusammengestellt; C. führt seit 1878, 53 perineale und nur 5 hohe Blasenschnitte an.) Die Hauptstütze findet die Methode in der ganz besonders einfachen, absolut sicheren Nachbehandlung. Den Schluss der Abhandlung bildet die Zu- sammenstellung der Indikationen für die Anwendung des Ne&laton- schen oder des Dittel-Zuckerkandl’schen Verfahrens, welch letzteres C. eine »Erweiterung« des ersteren nennt, auf die dirckte Behandlung der erkrankten inneren Geschlechtsorgane, der Blasen- geschwülste, der Prostataerkrankungen wie Steine, Abscesse, der Samen- blasengeschwülste, -Cysten, -Entzündungen, der Tuberkulose dieser Organe etc. J. Sternberg (Wien).

15) Senator. Nierenkolik, Nierenblutung, Nephritis. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 8.)

Die Ausführungen gipfeln darin, dass Entzündung der Niere als Ursache von Nephralgie, Hämaturie nicht bewiesen ist, dass die Spaltung der Niere kein Mittel dagegen ist und dass, wo die Blob- legung mit oder ohne Spaltung geholfen hat, der Erfolg auf andere Umstände (Lösung von Verwachsungen, Anheftung der beweglichen Niere etc.) zurückzuführen ist. Borchard (Posen).

16) F. R. v. Friedländer. Über die Entstehung der an- geborenen Hüftverrenkung. (Zeitschrift für orthopädische Chirurgie Bd. IX. Hft. 4.)

Die Untersuchung einer Reihe von Präparaten im Wiener patho- logischen Museum führten Verf. zur Überzeugung, dass die Dis- position zur angeborenen Hüftverrenkung gegeben ist entweder durch excessive oder durch rudimentäre Krümmung des Femur im embryo- nalen Leben. Theoretisch führt Verf. einleitend aus, dass in der Formveränderung des Oberschenkels die Folgen des Wachsens der Weichtheile bei fixirtem Gelenk zu erblicken sind. In einem be- stimmten Stadium macht normal die Wachsthumskrümmung Halt, und zwar in Folge physiologischer Hemmung der Adduktion, Intra- torsion und Flexion des knorpeligen Femur. Fällt nun diese Hem- mung, z. B. bei Missbildungen, weg, so ist nach Meinung des Verf. übermäßige Ausbildung der Gestaltsveränderungen des Femur zu er- warten. Als veranlassende Momente für dieses pathologische Über- maß fand denn auch Verf. an den Präparaten 1) asymmetrische Lagerung der Leber als des die Bauchform wesentlich bestimmenden Organs; 2) Hochstand der Leber in Folge lordotischer Stellung der Wirbelsäule, nachgewiesen bei Früchten mit Meningocele, Spina bifida, Schädeldefekten; 3) Hochstand der Leber bei Zwerchfell- defekten; 4) kyphotische Verkrümmung der Wirbelsäule, wie bei Acardii, Acranii und Acephalen. Für die klinisch wichtigen Fälle substituirt Verf. als ursächliches Moment eine primäre Lordose.

J. Biedinger (Würsburg!.

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17) F. König. Die specielle Tuberkulose der Knochen und Gelenke. II. Das Hüftgelenk. Berlin, 1902.

Verf. veröffentlicht in dieser Arbeit seine reichen in 20jähriger klinischer Thätigkeit gesammelten Erfahrungen über die Erkrankungen des Hüftgelenks; er bespricht, der Häufigkeit seiner Beobachtungen entsprechend, der Reihe nach Tuberkulose, akute Coxoostitis, Gonor- rhoe, Arthritis deformans. Ergänzend ist ein statistischer Theil von Dr. Hüter-Altona und Waldvogel-Göttingen hinzugefügt.

I. Einleitend bespricht K. von der Anatomie des Gelenks die Punkte, die zum Verständnis der Pathologie besonders wichtig sind. Der Ursprung und Ansatz der Kapsel, so wie die Ungleichmäßigkeit ihrer Struktur sind von Bedeutung zur Beurtheilung des Sitzes eines Knochenherdes, ob intra- oder extrakapsulär, und letztere für die tuberkulösen Abscesse. Der anatomische Bau der Fossa acetabuli erklärt, warum die Synovitis tuberculosa gerade hier ihren Sitz hat und zur Luxation führt, und Bilder der Entwicklung des Knochens zeigen, von welchem Lebensjahr an ostale Tuberkulose überhaupt auf- treten kann.

Dies vorausgeschickt entwirft Verf. weiter ein "Bild von der Pathologie des gesammten Gelenks, unabhängig davon, ob es sich um eine von einer Knochenerkrankung oder von der Synovialis aus- gehende Tuberkulose handelt. Der Hydrops coxae ist dem Vor- kommen nach selten, der Menge nach gering und meist komplicirt mit einer Synovialtuberkulose in der Fossa acetabuli. Abscesse, bei Weitem häufiger, neigen zum Durchbruch an atypischen Stellen. Der Knorpel erkrankt meist sekundär durch ÖOstitis granulosa der subchondralen Knochenoberfläche; in seiner Ernährung beeinflusst, ist er allerlei mechanischen und vitalen Eindrücken zugänglich. So entstehen ent- weder die rinnenartigen Eindrücke durch Pfannendruck oder theil- weiser bis völliger Schwund mit sekundärem Knochengeschwür. Die primären Knochenherde sitzen intrakapsulär am Kopf und um die Epiphysenlinie und an der Pfanne, wo sie zu den penetrirenden Beckennekrosen führen können. Die extrakapsulären Herde liegen der Häufigkeit nach am Trochanter major, minor, Tuber und hinterem Pfannenrand.

Die ersten klinischen Erscheinungen pflegen Defekte der nor- malen Beweglichkeit zu sein, und zwar Beschränkung in Rotation, Abduktion und Flexion. Diese Stellung indess für das I. Stadium zu halten, wäre falsch; sie hat mit der Tuberkulose an und für sich nichts zu thun, ist viel mehr lediglich die Konsequenz einzelner Belastungsmomente, die nicht stets die gleichen zu sein brauchen und dann zu anderen Stellungen führen können. Fehlen der Be- wegungsstörungen im Anfang ist durchaus nicht beweisend für einen leichten Verlauf; denn gerade bei schweren, ostalen Coxitiden kann sie fehlen. Verkürzung, die für die Diagnose sehr wichtig, kann

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bedingt sein durch Wachsthumshemmung in der Schenkelkopf- epiphyse oder Störungen im Verhalten des Gelenkkopfes und der Pfanne, die sich durch Trochanterhochstand von 2,5—4 cm doku- mentirt. Die Wachsthumshemmung ist bei resecirten Gelenken nicht wesentlich anders als bei nicht resecirten. Abscesse lassen sich oft durch die Fieberkurve vermuthen, die einen hektischen Typus hat und nach Erschütterungen plötzlich einsetzt. Werthvolle patho- logische Schlüsse lassen sich heute aus dem Röntgenbilde ziehen über das Vorhandensein oder Fehlen ostaler Herde und Veränderungen an den Gelenkflächen.

Wenn sich auch kein allgemeines Schema für die Therapie auf- stellen lässt und es auch im einzelnen Falle unmöglich ist, einen Dauerplan zu entwerfen, so wird man im Allgemeinen doch darauf angewiesen sein, Anfangs konservativ zu behandeln. Es kann ver- sucht werden, die Tuberkulose direkt durch innere oder in das Gelenk geführte Mittel zu heilen, und man muss bestrebt sein, für den weiteren Verlauf der Krankheit günstige Bedingungen durch Ruhe, Streck- und Gypsverband herzustellen und schmerzstillend zu wirken. Abscesse werden punktirt oder incidirt.

Die Resektion ist nothwendig 1) bei schweren eitrigen Knochen- processen mit fistulösen Gängen, 2) in Fällen, wo trotz zweckmäßiger Behandlung Schmerzen und Schwellung noch nach Jahren bestehen, 3) wenn nach abgeheilter Tuberkulose die Stellung korrekturbedürftig ist und andere Mittel, wie Verbände und Tenotomien im Stich ge- lassen haben.

II. Die akute infektiöse Coxitis des Jünglingsalters ist in den meisten Fällen eine durch Staphylokokken hervorgerufene, die sich wie bei der Tuberkulose entweder in dem Gelenksack als Synovial- infektion abspielt oder aber was häufiger als solche des Knochenapparats.

Dem entsprechend zeigen beide große Ähnlichkeit; nur treten die Erscheinungen häufig proportional der Schwere der Infektion stürmischer auf. Vortheilhaft unterscheidet sie sich von der Tuber- kulose hinsichtlich der Prognose; es wird zwar selten gelingen, sie ohne Resektion zu heilen; die Resultate dieser sind aber sowohl hinsichtlich der Behandlungsdauer als der Funktion bessere.

III. Die Coxitis gonorrhoica befällt mit Vorliebe Pat. im Alter von 20—40 Jahren im akuten Stadium des Trippers und häufig Frauen am Schluss des Puerperiums; daher früher diese Form wohl öfters für eine septisch puerperale gehalten wurde. Ihr hervor- stechendes Zeichen ist neben Bewegungsstörung, Verkürzung, Gelenk- schwellung »der rasende Schmerz«e.. Gegen ihn schafft in hervor- ragender Weise Erleichterung der Streckverband, der zugleich dadurch, dass er die Gelenkenden aus einander zieht, die Wirkung des Drucks beseitigt. Im späteren Stadium ist die medico-mechanische Behand- lung am Platze.

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1V. Die Arthritis deformans ergreift gleichmäßig Gelenkende und Kapsel und führt durch frühzeitige Auffaserung des Knorpels so wie Knochenwucherungen, die sich entweder stalaktitenartig neben und auf einander lagernd in einander . verhaken oder zu freien Ganglien werden können, zu frühzeitiger Bewegungsstörung, die in manchen Fällen zu völliger Versteifung kommen kann. Hier ist therapeutisch nicht die Ruhigstellung des Gelenks am Platze, sondern eine vorsichtige, schonende medico-mechanische Behandlung. Die Entlastungsapparate der Hüfte nach Hessing gestatten freie Be- wegung, ohne die Leistungsfähigkeit zu sehr in Anspruch zu nehmen.

Coste (Straßburg i/E.).

1S) Blencke. Über kongenitalen Femurdefekt. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. IX. Hft 4.)

Die vorliegende Arbeit lässt ein ungemein fleißiges Studium der Litteratur erkennen (195 Nummern). Nach der Zusammenstellung einer Kasuistik von 63 Fällen bringt Verf. die Krankengeschichten von 3 weiteren Fällen. Über einen liegt auch ein Sektionsbericht vor. Im weiteren Verlauf der Arbeit verbreitet sich Verf. über die statistisch und klinisch wichtigeren Daten und über die Anschau- ungen der einzelnen Autoren hinsichtlich Pathologie und Therapie des Leidens. nn J. Riedinger (Würzburg). 19) M. Reiner. Über den kongenitalen Femurdefekt.

(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. IX. Hft. 4.)

Nach einem kurzen Referat über die wichtigsten in der Litteratur beschriebenen berichtet Verf. über 5 weitere Fälle von angeborenem Femurdefekt, die in der Lorenz’schen Klinik in Wien zur Beob- achtung gelangten. Darunter finden sich 3, die schon von Hlavacek und Lange beschrieben sind und nur nachuntersucht wurden. An guten Röntgenbildern konnte die Missbildung in jedem Falle genau studirt werden. Der äußeren Form nach unterscheidet Verf. 5 graduell verschiedene Gruppen mit folgenden charakteristischen Merkmalen: 1) Verkürzung und Verjüngung des Oberschenkels nach oben mit Coxa var: 2) Trennung des Oberschenkels in unteres Diaphysen- ende mit Epiphyse, in Kopf und in Trochanter, 3) Trennung in die gleichen Theile ohne Ausbildung eines Kniegelenks, 4) embryonale Form des oberen Abschnitts, 5) extreme Verkürzung der Diaphyse. Für das Zustandekommen einiger dieser Formen scheint nach R. die Entwicklung der Gefäße im Oberschenkel von Bedeutung zu sein. Es kann nämlich für die Entwicklungsstörung im Knochenaufbau eine Störung der Gefäßversorgung verantwortlich gemacht werden. Den Anstoß zur Defektbildung selbst bildet aber eine äußere Schäd- lichkeit, ein »modellirendes Trauma«, bestehend in einem in der Richtung der Längsachse des Femur wirkenden kontinuirlichen Druck in einer frühen embryonalen Periode. J. Riedinger (Würzburg).

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20) Ghillini und Canevaszi (Bologna). Über die statischen Verhältnisse des Oberschenkelknochens. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.) Die Verff. kritisiren einige Punkte der Arbeit Bähr’s: »Der Oberschenkelknochen als statisches Problem« (cf. Centralbl. für Chi- rurgie 1900 p. 740), insbesondere was die Beurtheilung der Muskel-

wirkung und die Heranziehung mathematischer Formeln betrifft. J. Riedinger (Würzburg).

21) Blodgett. Auscultation of the knee joint. (Boston med. and surg. journ. 1902. Januar.)

Die Untersuchung wird mit einem Bowles Stethoskop ausgeführt, der Schallempfänger mit einer Gummikappe überzogen, um Reiben und Ausgleiten zu vermeiden. Das Gelenk muss passiv bewegt werden, da durch aktive Bewegung ein Muskelgeräusch in Form eines starken Summens entsteht. Die erste Bewegung ist stets von den meisten und deutlichsten Geräuschen begleitet. Auch im normalen Gelenk sind Geräusche hörbar, die mit zunehmendem Alter zahlreicher und deutlicher werden. Die Geräusche selbst bestehen aus knackenden und knatternden, manchmal quiekenden Tönen, am Ende einer Bewegung ist häufig ein scharf schnappendes Geräusch hörbar. Die Geräusche bei demselben Gelenk bleiben konstant. Lähmungen und allgemeine Anästhesie verändern die Geräusche nicht. Gelenkergüsse beeinträchtigen die Geräusche oder heben sie gans auf. Kontrakturen, die durch Muskelspasmen erzeugt werden, z. B. hysterische, lassen beim Bewegen neben dem Gelenkgeräusch noch das Muskelgeräusch als starkes Brummen hören. Pathologische Ge- räusche sind am stärksten bei chronischer Arthritis und Arthritis deformans, entsprechend den Knorpeldefekten. Endgültige Schluss- folgerungen zieht Verf. nicht, hält aber eine weitere Forschung auf diesem Gebiet für sehr wünschenswerth. Trapp (Bückeburg).

22) Alessandri. Sulla refrattura della rotula etc. (Policlinico 1902. No. 1 u. 2.)

Als Refrakturen werden sowohl solche Fälle bezeichnet, wo der Knochen an einer zweiten Stelle, als solche, wo der knöcherne Callus, als wo eine fibröse Verbindung zwischen den zwei Fragmenten des ersten Bruches reißt. Letztere sind die häufigsten. Bald war eine neue plötzliche Gewalteinwirkung, bald eine allmähliche Deh- nung der fibrösen Verbindung anzuschuldigen. Die Aussichten auf knöcherne Vereinigung bei unblutiger Behandlung sind hierdurch gering, da es sich oft um Interposition von Weichtheilen handelt, bei fibrösem Callus überhaupt keine blutenden Knochenflächen zu Stande kommen. Die späteren Resultate sind aber oft nicht schlecht, wie auch bei den einfachen Frakturen, theils in Folge einer funk- tionellen Verkürzung des Anfangs zu langen Quadriceps, theils durch

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vicariirendes Eintreten des seitlichen Streckapparates. Zur blutigen Behandlung bediente sich A. mit Erfolg eines von Ferraresi ange- gebenen Verfahrens in einem bereits früher mitgetheilten, so wie in einem neuen, die Veranlassung zu dieser Arbeit gebenden Falle. Aus der Quadricepssehne wird ein viereckiger Lappen geschnitten, der seine Basis am oberen Kniescheibenrand hat, nach rückwärts umge- klappt und über die Kniescheibe und ihre Fragmente herüber genäht wird. Besonders bei stärkerer Diastaste ist das Verfahren am Platze. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

23) Wenzel (Buenos-Aires). Der Zirkelschnitt am Ober- schenkel bei der operativen Behandlung der Varicen und des Ulcus cruris.

(Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 6.)

Verf. empfiehlt diese Schnittführung, ausgehend von der That- sache, dass nicht alle nach der Trendelenburg’schen Methode operirten Fälle von varikösem Beingeschwür eine Dauerheilung auf- zuweisen hatten, und von der richtigen Erwägung, dass, falls nur die V. saphena resecirt wird, selbst unbedeutende Venenäste oder Parallelstämme unter dem gesteigerten kollateralen Druck an Mächtig- keit so viel gewinnen können, dass in Kurzem die alten Stauungs- verhältnisse wieder hergestellt sind.

W. stützt sich auf die Erfolge, die er an ca. 26 Fällen konsta- tiren konnte; sie sind alle geheilt geblieben; weder Varicen noch Geschwüre kamen wieder.

Der Schnitt soll in der Regel auf der Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel des Oberschenkels, keinesfalls tiefer, angelegt werden.

Bei unlöslicher Verwachsung wird das Gefäß von der äußeren Haut her umstochen. Handelt es sich um Geschwüre und Varicen der Knöchelgegend, so genügt ein am Unterschenkel handbreit unter- halb der Kniegelenkslinie angelegter Zirkelschnitt. (Hierzu möchte Ref. bemerken, dass es sich empfiehlt, die Haut über der medialen Tibiafläche nicht zu durchtrennen, da die dem Knochen direkt auf- liegende Narbe Beschwerden verursacht, auch die Heilung verzögert werden kann. Man kann ohne Schwierigkeiten die Hautbrücke stumpf ablösen und die unter ihr gelegenen Venen durchtrennen und unterbinden.)

Es gelingt, ohne die Wundränder mit abzulösen, Segmente von 3—5 cm zu isoliren und nach doppelter Unterbindung zu excidiren. Wiedervereivigung der Haut durch Naht. Langemak (Rostock).

24) P. Citernesi (Arezzo). Sui diversi metodi di cura radi- cale delle varici ed ulcere varicose delle arti inferiori. (Clinica chirurgica 1901. No. 5.)

C. berichtet über 2 nach Moreschi operirte Fälle von Varicen, die nach kurzer Zeit recidivirten. Ein Vergleich mit den bisher mit-

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getheilten Resultaten ergiebt auf’ 12 Heilungen 9 Misserfolge, die wohl alle auf die Methode selbst zurückgeführt werden müssen. Zweite Operationen an solchen Pat. (Tavechi) ergaben sogar, dass einige Venen, welche sicher durchschnitten worden waren, durch- gängig und die Thrombose nicht auf die nächsten Äste fortgeschritten war. C. giebt zu bedenken, welchen Einfluss das Nervensystem auf die Pathogenese dieser Erkrankung hat und meint, ob nicht dort die Behandlung der Varicen einsetzen müsse. J. Sternberg (Wien).

25) A. H. Freiberg (Cincinnati). Zur Herstellung von Fuß- abdrücken. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. IX. Hft. 4.)

An Stelle der Timmer’schen (cf. Centralbl. für Chirurgie 1901 No. 43) empfiehlt Verf. folgende, von Mönkemöller und Kaplan angegebene Methode. Man befeuchte die Fußsohle mit einer Mischung von: Tinct. ferri chlorat. 50,0, Alkohol (80. %ig) 45,0, Glycerin 5,0 und setze diese dann auf einen einem Brettchen glatt aufliegenden Karton. Nun wird durch Bepinselung mit einer starken alkoholischen Gerb- säurelösung das Bild entwickelt, das in blauschwarzer Farbe er- scheint. J. Riedinger (Würzburg).

26) N. N. Michailow. Über temporäre Resektion der Ferse. (Westnik Chirurgii 1901. No. 23. [Russisch.')

M. schildert eine besondere Art der Affektion des Tarsus, die ein ziemlich typisches Krankheitsbild darbietet und oft mit Caries des Talocruralgelenks verwechselt wird. Es handelt sich um lokali- sirte Caries des Calcaneus mit Komplikation von Seiten des vorderen Abschnittes der Articulatio talocalcanea und des Chopart'schen Gelenks. Klinische Symptome: Anschwellung in den unteren Enden der Knöchel und Bildung von Fisteln an der Kuppe des äußeren Knöchels, vor oder hinter demselben. Fisteln am inneren Malleolus kommen nur bei ausgedehnter Affektion des Talus oder bei Existenz weiterer isolirter Herde im Calcaneus vor. Die Gegend über der Mitte der Knöchel ist nicht geschwollen; Streckung und Beugung im Talocruralgelenk sind frei, Pronation und Supination, so wie Ab- und Adduktion aber oft sehr schmerzhaft und behindert, und das um so mehr, je stärker das Chopart’sche Gelenk betheiligt ist.

Für solche Fülle schlägt M. folgende Resektionsmethode vor, die eine Vervollkommnung der von Busch in diesem Blatte 1881 No. 41 empfohlenen ist. Steigbügelschnitt (Fig. AB), etwas nach hinten vom Mall. externus beginnend, erst durch die Haut allein 1 cm unter dem Malleolus aber und weiter unten gleich bis zum Knochen dringend. Unter dem Mall. internus 1 cm von ihm entfernt wird der Schnitt wieder oberflächlich. Der Calcaneus

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wird nun bis zum Ende des tiefen Schnittes durchgesägt und die Trennung durch Meißelschläge zu Ende geführt; nach Zurücklegen des hinteren Lappens liegt die untere Hälfte des Talus frei und eben so event. Knochenherde im Fersenbein. Nach Entfernung der kranken Theile wird der Lappen wieder angenäht, wobei die Fäden nicht zu fest geknüpft werden müssen. Busch legte den Schnitt im Fersen- bein weiter nach hinten | und erzielte so schlechte

Ernährungsverhältnissee E des Knochenlappens.

Muss auch das Talo- eruralgelenk revidirt wer- den, so verlängert man den Hautschnitt bogen- förmig (BC) nach oben. Will man die Articul. talo- calcanea schonen und nur das Talocruralgelenk eröff- nen, so kann man den

Knochenschnitt mehr schräg anlegen (DE).

M. führte die Opera- tion 8mal aus: 3mal bei Tuberkulose, 4mal bei Syphilis des Fersenbeingelenks und imal bei Caries des Talocruralgelenks (Tuberkulose). In letzterem Falle wurde der Knochenschnitt wie bei Busch weiter nach hinten gelegt; aber darauf trat wegen schlechter Ernährung Gangrän des Wundrandes der Ferse auf, die schließlich zu Amputation des Unterschenkels führte.

M. richtet zum Schluss die Aufmerksamkeit auf die Vorzüge dieser Methode vor der von Bogdanik und Landerer-Oswie- cimsky vorgeschlagenen. Gückel (Medwedowka, Kijew).

27) Baumgärtner. Die chirurgische Entfernung des Nagels. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 7.)

B. giebt eine Methode zur Nagelentfernung an, die er schon seit 20 Jahren übt,:und mit Hilfe derer es gelingt, den Nagel mit sorg- fältigster Schonung der Matrix und des Bettes auszulösen und nach 4—71 Tagen bereits die Pat. wieder gehfähig bezw. ihre Hände wieder gebrauchsfähig zu machen. Es wachsen wohlgestaltete Nägel nach. B.’s Nagellöser besteht aus einem feinen kleinen Plättchen (oder Lanze), einer Impfnadel ähnlich, 3 mm breit, das, nach der abgerun- deten Spitze und den Seiten hin fein zugeschliffen, aber nicht schnei- dend, an einem soliden Griff befestigt ist. Damit wird die Horn- schicht des Nagels von dem Stratum mucosum des Falzes und Bettes getrennt, zunächst im Bereich der Nagelwurzel, hierauf vom freien Rande her. Bei richtiger Führung soll es an keiner Stelle bluten.

476 Centralblatt für Chirurgie. No. 17.

Beim ersten Verband ist die zarte Schleimschicht durch Auflegen von Silk oder Guttapertscha zu schützen.

Narkose ist nicht nöthig, Anästhesie mit Athylchlorid genügt. Langemak (Rostock).

Kleinere Mittheilungen,

Röhrenkessel-Dampfsterilisator und neue Verbandstoffeinsätze Von

Dr, Egbert Braatz, Privatdocent der Chirurgie in Königsberg i/Pr.

Das Bestreben, auch für die chirurgischen Dampfapparate, die viel kleiner sind als die Riesenapparate der Hygieniker, den Dampf von oben her einzuleiten,

hat zu Konstruktionen geführt, die nicht nur große Unbequemlichkeiten für die Fig. 1.

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Handhabung, sondern auch Gefahren für die Sicherheit der Sterilisirung haben. Viel einfacher gestaltet sich die Handhabung eines Apparats, wenn der Dampf von unten nach oben einströmt. Dann fallen nicht nur die massiven Deckel mit ihren Flügelschrauben, ihren Gummidichtungen, ihren Kühlschlangen im Kühl- eimer etc. fort, sondern eben so die verfehlten Einrichtungen, welche die Verband- stoffe vorzuwärmen beabsichtigen.

Centralblatt für Chirurgie. No. 17. 477

Eine sehr große Zahl von Versuchen und Untersuchungen hat mich gelehrt, dass dieser praktischen Anforderung auch theore- tisch nichts im Wege steht. Man kann sehr wohl reinen, wirksamen Dampf im Apparat erhalten, wenn man den Dampf von unten ein- leitet. Sehen wir doch schon am ursprünglichen Koch’schen Dampftopf, dass er tadellos sterilisirt, trotzdem der Dampf bei ihm nicht von oben her, sondern von unten in den Dampfraum strömt.

Da nun die Konstruktion meines früheren Apparats nur bis zu einer gewissen Größe kleinerer Dimensionen verwendbar war, so war nach den obigen Grundsätzen für mich die Konstruktion eines neuen Apparats nothwendig geworden, da die all- gemein gebräuchlichen und käuflichen solche Fehler haben, dass sie einer wissen- schaftlichen Kritik nicht Stand halten.

Zunächst nahm ich, um jede Überhitzung der Wände des Apparats zu ver- meiden, Dampfentwickler und Sterilisirungsraum gesondert. Um die möglichst große Schnelligkeit des Wasserkochens zu erreichen, nahm ich anstatt eines ge- wöhnlichen Wasserkessels einen Kessel mit Wasserröhren am Boden, in welchem allein etwa 1 Liter Wasser enthalten ist und welche von den Heizgasen umspült werden. Dadurch ist es ermöglicht, dass die 10 Liter Wasser in 15—18 Minuten

Fig. 2.

auf den Siedepunkt kommen. Die weitere Dampffüllung des leeren Apparats dauert dann noch weitere 5—10 Minuten.

Der Dampf tritt aus dem Wasserkessel durch ein mit Asbestschnur um- wickeltes Dampfrohr unten am Boden des Sterilisirungskastens zuerst in einen Vorkessel, der dazu bestimmt ist, das Kondenswasser aufzunehmen.

Von da vertheilt er sich im Raum und entweicht an den Rändern des Deckels. Dieser ist mittels Scharniren mit dem Kasten verbunden und wird einfach auf- geklappt, wenn man den Apparat öffnen will. Daher ist die Bedienung des Apparats ungemein einfach und leicht. In dem Deckel steckt für gewöhnlich kein Thermometer!, weil es beim Aufklappen des Deckels hinderlich wäre, und vor Allem keinen Anhalt für die im Dampfraum herrschende Temperatur giebt. Denn trotzdem der Dampf von unten eingeleitet wird, ist sie zuerst oben höher und er- reicht ihren Höhepunkt unten zuletzt. Daher steckt auch hier der Kniethermo- meter unten am Boden des Apparats.

1 Auf der Figur nicht richtig dargestellt. Eben so wie das Thermometer unten am Boden nicht schräg steht, sondern aufrecht, da es ein Kniethermometer ist. Auch sonst, was das Dampfrohr betrifft, entspricht die Figur nicht ganz der Wirklichkeit.

478 Centralblatt für Chirurgie No, 17.

Die Dimensionen des von mir seit einem Jahre benutzten Apparats sind: Länge 55, Breite 50, Höhe 30 cm. Es kann jedoch nach Bedarf der Apparat auch in viel größeren Dimensionen angefertigt werden. Für den kleinen Betrieb der praktischen Ärzte dürfte er sich weniger empfehlen, de hier die Instrumente in demselben Apparat gekocht werden sollen und hier Konstruktionen, wie s. B. die Körte’sche?, besser am Platse sind.

In meiner Privatklinik steht der Apparat in einem Abzugsohrank mit Schiebe- fenster, wie er in chemischen Laboratorien üblich ist und wie ihn auch andere Kliniken benutzen.

Angefertigt ist der Apparat von Th. Sohmucker in Heidelberg.

Schon im Herbst 1890 hatte ich Verbandstoffeinsätse angegeben, die aus einem Kasten bestanden, der einen durchlöcherten Boden und einen aus zwei Hälften bestehenden Klappdeckel hatte. Schon jene Einsätze ließen den Dampf sehr viel leichter durch die Verbandstoffe gelangen als die Verbandstofftrommeln von Schimmelbusch, welche überall geschlossen waren und nur je eine Reihe seit- licher Löcher, einige Centimenter vom Boden und Deckel entfernt, besaßen, Nach meinen Versuchen® durchdringt der Dampf von Siedetemperatur unter sonst gleichen Verhältnissen den Verbandstoff in dem Schimmelbusch’schen Einsatzgefäß (Durchmesser 25, Höhe 20 cm) in etwas mehr als 40 Minuten, in meinen Einsätzen (Größe 29, 27, 17 cm) ohne Drahteinsatz in etwa 5—10 Minuten und meiner neuen Anordnung mit dem Drahteinsatz in 1/,—1 Minute. In meinen noch größeren Ein- sätsen bis 2 Minuten. Der Dampf durchdringt also in meinen Verbandstoffein- sätzen Gaze und Watte wenigstens 30mal so schnell als in einem Schimmelbusch- schen.

Ein Fall von großem Varix der Vena saphena magna in der rechten Fossa subinguinalis, der bis zur Operation allseitig für einen Schenkelbruch gehalten worden war. |

Von

Sanitätsrath Dr. A. Böger, dirig. Arzt des Marienhospitals in Osnabrück.

Anna D., 22 Jahre alt, kam am 29. December 1901 in das Marienhospital mit dem Wunsche, wegen eines rechtsseitigen Schenkelbruchs radikal operirt zu werden, da derselbe sie bei der Arbeit belästige und durch ein Bruchband nicht zurück- zuhalten sei. Dieselbe gab an, dass bei ihr bereits im Alter von 6 Jahren in ihrer rechten Schenkelbeuge eine etwa taubeneigroße Geschwulst bemerkt worden und ihr von einem Arste ein Bruchband verordnet sei, welches sie 2—3 Jahre ge- tragen habe. Dann habe man nichts mehr von einem Bruch bemerkt. Vor 3 Jahren habe sie wieder eine Geschwulst in der rechten Schenkelbeuge wahrgenommen. Pat. befand sich derzeit in Leipzig in Stellung. Der Hausarzt erklärte die Ge- schwulst für einen Bruch. |

Pat. begab sich wegen eines anderen Leidens in die Leipziger Klinik. Die Schenkelbeugegeschwulst wurde auch dort für einen Bruch gehalten, und eine Operation vorgeschlagen, die aber abgelehnt wurde. Alsdann wurde ein Bruch- band verordnet und dieses 2 Jahre getragen. Seit einem Jahre ist das Bruchband fortgelassen, da es den Bruch nicht zurüokhielt und Druckbeschwerden veror- sachte. Der in Osnabrück konsultirte Arzt glaubte ebenfalls einen Bruch vor sich

2 Im Übrigen empfehle ich den Kollegen seit Jahren den Erbsenkocher als Sterilisator. Der Erbsenkocher ist in mehreren Größen in Eisenhandlungen su haben und ist sehr gut brauchbar. Die mittlere Größe kostet etwa 4 4. Der Erbsenkocher wurde zuerst von Holland aus für unsere Zwecke empfohlen.

® Vgl. Braatz, Zur Iampfdesinfektion in der Chirurgie. Münchener mel. Wochenschrift 1901. No. 2.

Centralblatt für Chirurgie. No. 17. 479

zu haben und verordnete ein Bruchband. Wegen des Wunsches einer Radikal- operation kam Pat. ins Marienhospital.

Die Untersuchung ergab Folgendes: Beim Stehen bemerkte man in der rechten Sehenkelbeuge eine oa. gänseeigroße, weich anzufühlende Geschwulst, welche in horizontaler Lage fast völlig verschwand, beim Aufstehen sogleich wieder hervor- trat. Auch ich und meine Hospitalkollegen hielten die Geschwulst für einen Schenkelbruch und beschlossen, die Radikaloperation durch Resektion des Bruch- sacks und Vernähung der Bruchpforte (nach Bassini) vorzunehmen. Die Opera- tion wurde am 2. Januar 1902 unternommen. Schnitt unterhalb und parallel dem medialen Drittel des Lig. Pouparti, Bei der. Isolirung des vermeintliohen Bruch- sacks bemerkten wir den Eintritt dər Vena saphena magna in den unteren Theil desselben und stellten nun die Diagnose auf einen großen Varix der Vena saphena kurz vor ihrem Eintritt in die Vena femoralis, . Die Vena saphena wurde unter- balb ihres Eintritts in den Varix unterbunden. Vor der Einmündungsstelle des Varix in die Vena cruralis verjüngte sich der nach Freilegung etwa hühnereigroße Varix bis zu Fingerdicke, An dieser Stelle wurde derselbe unterbunden und als- dann der Sack entfernt.)

Durch einen Bluterguss in die Fossa aubinguinalis post operationem wurde die Heilung etwas verzögert. Im Übrigen erfolgte dieselbe ohne Reaktion.

Der Fall erscheint besonders interessant wegen der allerseits vor der Operation wnrichtig gestellten Diagnose.

28) O. Linser. Über die in der Tübinger chirurgischen Klinik wäh- rend der Jahre 1891—1901 beobachteten Schussverletzungen. (Beiträge zur klin, Chirurgie Bd. XXXIU. Hft. 1.)

L. macht darauf aufmerksam, dass die Zahl jener bedauernswerthen Fälle, wo sich Jünglinge und Knaben durch muthwilliges Spielen mit Schusswaffen mehr oder weniger schwere Verletzungen, dauernde Verkrüpplungen und Beeinträchtigung ihrer Leistungsfähigkeit zuziehen, nicht nur eine recht große ist, sondern noch fast von Jahr zu Jahr erheblich zunimmt. Wie sein kasuistisches Material er- weist, betrafen die Schussverletzungen in erster Linie die Hände, dann den Kopf, viel seltener den Rumpf. In 8 unter 260 Fällen ist ein tödlicher Ausgang ein- getreten, wovon 5 einzig auf Rechnung unvorsichtiger Handhabung einer Schuss- waffe entfallen. Dauernde Störungen blieben 110mal zurück. Im Hinblick auf diese Zahlen hält Verf. ein energisches Vorgehen gegen den Unfug, Schusswaffen als Spielzeug zu gebrauchen, entschieden für geboten. Die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen, Unterdrückung des Neujahrsschießen, Aufklärung in den Schulen, genügen noch nicht; dagegen wäre ein völliges Verbot, Schießpulver und Schuss- waffen an junge Leute unter 16 Jahren zu verkaufen, am Platze.

Honsell (Tübingen).

29) The surgical and medical history of the naval war between Japan aus China during 1894/95. Übersetzung von Suzuki. Tokio, Printing & Co., 1901.

Eine englische Übersetzung des eingehenden Originalberichts der japanischen Marineärste über ihre Erfahrungen aus dem Seekriege mit China liegt jetzt vor. Das 544 Seiten umfassende, mit zahlreichen instruktiven Abbildungen ausgestattete Buch ist in 9 Kapitel eingetheilt, deren erstes eine Schilderung der Gefechte und genaue Beschreibung der einzelnen Treffer auf den japanischen Schiffen giebt. Das vielseitigste und hauptsächliche kriegschirurgische Material lieferte die Seeschlacht am Yalu, in der diese Schiffe 134mal durch feindliche Geschosse getroffen wurden.

Im Kapitel II werden die einzelnen vorgekommenen Verletzungen auf das Ge- naueste beschrieben und vielfach durch Abbildungen erläutert, besonders auch von sofort ‚Getödteten die Befunde mitgetheilt.

Das III. Kapitel liefert eine Reihe von Tabellen zunächst aus der Schlacht von Yalu. Nach diesen betrugen hier die Verluste an Todten 2,4%, an Verwun-

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deten 5,4% der Besatzungen. Die größten hatte das Sanitätspersonal, danach das seemännische, die geringsten das Maschinenpersonal. Weitere Tabellen geben Überblicke über die Verluste durch die einzelnen Treffer in dieser Schlacht, die im Durchschnitt 2,1% Verletste auf jeden betrugen. Die sahlreichsten derselben führte eine auf dem Flaggschiff einschlagende 30,5 cm Granate herbei, welche die Bereitschaftsmunition zur Explosion braohte und so 100 Mann außer Gefecht setzte. Wir ersehen dann sus solchen, dass 35,7% aller Verletsungen den Kopf, 22,6% den Rumpf, 19% die Arme und 22,6% die Beine betrafen, und dass bezüglich der Mortalität sich folgen: Bauchschüsse mit 80% solcher, Schädelschässe mit 60%, Halsschüsse mit 50%, Schüsse an Brust und Rücken, Beinen und Armen. Inden Gefechten vor Weihaiwei betrugen die Gesammtverluste nur 1%, aus denen ent- sprechende Tabellen zusammengestellt sind.

In Kapitel IV sind die Verletsungen nach Art und Ursache geordnet. 371 Mann hatten 629 Verletzungen erlitten: 381 derselben waren durch ganze Geschosse selbst, die Explosion solcher und ihre Fragmente, 248 indirekt durch Splitter- wirkung, zur Explosion gebrachte eigene Munition, Verbrühen durch ausströmenden Dampf eines getroffenen Kessels eto. hervorgerufen. Der Bericht ordnet diese Ver- letzungen nach Quetschungen, oberflächlichen Defekten, Quetschwunden, Verwun- dungen mit blindem Schusskanal und penetrirende Wunden, die er alle in ihrer Eigenart beschreibt, schildert die relativ seltenen perforirenden Wunden (hier nur 6% aller Verletsungen, während sie in der modernen Feldschlacht so häufig sind), die Verstümmlungen größerer Körpertheile oder des ganzen Körpers und zum Schluss die Verbrennungen und Verbrühungen. Je bei diesen einzelnen Arten der Verletsungen wird ausgeführt, in welohem Verhältnis die einzelnen Geschosse direkt und indirekt an ihrer Hervorbringung betheiligt waren, die Gründe hierfür in kriegschirurgischer Betrachtung unter Berücksichtigung von Form, Gewicht, lebendiger Kraft des Projektils klarsulegen versucht. Wir sehen hierbei, dass die Verletzungen duroh Holzsplitter im Allgemeinen nicht von großer Bedeutung sind, solche durch Geschossfragmente und Eisensplitter in vieler Beziehung einander nahe stehen. .

Betreffs der Wundkomplikationen wird im V. Kapitel an der Hand von Äuße- rungen der einzelnen Arste über ihre Erfahrungen mitgetheilt, dass Blutungen der Regel nach sowohl primär wie sekundär auffallend gering waren. Fast durch- gängig trat Wundeiterung ein, entsprechend der Schwierigkeit, die unregelmäßigen buchtigen Wunden der Seeschlacht, in welche bei ihrer großen Wundöffnung leicht unreine Kleiderfetzen mit hineingerissen waren, rein su bekommen oder su er- halten. Auch trug hierzu der Umstand mit bei, dass die Gewebe in der Umgebung der Wunden durch die schweren unregelmäßig gestalteten Projektile vielfach ge- quetscht und geschädigt waren.

Die Anlage des Gefechtsverbandplatses und der Verwundetentransport werden im VI. Kapitel besprochen, bei ersterem als Fehler hervorgehoben, dass er in der Anlage des Schiffes nicht vorgesehen war. Derselbe musste daher zumeist an un- geeigneten, wenig geschützten Stellen etablirt werden, was den sich sehr nach- theilig bemerkbar machenden Verlust von viel ärstlichem Personsl und Material zur Folge hatte. Weiter ist dieses Kapitel der Wundbebandlung gewidmet: Diese bestand während des Gefechts vorwiegend in einer vorläufigen oberflächlichen Reinigung der Wunden, die wohl besser unterblieben wäre, und Anlegen eines Nothverbandes. Hervorstehende Fremdkörper wurden entfernt, starke Blutungen durch Kompression oder Torsion zum Stillstand gebracht und Knochenbrüche geschient.

Betreffs des VII. und VIII. Kapitels, welobe die Krankheiten während des Krieges und die allgemeinen sanitären Verhältnisse an Bord behandeln, genüge hier dieser Hinweis, dass es durch gute hygienische Maßnahmen gelang, die Er- krankungsziffern in sehr mäßigen Grenzen zu halten.

Im IX. Kapitel werden kurz die einzelnen Marinelagarette in Sasebo, Kurse und Yokosuka in Einrichtung und Thätigkeit erwähnt, weiter die Expeditions- lazarette in Longreach und Port Arthur. Etwas ausführlicher wird die Kobe maru,

Centralblatt für Chirurgie. No. 17. 481

ein Schiff der japanischen Postdampfergesellschaft, beschrieben, das im Beginn des Krieges zum Lasarettschiff umgewandelt wurde. Dasselbe hatte 200 Lager- stellen, die aber wegen häufiger, anderweitiger Transporte von Kranken und Ver- wundeten in die Heimath nur wenig ausgenutst wurden.

Der mit großem Fleiß und Sachkenntnis unter eingehender Berücksichtigung der Lehren der Kriegschirurgie verfasste Bericht, dessen Lektüre eben so inter- essant wie lehrreich ist, zeigt, dass die Verletzungen der Seeschlacht sehr viele grundlegende Verschiedenheiten von denen des Landkrieges sowohl im Einzelnen als auch besonders in ihrer Gesammtheit bieten. Diese Verschiedenheiten lassen es angebracht erscheinen, im Rahmen der speciellen Kriegschirurgie ein beson- deres Kapitel der des Seekrieges zu widmen, das bisher in den modernen Lehr- büchern dieses Zweiges der Chirurgie fehlt. Matthiolius (Kiel).

30) B. K. Finkelstein. Über zufällige (nicht operative) Verwundungen der großen Venenstämme. (Wratsch 1901. No. 52.)

F. bespricht nur die seltenen Fälle von isolirter Verwundung der Venen allein. Im Petersburger Obuchowspital, wo traumatische Fälle in großer Zahl vorkommen, wurden innerhalb der letzten 10 Jahre nur 7 isolirte Venenwunden beobachtet.

1) Messerwunde der linken Jugularis interna; doppelte Ligatur nach 1/4 Stunde, Heilung. 2) Axtwunde sm Halse links; Jugularis interna auf 3/, durchtrennt; tiefste Synkope; Unterbindung, Tod nach 2 Stunden an Anämie. 3) Messerwunde der linken Jugularis interna, in der Nähe des Austritts aus dem Schädel; nach i/a Stunde Tamponade. Heilung. 4) Stichwunde der rechten Subclavia, wobei nur die vordere Wand längs durchschnitten ist. 4 Nähte. Heilung. 5) Messerwunde der Cava inferior: einen Querfinger unter dem Schwertfortsatz beginnend, dringt der Stichkanal durch den linken Leberlappen, durch den Lobus Spigelii bis in die Hohlvene. Tamponade; am 6. Tage bei Entfernung des Tampons starke Blutung, die aber bei neuer Tamponade stand; darauf Peritonitis und Septikopyämie; Tod. 6) Messerwunde der rechten V. iliaca externa, beide Wände durchdringend. Ein- stich gleich über dem Lig. Pouparti, medial vom Gefäßbündel. Doppelte Ligatur, Tod nach ?3/, Stunden. 7) Messerwunde der linken Iliaca externa; Einstich einen Querfinger unter dem Poupartbande; doppelte Ligatur; Tod nach 21/4 Stunden. Hier war nur die vordere Wand der Vene durchtrennt.

Außerdem werden kurs angeführt: ein Fall von Schnittwunde der V. jugularis externa; Heilung nach Unterbindung. Ein Fall von wahrscheinlicher Verwundung der linken V. subclavia (gleichzeitig mit Durchtrennung der A. scapulae trans- versa); Tamponade, Heilung. Ein Fall von Durchtrennung von 2 kleinen Asten der V. subolavia mit sehr starker Blutung; Tod (hier war die Pleura auch durch- schnitten). Ein Fall von isolirter perforirender Wunde der V. axillaris; Unter- bindung, Heilung. Auch die entsprechende Litteratur wird angeführt; die beiden Fälle von isolirter Verwundung der V. iliaca ext. sind einzig in derselben. Unter Anderem findet F., dass das Eindringen von Luft in die großen Venen wenig ge- fährlich ist. Was die Therapie betrifft, so können alle Venen (außer vielleicht den Hohlvenen in der Nähe der Einmündung ins Herz) unterbunden werden. Doch muss man womöglich die Venenwunden nähen. Am häufigsten sind die Wunden der oberflächlichen Venen: Jugularis interna, Femoralis, seltener der Subelavia und Axillaris, an den übrigen großen Venen sehr selten.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

31) C. Hübscher. Scherenförmige Redressionsapparate mit elastischem Zug. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hit. 1.) Zu beiden Seiten der Gelenke befinden sich scherenartig sich kreusende

Schienen aus Bandeisen. Ihren Halt finden die Schienen an der Extremität durch drei Halbrinnen aus Fiber, welches nach der Vorschrift von Wiener verarbeitet

482 Centralblatt für Chirurgie. No. 17.

wird. Die Verwendung der Halbrinnen ist die gleiche, wie sie Bidder für seine Streokapparate angegeben hat. Aus 3 instruktiven Abbildungen ist die Verwend- barkeit der Apparate bei Kontrakturen des Knie-, Ellbogen- und Handgelenks ersichtlich. J. Riedinger (Würsburg).

32) T.K. Weber. Uber primäre akute Osteomyelitis der Wirbelsäule. (Wratsch 1901. No. 49 u. 50.)

Ein 15jähriger Knabe erkrankte plötslich vor 3 Tagen. Sehr starke Schmersen in den Lendenwirbeln; Druck auf den Scheitel oder auf die Fußsohlen in der Richtung der Längsachse ruft eben solche starke Schmerzen in den Lendenwirbeln hervor. Am 10. Tage nach der Erkrankung Incision längs der Wirbelsäule; der 2. Lendenwirbel zeigt sich afficirt. Entfernung des Proc. spinosus, der rechten Hälfte des Bogens und des rechten Proc, transversus. Aus dem Wirbelkanal ent- leeren sich einige Esslöffel Eiter. Herd unter der Rückenhaut. Im Eiter Staphylo- coccus aureus. Sofort Besserung. Nach 2 Wochen wurde ein Senkungsabscess über dem rechten For. ischiad. majus eröffnet. Heilung nach 2 Monaten ohne Korsett; geringe Beschränkung der Beweglichkeit im Lendentheil

Gückel (Medwedowks, Kijew).

33) Seitz. Durch Operation geheilter Fall von Lähmung der unteren Extremitäten bei tuberkulöser Spondylitis. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 6.)

7 Jahre altes Mädchen, das 11/, Jahr krank war. Schlaffe Lähmung beider Beine. Reflexe und Sensibilität waren erhalten. Spitser Buckel im Bereich der oberen Brustwirbelsäule. Das Röntgenbild ergab nur ausgedehnte Zerstörung der Wirbelkörper und das Vorhandensein eines prävertebralen Abscesses. Da andere Behandlung ohne Erfolg, Trepanation der Wirbelsäule nach einem Längsschnitt über dem Gibbus. 4 Wirbelbögen wurden entfernt. Nach Abbinden der Dura wurde der 7. Brustnerv rechts durchtrennt und das Rückenmark nach der linken Seite gezogen. Hierbei entleerten sich von der Vorderseite des Spinalkanals Eiter und kittige Massen. Nach Entfernung der käsigen Massen und Granulationen Eröffnung und Ausschabung des prävertebralen Abscesses. Drainage desselben durch ein neben dem Rückenmark eingelegtes Drain. Schluss der Wunde durch Etagennähte. Gefensterter Gipsverband. Am 2. Tage nach der Operation Incon- tinentia alvi et urinae Am 3. Tage Spontanbewegung des linken Beines. Dann rasche Besserung.

Nach 3/, Jahr Kyphose fest, nicht druckempfindlich, keinerlei Lähmung®- erscheinungen, keine Sensibilitätsstörungen. Gang gut. Es wird noch ein Korsett getragen. Borchard (Posen).

34) F. Pendl. Ein Fall von angeborener Skoliose. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.)

Bei einem 51/, Jahre alten Mädchen mit linksseitigem, kypho-skoliotischem Buckel, das in der Hoffa’schen Klinik behandelt wurde, musste als Ursache des Leidens nach dem Röntgenbild ein überzähliger Lendenwirbel angenommen werden. Es handelt sich um denselben Fall, der im Jahre 1898 schon von Mouchet (ef. Centralblatt für Chirurgie 1899 p. 376) veröffentlicht wurde. An die Mittheilung des Falles fügt Verf. einige Bemerkungen über die Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule und über die Kasuistik der angeborenen Skoliose.

| J. Riedinger (Würzburg).

35) A, Roth (Budapest). Vorläufige Mittheilungen über meine Ver- suche zur Lösung der Frage eines portativen Detorsions- und Re- dressionskorsetts für Skoliosen aller Art.

(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.)

Um den skoliotischen Thorax in seinem größten schrägen Durchmesser Yon vorn und von hinten her im Sinne einer Redression des Buckels im Korsett kom-

Centralblatt für Chirurgie. No. 17. 483

primiren zu können, muss an der vorderen Fläche des Thorax ein Stützpunkt zur Fixation des Korsetts gesucht werden. Verf. fand diesen Stützpunkt für die rechtskonvexe Skoliose an der linksseitigen konvexen Vorderfläcbe vom Pectoralis bis hinunter sum Hypochondrium. Es werden nun an einem verbesserten Becken- gerüst außer den Hessing’schen Armstützen 3 oder 4 Stahlmaste angebracht, welche Drillgummipelotten tragen, durch deren Anspannung die gewünschte Kom- pressionswirkung in diagonaler Richtung im Korsett erzielt wird, ohne dass sich letsteres verschiebt. Text und Abbildungen erläutern das Nähere.

Hoffa bezeichnet in einem Naohwort das Roth’sche Korsett ale großen Fortschritt, J. Riedinger (Würzburg).

36) W. Becker, Zur heilgymnastischen Behandlung der Skoliose: Zwei neue Pendelapparate. (Zeitschsift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.)

Nach dem Vorbild der Sohulthess’schen Pendelapparate hat Verf. zwei neue Pendelapparate konstruirt, ein >Detorsionspendel« und ein > Skoliosenpendel «, denen er die Vorzüge größerer Einfachheit und Billigkeit suerkennt. Die Her- stellung des Skoliosenpendels ist dem medicinischen Wasrenhaus übertragen.

J. Riedinger (Würzburg).

37) N. A. Iwanow. Ein Fall von Penisfraktur. (Wratsch 1901. No. 51.)

Die Ruptur der Schwellkörper im mittleren Drittel entstand auf nicht ganz gewöhnliche Weise: Pat. fühlte Libidinem coeundi zu seiner Frau, konnte sie aber nicht befriedigen, da er den Coitus für sündhaft hielt (der nächste Tag war ein Feiertag); daher schwenkte er den Penis hin und her, und bei einer dieser Bewegungen entstand die Ruptur. Volle Heilung nach 5 Wochen ohne Entstellung.

Gückel (Medwedowka, Kijew).

38) Young. A new combined electro-cautery incisor for the Bot- tini operation for prostata-obstruction. (Journ. of the amer. med. assoc. 1902. Januar.)

Das beschriebene und abgebildete Instrument ist im Wesentlichen das Freu- denberg’sche, doch hat Verf. es so eingerichtet, dass 4 auswechselbare Schneide- blätter von verschieden großer und starker Krümmung eingesetst werden können; auch hat er einen verbesserten Kontakt hergestellt, der das Heißwerden des ganzen Instruments verhindert. Die Nachtheile des Freudenberg’schen Incisors, die nach Verf. darin bestehen, dass für alle Operationen nur eine Krümmung von gleichbleibender Größe gebraucht wird, wodurch manchmal während des Anziehens beim Einschneiden ein Zurückschlüpfen in die Harnröhre vorkommt, sollen nament- lich durch die mehr rechtwinklige Krümmung vermieden werden. Für kleinere Hypertrophien hat Y. 2 kleinere, für sehr große einen 2,4 cm hohen Incisor. Das Instrument hat sich ihm in 8 ausführlich mitgetheilten Fällen sehr gut bewährt. Zum Schluss giebt Y. noch ein Verfahren an, auch bei kleinem, mehr oder weniger gestieltem Mittellappen die Bottini-Operation mit Erfolg zu verwenden. Die einfache Incision in der Mittellinie giebt keinen Erfolg, da sie durch Beiseite- drängen des Lappens stets an die Seite fällt. (Abbildungen.)

Y. macht desshalb an der Basis des Mittellappens je eine Incision nach hinten, medianwärtse konvergirend, und je einen seitlichen Schnitt senkrecht sur Mittel- linie. Beide stoßen im Winkel von etwa 120° zusammen. Durch diese Schnitte will er die suführenden Gefäße treffen. In 5 Fällen der Art, die von anderer Seite schon erfolglos mit den gewöhnlichen 4 Einschnitten behandelt waren, trat bei Anwendung seiner Methode schnelle und völlige Heilung ein.

Trapp (Bückeburg).

484 Centralblatt für Chirurgie. No. 17.

39) A. T. Bogsjewski. Zur Kasuistik der Dermoidgeschwülste der Harnblase. (Wratsch 1902. No. 5.)

33 Jahre alte Bauerefrau leidet seit 8 Jahren an Blasenkatarrh. Im Urin Eiter, Spuren von Eiweiß, harnsaurer Ammoniak, Harn- und Hippursäure, rothe Blut- körperchen und Blasenepithel; keine Cylinder. Beim Ausspülen entleerte die Blase 3 kleine Steinchen, später noch eins. Die Untersuchung zeigt eine harte Geschwulst am Blasengrund. Erweiterung der Harmröhre, Entfernung der an dünnem Stiel sitzenden Geschwulst mit dem Ecraseur von Maisonneuve. Glatte Heilung nach 9 Tagen. Die Neubildung wiegt 12 g, ist kugelförmig, die Ober- fläche sieht wie runslige Haut aus und ist mit spärliohen Haaren bedeckt, die am Ende kleine Steinchen tragen. Auf dem Durchschnitt sieht man, dass das Innere der Geschwulst aus Fettgewebe besteht; in der Nähe des Stiels findet sich ein 2 cm langer und !/g,cm dicker Knochen mit sahnförmigen Knochenbildungen sn beiden Enden; ein dritter Zahn findet sich daneben.

Aus der Litteratur kennt B. 2 sichere Fälle von Blasendermoid: von Thomp- son-Bryant und von Paget, Gückel (Medwedowka, Kijew).

40) A. T. Hobbs. Pelvic lesions in relation to their distinctive effects upon mental disturbances. (Buffalo med. journ. 1902. Februar.) `

Verf. fand bei der Untersuchung von 1000 weiblichen Geisteskranken, dass 25% derselben an Erkrankungen der Beckenorgane litten, welche eine chirurgische Behandlung erforderten. Nach 41 Operationen an den Adnexen kam die Geistes- störung, welche durchschnittlich seit 2 Jahren bestand, in 49% der Fälle zur Hei- lung, in 25% sur Besserung. 39% der Geistesstörungen waren hereditären Ur- sprungs. Nach 66 Operationen wegen abnormer Lage des Uterus (meist Verkürzung der Lig. rotunda): 42% Heilungen, 23% Besserungen der Geistesstörung, welche in 48% hereditär entstanden war. Dagegen trat nach 16 Operationen wegen bös- artiger und gutartiger Geschwülste der Genitalien nur in 12% Heilung, in 37% Besserung der Geisteskrankheit ein. Nach 60 Operationen wegen Erkrankung der Cervix 31% Heilungen, 23% Besserungen; nach 52 Ausschabungen des Uterus 48% Heilungen, 21% Besserungen; nach 18 Operationen am Damm 39% Heilungen, 17% Besserungen. Hiernach zeigten sich die besten Erfolge bezüglich der Heilung der Geistesstörungen bei Erkrankungen der Eierstöcke, demnächst der Gebärmutter, sodann der Scheide, am wenigsten bei Geschwülsten. Was die Art der Geistes- krankheiten anlangt, so waren die akuten Formen der chirurgischen Behandlung mehr zugänglich als die chronischen. Heilungsziffer für akute Manie 61%, Me- lancholie 58%, puerperale Geistesstörung 53%. Dagegen für chronische Melan- cholie 46%, Manie 25%.

Aus der Zahl der späteren Wiederaufnahmen von Geisteskranken in die An- stalt ergab sich, dass die durch Operation erzielten Heilungen größtentheils Dauer- heilungen waren. Verf. wendet sich ausdrücklich gegen den Vorwurf, dass seine Operationen, welche immer mit Zustimmung des nächsten Angehörigen und des Hausarztes gemacht wurden, oft unnöthig gewesen seien. Im Gegensatz zu den geschilderten Erfolgen traten bei sonstigen chirurgischen Maßnahmen an Geistes- kranken, welche nicht die Genitalien betrafen, s. B. bei 39 Bruchoperationen, keine Veränderungen im Geisteszustand ein. Mohr (Bielefeld).

41) Reichard. Funktionsherstellung durch Sehnenverpflanzung. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 7.) R. hat seit Februar 1901 43mal Sebnenverpflansungen vorgenommen, und swar 8 an der oberen Extremität, 3 am Oberschenkel, 32 am Unterschenkel. Es handelte sich bei 15 Operationen um cerebrale, bei 8 um spinale Kinderlähmung, bei 13 um Little’sche Krankheit, Imal um gewöhnliche Hemiplegie, 3mal um angeborene

Centralblatt für Chirurgie. No. 17. 485

Klumpfüße, 2mal um Klumpfuß durch Arthritis deformans, imal um rachitischen Plattfuß.

Folgender Fall wird genauer beschrieben:

18jähriger Pat.; im frühesten Kindesalter linksseitige cerebrale Lähmung, leichte spastische Klumpfußstellung. An der Hand spastische Kontraktions- zustände in den Sehnen und Muskeln, die ihn als Schneider sehr störten. Der Daumen, insbesondere das Endglied, kann nicht gebeugt werden, weil sich ein hochgradiger Kontraktionskrampf des Extensor pollieis einstellt. Operation: Frei- legung der Sehne des Extensor pollicis longus, Abtrennung der aponeurotischen Insertion; ein genügend langes Stück wird herausgelagert, Wunde geschlossen. Schnitt an der Beugeseite der 1. Phalanx, Eröffnung der Sehnenscheide des Flexor pollicis longus, Freilegung der Sehne. Mit Kornsange wird unter der Haut die Extensorsehne nach der Beugeseite hin durchgezogen und mit mehreren Nähten fest an die Flexorsehne genäht. Schluss der Hautwunde. Verband in leichter Beugestellung des Daumens, Gipsverband blieb 4 Wochen liegen. Erfolg: Pat. kann jetzt den Daumen kräftig beugen, Spitzen des Daumens und Zeigefingers können an einander gebracht werden. Streckung gut möglich.

Langemak (Rostock).

42) Matas. Traumatic arterio-venous aneurysms of the subclavian vessels. (Journ. of the amer. med. assoc. 1902. No. 2—5.)

Die sehr umfangreiche, fast eine Monographie su nennende Arbeit, in der allerdings der von ihm selbst glücklich operirte Fall, bis ins Geringste genau ge- schildert, den größten Raum einnimmt, bietet viel Interessantes. Gerade der selbstbeobachtete Fall ist vom anatomischen und chirurgischen Standpunkt aus besonders beachtenswerth. Ein sehr kräftiger, 24jähriger Farmer erhielt ge- legentlich einer Rauferei von seinem unter ihm liegenden Gegner, der die Mün- dung der Waffe unmittelbar auf die Brust des Gegners setzte, einen Revolver- schuss (Kaliber 38) in die rechte Schlüsselbeingegend. Unmittelbar nach dem Schuss sank der rechte Arm schlaff herab. 40 Minuten später wurde ein Noth- verband an die stark blutende Wunde angelegt, nachdem festgestellt war, dass das Geschoss unmittelbar unter dem Schlüsselbein hingegangen war, ohne dieses zu verletzen und dem Einschuss gegenüber am vorderen Trapesius unter der Haut saß. Schon gleich nach der Verletzung hatte eine Schwellung begonnen, die sich vom rechten Unterkieferwinkel bis auf die Schulter und von der 2. Rippe bis zur Schulterblattgegend erstreckte; in derselben war schon 2 Stunden nach der Ver- letzung ein scharfes Schwirren fühl- und hörbar, während der Radialpuls gleich nach der Verletzung fehlte. In den nächsten Stunden nach der Verletzung, wäh- rend deren Transport zum Arzt und zurück über Land stattgefunden hatte, traten, ohne äußeren Blutverlust, Idie Zeichen der Verblutung ein, so dass Pat. bis 16 Stunden nach der Verletzung moribund erschien; 5 Tage später kam er in des Verf. Behandlung. Er war noch stark anämisch, ein großes, verfärbtes, pulsirendes Extravasat befand sich in der rechten Schultergegend. Die Jugular- und Arm- venen stark geschwollen und die erstere pulsirte stark. Ein lautes Schwirren über der ganzen Schultergegend, besonders deutlich über allen Venen bis zur Hand und über der Mitte des Schlüsselbeins hörbar. Der rechte Arm war fast völlig moto- risch und sensibel gelähmt. Die Diagnose wurde auf arteriell-venöses Aneurysma der Schlüsselbeingefäße gestellt. Die Operation dauerte 5 Stunden. Zunächst Bildung eines nach oben gestielten Haut-Muskellappens mit dem im äußeren Drittel durehtrennten nnd vom Brustbein ausgelösten Schlüsselbein. Dann Frei- legung der angeschwollenen und pulsirenden Venen, die große Schwierigkeiten bot durch das alte Extravanat, die starke Schwellung und völlige Verwischung der normalen anatomischen Verhältnisse. Selbst die Sehne des Scalenus anticus konnte nicht gefunden werden. Bemerkenswerth war die Enge der Vena axillaris im Ver- gleich zur Subclavia. Weiter Aufsuchung des Truncus anonymus zum vorläufigen Anschlingen, Dabei stellte sich sein Fehlen heraus. Die Subelavia ging allein

486 Centralblatt für Chirurgie. No. 17.

aus dem Aortenbogen hervor, die Carotis communis fehlte vollständig, sie kam hinter der Trachea her und erreichte die Oberfläche in Höhe der Schilddrüse. Bis dahin war unter lokaler Anästhesie, weiterhin unter halber Chloroformnarkose operirt. Der Versuch, das laterale Drittel der Subblavia zu finden, misslang wegen des Extravasats, die Vene riss von der Verwachsungsstelle mit der Arterie ab. Heftige Blutung aus den Kollateralen, Unterbindung der Arterienstümpfe, seit- liche Naht der Vene. Die Verbindung zwischen Arterie und Vene ging durch den Scalenus anticus, der von dem Geschoss durchschlagen war. Der Muskel musste theilweise abgelöst werden. Nun Rücklagerung des Lappens unter Aus lösung des Schlüsselbeins und Entfernung des Geschosses. Nach Erholung des Operirten von der tiefen Erschöpfung heilte die Operationswunde per primam; Daumen und Kleinfinger nebst einem Theil der Vorderarmmuskeln und -Knochen wurden durch Ischämie nekrotisch und gaben Veranlassung zu mehreren Nach- operationen, s. B. Entfernung der nekrotischen Ulna, und sehr langwierigem Krankheitsverlauf. Der Arm blieb oberhalb des Ellbogens stark paretisch, unter- halb völlig gelähmt und anästhetisch. M. glaubt den theilweiser Ausführung der Operation unter lokaler Anästhesie zuschieben zu müssen, dass der Operirte sie überstanden hat,

18 Fälle aus der Litteratur führt er an, seinen eigenen einbegriffen. 17 Fälle sind in tabellarischer Übersicht zusammengestellt. 6 davon sind durch Schuss, 8 durch Stich, 1 durch Hieb, 2 durch einfache Schlüsselbeinfraktur entstanden. Die benutzte Litteratur ist ausführlich angegeben. Trapp (Büokeburg).

43) B. Lamm. Über die Kombination von angeborenem Hochstand des Schulterblattes mit muskulärem Schiefhals. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hit. 1.)

Die Kombination, welche in der Joachimsthal’schen Poliklinik beobachtet wurde, fand eich bei einem 53/, Jahre alten, sonst gesunden Mädchen auf der linken Körperseite. Eine Therapie konnte nicht eingeleitet werden. An die Mit- theilung des Falles schließt sich ein kurzes Referat über die bisherige Litteratur.

J. Riedinger (Würsburg).

44) P. Redard. Die Endresultate der unblutigen Behandlung der angeborenen Hüftluxation. (Deutsch von Simon.) (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.)

Verf. berichtet über 43 Fälle einseitiger und 7 Fälle doppelseitiger Verrenkung. Unter den 43 einseitigen wurde 14mal eine wirkliche anatomische Reposition er- reicht, 26mal eine Transposition, in 3 Fällen trat Reluxstion ein. In 2 Fällen wurde später die letztere in Transposition verwandelt. Unter den 7 Fällen doppel- seitiger Verrenkung wurde in 2 Fällen Reposition, in einem Falle Reposition auf der einen, Transposition auf der anderen Seite, in den übrigen Fällen Transposi- tion erzielt. Das günstigste Alter liegt zwischen dem 2. und 7. Lebensjahre. Die Statistik weist keinen Unglücksfall auf. Das funktionelle Resultat war größten- theils auch bei den Transpositionen ein gutes. Nur ausnahmsweise wendet R. vor der Operation einen instrumentellen Zug an, dagegen ist er entschieden Anhänger einer vorbereitenden Extension mit Gewichten von 4—6 kg bei älteren Kindern. Die Verbände werden längstens nach 2 Monaten gewechselt. Meist genügen swei Verbände. Die Fixation soll sicher sein, damit die Kinder herumgehen können, sobald es ihnen möglich ist. J. Riedinger (Würzburg).

45) F. Krause. Ersatz des gelähmten Quadriceps femoris durch die Flexoren des Unterschenkels. (Deutsche med. Wochenschrift 1901. No. 7 u. 8.) Bei einem 1öjährigen Knaben stand in Folge vollkommener Lähmung des Quadriceps das Knie in starker Flexion. Es wurden der Biceps, der Semitendi- nosus, Semimembranosus und Gracilis durch hoch oben im Vastus externus resp.

Centralblatt für Chirurgie. No. 17. 487

internus angelegte Schlitze nach vorn verlagert. Um das starke Übergewicht des Biceps zu paralysiren und somit eine spätere Valgusstellung zu verhüten, wurde den Muskeln an der Innenseite noch der Sartorius beigesellt und ebenfalls mit an der Kniescheibe befestigt. Die Vernähung musste an der Kniescheibe er- folgen, da die Quadricepssehne einen geeigneten Halt zur Fixation nicht bot. Der Erfolg war ein ausgeseichneter. Auch die früher sehr kleine Kniescheibe nahm an Stärke und Größe zu. Borchard (Posen).

46) A. Brintet. Traitement de la rupture du ligament rotulien. (Gas. des hôpitaux 1902. No. 18.)

Ein 16jähriges Mädchen gleitet beim Tennisspiel aus und stürzt. Verrenkung der rechten Kniescheibe nach außen; Reposition gelingt; bei der ersten Bewegung Reluxation und totale Zerreißung des Lig. patellae. Anlegung eines die Knie- scheibe herunterziehenden Verbandes. 4><24 Stunden darauf Massage des Ober- schenkels und der Umgebung der Patella. Nach 15 Tagen außer Massage auch Bewegung im Kniegelenk. 3 Wochen nach dem Vorfall steigt Pat. mühelos Treppen, nach 2 Monaten Restitutio ad integrum.

B. tritt energisch ein für möglichst frühzeitige Massage und Bewegung bei Riss des Lig. patellae. Die Heilung erfolgt schneller und das;jResultat ist besser.

V. E. Mertens (Breslau).

47) Wanscher. Behandling af Varicer og Ulcus cruris med Resection of Bulbus Vena saphena magna. (Ugeskrift for Lägevid. 1901. No. 48.)

Verf. empfiehlt sehr, Varicen und Beingeschwüre mit Trendelenburg’s Operation zu behandeln; statt Unterbindung verwendet er die Resektion des Bulbus venae saphenae magnae, um sicher alle Äste mitzunehmen. Er legt großes Gewicht auf dieses Verfahren, dem er die guten Resultate der Operation zuschreibt. Denn er hat 47 Fälle auf diese Weise behandelt und davon 45 geheilt. In einem Falle trat keine Besserung ein, vermeintlich wegen Insufficienz der Klappen der Vena femoralis. 1 Pat. ist an Pyämie gestorben, vielleieht vom Geschwür aus, da die Operationswunde ohne Reaktion und V. femoralis nicht thrombosirt war.

Schaldemose (Kopenhagen).

48) G. Teichmann. Über Hallux varus. (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. X. Hft. 1.)

Verf. berichtet aus der v. Mikulicz’schen Klinik über 3 Fälle von isolirtem angeborenem Hallux varus. Derartige Fälle scheinen bis jetzt noch nicht be- schrieben worden zu sein. In den vorliegenden Fällen handelt es sich um männ- liche Individuen. Bei einem Pat. wurde die Osteotomie der Grundphalanx beider großer Zehen und die Durchtrennung der spannenden Weichtheile vorgenommen, worauf die Zehen in Normalstellung fixirt wurden. Pat. war mit dem Erfolg der Operation sehr zufrieden. Im 2. Falle mussten beide großen Zehen exartikulirt werden.

Pathologische Anatomie und Ätiologie des Leidens werden mit Hilfe der Lit- teratur näher erörtert. J. Riedinger (Würzburg).

49) F. Durst. Über Achillodynie. (Liecnicki viestnik 1902. No. 2. [Kroatisch.))

Das 18jährige Bauernmädchen hat im August 1900 bei Regen im Feld ge- arbeitet und dann durch Wasser und Schlamm nach Hause waten müssen. Am nächsten Tage konnte sie wegen starker Schmerzen in der rechten Ferse nicht auftreten; bald bemerkte sie dort eine Schwellung. Nach einem Monat gleiche Schmerzen auch an der linken Ferse, wo sich auch eine Schwellung bildete; zur gleichen Zeit schwoll unter großen Schmerzen auch das rechte Knie an. Die Schwellungen an den Fersen verhärteten sich, seit ca. 2 Monaten sind sie stationär:

488 Centralblatt für Chirurgie. No. 17.

Pat. hat beim Gehen Schmerzen in der Schwellung, außerdem beim Auftreten schneidende Schmerzen an der plantaren Seite der Ferse. 3 Monate vor der Er- krankung bekam sie Scheidenausfluss. Sonst war sie immer gesund.

Bei der Aufnahme in Wickerhauser’s Abtheilung fanden sich an beiden Füßen unter der Achillessehne eigroße Schwellungen, welche beiderseits von der Sehne hervorragten, knocbenhart und unbeweglich mit dem Calcaneus verbunden waren. Die Achillessehne sog bogenförmig über die druckempfindliche Schwellung hin; die Haut darüber unverändert. 2 Querfinger vor dem hinteren Ende der Fußsohle eine umschriebene, auf Druck sehr empfindliche Stelle. Die Beweglich- keit des Fußes in allen Gelenken normal.

Die Röntgenphotographien zeigen gans symmetrisch an der Hinterfläche des Tuber caloanei Hyperostosen, die sich von der Insertion der Achillessehne über seine ganze Hinterfläche erstrecken und sogar noch etwa 1 cm weit auch auf die dorsale Fläche übergreifen. Die Auflagerung ist nicht so kompakt wie der Cal- caneus selbst, vielmehr sind dünnere und dickere durch einander gefßochtene Knochenfächer zu sehen; die Oberfläche ist meistens uneben. Die Hyperostose am linken Fuß ist größer. An der plantaren Fläche des Calcaneus, beiläufig vor der Insertion des M. flexor. digitor. commun. brevis auf beiden Füßen je eine symmetrische Hyperostose, am rechten Fuß doppelt so groß wie am linken, wo sie erbsengroß ist. Im Vaginalsekret können Gonokokken nicht sicher nach- gewiesen werden.

Die Kranke erzählt, in ibrem Dorf leide ein Mann, der sehr viel im Wasser arbeitet, an derselben Krankheit.

D. fasst die Erkrankung als rheumatisch auf; Gonorrhoe lässt sich zwar nicht sicher ausschließen, sur Zeit ist aber kein sicherer objektiver Befund vorhanden.

Die Therapie war operativ. Verf. ging von einem Einschnitt an der lateralen Seite der Achillessehne ein, löste diese mit dem Periost vom Knochen und ent- fernte mit dem Meißel die halbnussgroße Knochenerbebung und excidirte dann den Rest der Bursa subachillea, die nur im oberen Theil erhalten, im unteren dagegen in ein festes fibröses Gewebe verwandelt war, durch das die Sehne fest an den Knochen angewachsen war. Von einem sagittalen Schnitt an der Sohle wurde die vergrößerte und entzündete Bursa subcutanea calcanei exstirpirt, die Exostose an der Unterfläche des Calcaneus theilweise mit dem Meißel, theilweise mit dem scharfen Löffel entfernt. Tamponade der Wunden.

Normaler Verlauf. Bei der Entlassung keine Schmerzen; guter, sicherer Gang. Das Skiagramm zeigt die Unterfläche des Calcaneus ganz glatt und eben, die Hinterfläche fiach, rechts sogar mit einer kleinen Delle im Knochen.

Y. Cačković (Agram).

50) Sick. Dehnung des Nervus tibialis bei Mal perforant nach Chipault. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 6.)

Verf. hat das Verfahren in 7 Fällen angewandt. Die Behandlung bestand in den üblichen Maßnahmen, also Reinigen und Ausschaben des Gesohwürs, Abtragen nekrotischer Reste und dann in einer kräftigen Dehnung des am inneren Knöchel freigelegten Nerv. tibialis, dicht vor der Theilung. Die Dehnung geschah sowohl peripher wie centralwärts.

Wenn man auch bei der Kürze der Beobachtungszeit, 10—12 Monate, nicht von einer Dauerheilung sprechen kann, so trat doch bei den mit Nervendehnung behandelten Fällen eine so rasche Heilung ein, dass wohl an dem günstigen Ein- fiuss des Verfahrens kein Zweifel ist. Borehard (Posen).

Originalmittheilungen, Monographien und Separsatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.

Br rm Pr bg EEE) Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Gentralblatt CHIRURGIE

herausgegeben

R m Bam, RK, Rider,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

—————— yy -ĂŘĪĎķþyÜ a a Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 18. Sonnabend, den 3. Mai. 1902.

Inhalt: Kosienko, Zur Frage von der Resektion der Leber mittels eines neuen blut- stillenden resecirenden Instruments (Dampfsäge). (Original-Mittheilung.)

1) Stolz, Gasphlegmone. 2) Laqueur, Chloroformtod. 3) Pichler, Bauchdecken- narbe. 4) Exner, Fremdkörper im Verdauungskanal. 5) Gilford, Nachbehandlung von Magenoperationen. 6) v. Mieczkowsky, Zur Desinfektion des Dünndarms. 7) Trenck, Darmvereinigung. 8) Tavel, Afterfisieln. 9) Mixter, Zur Gallenblasenchirurgie.

10) Ssegalow, Mediastiusigeschwülste. 11) Dieterichs, Nenbildungen der Mammilla. 12 Spiegel, Künstliche Speiseröhre. 13) Fenner, Bauchwunden. 14) Riegner, Darmzerreißung durch Hufschlag, 15) Heuston, Darmperforation im Typhus. 16) Pagenstecher, Asrites chylosus. 17) Sheild, Einführung von Abführmitteln bei Peritonitis. 18) Rothe, Brucheinklemmung. 19) Rothe, Brandiger Nabelschnurbruch. 20) Muus, Gastroptose. 21) Thomsen, 22) Kaupe, Magengeschwür. 23) Rovsing, Totalexstirpation des Magens. 24) Schwarz, 256) Frank, Gastroenterostomie. 26) Lilienfeld, Angeborene Darmmissbildung. 27) Denecke, 23) Walnwright, Meckel- sches Divertikel. 29) Denecke, Soordiverticulitis. 30) Wolfram, Duodenslsarkom. 31) Blayney, Dünndarmresektion. 32) Schlemann, Volvulus coeci. 33) Iwanowski, 34) Kalabuchow ınd Ssawwin, 36) Jakowlewa, 36) Feinberg, 37) Medem, 38) Shukowskl, Ileus. 39) Koslowski, Vaginale Dickdarmoperationen. 40) Langemak, Blinddarm- geschwülste. 41) Maylard, Thrombose der Mesenterlalvenen. 4?) Talke, Hämor- rhoiden. 43) Rovsing, 44) Binder, 45) Scheuer, A6) Walsham, 47) König, Gallen- steine. 48) Hühn und Joanovic, Leberechinokokken. 49) Juras, Krebsb--handlung. 50) Malinowski, Orthoformvergiftung. 51) Abadle, Dermatolyse. 52) Perassl, Operationserfolge.

Zur Frage von der Resektion der Leber mittels eines neuen blutstillenden resecirenden Instruments (Dampf-

säge von Frof, Sneguirew). Von Dr. Koslenko in Moskau.

Da ich in der letzten Zeit mit der Anwendung des Dampfes hauptsächlich bei weiblichen Erkrankungen beschäftigt war, so habe ich mich entschlossen, dem Rath des Prof. Sneguirew folgend, die resecirende und blutstillende Wirkung der nach seiner Idee kon- struirten Dampfsäge bei den Operationen an der Leber auszuprobiren. Die bis jetzt gebräuchlichen und zum Blutstillen mittels des Dampfes

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dienenden Instrumente, welche mit röhrenförmigen Ansätzen versehen sind, haben manche Unbequemlichkeiten:

1) Der Dampf strömt aus der Röhre unter einem gewissen Drucke und reißt von der schon verbrühten Oberfläche kleine Par- tikelchen des parenchymatösen Gewebes los; dadurch wird die Blu- tung unterhalten.

2) Wir müssen zuerst das parenchymatöse Organ reseciren und dann erst zum Blutstillen den Dampf auf die blutende Oberfläche dirigiren, was komplicirt ist und die Operation verlängert. Der Kranke verliert mehr Blut, und ein Assistent ist mit dem Dirigiren des Dampfes beschäftigt.

3) Der Dampf verbrüht, aus den röhrenförmigen Ansätzen strömend, auch die benachbarten Bezirke des parenchymatösen Organs.

Die von Sneguirew konstruirte Dampfsäge stellt eine mittel- große vom Handgriff bis zum Ende hohle Säge dar. Der Handgriff steht mit dem Kessel des Instruments mittels einer zur Leitung des Dampfes dienenden Gummiröhre in Verbindung; zwischen den Zähnen der Säge befinden sich kleine Öffnungen, aus welchen der Dampf nach außen ausströmen kann. Bei der Anwendung der Säge ist es nothwendig, die Bewegungen sehr langsam zu machen, damit der ausströmende Dampf im Stande ist, auf die wunde Stelle blut- stillend zu wirken. So gehen die beiden Funktionen nämlich die Durchtrennung des Gewebes und das Blutstillen gleichen Schritt; der Dampf strömt dabei in die durch die Resektion gesetzte Furche jenseits oder diesseits ab, ohne dabei die Hände des das Organ fixirenden Assistenten zu verbrühen.

Zum Vergleich mögen andere Methoden und Resultate Er- wähnung finden, welche verschiedene Autoren zur Blutstillung bei Operationen an parenchymatösen Organen verwendet haben. Die erste Leberresektion, so viel ich weiß, hat 1887 Langenbuch ge macht. In seiner ÖOperationsbeschreibung erwähnt er, die ganze Schwierigkeit solcher Operationen bestehe darin, dass unsere blut- stillenden Mittel unzureichend seien; am Schlusse der Mittheilung giebt er den ganzen Plan der Operation.

1) Um ein möglichst großes Operationsfeld zu bekommen, sind auch die Ligamente der Leber durchzuschneiden. 2) Um die Leber blutarm zu machen, sind die Aa. mesent. superior und inferior zu unter- binden. 3) Den zu entfernenden Bezirk muss man mit Esmarch- schem Schlauch unterbinden. 4) An der wunden Fläche sistirt man die Blutung mit dem Thermokauter, Nähten, der Tamponade und anderen noch zu Gebote stehenden Mitteln.

Die Anlegung der Massenligatur bei Operationen an der Leber ist auch von anderen Chirurgen (Israel, Küster) verwendet worden, aber nicht mit ermuthigendem Resultat, da der elastische Schlauch nicht im Stande ist, die Lumina der Gefäße zum vollen Schwinden zu bringen, so dass sekundäre Blutung zu befürchten ist. Wenn wir aber die Ligatur en masse anlegen, nicht mit dem Zwecke, die

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Leber zeitweise blutarm zu machen, sondern sie auch nach der Re- sektion belassen, dann treten neue Unbequemlichkeiten auf: 1) man muss die Wundbehandlung extraperitoneal führen und 2) von Zeit zu Zeit den Schlauch enger ziehen. Manche Chirurgen unterbinden die blutenden Gefäße während der Operation selbst, aber nicht immer gelang es ihnen (Kocher), mit Pincette gefasste Gefäße zu unterbinden.

König, Krause u. A. haben mit gutem Resultat bei der Entfernung der Cysten aus der Leber Nähte auf die Wundränder angelegt, dabei auch die Glisson’sche Kapsel mitfassend.

Die Tamponade der Wunde bei Operationen an der Leber zum Zweck der Blutstillung wurde vielfach verwendet (Hochenegg, Ziegler u. A.); dabei wurde der Tampon selbst durch komprimirende Nähte befestigt. In einem Falle solcher Tamponade verlor Ziegler einen Pat. in Folge Luftembolie, die wahrscheinlich durch die Leber- venen zu Stande gekommen war. Sneguirew hat die Leberwunde mit Naht tamponirt, Segur hat auf die Wundränder Klemmen an- gelegt und dieselben liegen lassen.

Der von einigen Autoren empfohlene Thermokauter eignet sich nicht besonders zum Blutstillen, da der Schorf sich früher losreißt, als sich feste Granulationen gebildet haben. Holländer, Abra- mowicz haben bei Thierversuchen heiße Luft zum Blutstillen an den parenchymatösen Organen, hauptsächlich der Leber, verwendet; zwar hat sich gezeigt, dass die Blutung thatsächlich bald aufhört, aber der entstehende Schorf sitzt sehr oberflächlich und fällt früh- zeitig ab.

Meine in dem Moskauer Institut für allgemeine Pathologie ausgeführten Thierversuche über Blutstillung an parenchymatösen Organen mittels der Sneguirew’schen Dampfsäge haben Folgen- des ergeben:

I. Versuch. In Chloroformnarkose wird am Hunde durch einen medianen, parallel dem Rippenbogen nach rechts verlängerten Schnitt die Leber freigelegt, der linke Leberlappen hervorgelagert, dann aus dem Gummirohre, das die Säge mit dem Kessel verbindet, durch den durchströmenden Dampf das Kondensationswasser entfernt und nun zur Resektion der Leber geschritten. Bei den ersten Bewe- gungen der Säge erfolgte Blutung, die aber bald aufhörte, während die Wundränder sich braunröthlich färbten. Das resecirte Stück war 8 cm breit und 10 cm lang. Ich wartete dann einige Minuten, aber keine Blutung war zu sehen; der Schorf war feucht und saß sehr fest.

II. Versuch. Hier wurde der rechte Leberlappen herausge- nommen und von seiner Oberfläche ein Stück von 12 cm Länge und 8 cm Breite abgeschnitten. Die kleine Blutung bei der ersten Sägebewegung wurde bald durch die Dampfwirkung gestillt. Auch hier keine sekundäre Blutung aus der zurückgelagerten mit dem Dia-

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phragma sich mitbewegenden Leber. In Fällen, wo ich den ganzen Lappen abgetrennt habe und Gefäßlumina vom Durchmesser mittlerer Gänsefedern durchtrennt wurden, aus denen die Blutung nicht sofort stand, dirigirte ich'’den Dampf direkt aus der Gummiröhre auf die blutenden Gefäße und erzielte immer prompte Wirkung.

III. Versuch. Aus der Wunde wurde der größte, rechte, Leber- lappen herausgenommen und mittels der Sneguirew’schen Dampf- säge abgeschnitten; dabei durchtrennte ich eine gänsefederdicke Arterie. Die parenchymatöse Blutung hatte vollkommen aufgehört, die Arterie aber blutete ziemlich stark; sie habe ich unterbunden und die Ligatur außerdem in den entstandenen Schorf eingenäht. So gelang es, die Blutung zu sistiren, während das Einnähen eines blutenden Gefäßes in das gesunde Lebergewebe, wie ich mich über- zeugt habe, nicht leicht ist, weil die Nähte durchschneiden. Nach solchen Operationen waren die Hunde munter, fraßen gern und die Temperatur blieb normal. Am 10. Tage wurden die Nähte entfernt; Prima intentio. Als nach einer Woche der Hund wieder laparoto- mirt wurde, zeigte sich die resecirte Leber theilweise mit dem Magen, theilweise mit dem Diaphragma locker verwachsen; bei dem zweiten und dritten Versuchshunde war sie mit den benachbarten Organen so fest verwachsen, dass es unmöglich war, sie loszutrennen. Die Leber selbst habe ich 1) gleich nach der Verbrühung, 2) am 17. Tage, und 3) am 31. Tage nach der Operation untersucht.

Im 1. Falle stellt die verbrühte Oberfläche einen graurothen, ca. 0,28 cm dicken Schorf dar, unter welchem das Lebergewebe stark hyperämisch ist, keine Blutgefäße thrombosirt erscheinen; in weiterer Entfernung nimmt das Gewebe allmählich normales Aus- sehen an.

Im 2. Falle finden wir kleinzellige Infiltration an der Stelle, wo die Leber mit dem Diaphragma verwachsen war; reichliche Binde- gewebsbildung an Stelle des Schorfes und in einer Entfernung von demselben normale Struktur.

Im 3. Falle befindet sich an Stelle des Schorfes Bindegewebe, etwas tiefer kleinzellige Infiltration, dann das normale Gewebe.

Resultat: Die Dampfsäge ist ein Instrument, mit dessen Hilfe wir die Leber ohne Gefahr größerer Blutung in beliebiger Richtung reseciren können. Falls wir größeren Gefäßen begegnen, so können wir die Blutung unterbrechen, indem wir entweder den Dampf aus der Gummiröhre auf das blutende Gefäß dirigiren oder das Gefäß unterbinden (im Schorfe schneiden die Nähte nicht durch).

Es gab keine sekundäre Blutung nach der Resektion, und die Leberwunde heilte per granulationem mit nachheriger, reichlicher Entwicklung von Bindegewebe. Es lässt sich hoffen, dass der Dampf auch in der Chirurgie der parenchymatösen Organe als ein sicheres Blutstillungsmittel breite Anwendung finden wird, wie er sie schon in der Gynäkologie gefunden hat.

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1) A. Stolz. Die Gasphlegmone des Menschen. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXID. Hft. 1.)

Nach Verf.’s äußerst exakten Untersuchungen spielt in der Ätio- logie der Gasphlegmonen ein anaerober, unbeweglicher Buttersäure- bacillus, der Gasbacillus Welsch-Fraenkel’s, die Hauptrolle. In seltenen Fällen ist statt dieses Erregers ein anaerober, beweglicher, dem anderen nahe verwandter Buttersäurebacillus beobachtet worden (Wicklein und Verf). Ob der Bacillus des malignen Ödems bei Gasphlegmonen des Menschen überhaupt noch in Betracht kommt, ist fraglich. Von den aeroben Bacillen können der Proteus vulgaris Hauseri, die Coli- und Paracolibacillen Gasphlegmonen verursachen; und zwar konnte erwiesen werden, dass die Fähigkeit der beiden letzteren, Gasinfektionen zu erzeugen, nicht an bestehenden Diabetes gebunden ist. Berücksichtigt werden müssen des weiteren auch noch die in den Einzelbeobachtungen von Levy, so wie von Legros und Lec£ne gefundenen Gasbacillen. Honsell (Tübingen).

2) Laqueur. Über Chloroformtod durch Herzlähmung. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 6.)

Verf. verlor einen 14jährigen Knaben vor Beginn der Operation in Chloroformnarkose. Bei der Obduktion fand sich eine Hyper- plasie der Thymusdrüse, Hypertrophie der Balgdrüsen des Zungen- grundes, starke Vergrößerung der Milz. Indem Verf. auf die von Kundrat veröffentlichten Befunde von vergrößerter Thymus bei Chloroformtod hinweist, glaubt er Kinder und jugendliche Indivi- duen mit vergrößerter Thymus von einer allgemeinen Narkose aus- schließen zu müssen. Da aber eine Vergrößerung des Organs nicht nachweisbar ist, so weist er auf die Bedeutung des indirekten Sym- ptoms, nämlich die die Vergrößerung der Thymus fast immer be- gleitende Hypertrophie der Balgdrüsen des Zungengrundes, hin. Man kann hieraus um so eher auf eine Vergrößerung der Thymus schließen, wenn gleichzeitig die übrigen Gebilde des Iymphatischen Rachenrings, die Mandeln, die Follikel der hinteren Rachenwand

und die Rachenmandel, hypertrophirt sind und die Milz vergrößert ist. Borchard (Posen).

3) R. Pichler. Die Festigkeit der Bauchdeckennarbe nach

Laparotomien. (Beiträge zur klin. Chir. Bd. XXXIII. Hft. 1.)

P.’s Untersuchungen über die Festigkeit der Bauchdeckennarbe beziehen sich auf das Laparotomiematerial der v. Mikulicz’schen Klinik. Bei medianen Bauchschnitten wurde das Bauchfell, die Fascia transversa, der innere Rectusrand und die vordere Rectus- scheide durch eine Anzahl Knopfnähte (neuerdings Silkworm) ver- einigt, darüber eine fortlaufende, event. eine intrakutane Hautnaht

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gelegt. Unter schwierigen Verhältnissen so wie bei schrägen Bauch- schnitten wurde hierzu noch eine isolirte Katgutnaht des Bauch- fells gefügt. Narbenbrüche sind speciell unter den medianen Bauch- schnitten, die vollkommen geschlossen worden waren, nur in 9,3% zur Beobachtung gekommen. Eine besondere Aufmerksamkeit hat Verf. denjenigen Fällen zugewandt, in welchem die Bauchhöhle nicht primär völlig vernäht, sondern mit dem Mikulicz’schen Gazebeutel- tampon drainirt worden war. Es ergab sich, dass solche drainirte Laparotomiewunden an und für sich noch keine ungünstige Prognose bezüglich der Narbenfestigkeit geben. Diese war vielmehr in der Hauptsache davon abhängig, ob das Operationsterrain primär ent- zündet war oder nicht. Prophylaktisch tamponirte Fälle zeigten nur zu einem Drittel, die wegen Abscedirung oder Behufs Verödung eines cystischen Hohlraums tamponirten zu mindestens zwei Dritteln späterhin Brüche. Der verhältnismäßig ausgedehnte Gebrauch, der in der v. Mikulicz’schen Klinik von der Drainage des Bauchfells gemacht wird, ist daher durchaus berechtigt, denn gerade solche Fälle, bei denen man im Zweifel sein konnte, ob drainirt oder ob primär geschlossen werden soll, gaben bezüglich der Narbenfestigkeit die besten Resultate, Honsell (Tübingen).

4) A. Exner. Wie schützt sich der Verdauungstrakt vor Verletzungen durch spitze Fremdkörper? (Pflüger’s Archiv Bd. LXXXIX.)

E. fasst das Resultat seiner interessanten Versuche selbst in folgende Worte zusammen: »Berührt man die Schleimhaut des Magens oder Dünndarms bei Hunden und Katzen wiederholt an derselben Stelle mit einer Nadel, so bilden sich anämische Stellen und Ein- ziehungen der Schleimhaut am Ort der mechanischen Reizung. Diese Erscheinungen beruhen auf Kontraktion der Muscularis mucosae, verstärkt im Magen und Darm durch Kontraktion der zwischen die Drüsen aufsteigenden Muskelbündel, im Dünndarm noch durch Kon- traktion der Zottenmuskulatur. Bei Thieren, denen Glassplitter in den Magen und Darm gebracht wurden, finden sich diese in so ge- bildeten Buchten der Schleimhaut. Magen und Darm der Thiere pflegen Stecknadeln, die mit dem spitzen Ende voraus eingeführt wurden, umzudrehen, so dass die Nadeln mit dem stumpfen Ende voraus, also ohne schädigende Wirkung, durch den Verdauungstrakt wandern.«

Da E. die erwähnten Schleimhauteinziehungen auch am frisch getödteten Thier noch nachweisen konnte, so ergiebt sich daraus, dass diese reflektorischen Veränderungen nicht vom Centralnerven- system abhängen, sondern von den Ganglien des Darms oder Magens selbst. Diese Dellenbildung macht den wesentlichsten Schutz der Schleimhaut vor Verletzungen aus. Zur Bildung der anämischen Stellen dürfte neben dem hauptsächlichsten Einfluss der Muscularis mucosae auch eine aktive Kontraktion der Gefäße eine Rolle spielen.

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Jedenfalls ist die nach mechanischen Reizungen sich einstellende lokale Anämie zur Verhinderung profuser Blutungen von größter Wichtigkeit. Die Erscheinung, dass der größte Theil der in den Magen eingeführten Nadeln mit dem Kopf analwärts gestellt wird, erklärt E. bei flüssigem Koth durch die größere Geschwindigkeit der Fortbewegung des Darminhalts in der Mitte des Darmrohrs. Kommen die Spitzen an die Darmwand, wobei letztere durch die erwähnte Dellenbildung und außerdem durch den abgesonderten Schleim vor Verletzungen meist geschützt wird, so wird der Steck- nadelkopf von dem schnelleren Flüssigkeitsstrom erfasst und so die Nadel mit dem Kopf nach vorn fortbewegt. Bei hartem Koth wird an der Stelle der Delle, die sich bei Berührung der Stecknadelspitze in der Schleimhaut bildet, auf die Kothmassen ein geringerer Druck ausgeübt, als an anderen Stellen, von denen aus der Koth schneller vorwärts getrieben wird. So bleibt auch hier die Spitze zurück. Als drittes Moment betheiligen sich partielle Einschnürungen der Darmwand, die häufig ober- und unterhalb gereizter Stellen auf- treten. Auch diese setzen dem schnellen Fortschieben des Koths einen lokalen Widerstand entgegen. Es bleiben also wieder die Koththeile, die die Spitze der Nadel enthalten, zurück. So erklärt es sich, dass »Glasscherben und Stecknadeln als recht unschädliche Eindringlinge zu betrachten sind«. E. Moser (Zittau).

5) H. Gilford. After-care of cases which have been ope- rated upon for perforation of the stomach. (Brit. med. journ. 1901. November 16.)

G. erklärt sich mit der Nachbehandlung von Magenoperationen, wie dieselbe vielfach geübt wird, nicht einverstanden. Drei Punkte erscheinen besonders wichtig: Nahrung, Lagerung des Kranken und die Anwendung von Abführmitteln.. Nach schweren Operationen oder wenn der Magen die Aufnahme von Flüssigkeit nicht gut er-. tragen wird, begnügt sich G. am ersten Tage mit Injektionen von warmem Wasser in den Mastdarm. In den meisten Fällen kann heißes Wasser schon 4 Stunden nach der Operation theelöffelweise gegeben werden. Besteht Brechreiz dann wird etwas Chloroform- oder Pfefferminzwasser dargereicht. Sehr gut wird auch ein dünner Theeaufguss vertragen. Sobald das Erbrechen völlig steht, kann mit Nahrungsaufnahme begonnen werden. Milchdiät verwirft G. voll- ständig. Womöglich soll der Magen in den ersten Tagen weder als Aufnahmereservoir noch als Verdauungsorgan in Anspruch genommen werden. Das erste ist durch die Darreichung kleiner Einzelgaben zu erreichen, das andere durch die Darbietung solcher Nahrungs- mittel, welche vorzugsweise im Darm verdaut werden. Peptonisirte Milch ist nicht angenehm zu nehmen. Als gutes Nahrungsmittel empfiehlt G. Traubenzucker als Aufguss von Rosinen; eben so eine Abkochung von Malz; doch wird diese nicht so gern genommen.

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Nach einigen Tagen wird eine Mixtur von Rahm (1) und Wasser (12) verabfolgt, allmählich steigend auf 1 zu 6. Allmählich wird der Nahrung Stärkemehl hinzugefügt, Arrow-root, Maismehl, auch reine Stärke. Nach Ablauf einer Woche kann zur festen Nahrung zu- erst Biskuits übergegangen werden.

Die Operirten sollen auf der rechten Seite liegen, weil so die Entleerung des Magens leichter erfolge. Nur wenn das Geschwür am unteren Theile der vorderen Magenwand sitzt, will G. die Rückenlage gelten lassen.

G. wamt schließlich vor einer zu frühzeitigen Anwendung von Abführmitteln. Zur Anregung der Darmthätigkeit werden zunächst Klystiere verabfolgt; erst wenn diese nichts helfe, nwird ein vor- sichtiger Versuch mit Abführmitteln, Kalomel oder Magnesiumsulphat gemacht. Weiss (Düsseldorf).

6) v. Mieczkowsky. Desinfektionsversuche am mensch- lichen Dünndarme.

(Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie Bd. IX. Hft. 3.)

v. M. untersuchte zuerst die Frage, ob menschlicher Darmesaft eine bakterientödtende Wirkung habe in einem Falle, in welchem Zwecks Deckung eines Blasendefekts einem Pat. ein 12 cm langes Stück des untersten Ileums nach Art einer Thiry’schen Darmfistel ausgeschaltet und in die Bauchwunde eingenäht worden war. Es zeigte sich, dass der aus dieser Fistel gewonnene Darmsaft auf Cholera- und Thyphusbacillen, auf Staphylococcus pyogenes aureus und Bacillus pyocyaneus keine baktericide Kraft hat, vielmehr als guter Nährboden bezeichnet werden muss.

Ob innerlich gereichte Medikamente eine desinficirende Wirkung im Darmkanal ausüben, studirte er an Pat., denen am Blinddarm oder untersten Ende des Dünndarms ein künstlicher After angelegt worden war. Es fand sich, das Menthol am unteren Ende des Dünndarms noch in einer Koncentration vorhanden ist, die im Dünndarminhalt eine gewisse, wenn auch nicht stark desinficirende, aber doch wenig- stens entwicklungshemmende Wirkung hervorzurufen vermag. Beim Itrol und Wismuth fielen die analogen Versuche negativ aus. Beim Tannopin ergab ein Versuch ein positives Resultat.

Haeckel (Stettin).

7) J. Trenck (Chicago). Mechanical versus suture methods for intestinal approximation. (Annals of surgery 1902. Januar.)

F. redet mit großer Wärme dem Murphyknopf und seinem eigenen resorbirbaren »Coupler« das Wort gegenüber den sämmt- lichen Nahtmethoden.

Seine Ausführungen bringen im Ganzen nichts Neues über den Gegenstand, nur seine statistischen Angaben, mit denen er die Über- legenheit der mechanischen Methode beweisen will, mögen hier

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wiedergegeben werden. Danach schwankt die Mortalität bei Gastro- enterostomien mit Murphyknopf in gutartigen Fällen zwischen 2,5 und 14%, bei End-zu-End-Vereinigung von Darmschlingen zwischen 10,5 und 14%, während sie bei bösartigen Pylorusstenosen 33% nicht überschreitet. Dem gegenüber stellt er fest, dass bei An- wendung der Naht die Mortalität der Gastroenterostomien zwischen 24,5 und 76,47% und bei End-zu-End-Vereinigungen zwischen 58 und 100% schwankt. Woher er diese, wie man zugeben muss, äußerst ungünstigen Zahlen bei der Anwendung der Naht, geschöpft hat, giebt F. nicht an. Die dem Murphyknopf anhaftenden Mängel meint er durch Einführung seines Couplers ganz beseitigt zu haben. Seefisch (Berlin).

8) E. Tavel. Cystische Entartung der Sinus Hermann und Genese der Analfisteln. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 399.)

Die landläufige Ansicht, dass Analfisteln ausschließlich auf Tuberkulose beruhen, ist unhaltbar. Häufig sind dergleichen Fisteln völlig mit Epithel ausgekleidet, was darauf hinweist, dass es sich hier um Veränderungen, und zwar Ausweitung nebst Entzündung von prä- formirten Hohlräumen und Gängen handelt, welche mit der Mastdarm- lichtung direkt oder indirekt im Zusammenhang stehen. In Betracht kommen und sind bereits von anderer Seite (Chiari) gezogen zunächst die bekannten Sinus Morgagni, welche zwischen den ebenfalls nach Morgagni benannten Columnae recti gelegen sind und zu Cysten bezw. Krypten und Divertikeln sich ausweiten können. Außerdem aber weist T. darauf hin, dass auch gewisse, weniger bekannte, von Hermann gut beschriebene Sinus und Drüsengänge, die in der Gegend der Morgagni’schen Sinus ausmünden, hier zur Erklärung mancher Mastdarmfistel herangezogen werden müssen; die Hermann- sche Arbeit (Sur la structure et le developpement de la muqueuse anale; Thèse de Paris 1880) ist, in Waldeyer’s »Das Becken« kurz citirt, übrigens noch nicht genügend gewürdigt und schlecht zu- gänglich, wesshalb T. ein sehr eingehendes Referat darüber nebst Reproduktion der H.’schen Abbildungen giebt, worüber das Nähere im Original nachzusehen ist. Kurz gesagt, handelt es sich um Sinus oder Schleimhautkrypten, tbeils einfache rundliche Schleimhautaus- buchtungen, theils unregelmäßigere, theils auch längere und gewundene drüsengangähnliche, welche die Sphinkterenmuskulatur durchsetzen und mit geschichteten polyedrischem oder was häufiger der Fall cylindrischem Epithel besetzt sind.

Ein Fall eigener Beobachtung, eine 28jährige Dame betreffend, wird von T. als eine Erkrankung dieser >Sinus Hermann« gedeutet. Es handelt sich um eine fistulöse Periproctitis, die mehrfacher Operation widerstand und erst aus- heilte, als aus der Gegend zwischen Mastdarm und Kreusbein (»loge retro-reotale«) ein labyrinthförmiges Konvolut von Cysten und Drüsenschläuchen ziemlieh radikal entfernt wurde. Dieselben reichten theilweise 8—10 cm oberhalb der Afteröffnung

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nach oben und waren theils mit Eiter, theils mit schleimiger, theils mit klarer, dünner Flüssigkeit gefüllt. Die genaue histologische Untersuchung der Wand dieser Cysten (vgl. mehrere Abbildungen) harmonirt völlig mit der Beschreibung, die Hermann für seine >Sinus« gegeben hat. Besonders interessant ist, dass eine Cyste zahlreiche Becherzellen enthielt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

9) 8. J. Mixter (Boston). The technique of gall-bladder

and duct operations. (Annals of surgery 1902. Januar.)

M. nimmt in Bezug auf die Gallenblasenchirurgie einen ziemlich radikalen Standpunkt ein. Er will jeden Fall von Gallensteinkolik sofort den Chirurgen überantwortet wissen. Auch bevorzugt er bei einigermaßen ausgedehnter Erkrankung der Blase selbst deren Er- stirpation. Ja, er ertheilt den Rath, bei jeder Laparotomie die Ge- legenheit zur Abtastung der Gallenblase zu benutzen und bei An- wesenheit von Steinen letztere zu entfernen oder sogar wie er es persönlich gern macht die Gallenblase zu exstirpiren.

Sonst ist aus seinen Ausführungen hervorzuheben, dass M. die Gallenblase stets drainirt. Er scheint stets einzeitig zu operiren und verfährt desshalb so, dass er vor der Eröffnung der Gallenblase dieselbe fest umstopft und den Inhalt mit Trokar oder Spritze entleert.

Seefisch (Berlin).

Kleinere Mittheilungen,

10) Ssegalow. Zwei Fälle von Geschwülsten des Mediastinum. (Klin. Journal 1901. Oktober. [Russisch.))

Im ersten Falle dauerte die Krankheit bei einer 30 Jahre alten Frau 3 Jahre. Bei der Sektion fand man ein polymorphes Sarkom im Mediastinum, im Centrum zerfallen; einzelne Knoten am Hersbeutel, im oberen und mittleren Lappen der rechten Lunge und am Zwerchfell. Im zweiten Falle bei einem i6jährigen Jüngling dauerte die Krankheit ein halbes Jahr. Sektion: Sarkom im vorderen Mediastinum, Metastasen in der rechten Lunge und in der Mils; Sarkom des rechten Oberarmknochens. Gückel (Medwedowka, Kiew).

11) M.M. Dieterichs. Die Neubildungen der Mammilla und Areola. (Aus der chirurgischen Klinik des Prof. N. A. Weljaminow.) (Sep.-Abdr. aus der Zeitschrift: »Ljetopiss russkoi chirurgyi« 1901. Hft. 4.)

Geschwulst der linken Mammilla bei einem 40 Jahre alten männlichen Indiri- duum! Die mikroskopische Untersuchung der blumenkohlförmigen, ziemlich kon- sistenten, aber elastischen, etwa walnussgroßen Gescohwulst ergab ein charakteri- stisches Fibropapilloma cysticum. Derartige Dinge an der Mammilla gehören nun, zumal bei Männern, zu den großen Seltenheiten, wie Verf. an der Hand der Litteratur nachweist. Aber auch an der weiblichen Mammilla und Areols sind primäre Neubildungen nicht übermäßig oft beobachtet worden. In der Litteratur hat Verf. Alles in Allem etwa 40 derartige Fälle ermitteln können, in denen theils die Mammilla, theils die Areola als Ausgangspunkt von Neubildungen auftreten; und zwar handelt es sich dabei in 6 Fällen um Fibrom bezw. Fibroadenom, in 5 um Angiom, in 3 um Myom, in 6 um Atherom, in 3 um Papillom, endlich in 14 Fällen um Careinom. Richard Weinberg (Dorpat).

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12) Spiegel. Ein künstlicher Ösophagus. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 5.)

Um den mit einer impermeablen Striktur der Speiseröhre behafteten Pat. es su ermöglichen, die gekaute Nahrung nicht wieder ausspucken und durch einen Schlauch in den Magen befördern su müssen, stellt S. nach Ausführung der Öso- phagostomie eine Verbindung der Speiseröhre dicht oberhalb des Schlüsselbeins mit der Magenfistel mittels eines über die Brust gehenden Weges her.

Der Apparat besteht aus einem Metallgestell, das den Schlauch fixirt; am oberen Ende befindet sich eine Halsplatte, die den Schlauch in der Speiseröhren- fistel festhält. Über dem Schlauch ist eine Walze mittels eines Knopfes ver- schiebbar. Die Vorrichtung wird mittels Bandagen um die Brust fixirt, Morgens angelegt, unter den Kleidern getragen, Abends abgelegt. Durch Auf- und Ab- wärtsbewegen der Walse werden die peristaltischen Bewegungen, die dem Schlauch fehlen, ersetzt.

Bei einem zweiten, nach Art eines Klysopomps konstruirten Modell, bei dem aber die Ventile außen angebracht sind, befördert ein einfacher Druck auf den Ballon die Speisen in den Magen. Die Beschreibung, ohne Zeichnungen nicht verständlich, mag im Original eingesehen werden.

S. empfiehlt die Anwendung der künstlichen Speiseröhre in allen Fällen, wo eine Ernährung durch die Magenfistel für lange Dauer oder auf Lebenszeit nöthig ist. Langemak (Rostock).

13) E. D. Fenner (New Orleans). Report of six cases of penetrating wounds of the abdomen submitted to abdominal section. (Annals of surgery 1902. Januar.)

Verf. berichtet über 6 von ihm operirte Fälle von penetrirenden Bauchwunden, davon 4 mit mehr oder weniger ausgedehnten Verletsungen der Baucheingeweide, wie Leber, Milz, Magen, Dünn- und Dickdarm, Blase. Sämmtliche 6 Pat. kamen in den ersten Stunden nach dem Trauma zur Operation und wurden geheilt. Hervorzuheben ist dabei, dass 5 von ihnen Farbige waren.

F. berechnet die Gesammtmortalität in Folge von penetrirenden Bauohver- letzungen im Charity-Hospital auf 57,23% (152 Fälle. Bei den Fällen von gleich- seitiger Verletzung von Eingeweiden stellt sich die Mortalität auf 70,47%. Stich- wunden geben eine günstigere Prognose als Schusswunden.

F. laparotomirt stets bei penetrirenden Bauchwunden, ausgenommen bei Wunden in der linken Seite, wenn angenommen werden kann, dass die Eingeweide verschont geblieben sind, und rechts, wenn nur die Leber getroffen und die Blu- tung nicht so groß ist, dass ein sofortiger Eingriff zur Blutstillung nothwendig wird. Ist die Verletzung über 12 oder gar 24 Stunden alt, hält auch er eine Ope- ration für aussichtslos. Seefisch (Berlin).

14) Biegner. Darmzerreißung durch Hufschlag. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 375.)

R. berichtet zunächst einen von ihm im Breslauer Allerheiligen-Hospital mit Laparotomie und Darmnaht durchgebrachten Fall. Ein 45jähriger, seit lange einen rechtsseitigen Leistenbruch nebst Bruchband tragender Kutscher wird Morgens 6 Uhr noch nüchtern und nach bereits erfolgter Defäkation von einem Pferd so heftig geschlagen, dass die Bruchbandfeder brach und der Bruch plötzlich erheb- lich größer und schmerzhaft wurde. Er wird 8 Stunden nach dem Unfall operirt. Die Incision des Leistenkanals ergab außer einer großen Hydrocele testis eine kleine unverletzte Darmschlinge, außerdem aber als Bruchwasser grauröthliche trübe Flüssigkeit, die auch bei Druck noch aus der Bauchhöhle nachströmte, also bereite vorhandene Peritonitis. Desshalb Verlängerung des Schnitts durch die Bauchdecken nach oben bis über Nabelhöhe. Entleerung von viel Exsudat und Kartoffelstückohen. Die Darmverletsung wird in Gestalt einer queren Durch- reißung, welche nur ein !/scm breites, am Mesenterium sitzendes Darmfragment

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heil gelassen hatte, vorgefunden. Resektion des Darms, Vereinigung durch Murphy- knopf, Salzwasserausspülung der Bauchhöhle, Bauchdeckennaht bis auf ein Fenster, durch welches eine Mikulicz'sche Gazetamponade auf die Darmnaht kam. Ver- lauf gut, wenn auch nicht ganz glatt, da in der 2. Woche sich vorübergehend eine Kothfistel zeigte und Ende der 3. Woche ebenfalls vorübergehend Darmverschluss- erscheinungen eintraten. Heilung. R. nimmt an, dass der Hufschlag den Bruch traf, und dass die Darmtrennung durch Quetschung zwischen Bruchbandpelotte und Knochen erfolgte.

Der Fall zeigt die Nothwendigkeit und Wirksamkeit schleuniger Laparotomie nach schwerer Bauchkontusion. In solchen Fällen verlangt sie R. grundsätzlich ein für alle Mal. Dem glücklich operirten Falle reiht R. noch weitere eigene 14 Fälle von subkutaner Darmzerreißung durch Bauchkontusion an. Nur einer derselben, wo die Darmquetschung wahrscheinlich nur partiell war und außer mehrmaligen Blutstuhlgängen keine Erscheinungen gemacht hatte, kam mit dem Leben davon. Von den Gestorbenen waren 6 noch der Laparotomie untersogen worden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

15) F. T. Heuston. Successful operation for perforated intestinal ulceration in typhoid fever. (Brit. med. journ. 1901. November 16.)

Die Perforation erfolgte im Stadium der Entfieberung; ca. 5 Stunden später wurde die Laparotomie ausgeführt. Bauch- und Beckenhöhle waren angefüllt mit einer stark braun gefärbten Flüssigkeit. 8 Zoll oberhalb des Blinddarms im Ileum eine kleine Perforetion. 1 Fuß oberhalb dieser Stelle war ein großes Geschwür in der Darmschleimhaut zu fühlen. Der Bauchfellüberzug war daselbst gelblich belegt. Die Perforationsstelle wurde durch eine doppelte Nahtreihe geschlossen, die Bauchhöhle ausgewaschen. Schon in der Nacht nach der Operation gingen Temperatur und Pulszahl zurück. Pat. genas. Weiss (Düsseldorf).

16) E. Pagenstecher. Über Ascites chylosus. Ein durch Laparo- tomie geheilter Fall. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 313.)

P. beobachtete und behandelte die fragliche Krankheit bei einem hereditär tuberkulös nicht belasteten, am 8. November 1899 mit 6 Pfund Gewicht geborenen Mädchen. Dasselbe, mit Soxhlet genährt und zunächst gut gedeihend, fiel der Mutter von der 3. Woche an durch eine allmählich sunehmende, schmerzlose Leibes- anschwellung auf. Am 23. März 1900 verhältnismäßig gut genährt und mit einem Gewicht von 4 Pfund (?!) in P.’s Behandlung gegeben, zeigte es einen Bauch- umfang von 63 cm, die Zeichen des Ascites, ferner leichte Dyspno&, Cyanose, Husten und 120 Pulse. Durch Punktion wurden 2300 ocm Flüssigkeit entleert, die sich als chylös ausweist. Dem Eingriff folgte Athmungserleichterung, ein mehrtägiges Fieber, ferner aber sehr baldige Neuansammlung des Ergusses. Dess halb am 14. April in Narkose nochmalige Punktion, an die jetzt ein 5 cm langer Bauchschnitt in der Mittellinie angeschlossen wird. Das Parietalperitoneum, be- sonders im kleinen Becken, ist hochroth injieirt, auch der Dünndarm nebst Ge- kröse ist theilweise sehr blutreich, neben den Gefäßen weiße opake Streifen seigend, stellenweise auch einen leicht wegwischbaren, schleimigen Belag, so wie zahlreiche hirsekorn- bis hanfkorngroße Bläschen oder Cystchen mit offenbar wässerig-milchigem Inhalt tragend. Letztere sind an der Gekröswursel besonders dicht gruppirt. Sonst nichts Besonderes. Dem Eingriff folgte ein 12tägiges Fieber und vorübergehend auch profuse grünlich-breiige Diarrhöe, so wie Erbrechen, Appetitlosigkeit und Meteorismus. Sonst gute Wundheilung und völlige Genesung, so dass das Kind jetzt ganz gesund ist.

Der Fall ist chirurgisch durch die Heilwirkung der Laparotomie interessant, weiche, als solche bei tuberkulöser Peritonitis als allgemein erwiesen, bei einfach öhroniseher Peritonitis aber bekanntlich nicht allseitig als angenommen gilt P.

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hält die Operation auch bei nicht tuberkulöser chronisch exsudativer Peritonitis für wirksam und sieht desshalb auch, von anderen Gründen abgesehen, im Erfolg seiner Operation einen Beweis dafür, dass die Grunderkrankung in seinem Falle in einer chronischen, vielleicht kongenitalen Peritonitis bestand. Er stellt sich vor, dass Bindegewebsverdickung im Bauchfell, zumal in der Gekröswursel, zu Chylusgefäßkompression nebst Chylusstauungen, Bildung von Chyluscystchen und schließlich sur Chylusextravasirung per diapedesin führte. Die Mechanik der Operationsheilwirkung sucht P. zunächst in einer postoperativen Bauchhöhlen- hyperämie, begleitet von einer erhöhten Resorption aus dem Bauchhöhlenraum. Durch letztere scheinen ihm die nach der Operation eingetretenen Allgemein- störungen gut erklärbar (Aufsaugung toxischer Substanzen).

Heilungsfälle von Ascites ehylosus sind äußerst spärlich. Ein Fall von Witte heilte nach 3jährigem Verlauf und ca. 8 Punktionen, ein zweiter von Bayer spontan, ein dritter von Kamienski. Bei letzterem handelte es sich um ein wöchiges Kind, das imal punktirt wurde. Dem Eingriff folgten ähnliche All- gemeinstörungen wie bei dem von P. operirten Kind, dann langsame Genesung.

Klinisch-pathologische Allgemeinerörterungen zu der Beobachtung werden nur spärlich gegeben. P. theilt aber mit, dass er sich hierüber im Deutschen Archiv für klinische Medioin noch näher auslassen wird.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

17) A. M. Sheild, Direct introduction of purgatives into the large intestine in cases of operation for septic peritonitis. (Brit. med. journ. 1901. December 28.)

In manchen Fällen von septischer Peritonitis hängt die Rettung des Kranken von der Möglichkeit, die Darmlähmung zu beseitigen, ab.

S. hat in 5 Fällen von perforirender Appendicitis durch den Stumpf des Proc. vermiformis eine Lösung von 11—15 g Magnesiumsulfat vermischt mit 10 Tropfen Tinot. Strychni und 4 g Glycerin auf 30 g Wasser in den Blinddarm injicirt; nach weiteren 2 Stunden wurde ein Terpentineinlauf verabfolgt.

8. ist von dem Erfolg überrascht gewesen. Irgend welche weiteren Schlüsse will S. aus diesen wenigen Fällen noch nicht ziehen, sondern nur die Fachkollegen auffordern, das Verfahren einer Prüfung zu unterziehen.

Weiss (Düsseldorf).

18) H. Rotho. Beitrag zur Statistik der incarcerirten Hernien. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXIN. Hft. 1.)

Verf. berichtet über 146 Fälle eingeklemmter Brüche aus der v. Mikulicz- schen Klinik. In 12 derselben war die Taxis mit Erfolg vorgenommen worden, von den übrigen, bei welchen herniotomirt worden war, betrafen 97 nicht brandige, 35 brandige Brüche. Die Taxis galt bei Schenkel- und kleinen Leistenbrüchen nur innerhalb der ersten 24 Stunden, bei größeren Leistenbrüchen auch noch am 2., event. auch am 3. Tage für erlaubt. Den Bruchinhalt bildete 17mal Nets, 37mul Netz und Dünndarm, 73mal Dünndarm allein, in den übrigen Fällen Dickdarm, Wurmfortsstz, Appendices epiploicae etc. Darmwandbrüche lagen 8mal vor. Die Narkose wurde womöglich durch Lokalanästhesie oder Halbnarkose ersetzt, der Bruchring von außen nach innen gespalten, der Bruchinhalt, wenn unverdächtig, reseeirt, etwa vorgefallenes Netz abgebunden und (32 Fälle) sofort die Radikal- operation angeschlossen. Bei den brandigen Brüchen galt die Resektion als Normalverfahren, und zwar wurde im Allgemeinen nach gründlicher Entleerung des zuführenden Darmabschnittes die einfache, cirkuläre Nahtvereinigung be- vorzugt, die Bauehwunde zunächst tamponirt (event. Sekundärnaht). Die Sterb- lichkeit betrug nach einfacher Herniotomie 11,34%, bei brandigen Brüchen 54,28%.

Honsell (Tübingen),

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19) H. Rothe. Ein nach Leberresektion geheilter Fall von gangrä- nösem Nabelschnurbruch. (Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXXIII. Hft. 1.)

Beschreibung eines Falles von brandigem Nabelschnurbruch bei einem 2 Tage alten Mädchen. Bei der Operation fand sich als Bruchinhalt ein hühnereigroßer, brandverdächtiger Theil der Leber. Resektion desselben nach vorheriger Abklem- mung. Naht der Leberwunde und Einnähen des Stumpfes in den oberen Wund- winkel. Schluss der übrigen Bauchwunde. Heilung.

Anschließend wird eine weitere Beobachtung mitgetheilt, bei der sich außer Leber auch Dünndarm im Nabelschnurbruche fand. Beides ließ sich leicht repo- niren, doch starb das Kind bald nach der Operation. Die Sektion zeigte eine starke Verlängerung des Lig. coron. hepatis und eine völlige Trennung des Lobus Spigelii von der übrigen Leber. Honsell (Tübingen).

20) N. Muus. Om den operative Behandling of Gastroptose. (Hospitals Tidende 1901. No. 51.)

In schweren Fällen von Gastroptosis, die ohne Erfolg mit Leibbinde ete. be- handelt sind, empfiehlt Verf. Gastropexie zu machen. Da die mechanische Funk- tion des Magens in diesen Fällen gut ist, ist die Gastroenterostomie nicht indicirt, und außerdem viel gefährlicher als die Gastropexie. Bei dieser Operation wird der Magen in normaler Lage an die vordere Bauchwand angenäht. 5 Fälle sind mit gutem Erfolge auf diese Weise von Prof. Rovsing operirt; 1/¢—31/3 Jahre nach der Operation war Lage und Funktion des Magens völlig no

Schaldemose (Kopenhagen).

21) 8. Thomsen. 2 Tilfslde of Perforation of Ventriclen. (Hospitals Tidende 1901. No. 23.)

I. Fall von Perforation eines Magengeschwürs. Der Durchbruch trat 3 Stunden nach der letzten Mahlzeit ein und wurde 9 Stunden später operirt; er saß auf der Vorderseite des Magens an der kleinen Curvatur und wurde ohne Excision durch Naht verschlossen. Drainage, Heilung.

II. Ruptur eines Sanduhrmagens. Der Riss saß an der kleinen Curvatur auf der stenosirten Stelle. Die Schleimhaut war nicht ulcerirt, hatte aber eine strahlenförmige Narbe. Die Pat. wurde nicht operirt.

Schaldemose (Kopenhagen).

22) W. Kaupe. Ist bei lebensbedrohender Magenblutung in Folge von Ulcus ventriculi ein operativer Eingriff indicirt und welcher? (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 566.)

K. veröffentlicht einen Fall von Witzel, in welchem bei einer 36jährigen Frau nach eben überstandenen profusen Magenblutungen die beiden oberen Coronar- arterien des Magens mit gutem und dauerndem Erfolg unterbunden worden sind, so dass diese Methode weiterer Prüfung werth zu erachten ist. Bei der Operation fand sich an der kleinen Curvatur und nach hinten herumgehend eine diffuse Arterienerweiterung, ähnlich einem Aneurysma eirsoideum, ferner rundum feine Verwachsungen, so dass an dieser Stelle der Sitz des anzunehmenden Geschwürs muthmaßbar war und die bezeichnete Operation indieirt erschien.

Die Berichterstattung über den neuen Fall wird durch Umschau in der Litte- ratur sonstiger zur Behandlung der Magengeschwürsblutung unternommener Ope rationen, die in einer 16 Nummern zählenden Tabelle zusammengestellt werden, vervollständigt. 10mal, also in 60% der Fälle, wurde Heilung ersielt; und swar genasen 3 Kranke nach Vornahme der Gastroenterostomie, 2 nach Gastroentero- stomie, verbunden mit Kauterisation, 1 nach Gastroenterostomie, verbunden mit Ligatur in loco, 2 nach Geschwürsexcision und Ligatur am Ort der Blutung, 1 nach alleiniger Unterbindung in loco, endlich 1 (Fall Witzel) nach Ligatur in der

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Kontinuität der zuführenden Gefäße. Die Berechtigung operativer Behandlung der fraglichen Krankheitsform ist mithin genügend erwiesen.

Zu erwähnen ist noch, dass Witzel, wie K. in einer Fußnote beiläufig mit- theilt, bei sehr starken Magenblutungen Irrigationen mit sehr heißem Wasser, in das man eben noch, ohne sich zu verbrennen, die Hand eintauchen kann, vor- nimmt. Kleine Quantitäten hiervon seien ein- und abzulassen, jede Magendehnung dabei aber natürlich su meiden. Das dem Ref. sehr ansprechend erscheinende Verfahren habe vor der sonst beliebten Zufuhr kalten Wassers mindestens den Vortheil, dem Kranken Wärme beizubringen, die er sicher nöthig habe.

(Auf p. 582 heißt es, beide obere Magenarterien seien unterbunden, p. 580 dagegen, nur die rechte!! Welche Angabe ist richtig?! Ref.)

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

23) Rovsing. Totalexstirpation of Maven. (Hospitals Tidende 1901. No. 16.)

Totalexstirpation des Magens in einem Falle von diffusem Adenocarcinom. Die Pat. hatte nur wenige Symptome von Seiten des Magens gehabt, keine Reten- tion, +HC], Geschwulst erst in den letzten Tagen fühlbar, da der kleine, ge- schrumpfte Magen gedeckt hinter Leber und Curvatur lag. Gastroenterostomie war unmöglich. Totalexstirpation, Heilung. Pat. konnte Fleisch, Gemüse etc. essen. 1/3 Jahr nach der Operation ist sie an Metastasen gestorben. Leider ist keine Sektion gemacht. Schaldemose (Kopenhagen).

24) D. Schwarz. Zur Technik der Gastroenterostomie. (Liecniöki viestnik 1902. No. 3. [Kroatisch.))

S. erörtert die verschiedenen Phasen der Technik der Gastroenterostomie in den letzten Jahren an der Hand seiner Operationsaufzeichnungen. Er führte suerst die ursprüngliche Gastroenterostomia antecolica anterior nach Wölfler aus, dann dieselbe mit vertikaler Suspension der zuführenden Schlinge, weiter die horizontale Suspension der Schenkel nach Kappeler; diesen folgte die Gastroenterostomia retrocolica posterior nach v. Hacker und die Gastroenterostomie nach Kocher. Doch keine dieser Methoden konnte Verf. befriedigen; nach einer kleineren oder größeren Reihe von Fällen, die gut verliefen, kamen solche mit Circulus vitiosus, dem der Kranke nicht selten erlag. Er versuchte auch die Gastroenterostomie nach Rutowski (Gastroenterostomie, verbunden mit temporärer Gastrostomie). Ein Fall verlief günstig, der andere endete tödlich durch Peritonitis in Folge Ab- lösung des Magens an der Gastrostomiefistel. Den Murphyknopf verwendet Verf. überhaupt nicht, seinen Vortheil des Offenhaltens der Fistel versuchte er dadurch wiederzugeben, dass er die gewöhnliche Wölfler’sche Operation ausführte, aber den Magen nicht einfach incidirte, sondern ein Stück der Magenwand ausschnitt; damit wollte er erreichen, dass die Fistelöffnung klaffe. 3 Fälle verliefen gün- stig, der 4. Pat. starb unter Zeichen der galligen Regurgitation. Schließlich ging S. su Roux’s Operation über, aber nur in einem Falle führte er die typische Y-Gastroenterostomie aus, in 6 Fällen machte er zuerst die typische Antecolica, dann eine Enteroanastomose, durchschnitt schließlich den zuführenden Schenkel zwischen Anastomose und Magen-Darmfistel und verschloss die beiden Enden blind. Die Erfahrung belehrte ihn, dass der letztere Akt unnöthig sei, es genüge, eine Enteroanastomose an die Gastroenterostomie anzuschließen, um den Circulus sicher zu verhindern. Auf diese Weise hat S. bisher 15mal ohne Zwischenfall operirt. Nach seiner Meinung ist das Problem der Gastroenterostomie mit der Braun’schen Modifikation gelöst.

Diesem Vortrag in der Gesellschaft der Ärste in Zagreb (Agram) vom 28. Fe- bruar 1902 folgte eine Diskussion, in der zuerst Wikerhauser seine Erfahrungen über Gastroenterostomie brachte. In seiner Abtheilung wurden bisher 85 Gastro- enterostomien ausgeführt, und zwar 63 Antecolicae, 17 Retrocolicae und 5 Ante- colieae kombinirt mit anderen Operationen: 2 Pylorusresektionen, 1 Resektion

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eines Geschwürs und 2 Nähte von Magengeschwür. Von den 63 Antecolicae trat in 3 Fällen ein schwerer Ciroulus vitiosus ein, der mit einer Enteroanastomose erfolgreich bekämpft wurde, während in einem Falle diese keine Besserung brachte, solche erst durch eine Occlusion des Pylorus und des suführenden Schenkels swi- schen Anastomosen- und Gastroenterostomieöffnung erreicht wurde. Die Anssto- mose führt Wikerhauser mit dem Murphyknopf aus. Um den Sporn zu ver- hindern, wird bei der Antecolica gewöhnlich ein oder beide Schenkel nach Kap- peler aufgehängt, Mit der Retrocolica hat Wikerhauser gute Erfolge und führt sie in letzter Zeit wieder regelmäßig aus. Nach Wikerhauser’s Meinung ist die Anteoolica mit Enteroanastomose wohl sicherer und technisch leichter als die Retrocolica, letztere ist aber rascher auszuführen. Schwarz hat mit der Retrocolica schlechte Erfahrungen gemacht, glaubt auch, dass derselben schwer eine nachträgliche Enteroanastomose anzuschließen sei, wenn man sie genau nach Czerny’s Vorschrift ganz nahe an der Plica duodeno-jejunalis ausführt Wikerhauser macht die Retrocolica 30—40 om hinter der Plica, und da unter- liegt es keiner Schwierigkeit, nachträglich eine Enteroanastomose auszuführen. v. Caökovid glaubt, dass man die Gastroenterostomie mit Enteroanastomose rascher ausführen könnte, wenn man letstere mit dem Murphyknopf nach Schmidt Modifikation machen würde. Er glaubt in einigen Fällen bemerkt zu haben, dass die Fälle von Antecolicis gut verliefen, wo der suführende Schenkel nach Kap- peler nicht in gerader Richtung, sondern etwas bogenförmig aufgehängt wird. v. Cackovi& (Agram).

25) L. Frank. Magenblutung. Gastroenterostomie. Verblutung. (Lieönicki viestnik 1902. No. 3. [Kroatisch.))

Der 55jährige Kranke ist seit 4 Monaten magenleidend. Seit 12 Tagen fort- währende Magenblutungen, wesswegen D. Schwarz die Gastroenterostomie aus- führte. An der kleinen Curvatur eine mit der Leber verwachsene Geschwulst. Pat. füblt sich durch 4 Tage ganz wohl und erholt sich, dann wieder heftige Magenblutung, der der Kranke erliegt.

Bei der Sektion wurden 2 Magengeschwüre gefunden und in deren Grund einige offene größere Blutgefäße, aus denen die Blutung herkam.

Eine lokale Blutstillung wurde nicht gemacht, da die Diagnose zu Careinom neigte, und ein radikaler Eingriff (Resektion) war wegen der Verwachsungen mit der Leber nicht ausfüährbar. v. Catkovie (Agram).

26) S. Lilienfeld. Zur Kasuistik der angeborenen Missbildungen

des Dünndarm». (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 617.)

L. berichtet über einen Fall, den Riegner im Breslauer Allerheiligen -Hospital operirte. Er betraf ein 2 Tage altes Mädchen, das seit der Geburt andauernd schwars-grünliche Massen, so wie alle genossene Nahrung erbrach, übrigens nor- malen After und Mastdarm besaß. Bei der Laparotomie fand sich ca. 75 em unterhalb der Plicı duudeno-jejunalis eine totale Unterbrechung des Dünndarms mit vollständiger, auch räumlicher Trennung beider blinden Enden. Das oentrale Ende war durch Mekoniumstauung stark dilatirt, der distale Darm umgekehrt kollabirt. Die Anlage eines Kunstafters am oberen Darmstumpf blieb nutslos.

L. eitirt einen Parallelfall von Henoch. (Ref. möchte noch auf den in man- cher Hinsicht ebenfalls ähnlichen Fall hinweisen, welchen Martens in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie Bd. LVII p. 1 publicirte.)

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

27) Denecke. Über die Entzündung des Meckel’schen Divertikels und die Gangrän desselben. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXIL p. 523.)

_D. berichtet einen von Sprengel in Braunschweig operirten Fall, an welchen eine Allgemeinabhandlung angeknüpft wird. Es handelte sich hier (vgl. auch

Centralblatt für Chirurgie. No. 18. 505

d. Centralblatt 1898, Chirurgenkongressbericht p. 138, wo der Fall kurs in einer Diskussion erwähnt ist) um einen anscheinend an einem Appendicitisanfall er- krankten Sjährigen Knaben, bei dessen Laparotomie innerhalb eines Konvoluts verklebter Darmschlingen sich ein hühnereigroßes Divertikel gezeigt hatte. Das- selbe, birnförmig, saß mit einem für Bleifeder zugängigen und mit Darmschleim- haut ausgekleideten Hals am Darm. Der kugelförmige Körperthbeil des Diver- tikels war von verdünnter, theilweise nur papierdünner Wand und durch schlei- mige, stark pigmentirte Flüssigkeit stark ausgedehnt (also quasi ein »Hydrops« diverticuli). Zwischen Divertikelhals und Divertikelkörper eine kallös-entsünd- liche, nur für die feinste Sonde durchgängige Striktur, innerhalb deren eine unregelmäßige Perforationsöffoung. Abtragung des Divertikels, Darmnaht etc. Tod nach 24 Stunden an Herzlähmung.

Der Fall charakterisirt sich als eine echte Divertikelentzündung, »Diverticu- litis«, völlig analog gewissen Fällen von Appendicitis. 8 ebenfalls als Diverticu- litis su verrechnende, gut beschriebene Fälle anderer Autoren reiht D. dem seinen an, eine Zusammenstellung, die die weitgehende Ähnlichkeit zwischen beiden Affektionen ersehen lässt. 4mal barg das Divertikel Fremdkörper (Obstkerne, Fischgräte), Amal Kothkonkremente, während andere Male die Entsündung ledig- lich durch Infektion oder auch ein Trauma zu Stande gekommen zu sein scheint. Anatomisch sind einige Diverticulitisfälle exakt, auch mikroskopisch beschrieben, und finden sich auch typhöse und tuberkulöse Divertikelulcerationen notirt. Re- tentionscysten, wie in Sprengel’s Fall, setzen das Vorhandensein einer Stauung bewirkenden Veränderung voraus; ist in solchem Falle der Cysteninhalt vereitert, so ist von Divertikelempyem zu reden. Weitere sekundäre Diverticulitisresultate sind unter Umständen Geschwürsperforationen, so wie Verwachsungen des Diver- tikels. Fixirungen des Divertikels mit dem Nabel und dem Gekröse werden meist auf Entwicklungsfehlern beruhen, also als angeboren aufzufassen sein, Verwach- sungen desselben mit anderen Bauchorganen aber der Regel nach Entzündungs- folgen darstellen. Symptomatisch, diagnostisch und therapeutisch gleicht die Diverticulitis weitgehend der Appendicitis. Larvirt-symptomlose Verlaufsformen sind neben akuten und recidivirenden mit und ohne Perforation und Peritonitis beobachtet, und auch die chirurgisch-operative Intervention findet bei beiden Affek- tionen in gleicher Weise wechselnde Befunde, Aufgaben und Aussichten.

Im Gegensatg zur Entzündung bietet die Gangrän beim Wurmfortsats und Divertikel mancherlei Ungleichheiten. Sie ist bei letzterem ungleich häufiger als bei ersterem und wird durch allerhand Lageänderungen bewirkt, die beim Wurm- fortsatz nicht in Betracht kommen. D. stellt kurz zusammen, was hier Alles vor- kommen kann: Strangulation in einem Bruch, Längsachsendrehung des Divertikels, Druck wenn in den vom verwachsenen Divertikel gebildeten Ring Darm- schlingen geschlüpft sind —, Zug wenn auf dem fixirten Divertikel über- oder untergelagerte Darmschlingen lasten. Nicht selten wirken mehrere dergleichen Momente zugleich, und meist ist in solchen Fällen bald eintretender Peritonitis halber der Verlauf ein höchst stürmischer. Diagnostische Falschmuthmaßungen auf Appendicitis hier auf deren akut-perforative Form kommen auch unter diesen Umständen vor. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

28) J. M. Wainwright (Scranton). Intussusception of Meckel’s diverticulum. (Annals of surgery 1902. Januar.)

Verf. berichtet unter Berücksichtigung der einschlägigen Litteratur über einen Fall von Invagination, hervorgerufen durch ein Meckel’sches Divertikel.

6 Tage vor der Operation bestanden Verdauungsstörungen und Verstopfung; erst am 5. Tage akute Schmerzanfälle und Ileuserscheinungen. Eine Geschwulst wurde nicht gefühlt.

Bei der Operation fand sich eine 3 Zoll lange Intussusception des Ileum, 3 Fuß oberhalb der Ileocoecalklappe. Die Invagination wurde leicht zurückgebracht,

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und als Ursache derselben ein auch seinerseits invertirtes Meck el’sches Divertikel gefunden, welches entfernt wurde. Der Pat. genas. Seeflsch (Berlin).

29) Denecke. Ein Fall von Soorinfektion als Beitrag zur Patho- genese des Soors. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XLII. p. 548.)

In dem voraufgehend referirten Falle von Diverticulitis fand D. in dem schmierig-gelben Belag des Divertikelgeschwürs Pilzfäden, die zuerst für einer Hefenart zugehörig gehalten wurden, bei weiterer Untersuchung aber (Schnitt präparate, Kultur) sich als Soor herausstellten. Thierimpfung mit der Kultur dieses Pilzes ergab eine Mykose mit Eiterung. Derselbe Pilz fand sich auch als Ursache für eine bei der Sektion gleichzeitig vorgefundene Erkrankung des $ ro- manum, bestehend in Wandverdiekung mit Nekrosen und Blutungen.

Näheres siehe im Original, welches 8 Abbildungen beibringt und die ein- schlägige Litteratur berücksichtigt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

30) Wolfram. Ein Fall von Sarcoma duodeni, eine Övarialcyste vortäuschend. (St. Petersburger med. Wochenschrift 1902. No. 1.)

Bei der Operation fand sich eine Cyste, welche mit den Geschlechtsorganen nichts zu thun hatte, sondern nur weit ins Becken ragte und den Uterus tief nach unten drückte. Die Cyste schien mit einem öfingerdicken Stiel vom Pankreas auszugehen. Der Stiel wird umstochen und versenkt. Heilung. Bei Besichtigung des Präparats fand sich, dass ein thalergroßes Stück Duodenalschleimhaut daran saß, dass die Neubildung ein Sarkom der Muscularis des Duodenum war. Inter- essant ist, dass der thalergroße Defekt im Duodenum nicht nach den Regeln der modernen Darmnaht versorgt wurde, und dennoch der Darm zur vollkommensten Zufriedenheit funktionirte, ohne Stenosenerscheinungen. Haeckel (Stettin).

31) A. Blayney. On the removal of great length of intestine. (Brit. med. journ. 1901. November 16.)

B. führt einen Fall an, in welchem 255 om Dünndarm entfernt wurden. Bs handelte sich um einen 10jährigen Jungen, dem eine schwer beladene Karre über die Lendengegend gefahren war. Am Tage nach der Verletsung wurde die Laparo- tomie gemacht.

Bei Eröffnung der Bauchhöhle entleerte sich mit Gerinnseln untermischtes, flüssiges Blut, und man fand etwa 10 cm vom Darm entfernt einen großen Quer- riss im Mesenterium, wodurch die Blutzufuhr zu einem großen Theil des Darms abgeschnitten war.

Oberhalb dieser Darmpartie war eine weitere Schlinge so stark gequetscht, dass ihre weitere Ernährung unmöglich erschien. Dadurch wurde die ausgedehnte Resektion erforderlich. Die Heilung erfolgte anstandalos.

12 Tage nach der Operation trat Durchfall ein, und bestand längere Zeit eine Neigung zu Durchfällen. Schließlich wurde der Stuhlgang wieder normal. Ds- neben bestand die ganze Zeit über eine beträchtliche Steigerung des Appetits. 5 Monate später hatte sich das Allgemeinbefinden beträchtlich verschlechtert. Die Neigung zu Durchfällen war abermals ausgesprochen, der Appetit war noch un- gewöhnlich groß, zeitweilig bestand Erbrechen, das Körpergewicht war zurück- gegangen; dazu hatte sich eine Chorea entwickelt. Nach weiteren A Monaten waren indessen diese Symptome zum größten Theil wieder geschwunden.

B. giebt im Anschluss an diesen Fall eine Übersicht über die in der Litteratur niedergelegten Fälle von ausgedehnter Darmresektion. Die Länge des entfernten Darmstücks schwankt zwischen 1 m und 365 cm. Weiss (Düsseldorf).

Centralblatt für Chirurgie. No. 18. 507

32) Schiemann. Sieben Fälle von Volvulus coeci. (Westnik Chirurgii 1901. Oktober 15. [Russisch.))

S. bringt 7 Fälle aus Prof. Zoege v. Manteuffel's Klinik: 1) Frau, 17 Jahre alt, 3 Tage krank; Blinddarm um 180° gedreht, an. mehreren Stellen gangränöds; Resektion, Heilung. 2) Frau, 35 Jahre, 5 Tage krank, schwanger. Blinddarm unter dem linken Rippenbogen. Reposition, Anlegung einer Darmfistel; Tod. 3) Mann, 19 Jahre, 1 Tag krank. Coecum liegt auf dem Duodenum, Gangrän bis zur Flexura hepatica. Resektion. 2 Monate später intraabdominaler Abscess, der in den Mastdarm perforirte. Heilung. 4) Mann, 21 Jahre, 4 Tage krank. Drehung des Blinddarms um 90°, wobei letsterer das Duodenum zusammendrückt. Repo- sition, Tod nach 3 Tagen. 5) Frau, 17 Jahre, 4 Tage krank. Blinddarm liegt quer, um 100° gedreht. Reposition, Einlegung eines Darmrohrs. Heilung. 6) Mann, 30 Jahre, 8 Tage krank. Blinddarm in die Magengegend verlagert, schlaf. Re- sektion. Tod am folgenden Tage. 7) Mann, 47 Jahre, 5 Tage krank. Drehung des S romanum um 180°, unter demselben liegt dem Quercolon parallel und mit letzterem verwachsen der Blinddarm. Lösung der Verwachsungen, Reposition, An- nähung des S romanum und Coecum an normaler Stelle. Heilung.

Gückel (Medwedowka, Kiew).

23) 8. N. Iwanowski. Zur Frage von der Behandlung des Ileus nach Batsch (mit Atropininjektionen). (Wratsch 1901. No. 35.)

34) P. M. Kalabuchow und M. W. Ssawwin. Ein Fall von Atropin- behandlung des Ileus nach Batsch. (Ibid. No. 39.)

35) O. Jakowlewa. Zur Frage von der Atropinbehandlung des Ileus. (Ibid. No. 42.)

36) N. M. Foinberg. Atropin bei Ileus. (Ibid. No. 51.)

37) A. 8. Medem. ` Zur Frage von der Behandlung des Ileus mit Atropininjektionen (nach Batsch). (Ibid.)

38) A. A. Shukowski. Ein Fall von Atropinbehandlung des Ileus. (Boln. Gazeta Botkina 1901. Oktober 31.)

I. beschreibt 2 Fālle: 1) Mann von 50 Jahren, 2 Tage kein Stuhl; es werden 3 Injektionen von im Ganzen 0,005 Atropin gemacht; Heilung. 2) 26 Jahre alter Mann; 4 Tage kein Stuhl; 4 Tage Injektionen von je 0,004 Atropin; Heilung.

K. und S.: 42 Jahre alter Mann, 5 Tage kein Stuhl, die Ileussymptome traten pach starkem Stoß bei Fahren auf holprigem Wege auf. Operation verweigert. 0,002 Atropin, am nächsten Tage 0,005, am 3. Tage Stuhlgang nach Klysma. Heilung.

J.: Mann von 40 Jahren, 2 Tage Ileus nach schwerem Heben. Operation ver- weigert. Injektion von 0,003 Atropin, am nächsten Tage noch 0,002 + 0,002 + 0,001. Kein Erfolg, Abends Tod.

F.: Frau, 67 Jahre alt. Am 8. und 9. Tage des Ileus 3 Injektionen von je 0,002. Darauf Stuhlgang und Heilung. F. sieht in diesem Falle nur Atonie des Darmes.

M.: Mann, 4 Tage krank. 2 Injektionen von je 0,002. Heilung.

S.: 40 Jahre alte Frau. Drastica und Einlauf ohne Erfolg. 0,005 Atropin; die Intoxikationssymptome schwanden nach 5 Stunden. In der nächsten Nacht Stuhlgang. Heilung. Glückel (Medwedowka, Kiew).

508 Centralblatt für Chirurgie. No. 18.

39) B. 8. Koslowski. Die vaginale Methode bei Operationen am Dickdarm. (Wratsch 1902. No. 6.)

Es wurden bis jetzt 4 Modifikationen der vaginalen Methode vorgeschlagen:

1) Einfache Spaltung der hinteren Wand ohne Darmresektion.

2) Spaltung mit Resektion des Dickdarma.

3) Spaltung mit Amputation des Dickdarms.

4) Spaltung mit vorläufiger Ausschaltung des Mastdarms (Anlegung einer Darmfistel.

K. beschreibt 2 Fälle, die sur 3. Modifikation gehören.

1) 33 Jahre alte Bauersfrau, 2 Monate krank. Die Neubildung nimmt die ganse Peripherie des Mastdarms ein und ragt blumenkohlartig vor; oben reicht sie 8 bis 10 cm weit hinauf; an 2 Stellen wächst sie in die Scheide. Operation: M-förmiger Schnitt in der Scheide, Amputation des Mastdarms, Drehung des oberen Endes um 180°, Annähung an die Haut, Dammnaht. Das während der Operation durchschnittene Bauchfell wurde genäht. Die Nähte am Darmrand schnitten durch, das Darmende zog sich zurück, es bildete sich eine Scheiden-Mastdarmfistel, die nach 1 Monste ausheilte. Nach 10 Monaten: keine Fistel; der Mastdarm funktionirt gut; kein Reeidiv. Nach 4 Jahren lebt Pat. noch und verrichtet ihre Hausarbeiten.

2) 25 Jahre alte Bauersfrau. 16 Monate krank. Die Neubildung beginnt 1 cm über dem After, umfasst die ganze Peripherie und reicht hoch oben hinauf. Die ganze hintere Scheidenwand ist durchwachsen und mit Geschwüren bedeckt. Ope- ration wie in Fall 1. Auch hier hielten die Nähte nicht, und es bildete sich eine Fistel. Heilung nach 5 Wochen. Nach 11/3 Jahre normale Geburt eines gut entwickelten Mädchens ohne jede Ruptur der Scheide und des Bauchfells. Nach 3 Jahren Recidiv, das vor 5 Monaten auftrat und den Darm und die hintere Schei- denwand 3fingerdick ergriffen hat. Die mehr als faustgroße Geschwulst wurde nach derselben Methode mit großen Schwierigkeiten entfernt. Durch den Schnitt im hinteren Douglas wurde ein metastatischer Knoten, nussgroß, vom Uterus ent- fernt. Das Centrum der Geschwulst ist stark zerfallen. Tod nach 2 Tagen an Peritonitis. Güchel (Medwedowka, Kiew).

40) O. Langemak. Die Darmausschaltung als präliminare Operation vor Exstirpation großer Coecaltumoren mit Bemerkungen über das Coecumcarcinom.

(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 530.)

L. berichtet über 2 von Graser in der Rostocker Klinik behandelte Fälle von Blinddarmcarcinom, die zweizeitig operirt wurden: 1. Sitzung: Ausschaltung von Ileo-Coecum, Anastomose zwischen lleum und Colon; 2. Sitsung: Exstirpation des ausgeschalteten Darms. In FalllI, wo die 2. Operation der 1. nach 3 Tagen folgte, Heilung; in Fall II, wo sie bereits am nächsten Tage nach der i. vorge- nommen wurde, Tod. Hier war dem Pat. der Vortheil, den dies sweiseitige Ver fahren sonst bietet, dass er in der Zwischenzeit neue Kräfte sammeln kann, nicht zu gute gekommen, da man in begründeter Furcht vor Gangränescenz des aus geschalteten Darmstücks, dessen Mesenterien gelöst worden waren, die 2 Oper» tionen’ so rasch nach einander vornehmen zu müssen glaubte. Es ergiebt sich also, dass bei Anwendung des Verfahrens der 1. Operationsakt thunlichst schonend mit Erhaltung der Blutzufuhr zum ausgeschalteten Darm auszuführen sein wird, zu welchem Zweck auch am Ileum eine der Bauhin’schen Klappe nicht zu nahe Stelle (etwa 20—30 cm von dieser entfernt) zur Darmtrennung, am Colon eben- falls ein weiterer Punkt, etwa am Quertheil desselben, weit ab von Verwachsungen der Geschwulststelle zur Trennung bezw. Ausschaltung und Anastomosirung gewählt werden könnte. Technisch ist noch zu erwähnen, dass orales und aborales Ende des ausgeschalteten Darms geschlossen wurden und die Bauchhöhle nach der 1. Ope- ration offen blieb, aber gegen die ausgeschaltete Geschwulst abtamponirt wurde. Der 2. Operstionsakt, Geschwulstexstirpation, war beide Male starker Verwach-

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sungen wegen schwierig, der Harnleiter musste von der Geschwulst schrittweise abpräparirt werden; zum Schluss wurde das Operationsfeld durch Vernäbung der Gekrösstümpfe mit dem Parietalperitoneum von der Bauchhöhle abgeschlossen. Sodann theilt L. noch 2 weitere Fälle von Blinddarmgeschwülsten mit, die zu Abscedirungen geführt hatten, so dass einmal die Fehldiagnose Appendieitis gestellt wurde. Der andere Fall interessirt auch desshalb, weil es sich um ein Gallertcarcinom handelte. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

41) E. Maylard. Two cases of post-operative thrombosis of the mesen- teric vessels followed by death. (Brit. med. journ. 1901. November 16.)

M. giebt 2 Krankengeschichten das eine Mal handelte es sich um eine Gastro- enterostomie wegen Pylorusstenose, das andere Mal um die Resektion der linken Hälfte der Glandula thyreoidea wegen Morbus Basedowii —, in welchen die Ope- rirten einige Tage spăter unter nahezu gleichen Symptomen zu Grunde gingen. Bei der Sektion fand sich beide Male eine Thrombosirung der Mesenterialvenen und dem entsprechend starke Veränderungen in dem zugehörigen Darmabschnitt. Im 1. Falle war der Dünndarm in der Ausdehnung von 1 m oberhalb der Ileo- coecalklappe, im 2. Falle fast das ganze Ileum nahezu schwärzlich verfărbt. Beide Kranke klagten über Schmerzen in der unteren Bauchgegend, so dass an den Beginn einer Peritonitis gedacht werden konnte; doch entsprach der weitere Ver- lauf nicht dieser Diagnose. Erst kurz vor dem Tode entwickelte sich eine mäßige Auftreibung des Leibes. Die Passage des Darms war erhalten. Im 1. Falle gingen mehrfach Winde ab, im 2. kam es zu theilweise blutig gefärbten Durchfällen. Ernährungsklystiere, welche im Falle der Gastroenterostomie zur Anwendung ge- langten, verursachten starke Schmersen und wurden bald wieder ausgestoßen. Erbrechen bestand in beiden Fällen nicht. Beide Male handelte es sich um Frauen im Alter von 26 bezw. 28 Jahren. Bei beiden war ein specifisches Geräusch über dem linken Ventrikel zu hören. Der Puls war klein und frequent.

Weiss (Düsseldorf).

42) L. Talke. Über Endresultate der v. Langenbeck’schen Hämor- rhoidenoperation. (Beiträge sur klin. Chirurgie Bd. XXXIII. Hft. 1.)

T. stellt 83 Fälle von v. Langenbeck’scher Hämorrhoidenoperation (Kaute- risation) aus der Königsberger Klinik zusammen und wägt ihre Vortheile gegen- über dem Excisionsverfahren v. Mikulicz’s ab. Die Resultate der v. Langen- beck’schen Methode waren durchaus befriedigend (88% völlige Heilungen), indessen doch nicht so gut wie bei der Exeision (98,5%% Heilungen nach Reinbach). Andererseits ist das erstere Verfahren in allen Fällen verwendbar, während sich das letztere nur für unkomplicirte Fälle eignet; außerdem können bei Gebrauch des Thermokauters mit demselben Instrumentarium in einer Sitzung auch andere, die Hämorrhoiden häufig begleitende Zustände, wie Fissuren oder Prolapse ge- ringer Ausdehnung, behandelt werden. Verf. sieht daher zwar in der Excisions- methode eine werthvolle Bereicherung der Hämorrhoidaltherapie, die in den Hän- den geschulter Chirurgen durchaus praktische Brauchbarkeit besitst, glaubt aber doch, dass die Kauterisation wegen ihrer ausgedehnten Verwendbarkeit mehr Em- pfehlung verdient. Honsell (Tübingen).

43) Rovsing. Bidrag til Galdestenssygdommens. Symptomatologi. (Horpitals Tidende 1901. No. 35.)

Zur Beleuchtung der Schwierigkeit bei der Diagnose einiger Fälle von Gallen- steinkrankheit theilt Verf. 3 Krankengeschichten mit. Keiner von diesen Pat. hatte typische Gallensteinkoliken oder Ikterus gehabt. Das Hauptsymptom waren Schmerzen, und diese batten in einem Falle ihren Sitz in der rechten Schulter, in den beiden anderen Fällen im linken Hypochondrium. Die Pat. waren auch

510 Centralblatt für Chirurgie. No. 18.

früher unter ganz anderen Diagnosen (Arthritis humeri, Ulcus ventrieuli, Ren mo- bilis) behandelt worden.

Nach der Operation konnte man bei Berührung der Innenseite der Gallenblase die früheren Schmerzen auslösen. Schaldemose {Kopenhagen).

44) Binder. Mittheilung über die Gallensteinkrankheit aus der ärzt- lichen Praxis. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 7.)

B. berichtet über ca. 100 in der Praxis beobachtete Gallensteinfälle, von denen er 52 mindestens 10 Jahre lang verfolgen konnte. Zur Kennzeichnung der Viel- gestaltigkeit des Krankheitsbildes giebt er die Krankengeschichten von 8 Fällen im Auszug wieder. An der Hand von 11 weiteren Fällen, die nicht operirt wurden und tödlich endeten, die aber durch eine rechtzeitig ausgeführte Operation hätten gerettet werden können, sucht B. zu beweisen, dass es die Pflicht der Arste ist, einem Verlangen nach Operation nicht zu widersprechen, sondern schon frühzeitig, wenn die Steine noch in der Gallenblase lagern und noch nicht in die Gallenwege getrieben sind, die dann leicht und gefahrlos auszuführende Operation anzurathen.

Diese auf eigene reiche Erfahrung gestütste Mahnung aus dem Kreis der praktischen Arzte ist mit Freuden zu begrüßen und ihre Beherzigung nicht warm genug zu empfehlen. Langemak (Rostock).

45) Scheuer. Kasuistisches zur Chirurgie der Gallenwege. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 7.)

Unter Bezugnahme auf seine Arbeit: >»Zur Therapie der Cholelithiasis« (Ref. cf. d. Centralblatt 1900 p. 962) theilt S. mit, dass im Hedwigkrankenhaus in Berlin im Hinblick auf die, wenn auch verzögerten, internen Heilungen ein abwartender Standpunkt in der Behandlung der Cholelithiasis eingenommen wird. Als Normal- verfahren wurde die Ektomie vorgenommen; allerdings traten 2mal, imal mit tödlichem Ausgang, schwere Nachblutungen aus dem Leberstumpf auf. S. berichtet ferner über 3 interessante Fälle von Cholangitis.

1) 59jährige Pat., mehrmals, sum 1. Male vor 11/3, Jahren mit Erbrechen, Magenschmerzen, Ikterus und Fieber erkrankt. Ende Juli 1899 Fieberanfälle mit Schüttelfrösten. Leichter Ikterus, zunehmende Abmagerung; innere Therapie ver- sagt völlig. Diagnose: Cholangitis calculosa mit Empyem der Gallenblase. Bei der Operation 12 maulbeerförmige Steine entleert. Kein Eiter. Dünnflüssige, Aunkelgefärbte Galle. Choledochus frei. Erfolg nur vorübergehend. Noch 2mal wurde laparotomirt, das 1. Mal in der Annahme, dass doch ein Stein im Chole- dochus sitse, das 2. Mal in der Annahme einer Knickung; negativer Befund. Tod Januar 1901. Sektion: Markstückgroße, ganz weiche Ulceration mit scharfen Rändern; Gallengangssystem, Pankreas frei; Drüsen nirgends zu fühlen. Histo- logische Untersuchung: Cylinderzellenkrebs intestinalen Ursprungs.

Krebse der Valvula Vateri, in der deutschen Litteratur bisher nur als Sektions- befunde beschrieben, wurden in der französischen Litteratur schon 15mal erwähnt. Die Symptome sind die des chronischen Choledochusverschlusses. Diagnose un- möglich.

2) 17jähriger Schlächter. Nach Heben einer schweren Mulde traten plötzlich heftige Stiche im Rücken, Brust- und Magenschmerszen auf. Punktion in der Gallenblasengegend ergab Galle, keinen Eiter. Laparotomie angeschlossen: Gallen- blase und -Gänge frei. Leber vergrößert, stark eyanotisch. Diagnose: Cholangitis mit Verschluss kleiner Gallenwege. Mit Paquelin 6 cm tiefe Incision im Leber- gewebe, ein großer Gallengang getroffen, Galle fließt unter starkem Druck ab. Erfolg ausgezeichnet; vom 10. Tage an Stuhl gefärbt, Ikterus schwand. Pat. ge- heilt entlassen.

Da die Gefahr dieser Operation nicht allzugroß zu sein scheint, wird sie für ähnliche Fälle empfohlen.

Centralblatt für Chirurgie. No. 18. 511

3) Im 3., kurz erwähnten Falle war es bereits zum Leberabscess gekommen, der perpleural eröffnet wurde. Da die Abscesshöhle ein dichtes Maschenwerk kleiner Höhlen darstellte, meint 8., dass ein vorgeschritteneres Stadium des Krankheitsprocesses des 2. Falles vielleicht vorgelegen habe. Glatte Heilung. Atiologie beider Fälle dunkel, Steine fehlten. Langemak (Rostock).

46) W. J. Walsham. Some remarks on the surgery of the gall- bladder and bile ducts. (St. Bartholomew’s hospital reports Vol. XXXVII.)

Kritische Besprechung von 20 Fällen von Gallenblasenerkrankung (Chole- lithiasis und bösartige Geschwülste), deren. Krankengeschichten am Schluss zu- sammengestellt sind.

Aus der Kasuistik sei ein Fall von subkutaner Ruptur der steingefüllten Gallenblase erwähnt. Ein 48jähriger Mann wird von einem Pferd gegen einen Pfahl gedrückt. Bei der am 3. Tage ausgeführten Operation zeigt sich ein Riss im Fundus der in alte Adhäsionen eingebetteten Gallenblase und ein zweiter an der unteren Leberfläche. Ein Stein liegt frei in der Bauchhhöhle, ein weiterer in der Gallenblase. Tod am nächsten Tage im Collaps.

Kleinschmidt (Kassel).

41) Fritz König. Über die durch Spontanruptur der steinhaltigen Gallenblase in die Bauchhöhle bedingte Peritonitis und ihre Be- handlung.

(Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 7.)

Bei einer 70jährigen Pat., die unter den Erscheinungen der Peritonitis und des Darmverschlusses erkrankt war, fanden sich bei der 48 Stunden nach der Er- krankung ausgeführten Laparotomie die gerötheten Darmschlingen mit blutigen Gerinnseln bedeckt, und an mehreren Stellen fanden sich dunkle Gallensteine. In der Gallenblase war ein Loch, das durch einen größeren Gallenstein verschlossen war. Exstirpation der Gallenblase, in der sich noch mehrere Steine befanden. Reinigung der Bauchhöhle von den übrigen Gallensteinen. Bauchnaht. Heilung.

. Borchard (Posen).

45) K. Hühn und M. Joanovic. Vereiterung einer Echinococcuscyste der Leber durch Typhusbacillen nach überstandenem Abdominal- typhus.

(Liecnicki viestnik 1902. No. 2. [Kroatisch.]) .

H. hat den klinischen, J. den bakteriologischen Theil des Falles bearbeitet.

Am 17. Juni 1901 wurde in Wikerhauser's Abtheilung ein 29jähriger Wald- hüter aufgenommen, der Ende 1900 an Typhus erkrankte und 3 Monate krank daniederlag. Ende März 1901 durch einen Tag anfallsweise heftige Schmerzen im Bauch, dann starker Ikterus. Pat. bemerkte über dem Magen einen nussgroßen, unter der Haut verschieblichen, auf Berührung sehr schmerzhaften Knoten der, am nächsten Tage verschwunden war. Nach einigen Tagen Wohlbefindens erneute Schmerzen, Fieber und einige Tage danach Schwellung an der Stelle des Knotens, die sich von Tag zu Tag vergrößerte und röthete. Ikterus.

Die jetzt umfangreichere, schmershafte Geschwulst im Epigastrium fluktuirte, die Haut über ihr war geröthet und ödematös. Die Leberdämpfung ging un- mittelbar in die Geschwulstdämpfung über.

Am 16. Juni Operation (Dr. T. Wikerhauser). Zuerst wird probepunktirt und ein gelblich-brauner, dünnflüssiger Eiter ausgehoben, dann eine Incision ge- macht, durch welche sich ebensolcher Eiter, dann dünnwandige, nussgroße Bläschen und eine fischrogenähnliche Masse entleerte. Die Eiterhöhle ist durch mehrere Septa abgetheilt, welche sich leicht zerreißen lassen, so dass die Höhle ganz mit Jodoformgaze austamponirt werden kann. Heilung.

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Im entleerten Eiter fanden sich Hakenkränse so wie Stäbchen, die sich als Typhusbaecillen in Reinkultur ergaben. Sie allein hatten die Vereiterung der Echinococcuseyste bedingt. Weiter bewies J. noch durch die Serodiagnose, dass die überstandene Krankheit wirklich Abdominaltyphus war und gleichzeitig durch die Gruber-Widal’sche Reaktion, dass die aus dem Eiter kultivirten Stäbchen wirklich Typhusbacillen sind.

Verff. konnten in der Litteratur keinen weiteren Fall finden, wo eine Ecehino- eocouscyste durch Typhusbacillen vereitert wäre. Y. Cačković (Agram).

49) A. Juras. Zur Behandlung des Krebses mit Arsenik. (Przegląd lekarski 1901. No. 40.) Verf. hat auf Veranlassung des Ref. die von Czerny-Truneðek empfohlene Behandlungsmethode der Epitheliome mittels Arsenik in 8 Fällen versucht. Die

Versuche an Epitheliomen der Lippe und einem an der Ohrmuschel fielen vollständig negativ aus. Trzebicky (Krakau).

50) F. Malinowski. Ein Fall von Orthoformvergiftung. (Gazeta lekarska 1901. No. 48.)

Verf. hatte in Folge Trauma einige kleine Hautabschürfungen an der unteren Extremität erlitten, die er mehrere Tage hindurch mit Orthoform bestreute. Wäh- rend das Verfahren in den ersten Tagen Linderung der Schmerzen ohne jede weitere Reaktion brachte, trat vom 5. Tage an eine zunehmende entzündliche Reaktion um die Wunden herum ein, während diese selbst ein jauchig-gangri- nöses Aussehen annahmen; außerdem entstand unter hohem Fıeber am gansen Körper ein variolaartiges Exanthem, das von Kaposi als toxisches, exsudatirves Erythem bezeichnet wurde. Das Orthoform wurde beseitigt, worauf die Temperatur bald zur Norm fiel und die Rekonvalescenz bloß durch die Ausstoßung der ne-

krotischen Gewebspartien etwas in die Länge gezogen wurde. Trzebicky (Krakau).

51) J. Abadie (Montpellier. Un cas de dermatolysie. (Bull. et mém. de la soc. anat. de Paris Année LXXII. No. 6.)

Die Trägerin einer ausgedehnten elephantiastisohen Veränderung an der Haut des linken Armes zeigte die gleiche Abnormität noch an der linken Schlüssel- beingegend, so wie zahlreiche Naervi.

Obgleich angeboren, hat die wulstige Wucherung und Abhebung der Haut erst in letzter Zeit die Pat. zählte 29 Jahre erbeblich um sich gegriffen, Prof. Imbert führte die Abtragung der elephantiastischen Partien mit vollem Erfolge aus; dabei fanden rich Neurofibrome am Nerv. musculo-cutaneus, einem «Ast des Radialis und Medianus; die ersten beiden Nervenäste wurden resecirt, die Geschwulst des Medianus abpräparirt. Verf. bringt die eigenthümliche Wuche- rung in Verbindung mit der Neurofibromatosis universalis v. Recklinghausen's,

Christel (Metz).

52) Perassi. Le atilitazioni chirurgiche alla milizia. (Policlinico 1902. No. 1 u. 2.)

Die Untersuchung eines Jahrgangs Rekruten (Geburtsjahr 1881) der italieni- schen Armee bezüglich vorausgegangener Operationen ergab u. A. folgende Re- sultate:

669 wegen Leistenbruchs operirt, 611 geheilt, 58 ungeheilt, 56 > Hydrocele > 42 > 14 >

Auffallenderweise fand sich niemals eine Tracheotomienarbe; ein Punkt, auf

den man bekanntlich auch anderwärts neuerdings aufmerksam geworden ist.

E. Pagenstecher Wiesbaden).

Oririnalmitiheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder au die Verlagr handlung Breitkopf $ Hüärtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E. von Berma, P. Kinig, E, Richter

Neunundzwanzigster Jahrgang.

e Wöchentlich eine Nummer. Preis des ngs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 19, Sonnabend, den 10. Mai. 1902.

Inhalt: F. Wenzel, Die Verwendung von Gazeschleiern bei aseptischen Operationen, (Original-Mittheilung.)

1) Park, 2) Sticker, Krebs. 3) Cheyne, Wundbehandlung im Felde. 4) Frommer, Knochenkohle. 6) King, Behandlung mit Silbersalzen. 6) Tanfiljew, en T) Brindel, Mastoiditis. 8) Lexer, Operationen des Ganglion Gasseri. 9) Hajek, Kieferhöhlenempyem. 10) Tauber, Temporäre Gastrostomie. 11) Ochsner, Appeı- dicitis. 12) Lanz, Taxis. 13) Boas, Magensteifung. 14) Nagano, Thiry'sche Fistel. 15) Brown, Pylephlebitis.

F. Kammerer, Zur Frage der Darmausschaltung mit totaler Occlusion. (Orig.-Mitth.)

16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 17) Raw, Pneumococcus-Arthritis- 18) Thomas, Nebennierenextrakt. 19) Jürgens, Ruptur der A. carotis int. 20) König, Zur Nasenplastik. 21) Jürgensen, Amöbenenteritis. 22) Koslowski, Gastroenterostomie.

(Aus der chirurgischen Abtheilung des St. Marienhospitals am Venus- berg bei Bonn a/Rh. Leiter: Prof. Witzel.)

Die Verwendung von Gazeschleiern bei agoptigohen

Operationen, Von Dr. F. Wenzel, Assistenzarzt.

Während wir uns mit dem Gebrauch von Handschuhen bei aseptischen Operationen aus mancherlei, auch von anderer Seite ge- würdigten Gründen noch nicht haben befreunden können, vielmehr nach wie vor daran festhalten, dass die sorgfäáltigste, kleinlichste Vermeidung jeglicher Infektion die beste Keimfreiheit resp. Keim- armuth der Hand gewährleistet, stehen wir den von v. Mikulicz zuerst in die Chirurgie eingeführten Mundmasken um so sympathi- scher gegenüber. Wenigstens in ihrem Princip: die Infektion einer aseptisch angelegten Wunde durch die aus Mund und Nase beim Sprechen, Husten, Räuspern austretenlen Keime zu verhüten.

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Als wir darum, getreu dem Grundsatze, dass wenn irgend wo, dann besonders für die Asepsis das Beste gerade gut genug sei, vor ca. 1!/, Jahren die aseptische Armirung des Kopfes durch die von v. Mikulicz empfohlene Dreizahl Operationsmütze, Mundmaske und Bartschutz einführten, wollte es uns aber von vorn herein nicht gefallen, dass sich diese 3 nicht durch eine einheitliche Schutz- hülle ersetzen lassen sollten. Denn der aseptische Apparat ist heute so komplicirt und so theuer, erfordert so viel Arbeit und Kosten, dass jede Vereinfachung als ein Fortschritt freudig begrüßt werden muss. Auch die Maske an sich war uns nicht bequem: wir hatten bei dem engen, von ihr ziemlich dicht abgeschlossenen Raum immer das Gefühl von Luftmangel, der bei Erkrankungen an Schnupfen, Luftröhrenkatarrh geradezu beklemmend wirkte; für Den, der mit Brille zu arbeiten gezwungen ist, war die gleichzeitige Befestigung am Ohr lästig. Die Mützen, aus Leinen hergestellt, waren zu heiß, passten auch nicht für die verschiedenen Kopfformen, so dass vor jeder Operation erst ein Suchen und Anprobiren vor sich ging, wenig geeignet, die Sterilität der Mützen zu wabren. Kurz: Alles Un- bequemlichkeiten, die uns beinahe die Freude an diesen neuen Fort- schritten der Aseptik gestört hätten.

Trotzdem arbeiteten wir geduldig mit der angeführten Trias in Ermangelung von etwas Besserem weiter, suchten aber eifrig nach einer einheitlichen Schutzhülle. Leitend für uns hierbei war der Gedanke, dass der Operateur zu seinem Werke nur seine Hände und Augen nöthig habe; war also durch den Màntel der übrige Körper bedeckt, dann musste auch der Kopf bis auf die Augen aus- geschaltet werden und sich ausschalten lassen. Die Erledigung dieses Wunsches bot sich bald. Die beiden Diakonissinnen, die mit der Zu- reichung der Instrumente resp. der Assistenz bei der Narkose beauf- tragt sind, waren Anfangs noch von der Maske verschont geblieben. Da wir aber den Gebrauch der Maske bald auch für diese nothwendig erachteten, die Mikulicz’sche Maske indess sich unter der Diako- nissenhaube nicht anbringen ließ, so benutzten wir für die beiden Schwestern ein viereckiges, genügend großes Stück doppelter Mull- gaze, welches, den ganzen Kopf bedeckend, im Nacken geknotet wurde: die Augen wurden durch einen entsprechenden Ausschnitt freigelegt. Diese »Schleier« erwiesen sich aber als so überraschend praktisch, einfach und bequem, dass Herr Prof. Witzel sie sehr bald auch für sich, Assistenten und das übrige Hilfspersonal in Gebrauch nahm. Heute tragen Operateur, Assistenten, Schwestern, Wärter, überhaupt alle bei aseptischen Operationen anwesende Personen diese Schleier, die zwar im Laufe des Jahres mancherlei Änderungen er- fahren haben, die sich allmählich aus dem alltäglichen Gebrauch ergaben, ohne dass ihre ursprüngliche Form geändert worden wäre. Da sie sich uns in jeder Hinsicht als bequem und praktisch erwiesen haben, möchten wir nicht versäumen, sie weiteren Fachkreisen be- kannt zu geben. -

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Unsere Schleier bestehen aus einer dreifachen Lage eng- maschiger Mullgaze, sind ca. 80 cm lang und 50 cm breit. Für die Augen findet sich in der Mitte der Breite ein ca. 20 cm breiter Aus- schnitt, der in sehr einfacher Weise so hergestellt wird, dass in dem in der Längsrichtung zusammengelegten Schleier mit gerader Schere ein 10 cm langer Einschnitt gemacht wird. Der Einschnitt liegt nicht in der Mitte der ganzen Länge, theilt vielmehr den Schleier in einen ca. 50 cm langen, größeren und einen 30 cm langen kürzeren Theil. Man hat dann die Wahl, kann also nach Bedarf den längeren Theil zur Verhüllung des Vollbartes oder langen Kopfhaares ver- wenden, während der kürzere Theil ausreicht, das kurzgeschnittene Haar oder Schnurrbart, Mund und Kinn zu bedecken. An den Enden des Augenausschnittes sind mit wenigen Stichen 2 Leinen- bänder befestigt, welche über den Schleier um den Hinterkopf ge- knotet werden, und den Schleier in seiner Lage halten. (Statt dieser Bänder dienen ein paar starke Fäden, wenn es nöthig ist, die Schleier aus sterilem Verbandmull zu improvisiren.)

Die Schleier sind, jeder einzelne mehrfach gefaltet, in einem Handtuche eingeschlagen sterilisirt. Nach vollendeter Händedesinfek- _ tion wird der Schleier dem Tuch entnommen, entfaltet, unter Be- nutzung der oben gegebenen Regeln für den längeren oder kürzeren Theil über den Kopf gelegt und durch Knoten der Bänder befestigt. Der Schleier hängt dann vorn etwa in der Mitte des Nasenrückens fest aufliegend und hinten glatt herunter, während an den Seiten die Ohr- und Halsgegend durch über einander liegende Falten bedeckt ist. Befeuchtet man dann noch mit Hilfe einer kleinen Kompresse

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den Rand des Schlitzes, event. aseptisch oder antiseptisch, so erreicht man ein sehr gutes Anliegen des Schleiers {Fig. 1). Wenn man nun den am Hals anschließenden Operationsmantel anzieht, so umfasst der Halstheil des Mantels die freien Enden des Schleiers nach Art einer Tabaksbeutelschnur, den Kopf mit Ausnahme der Augen vollständig verhüllend. Auf diese Weise schaltet er die aus Mund und Nase drohende Infektionsgefahr nicht minder aus wie die jener zahllosen Keime, die vom Kopfhaar aus z. B. beim Zusammenstoßen der Köpfe des Operateurs und gegenüberstehenden Assistenten oder aus dem Schnurr- und Vollbart beim Vorbeistreichen mit der Hand, dem Arm oder einem Instrument in das Operationsgebiet gelangen können. Selbst wenn die Gefahr keine so große sein sollte, als wir annehmen

wir geben doch nichts für das Gefühl der Sicherheit, welches wir seit dem Gebrauch der Schleier haben, wenn einmal ein derartiges Zusammentreffen sich ereignet.

Die großen Vortheile des Schleiers liegen auf der Hand. Ab- gesehen davon, dass er die Mikulicz’sche Mütze, Maske und Batt- hülle in sich vereinigt, ist die Herstellung und Sterilisation im strömenden Wasserdampf eben so einfach wie die Handhabung und Befestigung, die auch für Den, der mit Brille arbeiten muss Koneifer sollten beim Operiren überhaupt verboten sein keine Schwierig- keiten hat (Fig. 2). Der größte Vortheil liegt aber in der Luftdurch- lässigkeit der Mullgaze. Während schon eine zweifache Gazelage, wie Hübener durch Untersuchungen festgestellt hat, im Stande ist, fast alle Tröpfchen, die beim Sprechen aus dem Munde fallen, auf- zuhalten, wird der Schleier aus dreifacher Gaze selbst im heißen

Centralblatt für Chirurgie. No. 19. 517

Sommer nicht lästig und unbequem, wie die leinenen Operations- mützen, die keinen Luftzug an den abgeschlossenen Kopftheil heran- lassen, sondern durch den dichten Abschluss einen starken Stirn- und Kopfschweiß hervorrufen, der beim Operiren nicht nur lästig, sondern auch gefährlich werden kann. Auch für die Ventilirung der Athmungsluft ist hinreichend Platz da, nicht, wie bei dem ge- ringen Luftgehalt des sehr kleinen, ziemlich dicht abgeschlossenen Raumes der Mikulicz’schen Maske. Der Schleier umschließt einen viel größeren Luftraum nach vorn, unten und oben, nach beiden Seiten, den man noch dadurch vergrößern kann, dass man die Gaze nach unten hin nicht dicht anliegen, sondern in einer Umschlagsfalte, die auf dem oberen Brusttheil aufliegt, herabhängen lässt. Diese Falte dient bei vollbärtigen Personen zur Aufnahme des Vollbartes, ihr freies Ende liegt unter dem Mantel (Fig. 2).. Dem entsprechend ist auch der Luftaustausch mit der »Außenluft« ein viel größerer, vollzieht sich auch viel schneller; bei der Mikulicz’schen Maske hatte ich immer das Gefühl, als ob die ausgeathmete Athemluft so- fort wieder, nur etwas abgekühlt, eingeathmet würde; daher das Ge- fühl der Beengung und Beklemmung, das wir bei unseren Schleiern nie gehabt haben, selbst wenn wir bei Erkrankung an Schnupfen etc. einmal eine vierfache Gazelage verwendeten. Last not least, ist auch der Kostenpunkt, der sich für den einzelnen Schleier auf 20—25 7 beläuft, so unbedeutend, dass er selbst dem Umstand gegenüber, dass die Schleier nur einmal verwendbar sind, nicht ins Gewicht fällt. Unseren Schleiern ähnliche Kopfbedeckungen sind von Vulpius und Schuchardt angegeben. Vulpius! benutzt Kapuzen aus Lein- wand, die auch den ganzen Kopf mit Ausnahme der Augen verhüllen und durch 2 Bänder um Stirn und Hals befestigt werden, glaubt aber selbst, dass sie bei stundenlangem Operiren im heißen Raume recht lästig werden können; diese Annahme deckt sich mit unseren Erfahrungen, die wir beim Gebrauch der leinenen Operationsmützen gemacht haben. Gerade auch in dieser Hinsicht glaube ich unsere Schleier, wie ich schon oben ausgeführt habe, warm empfehlen zu können. Schuchardt? verwendet 2 Gazestreifen, den einen zur Verhüllung von Nase, Mund und Bart, den anderen zur Bedeckung des Kopfhaares, zu deren Befestigung die »Kopfklammer«, ein federn- der Metallbügel, dient. Der Hauptnachtheil der Schuchardt’'schen Einhüllung liegt in den Schwierigkeiten der Anlegung und Befestigung des Bügels und der Gazestreifen, welche die Hilfe einer besonderen Schwester nothwendig machen. Wenn Schuchardt am Schlusse seiner Mittheilung auch für das Pflegerpersonal bei gewissen ansteckenden

t Vulpius, Zur Sicherung der Asepsis bei Operationen. Münchener med. Wochenschrift 1898. No. 19.

2 Schuchardt, »Kopfklammer« zur raschen und sicher sitzenden Einhül- lung des Kopfes mit steriler Verbandgaze bei aseptischen Operationen, bei der Krankenpflege und bei der Desinfektion von Wohnräumen. Centralbl. f. Chirurgie 1900. No. 15.

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Krankheiten so wie für die mit der Desinfektion von Wohnräumen beauftragten Personen die Anwendung eines geeigneten Kopfschutzes mit Recht fordert, so kann wohl auch für diese Zwecke kaum eine einfachere, bequemere, aber auch sicherere Vorrichtung als die von uns angegebenen Schleier empfohlen werden.

Viele auswärtige Kollegen, die als Gäste bei einer Operation anwesend waren oder auch gelegentlich assistirten, waren erstaunt über die Bequemlichkeit der Schleier und die geringe Belästigung selbst bei sehr lange dauernden Operationen in heißem Raume und erbaten sich gewöhnlich den gebrauchten Schleier als Muster aus. Ich glaube daher auch, dass jeder Operateur, der unsere Art der Kopf- und Gesichtsverhüllung anwendet, sie nicht wieder wird missen wollen.

1) R. Park. Cancer laboratory. University of Buffalo; fourth annal report- 1902. {Buffalo med. journ. 1902. März.)

Verf. giebt einen kurzen Überblick über die Arbeiten des ihm unterstellten Krebslaboratoriums im verflossenen Jahre. Er hebt die große Übereinstimmung der eigenen Forschungen mit den im letzten Jahre veröffentlichten, vergleichenden Studien Bosc’s über Vaccine, Variola und Carcinom hervor. Dagegen zeigte ein weiterer Vergleich mit Schüller’s Ergebnissen zahlreiche Verschiedenheiten in so fern, als manche der von Schüller beschriebenen Formen viel größer sind als irgend welche vom Verf. beobachtete. Experimente, welche bezweckten, eine Übertragung des Carcinoms und Sarkoms auf Thiere durch Vermittlung von Mosquitos hervorzubringen, welche mit Carcinom- und Sarkompartikeln gefüttert waren, verliefen bisher negativ. Die Fortsetzung von Lyon’s statistischen Untersuchungen (cf. dieses Blatt 1901 p. 826) ergab, dass im Staate New York ein- zelne Krebscentren existiren, in welchen auch zahlreiche sog. Krebs- häuser vorkommen. Im Stadtbezirk von Plainfield fand sich z. B. ein solches Centrum, wo fast in sämmtlichen Häusern im Umkreis einer Viertelmeile (englisch) 1—5 Krebsfälle vorgekommen waren. Im Allgemeinen haben auch die Forschungen des letzten Jahres den Verf. und seine Mitarbeiter in der Überzeugung bestärkt, dass der Krebs eine infektiöse Erkrankung ist. Mohr (Bielefeld).

2) Sticker. Über den Krebs der Thiere. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 3 u. 4.)

Bei dem Interesse, welches gerade in unserer Zeit der Krebs- frage, besonders der Ätiologie und der experimentellen Erzeugung des Careinoms zugewendet wird, dürfte die Arbeit des Verf., welcher Mitarbeiter an dem königl. Institut für experimentelle Therapie in

m E

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Frankfurt a/M. ist, allgemeinere Beachtung verdienen. Sie bringt ein ungeheures Material zusammen, das mit enormem Fleiß und großer Übersichtlichkeit zusammengestellt ist. Die Untersuchungen sind vornehmlich anatomischer Art und befassen sich mit 6 Haus- thierarten: Equus caballus, Bos taurus, Ovis aries, Canis familiaris, Felis domestica’und Sus scrofa. In dem ersten Theil der Arbeit ist eine ausführliche Statistik gegeben über die in den letzten 25 Jahren in den Kliniken und pathologischen Instituten festgestellten Krebs- fälle so wie über die in der Litteratur des In- und Auslandes zer- streuten Fälle. Der zweite Theil enthält eine große Zahl von zu- verlässigen Krebsbeobachtungen nach Organen geordnet. Im dritten Abschnitt ist eine Vergleichung des Krebses der Hausthiere mit dem des Menschen gegeben. Gerade die Erörterungen dieses Theiles sind geeignet, manche bisher als sicher angenommene Details, die Ätio- logie durch Trauma, Ernährung und andere Faktoren, die Bevor- zugungen des Carcinoms an besonderen Körperstellen und noch viele andere Punkte in ein neues Licht zu setzen, neue Überlegungen an- zuregen und liebgewordene Anschauungen Betreffs ihrer Gültigkeit einer Revision zu unterziehen. Bezüglich der parasitären Natur des Krebses, welche Verf. schon früher annahm, kann er auch nach der vorliegenden Zusammenstellung nur konstatiren, dass sich eine große Zahl wichtigster Einzelheiten nur durch die Annahme von Mikro- organismen erklären lassen.

Der Inhalt der Arbeit kann hier nur in diesen kurzen Umrissen skizzirt werden, welche indessen nicht im Stande sind, den Umfang und die umfassenden Einzelheiten des zusammengetragenen Mate-

rials auch nur einigermaßen anzudeuten. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

3) W. Cheyne. On the treatment of wounds in war. (Brit. med. journ. 1901. November 30.)

Der vorliegende Aufsatz ist ein Theil eines vor der Midland medical society gehaltenen Vortrages. In Hinsicht auf den süd- afrikanischen Krieg wird die Frage behandelt: Wie weit sind die Principien moderner Chirurgie, insbesondere die Asepsis in Anwendung gekommen, und wie weit mussten und konnten dieselben zur An- wendung gebracht werden?

C. unterscheidet 2 Phasen, die Behandlung in der ersten Linie und die Behandlung im Lazarett. An der Front können die Fort- schritte der Chirurgie so gut wie gar nicht berücksichtigt werden, und wenn die Resultate in diesem Kriege besser gewesen sind wie früher, so will C. das in erster Linie auf die Art der durch das Kleinkalibergeschoss gesetzten Wunden und auf das günstige Klima zurückführen. Der erste Verband mittels des Verbandpäckehens wurde entweder vom Verwundeten selbst oder dessen Kameraden gemacht; dabei wird die Gaze mit schmutzigen Fingern angefasst, und der

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erste Verband war Alles andere, nur nicht aseptisch. Auf dem Ver- bandplatz mangelte es vielfach an Wasser. Dasselbe war meist sehr trübe und musste zunächst filtrirt werden. Dann fehlte es oft an Feuerungsmaterial, das Wasser zu erhitzen, und so bestand selbst für die Ärzte keine Möglichkeit, sich die Hände genügend zu säubern. Eine weitere Schwierigkeit wurde durch den Staub’ gegeben. Dazu kam, dass die Verwundeten vielfach sofort zurücktransportirt wurden, ein Vorgang, der Manchem zum Verderben gereichte.

Die Wunden blieben dem entsprechend keineswegs immer asep- tisch; ein beträchtlicher Theil wurde inficirt. Die äußere Wunde war meist geringfügig, das Geschoss riss nur verhältnismäßig selten Kleiderfetzen mit sich; dadurch blieben die meisten Fälle vor der Infektion bewahrt. Wunden, bei denen die Hautverletzung einen größeren Umfang hatte, wurden fast ausnahmslos inficirt. Das zweite Moment, das nach C.’s Meinung einen günstigen Einfluss auf den Verlauf der Verletzungen ausgeübt hat, ist das Klima. Die excessive Trockenheit der Luft bewirkte, dass sich über den Wunden vielfach ein trockner Blutschorf bildete, in welchem die Bakterien wegen Mangel an Feuchtigkeit keinen günstigen Ernährungsboden fanden. ln den Fällen dagegen, in denen wasserdichter Stoff über die Ver- bandgaze ausgebreitet worden war, beobachtete C. verhältnismäßig häufig Infektionen. Hier ist es ihm vorgekommen, dass schon ein paar Stunden nach der Verwundung ein stinkender Ausfluss aus dem Wundkanal bestand. Als man den wasserdichten Stoff wegließ, nahmen die Infektionen an Häufigkeit ab. Ferner konnte C. die Bevbach- tung machen, dass der Verlauf bei denjenigen Verwundeten sich am günstigsten gestaltete, welche nach der Verwundung längere Zeit auf dem Gefechtsfelde in der Sonne gelegen hatten. Wo durch dıe Ausdehnung der Verletzung die rasche Bildung eines trockenen Schorfes verhindert wurde, erfolgte nahezu regelmäßig eine Infektion.

C. hält es für unmöglich, eine wahre Asepsis von vorn herein zu erhalten. Die Verwundeten aus der Feuerlinie herauszubekommen, ist mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Außerdem werden die- selben durch den Transport der Gefahr einer weiteren Verwundung ausgesetzt. Der Arzt kann nicht viel ausrichten, er kann nicht alle die Erfordernisse zur Erzielung der Asepsis nach vorn bringen, und desshalb wird, was Sauberkeit angeht, cin vom Arzt angelegter Ver- band sich recht wenig von einem Verband unterscheiden, der von den Kameraden des Verwundeten angelegt ist.

C. sieht es desshalb als erstes Erfordernis an, das ausgetretene Blut gut aufzutrocknen und einen guten Schorf zu bilden. Er will das erreichen durch Anwendung antiseptischer Pulver, welche einer- seits die Flüssigkeiten e andererseits die Bakterien abtödten sollen, und C. hat versucht das einzuführen, doch weiß er nicht, ob seine Absichten zur Durchführung gelangt sind.

Da die Thätigkeit der Arzte zum größten Theil nach Schluss einer Aktion sich abspielt, also meist nach Eintritt der Dunkelheit,

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so erheischt die Beleuchtung der Operationszelte besondere Beach- tung. C. ist mit der Acetylenbeleuchtung sehr zufrieden gewesen. Weiss (Düsseldorf).

4) Frommer. Knochenkohle als Erfolg für Jodoform. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 12.)

Die wenig erfreulichen Erfolge, die mit der Anwendung der Kohle erzielt wurden, geben die Veranlassung von weiteren Proben abzusehen. Als üble Nebenwirkung ist vor Allem die Pigmentirung der Haut, welche besonders nach Kohlen-Glycerinemulsion eintritt, anzusehen. Borchard (Posen).

5) J. King. Remarks on sepsis and its treatment. (Buffalo med. journ. 1902. Märs.)

Verf. berichtet über günstige Erfolge mittels der Crede&’schen Silbersalbenbehandlung bei eitrigen Entzündungen der weiblichen Beckenorgane. Besonders bei beginnenden eitrigen Parametritiden sah er auffallend schnellen Rückgang zunächst der Allgemein-, später auch der Lokalerscheinungen. In der Diskussion wurden gute Erfolge bei gonorrhoischer Erkrankung des Uvealtractus des Auges, bei Sepsis nach Abort, bei erysipelatöser Mittelohrentzündung mitgetheilt. Mohr (Bielefeld).

6) P. J. Tanfilljew. Jodtinktur bei Erysipel. (Wojenno-med. journ. 1902. Januar. [Russisch.])

Von 42 Fällen erzielte Verf. in 35 sehr gute Resultate bei folgender Therapie: kleine Herde werden vollständig, größere an der Peripherie mit Jodtinktur bepinselt, wobei je 2 cm vom Kranken und Gesunden bestrichen werden, und zwar täglich 2mal und häufiger, so dass die Farbe immer tiefbraun bleibt.

Gückel (Medwedowka, Kiew).

7) Brindel. Des mastoidites latentes et des dangers de

Vexpectation dans les suppurations de l’oreille moyenne. (Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1902. No. 7—9.)

Verf. hat eben so wie viele andere seiner Specialkollegen auch in seinem Wirkungskreise Gelegenheit gehabt, sich über die Nach- lässigkeit zu beklagen, mit der nicht allein Laien, sondern auch Arzte immer noch Otorrhoen behandeln. Wenn auch die berechtigte Besorgnis vor den das Leben bedrohenden, schweren, intrakraniellen Komplikationen der Mittelohreiterungen immer mehr bekannt ge- worden ist, so giebt es doch auch heut zu Tage noch zu viel Fälle, in denen viel zu lange mit der Herzuziehung eines sachverständigen Ohrenarztes gezögert wird. Und dies vornehmlich bei den sog. »latenten« Mastoiditiden, mit denen sich Verf. vornehmlich in seiner ausführlichen Arbeit beschäftigt. Er theilt die Entzündungen des

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Warzenfortsatzes in 4 Formen ein: 1) Die akute von Anfang an unter schwersten Allgemeinerscheinungen und mit Betheiligung des Warzenfortsatzes verlaufende (»osteomyelitische«). 2) Die gewöhnliche, akute Form, bei der die Symptome im Os mastoideum und in der Paukenhöhle bezw. am Trommelfell Hand in Hand gehen, bei der mit Zunahme des Ausflusses die Schmerzen am Knochen nachlassen und eine Besserung des Allgemeinbefindens eintritt und umgekehrt (die >klassische«e Mastoiditis). 3) Die mehr subakute, schubweise auftretende, und endlich 4) die schleichende (»latente«) Form, bei der der Allgemeinzustand ein unverhältnismäßig guter, die Schmerzen gering sind, und sich ganz allmählich unter den weiter unten aus- führlich zu erörternden Symptomen eine Mastoiditis entwickelt. Dass es natürlich Übergangsformen giebt, bedarf kaum der Erwähnung. Bei dieser letzten, 4. Form hat Verf. öfter das Fehlen jeglichen Ausflusses im Moment des operativen Eingriffs beobachtet. 6 bis 12 Wochen nach Auftreten einer akuten Mittelohreiterung, die bis dahin fast oder ganz erloschen ist, entwickelt sich unter zeitweiligem Eingenommensein des Kopfes, geringer Störung der Arbeitsfähigkeit, bei meist normaler Temperatur, leidlichem Appetit und Schlaf eine geringe Schwellung und Druckempfindlichkeit am Warzenfortsatz, und bei der Aufmeißelung findet sich eine kolossale, sehr oft bis zur Dura und besonders zum Sinus reichende Zerstörung; diese auf- fallende Inkongruenz der Symptome und des schweren Operations- befundes ist charakteristisch für diese subakuten, »latenten« Fälle von Mastoiditis, wie auch Ref. häufig zu beobachten Gelegenheit hatte. Verf. betont dann noch die große Wichtigkeit einer minu- tiößsen Lokaluntersuchung; ätiologiech spielten in seinem Material vorhergegangene Masern, Scharlach und Influenza eine große Rolle. Somit warnt Verf. eindringlich davor, sich durch den guten All- gemeinzustand zu lange von der Operation abhalten zu lassen, die dann wirklich zu den segensreichen gehört und die schweren Kom- plikationen, wie Abscess und Meningitis, verhütet. Am Schluss führt Verf. einige Fälle hiervon an. F. Alexander (Frankfurt a/M.).

8) E. Lexer. Zur Operation des Ganglion Gasseri nach

Erfahrungen an 15 Fällen. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV, Hft. 4.)

Verf. schickt der interessanten Schilderung seiner reichen Er- fahrungen einen Fall voran, bei welchem ein in der hinteren Schädel- grube gelegenes Psammom außer den Erscheinungen der Trigeminus- neuralgie so wenig charakteristische Geschwulstsymptome gemacht hat, dass man überhaupt nicht an eine Hirngeschwulst dachte und zur Exstirpation des Ganglion Gasseri schritt. In der Litteratur sind analoge Fälle mehrfach enthalten, wie aus einer beigefügten Zusammenstellung ersichtlich ist.

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Um die Gefahren der Operation zu verringern, hat L. einen neuen rundlich gebogenen Spatel konstruirt und ferner den Lappen in der Schläfe kleiner gebildet, dafür aber das Operationsfeld nach unten durch temporäre Jochbeinresektion und Wegnahme der Schädel- basis bis ins Foramen ovale vergrößert. Um bei dem Hautschnitt nicht den für den Musc. orbicularis oculi bestimmten Facialisast zu verletzen, legt Verf. den Hautschnitt so an, dass der vordere Lappen- schnitt etwas oberhalb des oberen Jochbeinwinkels beginnt, während der hintere fingerbreit vor dem Ohre liegt. Nach oben soll der Lappen nicht über die Linie hinausgehen, die den Margo supra- orbitalis mit dem Rand der Ohrmuschel verbindet. Um Zeit bei der Operation zu gewinnen und die Knochennekrose zu vermeiden, hat L. in den letzten Fällen den Knochen entfernt. Der temporären Jochbeinresektion und Loslösung des Lappens folgt die Eröffnung der Schädelhöhle. Die Unterbindung der A. meningea media hält L. für nothwendig. Nach diesem Akt wird die Schädelbasis noch bis ins Foramen ovale hinein fortgenommen. Darauf wird der Ober- körper des Kranken hoch gelagert. Durch den Rückfluss des Liquor cerebrospinalis sinkt das Gehirn in die Schädelhöhle zurück, braucht nicht gehoben zu werden, und die venöse Blutung wird während der weiteren Operation erheblich geringer.

Bei der Präparation und Entfernung des Ganglion wurden im Ganzen die Krause’schen Vorschriften befolgt. Bei der Präparation des ersten Trigeminusastes, die für die vollkommene Ganglion- exstirpation sehr wichtig ist, soll der obere Rand desselben nur an der Stelle freigelegt werden, wo er sich mit dem Stamme verbindet. Statt der Herausdrehung des Ganglion wurde in 4 Fällen eine Aus- schneidung desselben vorgenommen. Die Operationsdauer betrug 45 Minuten bis höchstens 1'/, Stunden. Die Stillung der venösen Blutung ist meist durch Tamponade zu erreichen. Eine gewisse Verletzung des Sinus cavernosus muss bei der Entfernung des Gan- glion immer eintreten. Nur einmal aber ist L. genöthigt gewesen, wegen starker Blutung in Anbetracht des Alters des Pat. die Opera- tion abzubrechen. Nachblutungen sind nicht vorgekommen. Ein in das Cavum Meckelii eingeführter lockerer Gazetampon genügt, diese zu verhindern. Der Abfluss von Liquor kann durch die Hochlagerung stark gemindert werden. Etwaige Verwachsungen zwischen Dura und Ganglion können die Entfernung des letzteren sehr erschweren. Ein Drainrohr legt L. nicht ein. Nach Ablauf der 1. Woche sind die Tampons meist ganz wegzulassen.

Was die Erfolge des Eingriffs anlangt, so sind 12 Pat. völlig beschwerdefrei; einmal trat eine Erkrankung auf der nicht operirten Seite ein, einmal ein Recidiv; der obeh erwähnte Fall von Geschwulst endete tödlich durch Meningitis. Nur einmal traten Gehirnstörungen (vorübergehende Aphasie und Somnolenz) auf, häufig dagegen Augen- störungen. Die Keratitis ist keine neuroparalytische, tritt folglich auch nicht jedes Mal auf. Sie wurde 3mal beobachtet, 2mal Con-

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Junctivitis. Jedenfalls erfordert das Auge große Pflege. Spateldruck und Tamponade bei starker Blutung führen leicht zu Schädigung des Abducens. In 9 Fällen traten gar keine Störungen am Auge auf, imal trat Heilung mit Hornhauttrübung ein. Ferner bestand je imal Hornhauttrübung und Erkrankung der anderen Seite, bleibende Abducenslähmungen, unvollkommen zurückgebildete Ab- ducenslähmung.

Bezüglich der Indikation zu dem Eingriff wurden die Vorschriften von Krause befolgt und das Verfahren nur für die schwersten Fälle mit Betheiligung aller 3 Trigeminusäste meist nach vorausgegangenen Theilresektionen aufbewahrt.

Den ausführlicher mitgetheilten einzelnen Krankengeschichten folgt als Anhang eine von W. Türk gesammelte Zusammenstellung der ausgeführten Exstirpationen des Ganglion Gasseri, im Ganzen 201 Fälle. Als dauernd geheilt sind davon 156 zu betrachten, d. i. 93,4% der Überlebenden. Bei den Recidiven ist zwischen wirklichen und scheinbaren zu unterscheiden. Im Verhältnis von 2 zu 3 wurde die Operation auf der rechten Seite ausgeführt. 10mal führte profuse Blutung zur Unterbrechung des Eingriffs. 9mal wurde der Sinus cavernosus in größerer Ausdehnung verletzt. Öfters waren leichtere Störungen des Allgemeinbefindens nach der Operation zu konstatiren, wie Delirien, länger anhaltendes Erbrechen, starke Kopfschmerzen. Stärkere Störungen waren Lähmungen, von denen des Abducens bis zu völliger Hemiplegie. Die Augenstörungen führten 4mal zu Phthisis bulbi und Enukleation des Auges. 2mal trat Erblindung durch Keratitis ein. 33 Pat., d.i. 17%, sind gestorben im direkten Anschluss an die Operation oder bald nach ihr. Weitere wichtige Einzelheiten, die aus der gegebenen statistischen und tabellarischen Übersicht hervorgehen, mögen im Original eingesehen werden.

E. Siegel (Frankfurt a/M..

9) M. Hajek (Wien). Über die Radikaloperation und ihre

Indikation bei chronischem Empyem der Kieferhöhle. (Wiener klin. Rundschau 1902. No. 4.)

Akute Empyeme der Kieferhöhle sollen niemals radikal operirt werden; sie heilen entweder spontan oder durch Punktion und Aus- spülung. Nur wenn sie von kranken Zähnen ausgehen, ist die Ent- fernung des betreffenden Zahns und die Durchbohrung der Alveole nöthig. Verf. hat eine große Reihe von akuten Fällen durch nur etwa 4 Ausspülungen definitiv geheilt. Auch bei subakuten und chronischen Füllen ist die Hoffnung nicht aufzugeben, dass sie durch konservative Behandlung ausheilen. Gelingt dies nicht, so ist die radikale Operation angezeigt. Die verschiedenen Methoden hierfür sind eigentlich nur Modifikationen des alten Desault-Küster’schen Verfahrens. Verf. selbst geht stets so vor, dass er die Schleimhaut der Kieferhöhle nicht ganz entfernt, sondern nur die kranken Stellen.

Centralblatt für Chirurgie. No. 19. 525

Bisher pflegte er nun die Nachbehandlung von der primären Opera- tionswunde, also von der Mundhöhle aus zu leiten. Außer der That- sache, dass die definitiven Heilungen hierbei gar nicht sehr zahlreich waren, blieb vor allen Dingen fast stets der Übelstand einer stän- digen Fistel zurück, die in die Mundhöhle führte, und die in Folge dessen vor dem Essen verstopft werden musste. Da also Verf. mit diesen Ergebnissen nicht zufrieden sein konnte, ersann er eine Me- thode, die die Vortheile seines bisherigen Vorgehens verbindet mit der Vermeidung seiner Schattenseiten. Er legt die Kieferhöhle vom Mund her frei, beseitigt die kranken Theile ihrer Schleimhaut und legt dann eine Dauerfistel durch die Nase an. Die Nachbehandlung gestaltet sich überraschend einfach; die Erfolge bezeichnet er als günstige. Das Einzelne des Operationsverfahrens muss im Original nachgelesen werden.

Während er sein Verfahren schon ausübte, wurde es im Aus- land von Luc und Caldwell ebenfalls publicirt.

Schmieden (Bonn).

10) A. S. Tauber. Über Beseitigung impermeabler Öso-

phagusstrikturen mittels temporärer Gastrostomie. (Wojenno-med. journ. 1902. Januar. [Russisch.])

In 2 Fällen von Gastrostomie bei Speiseröhrenstriktur nach Ver- ätzung mit Lauge bemerkte T. Wiederherstellung der Durchgängig- keit in der Speiseröhre. Er erklärte sich den Vorgang so, dass in Folge der Verwachsung des Magens mit der Bauchwand die Speise- röhre gedehnt wird und die queren Falten im unteren Abschnitt derselben sich glätten. In einem dritten Falle fand T. bei der Sek- tion die Bestätigung dieser Hypothese: die queren Falten waren in longitudinale umgewandelt. Verf. meint, dass bei rechtzeitiger Be- handlung (vor der Inanitionsperiode) dasselbe Resultat durch einfache Gastropexie (Annähen des oberen Theils der vorderen Magenwand an die Bauchwand) erreicht werden kann.

Gückel (Medwedowka,', Kiew).

11) Ochsner (Chicago). Vermeidbare Appendicitiskompli- kationen. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 8.)

O. empfiehlt beim akuten Appendicitisanfalle während seiner Dauer vollständige Entziehung der Nahrung auf gewöhnlichem Wege, Rectalernährung und regelmäßige Magenausspülungen, wenn Brech- reiz vorhanden ist. Nur kleine Mengen heißen Wassers werden öfters gereicht, die Nährklysmen vierstündlich verabfolgt, Abführmittel und große Klystiere niemals angewandt. Durch diese Behandlungsart erreichte O. in Folge der Ruhigstellung des Darmes sowohl in leichten, wie in schwersten Fällen, dass der septische Process umschrieben blieb, und alle Komplikationen, welche von der Verbreitung der In-

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fektion abhängen, verhütet, dass die Exstirpation des Wurmfortsatzes nach Ablauf der akuten Erscheinungen und nach Erholung des Kranken erfolgreich ausgeführt werden konnte. 17 Operations- geschichten aus den letzten 4 Monaten illustriren mit O.s Statistik seines Gesammtmaterials aus 31/, Jahren den Werth seiner im Gan- zen in 620 Fällen zur Anwendung gekommenen Methode. Wenn von diesem Gesammtmaterial 21 Fälle von Appendicitis mit diffuser Peritonitis in Abzug gebracht werden, so verbleiben 192 von perfora- tiver oder gangränöser Appendicitis mit umschriebener oder beginnen- der diffuser Peritonitis, von denen 95% durch Operation nach An- wendung obiger Methode geheilt wurden, und 407 Fälle, die, im Intervall oder während der ersten 36 Stunden des Anfalls auf- genommen wurden und, sämmtlich operirt, bis auf einen zur Heilung gelangten. Kramer (Glogau).

12) O. Lanz. Weg mit der Taxis! (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 5.)

Von den bekannten unberechenbaren, unliebsamen bis lebens- gefährlichen Zufällen, welche im Anschluss an eine Taxis auftreten können, hat L. eine nicht geringe Zahl beobachtet. Es sind ihm wiederholt Bruchkranke zugekommen, bei denen der bereits vom Pat. selbst durch Repositionsversuche maltraitirte eingeklemmte Darm durch die ärztlicherseits vorgenommene Taxis schwer geschädigt worden, eine bereits brandige Darmschlinge in die Bauchhöhle zurück- geschoben, eine Massenreduktion ausgeführt worden war. L. wirft desshalb die Frage auf, ob denn wirklich bei der gegenwärtigen Ent- wicklung der chirurgischen Technik, bei der Sicherheit unserer asep- tischen Wundbehandlung die Taxis zur Zeit noch einen dem Stande ärztlichen Wissens und medicinischer Erkenntnis entsprechenden Eingriff darstelle, ob nicht vielmehr der sicherere und einzig richtige Weg bei jeder Incarceration, zu welcher ärztliche Kunsthilfe ver- angt wird, in der sofort auszuführenden Herniotomie mit der

das Bruchleiden beseitigenden Radikaloperation einzuschlagen sei. Kramer (Glogau).

13) Boas. Über Magensteifung. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 10.)

Es handelt sich bei diesem Kontraktionsphänomen um ein Ana- logon der Darmsteifung. Dem Krankheitsbild liegt nicht ein sekun- därer nervöser Gastrospasmus zu Grunde, sondern eine wenn auch mäßige Pylorusstenose. Die Magensteifung ist gewissermaßen als das erste Zeichen für das Vorliegen eines zunächst noch überwind- baren Hindernisses am oder in der Nähe des Pylorus aufzufassen. Um das Phänomen in genügender Schärfe zur Anschauung zu bringen, bedarf es der Untersuchung des Magens in stark gefülltem Zustande und auf der Höhe der Verdauung, d. h. 3—4 Stunden nach einer ergiebigen Mittagsmahlzeit. Unterstützende Faktoren sind anhalten-

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des Reiben des Fundus mit der in kaltem Wasser abgekühlten Hand oder nach Ätheraufträufelungen oder nach Faradisation.

Die Magensteifung ist ein Zeichen beginnender Pylorusstenose, und zeigt die nahezu völlige Aussichtslosigkeit der internen Therapie bei der Behandlung der etwaigen Beschwerden. Borchard (Posen).

14) Nagano. Beobachtungen an einer Thiry’schen Fistel beim Menschen. (Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie Bd. IX. Hft. 2.)

Zum Zwecke der späteren Plastik einer angeborenen Blasenspalte hatte v. Mikulicz bei einem Pat. eine 8 cm lange Dünndarmschlinge ausgeschaltet und nach Art einer Thiry’schen Fistel in die Bauch- wunde eingepflanzt. Die Schlinge war mit dem Mesenterium dem untersten Theil des Dünndarms entnommen. Das nach dem Magen zu gelegene Ende war offen gelassen und in die Bauchwunde genäht, das andere geschlossen und versenkt worden. An dieser Fistel konnte N. 7 Wochen hindurch Studien machen.

Die Temperatur in ihr war etwas höher als in der Achselhöhle, zeigte aber zwischen Vor- und Nachmittag keinen Unterschied. Der secernirte Darmsaft wirkte nicht auf Eiweiß und Fette, sehr schwach auf Rohrzucker und Stärke, garnicht auf Milchzucker. Jodkali, Wasser, Maltose, Rohrzucker wurden gut resorbirt, weniger gut Milchzucker. Die Versuche lehrten, dass zur Resorption dieser Zuckerarten die vorherige Umwandlung durch Fermente nicht noth- wendig ist. In seinem ganzen Verhalten zeigte also das ausgeschaltete Darmstück das gleiche Verhalten wie ein entsprechendes Stück aus dem Darm des Hundes. Haeckel (Stettin).

15) W. Langdon Brown. Pylephlebitis. (St. Bartholomew’s hospital reports 1902. Vol. XXXVII.)

Die vorliegende sorgfältige Arbeit giebt eine abgerundete und umfassende Darstellung der Ätiologie und des klinischen Bildes der genannten Krankheit. In den einleitenden anatomischen und physio- logischen Bemerkungen erörtert B. die Frage, auf welchem Wege sich bei Verschluss der Pfortader eine kompensatorische Cirkulation ausbilden kann. Es kommen hier in Betracht die im Ligamentum suspensorium verlaufenden so wie die umbilicalen und parumbilicalen Venen, ferner Anastomosen zwischen der linken V. coronaria ventri- culi und den oberen Speiseröhrenvenen, Anastomosen zwischen der oberen und den unteren Hämorrhoidalvenen, endlich die aus der Darmwand kommenden und mit den Pfortaderwurzeln anastomosiren- den Venen, welche in die V. cava münden. Mit Hilfe dieser Bahnen kann die mechanische Kreislaufstörung ausgeglichen werden; der Nachtheil aber, dass vom Darm her resorbirtes Material dem all- gemeinen Blutstrom zugeführt wird, ohne vorher die Leber zu pas- siren, wird nicht beseitigt.

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Verf. wendet sich sodann zu den verschiedenen Arten von Pfort- adererkrankung.

I. Pylethrombosis. Ihre Entstehung ist hauptsächlich auf 2 Faktoren zurückzuführen: 1) Veränderungen im Kaliber der Pfort- ader, 2) Veränderungen in der Zusammensetzung ihres Blutes. Beide Bedingungen werden durch die Lebercirrhose erfüllt, die desshalb die gewöhnlichste Ursache darstellt. Nächst ihr sind am häufigsten bösartige Geschwülste, Syphilis, chronische Peritonitis, Entzündungen der Gefäßwand. Eine viel bedeutendere Rolle in der Ätiologie, als bisher angenommen, theilt Verf. den Bakterien zu. Er ist der An- sicht, dass nur rapide Invasion stärker virulenter Bakterien zu eitriger Pylephlebitis führt, dagegen bei einem weniger intensiven infektiösen Process Pylethrombose resultirt. Auch ein Theil der marantischen Thromben beruht in Wirklichkeit auf Infektion. Finden sich außer im Gebiet der V. portae noch in anderen Gefäßen Thromben, so spricht dies für eine infektiöse Ursache.

Aus den weiteren Kapiteln über Krankheitsverlauf und Sym- ptomen ist hervorzuheben, dass, allgemein gesprochen, vorhandener Ascites auf Verschluss des Stammes der V. portae schließen lüsst, Hämatemesis auf Verschluss der V. splenica, Schmerz, Erbrechen, Durchfälle, Collaps auf Verschluss der V. mesenterica superior. Die Prognose ist ungünstig; nur ausnahmsweise kommen Heilungen vor. Über Behandlung ist wenig gesagt; nur kurz wird ein Fall von erfolgloser Omentofixatio erwähnt und dabei die Gefahr betont, durch die Operation die weitere Ausdehnung der Thrombose zu begünstigen.

II. Pylephlebitissuppurativa. Außer in den seltenen Fällen »retrograder« Infektion entwickelt sich die eitrige Pfortaderentzün- dung stets von einem Infektionsherd in der Nachbarschaft der Pfort- aderwurzeln aus, meistens dem Magen-Darmkanal. Geschwürige Pro- cesse in demselben führen aber fast niemals direkt zu Pylephlebitis auch nicht die ausgedehnten Geschwüre bei Dysenterie und Typhus —, sondern gewöhnlich nur dann, wenn sie Eiterungen in der Umgebung des Darmes hervorrufen. Daher stehen ätiologisch in erster Reihe die Entzündungen von Blinddarm und Wurmfortsatz (42%), ihnen folgen die des Mastdarms und das Magengeschwür. Die weiteren Ausführungen über Symptomatologie, Verlauf, Differential- diagnose lassen sich im Rahmen des Referats nicht wiedergeben.

Das Leiden endet fast immer tödtlich. Gelegentlich ist chirur- gisches Eingreifen, das in Eröffnung der Leberabscesse oder des ursprünglichen Eiterherdes zu bestehen hat, angezeigt und von Erfolg. Injektionen von Antistreptokokkenserum versprechen keinen Nutzen, da es sich meist um Mischinfektion handelt.

Den Schluss der Abhandlung bildet eine reichhaltige kasuistische Zusammenstellung mit einer Anzahl von Krankengeschichten und Sektionsprotokollen. Kleinschmidt (Kassel).

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Kleinere Mittheilungen.

Zur Frage der Darmausschaltung mit totaler Occlusion. Von

Dr. F 0 Kammerer, Chirurg am Deutschen und St. Francis-Hospital zu New York, Professor der Chirurgie am Cornell Univ. Med. College.

In einer kürzlich erschienenen Mittheilung von Dr. Wiesinger (Hamburg) ! »Über Dauerresultate bei Darmausschaltung« unterwirft der Autor die ihm bekannt gewordenen 4 Fälle von totaler Darmausschaltung mit Occlusion einer kritischen Besprechung. Es heißt hier wörtlich: »Es bleibt somit von den 4 totalen Darm- ausschaltungen mit totaler Occlusion, welche existirten, nur der von mir operirte übrig«.

Ich babe in den Jahren 1897 und 1899? je eine Publikation über diesen Gegen- stand veröffentlicht und unter anderen Fällen, besonders in meiner letzten Publi- kation, eines Falles Erwähnung 'gethan, bei welchem ich eine totale Ausschaltung und Ocelusion nach mehrfachen operativen Eingriffen herbeiführte, und ich habe damals erwähnt, dass Pat. zur Zeit, 1 Jahr und 8 Monate nach völligem Verschluss, auch nicht die geringsten Beschwerden verspürt habe. Bei dem Interesse, das in den letzten Jahren der totalen Ausschaltung. plus Occlusion, gewidmet wurde, und in Anbetracht der Thatsache, dass mein Fall in den mir bekannt gewordenen Publikationen deutscher Fachblätter keine Erwähnung gefunden hat, möchte ich denselben nochmals kurz beschreiben. Maßgebend für diese Mittheilung ist mir allerdings der Umstand, dass jetzt weitere 3 Jahre verflossen sind, und sich Pat., den ich vor einigen Tagen Gelegenheit hatte zu untersuchen, dauernd wohl be- findet.

G. T., 53 Jahre alt, bekam vor 7 Jahren in Folge dreier Operationen wegen Appendicitis eine Darmfistel in der rechten Inguinalgegend, aus welcher sich fast aller Koth entleerte. Nur zeitweise gingen kleine Mengen per anum ab. Nach einem vergeblichen Versuch, durch Freilegung der Fistelöffnung im Darm und Resektion die Offnung zu schließen, wurde im März 1596 der Dünndarm 6 Zoll vor seinem Eintritt ins Colon ascendens quer durchtrennt und mittels Murphy- knopfs in die Mitte des Colon transversum implantirt. Hierdurch wurde bei Weitem der größte Theil des Darminhalts per vias naturales abgeleitet. Es wurde nun ein weiterer Versuch gemacht, die Fistel zu schließen; derselbe misslang ebenfalls. Desshalb wurde im December 1896 das Abdomen wieder eröffnet und das Colon transversum kurz vor der Einmündungsstelle des Ileum quer durchtrennt. Die beiden Lumina wurden durch die Naht geschlossen. Somit waren 6 Zoll Ileum, das Colon ascendens und die Hälfte des Colon transversum total ausgeschaltet, indessen bestand noch eine Kommunikation nach außen durch die große Fistel in der Inguinalgegend. Durch einen Prolaps der der Fistel gegenüberliegenden Darmwand, der durch Apparate nicht zurückgehalten werden konnte, weit mehr als durch die mittlerweile sehr gering gewordene Sekretion aus der Fistel selbst war Pat. recht belästigt. Im August 1897 wurde desshalb die Fistel umschnitten und der große Defekt in der Darmwand mittels Naht geschlossen. Dies Mal er- folgte die Heilung nach Wunsch, und ist der Verschluss ein dauernder geblicben.

Ich habe früher3 die Fälle von Baracz, Obalinski, Friele und Wie- singer und noch einen weiteren von Parkhill analysirt. Beim letzteren han- delte es sich allerdings um totalen Verschluss einer Dünndarmschlinge von un-

1 Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. Hft. 1 u. 2. 2 Med. record 1897. Februar 20; 1599. Juli 1. 3 Med. record 1899. Juli 1.

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bekannter Länge, deren Träger nach 1!/, Monat noch vollkommen gesund war! Dass eine so kurze Beobachtungsdauer für die Frage der totalen Occlusion nicht verwerthbar ist, versteht sich von selbst, wenn man die große Versuchsreihe von Bargcz in Erwägung zieht. Derselbe fand nach 400-500 Tagen die abgeschlos- sene Schlinge noch mit einer großen Menge meconiumähnlichen, stinkenden Breies angefüllt.

Klinische Beobachtungen beweisen ebenfalls, dass totaler Verschluss unter gewissen Bedingungen kein gefahrloser Eingriff ist. Gewiss sollten, wie Wie- singer empfiehlt, alle Fälle von pathologisch verändertem Darm von solchem Verfahren ausgeschlossen sein, bei denen es sich um vermehrte Sekretion durch Ulceration etc. handelt. Aber es scheint auch verwegen, einen normalen Darm- abschnitt sofort ganz zu verschließen. Ich habe an anderer Stelle darauf hin- gewiesen, dass ein Darmabschnitt durch Außerfunktionstellung atrophirt, und ich habe beim Lebenden Gelegenheit gehabt, dies mehrfach bei späteren Operationen zu konstatiren. Dies bezieht sich sowohl auf einen partiell, wie auf einen total ausgeschalteten Darm. Die Sekretion nimmt hier rasch ab, und darin liegt der Kernpunkt der Frage der totalen Occlusion. Man sollte letztere eben nicht vor- nehmen, bevor man nicht monatelang eine ausgeschaltete Darmpartie mit wenig- stens einer Öffnung nach außen versehen hat. Und vielleicht wäre es noch besser, die Offinungen im ausgeschalteten Stück so anzulegen, dass man eine gründliche Durchspülung der später abzuschließenden Partie vornehmen könnte. Bei meinem Pat. ist von einer aufgeblähten Schlinge nichts nachzuweisen, er befindet sich jetzt, 4 Jahre und 8 Monate nach völligem Verschluss, dauernd wohl und arbeitet angestrengt; direkt unter der Fistelnarbe ist jedoch eine weiche, eindrückbare Masse zu fühlen, die wohl als etwas Inhalt in der abgeschlossenen Darmpariie aufzufassen ist.

16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 123. Sitzung vom 10. März 1902. Vorsitzender: Herr Schjerning.

Herr Schjerning gedenkt zunächst des Verlustes, den die Freie Vereinigung durch den Tod eines ihrer Vorsitzenden, des Geh. Med.-Rath Prof. Dr. J. Wolff erlitten hat, der am 18. Februar d. J. durch eine Apoplexie dahingerafft wurde.

1) Herr Schmidt: Schussverletzungen der Wirbelsäule.

Angeregt durch die Beobachtung von 7 Wirbelsäulenschüssen, welche 8. im südafrikanischen Krieg klinisch und zum Theil auch an der Leiche beobachtet hat, bespricht er die Frage eines operativen Eingriffs bei diesen Verletzungen. Die meisten Autoren versprechen sich von einer Operation bei den Kriegsverletsten wenig oder gar nichts; die Chirurgen, welehe sonst in Südafrika waren, gehen auf die Frage nicht näher ein. 8. betont aber, dass dieser reservirte Standpunkt bei den Verletzungen der Wirbelsäule, welche das trübste und jammervollste Bild darstellen, das überhaupt gedacht werden kann, nicht angebracht ist. Zeigt doch die Friedensstatistik, dass bei den operirten Fällen 62,5%, bei den nicht operirten nur 24% Heilungen erfolgten, und von den Fällen, welche im Verlauf des Krieges 1570/71 operirt wurden (10), Behufs Extraktion des Geschosses, Entfernung von Knochensplittern, Eröffnung von Eiterretentionen, sind ebenfalls 60% geheilt. Das muss ermuthigen, zu Messer, Meißel und Kugelzange zu greifen. Auch zur Kugel- zange. Während wir sonst das Geschoss nicht ohne zwingenden Grund entfernen, bei der Wirbelsäule ist seine Extraktion eine dringende Nothwendigkeit; ein Im Wirbel eingekeiltes Geschoss übt einen immerwährenden Reiz auf das Rücken- mark; liegt das Geschoss im Wirbelkanal, so drückt es das Rückenmark und setzt die schwersten Schädigungen, die durch die Senkung des Geschosses noch erheb- licher werden. Die Indikation zum Eingreifen ist gegeben, wenn unter Benutzung des Röntgenbildes mit annähernder Gewissheit angenommen werden kanı, dass es sich um mehr als eine bloße Commotio medullae spinalis handelt. Für die sonstigen Indikationen zum operativen Eingreifen, wie sie deprimirte Fragmente,

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eingespießte Splitter, Hämatome und Abscesse um das Rückenmark darstellen, ist der klinische Verlauf entscheidend. S. weist darauf hin, dass schon Heister die Indikation zum operativen Eingriff aus diesen Momenten in treffender Weise gestellt hat.

2) Herr Berger: Indirekte Folgen glatt verheilter Schussver- letzungen. (Mittheilungen aus China.)

Dass glatt verheilte Schussverletzungen von Erkrankungen begleitet oder ge- folgt sind, die auf einer Schädigung der in der Nachbarschaft des Wundkanals liegenden Gewebe beruhen, ist für den ärztlichen Gutachter von größter Bedeutung. B. theilt mehrere einwandsfreie derartige Beobachtungen mit. Zunächst schildert er 2 Fälle, in denen sich eine motorische Schwäche im Gebiet des N. ulnaris ent- wickelte einige Wochen nach einer Schussverletzung. Im 1. Falle war bei einer Begutachtung ein Zusammenhang mit der Verletzung verneint worden, weil Ein- und Ausschuss eine Verletzung des Nerven unmöglich erscheinen ließen. B. ent- schied sich für den Verletzten. Er hat in Ostasien bei dem 2. Falle 5 Wochen nach einer Schussverletsung des Vorderarms durch das Lig. interosseum eine Parese im N. ulnaris auftreten sehen, wo vorher kein Symptom einer Nervenläsion bestand. Ferner sah er Gelenkentzündungen auftreten, ohne dass das Gelenk selbst verletzt war; bei einem Brustkontourschuss, dessen Einschuss am rechten Sternoclaviculargelenk, dessen Ausschuss unter dem linken Schultergelenk saß, entwickelte sich trots glatten Wundverlaufs eine trockene Gelenksentzündung der linken Schulter. Endlich berichtet er über eine Brustfellentzündung, die 5 Tage nach einem Brustschuss auf der der Verletzung entgegengesetzten Seite auftrat.

3) Herr Martens: Zur Kasuistik der Schussverletzungen des Magens.

Ein Mädchen, das einen Einschuss (7 mm-Revolver) im 6. linken Interkostal- raum in der Mammillarlinie hatte, wurde mit den Erscheinungen des Collaps, heftiger Bauchschmerzen und Blutbrechens eingeliefert. Bei der alsbald vorge- nommenen Laparotomie fand sich in der Bauchhöhle kein Inhalt, der Magen ließ sich wegen ausgedehnter Verwachsungen zwischen Magen, Leber, Colon und Netz nicht hervorziehen. Schluss der Bauchhöhle. Nach der Operation erfolgte noch einmal Erbrechen. Es entwickelte sich ein linksseitiger Hämatothorax, und Pat. starb. Bei der Sektion fanden sich 3 Liter Blut in der Pleurahöhle; der Schuss ging durch die Lungenbasis, durch das Zwerchfell, den linken Leberlappen und hatte 4 cm unter der Cardia als Kontourschuss die kleine Curvatur des Magens getroffen; die ausgedehnten Verwachsungen um den Magen wurden bestätigt. Es stellte sich nachträglich heraus, dass Pat. im Kindesalter eine Peritonitis durch- gemacht hatte.

M. betont, dass im Frieden andere Indikationen gelten, als im Krieg; in der König’schen Klinik wird operirt, sobald nur der Verdacht einer Verletzung des Magens besteht.

4) Herr Israel: Zwei Demonstrationen zur Ureterchirurgie.

a. I. sah sich bei einem Mann vor die Aufgabe gestellt, eine Nierenfistel nach Nephrotomie bei einer Solitärniere zu beseitigen. Bei dem Pat. war in Port Elisabeth vor 11/, Jahren eine schmerzhafte linksseitige Geschwulst unterhalb des Nabels incidirt worden; es blieb eine Urinfistel; 3 Monate später wurde von einem Lumbalschnitt nach einem Nierenstein gesucht, ohne Erfolg; sämmtlicher Urin entleerte sich durch die Fistel, die in der linken unteren Bauchgegend lag. Die Niere war nicht palpabel. Die Cystoskopie ergab zwei Harnleiteröffnungen, die rechte war abnorm weit, war der Medianlinie genähert und lag zu hoch. Wenn man die Nierenfistel verschloss, entleerte sich der Urin nur aus dem kontralateralen rechten Harnleiter in die Blase. Es handelte sich also um eine hydronephrotische Solitärniere mit 2 Harnleitern, von denen nur der rechte unvollständig durchgängig war; es war an der Grenze von Harnleiter und Nierenbecken ein Hindernis anzu- nehmen. Ein Versuch, dasselbe operativ zu beseitigen, missglückte, da die Niere

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vor der Wirbelsäule lag und extraperitoneal schwer zugänglich war. Es wurde die Nierenfistel vernäht, sie musste aber bald wieder geöffnet werden. I. half nun dem Pat., indem er durch eine Drainage den Urin aus der Fistelöffnung in die Blase leitete, an der er vorher eine Schrägfistel angelegt hatte. In jede Fistel führte er ein mit einem Kragen versehenes Katheterstück; der Kragen verhinderte das Hineinschlüpfen der Katbeterstücke. Beide Katheter wurden durch eine sil- berne Röhre verbunden, so dass die Passage nicht abgeknickt werden konnte. Die Drainage funktionirt ausgezeichnet, der Pat. befindet sich sehr wohl dabei.

b. I. stellt eine Kranke vor, welche er von einer Harnleiter-Gebärmutterfistel nach seiner Methode, der vollkommen extraperitonealen Uretero-Cystoanastomnse, geheilt hat. J. bespricht.-sein Vorgehen, er hebt die Vortheile der extraperite- nealen Methode hervor, besonders bei starrem Harnleiter und starrer Blase, wie sie bei Frauen in Folge der Adnexerkrankungen oft vorliegen; die Methode ge- stattet eine bequeme Lösung des Harnleiters und Annäherung an die Blase. Auch ist die Infektion des Bauchfells sicher ausgeschlossen. Der Harnleiter wird vor der Vernähung mit der Blase aufgeschlitzt, Schleimhaut mit Schleimhaut und Muskulatur mit Muskulatur vernäht.

5) Herr Hildebrandt: Demonstration von Schädelschüssen. /Mit- theilungen aus Transvaal.)

H. demonstrirt zuerst das Präparat eines perforirenden Kleinkaliber-Streif- schusses des Schädels. Es handelte sich um einen tiefen penetrirenden Streif- schuss, d. h. die Tabula interna ist in gleicher Ausdehnung wie die T. externa mit fortgerissen. Beim oberflächlichen Streifschuss bleibt die innere Tafel zum Theil noch unversehrt, eine vollständige Erhaltung derselben kommt scheinbar bei Verletzungen durch das kleinkalibrige Gewehrprojektil nicht vor, während iso- lirte Absprengung der T. interna ohne Beschädigung der T. externa bei matten Geschossen beobachtet wurde. Typisch war am Präparat die Gestalt des Knochen- defekts, ein liegendes \/ mit der Spitze nach dem Einschuss hin.

Das 2. Präparat stellte ebenfalls einen Schädelstreifschuss dar, hervorgerufen durch einen Aufschläger.

In beiden Fällen war der Tod hervorgerufen durch einen Hirnabscess; das Auftreten desselben ist typisch bei Kleinkaliber-Streifschüssen. Man findet hier unter dem Duradefekt eine groBe Höhle, welche ausgefüllt ist von zertrümmerter Hirnmasse, geronnenem Blut, Knochenspittern, die oft eine Länge von mehreren Centimetern haben, so wie Gries. In der Regel kommt es zur Vereiterung der Zertrümmerungshöhle,

Ähnlich den Streifschüssen verhalten sich diejenigen Tangentialschüsse, bei denen zwar schon ein getrennter Knochen-Ein- und Ausschuss besteht, der Schuss- kanal jedoch dicht unterhalb der Dura verläuft. In mehreren vom Vortr. beob- achteten Fällen kam es hier zur Bildung zweier Abscesse.

Das 3. Präparat zeigte einen Volltreffer des Schädels durch einen Aufschläger. Man sieht, dass derjenige Theil der Schädelwandung, welcher der Flugrichtung des Geschosses entgegengesetzt ist, wie es bei geringer lebendiger Kraft des Pro- jektils die Regel bildet, in größerer Ausdehnung fortgerissen ist, als die andere Tafel. Zuweilen findet man ein großes Stück der Tabula interna in toto heraus- gesprengt und inmitten desselben als Ausdruck des Knochenausschusses eine runde Öffnung.

Die Prognose der Schüdelverletzungen durch das moderne Mantelgeschoss

hängt von der Entfernung des Schützen und der Richtung des Schusskanals sb. Je näher das Projektil der Basis verläuft, desto ungünstiger ist es für das Leben; die direkten Verletzungen der mittleren und hinteren Schädelgrube endeten sämmt- lich tödlich, während vereinzelte Heilungen bei der vorderen beobachtet worden sind. Sagittale Schüsse sind ungünstiger als transversale; von letzteren geben wieder die beste Prognose die durch das vordere Drittel des Schädels, danach die durch den hintersten Theil. Verläuft der Schuss vertikal (vom Scheitel zur Basis oder umgekehrt), so sind nur Heilungen im vorderen Abschnitt beobachtet worden.

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Eine sichere Voraussagung über das Schicksal des Verwundeten ist niemals möglich, da noch nach Monaten, selbst über 1 Jahr, Tod an Hirnabscess auf- getreten ist.

Sehr häufig geben Kleinkaliber-Schädelschüsse Anlass zur Operation. Nach Ansicht des Vortr. ist dieselbe primär indiecirt bei intrakranieller Blutung, sekundär beim Abscess. In diesen Fällen ist unter allen Umständen zu trepaniren. Gehen die Herd- und Drucksymptome nicht zurück, so kann man späterhin noch, wenn jede Gewähr für eine aseptische Ausführung der Operation vorliegt, durch die Eröffnung der Schädelhöhle mit Ausräumung von Blutcoagula, Entfernung von K.nnochensplittern Besserung zu erzielen versuchen.

6) Herr Wiemuth: Demonstration dreier schwerer, geheilter Fälle von Schädelverletzungen.

a. Komplicirte Depressionsfraktur des rechten Os frontis durch Hufschlag mit Schädelbusisbruch (Ohrblutung). Die fausttiefe Depression wird gehoben, die zertrümmerte Gehirnmasse abgetragen, der über handtellergroße Knochendefekt durch die losen Knochenstücke wieder gedeckt; Drainage der Schädelhöhle Die eingelegten Bruchstücke werden zum Theil ausgestoßen; nach 4 Wochen wieder eingelegt, nachdem sie ausgekocht waren, heilten sie glatt ein. Die Drainstelle wird durch Haut-Periost-Knochenlappen geschlossen. Jetzt keine Lücke im Schä- del zu fühlen. Pat. ist ohne Beschwerden und als Schreiber thätig; der Verlust des rechten Stirnlappens hat ihm nichts geschadet.

b. Komplieirte Depressionsfraktur des linken Os frontis durch Hufschlag. Ein Theil des Knochens tief eingedrückt, ein anderer 10 cm lang, 6 cm breit aufgeklappt, in 5 Theile gesplittert, an einer Hautbrücke hängend. Nach Hebung der Depression fehlte 1/3 des Schädeldachs. Die Dura hatte einen 13 cm langen Riss, der von der Spitze des Stirnlappens bis zur Mitte des Scheitellappens reichte. Stirnlappen zum Theil zertrümmert. Glättung der Hirnwunde, Naht des Dura- risses. Der aufgeklappte Lappen wird zurückgelegt, die losgelösten Knochen- fragmente mosaikartig eingelegt; sie heilten sämmtlich ein. Drainstelle durch Haut-Periost-Knochenlappen geschlossen. Verlauf: Die ersten 4 Tage klonische Krämpfe rechts im Gesicht, Arm und Bein; 8 Tage Bewusstlosigkeit; dann bestand noch eice Zeit hindurch motorische Aphasie, die jetzt ganz beseitigt ist. Jetzt hat Pat. noch hin und wieder geringe Kopfschmerzen. Im Schädel keine Knochen- lücke zu fühlen.

c. Traumatischer Hirnabscess im rechten Stirnlappen, ca. taubeneigroß, nach einem Lanzenstich, der am rechten Mundwinkel hinein-, unterhalb des rechten Auges heraus- und noch einmal in das rechte obere Jid hineindrang, ohne den Bulbus zu verletzen. Keine Hirnerscheinungen. 3 Wochen später Hirndruck- symptome, Strabismus divergens rechts, Empfindlichkeit der rechten Stirngegend. Freilegung des Stirnlappens. Nach Eröffnung des Abscesses kam man mit dem Finger auf den Boden der vorderen Schädelgrube, wo man im Dach der Orbita eine scharfe, rauhe, von einer Fraktur herrührende Knochenleiste fühlte. Glatte Heilung; jetzt hat der Verletzte noch mitunter Kopfschmerzen und Schwindel.

7) Demonstration eines pulsirenden Exophthalmus links in Folge Schussverletzung der Art. carotis cerebralis.

Tentamen suicidii 1895. Einschuss rechte Schläfe; das Geschoss sitzt nach Röntgenaufvahme im linken Oberkiefer. Unmittelbar nach der Verletzung bestand Lähmung des 1. Trigeminusastes rechts. Keratitis neuroparalytica macht die Enu- kleation des rechten Auges nöthig. 1/3 Jahr nach der Verletzung Schwirren und Sausen im Kopf, Exophthalmus pulsans; Druck auf die rechte Carotis communis beseitigte diese Symptome, Druck auf die linke ohne Einfluss. Doppelte Ligatur der Carotis communis dextra durch Prof. Sonnenburg; das Sausen hörte sofort auf, der Exophthalmus bildete sich rasch zurück, aber nur für 3 Monate; dann pulsirte die Carotis wieder oberhalb der Ligatur. 2. Operation durch Prof. v. Berg- mann; die Carotis ausgedehnt freigelegt, resecirt, die abgehenden Aste unter- bunden. Sausen und Exophthalmus wieder nur für einige Monate beseitigt, all- mählich sind sie immer stärker geworden, dag Sehrermögen nimmt mehr und mehr

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ab. Der linke Bulbus vorgetrieben, stark gespannt, in Folge Abducensparese nach innen gewandt, pulsirt; an seiner Innenseite prall gefüllte Venen, die dem Puls synchrones Schwirren zeigen; sie kollabiren bei Druck auf das zuführende Gefäß, das im Dach der Orbita eine tiefe Rinne genagt hat. Druck auf die linke Carotis ohne Einfluss. Es ist versucht worden, sie systematisch einige Stunden täglich zu komprimisen, ohne Erfolg; Pat. hält es nicht aus, er verliert bald das Seh- vermögen auf dem linken Auge, bekommt Herzklopfen und ein eigenthümliches Gefühl im Unterleib.

8) Herr Schäfer: Über Milzstichwunden und ihre transdiaphrag- matische Behandlung.

S. berichtet über einen von Prof. Madelung in der Straßburger Klinik ope- rirten Fall: Ein langer Dolch war in der mittleren Axillarlinie im 4. Interkostal- raum eingedrungen, durch den 7. Interkostalraum in die Brusthöhle eingetreten, hatte das Zwerchfell und die Milz vorn am oberen Rand verletzt. Entwicklung eines starken Hämatothorax, der auf Verletzung einer Interkostalarterie bezogen wird; keine Symptome von Verletzung eines Bauchorgans. Operation 10 Stunden später. Erweiterung der Wunde; Netz ist durch den 7. Interkostalraum unter die Haut vorgefallen. Verlängerung des Schnitts bis fast zum Hüftkamm, Resektion der 7. und 8. Rippe, Durchtrennung der 9.—11. Rippe, Resektion des Netzes, Er- weiterung der Zwerchfellwunde, Naht der 2—3 cm langen Milzwunde, Übernähung mit Netz. In der Bauchhöhle kein Blut. Naht des Zwerchfells. Äußere Wunde oben und unten geschlossen, Drainage der Pleura. Die Lunge war unverletzt. Reaktionsloser Verlauf.

S. bespricht die Diagnose der Milzverletsungen, die auch, abgesehen von der in diesem Falle vorhandenen atypischen Lage des Einstichs, sehr schwierig zu sein pflegt. Dass sich das gesammte Blut in die Brusthöhle ergossen hatte, wird durch den dort herrschenden negativen Druck erklärt; bei der Inspiration wurde das Blut aus der Milzwunde in den Thorax bineingesogen. Wenn die Korrespon- denz zwischen Zwerchfell- und Milzwunde verloren geht, ergießt sich das Blut in die Bauchhöhle, es entsteht hier Dämpfung und Kontraktur der Bauchmuskeln. Bei Stichen, die die Milz perforiren, wird sich die Blutung event. in Brust- und Bauchhöhle ergießen. 8. hat aus den letzten 20 Jahren eine Reihe von Milzstichen gesammelt, denen allen die Mitverletzung von Pleura und Zwerchfell, die gleich- zeitige Eröffnung von Brust- und Bauchhöhle gemeinsam ist. Der Operation von der Brusthöhle aus, der Laparotomie durch das Zwerchfell wird der Vorzug ge- geben; sie ist erst sehr selten ausgeführt.

9) Herr König besprioht im Anschluss daran eine Milsruptur, die er kürz- lich operirt hat. Bemerkenswerth war die fehlende Spannung der Bauchdecken. Das Trauma, das einen Rippenbruch gemacht hatte, batte die linke Nierengegend getroffen, es wurden nur 20 ccm Harn mit Katheter entleert; es bestand ein intra- peritonealer Bluterguss, so dass man eben so an Nierenruptur denken konnte. Es fand sich ein großer Milzriss. Exstirpation der Milz. Heilung.

10) Herr Köhler: a. Ein Fall von Osteom der Orbita.

K. operirte 1897 ein Osteom der Orbita, das in Verlauf und Symptomen dem von Schuchardt publicirten Falle sehr ähnlich war, nur dass die Geschwulst erst haselnussgroß war und die Symptome entsprechend nicht so vorgeschritten waren. Das Auge war nach außen und unten abgewichen, leicht vorgetrieben, thränte, war empfindlich; es bestand keine Stauungspapille, kein Doppelisehen. K. operirte von einem Schnitt am Rand der Orbita aus und konnte den spon- giösen Stiel leicht mit dem Meißel durchtrennen. Dieser war spongiös, die Ge- schwulst selbst dagegen porzellanartig hart. Der Erfolg war dauernd. Nach der Operation wurde Astigmatismus festgestellt, der im Laufe der nächsten Zeit ver- schwand; derselbe ist durch die Abflachung des Bulbus durch die Geschwulst zu erklären.

b. Ein Fall von schwieriger Strumektomie.

K. schildert die Operation eines Kropfes, die sich wegen starker Blutung sehr schwierig gestaltete. Es war eine linksseitige, sehr schnell gewachsene, faust-

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große Struma, die Luftröhre und Kehlkopf verdrängte, Empfindlichkeit und Pul- sation zeigte. In Folge kolossaler Gefäßentwicklung in der Kapsel waren zahl- reiche Unterbindungen und Umstechungen nöthig. Nachdem der obere Theil des Kropfes freigemacht war, trat bei der Loslösung des unteren eine so heftige Blu- tung auf, dass K. schleunigst den Rest entwickelte, Isthmus und Gefäßstiel unterband, die Geschwulst abtrug und tamponirte. Der Verdacht, dass eine bös- artige Geschwulst vorgelegen habe, wurde durch die mikroskopische Untersuchung nicht bestätigt, es handelte sich um einfache Hyperplasie. Die zurückgelassenen Theile rechter Lappen, Mittellappen, unterster Theil der linken Seite haben sich seither nicht verändert. Der Verlauf war günstig. Im Anfang war eine leichte Recurrenslähmung vorhanden, entstanden durch die Zerrung des Nerven beim schnellen Hervorwälzen der Struma oder durch den Druck der Tamponade;; bei der Operation war er nicht zu Gesicht gekommen; die Lähmung verschwand in den nächsten Wochen. Pat. ist jetzt ganz gesund; Vorstellung. R. Wolff (Berlin).

17) N. Raw. Pneumococcus arthritis with notes of seven cases. (Brit. med. journ. 1901. December 21.)

R. hat in Liverpool innerhalb der letzten 4 Jahre 817 Pneumonien beobachtet mit einer Gesammtmortalität von 24% (viel Alkoholisten). In 7 Fällen wurden Gelenkaffektionen beobachtet. Dabei war ömal das Exsudat eitrig, imal serös. 4 Kranke kamen durch, 3 starben. In allen Ergüssen wurde der Diplococcus Fraenkel nachgewiesen. R. empfiehlt die möglichst frühzeitige breite Eröffnung der Gelenke. In verschiedenen Fällen bestand nebenbei eine starke peri- und paraartikuläre Infiltration.

R. hat eben so in einigen Fällen eine leichte Röthung und Schwellung der Schultergelenksgegend der afficirten Seite während der Krisis beobachtet.

Weiss (Düsseldorf).

18) W. T. Thomas. Suprarenal extract as a haemostatic. (Brit. med. journ. 1901. November 23.)

T. giebt die Krankengeschichten von 2 Hämophilen, bei welchen wegen an- dauernder Blutungen Nebennierenextrakt zur Anwendung kam. Einmal handelte es sich um ein i3monatiges Kind, das sich eine Gesichtswunde zugezogen hatte, an welche sich eine nicht zu stillende Blutung anschloss. 3 Tage später, äls die Blutung sich wieder erneuerte, kam das Kind mit dem Bild schwerster Anämie in die Behandlung von T. Zunächst wurden 2 tiefgreifende Katgutnähte angelegt. Unter Druckverband stand die Blutung fürs erste, um jedoch nach weiteren 24 Stunden abermals aufzutreten. Dann wurde die Wunde tamponirt mittels Gaze, welche mit pulverisirtem Nebennierenextrakt imprägnirt war. Alle 4 Stun- den wurde 0,06 g des Extrakts innerlich verabfolgt. Die Blutung stand, und das Kind erholte sich schnell.

Der 2. Fall betrifft einen 23jährigen Pat., bei welchem geringfügige Ver- letzungen schon des häufigeren schwere Hämorrhagien nach sich gezogen hatten. Eine leichte Verletzung an der Dorsalseite des linken Zeigefingers. Es folgte eine profuse Blutung. Die Wunde heilte nicht. Von Zeit zu Zeit traten immer wieder neue Blutungen auf. 6 Wochen nach der Verletzung der Kranke war aus- gesprochen anämisch wurde Nebennierenextrakt auf die Wunde gepudert und 4stündlich 0,3 g des Extrakts innerlich verabfolgt. Die Blutung wiederholte sich nicht und die Wunde heilte innerhalb 3 Wochen. Weiss (Düsseldorf).

19) E. M. Jürgens. Zwei Fälle von Ruptur der Art. carotis interna bei Erkrankung des Mittelohrs. (Russ. chir. Archiv 1902. Hft. 1.)

In beiden Fällen handelte es sich um junge Soldaten, die höchst wahrschein- lich ätsende Substanzen ins Ohr gebracht hatten, um vom Dienst befreit zu werden.

536 Centralblatt für Chirurgie. No. 19.

Pat. 1 bekam die erste Blutung schon ?2 Wochen nach der Erkrankung; am 1. Tage wiederholte sich die Blutung 3mal, am 2. Imal, stand auf Tamponade; Tod nach 23 Tagen an Meningitis. Ausgedehnte Caries des rechten Felsenbeins; die Wände der Carotis an der Übergangsstelle in den horizontalen Theil 2—5 cm weit nekro- tisch. Im centralen Theil ein frischer gesunder Thrombus. Bei Pat. 2 trat die erste Blutung nach 3 Wochen auf; die Blutung wiederholte sich nach 10, 24 und 34 Tagen; am 39. Tage Tod an Meningitis. Hier half die Tamponade wenig. Inneres des Felsenbeins stark kariös, Mittelohr und Canalis caroticus bilden eine Höhle; Labyrinthwand zerstört, inneres Ohr offen. Wände der Carotis an der Biegung und am horizontalen Theil vollständig nekrotisch,. Die rationelle Be- handlung ist hier die Radikaloperation und Tamponade. Eine Tafel bringt die Abbildungen der Knochen. Gückel (Medwedowka, Kiew).

20) Fritz König. Zur Deckung von Defekten der Nasenflügel. (Berliner klin. Wochenschrilt 1902. No. 7.)

K. hat einen nach Exstirpation eines am rechten Nasenflügel lokalisirten Lupus entstandenen Defekt von 1,5 cm Länge und I cm Höhe durch einen vun- gestielten Lappen aus dem hinteren oberen Theil der Ohrmuschel gedeckt; nur ein ca. I mm breiter Streifen wurde nekrotisch, der Rest heilte ein und weicht weder in der Farbe noch im Niveau von dem Nasentlügel ab. Der Defekt im Ohr wurde mit gutem Erfolg durch Naht geschlossen.

K. bezeichnet dieses Vorgehen mit Recht ale die physiologischste Form der Plastik, da sie ganz analoges Material in allen 3 Schichten an die Stelle setzt.

Langemak (Rostock).

21) Jürgens. Enteritis chronica ulcerosa phlegmonosa, entstanden durch die Invasıon von Amöben. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 10.)

J. hatte einen ähnlichen Fall auf dem Chirurgenkongress 1896 demonstrirt. Beide Fälle sind dadurch ausgezeichnet, dass die tiefe Ulceration des Darmes, und zwar im Ileum und Coecum, zu einer diffusen phlegmonösen Infiltration nicht allein der Darmwandung, sondern auch der angrenzenden Bauchwandung geführt hat. Die eine Art der durch die Einwanderung von Amöben verursachten En- teritis ulcerosa tritt primär auf und charakterisirt sich als eine besondere Form der Colitis dysenterica (Amöbendysenterie), die andere Art tritt als deuteropathi- sche Erkrankung auf. Der demonstrirte Fall gehört zur letzten Kategorie. Es hatten hier bei einem Phthisiker im früheren Stadium wahrscheinlich im Darm tuberkulöse Ulcerationen bestanden, und erst später setzte neben diesen und in diesen die Amöbenerkrankung ein, vernichtete die tuberkulöse Erkrankung durch viel tiefer greifende Ulcerationen und ließ sie nicht wieder aufkommen.

Borchard (Posen).

22) B. S. Koslowski. Indikationen zur Gastroenterostomie; Üpera-

tion nach Villard und Kocher. Ä

(Vortrag auf dem II. russischen Chirurgenkongress am 29. December 1901.)

K. machte die Operation nach Villard-Jaboulay (Gastroduodenostomis subpylorica; 2mal: bei Verengung des Pylorus durch fibröse Verwachsungen und bei Narbenstenose des Pylorus, mit vollem Erfolg. Nach Kocher wurde 13mal operirt, davon 12mal bei Carcinom, Imal bei Magengeschwür. Von ersteren starben bald nach der Operation 5, einmal entwickelte sich ein Circulus vitiosus, 2 lebten 3 Wochen resp. © Monate nach der Operation, 4 starben an Carcinom nach 58, 59, 161 Tagen und 2 Jahren; die Pat. mit Magengeschwür starb nach der Operation. Gückel (Medwedowka, Kiew).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage- handlung Breitkopf $ Härtel, einsenden.

u d Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E m Bm, Kl Ri,

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Em ze Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchbandlungen und Postanstalten.

No. 20. Sonnabend, den 17. Mai. 1902.

Inhalt: W. Mintz, Technische Bemerkungen zur Winkelmann’schen Hydrocelen- operation. (Original-Mittheilung.)

1) Crile, Cocain und Eucain. 2) Wenzel, Phimose. 3) Freudenberg, 4) Fer- guson, Prostatahypertrophie. 5) Hopkins, Cystitis. 6) Kell, Zum Harnleiterkathe- terismus. 7) Straus, Zur Nierendiagnostik. 8) Dennis, Intrakapsulärer Nierendruck. 9) Schmieden, 10) Jessop, Zur Nierenchirurgie. 11) Broca, Hodentuberkulose. 12) Rasumowsky, Eine konservative Operation am Hoden. 13) Beck, Zur Skiaskopie von Knochenleiden. 14) Spielmans, Muskelinterposition bei Knochenbrüchen. 15) Kausch, Schulterblatthochstand.. 16) Lesser, Verrenkung des Os lunatum. 17) @hillini und Canevazzi, Statische Verhältnisse des Oberschenkelknochens.

H. Wülfing, Ein durch Operation geheilter Fall von Tendovaginitis capitis longi m. bieipit. brachil. (Original-Mittheilung.)

18) Kutner, Lithotriptor. 19) Freyer, Prostatahypertrophie. 20) Hodgson, Tuber- kulose der Samenblasen. 21) S$hirlaw, Hydronephrose. 22) Grauert, Nierenruptur.

23) Ediefsen, Subkutane Nierenverletzungen. 24) Luzzatto, Nierengeschwülste. 25) Rose, Orthopädie der Eierstöücke. 26) Staffel, Orthopädische Bank. 27) Woiko- witsch, Knochenbrüche und Gelenkresektionen. 28) Anschütz, Knochenatrophie und Osteomalakie.. 29) Schittenheim, Osteoarthropathia hypertrophica. 30) Wilson, Ostitis deformans. 31) Ab der Haiden, Verletzungen der Oberextremitäten. 32) Ossig, Armzermalmung. 33) Haberern, Sehnenluxationen. 34) Grafl, Spontanverrenkung des Hüftgelenks. 35) Rose, Hüftexartikulation. 36) Fassbender, Fraktur und

Subluxation des Schienbeins. 37) Krüger, Gangrän des Unterschenkels. Berichtigung.

Technische Bemerkungen zur Winkelmann’schen Hydrocelenoperation.

Von W. Mintz, Chirurg am Alt-Katharinenspital zu Moskau. Sowohl in dem von Lauenstein (Centralbl. für Chirurgie 1901 No. 46) als in dem von Gückel (Ibid. 1902 No. 6) beschriebenen Falle von Recidiv nach Winkelmann’scher Hydrocelenoperation fand sich eine Wiederansammlung von Flüssigkeit zwischen Tunica propria und communis, welche nicht zur Verwachsung mit ein- ander gekommen waren. Auf ein derartiges Vorkommnis wird man 20

538 Centralblatt für Chirurgie. No. 20.

im einzelnen Falle stets gefasst sein müssen, wenn man die Winkel- mann'sche Originalvorschrift (Ibid. 1898 No. 44) befolgt, und ledig- lich die Tunica propria umkrempelt, um sie alsdann in den von der Tunica communis gebildeten Sack zu reponiren. In 4 von mir operirten Fällen habe ich den Hydrocelensack nicht aus der Tunica communis herausgeschält, sondern beide im Zusammenhang belassene Schichten direkt gespalten und nach Hervorziehung des Hodens umgekrempelt. Hiernach bleibt die secernirende Fläche der Tunica propria dem lockeren Gewebe zugewandt, das die Innenwand des Hodessackes auskleidet, und die von der Tunica propria im weiteren Verlaufe ab- gesonderte Flüssigkeit resorbirt. In diesem Resorptionsvorgange [bei der Winkelmann’schen Originalmethode seitens der Tunica vaginalis com- munis) sieht auch Lauenstein, abgesehen von der Beseitigung des geschlossenen Hohlraums, den Schwerpunkt der Methode.

Um weiterhin den Pat. das Zu- rücklassen von Seidensuturen zu ersparen, welche die Rückwärts- krempelung verhindern sollen, habe ich eine Art von Autorrhaphieverfahren eingeschlagen. Die Seiden- nähte werden durch Stränge ersetzt, welche beiderseits, der Incisions- linie entlang, aus dem Hydrocelensack zugeschnitten und nach Um- krempelung desselben durch je eine visà vis gesetzte Öffnung ge- zogen und geknüpft werden. Die beigefügte Skizze erläutert den Vorgang.

T. propria und T. communis

1) Crile. An experimental and clinical research into cocain ad eucain. (Journ of the amer. med. association 1902. Februar.)

Mittheilung der Experimentalergebnisse mit Cocain und Eucain ?. die in ihrer Wirkung vollkommen gleich befunden werden. Die Versuche sind an 89 Hunden angestellt. Die Wirkung des Cocains selbst in schwacher Lösung auf die peripheren Nervenstämme ist eine »blockirende«, d. h. die Leitung innerhalb der Nerven wird durch die Injektion auf gewisse Zeit für alle Reize von beiden Seiten völlig unterbrochen. Bei intravenöser Injektion zeigen sich folgende Wirkungen: 1) Sofortiges Ansteigen des Blutdrucks für wenige Mi- nuten, dann Abfallen, dem später allmähliches Ansteigen folgt. 2) Die hemmenden Wirkungen des Vagus sind ganz oder theilweise aufgehoben. 3) Die vasomotorischen Reflexe sind bedeutend herab- gesetzt. 4) Der gesammte Cirkulationsapparat ist bedeutend un- empfindlicher gegen Reize jeder Art. 5) Die Pause zwischen Reiz

Centralblatt für Chirurgie. No. 20. 539

und Reaktion der Vasomotoren ist sehr verlängert. 6) Die Gefäße der Unterleibseingeweide sind kontrahirt. 7) Die Gerinnungsfähig- keit des Blutes ist erhöht. 8) Die Athmung wird durch kleine Dosen gereizt, durch mittlere wird die Tiefe der einzelnen Athemzüge ver- mindert, durch hohe wird die Athmung gelähmt. 9) Durch wieder- holte allgemeine Cocainisation tritt bald Gewöhnung an das Mittel ein. Injektion ins Rückenmark und den subarachnoidealen Raum: 1) Einspritzung in das Mark selbst setzte mehrfach eine nach längerer Zeit nachweisbare kleinzellige Infiltration, so dass diese Methode verworfen wird zur Ausführung am Menschen. 2) Injektion 1% iger Lösung in den subarachnoidealen Raum rief sofortige An- ästhesie hervor. 3) Die Lösung breitet sich in diesem Raume sehr rasch aus, wie durch ihre Färbung mit Methylenblau nachzewiesen wurde. 4) Daraus erklärt sich die Wirkung der subarachnoidealen Einspritzung auf die Athmung; sie ist durch direkte Beeinflussung des Athemcentrums erzeugt. Einspritzung in dieses ruft sofortige Lähmung der Athmung hervor durch Paralyse der Athemmuskeln, von welcher das Zwerchfell zuletzt betroffen wird. Bei der schnellen Ausbreitung der Lösung im subarachnoidealen Raum tritt auch die Lähmung des Athemcentrums rasch ein; denn es ist nur der direkte Kontakt mit den Nervenelementen erforderlich, keine Resorption. Auf dieser Wirkung beruhen die verhältnismäßig zahlreichen Todes- fälle bei Cocainisation des Rückenmarks (6 unter 692 = 50mal mehr als bei Chloroform‘. Für die klinische Wirkung kommt haupt- sächlich die »blockirende« Wirkung auf die peripheren Nerven in Betracht. Zum Beweis werden 5 Fälle von Amputation unterhalb des Knies nach Injektion des Ischiadicus in der Glutaealfalte und des Cruralis in der Leistenbeuge mitgetheilt, eben so 2 Entfernungen der Ulnarseite der Hand nach Injektion des Ulnaris, 2 Fälle von völliger, 1 von theilweiser Entfernung des Armes sammt dem Schulter- gürtel und i Fall von Amputation des Vorderarms, sämmtlich nach Injektion des Plexus brachialis. Chok wird niemals bei solchen groBen Operationen beobachtet, da die Nervenleitung aufgehoben ist; man muss nur die Vorsicht gebrauchen, den Pat. in Unkenntnis der Operation zu lassen. Bei Operationen in Pharynx und Larynx hat Cocainisation den Vortheil, reflektorischen Stillstand von Herz und Athmung, die namentlich bei Entfernung größerer Geschwülste oder Fremdkörper eintreten können, zu verhüten. 2 Fälle derart sind mit- getheilt. Dass die allgemeine Cocainisation durch intravenöse In- jektion auch beim Menschen Kontraktion der Unterleibsgefäße er- zeugt, dass stärkere Füllung derselben beim Manipuliren mit den Därmen ausbleibt, konnte Verf. bei 2 Fällen von Schussverletzung des Darmes nachweisen. Trapp (Bückeburg).

20*

540 Centralblatt für Chirurgie. No. 20.

2) F. Wenzel. Zur Behandlung der Phimose. (Aus der chir. Abtheilung des Friedrich-Wilhelm-Hospitals in Bonn.

Prof. Witzel.) (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 7.)

Wenn die unblutige Erweiterung der Phimose kleiner Knaben mittels in den Vorhautsack eingeführter anatomischer Pincette nicht zum Ziel führt, wenn bereits Entzündung besteht oder es sich um ältere Knaben und Erwachsene handelt, macht Witzel die Operation in folgender Weise: Die Vorhaut wird mittels zweier Pincetten, die am Frenulum und am Penisrücken angreifen, gespannt, und während die Penishaut nach der Peniswurzel hin gezogen wird, mit der Cooper’schen Scheere ein dorsales, dreieckiges Stück der Vorhaut ausgeschnitten, also ein ÖOvalärschnitt ausgeführt etc. Hierdurch wird erreicht, dass der Sulcus retroglandularis bis zur Corona glan- dis durch den Vorhautrest noch gut gedeckt ist und die untere Hälfte

der ovalären Vorhautöffnung frei von Narben bleibt. Kramer (Glogau..

3) A. Freudenberg. Die Behandlung der Prostatahyper-

trophie mittels der galvanokaustischen Methode nach Bottini. (Sammlung klin. Vorträge N. F. No. 328. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1902.)

In dem Vortrage schildert Verf. die Bottini’sche Operation, wesentlich nach der von ihm selbst bewährt gefundenen Technik mit dem von ihm modificirten Instrumentarium, ohne auf die An- sichten und Erfahrungen anderer Chirurgen als die Bottini’s selbst einzugehen. Hat dadurch die Abhandlung ein durchaus subjektives Gepräge erhalten, so wird man dies in diesem Falle doch gern hin- nehmen, da F. in Wirklichkeit große Erfahrungen bezüglich der Operation besitzt und somit im Stande ist, eine Reihe praktisch werthvoller Winke für ihre Ausführung zu geben. Mit welcher sich auf die kleinsten Einzelheiten erstreckenden Sorgfalt F. die Opera- tion vornimmt, und wie es ihm dadurch gelingt, letztere sicher und zumeist erfolgreich zu gestalten, erhellt aus der Arbeit, deren Stu- dium desshalb aufs wärmste empfohlen werden muss. Auch über alle während und nach der Operation möglicherweise eintretenden Komplikationen wird von F. eingehend berichtet. Bezüglich der In- dikationen sei hier nur erwähnt, dass Verf. die Operation für alle Formen der Prostatahypertrophie geeignet erklärt und sie dann dringend angezeigt findet, wenn man dem Pat. ohne die Operation dauernd den Katheter in die Hand geben müsste. In den Fällen, in welchen bereits eine Infektion des Nierenbeckens bezw. der Niere besteht, wird allerdings die Bottini’sche Operation nicht frei von Gefahren sein. Eine Statistik hat F. 4,25—5,84% Mortalität, 7,66% Misserfolge und 86,63% gute Resultate, unter letzteren ca. 61,29% Heilungen, bei welchen der Katheter zur Urinentleerung gar nicht mehr gebraucht wurde, ergeben. Recidive hat Verf. selbst nur in

Centralblatt für Chirurgie. No. 20. . 54l

sehr wenigen Fällen beobachtet. Einige ausgewählte Kranken- geschichten werden am Schluss der Abhandlung vorgeführt. Kramer (Glogau).

4) Ferguson. Median perineal prostatectomy; total remo- val of the prostatic gland. (Journ. of the amer. med. assoc. 1902. Februar.)

F. betrachtet im Gegensatz zu Guiteras, Syms u. A. (s. Referat d. Centralbl. 1902 No. 12) die Entfernung der Prostata vom Damm aus, ohne die Blase oberhalb zu eröffnen, als das Normalverfahren. Bei seiner Operation wird die Drüse mit einem besonders geformten, in die Blase eingeführten Metallhalter gegen den Damm gedrückt; der Mittelfinger der linken Hand bewirkt Gegendruck vom Mastdarm aus. 5cm vor dem After wird ein langes schmales Messer ein- gestochen bis seine Spitze ungefähr die Spitze des Mittelfingers er- reicht, dann wird in einem Zuge das Gewebe durchschnitten unter sorgfältiger Schonung von Harnröhre, Darm und Prostata. Die Wunde wird stark aus einander gezogen und die Prostata stumpf allmählich freigelegt, ihre Kapz:el eingeschnitten und ihre Entfernung stückweise mit einer besonderen, der Luer’schen Knochenzange ähn- lichen Prostatazange vorgenommen. Falls man sich innerhalb der Kapsel hält, ist die Blutung sehr gering. Die Pars prostatica urethrae wird eröffnet was bei Entfernung der ganzen Drüse oder des Mittellappens so wie so unvermeidlich ist und durch sie mit einem besonders geformten, jodoformmullumwickelten Drainrohr eine per- manente Drainage der Blase gemacht. 6 nach diesem Verfahren operirte Fälle mit sehr befriedigendem Verlauf und Ergebnis sind mitgetheilt. Die Vortheile seines Operationsverfahrens sollen folgende sein: I) Es ist der direkteste Weg zur Prostata. 2) Verletzung der Blase wird vermieden. 3) Selbst bei wiederholt entzündeter Prostata ist die Operation leichter ausführbar als die von der Blase aus. 4) Das stückweise Entfernen ermöglicht, den Zugang kleiner zu machen und die umgebenden Gewebe mehr zu schonen. 5) Keine nennenswerthe Blutung tritt ein, so lange man sich sorgfältig inner- halb der Prostatakapsel hält. 6) Die Drainage vom Damm aus ist vollständiger. 7) In Folge dessen geringere Infektionsgefahr. 8) Keine Gefahr der Urämie. 9) Die Operation ist viel weniger eingreifend und wird besser vertragen als die suprapubischen.

Das Instrumentarium ist abgebildet. Trapp (Bückeburg).

5) G. Hopkins. Treatment of obstinate cystitis. (Buffalo med. journ. 1902. März.)

Verf. berichtet über gute Erfolge mit 20 %igen Glyko-Thymolin- lösungen zur Blasenspülung bei Fällen hartnäckiger Cystitis, in denen alle anderen gebräuchlichen Spülmittel vergebens angewendet worden waren. Mohr (Bielefeld).

542 = Centralblatt für Chirurgie No. 20.

6) Kell. Le erosioni pro dotte sui cateteri ricoperti di cera

come mezzo di diagnosi dei calculi del rene e dell’ uretere.

(Amer. journ. of obstetr. 1901. Oktober. Ref. nach Gazz. degli ospedali e delle clin. 1902. No. 23.)

Ein Gemisch von 2 Theilen Wachs (im Sommer mehr) und einem Theil Olivenöl, das bei erhöhter Temperatur flüssig wird, wird be- nutzt, um den Harnleiterkatheter zu imprägniren. Bei Steinen im Ureter erhält das Wachs strichartige Eindrücke am Katheter, die eine sichere Diagnose ermöglichen. Dreyer (Köln).

7) Fr. Straus (Frankfurt a/M.). Zur funktionellen Nieren- diagnostik. Untersuchungen über Physiologie und Patho- logie der Nierenfunktion.

(Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 8 u. 9.)

Verf. hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu untersuchen, wie unter normalen und pathologischen Verhältnissen die Funktion jeder Niere sich verhält bei wechselseitiger Vergleichung mit einander im gleichen Zeitabschnitt, aber in verschiedenen aus einander liegenden Zeitfolgen, und wie ein und dieselbe Niere einer jeden Seite, für sich allein sowohl als auch im Vergleich zur anderen Niere betrachtet, arbeitet. Es ergab sich die Thatsache, dass die Werthe für mole- kuläre Koncentration für Harnstoff- und Chlorgehalt und für Zucker nach Phloridzininjektion der zeitlich mittelbar oder unmittelbar nach einander abgesonderten Sekrete in gleichen Zeiteinheiten für beide Nieren normaliter gleiche sind, dass sie aber für ein und dieselbe Niere in eben dieser Zeit wechselnde sind, und zwar gleichsinnig wechselnde für jede Niere unter physiologischen Verhältnissen sc- wohl wie unter pathologischen. i

In einem Falle von Wanderniere ergab die Untersuchung, dass die längliche Niere erhöhte Werthe lieferte. Erhöht waren zeitweise die Gefrierpunktserniedrigung und die Harnstoff-Phosphorsäureaus- scheidung.

In einem anderen Falle wurde in 4 Einzeluntersuchungen hinter einander gleichzeitig Urin jeder Niere in Abständen von 15 bezw. Il bezw. 9 Minuten aufgefangen. Die Zuckerzahl sagte in diesem Falle aus, dass thatsächlich schwere funktionelle Beeinträchtigung auf Seiten der schmerzende Niere bestand, während die Betrachtung der molekulären Dichte und noch weniger die Chlor- und die Harn- stoff-Phosphorsäurezahlen einen Einblick gestatteten. Nur durch die Einzeluntersuchungen gelang es, zur Erkenntnis der mangelhaften Funktion der einen Niere zu gelangen. Es wurde also zum ersten Mal allein auf Grund der Urinuntersuchung ohne autoptische Ein- sicht festgestellt, dass einer einseitigen Nephralgie eine thatsächlich bestehende einseitige Nephritis zu Grunde liegt, dass mit dieser ein- seitigen Nephritis eine zeitweise erhebliche funktionelle Störung der

Centralblatt für Chirurgie. No. 20. 543

nephritischen Niere vergesellschaftet ist, und dass bei dieser einseitig nephritischen Niere wohl paroxysmale Drucksteigerungen ohne irgend welches bestehende Abflusshindernis die paroxysmalen Kolikanfälle auslösen.

In einem Falle von linksseitiger Pyonephrose gelang es durch Einzeluntersuchungen zu eruiren, dass die Pyonephrose noch etwas arbeitstüchtiges Nierenparenchym hatte, da der Eiter noch Zucker enthielt. Die Operation bestätigte die Richtigkeit dieser Annahme.

Bei einer kindskopfgroßen Geschwulst der rechten Niere ergaben 5 Einzeluntersuchungen: nur sehr geringe Schwankungen, am aus- gesprochensten in der Zuckerzahl.

Der letzte Fall verdient besonderes Interesse. Eine Pat. war wegen linksseitiger Wanderniere 3mal nephropexirt. Bei der zweiten Nephropexie war vor 7'!/, Jahren ein Stück excidirt, dessen Unter- suchung die Diagnose Tuberkulose ergab. Die jetzigen Beschwerden der Pat. wurden, wie nachgewiesen werden konnte, durch Verwach- sung des Harnleiters mit den Gefäßscheiden verursacht. S. konnte durch 12 Untersuchungen feststellen, dass beide Nieren gleich gut funktionirten, da er stets übereinstimmende Zahlen erhielt; er neigt zu der Annahme, dass die Nierentuberkulose ausgeheilt ist, obwohl sich die Möglichkeit einer ein- oder doppelseitigen Nierenerkrankung tuberkulöser Natur nicht völlig ausschließen lässt, trotz der überein- stimmenden Zahlenwerthe. Eine tabellarische Übersicht über die

Krankheitsfälle schließt die interessante Arbeit. Langemak (Rostock).

8) W. A. Dennis. Renal tension. (St. Paul med. journ. 1902. No. 3.)

Die derbe fibröse Kapsel der Niere ist geeignet, bei Krankheits- zuständen, welche mit Schwellung des Organs einhergehen, einen erheblichen Druck auf dasselbe auszuüben und dadurch eine Reihe von Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Fälle, welche wegen Nierensteinen, renaler Hämorrhagien etc. zur Operation kamen, und bei denen sich weder die erwartete Ursache, noch überhaupt eine Erklärung der Symptome fand, die aber trotzdem durch Nephrotomie geheilt wurden, haben zur Aufstellung des Begriffes »renale Tension « geführt. Es handelt sich hier nicht um eine Krankheit sui generis, sondern um eine Theilerscheinung pathologischer Zustände, die ihrem Charakter nach ganz verschieden sein können. Die schädlichen Folgen des gesteigerten Druckes können beseitigt werden durch Spaltung der Nierenkapsel, Nephrolysis.

Harrison lenkte die Aufmerksamkeit auf das Vorkommen dieses Zustandes bei chronischen Nierenkrankheiten er bezeichnet ihn als renales Glaukom und stellte auch Indikationen für ein chirur- gisches Eingreifen auf. Die Nephrolysis verfolgt hier neben der Aufhebung der Spannung noch den Zweck, durch Bildung von Ver- wachsungen die Blutcirkulation in der Niere zu beeinflussen.

544 Centralblatt für Chirurgie. No. 20.

Wir stehen mit diesen Dingen erst im Anfang der Entwicklung, aber es scheint, dass die Chirurgie bestimmt ist, in dem Gebiet der inneren Nierenkrankheiten ein neues Feld erfolgreicher Thätigkeit zu gewinnen. Kleinschmidt (Kassel).

9) V. Schmieden. Die Erfolge der Nierenchirurgie. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 205.)

S.s Arbeit ist von Schede angeregt und enthält eine von größtem Fleiße zeugende Zusammenstellung der Statistik der mo- dernen Chirurgie der Nieren, wobei nicht weniger als 2100 genügend beschriebene Operationsfälle und 157 Publikationen (am Schlusse aufgeführt), verarbeitet wurden, ferner eine gleichzeitige Separat- bearbeitung von Schede’s privater Nierenoperationsstatistik, die sich auf 184 Operationen erstreckt. Es ist durchaus unthunlich, die vielen mitgetheilten Zahlenangaben (von denen einige besonders wichtige übrigens in Schede’s Bearbeitung der Nierenchirurgie im praktischen Handbuch der Chirurgie bereits veröffentlicht wurden, Ref.) hier zu reproduciren, doch wurde versucht, die interessantesten Zahlengruppen, welche die Nephrektomie und Nephrotomie betreffen, in nebenstehenden 2 Tabellen zusammenzudrängen.

Die Genesungs- bezw. Sterblichkeitsprocente hat S. für die drei letzten Decennien, während deren die moderne Nierenchirurgie sich ja überhaupt erst entwickelt hat, separat bestimmt, und sprechen seine Zahlen ohne Weiteres für die während dieser Zeit immer mehr sich bessernden Erfolge der operativen Eingriffe.

In den sehr anziehend geschriebenen allgemeinen Erörterungen bringt S. die Anschauungen Schede’s zum Ausdruck. Die bei jeder nierenchirurgischen Abhandlung zur Diskussion kommenden Fragen über Vorzüge der Ektomie auf abdominalem oder lumbalem Wege, so wie die Indikationsgrenzen für Nephrektomie und Nephrotomie werden ventilirt. Die Zahlen ergeben, dass in der größten Mehrzahl der Fälle auf lumbalem Wege vorgegangen wurde, und dass diese Operationsweise auch die weniger gefährliche war. Nephrotomien aber führen sehr häufig nicht zur völligen Heilung, hinterlassen viel- mehr häufig, was sehr eingehend besprochen wird, Fisteln, theils bloße Eiterfisteln, theils auch, was viel übler, Urinfisteln, so dass recht oft sekundär doch noch ektomirt werden muss. Schede be- vorzugt durchaus das lumbale Vorgehen und, falls überhaupt eine Wahl bezüglich der Operationsart angängig, die Ektomie vor der Nephrotomie. Dies gilt auch von der Hydro- und Pyonephrose, wo- gegen bei Pyelonephritis und Lithiasis die konservativen Methoden das Vorrecht haben. Die beigefügten Tabellen zeigen sehr auf- fallend die merkwürdige, überwiegende Belastung des weiblichen Geschlechts für Nierenerkrankung. Betreffs Statistik der postopera- tiven Todesursachen verweisen wir auf das Original, eben so Betrefis der Specialstatistik über Schede’s Operationsresultate. In tech- nischer Beziehung sei noch erwähnt, dass zur Prüfung betr. Vor-

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No. 20.

Centralblatt für Chi

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546 . Centralblatt für Chirurgie. No. 20.

handenseins und Zustandes der gesunden Niere Schede häufig auch diese durch Lumbalschnitt bloßgelegt und untersucht hat, was zur Nach- ahmung empfohlen wird, und dass der Lumbalschnitt zur Behand- lung der kranken Niere nie ganz geschlossen wird. Gerade die Möglichkeit, die Lumbalwunde offen zu lassen, und die guten Sekret- abflussverhältnisse bei solcher sichern diesem Öperationswege die ungleich geringere Gefährlichkeit gegenüber der Laparotomie. Ein- schnitte ins Nierenparenchym pflegt Schede, wo es angeht, primär mit Katgut zu nähen, event. mit gleichzeitiger Jodoformgazeein- führung in die Nierenwunde, was die Heilung beschleunigt. Meinhardt Schmidt (Cuxhaven).

10) F. R. Jessop. The Bradshaw lecture on nephrectomy,

nephrolithotomy and lithotomy. (Brit. med. journ. 1901. December 14.)

J. bespricht seine Erfahrungen auf dem Gebiete der Nieren- chirurgie. Bei Kindern hat er iimal stets wegen Geschwulst- bildung die Nierenexstirpation ausgeführt, 9mal auf lumbarem Wege, 2mal auf abdominalem Wege. Von jenen ging eins während der Operation zu Grunde. Von den Laparotomirten starb eins plötzlich 7 Stunden nach der Operation. Waren die anfänglichen Erfolge der Nephrektomie verhältnismäßig günstig, so war das Endresultat desto schlechter. Die längste Lebensdauer nach der Operation betrug 2 Jahre 5 Monate. Ein Kind ging 9 Wochen nach derselben zu Grunde. 3mal sah J. die Kinder kurz vor dem Tode und konnte mit Sicherheit ein Recidiv nachweisen. 2mal wurde anderweitig ein solches festgestellt. Nur bei ganz frühzeitiger Operation sind end- gültige Erfolge zu erhoffen.

Bei Erwachsenen wurde 16mal die Nephrektomie ausgeführt. Veranlassung zur Operation gaben 6mal Geschwulstbildung, 3mal Pyelitis mit Steinbildung, 4mal Tuberkulose und sonstige Erkran- kungen des Nierenbeckens, 2mal Fistelbildung nach Nephrolithotomie und Imal unstillbare Blutung nach Extraktion eines Steines aus der Niere. Bei 5 der mit Geschwülsten behafteten Kranken wurde der transperitoneale Weg eingeschlagen mit 4 Todesfällen. Der 6. Pat, auf lumbarem Wege operirt, kam durch.

Von den übrigen 10 lumbar Nephrektomirten starben 2.

Lumbar operirt J. bei allen auf Infektion verdächtigen Fällen; bei sehr großen Geschwülsten transperitoneal, weil das die Übersicht über die Niere der anderen Seite und die leichte Stielversorgung ermöglicht.

Die Nepbrolithotomie führte J. bis zum Jahre 1896 in 19 Fällen so aus, dass er die Niere freilegte, den Sitz des Steines durch Pal- pation und Punktion der Niere feststellte und direkt auf denselben incidirte. Das Verfahren hat J. sehr wenig befriedigt. Seitdem ver- lagert er die Niere in die äußere Wunde und spaltet sie mittels

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Sektionsschnittes. Er hat das in 5 Fällen gemacht und ist mit dem Erfolge zufrieden gewesen. Die Blutung war leicht zu kontrolliren; die Nierenwunde heilte glatt.

Bei Blasensteinen betrachtet J. die Litholapaxie als das Normal- verfahren. Daneben kommt noch die Sectio alta in Frage bei Ver- engerungen der Harnröhre, allzu erheblicher Größe und Härte des Steines, lang bestehender Cystitis und Encystirung des Steines.

Weiss (Düsseldorf:.

Il) A. Broca. Tuberculose testiculaire chez l'enfant. (Gaz. des hôpitaux 1902. No. 32.)

B., der in 10 Jahren unter 46000 Kindern (lauter Knaben?) eigener Beobachtung 44 (= 0,095%) mit Hodertuberkulose sah, ist der Ansicht, dass die Hodentuberkulose des jugendlichen Alters noch viel zu wenig als selbständiges Krankheitsbild gewürdigt wird.

Sie unterscheidet sich von der im geschlechtsreifen Alter auf- tretenden Tuberkulose dadurch, dass die Prostata gewöhnlich frei und der Process weniger auf den Hoden beschränkt bleibt. Ferner sind die entzündlichen Anfälle akuter und häufiger, woraus aber kein Schluss auf größere Bösartigkeit der Affektion gezogen oder gar eine Indikation zur Kastration abgeleitet werden darf. Die Eiterung sieht sich vielmehr weniger lang hin als beim Erwachsenen, und muss die Behandlung durchaus konservativ sein.

Victor E. Mertens (Breslau).

12) Rasumowsky. Eine neue konservative Operation am

Hoden. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 3.)

Verf., ein energischer Verfechter konservativer Methoden bei Operationen an den Hoden, auch bei Tuberkulose, veröffentlicht in vorliegender Arbeit einige Methoden der Anastomosenbildung des durchschnittenen Vas deferens mit dem Hoden nach Entfernung des Nebenhodens, resp. der Anastomosenbildung zwischen dem Stumpf des Vas deferens und dem Rest des Nebenhodens nach theilweiser Resektion des letzteren. Der ursprüngliche Gedanke dieses Verfahrens ist im Jahre 1886 schon von Bardenheuer gefasst worden, der einige derartige Experimente veröffentlichte. Jüngst hat Scaduto einschlägige Versuche und Thierexperimente publicirt, die mit der Methode des Verf. zum Theil übereinstimmen. R. hat aber schon vorher am Menschen das Verfahren erprobt, das kurz skizzirt fol- gendermaßen ausgeführt wird. Das Vas deferens wird auf einer dünnen Hohlsonde, nachdem die kranken Theile quer resecirt sind, in 1 cm Länge gespalten. Dort wo der resecirte Kopf des Neben- hodens anlag, wird dasselbe nun im Bereiche des Rete testis an den Hoden durch 3—4 Nähte angenäht, so dass letztere die Muskel- und Bindegewebsschicht, nicht auch die Schleimhaut des Vas deferens mitfassen, während an dem Hoden das Bindegewebe des Corpus

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Highmori in die Naht mit einbezogen wird. Daraufhin wird die Anastomose versenkt durch Vernähung der Tunica albuginea und das Mediastinum testis rings um die ersten Nähte herum. Die Methode ist also analog der Gastrostomie nach Witzel.

Das zweite Verfahren, bei dem der Stumpf des Vas deferens in den Rest des resecirten Nebenhodens eingesenkt wird, wird so aus geführt, dass ein Kanal in dem Nebenhoden gebildet und der wie bei der ersten Methode gespaltene Samenleiter in diesen Kanal derart befestigt wird, dass die beiderseitigen Schleimhäute in innige Berüh- rung mit einander kommen. Einige Abbildungen erläutern und er- leichtern das Verständnis der Technik.

Die geschilderten Anastomosen können mit verschiedenen Ab- schnitten der distal gelegenen, samenableitenden Kanäle bewerk- stelligt werden, mit dem Rete testis, den Coni vasculosi, dem Vas epididymitis. Auch könnte man den Samenleiter nach Analogie der zweiten Methode in das Parenchym des Hodens einsenken, wo sich die Tubuli contorti, recti etc. befinden. Verf. hat sein Verfahren bei 4 Pat. angewendet, deren Krankengeschichten den Schluss des Auf- satzes bilden. E. Siegel (Frankfurt »/M.).

13) C. Beck (New York). On the differentiation between inflammatory processes and neoplasms of the bones by the

Röntgen rays. (Annals of surgery 1901. December.)

B. unterzieht den differentialdiagnostischen Werth der Röntgen- strahlen bei den verschiedenen Erkrankungen der Knochen einer genauen Besprechung im Zusammenhange mit den übrigen für die Differentialdiagnose in Betracht kommenden Momenten.

Seine Beschreibung der Röntgenbilder bei den entzündlichen Er- krankungen und den verschiedenen Geschwülsten der Knochen und der Gelenke ist klar und präcis und für die Differentialdiagnose von großem Werth.

Eine Reihe von Abbildungen veranschaulicht die von ihm be- schriebenen Veränderungen der Knochen im Röntgenbilde.

Die Thatsache, dass die Skiagraphie bei der Diagnose der Kno- chen- und Gelenkerkrankungen die anderen klinischen Methoden zwar nicht ersetzen, aber doch wesentlich unterstützen und in zweifel- haften Fällen ausschlaggebend sein soll, wird durch die Arbeit B.'s wesentlich unterstützt. Seeflsch (Berlin).

14) M. Spielmans. Über das Vorkommen von Muskelinter- position bei Frakturen und die in dem interponirten Muskel- gewebe zu beobachtenden feineren Veränderungen. Preisgekrönte Inaug.-Diss., Kiel, 1901.

Seit der Zusammenstellung von W. L. Meyer 1896 sind noch 25 Fälle von Pseudarthrosenbildung durch Muskelinterposition be-

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schrieben worden, so dass Verf. jetzt über eine Kasuistik von ins- gesammt 103 Fällen verfügt. Aus der Statistik geht hervor, dass am Oberarm und Oberschenkel Muskelinterpositionen meistens bei Brüchen von den mittleren Theilen dieser Knochen vorkommen, also nicht, wie man annahm, beim Humerus am oberen Ende bezw. chirurgi- schen Hals, am Femur im unteren Ende. Am Unterschenkel und Unterarm betrifft zwar der größte Theil unvereinigter Frakturen das mittlere Drittel, Muskelinterposition findet sich aber häufiger bei den Frakturen des unteren Drittels. Im mittleren Drittel verhindern meist die Ligamenta interossea eine größere Dislokation der Frag- mente. Je 'größer nämlich die Dislokation ist, um so bessere Vor- bedingungen für das Zustandekommen der Muskelinterposition wer- den geschaffen. Bei stark dislocirten Schrägbrüchen z. B. können ganze Muskelmassen interponirt werden. Kleine abgetrennte Muskel- fetzen klemmen sich gelegentlich in einfache Fissuren ein.

Die Muskelinterposition kann auch eine sekundäre sein in Folge ungeeigneter Repositionsversuche, traurig in so fern, als schon durch ein kleines interponirtes Muskelbündel die Konsolidation in Frage gestellt wird. Die interponirten Muskelbündel nämlich degeneriren, wie auch Verf. nachgewiesen hat, fibrös, niemals kommen sie durch Atrophie zur Nekrose. Aus diesem Grunde hat es auch keinen Zweck, eine Nekrose durch komprimirende Verbände anstreben zu wollen. Diese sind schon wegen der Gefahr der ischämischen Muskel- lähmung zu verwerfen. Die fibröse Entartung und folgende narbige Retraktion birgt wieder die Gefahr der Nerveneinschnürung in sich bis zum vollkommenen Aufhören der Leitung.

Wichtig ist wegen dieser Gefahren die Diagnose. Das sicherste Merkmal ist die Krepitation resp. deren Fehlen, daher event. Unter- suchung in Narkose! Ist eine genaue Reposition nicht zu erzielen, was ja am häufigsten bei den fixen Interpositionen der Fall ist, wenn bei Schrägbrüchen die Knochenspitzen in die Muskelmassen eingespießt sind wie häufig am Humerus —, so kann, da selbst kleine Muskelbündel niemals ossificiren und somit ste’s ein Hinder- nis für die Konsolidation bilden, nur die blutige Operation Abhilfe schaffen. E. Moser (Zittau).

15) Kausoh. Cucullarisdefekt als Ursache des kongenitalen Hochstandes der Scapula.

(Mittheilungen aus den Grenzgebieten der Medicin und Chirurgie Bd. IX. Hft. 3.)

K. fand in 5 Fällen von angeborenem Schulterblatthochstand (wovon einer doppelseitig), dass entweder die unteren Theile des Musc. trapezius oder der Muskel in seiner Gesammtheit fehlte. In einem der Fälle, der operirt wurde, ließ sich auch ein Fehlen des Rhomboideus nachweisen. Da nur der untere Theil des Trapezius nach abwärts zieht, so ist bei seinem Fehlen ein Hochstand des Schulterblattes durchaus zu erwarten. Jedenfalls erscheint die Er- klärung des Schulterblatthochstandes durch Trapeziusdefekt bei

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Weitem die plausibelste von allen. Therapeutisch schlägt K. vor, den Ursprung des Musc. rhomboides so tief von der Wirbelsäule zu verlagern, dass er das Schulterblatt nach unten zieht.

Haeckel (Stettin).

16) Lesser. Über die Luxation des Os lunatum carpi. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 10.)

Die Verrenkung ist stets eine volare und immer die Folge schwerer Gewalteinwirkungen, durch welche das Handgelenk dorsal- wärts hyperextendirt wird, indem dabei nicht der Carpus selbst, sondern der Metacarpus auf die Unterlage zu liegen kommt. Trifft der Carpus selbst auf, so werden eher Verletzungen der karpalen Epiphysen der Vorderarmknochen erfolgen. Die volare Spitze des Os lunatum wird durch die starken Bandmassen des Lig. carpo- radiale volare festgehalten, und die schmalere dorsale Spitze stemmt sich zunächst an den Kopf des Os capitat. an, gleitet an dieser Gelenkfläche weiter in den Gelenkspalt zwischen Os capitat. und Os naviculare und dann auf die Vorderseite der Hand. Die dorsale . Halbmondspitze ist den Fingern zugekehrt. Die Verrenkung des Os lunatum ist die einzig mögliche echte Verrenkung im Bereich der Handwurzel. Borchard (Posen).

17) Ghillini und Canevazzi. Über die statischen Verhält-

nisse des Oberschenkelknochens. (v. Langenbeck's Archiv Bd. LXV. Hft. 4.)

Die vorliegende Arbeit richtet sich gegen einige Ausführungen in Bähr’s Aufsatz: »Der Oberschenkelknochen als statisches Problem«, und zwar besonders gegen zwei Ungenauigkeiten, welche im Stande sind, die Ansichten der beiden Verff. über die Art, wie sie sich das statische Verhältnis der Beine erklären und die ratio- nellen Methoden zur Korrektion der Deformitäten denken, in un- rechtes Licht zu stellen. Bähr nahm an, dass die Muskeln an den oberen Enden des Knochens wie Zugbänder wirken müssten; er be schäftige sich jedoch bei dem Studium der Statik des Oberschenkel nicht mit demselben und stelle sich dadurch auf einen der Wirk- lichkeit entgegengesetzten Standpunkt. Ferner behauptet Bähr, dass die Euler’sche Formel für die Bestimmung der Anstrengung, welche der Oberschenkelknochen auszuhalten im Stande sei, nicht ange wendet werden dürfe. Nach Ansicht der Verff. gerathe Bähr, ohne es zu bemerken, in die Theorie Wolff's von der Annahme eines Krahns, die er gerade bekämpfe. Indessen könne man bei Annahme der Existenz der Spannungsmuskeln an den oberen Enden des Femur und der Spannung selbst den Oberschenkel nur als eine Säule be- trachten, die ein Trapez trägt, bei welchem die obere horizontale Seite gedrückt, die untere horizontale gestreckt und die beiden seit- lichen Streben gedrückt sind. Die Deformitäten sehen die beiden Autoren bedingt an durch Veränderungen der Knochenformen und

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durch Veränderungen der Ernährung oder des Tonus der Weichtheile oder beider zugleich. Dem entsprechend müsse die Therapie ein- gerichtet werden. Sie bestehe danach darin, dass man von der Pla- stik und Anpassungsfähigkeit der Knochen Gebrauch mache. In leichten Fällen nimmt man Druck oder Streckung vor, in schweren muss man zu operativen Eingriffen seine Zuflucht nehmen. Hängt die Deformation von der zweiten Ursache, dem Mangel an Tonus oder Ernährung ab, dann sei die Ernährung zu bessern und lokale Behandlung mit Massage, Bädern, Elektricität zu erstreben; eventuell kommen zweckentsprechende Apparate in Betracht, die das Gleich- gewicht herstellen, ohne dass die deformirten Gebilde zu starken Anstrengungen ausgesetzt werden. Gegebenen Falls sind beide Heil- methoden zu kombiniren. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

Kleinere Mittheilungen.

(Aus der chirurgischen Abtheilung des städtischen Krankenhauses zu Barmen. Oberarzt: Geh. San.-Rath Dr. Heusner.)

Fin durch Operation geheilter Fall von Tendovaginitis capitis longi m. bicipit. brachii. Von Dr. Hans Wülfing, Assistenzart.

Über die Entzündung der langen Bicepssehnenscheide am Oberarm sind in den letsten Jahren öfter Veröffentlichungen erschienen. Dagegen dürften operative Eingriffe bei dieser Erkrankung bisher selten gemacht sein, jedenfalls sind solche, abgesehen von einem unten erwähnten Falle, meines Wissens noch nicht beschrieben.

Ich erlaube mir daher, über folgenden Fall kurs zu berichten.

Im Juli 1901 wurde der 27jährige Bäckergeselle A. W. in das städtische Kranken- haus aufgenommen, und zwar wegen Beschwerden in der rechten Schulter. Schon vor Jahresfrist war Pat. wegen Osteomyelitis am linken Oberschenkel längere Zeit auf der chirurgischen Abtheilung hier; daneben bestanden schon damals Schmerzen in der rechten Schulter. Einige Zeit vorher will Pat. mit einem Sack Mehl zu Fall gekommen sein, und zwar auf die rechte Seite. Von da ab bestanden an- geblich die Schmerzen in der rechten Schulter. Dieselben treten bei gewissen Bewegungen auf, besonders beim Heben des gestreckten Arms über die Horizon- tale. Pat. fühlt dann vorn auf dem Oberarmkopf ein Hindernis, das nur durch eine schleudernde, ruckweise Bewegung überwunden werden kann. Während die Osteomyelitis geheilt wurde, bestanden die Schulterbeschwerden noch fort, auf seinen Wunsch wurde Pat. damals als gebessert entlassen. Er arbeitete dann wieder in seinem Beruf als Bäckergeselle. Manche Verrichtungen fielen ihm dabei besonders schwer, vor Allem das Herunter- und Hinaufheben der mit Brot be- legten Platten und Hereinschieben derselben in den Backofen. Zuletzt wurden die Beschwerden und Schmerzen dabei so stark, dass Pat. nicht mehr weiter arbeiten konnte.

Bei seiner Aufnahme im Juli 1901 wurde folgender Befund aufgenommen: Siehtbare Veränderungen sind an der rechten Schulter nicht zu bemerken. Das Schultergelenk selbst ist nicht druckempfindlich, dagegen besteht ausgesproohener siemlich hochgradiger Druckschmerz vorn am Oberarmkopf in der Gegend des Sulous intertubercularis. An dieser Stelle hat Pat. auch Schmerzen bei Be- wegungen des Arms im Schultergelenk, besonders beim Heben über die Horison-

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tale. Das Erheben des Arms nach vorn ist dem Pat. angeblich ganz unmöglich, während das Erheben nach hinten in normalem Umfang ohne Schmerzen möglich ist. Bei Rotationsbewegungen sind die Schmerzen wieder besonders lebhaft. Beim Senken des elevirten Arms fällt derselbe plötslich, wenn er mit dem Körper einen Winkel von ca. 45° bildet, wie gelähmt herunter.

Es handelte sich bei unserem Pat. augenscheinlich um eine isolirte Erkrankung der langen Bicepssehnenscheide, vielleicht auf tuberkulöser Basis beruhend. Da in diesem Falle die üblichen Behandlungsmethoden völlig versagten das Übel hatte sich in der letzten Zeit eher verschlimmert wie gebessert —, entschlossen wir ung zur Operation, die von Herrn Geh.-Rath Heusner in Bromäthyl-Ather- narkoge am 14. August 1901 ausgeführt wurde. Der Befund, den wir dabei kon- statiren konnten, war kurz folgender:

Nach Eröffnung des Sulous intertubercularis vermittels Längsschnitts durch den M. deltoideus erscheint die lange Bicepssehne. Dieselbe ist in einer Aus dehnung von etwa 5 cm auf ihrem Weg vom Gelenkkopf zwischen den Höcken abwärts mit der Sehnenscheide durch theils festere, theils lockere, bandförmige Adhäsionen verbunden. Dieselben sind an der Vorderseite zahlreicher wie an der Hinterseite. Die Oberfläche der Sehne ist in Folge dessen nicht glatt, weiß und glänzend, sondern mit feinen Fäserchen bedeckt und gelblich-roth verfärbt; außer- dem ist die Sehne hier um !/; dünner wie normal. Im Gelenk ist sie von nor- malem Aussehen, jedoch ist sie auch etwas dünner, eben so weiter abwärts. Die Sehnenscheide ist an der Vorder- wie an der Hinterseite verändert; sie entbehrt des spiegelnden Glanzes, leichte quere, strahlige Rillen sind an ihrer Oberfläche bemerkbar. Unterhalb der Umschlagstelle um den Rand des Oberarmkopfes ist eine linsengroße, rauhe, blutende Stelle, wo festere Adhäsionen gesessen haben, bemerkbar. Am Knochen, am Gelenk und an den Muskeln sind keine Verände- rungen zu konstatiren. Nach 7 Tagen war die Operationswunde primär geheilt, bis auf den oberen Wundwinkel. Die Heilung desselben nahm mehrere Wochen in Anspruch. Während dieser Zeit bestand hochgradige Druckempfindlichkeit am Oberarmkopf, besonders in der Gegend des Tuberculum minus, wo schon ganz leise Berührungen starke Schmergäußerungen veranlassten. Nach ca. 6 Wochen hat sich endlich auch der obere Wundwinkel geschlossen. Darauf verschwindet nach kurzer Zeit auch die Druckempfindlichkeit, und schon nach einer weiteren Woche kann Pat. den rechten Arm nach allen Richtungen frei bewegen. Beim Erheben des Arms nach vorn so wie nach der Seite kann Pat. auch wieder ver- hältnismäßig ziemlich bedeutenden Widerstand überwinden. Auch das Rollen des Oberarms ist in vollem Umfang ohne Schmerzen möglich.

Wir haben also in unserem Falle in funktioneller Beziehung vollständige Wiederherstellung unseres Pat. erzielt, und zwar durch einen operativen Eingrifl. Durch diesen wurden dann auch die anatomisch-pathologischen Verhältnisse klar- gelegt: es konnte mit Sicherheit festgestellt werden, dass es sich thatsächlich um eine isolirte Erkrankung der Sehnenscheide und Sehne handelte.

Abgesehen von dem eben beschriebenen ist nur noch in einem von Brackel aus der Klinik von Riedinger (Würzburg) veröffentlichten, hierher gehörigen Falle operirt worden. Dieser Fall war indessen bedeutend leichter und klarer gelagert wie der unsrige. Es handelte sich nämlich um eine äußerlich sichtbare, fluktuirende Geschwulst im Suleus bicipitalis, die nicht wohl etwas anderes als die durch Flüssigkeit aufgetriebene Bicepssehnenscheide sein konnte. Der Fall wurde durch Incision und nachfolgende Drainage der Sehnenscheide zur Heilung gebracht.

In unserem Falle dagegen fehlte, wie gesagt, jede sioht- oder fühlbare Ver- änderung. Pat. ist desshalb sogar stellenweise für einen Simulanten gehalten worden, ein Verdacht, zu dem sein hysterisch empfindsames Wesen allerdings ver- leiten konnte.

Um so erfreulicher war es, dass der Erfolg die Operation durchaus ge rechtfertigt hat. Pat., der vorher, in seinem Beruf wenigstens, gänzlich arbeits- unfähig war, hat die volle Erwerbsfähigkeit wieder erlangt und, wie wir uns

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durch eine nochmalige Untersuchung im December 1901 überseugen konnten, auch dauernd behalten. Dieser Erfolg berechtigt uns auch wohl, in ähnlichen Fällen ohne zu langes Zaudern, wenn alle anderen Mittel erfolglos geblieben sind, zur Operation zu rathen, als dem einzigen Mittel, einen derartigen Zustand, wie wir ihn in unserem Falle durch die Eröffnung der Sehnenscheiden feststellen konnten, gründlich zu beseitigen.

18) Kutner. Aseptischer Lithotriptor. (Ärztliche Polytechnik 1901. December.)

Die bisherigen Lithotriptoren waren schwer zu sterilisiren, weil sie eng in einander gefügt, schwer aus einander nehmbar und zusammensetsbar waren und das Schloss sehr komplicirt war. Alle diese Nachtheile sind an dem neuen In- strument vermieden, indem das Schloss nur aus 3 Theilen besteht und das In- einanderfügen der Arme ohne Inanspruchnahme des Schlosses geschieht. 4 Ab- bildungen im Original. E. Fischer (Straßburg i/E.).

19) P. 2. Freyer. A clinical lecture on a further series of cases of total exstirpation of the prostate for the radical cure of enlargement of that organ.

(Brit. med. journ. 1902. Februar 1.)

F. theilt 4 weitere Fälle von Totalexstirpation der Prostata wegen Hyper- tropbie derselben mit. Es handelt sich um Individuen im Alter von 65—76 Jahren. Die Operation wurde alle Mal so ausgeführt, dass vom hohen Blasenschnitt aus die Schleimhaut über dem am meisten vorragenden Theil der Prostata gespalten und diese stumpf aus ihrer Umgebung ausgeschält wurde. Alle Kranken hatten schon ein längeres Katheterleben hinter sich und wiesen theilweise sehr schwere Erscheinungen von Cystitis auf. Das entfernte Prostatagewebe hatte ein Gewicht von 75—130 g. Ein Mann, 70 Jahre alt, ging 14 Tage nach der Operation an einer akuten Manie zu Grunde, nachdem die Urinentleerung auf normalem Wege möglich geworden war. Die Sektion ergab, dass die Wundverhältnisse in Ordnung waren. Die Krankengeschichten sind ausführlich mitgetheilt.

F. hat die Operation bisher nur für sehr schwere Fälle reservirt mit dem Re- sultat, dass von 8 Kranken 7 geheilt und von ihren Beschwerden befreit worden sind. Weiss (Düsseldorf).

20) J. F. Hodgson. A case of excision of the vesiculae seminales for primary tuberculous disease. (Brit. med. journ. 1901. November 16.)

Es handelt sich um einen 32jährigen Mann, dessen Erkrankung vor 3 Jahren begonnen hatte. Die hauptsächlichsten Symptome waren vermehrter Harndrang alle halbe Stunden und Schmerzen beim Urinlassen. Zeitweise war der Urin trüb, 3mal war Blut in.demselben bemerkt worden. Beim Eintritt in die Behand- lung H.s klagte Pat. über Schmerzen in der Perinealgegend; dieselben steigerten sich beim Urinlassen, hier und. da auch beim Stuhlgang, worauf dann ein heftiger Tenesmus folgte. An den Hoden nichts Besonderes. Bei der sehr schmerzhaften Untersuchung des Mastdarms ließ sich die geschwollene rechte Samenblase als feste, höckerige Masse tasten. Katheterismus verursachte lebhafte, krampfartige Schmerzen so wie eine Blutung aus der Harnröhre. Der Harn war 3 Tage hin- durch blutig gefärbt. Die mikroskopische Untersuchung des Urins ergab Eiter- zellen und Tuberkelbacillen.

Die Exstirpation der Samenbläschen erfolgte von einem nach vorn gebogenen Querschnitt durch den Damm. Die Wunde verheilte innerhalb 3 Wochen. Mikro- skopische Untersuchung ergab Tuberkel in der Submucosa und im subserösen Bindegewebe. Pat. war in der nächsten Zeit völlig beschwerdefrei, doch fand sich nach 3 Monaten eine leichte Verdickung des rechten Nebenhodens. :

Weiss (Düsseldorf).

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21) J. T. Shirlaw. Case of congenital hydronephrosis. Nephrotomy and drainage. Recovery. | (Brit. med. journ. 1901. November 16.)

6wöchentliches, männliches Kind kommt wegen einer Schwellung des Leibes in Behandlung. Dieselbe ist schon bei der Geburt vorhanden gewesen, hat aber seitdem an Umfang immer mehr zugenommen. Es besteht eine beträchtliche Ab- magerung, der Bauch ist stark ausgedehnt, namentlich links. Die gespannte Haut weist große, prall gefüllte Venen auf. Palpation und Perkussion ergiebt eine nierenförmige Geschwulst, die die linke Regio lumbaris, iliaca, hypochondriaca und die linke Hälfte der Regio umbilicalis ausfülltee Während der nächsten 3 Wochen wuchs die Geschwulst weiter. Die Gedärme wurden in die Gegend unterhalb der Leber gedrängt. Das Colon descendens, anfänglich über der Ge- schwulst gelagert, war später nahe den Lumbalwirbeln zu fühlen. Punktion ergab eine klare Flüssigkeit. Die Diagnose wurde auf Cystenniere gestellt und die Anlegung einer Fistel beschlossen.

Aus dem transperitoneal geöffneten Sack entleerte sich 11/, Liter einer klaren, etwas schleimigen Flüssigkeit.

Das Kind war nach der Operation kollabirt, erholte sich indessen schnell. 5 Tage nach der Operation wurde der Ausfluss übelriechend, doch gingen die Erscheinungen unter täglichen Ausspülungen zurück.

51/8 Monate später schloss sich die Fistel. Weiss (Düsseldorf).

22) H. Grauert. Beitrag zur Kenntnis der Nierenrupturen. Inaug.-Diss., Kiel, 1901.

Bei dem 26jährigen Manne traten nach einer heftigen Kontusion der linken Seite Schmerzen und eine 2 Tage anhaltende Hämaturie auf. Abgesehen von vor- übergehendem Meteorismus war der Bauchbefund normal, Zeichen eines peri- nephritischen Ergusses fehlten. Erst am 5. Tage nach der Verletzung trat eine allmählich immer mehr zunehmende Dämpfung in der linken Bauchseite bis zur vorderen Axillarlinie auf. Temperatur 39°. Die Operation bestätigte die Diagnose auf sekundäre Blutung in das paranephritische und retroperitoneale Gewebe mit beginnender Zersetzung (Infektion) durch Urinbeimengung. Außerdem fand sich an der Hinterfläche der Niere eine 6 cm lange, nicht mehr blutende tiefe Riss wunde. Als Ursache der Spätblutung musste man entweder eine mechanische Läsion des Thrombus in Folge der durch Ol. Ricini hervorgerufenen Peristaltik, bezw. in Folge unzweckmäßiger Bewegungen des Pat. annehmen, oder es handelte sich um eine beginnende Zersetzung als Ursache der Lösung des Thrombus. Nach Eröffnung und Tamponade des Hohlraums erfolgte glatte Heilung.

Verf. entwirft auf Grund der vorhandenen Litteratur ein ausführliches Bild der subkutanen Nierenruptur. Mohr (Bielefeld).

23) Edlefsen. Nierenquetschung oder Nierenentzündung? Ein Bei- trag zur Lehre von den subkutanen Nierenverletzungen. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 5 u. 6.)

Es handelte sich in dem strittigen Falle um einen Arbeiter, der eine Quet- schung des Leibes durch ein Fass erlitten zu haben behauptete und am folgenden Tage Symptome einer Nierenerkrankung darbot, die als Folgen einer leichten Nierenquetschung gelten konnten, oder aber vielleicht von einer schon vorher vor- handen gewesenen Nephritis herrährten. E., welcher den Fall zu begutachten hatte und bei der Untersuchung des Mannes 3/, Jahr später Erscheinungen einer Nierenaffektion abgesehen von einem bei der Röntgoskopie durch König und Albers-Schönberg nachträglich nachgewiesenen, auf Residuen eines alten Blutergusses (Schwielenbildung) bezogenen abnormen Schatten in der rechten Nierengegend nicht mehr vorfand, erörtert in bejahendem Sinne in vorliegender Abhandlung eingehend die Frage, ob ein Unfall der behaupteten Art zu einer

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Schädigung der Nieren führen konnte. Er schließt unter Schilderung der bei dem Verletzten zu Tage getretenen, allerdings denen einer akuten Nephritis ähnlich gewesenen ersten Symptome die Möglichkeit des früheren Bestehens einer Nieren- affektion aus und nimmt, obwohl er die sich aus der nicht abzuleugnenden Un- sioherheit der Beobachtung ergebenden Bedenken nicht verkennt, an, dass that- sächlich eine traumatische Schädigung der Nieren vorgelegen habe.

Kramer (Glogau).

24) Luzzatto. Contributo all’ istologia dei tumori primitivi del rene. (Gazs. degli ospedali e delle clin. 1902. No. 21.)

Ein difuses Spindelzellensarkom der Niere konnte durch harte, runde Haut- metastasen wäbrend des Lebens diagnostieirt werden. Die Ansicht Albarran’s, dass von den in der Nierenkapsel der Föten zersprengten adenomatösen Strängen Nierengeschwülste ausgehen können, erwies sich als richtig bei einem Endotheliom, das solche Stränge enthielt. 4 Geschwülste hatten ihren Ursprung von der Nebenniere genommen. Eine von ihnen hatte die Nebennierenstruktur vollkommen gewahrt. Ein papilläres Adenocarcinom war ebenfalls von der Nebenniere aus- gegangen und hatte die Niere metastatisch befallen. Dreyer (Köln).

25) E. Rose. Eine Art Orthopädie der Ovarien. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 324.)

In eine abnorme Lage gerathene Eierstöcke zeigen gelegentlich eine ganz außerordentliche Schmerzhaftigkeit, die durch operative Beseitigung der Disloka- tion, also quasi »>orthopädisch« geheilt werden kann. Hierfür bringt R. 2 Belege. Einmal fand er einen derart schmerzhaften Eierstock als Inhalt eines Leisten- bruchs einer unverheiratbeten jungen Dame und reporirte das halb im äußeren Leistenring eingeschnürte Organ mit dauerndem Erfolg. Das 2. Mal fand er bei einem 22jährigen Dienstmädchen, dem früher von anderer Seite der retroflektirte Uterus vaginofixirt und der rechte Eierstock exstirpirt wurde, bei der nothwendig gewordenen Laparotomie dın linken Eierstock fest auf dem auffällig stark vor- springenden Muskelbauch des Psoas fixirt. Nach Losmachung und Reposition des- selben ins kleine Becken Beseitigung der früheren sehr lästigen Schmerzen.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

26) F. Staffel. Über eine orthopädische Bank zur Anlegung von Rumpfverbänden in Schwebelagerung, zum modellirenden Redresse- ment der Skoliosen und zu anderen Zwecken.

(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 4.)

Die Vortheile des von Nebel ersonnenen Schwebelagerungsapparats haben den Verf. zur Konstruktion seiner zu den mannigfaltigsten Zwecken zu verwen- denden Bank veranlasst. An beigefügten Abbildungen ist der ganze Apparat und

seine Handhabung, resp. sein Gebrauch deutlich ersichtlich. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

27) N. M. Wolkowitsch. Über die von mir angewandten Behand- lungsmethoden der Brüche der großen Extremitätenknochen und der Gelenksresektionen und über die Resultate dieser Methoden. (Russ. chir. Archiv 1902. Hft. 1)

Ausführliche Bearbeitung (85 Seiten) des Materials der letzten 7 Jahre 429 Fälle W. ist Anhänger der Massage für die obere Extremität und des Gehverbands für die untere. Beides wird möglichst früh angewandt. Als Verband werden Pappschienen, mit 10—14 Touren Gipsbinden überzogen und feucht an- gepasst, benutzt. Die einzelnen Schienen werden genau beschrieben und auf 16 Photographien veranschaulicht. Für die Oberschenkelbrüche und Hüftgelenks- resektionen benutzt W. eine sehr einfache hölzerne Gehschiene, die überall sehr

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leicht hergestellt werden kann. Extension durch Gewichtszug wird fast nie an- gewandt, Die so erzielten Resultate sind sehr günstig. Die Konsolidation der Oberarmbrüche (Diaphyse) dauerte im Durchschnitt 28,3 Tage (schließt man 2 lange dauernde Fälle aus, 20,3 Tage); bei Brüchen im Oberarmhals 19 Tage; Vorderarm- brüche 29,7 Tage (bei Ausschluss der extremen Fälle 23 Tage); Radiusbrüche 14,6 Tage; Oberschenkelbrüche 30,5 Tage (ohne die extremen Fälle 27,7); Ober- schenkelhals etwa 24 Tage; beide Unterschenkelknochen in der Diaphyse 42,9 Tage (mit Ausschluss der extremen Fälle 35); in der Knöchelgegend 27,5 (24,5) Tage; der Tibia allein: Diaphyse 29 (26,5) Tage; des Knöchels 22,4 (14 Tage); der Fibula im unteren Ende 17,4 Tage. Fast alle Pat. gehören dem reifen Alter en. Nicht verwachsen sind nur 2 Fälle. Verkürzung bei Oberschenkelbrüchen: von 60 Fällen heilten 34 = 57% ohne Verkürzung; in 15 Fällen betrug dieselbe I cm, in 6 2 cm, in 5 2—3 cm. 24mal waren mehrere Knochen zugleich gebrochen.

Auf Grund dieser Fälle schließt Verf., dass das Vorhandensein großer Weich- theilwunden oder anderer Frakturen die Heilung sehr verlangsamt (durch At- leitung des Blutes zur Wunde oder zu den peripheren Frakturen); die centralwärts gelegenen Brüche heilen viel später. Eben so verlangsamen die Heilung: Fieber, Schwangerschaft, Alkoholismus und Fettsucht. Endlich giebt es Individuen mit abnorm langer und im Gegensatz dazu solche mit ungewöhnlich rascher Knochen- restitution. Gückel (Medwedowka, Kiew‘.

28) Anschütz. Uber einige seltene Formen der Knochenatrophie und der Osteomalakie. (Mittheilungen a. d. Grenzgebieten d. Medicin u. Chirurgie Bd. IX. Hft 3.) A. giebt zunächst die Krankengeschichte eines 1ljährigen Knaben, bei dem neben einer Versteifung fast sämmtlicher Gelenke eine Biegsamkeit der Knochen in Folge periostaler Dysplasie bestand. Dass Knochen- und Gelenksystem in ihrer Gesammtheit zu gleicher Zeit erkrankt sind, ist außerordentlich selten; nur ein Fall von Bruck bietet eine Analogie dar. Es werden weiter hier ein Fall von idiopathischer Knochenatrophie in Folge ‚von periostaler Knochendysplasie (Osteopsathyrosis idiopathica), von Osteomalacia non puerperalis eines 17jährigen Mädchens, günstig beeinflusst durch Kastration, so wie von Osteomalacia virilis einer 1Sjährigen Kranken mitgetheilt. Die Fort- schritte in der Erkennung dieser Krankheiten durch die Röntgenphotographie werden hervorgehoben, die Differenzirung gegenüber ähnlichen Krankheitsbildern: Spätrachitis, infantile Osteomalakie, erfährt eine ausführliche Besprechung. Haeckel (Stettin).

29) Schittenhelm. ` Ein Beitrag zur Lehre von der »Osteoarthro- pathie hypertrophiente« Marie’s. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 12.)

S. theilt die Krankengeschichte eines 20jährigen Arbeiters mit, welcher das wohlcharakterisirte Bild der Marie ’schen Krankheit bot. Die Deformation des Oberkiefers und die Skoliose im oberen Abschnitt der Wirbelsäule konnten frei- lich nicht konstatirt werden, dagegen waren als sehr ausgesprochene Symptome vorhanden: »die tatzenartig missgebildeteHand mit der in hohem Grade entwickelten Trommelschlägelform der Finger, die Veränderung der Knie-, Fuß-, Hand- und Fingergelenke und die Verdickung der distalen Gelenkenden am Unterarm- und Unterschenkelskelett«.

An der Hand von Röntgenbildern konnte S. nachweisen, dass die Weichtheile, welche im Durchschnitt ungefähr eine Vermehrung von 64% erkennen ließen, stärker an den Veränderungen betheiligt waren als die Knochen, an denen die Epiphysenlinien überraschend deutlich zu sehen waren. Für eine specifische Ano- malie der Marie’schen Krankheit hält Verf. die starke Auffaserung des distalen Endes der Endphalangen an der Hand, vor Allem aber die beträchtlichen peri- ostitischen Processe an den Phalangen, den Metacarpis, den Metatarsis und im geringeren Grade den distalen Enden von Ulna, Fibula und Tibia.

Centralblatt für Chirurgie. No. 20. 557

Interesse verdient der Fall auch wegen der bisher nicht gemachten Beobach- tung des Rückgangs der hypertrophischen Processe.. Es konnte durch Röntgen- aufnahmen festgestellt werden, dass die periostitischen Processe nur ganz wenig, die verdickten Weichtheile ganz erheblich an Umfang abnahmen.

Langemak (Rostock).

30) C. Wilson. A case of osteitis deformans, (Philadelphia med. journ. 1902. Februar 15.)

Bei einem 63jährigen Fleischer ist seit 16 Jahren eine Verkrümmung der Beine nach außen, seit ungefähr 4 Jahren eine Verbiegung der Vorderarme und dann allmählich sämmtlicher langen Knochen schmerzlos aufgetreten.

Pat. vermag, auch wenn er unterstützt wird, nur mit großer Anstrengung zu stehen. Der Kopf ist nach vorn auf die Brust gezogen. Es besteht eine cervico- dorsale Kyphose mit leichter rechts konvexer Dorsalskoliose. Das Gesicht ist lang und läuft nach unten spits zu. Das Kinn ist spitz und vorstehend. Stirn- und Scheitelbeinhöcker stehen stark vor, so dass der Schädel oben viereckig erscheint. Der Brustkorb ist unsymmetrisch, unregelmäßig, fassförmig, nach rechts hinten ausgebaucht. Im unteren Theil des Brustbeins findet sich eine flache trichterförmige Depression. Die Schlüsselbeine sind, namentlich am Sternalende, verdickt, ihre Oberfläche ist knotig und sehr unregelmäßig. Die Oberarmknochen sind verdickt und vergrößert und so verkrümmt, dass die Konkavität nach der Beugeseite zu sieht. Ulna und Radius sind beiderseits am meisten verändert. Ihre Schäfte sind verdickt, verbogen und gedreht. Der Proc. styloideus ulnae ist stark vorstehend. Auch die Schulterblätter sind vergrößert; ihre Oberfläche fühlt sich rauh an. Die Oberschenkelknochen sind stark verkrüämmt; die Konkavität sieht nach hinten und einwärts. Tibia und Fibula sind beiderseits nach auswärts und vorwärts verbogen. Neben allgemeiner Arteriosklerose bestehen die Zeichen einer Herzerkrankung. Der Querdurchmesser des Bauches ist größer als die Ent- fernung zwischen Schwertfortsatz und Schambeinfuge. In Nabelhöhe findet sich eine tiefe, quer über den Bauch ziehende Furche. Der Kranke ist ungefähr 1 Fuß kleiner als vor 30 Jahren.

Die charakteristischen Veränderungen am Kopf, den Röhrenknochen, die Verkleinerung der Statur, die Kyphose und die eigenthümlichen Veränderungen an Brust und Bauch kennzeichnen das Krankheitsbild der Ostitis deformans, wie es von Paget zuerst beschrieben worden ist.

Es handelt sich wahrscheinlich um eine Hypertrophie der Knochen mit con- secutiver Erweichung und wieder nachfolgender Induration. Histologische Unter- suchungen ergaben, dass gesunder Knochen absorbirt und gleichzeitig neues Knochengewebe gebildet wird, ohne dass es su einer Verkalkung der neuen Knochensubstanz kommt.

Die Krankheit entwickelt sich anfallsweise in einem Knochen, um dann auf symmetrische Knochen überzugreifen. Das Höhestadium tritt nach 5—15 Jahren ein. Zur Knochenerkrankung tritt allmählich eine allgemeine Muskelatrophie.

Die Prognose ist quoad vitam günstig, die Therapie machtlos.

Läwen (Leipzig).

.31) Ab der Halden. Beiträge zur Kenntnis der Verletzungen der oberen Extremitäten hinsichtlich ihrer Folgen für die Erwerbs- fähigkeit.

Diss., Zürich, 1902.

Verf. berichtet über 679 Fälle von Verletzung der oberen Extremität durch Unfälle, welche Kaufmann von der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt von Niederösterreich zur Verfügung gestellt wurden.

Er theilt dieselben folgendermaßen ein:

a. Verletzungen des Schultergürtels und der Schulter, 58 Fälle, b. > » Oberarms, 27 Fälle,

558 Centralblatt für Chirurgie. No. 20.

c. Verletzungen des Ellbogengelenks, 14 Fälle,

d. > » Vorderarms, 70 Fälle,

e. > > Handgelenks, der Hand und der Finger, 320 Fälle. f. Verluste an den uberen Extremitäten, 190 Fälle.

Für Denjenigen, welcher mehrere Jahre hindurch Unfallverletzte zu begut- achten, bezw. nachguuntersuchen hat, enthält die Arbeit nichts Neues. Die Re- sultate des Verf. stimmen in den wesentlichen Punkten mit den auch anderwärts gemachten Erfahrungen überein. Es ist gewiss verdienstlich, dass Verf. Dem- jenigen, welcher wenig Gelegenheit hat, Unfallverletzte zu untersuchen, an der Hand eines größeren Materials eine Übersicht über die Folgen für die Erwerbs- fähigkeit nach Unfällen durch diese Zusammenstellung geschafft hat. Auf Einzel- heiten kann hier nicht eingegangen werden. Neck (Chemnitz).

32) C. Ossig. Erhaltung cines brauchbaren Arms trotz Zermalmung des Oberarms bis auf eine schmale Weichtheilbrücke und komplieirter Schulterverrenkung.

(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 614.)

Kurze kasuistische Mittheilung, betreffend einen 6jährigen, im Breslauer Allerheiligen-Hospital (Abtheilung Riegner) behandelten Knaben, welcher durch Quetschung zwischen einem Möbelwagen und einer Wand verletzt war. Zu den primären Substanzverlusten kamen noch sekundäre durch Gangränescirungen. Trots- dem Ausheilung Dank der Unversehrtheit des Gefäß-Nervenbündels. Die kümmer- lichen Humerusstümpfe wurden erst durch Drabtnaht, dann durch Drahtumwick- lung koaptirt. Eine Knochenimplantation, stammend von einem durch Amputation gewonnenen Tibiafragment, misslang. Zur Deckung des Weichtheildefekts ver- nothwendigten sich Lappenplastiken aus Brust- und Bauchhaut. Erfreuliches Endresultat, illustrirt durch 2 Photogramme. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

33) J. P. Haberern. Uber Sehnenluxationen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 192.)

H. beobachtete eine traumatische unkomplicirte Luxation der Strecksehne des Zeigefingers. Der 3ijährige Pat. war mit pronirter und dorsalflektirter Hand zu Boden gefallen, wonach Bluterguss und starke Schwellung entstand. Nach Ver- schwinden der letzteren zeigte sich am Zeigefinger eine Abweichung im Metacarpo- Phalangealgelenk um 20° nach der Ulnarseite, als deren Grund sich eine Ver- rutschung der Strecksehne von der Kuppe des Metacarpusköpfchens ulnarwärts ergab. Übrigens ließ sich die Dislokation des Fingers sowohl wie seiner Sehne passiv leicht reponiren, recidivirte aber sofort, wenn der Finger wieder aktiv be- wegt wurde. Ein Versuch, die Sehne an ihrem richtigen Platz durch einen mehr- wöchigen Verband fest zu machen, misslang, wesshalb zur Operation geschnitten und dabei über der richtig gelagerten Sehne die lockeren Nachbargewebe durch Nähte zusammengeknüpft wurden; außerdem wurde noch aus den Verstärkungs- bändern der Gelenkkapsel und fibrösen Bindegewebsschichten ein Läppchen zurecht- geschnitten und ebenfalls auf die Sehne gedeckt und vernäht. Dann Naht, fester Verband. Bewegungsübungen nach etlichen Wochen, sehr gutes Endresultat.

An den eigenen Fall schließt die Abhandlung, die H. in der Kgl. ungarischen Gesellschaft der Arzte von Budapest vorgetragen, eine Allgemeinzısammenstellung darüber, was sonst über Sehnenluxationen (am Biceps brachii, den Peroneis ete.; bekannt und beobachtet ist. Meinhard Schmidt (Cuxharen).

34) H. Graff. Über die Spontanluxationen des Hüftgelenks im Ver- laufe von akuten Infektionskrankheiten. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 588.) Die aus der Schede’schen Klinik hervorgegangene Arbeit bringt 4 neue Fälle

bei. 1) 14jähriges Mädchen, doppelseitige Luxatio iliaca nach 'Typhus. Starke Flexionsstellung und Lendenlordose. Tenotomien und Streckverbände erfolglos.

Centralblatt für Chirurgie. No. 20. š 559

Desshalb in 2 Sitsungen beiderseitige blutige Reposition mittels Langenbeck- schen Schnittes, Zustutzsung des Kopfes, Neuausgrabung der von dicken Schwielen- massen gefüllten Pfanne. Offene Wundbehandlung mit Ausstopfung, Streck- und Gipsverband gleichzeitig. Resultat: Stellung bedeutend gebessert, Beweglichkeit geriog, Gang nicht ohne Hinken. Von Interesse ist, dass der 2. Operation ein Abscess der Adduktorengegend folgte, der 11/3 Jahre nach dem Typhus noch lebensfähige Typhusbaecillen enthielt. Photogramm der Kranken vor und nach der Operation. 2) 20jährige Frau mit einseitiger Verrenkung nach Puerperalfieber. Unblutige Reposition in Narkose leicht, Gipsverband, wonach Gelenkfestigung eintrat. Einige Beweglichkeit fängt an sich einzustellen. Fall 3 und 4 betreffen 16jährige Jungen, bei denen die Verrenkung Folge osteomyelitischer Coxitis war. Bei dem einen gelingt die unblutige Reposition leicht, doch tritt auch trots längerer Gipsfixation in Abduktionsstellung wieder die Reluxation ein, wesshalb blutige Korrektur noch vorbehalten ist. Beim letzten Fall ist letztere bereits ausgeführt, die Heilung aber noch nicht vollendet.

Technisch wäre zu bemerken, dass Schede für den fraglichen Operations- sweck den Langenbeo,k’schen Schnitt für eben so brauchbar hält, als den von Payr empfohlenen Kocher’schen. Zur Reposition dient der Schede’sche für die angeborene Verrenkung erprobte Extensionstisch auch hier in »einfach idealer« Weise. Die Rekonvalescenten werden zu den Gehübungen mit der Schede’schen Abduktionsschiene ausgerüstet. Hat man bei einem Pat. ohne Erfolg einen un- blutigen Repositionsversuch gemacht, so soll man an ihn nicht direkt den blutigen Eingriff anschließen, sondern 2—3 Wochen warten, sonst läuft man Gefahr, dass die Wunde in den strapazirten Weichtheilen von Infektion befallen wird.

In allgemein pathologischer Hinsicht leitet G. aus seinen Fällen eine eigene Theorie Betrefis der Entstehungsweise dieser Spontanluxationen ab, die er aber bereits auf der vorjährigen Naturforscherversammlung vorgetragen hat. Wir ver- weisen diesbezüglich auf seinen Selbstbericht in d. Centralblatt 1901 p. 1243. Zum Schluss ist der Arbeit ein 32 Nummern umfassendes Litteraturverzeichnis beigefügt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

35) E. Rose. Der Werth meiner Exstirpationsmethode bei der Aus- lösung des Oberschenkels. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 425.)

Die umfangreiche Arbeit giebt erschöpfenden Bericht über die von R. in seiner 40jährigen spitalärstlichen Thätigkeit mit der von ihm erfundenen »Exstirpations- methode« der Oberschenkelexartikulationen erzielten Resultate. Diese Operation, wie ein historischer Rückblick lehrt, früber wegen der ihr anhaftenden Verblutungs- gefahr fast als hoffnungslos verurtheilt und in Friedens- wie Kriegspraxis von erschreckender Sterblichkeit, ist durch R.'s Verfahren beträchtlich lebenssicherer gemacht. Da die Methode etwas längere Zeit erfordert, ist zur Narkotisirung Zwecks Chloroformsparung die Anwendung des Junker’schen Apparats zweck- mäßig. Die Blutung bei dem Verfahren ist, wenn dasselbe vorschriftsmäßig gelingt, nur kapillar; denn wie bekannt und wie R. hier neuerdings detaillirt beschreibt, werden sämmtliche Gefäßstämme vor der Durchtrennung doppelt unter- bunden, die Muskeln aber beim Durchschnitt beiderseits digital komprimirt und jegliches blutende Gefäß alsbald versorgt. Besonders aufmerksam wird, auf die Arterie im Lig. teres, auf die Conus n. ischiadiei, auf die dilatirten Äste der Obturatoria und die Anastomose zwischen Glutaea und Profunda aufmerksam gemacht. Die Nachbehandlung war den zeitweiligen Wandlungen, die die Wund- behandlung durchmachte, entsprechend verschieden, ohne dass desshalb die Resul- tate viel differirten. Von 21 Fällen sind mindestens 9 ganz offen behandelt, darunter 6 Heilungen. Nachblutungen und Knorpelexfoliationen, so wie weiter- gehende Phlegmonen kamen nie vor, ein einziges Mal Lappengangrän und Erysipel. Tödliches akut purulentes Odem Imal, beiläufig an einem nach Lister behan- delten Fall. Bei den Genesenden ist die unmittelbare Vereinigung nie ausgeblieben, wenn auch Drainage- und sonstige Fisteln sich manchmal nur langsam schlossen.

560 Centralblait für Chirurgie. No. 20.

Bei den ungünstigen Fällen erfolgte der Tod in der Regel in Folge von Er- schöpfung oder plötzlich durch Collapse, wofür die vorausgegangenen Blutungen und Eiterverluste, noch mehr aber ältere innere Krankheiten (Tuberkulose, Herz- febler, Trunksucht) oder die weitere Entwicklung böser Neubildungen die Schuld getragen haben.

R.s Operationszahl beläuft sich auf 21, wovon 10 theils wegen frischer Ver- letzung (2, beide +), theils wegen schlechten Verlaufs zunächst konservativ be- handelter Verletzung (3, 1 geheilt, 2 +), theils wegen anscheinend posttraumatischer Ostitis und Arthritis (2, beide geheilt), theils wegen embolischer Spontangangrän (1, +), theils wegen Knochen- und Gelenktuberkulose (2, beide +) operirt wurden, während bei 11 Kranken bösartige Neubildungen vorhanden waren. Von letzteren sind 4, die schon mächtig jauchten oder große Drüsenmetastasen hatten, 2—9 Tage nach der Operation gestorben. Von den Geheilten sind 5 in den ersten 10 Mo- naten (an Recidiv bezw. Metastasen?) gestorben; eine Frau, deren Beingeschwulst bereits eine Sekundärmetastase darstellte, starb erst 8 Jahre nach der Exartikula- tion, 14 Jahre nach Exstirpation der primären Geschwulst (an »Gicht«), während ein jetzt 53jähriger Mann die Exartikulation wegen Knochensarkom mit Spontanfraktur und Fistelbildung jetzt bereits 7 Jahre hinter sich hat, ganz gesund und berufs- fähig ist. Hiermit ist, entgegen den von R. wiederholt angegriffenen pessimistischen Ausführungen Borck’s, die Möglichkeit einer Dauerheilung des Sarkoms durch Operation erwiesen. Ein noch erfreulicheres, übrigens durch Oberschenkelampu- tation gewonnenes Beweisstück hierfür liefert eine Pat. R.’s, die, im Alter von 12 Jahren wegen Markschwamm über dem Knie operirt, zur Zeit bereits 16 Jahre geheilt ist, 2mal heirathete und in erster Ehe 3 Kinder hatte,

Die 2 von der Operation wegen Ostitis Genesenen sind im Berliner Chirurgen- Verein vorgestellt (vgl. d. Centralblatt 1902 p. 17). Die Mittheilung sämmtlicher Krankengeschichten der Operirten schließt die bedeutsame Arbeit.

Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

36) A. Fassbender. Ein Fall von Kompressionsfraktur des oberen Tibiaendes mit Subluxation der Tibia nach außen. | Inaug.-Diss., Kiel, 1901.

Eine Kompressionsfraktur durch Aufstoßen des im Knie gestreckten Beines bei einem Sturz vom Rad. Durch Stoß des niederfallenden Rades auf den Unter- schenkel in der Richtung von innen nach außen wird das Zustandekommen der Verrenkung mit Wahrscheinlichkeit erklärt. Behandlung mit Extension. Defni- tive Verkürzung 1,5 cm. E. Moser (Zittau).

37) E. Krüger. Fälle von Gangrän des Unterschenkels. Inaug.-Diss., Kiel, 1901.

2 Gangränfälle in Folge Zerreißung der Art. poplitea, einer auf diabetischer Basis, einer in Folge Thrombose sämmtlicher Unterschenkelgefäße bei Myokard- degeneration und Arteriosklerose. Interessant ist der 2. Fall. Hier trat im An- schluss an, eine bogenförmige Resektion des ankylosirten Kniegelenks bei einem 39jährigen Bluter starke Nachblutung aus der Wunde und eine Gangrän des Unterschenkels ein, die die Amputation im Oberschenkel nöthig machte, der Pat. erlag. Gelatineinjektionen erwiesen sich bei der Blutung als nutzlos.

E. Moser (Zittau).

Berichtigung. p. 482 d. Bl. lies: Z. 18 v. o. Sick statt Seitz, Z. 23 v. o. eine statt nur, Z. 29 v. o. käsig statt kittig.

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder au die Verlags- handlung Breitkopf $ Hüärtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Gentralblatt CHIRURGIE

E mn Ban, RK, Kr Neunundzwanzigster Jahrgang.

CEEE E ÜEEE TE Wöchentlich eine Nummer. Preis des J ngs 20 Mark, bei halbjāhriger Prānumeration. Zu besieben durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 21. Sonnabend, den 24. Mai. 1902.

Inhalt: Contremoulins, v. Bergmann,. Zer: Sehädelhöhle. (Orig.-Mitth.

1) Hormann, Topographisoho Anatomio. 2) Debierre, Emdryologie. 3) Hilde- brand, Scholz, Wieting, Das Arteriensystem des Menschen im steröpskopischen Röntgen- bild. 4) Elchholz, Epifhelmetaplasie. 5) Schlechtendahi, 6) Tkumpp, Chloroformi- rung. 7) Schaeffler‘, Händedesinfektion.e 8) Willems, Drüdentuberkulose. 9) Wagner, Tuberky%se Gelenkerkrankungen. 10) Eisendrath, 11) Fenger, Bauch- felltuberkulose. A?) Andrews, Tuberkulose des Bruchsackes und de Wurmfortsatzes. 13) Eisberg, Jubphrenischer Abscess nach Appendicitis. 14) Berger, Hernia inguino-interstitiafis. 15) Fasola, Darmperistaltik. 16) @urewitsch, Ablösung des Gekröses vom Clon descendens. 17) Lauwers, Darmresektion. —, 18) Ssujetinow, . Hämorrhoiden. 19) Karewski, Gallensteinileus. 20) Evans, Gallensteine 21) Taddel, Blu@tillung bei Leberwunden. 22) Rühl, 23) Berndt, Lagerung des Pat. bei Operationen An den Gallengängen.

Vlomann, Epiqermoide (Epitheleoyſton) mit Einsehluss von Fromdkurpern. (Orig. Mitth.)

24) Fedorow, Krankheiten der Speiseröhre. 25) Cahen, Cardiospasmus. 26) Me- lis, Baachschuss. 27) Ssolowow, Brucheinklemmung. 28y Giadstone, Hernia ob- turatoria. 29) Apirler, Fibromyom des Magens. 30) Cordier, Gastrojejunostomie. 31) Groth, DünNarmstenose. 32) McAdam Eccles, Intussusception. 33) Swent-

von Geschossen aus der

zitzkl, Mastdarmangidm. 34) Kehr, Anomalie der Galtengänge. 35) Botescu, Leber- echinocoocus, 36) Magen-Torn, Mesenterialcyste Berichtigungen.

Nachfolgendes Schreiben über die Entfernung von Ge-- schossen aus der Schädelhöhle ist der Redaktion zugegangen:

Geehrter Herr!

In No. 10 (von 1902, p. 288) des Centralblattes für Chirurgie lese ich einen Ausspruch von Herrn Prof. v. Bergmann, der von jedem Versuch zur Extraktion eines Geschosses aus dem Gehirn an der Hand von Röntgenstrahlen abräth und meint, die Röntgen- strahlen seien nicht im Stande, den exakten Sitz eines Geschosses im Gehirn anzuzeigen.

Da: der großen Autorität des Prof. v. Bergmann wegen seine Meinung eine sehr große Tragweite hat, so bitte ich, sowohl im

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Interesse der Wissenschaft, wie auch im Interesse der Menschheit, folgende Rektifikation aufzunehmen.

Von 18971 an habe ich eine Methode und einen Apparat er- funden, welche es ermöglichen, den exakten Sitz eines jeden Fremd- körpers im Gehirn (bis auf !/, mm) zu finden.

Diese Arbeit ist der Académie de médecine von Herrn Prof. Marey am 30. März 1897 vorgelegt worden (Bull. de l’acad. de med. 3. Serie, Bd. XXXVII, p. 354; Sitzung vom 30. März), ist der Gegen- stand von Mittheilungen an der Académie des sciences gewesen (Compte rendu de l’acad. de sciences Bd. CXXV, p. 831; November 1897), so wie von anderen Publikationen, nämlich im November 1897 in Bull. de l’acad. de med. 3. Serie, Bd. XXXVIII, p. 478; im Juni und Juli 1898 in der Revue internat. d’electrotherapie No. 11 und 12 und in Arch. d’electrieit& medicale.

Mit diesem Apparat und dieser Methode ist bisher in 52 Fällen eine Kugel im Gehirn gesucht, und immer sind die Geschosse, deren Sitz mit derselben Genauigkeit bestimmt war, mit unveränderlichem Erfolg extrahirt worden.

Weiter gestattet diese Methode, mit einem anderen Apparat, den Sitz jeden Fremdkörpers zu bestimmen und Messungen des Skeletts und solcher Organe und Tumoren vorzunehmen, die überhaupt mittels Radiographie scharfe Bilder geben.

Die Kugelextraktionen, von denen oben die Rede war, sind aus- geführt von den Herren Professoren der Fakultät und Chirurgen der Spitäler: Le Dentu, Ferrier, Tuffier, Mauclaire, Rochard, Reynier, Remy, Chaput, Michaux, Auvray, Beurnier, Demoulins u. A. und in dem Militärspital Val-de-grace von den Herren Professoren Loison und Mignon.

Keine einzige Extraktion ist misslungen. Man kann also nicht sagen, die Radiographie habe die Lösung der Frage nicht gegeben, und man solle sich fernerhin in solchen Fällen enthalten, wo sich ein Geschoss im Gehirn befindet, da im Gegentheil die Radiographie absolute Garantie giebt (freilich nur unter den Bedingungen genauester Präcision, welche ich möglich gemacht habe).

Ich stehe Herrn Prof. v. Bergmann zur Verfügung, um ihm alle weiteren Erörterungen zu gewähren, die er wünschen möchte, und auch für die demonstrativen Experimente, welche er wünschen könnte.

Hochachtungsvoll Gaston Contremoulins,

Chef du laboratoire central de radiographie des hopitaux de Paris.

1 Cf.: Auffinden von Geschossen im Gehirn mittels der Radiographie und der Apparate von Contremoulins, von Herrn Prof. Th. Tuffier in » Presse medicale« vom 20. December 1899. No. 101. p. 353 und folgende Nummern,

Centralblatt für Chirurgie. No. 21. 563

Erklärung.

Herr Contremoulins hat das Referat im Centralblatt 1902 No. 10 nicht verstanden.

Ich habe niemals daran gezweifelt, dass man durch Röntgen- strahlen den Sitz einer Kugel im Hirn recht genau bestimmen kann, und solche Bestimmungen mehrfach selbst gemacht und gezeigt. Ich habe nur behauptet, 1) dass das Aufsuchen der Kugel im Hirn meist unnütz ist und oft mehr schadet als nützt, da man, zumal bei Sitz der Kugel in der Capsula interna, mehr Leitungs- und Associations- bahnen zerstört, als die Kugel, welche man entfernen will, zerstört hat, und 2) dass das Aufsuchen von eingeheilten und nicht ein- geheilten Kugeln an der Schädelbasis »selbst an der Hand guter Röntgenstrahlenbilder« auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen kann. Die Bestimmung des Sitzes der Kugel im Hirn ist mit großer Sicherheit auszuführen, die Entfernung der Kugel meist aber nicht nothwendig und oft gefährlich und unmöglich.

E. v. Bergmann.

1) F. Hermann. Lehrbuch der topographischen Anatomie. Zum Gebrauch für Ärzte und Studirende. I. Band: Kopf und Hals. 1. Abth.: Kopf. Mit 183 Figuren, vorwiegend nach Originalzeichnungen des Verf. Leipzig, S. Hirzel, 1901. 418 und XIX 8.

Die Zwecke und Aufgaben dieses groß angelegten Werkes hat Verf. in der Vorrede selbst ausgesprochen: »Es soll versuchen, überall die Brücken zu zeigen, die von der. Anatomie, der Wis- senschaft der Form, hinüberführen zur Physiologie, der Lehre der Funktionen, es soll die Wege weisen, die durch die Anatomie des normalen, gesunden Körpers zum Verständnis pathologischer Verhältnisse führen, es soll in gewisser Hinsicht auch die Bahnen verstehen lehren, welche die Heilkunde in therapeutischer Hinsicht einzuschlagen sich bemüht«e. Auch H. fasst somit, wie das ja auch von Seiten anderer Verfasser topographischer Anatomien (z. B. Mer- kel) geschieht, den Begriff »topographische« Anatomie weiter als im Namen ausgedrückt ist; er will überhaupt eine auf die Heilkunde angewandte Anatomie darunter verstehen.

Der erste, nur den Kopf behandelnde Theil lehrt dies auch auf jeder Seite. Nach einer einleitenden »allgemeinen Betrachtung des Kopfes« folgt eine Besprechung des Gehirnschädels und seiner Weich- theilbekleidung. Vieles praktisch Wichtige bezüglich der Elasticität der Hirnschale, Frakturen derselben und der Schädelbasis, kommt dabei zur Behandlung. Einen großen Umfang nimmt die Darstellung des Inhalts des Schädelraums ein; das Gehirn mit seinen Umhül- langen wird hier ausführlich, mit Berücksichtigung der Nerven- bahnen, Kerne etc. geschildert. Augengegend, Nasengegend, Mund-,

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Kinn-, Wangengegend; Kieferknochen mit den Zähnen, Vorraum der Mundhöhle, Mundhöhle, Rachen, zusammenfassende Betrachtung der Muskulatur, so wie der motorischen und sensiblen Nerven des Ge- sichts, Ohrgegend sind die Überschriften der weiteren Kapitel, die noch im 1. Theil zur Behandlung kommen, alle mit der gründ- lichsten Genauigkeit und mit häufigem Hinweis auf die praktische Wichtigkeit und Anwendung der anatomischen Einzelheiten.

Die Figuren, meist im Autotypieverfahren und vielfach in meh- reren Farbentönen hergestellt, sind anschaulich und ergänzen den Text vortrefflich; die meisten sind vom Verf. selbst gezeichnet, unter ausgedehnter Benutzung von photographischen Bildern. So vereinen sich in ihnen die Genauigkeit der Photographie mit der größeren Klarheit der künstlerisch durchgearbeiteten Zeichnung. Die Aus-

stattung des vortreffllichen Werkes ist schön und gediegen. E. Gaupp (Freiburg i/B).

2) Ch. Debierre. L’embryologie en quelques lecons. Paris, Felix Alcan, 1902. 196 S. mit 144 Fig.

Der kleine Band von D. enthält die wesentlichsten Elemente der Entwicklungsgeschichte. Die allgemeinen Dinge (Geschlechts- zellen, Befruchtung, Keimblattbildung, Embryonalhüllen, äußere Formbildung) nehmen dabei einen verhältnismäßig größeren Raum ein, als die Bildungsgeschichte der Systeme und Organe, die recht kurz abgehandelt ist. Das Buch, aus Vorlesungen hervorgegangen, vermittelt nur eine allererste Einführung in die Entwicklungs- geschichte. E. 6aupp (Freiburg i/B.).

3) Hildebrand, Scholz, Wieting. Das Arteriensystem des Menschen im stereoskopischen Röntgenbild. (Sammlung von stereoskopischen Röntgenbildern I., aus dem Neuen All- gemeinen Krankenhaus Hamburg-Eppendorf. Abtheilung von Prof. Dr. Rumpf und Oberarzt Dr. Kümmell.) 10 stereo- skopische Bilder mit Text. Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1901.

Verff. haben das Arteriensystem an der Leiche mit Quecksilber- masse (gesättigte Mischung von Terpentin und Quecksilber, ev. mit etwas Wachszusatz) injicirt und alsdann nach besonderer, von H. angegebener Methode stereoskopische Röntgenbilder nach den Prä- paraten hergestellt. Die 10 Tafeln sind schöne Zeugnisse für die Leistungsfähigkeit der Methode. Man erhält durch sie ganz vor- treffliche Bilder des Arteriensystems von ausgezeichneter Plastik und Deutlichkeit. Die Tiefenlage der einzelnen Gefäße kommt in über- raschender Klarheit zur Anschauung, so dass die Tafeln thatsächlich in dieser Hinsicht jeder Zeichnung überlegen sind. Die Methode ist ganz danach angethan, im eigentlichen Sinn des Wortes den »Einblick« in den menschlichen Körper rasch und leicht zu ver-

Centralblatt für Chirurgie. No. 21. 565

mitteln, und man darf noch vieles Schöne und N ützliche von ihr erwarten. E. Gaupp (Freiburg i/B.).

4) Eichholz. Experimentelle Untersuchungen über Epithel- metaplasie. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 4.)

Die Arbeit des Verf. ist von der med. Fakultät der Universität in Königsberg preisgekrönt worden. In ihrem ersten Theile be- schäftigt sie sich mit Untersuchungen über die Umwandlung von Epidermis zu Schleimhaut. Es ist ja allgemein bekannt, dass Haut- partien bei plastischen Operationen, in ein der Schleimhaut zugehöriges Gebiet versetzt, makroskopisch den Schleimhautcharakter annehmen. Mikroskopische Untersuchungen sind indessen nicht bekannt ge- worden. Bei dem ersten Versuch wurde ein Ersatz der Mundhöhlen- schleimhaut durch äußere Haut hergestellt, und zwar bei einem Hunde. Die Untersuchung erwies, dass auch nach einem Jahre noch keine Neigung der Haut vorhanden war, ihren Charakter zu ändern und in Mundschleimhaut überzugehen, die ihr morphologisch wie histogenetisch doch nahe verwandt ist. Beim Ersatz der Blasen- schleimhaut durch äußere Haut, gleichfalls beim Hunde, übt die letztere ihre Funktion gut aus. Zu Inkrustationen kommt es selten. Dagegen verändert sie ihren Charakter selbst nicht, während ihre Anhangsgebilde sich weniger widerstandsfähig zeigen. Dem Magen- saft gelingt es jedoch bei gleicher Versuchsanordnung, die oberfläch- lichen schlecht ernährten Schichten zu zerstören. Das dadurch ge- bildete Geschwür wird vom Rande her epithelisirt.

Über die Umwandlung von Schleimhaut zu Epidermis existirt schon eine umfangreichere Litteratur. Bei den eigenen Versuchen des Verf. ergab sich im Gegensatz zu dem, was bisher bekannte klinische Thatsachen vermuthen ließen, dass selbst nach 16 Wochen noch die Mundschleimhaut normalen Bau besaß. Nur die oberste Schicht hatte ihr Aussehen geändert. Sie ist etwas verbreitert und giebt die nach Ernst für Horn specifische Reaktion. Diese geringen Veränderungen sind indessen nur als physikalisches Phänomen zu betrachten, das durch die austrocknende Luftwirkung hervorgerufen ist. Dass dagegen geschichtetes Pflasterepithel aus sich heraus wirk- liche Epidermis bilden kann, beweisen die Untersuchungen an alten Vaginal- und Üterusvorfällen. Eine andere Deutung ist hier nicht möglich. Übergangsepithel erwies sich als wenig widerstandsfähig gegen Schädigungen. An die Körperoberfläche gebracht, wird es bald von der heranrückenden Epidermis verdrängt oder überwuchert. Eine allmähliche Umwandlung konnte aber experimentell nicht nach- gewiesen werden. Die Cylinderzelle hat in keinem Falle ihre Speci- fität eingebüßt. Auffallend war nur, dass die benachbarte Epidermis vor der stark entzündeten Schleimhaut Halt macht und nicht wie bei der Blase über dieselbe hinwegwuchert.

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In dem zweiten Theil der Arbeit wird die Frage der Umwand- lung von Schleimhaut in Epidermis an der Hand der eigenen Beob- achtungen und der in der Litteratur veröffentlichten Fälle in aus- gedehnter Weise abgehandelt. Auch auf Grund dieser vergleichenden Studien kommt E. bezüglich des geschichteten Plattenepithels zu dem Schluss, dass es epidermisähnlich werden kann. Beim Übergangs- epithel kann er eine Metaplasie nicht mit Sicherheit ausschließen, doch ist in seinen eignen Fällen ein Hineinwuchern der Epidermis von außen her anzunehmen. Cylinderepithel kann aus sich heraus nicht Epidermis bilden. Wo dennoch an einem normalerweise Cylinderepithel tragenden Organe eine Epithelveränderung zu Stande kommt, muss man Hinüberwuchern des Plattenepithels oder die Entstehung durch einen versprengten Keim annehmen.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

5) G. Schlechtendahl. Chloroformmaske ohne Maske mit- tels Kehlkopfkanüle. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 6.)

6) Trumpp. Chloroformmaske ohne Maske mittels Kehl- kopfkanüle. (Ibid. No. 10.)

Die Methode bezweckt, bei Operationen im Gesicht, in der Mundhöhle und im Rachen ohne Maske arbeiten zu können und die Gefahr der Blutaspiration bei derartigen Eingriffen ohne die Nothwendigkeit, bei hängendem Kopf operiren oder eine Tracheo- tomie vorausschicken zu müssen, zu beseitigen. Das Princip des von S. konstruirten Apparates ist dasselbe wie bei der Intubation. Auf das Intubationsrohr wird ein mit einer Spirale versehener Schlauch aufgeschraubt; als Intubator dient ein zangenförmiges Instrument; die Einführung erfolgt, nachdem es unter Anwendung der gewöhn- lichen Maske zu tiefer Narkose gekommen. S. ist mit Verbesserungen des Apparats beschäftigt, um jede schädliche Einwirkung des In- tubationsrohrs auf den Kehlkopf zu verhüten, wie sie nach seiner Ansicht auch bei dem von F. Kuhn zu gleichem Zwecke benutzten Metallschlauchrohr eintreten kann.

T. stellt fest, dass die Idee, den Katheterismus des Kehlkopfs für eine vollständige Tamponade des Kehlkopfeinganges und der Luftröhre in Verwendung zu ziehen, schon seit O’Dwyer’s Er- findung vielfach praktisch verwerthet, auch mit einem besonderen Apparate 1898 von van Stockum empfohlen worden ist.

Kramer (Glogau).

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7) Schaeffer (Berlin). Der Alkohol als Händedesinfektions-

mittel. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 9 u. 10.)

Die bisherigen, fleißigen und mühevollen Untersuchungen über Händedesinfektion haben ergeben, dass eine absolut zuverlässige Keimfreiheit der Hände auf keine Weise sich erreichen lässt. Es liegt die Gefahr vor, dass aus diesem Ergebnis der Schluss gezogen wird, eine peinliche Händedesinfektion sei überflüssig. Verf. hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu ermitteln, bis zu welchem Grade und mit welchen Mitteln man dem Ideal der völligen Keimfreiheit am nächsten kommt, und das Ergebnis seiner Händedesinfektionsversuche ist, dass er mit der von Ahlfeld so lebhaft empfohlenen Heißwasser- Alkohlmethode zwar keine absolute Keimfreiheit, aber doch eine hochgradige Keimarmuth erzielte. Nicht die baktericiden Eigen- schaften sind es, die dem Alkohol innewohnen, auch nicht die schrumpfende und härtende Einwirkung, die er auf die Haut der Hände ausübt, ist es, die ihn geeignet für die Desinfektion macht, sondern die fett- und epithellösende Kraft bedingt seinen Werth als Händedesinfektionsmittel. Diese Kraft besitzt der stärker kon- centrirte Alkohol im höheren Maße, als der verdünnte, wesshalb der erstere empfohlen wird.

Ein intensives Bürsten, Abscheuern und Reiben der Haut mit Seife und Wasser lässt noch eine Unzahl von Keimen auf der Hand zurück.

Verf. fasst die Ergebnisse seiner Untersuchungen selbst in folgende Thesen zusammen:

1) Die Heißwasser-Alkoholmethode ergiebt die bei Weitem besten Erfolge.

2) Die Mikulicz’sche Seifenspiritusmethode kommt ihr am nächsten.

3) Die Antiseptica sind ausnahmslos nicht im Stande, eine be- friedigende Keimarmuth der Hände zu erzeugen.

4) Das Lysoform und das Chinosol nehmen unter diesen Anti- septicis die tiefste Stelle ein. |

5) Die Waschung mit Schleich’scher Marmorseife giebt genau so ungenügende Resultate, wie die einfache Heißwasser-Seifen- waschung. |

Die Vorschrift des Verf.s für die Händedesinfektion lautet: 5 Minuten langes intensives Waschen in überheißem Wasser mit Schmierseife und sauberer Bürste, Benutzung des Nagelreinigers, energisches Abreiben der Hände mit einem sterilen Tuch, 3—5 Mi- nuten langes Bürsten in Alkohol, am besten unter Erneuerung des- selben; Abspülung der Hände in einer zweifellos sterilen Lösung (z. B. in einer 1°/,,„igem Sublimatlösung). Langemak (Rostock).

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8) Ch. Willems. Traitement des tuberculoses ganglionnaires. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1902. No. 1.)

W. empfiehlt im ersten Stadium der Drüsentuberkulose, bei derber Infiltration, einen Anstrich mit 10 gigem Jodoformkollodium. Ist der Einfluss desselben (Verkleinerung, Beweglichwerden der Drüsen) nach einigen Tagen nicht erkennbar, so ist bereits die Ver- käsung im Gange. Die centrale Erweichung ist an der tiefen Fluk- tuation zu erkennen. In derartigen Fällen sticht W. ein spitzes Bistouri in das verkäste Drüseninnere und zwängt durch den 3 bis bis 4 cm langen Einschnitt ein kurzes Drain. Die erweichten Massen werden durch Druck auf die Drüsen aus dem Drain entfernt. Die Haut zieht sich über der zusammenfallenden Drüse napfartig ein. Jodoformgaze. Watte. Kompressionsverband. Der Verband kann in einigen Tagen gewechselt werden. Zur Vermeidung der Mischinfek- tion ist bei jedem Verbandwechsel peinliche Reinigung der Um- gebung der Drainöffnung nothwendig. Die Drains können 3 bis 4 Wochen liegen bleiben. Liegt die drainirte Drüse in einem Drüsenpacket, so beobachtet man auch eine Verkleinerung der Nach- bardrüsen, besonders wenn man die Resorption durch einen Jodo- formkollodiumanstrich unterstützt.

Bei vereiterten Drüsen greift dieselbe Behandlung Platz nur müssen die Drains länger liegen bleiben. Bei ausgedehnter Er- weichung und Fistelbildung wird nach sorgfältiger Reinigung jeder Fistelgang drainirt. Erweichte, noch nicht perforirte Herde werden mit dem Bistouri incidirt und drainirt; ab und zu wird ein Jodo- formkollodiumanstrich gemacht.

Bei der angegebenen Behandlung erreicht man die Bildung kleiner unauffälliger Narben. Die Exstirpation ist nach W. nur in den Fällen indicirt, wo eine in verdünnter Haut liegende, mit un- regelmäßiger, zerfetzter Öffnung versehene Fistel in eine subkutane

mit speckigem Gewebe ausgekleidete Tasche führt. Läwen (Leipsig).

9) Wagner (Kreuznach). Beitrag zur ambulanten Behand- lung der tuberkulösen Gelenkerkrankungen der unteren Ex-

tremitäten. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 8.)

Nach W.'s Erfahrungen wird die beste Gelenkfixirung durch die Kombination des Hessing’schen Leimverbandes mit einem fixi- renden Apparat erreicht. Der Leimverband, der, ohne Polsterung direkt auf die Haut gelegt, sich jeder Vertiefung, jedem Knochen- vorsprung etc. auf das Genaueste anschmiegt, gewährt mit der Ap- paratbehandlung außerdem den Vortheil, dass eine Soolbadekur im akuten Stadium der Gelenktuberkulose ausgeführt werden kann. Der Erweichung des Verbandes lässt sich durch Umwicklung mit

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Gummibinde vorbeugen, so dass das Gelenk auch während des Bades

ruhiggestellt bleibt; nach letzterem wird der Apparat wieder angelegt. Kramer (Glogau).

10) D. N. Eisendrath (Chicago). On the pathology, sym- ptomatology and diagnosis of tuberculosis of the peritoneum. (Annals of surgery 1901. December.)

Die Arbeit enthält eine kurze Zusammenstellung der über die tuberkulöse Peritonitis gemachten Erfahrungen. Demnach ist in 16% aller Fälle von Tuberkulose das Bauchfell mit erkrankt.

Meist stellt die tuberkulöse Peritonitis eine sekundäre Erkrankung dar und kann vom primären Herd aus hervorgerufen sein:

1) Durch Infektion auf dem Wege der Blutbahn.

2) Auf dem Lymphwege.

3) Per continuitatem und zwar:

a. bei Frauen von den Tuben aus, b. bei Männern bei Hodentuberkulose durch das Vas deferens.

4) Durch das Zwerchfell als Sekundärerscheinung einer tuber- kulösen Pleuritis oder Perikarditis.

Was das Geschlecht betrifft, so hält E. das weibliche für mehr disponirt als das männliche.

Die Erkrankung wird weitaus am häufigsten beobachtet zwischen 2 und 40 Jahren.

Die Schwangerschaft soll eine vermehrte Disposition zur Er- krankung an tuberkulöser Peritonitis schaffen.

Als Hauptformen der tuberkulösen Peritonitis nennt Verf.: 1) Die hämatogene oder miliare Form. 2) Die lymphogene Form (meist im Anschluss an Tuberkulose der Därme). 3) Die exsudative Form. 4) Die adhäsive oder fibröse Form (die sich am langsamsten ent- wickelnde). 5) Bei Kindern eine seltene, von den Gekrösdrüsen aus- gehende Form, bei welcher das Hauptsymptom die Kompression der großen Gefäße ist.

Weniger Interesse als diese Ausführungen beansprucht die Be- sprechung der Symptomatologie und der Differentialdiagnose, die lediglich eine Zusammenstellung von Beobachtungen einzelner Autoren

(Kelly, Thomeyer) enthält und nichts Neues bringt. Seefisch (Berlin).

11) Ch. Fenger (Chicago). Treatment of tuberculosis of the peritoneum. (Annals of surgery 1901. December).

Die Arbeit F.’s enthält eine ausführliche Zusammenstellung der Ansichten der namhaftesten Autoren über den Werth und die Aus- sichten der chirurgischen Behandlung der tuberkulösen Peritonitis. Er beginnt von der auf diesem Gebiete grundlegenden Arbeit König’s aus dem Jahre 1884, durch welche die Aufmerksamkeit der Chirurgen auf diese Erkrankung gelenkt wurde, und lässt dann alle bis jetzt

18%

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in dieser Frage laut gewordenen Ansichten folgen ohne indessen selbst eine Folgerung aus ihnen ziehen zu können. Damit charak- terisirt sich die Arbeit als eine rein historische, ohne uns der Lösung der Frage, ob die tuberkulöse Peritonitis der Behandlung des In- ternen oder des Chirurgen zuzuweisen ist, näher zu bringen. Seeflsch (Berlin).

12) E. W. Andrews (Chicago). Tuberculosis herniosa and

appendicitis tuberculosa. (Annals of surgery 1901. December.)

Aus eigenen Beobachtungen (2 Fällen) und den Beobachtungen Anderer stellt Verf. folgende diagnostische Merkmale für Hernien- tuberkulose auf:

1) Im Bruchsack befindet sich kein Darm, sondern Flüssigkeit.

2) Der Bruchsack dehnt sich bei aufrechter Stellung aus.

3) Der Bruchsack füllt sich sofort nach seiner Entleerung wie- der an.

4) Man hört bei der Taxis kein Gurren.

5) Spontanes Wiederheraustreten beim Liegen.

6) Gedämpfter Perkussionsschall.

7) Der Bruchsack fühlt sich derb und höckerig an.

8) Der Bruchsack ist oft druckempfindlich und ımtziindet.

Für die Behandlung giebt er folgende Rathschläge:

1) Alle Fälle, seien sie lokal oder Theile einer Allgerneinerkran- kung, sollten sofort operirt werden. |

2) Bruchsack und erkranktes Netz sollen vollständig entfernt werden.

3) Für die Heilung ist es gleichgültig, welche Methode der Radikaloperation man wählt (ausgenommen sind die Methoden von Macewen und Kocher, bei denen der Bruchsack zurückbleibt).

4) Wenn erst während der Operation eine Hernientuberkulose gefunden wird, so wird es meist gut sein, zugleich eine I,aparotomie anzuschließen. Ist dies nicht ausführbar, räth A., später eine solche folgen zu lassen.

Im zweiten Theil seiner Arbeit berichtet A. über 4 eigene Fälle von Blinddarmtuberkulose, von denen 3 starben, einer geheilt wurde. Nur einmal konnte er vor der Operation die Diagnose stellen. Die Operation bestand 3mal in Anlegung eines Kunstafters, einmal in Eröffnung der Bauchhöhle und Drainage, nachdem die erkrankten Theile mit Jodoformemulsion eingerieben waren. Dieser letzte Fall kam zur Heilung.

Als ideale Methode der Behandlung erklärt natürlich auch A. die Resektion der erkrankten Theile des Darmes. Nur wenn letztere nicht ausführbar ist, kommen die übrigen Methoden in Betracht ‚einfache Eröffnung und Drainage, Kunstafter, partielle Resektion oder plastische Operation, seitliche Anastomose mit Ausschaltung der erkrankten Partien).

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Von 86 veröffentlichten Fällen, die nach verschiedenen Methoden operirt wurden, starben 14 —= 161/,%. Davon entfallen natürlich die meisten Todesfälle auf die Totalexstirpation. Seeflsch (Berlin).

13) Ch. A. Elsberg (New York). A contribution to the pathology, diagnosis and treatment of subphrenic abscesses

after appendicitis. (Annals of surgery 1901. December.)

E. hat 71 Fälle aus der Litteratur zusammengestellt, zu denen 2 Fälle eigener Beobachtung kommen.

Auf Grund dieses Materials theilt er die subphrenischen Ab- scesse nach Appendicitis ihrer Entstehung nach ein in

11 solche, die sich als Folge einer Allgemeininfektion bilden,

2) solche, die als abgekapselter Theil einer allgemeinen abscedi- renden Peritonitis zu betrachten sind,

3) solche, die durch direkte Ausbreitung oder auf dem Wege der Lymphbahn von der Umgebung des Wurmfortsatzes entstehen. Diese letzteren sind die häufigsten.

Ihrer Lokalisation nach theilt er die Abscesse in retroperitoneale (27% aller Fälle), intraperitoneale (48%) und solche mit zweifelhaftem Sitz (25%).

In Fällen, wo es nicht zur Eiterbildung kommt, tritt häufig eine Perihepatitis auf, die zu Verwachsungen führt und auch häufig den Anlass zu Pleuritis und Empyem giebt.

Entgegen der Annahme Sonnenburg’s stellt Verf. fest, dass nicht nothwendigerweise immer eine Eiterung am Proc. vermiformis vorangegangen zu sein braucht, wenn dies auch meistens der Fall ist.

Gas enthielten die Abscesse in 15% der Fälle. Die Symptome versucht E. zu klassificiren, indem er als die 3 häufigsten Arten des Verlaufs folgende annimmt:

a. Wenige Tage nach dem Verschwinden der akuten Symptome der Appendicitis treten Schmerzen in der rechten Brustseite mit er- neutem Temperaturanstieg auf. Bald darauf nachweisbare Fluktua- tion unter Abnahme der Schmerzen.

b. Noch bevor die akuten Symptome der Appendicitis ganz ver- schwunden sind, nimmt das Fieber remittirenden Charakter an. Die Pat. klagen nur wenig, verfallen jedoch sehr, bis der Abscess nach- weisbar wird.

c. Nach Überstehen des Anfalls erholen die Pat. sich nicht völlig, sondern klagen bei normalem Puls und normaler Temperatur über Beschwerden in der rechten Seite. Dieser Zustand kann Wochen und Monate dauern, bis Fluktuätion mit oder ohne Dämpfung im Bereiche der Pleura den Abscess erkennen lässt.

Besonders eingehend behandelt E. die Differentialdiagnose, auf die hier einzugehen zu weit führen würde.

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Bezüglich der Prognose hat Verf. festgestellt, dass die Gesammt- sterblichkeit 40% beträgt. Von den Öperirten starben 22%, von den Nichtoperirten 82%.

Was die Therapie anbetrifft, finden wir nichts Neues in der Arbeit. Für diejenigen Fälle, in denen man gezwungen ist, per- pleural zu operiren, ohne dass die Pleura erkrankt ist, empfiehlt E. seine Methode, zu operiren: er regecirt etwa 2 Zoll von der 9. und 10. Rippe zwischen der Scapular- und vorderen Axillarlinie, ent- sprechend der Stelle der erfolgreichen Probepunktion. Während er dann die Pleura eröffnet, lässt er durch einen Assistenten die Leber nach oben drängen und vernäht schnell die Pleurablätter. Er glaubt, so das Eindringen von Luft in den Pleuraraum auf ein Minimum beschränken zu können. s

Am Schlusse der Arbeit bringt E. eine tabellarische Übersicht über sämmtliche 73 Fälle. Seefisch (Berlin).

14) P. Berger. La hernie inguino-interstitielle et son traite- ment per la cure radicale. (Revue de chir. 1902. No. 1.) Die im Thema bezeichnete Hernienunterart wurde zuerst von Tillaux genauer beschrieben; sie ist eine der selteneren, in der Stati- stik von Macready mit 0,93% viel zu hoch berechnet; B. selbst

hat unter 7151 Brüchen 5 interstitielle gefunden = 0,07%. Gekenn- -.

zeichnet ist sie durch die Entwicklung des Bruchsackes zwischen Musc. obliq. ext. und Fasc. transversalis, vorwiegend in der Richtung nach der Spin. il. ant. sup. zu, so wie ferner durch die meist dabei bestehende gleichzeitige Hodenektopie. Diese ist jedoch kein abso- lutes Kriterium, da die Hernia inguin. interst. auch bei Frauen vor- kommt. Die von Tillaux gegebene Erklärung, wonach der Ver- schluss des äußeren Schenkelringes in Folge Hemmung des Des census testiculorum die Ursache für die eigenartige Ausbreitung der Hernie sein sollte, kann daher nicht aufrecht erhalten werden, zumal auch scrotale Fortsätze der Hernie en bissac mehrfach be- schrieben wurden. Je nachdem der Bruchsack einfach oder mit pro- peritonealen bezw. scrotalen Aussackungen versehen, und je nach der Lage des Hodens hat B. eine größere Reihe von Varietäten unterschieden, die hier nicht einzeln aufgezählt werden können. Als häufiger Befund bei Hernia inguin. interst. ist zu verzeichnen die Verlagerung des inneren Leistenringes weit nach oben außen (seit- lich), die auffallende Dünne und Schlaffheit der Bauchmuskulatur und die meist mangelhafte Entwicklung des verlagerten Hodens. Aus den letzten Eigenthümlichkeiten so wie den eigenartigen peri- tonealen Fortsätzen, welche in der Richtung nach der Spin. il. ant. sup. oder nach dem Hodensack zu gefunden und beschrieben wurden, glaubt B. den Schluss ziehen zu sollen, dass die Hernia inguin. interst. eine angeborene Hemmungsbildung sei. Wenn aus den

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Krankengeschichten der bei Frauen beobachteten Brüchen dieser Art hervorzugehen scheine, dass sie erst in späteren Lebensjahren ausgetreten seien, 80 genüge dies nicht zum Gegenbeweis, da bei weiblichen Personen Brüche lange unerkannt bleiben können.

Weiterhin schildert Verf. seine recht komplieirte Radikalkur der interstitiellen Leistenbrüche, die im Wesentlichen ein abwechselndes Übereinanderklappen der einzelnen Muskel- und Fascienschichten ist. Zur Verstärkung der meist schlaffen, dünnen Gebilde wird die Rectusscheide herangezogen und nach vertikaler Spaltung der vor- deren Wand nach außen unten herübergeschlagen, der gleichfalls etwas dislocirte Muskel durch einige Heftnähte fixirt. Es liegen nach beendeter Operation etwa 7 Nähte übereinander:

1) Die Ligatur des Bruchsackhalses und Samenstranges (falls der Hoden entfernt werden musste).

2) Naht der tiefen Muskeln (Obl. int. und transvers.) und An- heftung derselben an den inneren unteren Rand des Leistenkanals.

3) Vernähung der umgeschlagenen Rectusscheide an gleicher Stelle.

4) Anheftung des unteren Wundrandes der Aponeurose des Obl. ext. an die stehengebliebene Rectusscheide.

5) Vernähung des oberen Aponeurosenwundrandes an den vor- deren unteren Rand des Leistenkanals.

6) Zellgewebs- und

7) Hautnaht.

Der Hoden soll nur in den Fällen geschont werden, wo der Samenstrang bezw. das Vas deferens nicht allzu sehr verkürzt und durch Verwachsungen festgehalten ist. Gelingt es nicht, die Deh- nung des Samenstranges mit Erhaltung der nöthigen Gefäße so weit auszuführen, dass der Hode völlig außerhalb des Leistenkanals und in den Hodensack gelagert werden kann, und seine Ernährung gesichert scheint, soll man ihn opfern.

Die gründliche, ausführliche Arbeit verdient wohl die allgemeine Berücksichtigung. Christel (Mets).

15) G. Fasola. Sulla peristaltica intestinale. (Sperimentale 1902. No. 1.)

In Ergänzung früherer mit Sabattani zusammen unternommener Untersuchungen (Ref. Centralbl. 1901 No. 12) hat F. bei Kaninchen, Katzen und Fröschen, bei curaresirten und im Kochsalzbad gehaltenen Hunden die Folgen lokaler Reize auf den Darm studirt. In Uber- einstimmung mit Nothnagel u. A. fand er bei Reizung mit Koch- salzkrystallen und Elektricität eine lokale Kontraktion und danach ober- wie unterhalb dieser Stelle peristaltische Erregungen; aber im Gegensatz zu den Angaben der Meisten begann die oberhalb stets zeitlich vor der unterhalb und verlief nie pyloruswärts, sondern war stets der normalen Peristaltik gleich gerichtet. Versuche an Hunden, durch Umlegen eines Gummibandes um den Darm Ileus zu erzeugen,

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ergaben, das nur flüssiger, fäkulenter, nie fester Inhalt in den höheren Partien erschien. Verf. behauptet daher, dass Antiperistaltik niemals vorkomme. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

16) N. J. Gurewitsch. Über die Lebensfähigkeit des vom Gekröse abgelösten Colon descendens. (Russ. chir. Archiv 1902. Hft. 1.)

G. ging von Kümmell’s Operationsmethode (Langenbeck's Archiv Bd. LIX) aus. Er machte verschiedene Experimente (14) an Hunden. In der ersten Reihe wurde die Art. coli sin. zwischen zwei Ligaturen durchschnitten und nun das Colon descendens vom Mesen- terium so abgelöst, dass das Randgefäß (Kümmell) am Darm unver- sehrt blieb. Alle 7 Hunde blieben am Leben; in 4 Fällen erwies sich bei der Sektion das Randgefäß verdickt und erweitert. Bei 5 weiteren Hunden wurde nach obiger Operation der Darm und das Randgefäß quer durchschnitten und ersterer wieder genäht. Alle 5 Hunde gingen innerhalb 48 Stunden zu Grunde; das periphere Darmende erwies sich als brandig. Bei den letzten 2 Hunden wurden die Art. coli sin. und der Darm durchschnitten, das Randgefäß aber geschont. Beide Hunde erholten sich bald. Die Unversehrtheit des Randgefäßes ist also Bedingung der Lebensfähigkeit des Darmes.

Gückel (Medwedowka, Kiew).

17) Lauwers. Des resections étendues de l’intestin grele. (Journ. de chir. et ann. de la soc. belge de chir. 1901. No. 12.)

Bei einer 65jährigen Frau hat sich in einer Bauchwandhernie ein Darmverschluss und im Anschluss hieran eine Darmfistel ge- bildet. Beim Versuch die mit einander verwachsenen Darmschlingen zu lösen, riss der Darm an mehreren Stellen ein. L. resecirte mit Erfolg 265 cm Dünndarm.

Verf. glaubt, dass man ungestraft die Hälfte des Dünndarmes reseciren kann, besonders wenn es sich um Ileum handelt, da die Resorptionsfähigkeit des Darmes um so geringer wird, je näher man der Ileocoecalklappe kommt. Gastrointestinale Störungen, Diarrhöen, folgen meist nach, führen aber in der Regel nicht zum Tode, sondern hören auf, wenn die kompensatorische Hypertrophie der Darmwand eingetreten ist. (Senn’s Versuche an Katzen und Hunden: Ver- dickung der Schleimhaut, Vermehrung von Zahl und Größe der Zotten.)

L. verwerthet 29 Fälle aus der Litteratur und kommt zu folgen- den Schlüssen: Indikationen zu ausgedehnter Dünndarmresektion (mehr als 2 m) gaben ab Darmgangrän, Volvulus, Invagination, mehr- fache Darmstenose durch Narben oder Tuberkulose, Traumen, Mesen- terialsarkom, Lipom und Thrombose der oberen Gekrösvenen. Fast tödlich ist die Prognose der Operation bei Volvulus. Im Übrigen ist die Prognose weniger von der Größe des resecirten Darmstücks

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als von der Schwere der ursprünglichen Erkrankung abhängig. Was die Technik anlangt, so dürfen nur gut ernährte Darmstücke an ein- ander genäht werden. Antiseptica reizen das Bauchfell stark, können Collaps hervorrufen und müssen desshalb vermieden werden. L. ver- langt, dass Operateur und Assistenten vor der Operation die Hände mit sterilem Wasser waschen. Der Murphyknopf kann die Naht nicht ersetzen. Das gewöhnliche Verfahren ist die Vereinigung der Darmstücke durch die Cirkulärnaht. Kontraindicirt ist diese Naht bei Kaliberunterschied der Darmlichtungen. Schrägschnitt oder Ver- kleinerung der Lichtung durch Faltenbildung stellen die Sicherheit der Naht in Frage. In solchen Fällen ist die laterale Enteroanastomose nach Verschluss beider Darmlichtungen oder seitliche Einpflanzung des einen Darmstücks in die konvexe Seite einer Darmschlinge vor- zuziehen.

L. verwirft die keilförmige Excision aus dem Mesenterium, weil hierdurch Arterien durchschnitten werden, die zurückbleibende Darm- theile ernähren. Er empfiehlt, ein dreieckiges Stück aus dem Mesen- terium zu reseciren, dessen Spitze in der Mitte zwischen Wurzel und Darmansatz des Mesenteriums liegt, und das letztere dann vom Darm beiderseits bis zur Resektionsstelle abzulösen. Läwen (Leipzig).

18) A. Ssujetinow. Die Hämorrhoiden und ihre chirur-

gische Behandlung. Diss., Moskau, 1901. (Russisch.)

S. untersuchte 16 nach Whitehead entfernte Präparate und kommt zum Schluss, dass die Hämorrhoiden nicht Geschwülste sind, wie Reinbach annimmt, sondern typische variköse Erweiterungen der Mastdarmvenen. Erblichkeit spielt eine große Rolle; im jugend- lichen Alter sind die Hämorrhoiden meist vererbt; sie kommen über- haupt in viel jüngeren Jahren vor, als man bisher annahm (Aus- führungen aus 331 Krankengeschichten). Die Operationsmethode nach Whitehead ist die beste. Von 184 Fällen führte sie nur in 2 zu Stenose. Wichtiger ist eine andere Folge der Operation, die zuweilen auftritt die Sphinkterschwäche. Harnverhaltung kommt seltener vor, als nach Ligatur; die Schmerzen sind gering, eben s0 die Blutung. Es folgen 25 Operationsgeschichten von Prof. Dia- konow. Den Schluss der 84 Seiten starken Arbeit bildet ein Lit- teraturverzeichnis von 54 Nummern. G6iückel (Medwedowka, Kiew).

19) Karewski. Über Gallensteinileus. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 10.)

Für das Zustandekommen des Ileus ist weder die Größe der Steine noch eine relative Enge an irgend einer Stelle des Darm- kanals verantwortlich zu machen. Nicht das plötzliche Eintreten der Steine in den Darm erzeugt den lleus, sondern die Steine müssen

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schon relativ lange im Darm gelegen haben. Häufig sind über- haupt keine Symptome von Cholelithiasis vorhergegangen, oder die Erscheinungen liegen schon jahrelang zurück. Ferner ist ein Wechsel der Erscheinungen nicht ungewöhnlich, so dass das Stadium abso- luten Verschlusses von dem relativer oder völliger Durchgängigkeit abgelöst wird.

Im ersten der mitgetheilten Fälle wurde ca. 6 Wochen nach einem 2. Ileus- anfalle, der als ein Gallensteinileus erkannt war, ein hühnereigroßer Gallenstein auf natürlichem Wege entleert. Der 2. Fall betraf eine 73jährige Dame, die vor 50 Jahren an häufigem Magenkrampf gelitten hatte, aber niemals gelb gewesen war. Dieselbe erkrankte unter Ileuserscheinungen, die am 4. Tage begannen nachzu- lassen, unter Bildung eines Abscesses in der rechten Unterbauchgegend. Bei der Incision fand sich ein 7 cm langer, 3 cm dicker Gallenstein. Es etablirte sich eine Dickdarmfistel, die sich nach 6 Wochen spontan schloss.

Die 3. Pat. hatte viel an Magenschmerzen und den Zeichen einer chronischen Darmstenose gelitten. Hier fand sich bei der Operation mitten in ausgedehnten peritonitischen Verwachsungen neben der geschrumpften Gallenblase eine alte Abscesshöhle, in deren Grunde 2 haselnussgroße Gallensteine lagen. Die 4. Pat., 60 Jahre alt, litt seit 22 Jahren an Schmerzen unterhalb des linken Rippenbogens; niemals war Ikterus, niemals Koliken oder Schmerzen in der rechten Seite. Dann erkrankte sie plötzlich an heftigen Kolikanfällen in der Nacht, denen Mittags Koth- erbrechen folgte. Bei der Operation fanden sich im oberen Theil der Bauchhöhle tief blauroth gefärbte, eitrig belegte Darmschlingen. In einer derselben saß ein 7 em langer, 3 cm im Durchmesser haltender Stein, der durch Excision entfernt wurde Bei der Naht des Darmes fiel eine große Zerreißlichkeit der Darmwand, derer Schleimhaut hämorrhagisch infareirt war, auf. Erst 36 Stunden nach der Operation hörte das fäkulente Erbrechen auf.

In einem 5. Falle, der unter lleuserscheinungen gestorben war, fand sich handbreit über der Ileoooecalklappe ein gut walnussgroßer Gallenstein.

Es brauchen also dem Gallensteinileus keine Erscheinungen von Gallensteinerkrankungen vorauszugehen. Der Stein kann während seiner Wanderung wiederholt eingeklemmt werden, so dass eine Zeit des wohl charakterisirten lleus mit einer Periode vollen Wohlbefin- dens abwechselt. Ferner kann während der Zeit der Passage jede Schädigung der Darmwand fehlen, es können aber auch frühzeitig peritonitische Erscheinungen auftreten als Folge ulceröser Schleim- hautprocesse. Direktes Eindringen des Steines in den Dickdarm von der Gallenblase aus bürgt nicht dafür, dass nicht doch Ileus ent- steht. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle scheinen entzünd- liche Veränderungen der Darmwand und sekundäre der Darmserosa den Eintritt des Ileus zu begünstigen. In anderen Füllen macht die reflektorische Zusammenziehung des Darmes um einen Stein diesen zu einem absoluten Hindernis. Auf diese Irritation kann eine Para- lyse des Darmes folgen. Auf das frühzeitige Eintreten des Koth- erbrechens neben Abgang von Winden und Stuhl ist großes Gewicht zu legen, eben so auf die verhältnismäßig geringe Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Es sind in jedem Falle zuerst die un- blutigen Methoden zu versuchen; da aber der Sitz des Verschlusses gewöhnlich ein sehr hoher ist, der Kräfteverfall also schnell vor

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sich geht, so ist bei dem Versagen obiger Methode möglichst früh-

zeitig zur Operation zu rathen. Nur ein schneller Nachlass der

bedrohlichen Symptome erlaubt, die Operation hinauszuschieben. Borehard (Posen).

20) E. Evans. Gall stones. (St. Paul med. journ. 1902. No. 1.)

E. hebt die Erfolglosigkeit interner Therapie bei Cholelithiasis hervor und bekennt sich als Anhänger der Frühoperation. Er hat die Operation nie zu bereuen brauchen, selbst wenn sich die Dia- gnose als unrichtig erwies; denn es fanden sich immer Zustände, welche eineÖperation erforderten: Verwachsungen, Duodenalgeschwür, eine entzündete Appendix.

Bezüglich der Ursachen der Steinbildung betont er die durch Mikroorganismen hervorgerufenen katarrhalischen Entzündungen der Gallenwege, welche die Alkalescenz der Galle herabsetzen, ihren Cholestearingehalt vermehren und so das Ausfällen des Cholestearins begünstigen.

Auf einzelne Operationstechnicismen wird näher eingegangen. Einen großen Fortschritt bedeute das Annähen der eröffneten Gallen- blase nur an das Bauchfell, ohne die Bauchwand mitzufassen, wo- durch der Bildung von Gallenfisteln und Bauchbrüchen wirksam entgegengetreten werde. Kleinschmidt (Kassel).

21) D. Taddei (Padova). Ricerche sperimentali sopra un processo di emostasia per la resezione del fegato. (Nota preventiva).

(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1901. No. 141.)

Im Anschluss an einen Fall von Leberresektion, den Burci, dessen Assistent T. ist, wegen eines calcificirten Echinococcus mittels besonderer Methode operirt hat, führte T. an Hunden und Kanin- chen Experimente aus, um B.’s Vorgehen nachzuprüfen. Das Wesent- liche desselben besteht darin, dass nach leichter Abschnürung des zu resecirenden Lebertheils mittels einer elastischen Ligatur, deren Enden in sich vernäht werden, über dem Schlauche, 1—2 cm von einander entfernt, längere Doppelfäden durch die ganze Dicke des Parenchyms durchgeführt werden. Am Nadelöhr werden diese durch- schnitten und das eine der so entstandenen Enden mittels einer krummen Nadel unter der elastischen Ligatur durchgezogen, so dass nun sowohl ober- wie unterhalb des Schlauches je ein Fadenende zu liegen kommt. Dieselben werden nun zunächst auf der einen Breitseite der Leber mit einander verknüpft und sodann die ent- gegengesetzten Enden der Fäden auf der anderen Leberseite unter festerem Anziehen verknotet, so dass der Schlauch gegen das Leber- parenchym gepresst wird. Mittels Schere oder Messer wird nun das Lebesstück etwa einen Centimeter vor der Nahtstelle resecirt, und die Fadenenden verwendet man zur Fixation des Stumpfes an die

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Bauchwand. T. rühmt diesem Verfahren eine schnelle Ausführbar-

keit, exakte Blutstillung so wie ein sicheres und festes Halten der

elastischen Ligatur nach. Dieses letztere prüfte er noch speciell

durch Leichenexperimente nach, bei denen an die Fäden Gewichte

bis zu 10 und 15 Kilo ohne Schaden angehängt werden konnten. A. Most (Breslau).

22) Rühl. Über steile Beckentieflagerung bei Operationen

an den Gallengängen. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 5.) 23) Berndt. Zur Lagerung des Pat. bei Operationen an den Gallengängen. (Ibid. No. 8.)

In einem Falle von Operation wegen Stein im Choledochus, welcher eben so wie die Gallenblase etc. ausgedehnte schwielige Verwachsungen darbot, erlebte R. eine schwere, durch Tamponade nicht stillbare Blutung beim Eindringen in die schwieligen Massen; das blutende Gefäß lag in zu großer Tiefe, und wurde es dadurch wie durch die Blutmassen unmöglich, es zu fassen. Verf. half sich nun damit, dass er den Körper der Pat. in schräge Beckentief- lagerung, d. h. in halbstehende Haltung brachte, wodurch das Blut nach unten abfloss, das Operationsterrain nicht mehr überschwemmte, und so die blutende große Vene freigelegt und die verletzte Wand- stelle durch Nähte geschlossen werden konnte. Überhaupt wurde das Operationsfeld nunmehr viel übersichtlicher, so dass die Ent- fernung des Steines leicht gelang. R. empfiehlt desshalb die Becken- tieflagerung für Gallenstein- und Operationen am Magen.

B. hat ein anderes Hilfsmittel bei solchen bewährt gefunden; er legt den horizontal liegenden Pat. eine feste Rolle von 12—15 cm Durchmesser unter den Rücken (in der Gegend des letzten Brust- und ersten Lendenwirbels) und erreicht damit, dass der Choledochus fast im Niveau der Bauchwunde erscheint und das ganze Gebiet gut übersehen werden kann. Kramer (Glogau).

Kleinere Mittheilungen.

Epidermoide (Epithelcysten) mit Einschluss von Fremdkörpern. Von Marinestabsarzt Dr. Wiemann in Wilhelmshaven.

Ich hatte vor Kurzem Gelegenheit, im hiesigen Werftkrankenhaus 2 Epi- dermoide zu beobachten und eins derselben operativ zu entfernen; sie hatten das Gemeinsame, je einen Fremdkörper einszuschließen.

Da in der Litteratur, so weit ich sehen konnte, bisher nur ein solcher Fall verzeichnet ist, und dieselben doch für die Frage der Entstehung dieser Ge- rn. von Bedeutung sind, so sei es mir gestattet, dieselben hier kurs mit- zutheilen.

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Beide Fälle betrafen Arbeiter, und zwar deren rechte Hand. Beide hatten nach ihrer Verletzung weiter gearbeitet.

Im 1. Falle ssß die Neubildung am 4. Finger, und zwar an der Volarseite des 1. Gliedes; sie wurde von dem Pat. auf das Eindringen eines Holzsplitters vor ca. 3/, Jahr zurückgeführt, von dem er allerdings annahm, dass er entfernt worden sei. 6 Wochen nach der Verletzung habe er zuerst eine Anschwellung bemerkt, die sich dann langsam zu ihrer jetzigen Größe, der einer Haselnuss etwa, entwickelte. Schmerzen bestanden nicht, nur naturgemäß eine erhebliche Störung der Gebrauchsfähigkeit der Hand, wesshalb der Mann die Entfernung wünschte.

Der jetzige Befund war kurz folgender: Die Haut über der Geschwulst zeigte außer einer geringen Verdünnung in Folge der Dehnung normales Aussehen. Die Geschwulst selbst hatte Haselnussgröße, fühlte sich weich, leicht fluktuirend an, war gegen ihre Unterlage frei verschieblich, gegen die Haut jedoch nicht, sie war auf ihrer Höhe fest mit derselben verwachsen.

Die Verbindung war hier so fest, dass bei dem Versuch, den Tumor stumpf von der Haut abzulösen, was ringsum ohne Schwierigkeit gelungen war, die Kapsel einries und sich etwas weißlicher Brei entleerte. Daraufhin wurde das adhärente Hautstück mitentfernt.

Naht; glatte Heilung; als völlig erwerbsfähig entlassen.

Beim Aufschneiden der Geschwulst zeigte sich mitten in dem Brei ein spitzer, ca. 6 mm langer, schwärzlicher Splitter, den ich Anfangs für einen Metallsplitter hielt, erst nachher, durch die Unfallverhandlung aufmerksam gemacht, als Hols- splitter erkannte.

Eine mikroskopische Untersuchung dieser Geschwulst wurde leider durch un- zsweckmäßige Aufbewahrung derselben vereitelt.

Im 2. Falle saß die Geschwulst in der Hohlhand, etwa in der Verlängerung des inneren Zeigefingerrandes, nahe dem Daumenballen. Ihre Entstehung wurde von dem Träger derselben mit einer vor ca. 5 Monaten erlittenen Quetschung der Hand in Verbindung gebracht. Ein Mitarbeiter hatte ihn aus Versehen mit einem Hammer auf die Hand geschlagen.

Die Geschwulst hatte hier die Größe und die Form etwa einer großen Erbse, fühlte sich ziemlich derb an (solide Geschwulst?), bot sonst denselben Befund dar wie die andere; insbesondere war auch hier eine feste Verbindung mit der kaum gewölbten Haut nachzuweisen.

Druck auf diese Geschwulst löste heftige Schmerzen aus, die nach dem Zeige- finger hin ausstrahlen sollten. Wahrscheinlich fand dabei ein Druck auf einen der diesen Finger versorgenden Nervensweige statt.

Da ich kurs vorher den 1. Fall operirt hatte, so fahndete ich natürlich auch in diesem Falle auf einen Fremdkörper. Doch wollte der Pat. absolut nichts von dem Eindringen eines solchen wissen. Trotzdem ließ ich eine Photographie der Hand mit Röntgenstrahlen aufnehmen, und diese ergab dann an der Geschwulst- stelle ein ovales, etwa 4—5 mm langes Metalltheilchen, bezw. den Schatten eines solchen.

Es ist mir nicht zweifelhaft, dass auch dieser Fremdkörper nicht neben, son- dern in der Geschwulst selbst lieg. Wann derselbe eingedrungen, in welcher Zeit sich also hier die Geschwulst entwickelt hat, darüber lässt sich nichts eruiren, Die angegebene Quetschung hat das Wachsthum wohl nur beschleunigt. Ich hoffe, dass der vorläufig einer Operation abgeneigte Pat. sich doch noch zu derselben entschließt. Ich würde dann diesen Zeilen eine kurse Mittheilung folgen lassen, ob sich meine Annahme von dem centralen Sitz des Fremdkörpers bestätigt hat, und event. auch eine genauere Beschreibung des mikroskopischen Befundes an- schließen, falls er interessantere Einzelheiten ergiebt, speciell bezüglich der Natur der Verbindung zwischen Tumor und Haut, ob nur Narbengewebe sie herstellt, oder ob das Epithel in irgend einer Form dabei betheiligt ist. Beides ist ja von großer Bedeutung für die Frage, wie man sich die Entstehung dieser Tumoren zu denken hat, welche Vorgänge sich dazu an Ort und Stelle abspielen müssen. '

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So lange aber ein genauer mikroskopiseher Befund nieht vorliegt, hat es keinen Zweck, in Erörterungen über diese Frage der Entstehung einzutreten; es würden nur theoretische sein und als solche keinen Anspruch auf besonderen Werth er- heben können. Nur das Eine möchte ich jetzt schon sagen, dass die von den Anhängern der traumatischen Richtung angegebene besw. angenommene Hypothese (Einstülpung eines vaskularisirten Epitheltheils) mir für diese wie eine Reihe anderer Fälle aus bestimmten Gründen nicht sehr wahrscheinlich erscheint, wenn sie auch für eine ganse Anzahl dieser Tumoren ihre Berechtigung haben dürfte.

Was sich aber auch ohne mikroskopische Untersuchung mit Sicherheit be- haupten lässt, ist, dass die Geschwülste dem Eindringen des Fremdkörpers ihr Dasein verdanken, und dass sie in so fern den direkten Beweis dafür erbringen, dass eine traumatische Entstehung von Epidermoiden möglich ist.

Ich sage absichtlich nur »möglioh ist«; denn ich bin nicht der Ansicht, dass alle Epidermoide unterschiedslos traumatischen Ursprungs sind, >auch da, wo die Anamnese keine hinreichenden Anhaltspunkte hierfür bietet« (Garr?).

Ich kann mich Franke darin nur anschließen, dass man eine traumatische Entstehung nur dann annehmen soll, wenn nachgewiesen ist, dass ein Trauma überhaupt stattgefunden hat. Und nur für diese Klasse der Epidermoide sollte meine Mittheilung ein Beitrag sein.

Benutste Litteratur:

Handbuch der praktischen Chirurgie: Geschwülste der Hand und Finger, bearbeitet von Friedrich, und die daselbst angegebenen Arbeiten über diesen Gegenstand, mit Ausnahme der von Reverdin.

24) 8. P. Fedorow. Zur Diagnose und Therapie der Krankheiten der Speiseröhre. (Praktischeski Wratsch 1902. No. 6.)

Vortrag, gehalten auf dem VIU. Pirogow’schen Ärztekongress in Moskau. F. schildert mehrere Fälle aus seiner 4jährigen Praxis. Die Hauptmittel der Dia- gnose sind Sondirung mit einer vom Verf. konstruirten Sonde, die die Messung der Entfernungen der kranken Stellen von den Zähnen ermöglicht, und die Öso- phagoskopie. F. beschreibt mehrere Fälle von Ösophagitis, schildert das typische Bild der chronischen Entzündung, die im Anfang schwer zu erkennen ist, und beschreibt folgenden interessanten Fall von Impermeabilität für feste Speise bei Dilatation der Speiseröhre: 43 Jahre alte Frau, seit 4 Jahren krank, behandelte sich selbst mit Acidum cohloro-nitrosum, das sie tropfenweise einnahm. Feste Speisen gehen nicht durch die Speiseröhre. Das Ösophagoskop zeigte bedeutende Erweiterung der ganzen Speiseröhre vom oberen Ende des Brustbeins bis zum Magen; die Cardia war auch dilatirt und nicht zu sehen. Behandlung mit Bougies, Elektrisation; der Pat. wurde bewiesen, dass keine Stenose vorliege. Bedeutende Besserung. Endlich werden die carcinomatösen Stenosen beschrieben. F. sah in einem Falle multiple Geschwülste im Verlauf der ganzen Speiseröhre; in einem 2. Falle von Krebs im Halstheil wurde mit Erfolg ein 4 cm langes Stück resecirt.

Gückel (Medwedowka, Kiew).

25) F. Cahen (Köln). Zur chirurgischen Behandlung des Cardio- spasmus. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 11.)

In dem mitgetheilten Falle eines 35jährigen Mannes bestanden Schluck- beschwerden, Erbrechen, zunehmende Abmagerung, eine Verengerung der Cardia und Fehlen von freier Salssäure im Magen; oberhalb der Striktur fand sich eine sehr beträchtliche Erweiterung der Speiseröhre, die oa. 400 com Flüssigkeit fasste. Die Striktur ließ sich mit der Sonde rasch erweitern; trotsdem blieb der Kranke

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außer Stande, die geringste Menge Wasser in den Magen zu bringen und hatte in Folge von Amhäufung von sich zersetzenden Speiseresten in der Aussackung Beklemmungsgefühl auf der Brust. Die Behandlung bestand zunächst in Anlegung einer Magenfistel, welchem Eingriff eine linksseitige Pleuritis folgte; nach Ablauf der letzteren wurde mit der retrograden Sondirung ohne Ende nach Laminaria- dilatation der Fistel begonnen, und durch das liegen gelassene Drainrohr die Speiseröhre ausgespült. Pat. erholte sich dabei wesentlich und vermochte alle Speisen zu genießen; indess war der Erfolg nicht anhaltend, und traten nach Schluss der Fistel wieder zeitweise Erbrechen und Störungen in der Nahrungs- aufnahme ein, so dass Pat. genöthigt ist, sich öfter die Schlundsonde einzuführen und die Speiseröhre auszuspülen. Kramer (Glogau).

26) Melis. Plaie perforante de l’abdomen par ballette du tir reduit. (Arch. méd. belges 1902. Januar.)

Ein Sergeant bekam bei Schießversuchen einen Schuss aus nächster Nähe in den Unterleib. Das kleine Gesohoss ist hergestellt aus Cellulodine, einer Art Papier mäch®, deren Fabrikation Geheimnis ist und die allein in Belgien bisher angewendet zu sein scheint. Der Kranke wurde ins Hospital gebracht; 15 Stunden nachher erweiterte man die Eingangsöffnung, Tags darauf trat der Tod ein.

Die Eingangsöffnung hatte die Größe eines 1/g,-Francstücks und befand sich 2cm links vom Nabel, 1 cm oberhalb desselben. Bei der Erweiterung fand man unter der Haut im Rectus zahlreiche Bröckel des Geschosses und Kleiderfetzen, das Bauchfell war durchbohrt, Netz lag vor; in letzterem ebenfalls Geschoss- fragmente. Magen und Darm schienen unverletzt. Bei der Sektion fand man je- doch den Magen perforirt, wenngleich bis sur Operation jegliche Magenerschei- außen fehlten. Nach der Operation trat Erbrechen, Meteorismus und der

od ein.

Schlüsse: 1) Das Cellulodinegeschoss macht wegen seiner Splitterung eine große, gefährliche Verletzung mit Infektion. 2) Die eventuelle Laparotomie hat nicht in der Linea alba, sondern wegen der Splitterung von der verletsten Stelle aus zu geschehen. 3) Die Verwendung des Cellulodinegeschosses ist zu verwerfen.

E. Fischer (Straßburg i/E.).

27) P. D. Ssolowow. Uber Darmblutungen bei eingeklemmten Brüchen. (Russ. chir. Archiv 1902. Hft. 1.)

46 Jahre alter Pat., hat von Jugend auf eine Hernia inguino-scrotalis dextra. Die erste Einklemmung war vor 2—3 Jahren, dauerte einen Tag und wurde vom Pat. selbst beseitigt; während derselben bestanden Erbrechen und nicht blutiger Durchfall. Ietste Einklemmung 28. Mai 1900. Versuche des Pat., den Bruch zu teponiren, blieben erfolglos; es traten Erbrechen und blutiger Durchfall auf. Brueh von Kindskopfgröße. 29. Mai Herniotomie; im Bruchsack 2 Darmschlingen, 50—60 cm lang. Reposition, Unterbindung des Bruchsacks, Kanalnaht. Im Ver- laufe des 1. Tages nach der Operation wurde etwa 1 Liter blutiger Massen mit kothigem Geruch entleert. Heilung. Früher hatte Pat. niemals blutigen Stuhl, so wie keine Hämorrhoiden; am Körper fanden sich viele alte syphilitische Narben.

Gückel (Medwedowks, Kiew).

28) R. J. Gladstone (London). Obturator hernia of the bladder and of the Fallopian tube. (Annals of surgery 1901. December.)

G. fand als Nebenbefund bei der Sektion einer 78jährigen Frau 3 Hernien, und zwar:

1) eine kleine reohtsseitige Hernia obturatoria, welche den größten Theil der U-formig gebogenen rechten Tube enthielt,

2) eine linksseitige Hernia obturatoria, enthaltend einen fest fixirten Zipfel der Harnblase,

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3) eine kleine rechtaseitige Schenkelhernie, enthaltend eine Dünndarmschlinge.

Bei beiden Herniae obturatoriae war der Bruchsack lipomatös, und diesem Umstand misst G. eine gewisse Bedeutung beim Zustandekommen der Brüche su.

Aus dem Befund im Mastdarm, welcher durch 3 stark ausgebildete Falten verengt erschien, schließt G., dass bei der Defäkation ein besonders starker intra- abdomineller Druck erforderlich war. Dadurch wurde das reichliche prävesicale Fett und das ebenfalls reichlich zwischen den Blättern des Lig. latum lagernde Fett gegen die Lücke in der Membrana obturatoria gedrängt und bildete einen Bruchsack‘, in welchen auf der linken Seite durch den Zug des allmählich lipo- matös verdickten Fettes ein Theil der Harnblase gezogen wurde, während in den rechtsseitigen Bruchsaok nachträglich die rechte Tube trat.

Weiterhin schließt G. aus seinem Befund, dass die Entstehung der Hermia obturatoria eine sehr langsame und allmähliche ist, und die Diagnose erst dann zu stellen, wenn durch einen Zufall eine Einklemmung des Inhalts entstan- den ist.

Hinsichtlich der Operation macht G. auf 2 Punkte aufmerksam, nämlich dass erstens der Bruchsack der Hernia obturatoria niemals eine Bedeckung von der Fascia pelvis hat, und dass zweitens die Theilungsstelle der Art. obturatoris und die Vereinigungsstelle der beiden Vv. obturatoriae fast stets direkt unter dem Bruchsackhals liegen, so dass bei der Erweiterung der Bruchpforte dieselben Vor- sichtsmaßregeln zu beobachten sind, wie bei einem eingeklemmten Schenkelbruch.

Seefisch (Berlin).

29) Poirier. Fibromyome de l’estomac. (Gas. des höpitaux 1902. No. 25.)

Bei der 50jährigen Pat. war von mehreren Ärsten Pyloruskrebs konstatirt worden, auf den alle Symptome hinwiesen. Bei der Laparotomie fand P. nichts von Krebs, wohl aber ein den Pylorus verengerndes, kleinhaselnussgroßes Fibro- myom, das er excidirte. Heilung. Victor E. Mertens (Breslau!.

30) Cordier. Gastro-jejunostomy for stenosis of pylorus post mortem six years later. (Journ. of the amer. med. assoc. 1902. März.)

Die Verbindung swischen Magen und Darm war wegen Stenose des Pylorus durch gutartige Geschwürsnarbe bei damals 38jährigem Manne gemacht worden. 6 Jahre später starb er, nachdem er die Zeit her völlig beschwerdefrei mit nor- maler Funktion sämmtlicher Unterleibsorgane gelebt hatte, an Lungenentzündung. C. hatte Gelegenheit, selbst die Autopsie zu machen. Die Stenose des Pylorus war absolut, der Magen hatte seine frühere Gestalt angenommen bei Operation bestand bedeutende Erweiterung —, seine Muskulatur zeigte keinerlei Abweichung gegen die eines gesunden Magens. Die proximalwärts der Vereinigungsstelle ge- legenen Theile von Jejunum und Duodenum zeigten, bei sonst gesundem Zustand, deutliche Atrophie durch Nichtgebrauch. Außer der Vereinigungsstelle mit dem Magen fanden sich keinerlei Verwachsungen. Die Verbindungsöffnung hatte die gleiche Größe wie sie bei der Operation angelegt war. Eine Art Klappenmechs- nismus verhinderte das Eintreten des Mageninhalts in den proximalen Darm- abschnitt, eine ähnliche den Eintritt von Galle in den Magen. Bei Wasser- oder Luftfüllung ging der Inhalt leicht in die distale, üherhaupt nicht in die proxi- male Darmschlinge. Besonders bemerkenswerth ist, dass der zur Operation benutzte Murphyknopf im Magen gefunden wurde, worin er über 6 Jahre gelegen batte, ohne die geringsten Erscheinungen hervorzurufen. Sein einer Theil zeigte starke Zerstörung durch den Magensaft. Trapp (Bückeburg).

31) A. Groth. Über einen Fall von eigenartiger Stenosenbildung ım Dünndarm. (Münchener med. Wochensohrift 1902. No. 11.)

Der in der Münchener chirurgischen Klinik beobachtete Fall von Darmstenose, der nach Anlegung eines Kunstafters an dem oberhalb der Verengerung manns-

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armdick erweiterten Darm tödlich verlief, war dadurch bemerkenswerth, dass die im unteren Ileum gelegene ulceröse Stenose und die oberhalb derselben befind- lichen Geschwüre nicht auf Tuberkulose beruhten, sondern nach dem mikroskopi- schen Befund als einfach katarrhalischer Natur aufgefasst werden mussten. Kramer (Glogau).

32) W. McAdam Eccles. An analysis of a third series of twenty- eight cases of intussusception. (St. Bartholomew's hospital reports Vol XXXVII.)

Mit diesem, die Jahre 1897—1900 umfassenden Bericht, welcher die Fort- setzung derjenigen von 1892 (vgl. d. Centralblatt 1893 p.702) und 1897 bildet, verfügt Verf. nunmehr im Gansen über 96 Fälle und giebt folgende statistische Daten:

Geschlecht: männlich 59, weiblich 37.

Alter: Unter i Jahr 63 (65,4%), 1—5 Jahre 23 (24%), 5—10 Jahre 5 (5,2%), über 10 Jahre 5 (5,2%). Die älteste Pat. war eine 45jährige Frau.

Bestimmte Anhaltspunkte für die Atiologie der Invaginationen ergiebt auch die letzte Serie nicht. Auffallend ist die Seltenheit voraufgehender Magen-Darm- affektionen.

Krankheitsdauer vor der Aufnahme und Mortalität: Am 1. Krank- heitstage wurden aufgenommen 32: 19 Heilungen, 13 +; am 2. Tage 16: 10 Hei- lungen, 6 +; am 3.—7. Tage 36: 7 Heilungen, 29 +; nach dem 5. Tage 5: 3 Hei- lungen, 2 +. Bei 7 Fällen ließ sich der Beginn der Krankheit nicht ermitteln. Die Gesammtmortalität betrug 55,2%.

Symptome: Die 3 Kardinalsymptome, Schmers, Erbrechen, Abgang blutigen Schleims durch den Mastdarm, fanden sich 5imal, Erbrechen und Abgang blutigen Schleims 16mal, Schmerz und Abgang blutigen Schleims 6mal, Letzteres Symptom allein 6mal. Schmers, Erbrechen, Abgang nicht blutigen Schleims Imal, Schmerz Erbrechen, Verstopfung 7mal. Eine Geschwulst konnte 70mal getastet werden, und zwar durch die Bauchdecken und den Mastdarm 24mal, durch die Bauch- decken allein 37mal, durch den Mastdarm allein 9mal.

Therapie: Ohne aktive Behandlung blieben 11 Fälle: 4 Heilungen, 7 +. Bei 1 Falle kamen nur äußere Manipulationen zur Anwendung: Heilung. Wasser- injektionen oder Lufteinblasungen durch den Mastdarm, meist kombinirt mit äußeren Manipulationen, wurden vorgenommen 23mal: 18 Heilungen, 5 +. In 26 Fällen, in denen diese Methode versagte, wurde die Laparotomie angeschlossen: 7 Hei- lungen, 19 +}. Primär wurde laparotomirt 32mal: 12 Heilungen, 20 }.

Der Versuch, die Invagination durch Wassereingießung zurückzubringen, ist nur in einem ganz frühen Krankheitsstadium und bei vollkommen sicherer Diagnose angezeigt. Die sicherste Behandlungsmethode bleibt die frühzeitige Laparotomie, weil sie am besten die Diagnose aufklärt und erkennen lässt, ob die Invagination vollkommen gelöst ist, so wie auch die Möglichkeit gewährt, den Darm, falls dies nothwendig erscheint, su verankern. Kleinschmidt (Kassel).

33) W. Swentzitski. Angioma arteriale recti. (Annalen der russ. Chirurgie 1901. Hft. 6.)

Es handelte sich um einen 34 Jahre alten Kosaken, der 2!/2 Monate an hart- năckigen Darmblutungen litt. Es wurde eine Laparotomie gemacht, doch nichts am Darm gefunden. Endlich entdeckte S. an der Vorderwand des Mastdarms hinter der Grube der Prostata ein pulsirendes Angiom, das nun mit einer Klemme vorgezogen, unterbunden und abgetragen wurde. Heilung.

; Gückel (Medwedowka, Kiew).

34) H. Kehr. Eine seltene Anomalie der Gallengänge. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 6.) In dem bisher einzig dastehenden Falle saß die Gallenblase am linken Leber- lappen, 6cm medial vom Lig. teres entfernt, und führte der Cysticus in einen

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engen linken Hepaticus, der auf der V. portarum schräg von oben nach unten verlief und sich dicht vor dem Duodenum mit dem erheblich stärkeren rechten Hepaticus zum Choledochus vereinigte. Kramer (Glogau).

35) H. Botescu (Bukarest). Eine in die Bronchien durchgebrochene Hydatidencyste der Leber; transpleuro-diaphragmatische Operation; Heilung.

(Spitalul 1902. No. 7.)

Die betreffende Cyste dürfte seit etwa 14 Jahren bestanden haben; Anfangs waren nur Symptome seitens der Leber und des Magens vorhanden, späterhin trat trookener Husten auf und waren alle Anzeichen einer rechtsseitigen Pleuritis seross nachweisbar; endlich erfolgte der Durchbruch in die Bronchien mit reichlichem, putridem, eitrigem Auswurf, untermischt mit fetsigen Membranen und leeren, kleinen Cysten. Die Eiterhöhle wurde seitlich, nach Resektion der 8. Rippe, breit eröffnet, wobei es sich zeigte, dass dieselbe sich in der Lebermasse an der konvexen Seite dieses Organs befand. Die Verwachsungen zwischen Zwerchfell, Pleura diaphragmatica und costalis waren derart ausgedehnte, dass der Schnitt die Pleurahöble nicht eröffnete. Nach Reinigung der großen Höhle und Ab- schabung der Wände bestand die weitere Behandlung in Waschungen derselben und Ausstopfen mit steriler Gaze. Späterhin wurde nur ausgetupft, da die Spülungen immer Erstickungsanfälle hervorriefen. Vollständige Heilung nach 6 Wochen.

o E. Toff (Braila).

36) J. E. Hagen-Torn. Ein Fall von chylöser Mesenterialcyste als Ursache von Ileus und Darmdrehung. (Annalen der russ. Chirurgie 1901. Hft. 6.)

26 Jahre alter Mann, leidet seit 10 Jahren an zeitweise auftretenden Schmerzen im Unterleib, die einige Stunden lang dauerten und nach mehreren Monaten wiederkehrten. Vor 10 Tagen neuer Anfall, worauf lleussymptome auftraten. Erbrechen, vor 6 Tagen mit fäkalem Charakter; ein Klysma mit Ol. provinc. gab 2mal Stuhlgang. Temperatur subnormal, Chok gering; rechts unter dem Nabel eine geschwulstartige Resistenz, etwas beweglich; links von der Linea alba Plätschergeräusch; keine Asymmetrie, keine Peritonitis. 2mal sah Verf. eine peri- staltische Welle in der linken Bauchhälfte. Laparotomie. Am Dünndarmgekröse eine 2faustgroße Chyluscyste, die mit dem sie bedeckenden Darm um 180° ge- dreht war. Reposition, Eröffnung der Cyste und noch zweier weiterer, jede apfel- groß; aus der großen Cyste entleerten sich mit der milchartigen Flüssigkeit 2 Fettstückchen. Naht der Bauchwunde. Heilung.

Der Fall ist der 29. in der Litteratur, davon 4 russische.

Gückel (Medwedowka, Kiew).

Berichtigung.

In No. 18 dieser Zeitschrift macht der Herr Ref. darauf aufmerksam, dass sich in meiner unter der No. 22 besprochenen Arbeit eine Ungenauigkeit finde. Zu meinem Bedauern hat sich diese durch einen Irrthum des Abschreibers seiner- zeit eingeschlichen, ohne dass sie mir rechtzeitig aufgefallen wäre. In dem ange- führten Falle sind beide oberen Magenarterien unterbunden worden.

Dr. W. Kaupe.

p. 484, Zeile 3 von oben lies Praktitscheski Wratsch statt Wratsch.

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder au die Verlags- handlung Breitkopf & Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Gentralblatt CHIRURGIE

E. v Bergman, P, Kig, E Riter

Neunundzwanzigster Jahrgang.

A —— ——— ———— Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 22. Sonnabend, den 31. Mai. 1901.

Inhalt: Lengemann, Anästhesin in der Wundbehandlung. (Original-Mittheilung.)

1) Cornil und Coudray, Markregeneration. 2) Hildebrandt, Artillerieverletzungen im südafrikanischen Krieg. 3) Hoffa, Orthopädische Chirurgie. 4) Baedeker, Arson- valisation. 5) Moya, Operationen während der Schwangerschaft. 6) Weljaminow, Phototherspie nach Finsen. 7) Dörr, Sinusthbrombose. 8) Radzick, Nebennieren- extrakt in der Rhinologie. 9) Alivizatos, 10) Melun, Pott'sche Kyphose. 11) Abra- mowitsch, Entfernung der Schilddrüse und Leukocytose. 12) Kocher, Morbus Base- dowii. 13) Civallerl, Glandulae parathyroideae. 14) Moure, Operationen an den Luftwegen. 15) Stefanile und Fabozzi, Jodinjektionen in die Lungen. 16) Butlin, Oophorektomie bei Brustkrebs.

E. Hopmann, Weitere Mittheilungen über Bardenheuer’s Hypospadieoperation. J. Schoemaker, Ein Infilator. (Original-Mittheilungen.)

17) Weigl, Sterilisationsapparat. 18) Ravenel, Hauttuberkulose nach Sektion tuber- kulöser Kühe. 19) Dethlefsen, Gesichtsiupus 20) Huntington, X-Strahlenverbren- nangen. 21) Kaposi, Schädelverletzung. 22) Riegner, Sinuszerreißung. 23) Le- cöne, Meningitis serosa. 24) v. Bergmann, Hirngeschwülste. 25) Jonescu, Hirn- echinokokken. 26) v. Noorden, Ohrcyste. 27) Strauch, Angiom des Masseter. 23) Bender, Schwund des Cucullaris. 29) Mintz, Retrocollis spasmodicus, 30) Vitner, Verrenkung zwischen erstem und zweitem Halswirbel. 31) Schönworth, Wirbelosteo- myelitis. 32) Cassirer, Wirbelsteitigkeit. 33) Dobromyssiow, Halskiemenfistel. 34) Senator, Kehldeckelgeschwulst. 35) Rocaz, Angeborener Stridor. 36) Renne- fahrt, Carotisunterbindung. 37) Tuffier, Ansurysma des Aortenbogens. 38) Schlech- tendahl, Lungengangrän. 39) Dor, 40) Fletcher und Shaw, 41) Butlin, Brustdrüsen- geschwülste. 42) Bender, Schulterhochstand. 43) Pomponi, Stichwunde der A. axillaris. 44) Janssen, Plattfuß. 45) Schuhr, Brüche und Verrenkungen des Sprungbeins. 46) Paetzold, Verrenkungen im Lisfranc’schen Gelenk. 47) Roncall, Perforirendes Geschwür des Fußes. Berichtigung.

(Aus der chirurgischen Universitätsklinik in. Breslau. [Geh.-Rath Prof. Dr. v. Mikulicz.))

Anästhesin in der Wundbehandlung. Von Dr. Lengemann, Assistenten der Klinik.

Die Mittheilung v. Noorden’s! über die Wirkung des Anästhe- sins bei innerlicher Anwendung veranlasst mich, kurz die Ergebnisse

ı v. Noorden, Über Para-Amidobenzo&säure-Ester als lokales Anästheticum. Berliner klin. Wochenschrift Bd. XXXIX. No. 17.

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bekannt zu geben, die an der hiesigen chirurgischen Klinik gewonnen wurden bei äußerer Applikation des Mittels, von dem uns Proben aus dem hiesigen pharmakologischen Institut (Direktor: Prof. Dr. Filehne) durch Herrn Dr. Biberfeld zur Verfügung gestellt waren. Die pharmakologische Untersuchung hatte ergeben, dass das Anästhesin lokal gut anästhesirt, ohne irgend welche Reizungserscheinungen zu veranlassen.

Bei uns ist das Anästhesin seit mehreren Monaten auf den Sta- tionen und in der Poliklinik benutzt worden. Es wurden granu- lirende Flächen, die mit dem Argentumstift touchirt werden sollten, einige Minuten zuvor mit dem Pulver bestäubt; die Wirkung war deutlich, selbst recht empfindliche Kranke, bei denen das Touchiren sonst zu lebhaften Schmerzäußerungen geführt hatte, vertrugen es jetzt gut und hatten zum Theil ein Gefühl wohlthuender Kühle. Ferner wurden Granulationsflächen, die auch ohne Touchirung Schmerzen machten, z. B. nach Verbrennungen, mit dem Pulver bestreut, und dann erst das gewöhnliche Verbandmaterial, meist eine 1%ige Argentumsalbe, aufgelegt.

Der Erfolg war ausgesprochen. Wenn die Schmerzen nicht ganz nachließen, so wurden sie doch wesentlich gelindert. Eben so be- währte sich das Mittel bei ulcerirten Carcinomen.

Eine ungünstige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Granu- lationen wurde nicht wahrgenommen, eben so wenig irgend welche Reizung der Umgebung.

In einigen Fällen war der Erfolg bei Argentumtouchirung nicht deutlich. Hier war die Regel nicht beobachtet worden, dem Mittel einige Minuten Zeit zur Einwirkung zu geben.

Unsere Beobachtungen lassen es zum mindesten angezeigt er- scheinen, weitere Versuche mit dem Mittel zu empfehlen. Es scheint weder lokal zu schaden, noch nach v. Noorden in den Dosen, die in Betracht kommen, irgend wie giftig zu sein. Seine schmerz- stillende Wirkung scheint regelmäßig einzutreten; nur sei nochmals betont, dass zu ihrer vollen Entfaltung eine Wartezeit von einigen Minuten nöthig ist.

1) V. Cornil et P. Coudray. Réparation de la moelle des os. (Revue de chir. Jahrg. XXI. No. 10 u. 12.)

Die Arbeit besteht aus 2 Theilen, deren erster sich mit experimen- teller Lösung der Frage beschäftigt, wie sich die Regeneration des Knochenmarkcylinders nach Eröffnung und Ausräumung der Dia- physe vollzieht. Im Gegensatz zu Haasler, welcher nur unwesent- liche Knochenneubildung an Stelle des Markdefekts gesehen hat, konnten Verff. eine sehr lebhafte Produktion von Knochengewebe bereits vom 4. Tage ab beobachten; und zwar nahm dieselbe viel- fach ihren Ausgang von kleinsten Knochenspänen, die bei der Tre-

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panation entstanden waren. Zuerst bildet sich also eine Kontinuitäts- unterbrechung des gesammten Markkanals mittels einer Art junger Spongiosa, welche nach und nach etwa im Verlaufe von 3 Monaten der Resorption anheimfällt.e. Um diese Zeit haben Schaft und Markraum das normale Aussehen wieder erlangt. Auch vom Periost aus findet Knochenneubildung zum Verschluss der Trepanations- öffnung statt. Freigelegtes, seiner Knochenhülle beraubtes Mark wird nach vorübergehender Össifikation zu fibröser Masse umgeformt.

Der 2. Theil hängt mit dem 1. nur lose zusammen, indem die Regeneration des wegen entzündlicher Processe operativ entfernten Markes nur mehr klinisch, nicht mikroskopisch anatomisch besprochen wird. Dabei verbreiten sich Verf. mehr kritisch über die verschie- denen Operationsverfahren an den erkrankten Diaphysen und kurzen Knochen (Resektion, Trepanation, ausgedehnte Freilegung und Aus- löffelung des Markraums) bei Tuberkulose, chronischer und akuter Osteomyelitis, neuralgischer Osteomyelitis und Syphilis.

Die Ausfüllung auch großer Markdefekte nach Resektion ist sichergestellt; hingegen ist nicht in allen Fällen die tuberkulöse Natur des Processes erwiesen. Die pathologisch-anatomisch erhärteten Beobachtungen, die in der französischen und deutschen Litteratur niedergelegt sind, werden zusammengestellt; es ergiebt sich aus deren Mittheilung, dass ausgedehnte Ausschabungen mit großem Blutverlust verbunden sein können; da auch die Heilung nicht sicher verbürgt werden kann, wird es wie event. auch bei Osteomyelitis chronica und acuta besser sein, den Schaft an mehreren Stellen zu trepa- niren und dünne Drains durch den Markkanal zu legen.

Sehr entschieden lehnen Verff. die Freilegung des ganzen Femur- schaftes bezw. seiner Markhöhle ab, wie Karewski sie für Osteo- myelitis empfohlen hat.

Zur Beschleunigung der Ausfüllung großer Markdefekte empfehlen Verff., die Knochenhöhlen mit einer Mischung gleicher Theile von sterilem Knochenpulver, Jodoform und Salol, am besten in Chloräthyl suspendirt, auszugießen, wodurch die Bestandtheile in alle feinsten Buchten gelangen. Ein paar Beobachtungen von Warzenfortsatz- eröffnung, wo die Höhlungen relativ schnell sich schlossen, sollen den Werth der Methode illustriren. Christel (Mets).

2) Hildebrandt. Beobachtungen über Artillerieverletzungen im Boerenkrieg. (v. Langenbeck's Archiv Bd. LXV. Hft. 4.)

Verletzungen durch Geschützfeuer waren im Burenkrieg im Verhältnis zu denen durch Handfeuerwaffen selten, weil die Artillerie durch die Eigenart der Verhältnisse eine geringere Rolle spielte, als dies nach Ansicht des Autors für künftige Kriege gelten wird. In- dessen wurde doch eine Reihe interessanter Erfahrungen gesammelt. Als Geschosse dienten Granaten, die mit Lyddit oder Cordit gefüllt

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waren, ferner Hülsenshrapnells auf englischer Seite. Die Granaten der Buren waren mit Aufschlagzündern versehen und enthielten Pulver als Sprengstoff. Bei Verletzungen durch Shrapnellfüllkugeln sah man leichte Verwundungen auf allernächste Distanz, schwere oft bei weiter Entfernung. Häufig wurden Kontusionen beobachtet. Der Hauteinschuss ist bei undeformirter Shrapnellkugel oft etwas kleiner als dem Kaliber entspricht und kreisrund, wenn dieselbe senkrecht den Körper trifft. Beim Auftreffen unter spitzem Winkel ist derselbe größer, oft oval. Bei schon deformirtem Geschoss ist der Einschuss dem entsprechend größer, unregelmäßiger und mit gequetschten Rändern versehen. Auch die Ausschussöffnung ist von wechselnder Größe und Form. Ist kompakter Knochen getroffen, so können mehrere Ausschüsse vorhanden sein als Folge der Zer- splitterung des Geschosses oder des Herauschleuderns der Knochen- splitter. Im Allgemeinen konnte man aus Form und Größe des Ein- und Ausschusses die Verletzung durch eine Shrapnellkugel fest- stellen. Die Hautausschussöffnungen pflegten auch ohne Infektion langsam unter stärkerer Sekretion zu heilen. Das Steckenbleiben von Kugeln im Körper war häufig.

Die Verletzung der Weichtheile ist im Allgemeinen bedeutender als bei Verwundungen durch das kleinkalibrige Geschoss, dagegen sind die Weichtheile bei Knochenschüssen hier gewöhnlich weniger geschädigt. Die Blutung nach außen ist oft sehr beträchtlich wegen der großen Schussöffnungen und weiten Wundkanäle; die Schwellung der Umgebung ist aus gleichem Grund nie sehr bochgradig gewesen. Auch Nachblutungen kommen nicht selten vor. Die Verletzungen der peripheren Nervenstämme durch Shrapnellkugeln nehmen meist einen langwierigen Verlauf.

Bei Schädelverletzungen kann der Knochen getroffen werden, ohne dass eine Perforation eintritt; auch kann die Kugel abprallen. Hat das Geschoss den Schädel dagegen perforirt, so ist die Zerstörung gewöhnlich eine recht beträchtliche. Von 6 penetrirenden Schädel- verletzungen genasen 3, darunter einer ohne Operation. Bei Lungen- verletzungen wurden oft wunderbarerweise das Herz und die großen Gefäße verschont. Die unmittelbaren Folgen sind meist erheblicher als beim Kleinkaliber, doch tritt nicht selten Heilung ohne schwere Erscheinungen ein. Die wesentlichsten und schwerwiegendsten Kom- plikationen dieser Läsionen sind Nachblutungen und Empyeme. Der größte Theil der Bauchverletzungen durch Shrapnellkugeln scheint auf dem Schlachtfelde oder auf dem Transport tödlich zu enden. Öfters bleibt die Kugel in den Bauchdecken stecken. Fälle von Heilung ohne Operation werden ebenfalls beschrieben.

Fast die Hälfte der Knochenbrüche ist vereitert. Die starke Quetschung der Wunden, das häufigere Mitgerissenwerden von Klei- dungstheilen mag dies erklären. Die Infektionen waren indessen meist gutartig, verstümmelnde Eingriffe darum selten.

Centralblatt für Chirurgie. No. 22. 589

Die Prognose der Shrapnellkugelverletzungen ist eine ungünstigere als die nach Verwundungen durch das Mantelgeschoss. Die Getroffe- nen werden rascher kampfunfähig, und der Heilungsprocess verläuft langwieriger. Die Infektionen sind recht zahlreich, die Sterblichkeit ist eine größere, das Nervensystem wird von diesen Verletzungen sehr mitgenommen. Die Behandlung dieser Verwundungen ist im Allgemeinen denselben Grundsätzen entsprechend, welche den sonstigen Verletzungen durch kleinkalibrige Geschosse zu Theil werden soll. Verf. ist aber ım Ganzen dafür, von vorn herein voluminösere Ver- bände anzulegen.

Bei den Verwundungen durch Sprengstücke der Granaten und Shrapnells spielt der Luftdruck eine große Rolle. Er kann die merkwürdigsten Verletzungen zu Stande bringen, wie an interessanten Beispielen erläutert wird. Ohne äußere Verletzung wurden vorüber- gehende Lähmungen und Anästhesien, selbst Todesfälle beobachtet. Die Volltreffer verursachten, wie natürlich, die entsetzlichsten Ver- stümmelungen. Aber auch von diesen heilten einige in der wunder- barsten Weise. Der Chok ist bei den Granatverletzungen häufig die Todesursache. Die Behandlung derselben machte dem ärztlichen Personal viel zu schaffen. Häufig wurden primäre Amputationen nothwendig. Im Ganzen ist die Therapie bei diesen Verwundungen den analogen in der Friedenspraxis durchaus gleichartig.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

3) A. Hoffa. Lehrbueh der orthopädischen Chirurgie.

4. Auflage. Stuttgart, F. Enke, 1902. 956 S. 810 Abb.

Es sind kaum 3 Jahre verflossen, seit die 3. Auflage des vor- liegenden Buches (cf. d. Ctbl. 1899 No. 1), welches anerkannter- maßen stets ein genaues Bild des jeweiligen Standes der orthopädi- schen Chirurgie gab, an dieser Stelle besprochen wurde. Heute liegt bereits die 4., um fast volle 100 Seiten und 124 Abbildungen ver- mehrte Auflage vor uns.

Gerade in den letzten Jahren hat das Gebiet der orthopädischen Chirurgie in allen Ländern einen so bedeutenden Aufschwung ge- nommen, dass dem Verf. in den meisten Gebieten Ergänzung und völlige Umarbeitung der alten Kapitel nothwendig erschienen. Eine große Reihe neuer instruktiver Abbildungen, zum größten Theil eigener Beobachtungen, zum Theil aus anderen Veröffentlichungen, ergänzt auch hier den Text in anschaulichster Weise. Im allgemeinen Theil ist auf die orthopädischen Maßnahmen in der Nervenheilkunde näher eingegangen, und die Kapitel über cerebrale Diplegien und allgemeine Behandlung der spastischen Kontrakturen sind ganz neu; das Kapitel der Sehnentransplantation ist bedeutend erweitert.

Im speciellen Theil hat fast jedes Gebiet eine neue Darstellung oder bedeutende Umarbeitung erbalten. Die Mikulicz’sche Ope- ration bei Schiefhals hat die gebührende Anerkennung gefunden;

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bei der Spondylitis wird das Calot’sche Verfahren noch ausführlich geschildert, aber die Indikationen bedeutend eingeschränkt. Vor Allem wird die geringe Neigung der tuberkulösen Wirbelsäule zur Knochenneubildung zugegeben. Bei der Skoliose zeigt eine große Anzahl neuer Bilder sehr deutlich die Wirkung der sog. Selbst- redression, die Schulthess’schen Apparate werden genau geschildert. Auf die neueren Bestrebungen der forcirten Redression der Skoliose geht H. genauer ein und schildert hauptsächlich die von Wullstein geübte Methode mit dessen Redressionsapparat. Verf. erkennt die Wichtigkeit dieser Bestrebungen völlig an, nimmt jedoch einen an- zuerkennenden, noch zurückhaltenden Standpunkt ein. Die veraltete Abbildung des Hessing’schen Korsetts ist aus der 1. Auflage noch mit übernommen. Das Kapitel der angeborenen Skoliose ist erweitert, eben so das der Ischias scoliotica, des Cubitus varus.

Eine wichtige Ergänzung hat die Darstellung der angeborenen Hüftverrenkung erhalten. Die von Schede empfohlene Methode der Annagelung des Schenkelkopfes am Pfannenboden bei ausge- sprochener Sagittalstellung des Kopfes und nachfolgender Osteotomie ist aufgenommen. Den Erfolgen der unblutigen Behandlung mittels Lorenz’scher Methode steht H. noch etwas zu skeptisch gegenüber, da doch eine größere Reihe wirklicher Repositionen gegenüber den Transpositionen erreicht werden kann. Von der primären Fixation in Außenrotation, welche H. noch empfiehlt, ist er nach den letzten Demonstrationen auf dem Kongress für orthopädische Chirurgie selbst zurückgekommen.

Von den übrigen Kapiteln sei nur noch erwähnt, dass die Coxa vara, angeborener Oberschenkeldefekt und die angeborenen Knie deformitäten eine theils neue, theils erweiterte Darstellung gefunden haben. Auch die sonstigen Kapitel sind ergänzt. Fig. 715 ist offen- bar an falscher Stelle angeführt.

. So ist die neue Auflage eine wirklich vermehrte und verbesserte zu nennen, und es ist zu wünschen, dass das Entgegenkommen des Verlegers auch bei den späteren Auflagen etwa nothwendige Ver- mehrungen und Verbesserungen nicht auf Kosten oder Kürzungen der älteren Darstellungen oder Beschränkung der Abbildungen mög- lich macht. Drehmann (Breslau).

4) J. Baedeker. Die Arsonvalisation. (Sep.-Abdr. aus der »Wiener Klinike 1901.) Berlin, Urban & Schwarzenberg, 1902. 44 S. 16 Abb.

B. berichtet über Versuche an der Poliklinik Eulenburg’s und an dem Institut für medicinische Diagnostik in Berlin mit der Arson- valisation, der Behandlung von Strömen mit hoher Frequenz und starker Spannung. Diese Stromart wurde unabhängig von einander von d'Arsonval und Tesla entdeckt und von d’Arsonval im Jahre 1897 in die Therapie eingeführt. Es handelt sich bauptsäch- lich um lokale oder allgemeine Bestrahlung. Das von Hirschmann

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zusammengestellte Armamentar wird genauer beschrieben. Auf die Einzelheiten der Technik kann hier nicht eingegangen werden. Die physiologische Wirkung der Strahlen in Bezug auf Athmung, Blut- druck und Stoffwechsel wird untersucht, eben so die Strahlen zu therapeutischen Zwecken benutzt; es kam allgemeine Bestrahlung bei Diabetes und Pruritus, Obesitas, Hysterie und Neurasthenie, lokale Arsonvalisation bei Neuralgien, Arthralgien, Arthritiden u. A. in An- wendung.

Verf. kommt zu dem Schluss, dass wir der Arsonvalisation, wenn auch nicht mit übermäßigen Erwartungen, so doch noch weniger mit unbedingtem Misstrauen entgegentreten dürfen und nur über Grad und Umfang ihrer Verwendbarkeit auf verschiedenen Krankheits- gebieten auf Grund weiter fortgesetzter klinischer Beobachtungen das Endresultat abzuwarten haben. Drehmann (Breslau).

5) Moya. Deben praticarse operaciones quirürgicas en la mujer encinta? (Revista de med. y cirurg. präctic. 1901. No. 687.)

In der schon des öftern aufgeworfenen Frage, ob Frauen während der Schwangerschaft anderweitigen operativen Eingriffen unterworfen werden dürfen, kommt Verf. auf Grund eines großen Materials zu folgenden Schlüssen: Falls eine Indicatio vitalis vorliegt, muss der Eingriff natürlich ohne Rücksicht auf einen eventuellen Abort vor- genommen werden. Falls andere Gründe vorliegen, die den Auf- schub der Operation bis zur Zeit nach der Niederkunft unthunlich erscheinen lassen, so ist die Entscheidung von dem psychischen und körperlichen Zustand der Frau abhängig zu machen. Es sind hierbei 3 Klassen von Frauen zu unterscheiden: 1) solche, deren Psyche sich schon seit der Zeit der Pubertät in einem in gewissem Maße von der Sexualsphäre abhängigen Zustand befindet, bei denen sich »Alles um den einen Punkt drehte. Diese sind von jedem nicht unbedingt nothwendigen operativen Eingriff auszuschließen; denn der Abort würde die unausbleibliche Folge sein. 2) solche, die an irgend einer organischen Erkrankung im Bereich der Genitalien früher gelitten haben, und deren Uterusmuskulatur daher als abnorm reizbar zu betrachten ist; bei dieser Klasse von Frauen dürfen Operationen in der Nachbarschaft der Genitalien nicht vorgenommen werden, während sonstigen chirurgischen Maßnahmen nichts im Wege steht. 3) giebt es Frauen, die sowohl körperlich gesund waren, als auch‘ deren Psyche durch die eingetretene Schwangerschaft nicht sonderlich in Erregung versetzt worden ist. Diese Frauen finden sich, im Gegen- satz zu den Frauen der 1. Kategorie, in den unteren Schichten des Volkes, in der arbeitenden Klasse; bei ihnen glaubt Verf. operative Eingriffe unbeschadet des bestehenden Zustands vornehmen zu können.

Stein (Berlin).

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6) N. A. Weljaminow. Die Phototherapie nach Finsen auf Grund experimenteller und klinischer Studien in der

akademischen chirurgischen Klinik. (Prast. Wratsch 1902. No. 4.)

Unter W.’s Leitung experimentirten seine Schüler an 77 Pat.: 38 mit Lupus vulgaris, 19 mit Lupus erythematodes, 10 mit Ulcus rodens und 10 mit Teleangiektasie. Therapeutisch kamen sie zu den- selben Resultaten wie Finsen. Experimente wurden zur Beant- wortung zweier Fragen angestellt: 1) von dem Einfluss der Energie des Lichts auf die Mikroorganismen, und 2) auf gesunde und kranke thierische Gewebe.

Ad ı) W.N.Thomaschewski machte 500 Versuche mit 10 patho- genen und nicht pathogenen Mikroorganismen (Staphylococcus pyo- genes aureus, albus, Bacillus pyocyaneus patholog., Bacillus typhi abdom., Bacillus anthracis, Bacillus lateric,, Micrococcus aurantia- cus, Bacillus Zopfii, Bacillus pyocyaneus #, Bacillus prodigiosus). Schlussfolgerungen: Die Bakterien gehen zu Grunde unter dem un- mittelbaren Einfluss der Photoenergie auf die Mikroorganismen selbst, wobei fast ausschließlich die kürzesten Wellen wirken. Auf jeden Quadratcentimeter der inficirten Oberfläche müssen zur Abtödtung der Bakterien 1—30 Kilogrammmeter Energie verwendet werden. In allen Fällen, wo die Photoenergie auf thierische und pflanzliche Mikroorganismen einwirkte, fand T. volle Zerstörung der Zellkörper.

Ad 2) Glebowski untersuchte die Veränderungen der Lupus- granulome unter der Einwirkung des Lichts. Aus dem Corium ver- loren sich mehr und mehr die Granulomzellen, und zuletzt fand sich fast normales faseriges Zellgewebe, nach einem Jahre sogar mit ela- stischen Fasern. In den Riesenzellen Vacuolen- und Fettdegenera- tion, in den lIymphoiden Elementen während der akuten Reaktion Fettdegeneration. In den epithelioiden Zellen nur minimale Degene- rationssymptome, öfter andere, besonders progressive Veränderungen.

Gerschuny untersuchte das Ulcus rodens und fand, dass dıe endothelialen Elemente schwinden und in reifes, faserreiches und zellarmes Bindegewebe verwandelt werden, die epithelialen Elemente aber mehr Widerstand leisten und durch das proliferirende Binde- gewebe im Wachsthum gehindert werden. Er sieht das Ulcus rodens als Endotheliom an. (Vortrag, gehalten auf dem II. russischen

Chirurgenkongress in Moskau im December 1901.) Gückel (Medwedowka, Kiew).

7) A. Dörr. Ein experimenteller Beitrag zur Ätiologie der Sinusthrombose. (Aus dem pathol. Institut in München.) (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 8.)

Zwei in der Münchener chirurgischen Klinik beobachtete und rasch tödlich verlaufene Fälle von durch die Sektion nachgewiesener traumatischer Hirnsinusthrombose, die, frei von jeder Eiterung, ohne

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Verletzung der Weichtheile des Schädels und der Sinus selbst, bei Fraktur der Basis oranii etc. in dem einen Falle, entstanden war, haben D. veranlasst, Versuche über das Zustandekommen der Throm- bose an 3 Hunden vorzunehmen. Es gelang ihm, durch Hammer- schläge auf den Kopf der Thiere, ohne Weichtheilverletzung und nennenswerthe Fraktur des Schädels, ohne jede Spur einer vorhan- denen Eiterung, bei dem einen Hund eine ausgeprägte, bei den anderen zwei eine beginnende Sinusthrombose herbeizuführen.” D. nimmt an, ohne dass es ihm indess gelungen, mikroskopisch eine Verletzung des Sinusendothels nachzuweisen, dass eine solche, durch die Gewalteinwirkung auf den Schädel hervorgerufen, die Thrombose veranlasst habe. Kramer (Glogau).

8) Radzick. Das Extractum gland. suprarenalium in der Rhinolaryngologie. (Med. obosrenje 1902. No. 4.)

R. bestätigt die Angaben Rosenberg’s (Revue hebd. de laryngo- logie etc. 1902 No. 1): das Extrakt beseitigt die Hyperämie der Schleimhaut und wirkt stark anästhesirend, das Cocain in dieser Beziehung übertreffend.. Er wandte es an zur Anästhesie (Nase, Mandel, Larynx), zur Dilatation der verengten Nasengänge (in Folge Schwellung der Schleimhaut), zum Zweck der Katheterisation, zur Anästhesirung bei kleineren Operationen (Polypen, Parulis). Ferner empfiehlt er es als Hämostaticum und zur Erleichterung der In- tubation (bei Schwellung). Er bereitete das Extrakt selbst, was ziemlich einfach ist. Schädliche Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Gückel (Medwedowka, Kiew).

9) N. Alivizatos (Athen). Die Behandlung der Pott’schen, nicht ankylosirten Kyphosen durch langsame Geraderichtung in einer Sitzung ohne Chloroform.

(Revista de chirurgie 1902. No. 1.)

Verf. hat Zwecks Redressirung Pott’scher Kyphosen einen Apparat konstruirt, welcher eine regelmäßige ununterbrochene und gleich- mäßige Traktion und Extension auf, die Wirbelsäule des kranken Kindes ausübt. Dasselbe wird auf zwei hohe Pelotten mit dem Bauche nach abwärts gelagert, die ziehende Kraft wirkt durch passend angelegte Halfter auf Kopf und Becken. Zwei Dynamometer geben den Grad der ausgeübten Kraft genau an. Eine runde Pelotte wirkt von oben her drückend auf die kyphotische Stelle. Der ganze Apparat wird durch eine einzige Radbewegung gleichzeitig in allen seinen Theilen in Bewegung gesetzt. Ein weiterer Vortheil dieses Apparates ist der Umstand, dass das Gipsmieder angelegt werden kann, wäh- rend sich der Pat. in vollkommen extendirter Stellung befindet. Die langsam und gleichmäßig ansteigende mechanische Traktion ermög- licht die Redressirung ohne Chloroform. E. Toff (Braila).

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10) N. Melun (Bukarest). Die entfernten Resultate der

Reducirung Pott’scher Kyphosen. (Revista de chirurgie 1902. No. 3.) -

M. hat 79 Fälle von Pott’schen, durch Redressement operirten Kyphosen jahrelang verfolgt und gefunden, dass, wenn auch die Anfangs erzielten Resultate ausgezeichnete sind, doch im weiteren Verlaufe der Buckel wieder auftritt. Keine reducirte Kyphose ist dauernd geheilt geblieben, gleich viel welche Methode zur Redtressi- rung und zum Kontentivverband benutzt wurde. M. ist der Ansicht, dass die heute benutzten Gipsapparate, Mieder etc. nicht im Stande sind, die gerade gerichtete Wirbelsäule auf die Dauer hin in dieser Lage zu erhalten, so dass die krankhafte Verbiegung sich langsam wieder entwickelt. | E. Toff (Braila'.

11) J. A. Abramowitsch. Vom Einfluss der Entfernung

der Schilddrüse auf die Leukocytose. Diss., St. Petersburg, 1902. (Russisch.)

Experimente an Hunden, 16 (von 23) mit Erfolg. Resultate: die Entfernung der Schilddrüse verlangsamt das Auftreten der Hyper- leukocytose nach Peptoninjektion: beim gesunden Hund weicht die zuerst eintretende Hypoleukocytose schon nach !/, Stunde der Hyper- leukocytose, beim Hund ohne Schilddrüse beobachtet man noch am nächsten Tage Hypoleukocytose. Verf. führt keinen sicheren Grund hierfür an, glaubt aber, dass die Schilddrüse auf irgend welche Weise die Energie der blutbildenden Organe erhöht, so dass beim Ausfallen

dieser Funktion die Bildung der Leukocyten sehr herabgesetzt wird. Gückel (Medwedowka, Kiew).

12) A. Kocher. Über Morbus Basedowii. (Mittheilungen a. d. Grenzgebieten der Medicin u. Chirurgie Bd. IX. Hft. 1 u. 2. K. giebt in einer sehr ausführlichen Arbeit von 304 Seiten mit einem Litteraturverzeichnis von 1423 Nummern die Erfahrungen, welche in den letzten 17 Jahren an 93 Fällen Basedow’'scher Krank- heit in der Berner chirurgischen Klinik gemacht worden sind. Er bringt zunächst 59 Krankengeschichten theils von Fällen hochgradigen Morbus Basedowii, theils von ausgesprochenen, in denen aber entweder einige Symptome fehlen oder wo der Höhepunkt der Erkrankung vorüber war. Sie wurden sämmtlich operirt. K. schildert sodann die Symptome, welche von Seiten der einzelnen Organe beobachtet wurden, in eingehender Weise. Bei allen war die Schilddrüse ver- größert, so dass Basedow ohne Anschwellung der Schilddrüse nicht bekannt war. Die Größe und Form der Schilddrüse war sehr ver- schieden, die Konsistenz meist prall elastisch. Die der Krankbeit eigenthümliche Schilddrüsenveränderung macht keine Tracheostenose. Konstant fanden sich vaskuläre Symptome: Pulsation des Kropfes, Geräusche, durch Tastung wahrnehmbares Schwirren, Erweiterung

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der Arterien. Die Gefäße sind auffallend zerreißlich. Oft konnte der Kropf ausgedrückt, durch Druck verkleinert werden. Von Seiten des Herzens war bisweilen eine Vergrößerung zu finden; Tachykardie war stets, Herzklopfen fast bei Allen zu beobachten, in zwei Dritteln der Fälle fanden sich Herzgeräusche, meist systolische. Nach Schil- derung der Symptome von Seiten des peripheren Gefäßsystems, der Augen, des Verdauungstractus, der Haut, des Nervensystems, des Genitalapparats, der Harn- und Athmungsorgane und des lymphati- schen Apparats wendet Verf. sich zur Besprechung der operativen Therapie des Basedow.

Gewicht wird darauf gelegt, dass kein Basedowkranker im Stadium höchster psychischer Erregung und höchster Pulsfrequenz operirt wird. Stets wurde allgemeine Narkose vermieden, und Lokalanästhesirung der Haut angewandt. Alle Desinficientien wurden streng vermieden. Die ÖOperationsmethode war sehr ver- schieden: 14mal bloße halbseitige Excision; 16mal Unterbindung von Arterien; 19mal halbseitige Excision, mit Arterienligatur kombinirt (10mal einzeitig, 8mal zweizeitig, {mal dreizeitig); halbseitige Excision und partielle Resektion 4mal (alle einzeitig); Ligatur von Arterien und partielle Resektion imal (in zwei Sitzungen); halbseitige Excision und partielle Resektion und Unterbindung von Arterien 3mal (2mal in einer Sitzung, Imal dreizeitig), Ligatur von Arterien und Resektion des Sympathicus 3mal (einzeitig) Die mehrzeitigen Operationen fanden fast nur bei hochgradigsten Fällen statt.

Von den 59 Operirten zeigten 39 unangenehme postoperative Erscheinungen in Form von Steigerung der Basedowsymptome mit Fieber. 4 Fälle zeigten nach der Operation Erscheinungen akuter Kachexie, nämlich Tetanieanfälle. Es heilten 45 = 76%; bedeutend gebessert wurden 8 = 14%, nur wenig gebessert 2 = 3,3%, es starben 4= 6,7%. K. geht sodann die Beeinflussung der einzelnen Sym- ptome durch die Operation durch. Das einzige Symptom, dessen vollständiges Verschwinden meist in allen geheilten Fällen beobachtet wurde, war der Exophthalmus; er schwand nur in 26 von 45 Fällen. Die Indikation ist dahin zu stellen, dass man die vaskulös entarteten Abschnitte der Drüse der Operation unterwirft, genau den Verlauf verfolgt und erst später eine 2. Operation folgen lässt. Die nur ge- besserten Fälle beruhen zum Theil darauf, dass die Kranken auf eine erneute Operation nicht eingingen. Die 4 Todesfälle waren bedingt durch doppelseitige krupöse Pneumonie, Embolie der Art. fossae Sylvii, Herzcollaps, Intoxikationserscheinungen. Angesichts der guten Erfolge der Operation räth K., jedem Basedowkranken die Operation vorzuschlagen.

K. giebt darauf die Krankengeschichten von 15 intern behandelten Fällen und weist nach, dass die damit erreichten Resultate der chirurgischen Therapie nachstehen. Es folgen Krankengeschichten vom Pseudo-Basedow und von Fällen von Struma vasculosa ohne Basedow-Erscheinungen.

596 Centralblatt für Chirurgie. No. 22.

Bei Schilderung der histologischen Verhältnisse der exstirpirten Schilddrüsentheile kommt Verf. zu dem Schluss, dass eine specifische, histologische Veränderung bei Basedow bisher nicht gefunden ist.

Zum Schluss bespricht K. die Ätiologie der Basedow’schen Krankheit und erblickt ihr Wesen in Veränderung der chemischen Funktion der Schilddrüse. Haeckel (Stettin).

13) A. Civalleri. Sulle »glandulae parathyroideae« dell’ uomo. (Policlinico 1902. No. 3.)

C. hat an 105 Leichen jeden Lebensalters die normalen Verhältnisse der Glandulae parathyroideae verfolgt und konstant sowohl die oberen wie die unteren gefunden, und zwar stets beiderseits. Die oberen liegen dorsal von der Art. thyroidea inf. und vom Nervus laryng. inf. an der hinteren Fläche des Seitenlappens und sind sehr selten verdoppelt; die unteren liegen ventral von dem Gefäßnervenstrang, kommen öfters in der Mehrzahl vor und finden sich in der ganzen Gegend zwischen unterem Theil der Schilddrüse und dem retro- sternalen Fett. Durch die schrumpfende Thymus können sie in letzteres hineingezogen werden. Die histologische Struktur ist bei bei- den gleich. E. Pagenstecher (Wicabaden..

14) E. J. Moure. De la suture immédiate des voies aériennes après les opérations pratiquées sur la trachée et le larynx. (Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinologie 1902. No. 6.)

Die Infektion der Bronchien und Lungen, die die häufigste Komplikation nach der Laryngotomie bezw. Tracheotomie bildet, will Verf. dadurch vermeiden, dass er die Anlegung einer Kanüle bei der extralaryngealen Entfernung von Fremdkörpern und ganz umschriebenen Geschwülsten wenn irgend möglich vollständig um- geht. So hat er in 5 Fällen von Fremdkörpern, die er aus den oberen Luftwegen entfernte und auch bei der Exstirpation von umschriebenen Epitheliomen sofort die Kehlkopf-Luftröhrenwunde wieder geschlossen, indem er nach exakter Blutstillung, event. unter Zuhilfenahme des Thermokauter, Perichondrium-, Muskel- und Hautnähte anlegte. Auf diese Weise wird auch am ehesten ein Verschieben der Knorpel-

ränder vermieden und so eine möglichst glatte Narbe erzielt. F. Alexander (Frankfurt a/M...

15) Stefanile e Fabozzi. Le iniezioni Durante nel par-

enchyma pulmone. (Policlinico 1902. No. 3.)

Parenchymatöse Injektionen der Durante’schen Jodlösung in die Lunge werden von Kaninchen gut vertragen. Vorübergehend tritt Hyperämie und Leukocytose auf, das Jod wird in der Lunge längere Zeit festgehalten (?j. Die Autoren halten danach die Anwendung

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dieser von Durante für chirurgische Tuberkulosen empfohlene Be- handlung auch für die Lungentuberkulose für berechtigt. E. Pagenstecher (Wieshaden).

16) H. T. Butlin. A clinical lecture on oophorectomy in

the treatment of cancer of the breast. (Brit. med. journ. 1902. Januar 4.)

B. giebt eine Übersicht über die Arbeiten, welche, seitdem Beat- son seinen Vorschlag machte, bei gewissen Fällen von Brustkrebs die Oophorektomie auszuführen, sich mit diesem Gegenstand be- schäftigt haben. B. ist verwundert über den Optimismus, mit welchem auf dem Arztekongress in Cheltenham (d. Centralbl. 1902 p. 235) die Operation behandelt worden ist, wo Beatson die Aufforderung an die Versammlung richtete, die Oophorektomie als primäres Verfahren in die Therapie des Brustkrebses einzuführen. Gegenüber dieser weit- gehenden Forderung stellte B. fest, dass alle Kranken nach der Oophorektomie doch in verhältnismäßig kurzer Zeit zu Grunde ge- gangen sind. Ob überhaupt die Oophorektomie irgend welchen Werth hat, will B. nicht entscheiden. Der Beweis müsste erst erbracht werden, dass Brustkrebse von geringer Ausdehnung nach der Opera- tion sich zurückbilden. Wie die Dinge zur Zeit liegen, kann B. die Oophorektomie nicht empfehlen selbst bei ausgedehnter Carcinom- entwicklung, wo ein Recidiv unausbleiblich erscheint, räth er zur Radikaloperation, da nach Wegnahme der primären Geschwulst der Rest des Lebens sich erträglicher gestaltet. Weiss (Düsseldorf).

Kleinere Mittheilungen. (Aus dem Bürgerhospital su Köln. [Geh.-Rath Prof. Dr. Bardenheuer.])

Weitere Mittheilung über Bardenheuer’s Hypospadieoperation.

Von Dr. Eugen Hopmann in Köln.

Im 25. Jahrgang dieses Centralblattes (No. 44) hat Dr. Breuer »Eine neue Operation der Hypospadie der Eichel nach Bardenheuer« veröffentlicht.

Seitdem sind in Köln noch 4 Fälle nach dieser Methode operirt worden einer von Dr. Plücker, 3 weitere von Geh.-Rath Prof. Dr. Bardenheuer selbst.

In einem derselben, in dem der etwas imbecille Kranke durch sein unzweck- mäßiges Verhalten während der Nachbehandlung den Heilverlauf störte, blieb nach der Operation eine Fistel zurück, in den anderen 3 Fällen wurde dagegen ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt.

Der letste, vor Kurzem operirte Fall ist für weitere Kreise von Interesse, weil er zeigt, dass die Methode auch dann zu dem gewünschten Ziel führt, wenn man es mit den höheren Graden der Hypospadie zu thun hat, wie in dem gleich näher zu beschreibenden Falle, in dem Scrotalhypospadie vorlag.

Bei dem 15 Monate alten Kind findet sich das Orificium urethrae externum 4,5 cm von der normalen Stelle nach dem Scrotum hin verschoben; letzteres ist

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gespalten. Am oberen Ende des Spalts liegt, von den beiden, wie Schamlippen aussehenden Scrotalhälften bedeckt, die äußere Harnröhrenmündung, die vom Ori- ficium internum vesicae 4,5 cm und vom Anus 6 cm entfernt ist. Der Penis ist stark nach unten gekrümmt; auf der dorsalen Seite desselben ist das Präputium entwickelt, es fehlt an der unteren Seite. Die Hoden befinden sich an den nor- malen Stellen.

Die Operation wurde folgendermaßen ausgeführt: "Nach J— des Orificium externum urethrae mit 5 mm breitem Hautsaum wird in der Median- ebene auf die Urethra eingeschnitten und dieselbe auf dem in sie eingeführten Katheter 4 cm, also ungefähr bis zum Blasenhals freigelegt und mit einem Faden angeschlungen. Die Urethra muss hierbei mit möglichst vielem anhaftenden, um- gebenden Gewebe, im Anfangstheil besonders mit dem noch bestehenden Theil des Corpus cavernosum urethrae ausgeschält werden. Es wird sodann der Penis und die Glans mit einem dicken Trokar von der Stelle aus, wo die vordere Harn- röhrenöffnung lag, zwischen beiden Corpora cavernosa penis hindurch durchbohrt; dabei ist die Spitze des Trokar etwas dorsalwärts gerichtet. Durch den neuen Penis-Glanskanal wird jetzt die ausgeschälte Urethra durchgefährt und mit ihrem Orificium externum in die neugebildete äußere Öffnung durch rings herum an- gelegte Seidennähte eingenäht. Die vorgezogene Urethra wird in ihrem Längs- verlauf noch durch einige Seidennähte gestützt, und die gesetzten Wunden eben- falls durch Seidennaht geschlossen,

In der Nachbehandlung wird das ganze Operationsgebiet durch dick sk getragene Salbe vor dem Urin geschützt, der sich aus der neuen Glansöffnung offenbar ohne Schwierigkeit entleert, und so wird in einigen Wochen gute Heilung erzielt.

Um den stark nach unten gekrümmten Penis zu heben, wird ca. 6 Wochen nach der 1. Operation ein Hautlappen (3 cm lang, 2 cm breit) oberhalb der Scham- haargrenze aus der Unterbauchhaut umschnitten Stiel in der linken Leisten- beuge —, nach unten verschoben und, mit seinem oberen Rand dicht der Penis- wurzel anliegen), zwischen die angefrischten Ränder der beiden Scrotalhälften eingenäht, so dass der Penis von unten in die Höhe geschoben wurde. Der Lappen heilte gut ein; das Endresultat war befriedigend.

Der Fall zeigt, dass man die Urethra um die gleiche Länge dehnen kann, ohne sie in ihrer Ernährung zu gefährden, wofern man sie nur mit vielem um- gebenden Gewrbe ausschält.

Ein Infilator. Von Dr. J. Schoemaker im Haag.

Je weniger Hände mit unseren Fäden in Berührung kommen, um so besser, das dürfte heute wohl allseitig als Axioma gelten. Das Einfädeln einer Nadel ist eine schlechte Sache, weil der Theil des Fadens innig berührt wird, der den Stichkanal noch durchdringen muss. Das kann aber vermieden werden, wenn man ein kleines Instrument anwendet, das ich anfertigen ließ und das nebenstehend abgebildet wird. Es ist weiter biehita als eine gabelförmig ausgearbeitete Pincette, mit der der Faden gefasst und in das federnde Öhr der Nadel eingedrückt wird. Das geht sogar leichter und rascher als mit der Hand.

as Instrument ist zu bekommen bei G. Römer in Nimwegen (Holland), kann aber von jedem Instrumentenmacher leicht nachgemacht werden.

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17) J. Weigl. Sterilisationsapparat für Verbandmaterialien von Dr.

R. Klien. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 8).

Der genannte preiswerthe Apparat erfüllt nach W.’s im Münchener hygie- nischen Institut ausgeführten Versuchen den Zweck der Sterilisation der in die Schimmelbusch’schen Büchsen eingelegten Verbandmaterialien durch strömen- den Dampf und den der Austrocknung derselben aufs beste. Die Sterilisation wurde in 3/4 Stunde (gerechnet vom Beginn des Ausströmens des Dampfes aus dem Mantel), die Trocknung je nach der Größe der Büchse und nach der Dichtig- keit der Füllung in 40—80 Minuten erreicht. Der Apparat lässt sich auf jedem Ofen aufstellen und durch dessen Feuer in Gang setzen. (Firma: Otto Reinig in München, Schillerstraße 21.) Kramer (Glogau).

Zu J. Schoemaker, Ein Infilator.

18) M. Ravenel. A case of tuberculosis of the skin following acci- dental inoculation with the bovine tubercle bacillus. (Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1902. Februar.)

Verf. hat bereits früher über 3 Fälle berichtet, in welchen eine Einimpfung von Bacillen der Rindertuberkulose auf den Menschen bei Gelegenheit von Ob- duktionen zu Stande gekommen war. (Verhandlungen der Pathological Society of Philadelphia, new series, Vol. III, 1900.) Neuerdings hat er wieder einen Fall beobachtet, in welchem ein Arzt bei der Sektion tuberkulöser Kühe sich leicht ah der Beugeseite des Daumens verletzte. Glatte Heilung der Wunde; 4 Wochen später Röthung, Schwellung und Schmerzhaftigkeit der Narbe. Innerhalb weniger Wochen bildete sich ein 15:8 mm großer Knoten in der Haut, welcher excidirt wurde. Nach subkutaner Einimpfung eines Theile des Knotens auf Meerschwein- chen entwickelte sich eine allgemeine Tuberkulose. Die mikroskopische Unter- suchung des Knotens ergab, dass sich der Process fast ganz auf das retikuläre Lager des Corium beschränkte; es fanden sich typische Tuberkel mit Riesenzellen und auffallend gahlreichen Tuberkelbacillen. Bisher (nach 3 Monaten) kein Recidiv.

Mohr (Bielefeld).

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19) Dethlefsen. Lupus vulgaris faciei behandlet med Chloræthyl. (Hospitals Tidende 1901. No. 3.)

Die Pat., 29 Jahre alt, hatte 12 Jahre Lupus gehabt. Die Krankheit nahm den unteren Theil der Nase mit Flügel und Scheidenwand, einem großen Theil der Oberlippe und der linken Wange ein. Sie wurde mit Erfrierungen mittels Chloräthyl 2!/, Monate behandelt, in der ersten Zeit imal täglich, später I—2mal wöchentlich. Unter dieser Behandlung trat Heilung mit sehr schönem Resultat ein. (Abbildungen der Pat. vor und nach der Behandlung.)

Schaldemose (Kopenhagen:.

20) T. W. Huntington (San Francisco). Note on X-ray burns and their treatment. (Annals of surgery 1901. December.)

H. hat einen Fall von X-Strahlenverbrennung erfolgreich behandelt mit Ex- cision des Geschwürs nebst Entfernung des Unterhautfettgewebes und sofortiger Naht und Thiersch’schen Transplantationen.

Er empfiehlt diese Behandlungsweise mit ausdrücklicher Betonung, dass in radikalster Weise alle Theile entfernt werden müssen, in denen Obliteration der Gefäße erkennbar ist.

Der von ihm behandelte Fall ist glatt geheilt, und nur ein Narbenkeloid ist entstanden. Seeflsch (Berlin).

21) H. Kaposi. Ein Fall von komplicirter Schädelverletzung mit Aphasie. Deckung des Defektes durch Knochenplastik. (Aus der Heidelberger chirurg. Klinik.)

(Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 8.)

Der 19jährige Pat. hatte vor ca. 2 Jahren nach einer Stockhiebverletzung der linken Kopfseite einen Hirnabscess bekommen, der von Jordan durch Trepanation und Eröffnung mit nachfolgender Gazedrainage zur Heilung gebracht worden war, nachdem ein starker Hirnvorfall sich abgestoßen hatte; ein über thalergroßer Defekt im Schädel, dessen Deckung Pat. verweigerte, war mit einer geringen Schwäche des rechten Facialis und Erschwernis des Denkvermögens zurück- geblieben.

2 Jahre später erlitt Pat. abermals bei einer Rauferei durch Stockschläge eine Kopfverletzung, und zwar einen komplicirten Splitterbruch an den Rändern jenes Defekts mit ausgedehnter Zertrüämmerung des Gehirns, die rechtsseitige Lähmung, Bewusstlosigkeit und eine am 4. Tage hervorgetretene Aphasie zur Folge hatte. Nach beendeter Wundheilung wurde nach Müller-König die Knochenlücke gedeckt und dadurch zum definitiven knöchernen Verschluss gebracht. Unter den Folgeerscheinungen der schweren Schädel- und Gehirn- (Broca’sches Centrum) Verletzungen war die interessanteste die Aphasie, welohe eine rein motorische war und noch heute, wenn auch gebessert, vorhanden ist. Pat. versteht Alles, kennt alle Gegenstände, ohne sie benennen zu können ete.; auch das Schreiben und T,esen sind erheblich gestört, auffallenderweise nur wenig das von Zahlen (Agrapbie und Alexie). Kramer (Glogau).

22) Riegner. Subkutane Zerreißung des Sinus longitudinalis durae matris. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 383.)

Diese Verletzung beobachtete R. im Breslauer Allerheiligen-Hospital an einein jährigen Schlosser, der bei einem Gerüstzusammenbruch 20 m aufs Pflaster ge- fallen war. Befund: Ausgedehnter schwappender Bluterguss auf Schädeldach und Stirn, wobei aber in Scheitelhöhe und etwas rechts von der Mittellinie die Weich- theile an einer umschriebenen Stelle tief eingezogen und am Knochen fixirt waren. Keine Lähmungen, sehr starke Kopfschmerzen. Die nächsten Tage etwas Fieber,

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dazu allmähliches Sinken der Pulsfrequenz bis auf 52, die aber am 5. Tage auf 102 stieg. Dazu rechts Pupillenerweiterung, links Stauungspapille.e Am 6. Tage Operation mittels Bogenschnitts oberhalb des linken Ohrs beginnend und bis zum inneren Ende der rechten Augenbraue weitergehend. Entleerung des Hämatoms. An der Stelle der Weichtheileinsiehung ist die Galea und das Pericranium in einem Schädelspalt eingeklemmt, der, 2—3 mm weit klaffend, rechts von der Mittel- linie sagittalwärts nach der Augenhöhle hin verlief, und aus dem es beständig blutete. Es wird desshalb außen von dieser Bruchlinie ein ca. 4 cm langes und 3 cm breites Knochenstück herausgemeißelt, wonach sofort ein kolossaler Schwall von Blut, wässriger Flüssigkeit und Gerinnseln sich entleerte, so dass schleunigst zunächst tamponirt und verbunden werden musste. Die Operation hatte kleinen: und frequenten Puls zur Folge (Salzwasserinfusion), beseitigte aber sofort die Kopfschmerzen. Beim Verbandwechsel am 4. Tage fand sich ein stark blutender, 11/g cm langer, median gelegener Riss der Dura mater, der mit mehreren Katgut- . nähten versorgt wurde und jedenfalls im Sinus sagittalis gesessen hat. Weiterer Verlauf im Ganzen nach Wunsch, nur etwas komplicirt durch beiderseitige Neuritis optica, die aber verhältnismäßig gute Rückbildung zeigte, und deren Entstehung von ophthalmologischer Seite durch direkten Eintritt von Blut in die Sehnerven- scheiden erklärt wurde.

Der Fall ist in seiner Art sehr selten. Häufiger schon sind Rupturen des Sinus transversus und des Petrosus superior, so wie Stichverletzungen am Sinus sagittalis, sei es direkt oder durch Anspießung von Knochengplittern, zumal bei komplieirten Frakturen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

23) P. Lecöna. Un cas de méningite séreuse d’origine otitique. Trepanation bilaterale. Guerison. (Revue de chir. 1902. No. 1.)

L. definirt die Meningitis serosa als eine akut besonders bei Ohreneiterungen auftretende entzündliche Flüssigkeitsansammlung in den Meningen und Ventrikeln von wahrscheinlich infektiöser Natur. Sich selbst überlassen, führt sie nach L- immer zum Tode. Vielleicht könne auch die Lumbalpunktion zur Heilung führen, jedoch ist es nicht nur gerechtfertigt, sondern bei nicht ganz sicherer Diagnose in Anbetracht der Gefährlichkeit der Krankheit geboten, so bald als möglich durch Trepanation, wenn möglich beiderseits, vom Druck zu entlasten. Beweis: die Fälle von Robson Bramwell, Joel, Schmiegelow, Kretschmar und der eigene des Verf.

18jähriger Kupferdreher liegt seit 3 Monaten an Typhus darnieder; seit 14 Tagen besteht eitrige Otorrhoe; plötzlich, nach vorausgegangenem Kopfweh, traten heftige, vom Gesicht auf Arme und Beine sich ausbreitende Krampfanfälle mit völligem Verlust des Bewusstseins auf; Gesicht gedunsen, Pupillen weit, Athmung verlangsamt (10 in der Minute), Puls 130, Temperatur 38,7° (beginnende eitrige Meningitis?). 3 Stunden nach Beginn der Krämpfe, die sich alle 5 Minuten wiederholen, wird im Koma unter beständigen Anfällen beiderseits der Warzen- fortsats aufgemeißelt, die Dura freigelegt. Bei mehrfacher Punktion des stark kongestionirten Gehirns wurde kein Eiter gefunden; doch entleerten sich aus den Ventrikeln rechts unter Druck etwa 30, links etwa 15 g Liquor cerebrospinalis. Sofort hörten die Krämpfe auf.

Die Heilung erfolgte abgesehen von einem Krampfanfall am 6. Tage an- standslos und erhielt sich.

Aussaat des Liquor leider nicht gemacht. Christel (Metz).

24) E. v. Bergmann. Zur Kasuistik operativer Hirntumoren. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXV. Hft. 4.) v.B. bereichert in vorliegender Arbeit die Litteratur der operativen Gehirn- geschwülste durch eine Reihe der interessantesten Fälle, die er in den beiden letzten Jahren beobachtet und operirt hat. Bei dem 1. Pat. handelte es sich um

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ein Angiosarkom des Stirnhirns. Die hauptsächlichsten Symptome waren Nacken- schmerzen, unsicherer Gang, psychische Störungen, besonders Geschwätzigkeit und wechselnde Depressionssustände. Auf der einen Seite zeigte der Augen- befund, dass kaum mehr Lichtschein vorhanden war, auf der anderen wurde noch die Bewegung der Hand und die Beschattung eines vorgehaltenen Lichts bemerkt. Beiderseits bestand Stauungspapille, rechterseits in höherem Grade. Entscheidend ` war für die Diagnose der Stirnhirngeschwulst gegenüber einer Kleinhirngeschwulst der Schmerz beim Beklopfen des Schädels. Die Empfindlichkeit der rechten Stirn- seite war gegenüber derjenigen der anderen Seite sehr in die Augen fallend. Nach Bildung eines Wagner’schen Lappens wurde die Geschwulst exstirpirt. Die nicht unbeträchtliche Blutung stand auf Tamponade. Der Erfolg war ein aus- gezeichneter, bis jetzt dauernder. Die Kopfschmerzen sind ganz geschwunden. Das Augenlicht besserte sich ganz wesentlich. Fingerzählen war mit dem linken « Auge bis zu 12m möglich, ein Beweis, dass bei nicht zu lange bestehender Neuritis nervi optici durch die Operation noch viel von dem Sehvermögen zu retten ist.

Die 3 folgenden Fälle stellen Geschwülste der Centralwindungen dar. Sie wurden richtig diagnosticirt und bei dem Eingriff vorgefunden. Alle 3 Kranke starben. Chok, Blutung und Septomeningitis führten den ungünstigen Ausgang herbei, ein Beweis für die auch sur Zeit noch bestehende Gefahr dieser Opera- tionen.

Der 1. dieser Pat. war ein 4'/2jāhriges Kind, das schon in einem desolaten Zu- stand zur Operation kam. Für solche Fälle, bei denen der erste Theil des Ein- griffs schon Collapserscheinungen herbeiführt, wird v. B. in Zukunft, Horsley's Rath folgend, zweizeitig operiren. Bei dem 2., 44jährigen Pat. musste nach dem fast klassischen Krankheitsbild eine gutartige, schon seit langen Jahren bestehende Geschwulst in der linken motorischen Region, speciell im Hand- und Armcentmm mit Ausdehnung gegen das Facialisceentrum angenommen werden. Während des Eingriffs, sofort nach Incision der Dura mater, entstand eine starke Blutung, 80 dass man den Eindruck hatte, in ein Aneurysma gerathen su sein. Pat. starb den Verblutungstod, und die Autopsie klärte den Sachverhalt dahin auf, dass es sich um ein diffuses, kavernöses Angiom handelte. Das Medusenhaupt von Venen, welches dasselbe von oben her deckte, war jedenfalls beim ersten Schnitt getroffen worden. Es ist zu bezweifeln, ob überhaupt bei vorliegendem Falle die tödliche Blutung zu vermeiden gewesen wäre, auch wenn man von der Peripherie her die Geschwulst in Angriff genommen hätte. Im 3. Falle handelte es sich um ein großes, 90 g schweres Rundzellensarkom, bei dessen Operation die vom Verf. schon für die Exstirpation des Ganglion Gasseri empfohlene Hochlagerung des Ober- körpers sich auch für die Betastung der Neubildung und deren deutlicheres Her- vortreten als sehr vortheilhaft erwies.

Die 2 folgenden Fälle sind Beispiele aus der Lehre von den Hirncysten und sollen das Vorherrschen der Erweichungscysten an der Oberfläche und im Innern von Hirnsarkomen illustriren, und vor Allem auch bestimmte Anhaltspunkte für die Unterscheidung der Cysten von der hydrocephalischen Ausdehnung der Seiten- ventrikel geben. Wenn die Cystenflüssigkeit eiweißreich ist, und sich der durch Lumbalpunktion erhaltene Liquor cerebrospinalis eiweißarm erweist, so ist die punktirte Cyste wohl stets eine Erweichungscyste in einem Sarkom. Besonders gilt das für Kinder, weil bei ihnen aus Blutergüssen entstandene Cysten selten vorkommen. Reine Hirncysten sind nach der derzeitigen reicheren Erfahrung wohl überhaupt nicht so häufig, als man am Anfang der Gehirnchirurgie geglaubt hat. Vielfach findet man neben der Cyste noch Geschwulstgewebe. Das beweist auch der zuletzt in der Arbeit referirte interessante Fall, bei welchem mit aller- bestem Erfolg in ausgedehnter Weise die Wegnahme der Cyste mit ihrer Wand innerhalb der Gehirnsubstanz mit Schere und Messer vorgenommen wurde. Das 12jährige Mädchen verlor seine krankhaften Symptome und war noch nach 2 Jahren frei von Schwindel, erbrach nicht mehr und konnte ohne Schwanken gehen. Bei der Untersuchung zeigte sich in der C'ystenwand in der That Geschwulstgewebe,

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junges faseriges Bindegewebe und Rundzellen. v.B. hält es für möglich, dass es im Gehirn Sarkome giebt, die nach Analogie mancher Knochensarkome fast in ihrer Totalität cystisch degeneriren, und zwar hauptsächlich in den Anfängen der Geschwulstbildung, weniger in den späteren Perioden.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

25) T. Jonescu (Bukarest. Die Hydatidencyste des Gehirns und deren chirurgische Behandlung. (Revista de chirurgie 1902. No. 2 u. 3.)

Die sehr interessante Arbeit giebt einen guten Überblick über die Entwicklung und den heutigen Stand dieser Operationsmethode. Verf. bespricht 15 Fälle aus der Litteratur, denen er einen 16., eigenen hinzufügt. Es handelte sich um ein 17jähriges Mädchen, dessen Krankheit etwa seit 3 Monaten dauerte. Dieselbe begann mit Schmerzen im rechten Fuß, denen sich Schwäche desselben hinzu- gesellte. Dann wurde die rechte Hand schwächer und schließlich ganz gelähmt. Es bestanden Kopfschmerzen, Erbrechen, Sehstörungen. Bei der Aufnahme war Pat. soporös, wie seit 2 Wochen; außerdem bestand hartnäckige Verstopfung und Harnretention. Pupillen ungleich, erweitert, die rechte weiter, Stauungspapille, Odem der Netzhaut. Keine Nackenstarre. Spastische Lähmung der rechtsseitigen Extremitäten. Die ausgeführte Operation war eine Cephalektomie, welcher J. den Vorzug vor der Trepanation giebt. Es wurde ein elliptischer fronto-temporo- parietaler, etwa 12 cm langer Lappen links freigemacht und zurückgeschlagen, die Hirnsubstanz freigelegt und in der Mitte des Lobulus parietalis incidirt. Es ent- leerte sich eine klare Flüssigkeit, und eine etwa orangengroße dünnwandige Cyste wurde entfernt. Die Dura mater wurde hierauf genäht, der Lappen der Schädel- wand zurückgelegt und die Haut genäht. Nach der Operation trat Besserung ein; Pat. nach 6 Wochen geheilt entlassen. Sie ist nun seit einem Jahre in Beobachtung und bietet keinerlei krankhafte Symptome. E. Toff (Braila).

26) W. v. Noorden. Beitrag zur serösen Cyste der Ohrmuschel. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p.352.)

v. N. beobachtete an einem sonst gans gesunden Manne eine kleinhaselnuss- schalengroße Cyste am Ohr am Ubergang von Concha und Helix, die binnen 2—3 Wochen reis- und schmerzlos entstanden war. Keine Röthung, aber Fluk- tuation und Transparens. Bei Incision entleerte sich eine klare, fadenziehende, glycerinähnliche Flüssigkeit, die weder zellige, noch mikrophytische Elemente enthielt. Die austamponirte Höhle heilte auffallend träge und erst nach einer Auslöffelung binnen mehr als 8 Wochen. Der Cystenbalg bestand aus einer feinen Koorpelschicht, innen ausgekleidet von einer gefäßreichen Bindegewebsschicht. v.N. erörtert diesen Befund des genaueren, wobei er das Othämatom zum Ver- gleich heransieht und die einschlägige Litteratur berücksichtigt. Erwiesen ist, dass die Cyste intrakartilaginös bezw. zwischen 2 Knorpellamellen lag, was durch Annahme einer Spaltbildung im Ohrknorpel am ersten verständlich wird. Eine seröse Transsudation, wie solche für Knorpelwunden typisch zu sein scheint, ver- mittelte sodann die Absetzung des glycerinähnlichen Inhalts. Obwohl die Anamnese hierfür keinen Anhalt giebt, ist doch an einen irgend wie traumatischen Ursprung der Knorpelspaltung zu denken. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

27) C. Strauch. Intramuskuläres kavernöses Angiom mit eigenartigen Symptomen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXII. p. 323.)

S. exstirpirte einem 19jährigen Manne aus dem linken Masseter ein längliches, mannsdaumendickes, kavernöses Angiom, das durch etliche Septa abgetheilte Hohl- räume enthielt, mit einem größeren Gefäß aber keinen nachweisbaren Zusammen- hang besaß. Dasselbe, angeblich nach einem im 4. Lebensjahre durchgemachten Mumps zurückgeblieben, war dem Pat. sowohl der Entstellung wegen, als auch

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weil es beim Bücken und Tragen enger Kragen anschwoll, lästig geworden. Bei fester Anlegung eines Halstuchs vergrößerte es sich bis auf Hühnereigröße. 2 Photogramme zeigen den Pat. einmal mit kollabirter, das andere Mal mit auf- gestaut vergrößerter Geschwulst. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

28) ©. Bender. Ein Fall von einseitigem, fast vollständigem Fehlen des M. cucullaris. (Aus der Universitäts-Poliklinik für orthopädische Chirurgie zu Leipzig.)

(Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 10.)

Atrophien des Cucullaris kommen im Gefolge von Erkrankungen des Central- nervensystems vor; ferner ist Fehlen dieses Muskels als Theilerscheinung angebo- rener Halsmuskeldefekte und bisher in 3 Fällen als rudimentäre Form der Dys- trophia muscularis beobachtet worden. Auf letztere wird auch der isolirte, fast vollständige Schwund des linken Cucullaris in dem von B. mitgetheilten Falle zurückgeführt. Der Defekt war bei dem i4jährigen Mädchen in den letsten 5 Jahren ohne nachweisbare Ursache und symptomlos entstanden; eine mikro- skopische Untersuchung eines excidirten Muskelstückchens war nicht möglich.

Kramer (Glogau).

29) W. Mintz. Zur operativen Behandlung des Retrocollis spasmod. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XLII. p. 363.)

M. operirte einen einschlägigen schweren Fall im Alt-Katharinenspital zu Moskau mittels doppelseitiger Resektion des N. accessorius und der hinteren Aste der Nn. cervicales I—III. Hierzu dienten beiderseits 2 vertikale Schnitte am Nacken, deren Heilung normal verlief. Der Pat., 55jährig, ist bereits 29 Jahre krank. Der Kopf ist in konstanter Bewegung, auch beim Essen, Trinken, Schlafen. Die Anfälle beginnen mit leichten Rotationen, immer ausgiebiger werdend, um mit einer maximalen klonischen Rückwärtsbiegung des Kopfes zu schließen, wobei auch Krämpfe im Orbicularis orie und opisthotonische Lendenmuskelkontraktionen eintraten. Am Hals des Pat., der seine Anfälle häufig durch starken Ruck am Bart schließt, war starke Hypertrophie der Kopfnicker auffallend. Durch die Operation ist das Leiden zwar nicht beseitigt, aber auf ein weit geringeres Maß zurückgeführt. Die Hals- und Nackenmuskulatur ist ausgesprochen atrophisch geworden. Im Sitzen kann Pat. den Kopf jetst ca. 5 Minuten ruhig halten. Ohne seine darauf gerichtete Aufmerksamkeit treten wieder Deflexionskrämpfe ein. Geht er, so treten Krämpfe in der Rücken- und Lendenmuskulatur auf, welche starke Lordose machen und sich auch auf das Hinterhaupt übertragen. Die Ro- tationskrämpfe haben aufgehört.

Im allgemeinen Text seines Berichts bezieht sich M. auf die in den Beiträgen zur klin. Chirurgie erschienene Arbeit von Kalmus über den gleichen Gegen- stand. 2 Augenblicksphotogramme zeigen den krampfbefallenen Kranken, eine andere Abbildung die resecirten Nervenfragmente.

Meinhardt Schmidt (Cuxhaven).

30) Vitner (Sulina). Ein Fall von Luxatio atloido-axoidea. Heilung. (Revista de chirurgie 1902. No. 3.)

Der betreffende 10jährige Knabe wurde am Kopf derart in die Höhe gehoben, dass die Hände des Angreifers unter das Kinn kamen und die Daumen sich am Occiput stütsten. Hierauf wurde er plötzlich hinuntergelassen und blieb betäubt liegen. Als V. den Pat. sah, war der Kopf stark nach vorn gebogen, am oberen Theil des Nackens war eine ziemlich tiefe Depression, unter welcher die Apophyse des 2. Halswirbels stark hervorsprang. An der hinteren Rachenwand fühlte man eine runde, knöcherne Erhebung, welche allem Anschein nach dem vorderen Bogen des Atlas entsprach. Verf. diagnostieirte eine Luxation zwischen Atlas und Wirbelsäule. Die Reduktion wurde durch Zug am Kopf, Kontraextension und Nach-vorn-Drücken der Schultern bewirkt. Kontentivverband. Glatte Heilung.

E. Toft (Braila).

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31) A. Schönworth. Über einen Fall von akuter Wirbelosteomyelitis. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No, 7.)

Die Krankheit begann bei dem 27jährigen Soldaten plötzlich mit rasch zu- nehmenden Kreuzschmerzen, Unfähigkeit zu gehen und Erschwernis der Vorwärts- beugung des Rumpfes, unter Fieber und starker Beeinträchtigung des Allgemein- befindens. Die letzten 2 Brust- und oberen 2 Lendenwirbel waren sehr druck- empfindlich, eben so die Lendengegend und die vorderen Enden der unteren Rippen linkerseits; bald trat auch Schmershaftigkeit des Bauchs und Meteorismus auf. Während am 3. Krankheitstage die Druckempfindlichkeit der Wirbel sich vermindert zeigte, die Wirbelsäule mobiler erschien, nahmen die Lendenschmerzen so zu, dass unter dem Verdacht einer parasacralen Eiterung ein Einschnitt, indess mit negativem Ergebnis, gemacht wurde. Die ihm folgende Besserung war nur von kurser Dauer; Pat. verfiel bald in delirösen Zustand und ging am 6. Tage zu Grunde. Die Sektion ergab akute Osteomyelitis des 1. Lendenwirbels und allgemeine Sepsis. Als Ausgangspunkt der Infektion diente wahrscheinlich ein kleiner Furunkel am Handgelenk. Kramer (Glogau).

32) Cassirer. Über myogene Wirbelsteifigkeit. (Chronischer Rheu- .matismus der Rücken-, Hüft- und Schultermuskulatur. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 10 u. 11.)

C. theilt 2 Fälle mit, deren Krankheitsbild äußere Ähnlichkeit mit den übrigen Formen der Wirbelsteifigkeit hatte, die aber bei näherer Untersuchung keinen Zweifel über die muskuläre Entstehung der Erscheinungen ließen. Die subjek- tiven Beschwerden, die Art der Schmersen, die ausgesprochene Druckempfindlich- keit der Muskulatur, die fibrillären Zuckungen, die Erhöhung der mechanischen Erregbarkeit sprechen für den myogenen Charakter, zumal in dem einen Falle ganz, in dem anderen Falle fast ganz Gelenkerkrankungen fehlten; andererseits war eine Ähnlichkeit der Krankheitsbilder in so fern vorhanden, als dieselben Theile des Körpers befallen waren, der Gang derselbe kleinschrittige, watschelnde war, mit Hebung und Senkung des Beckens, und auch aus liegender und sitzender Stellung die Kranken sich in typischer Weise emporrichteten.

In der reichen bereits vorliegenden Litteratur über die pathogene Wirbel- steifigkeit hat C. mehrere Fälle gefunden, in welchen die klinischen Symptome mit Entschiedenheit auf eine primäre Mitbetheiligung der Muskeln an dem Krank- heitsbild hinwiesen.

Aus den Ausführungen des Verf. geht hervor, dass es jedenfalls mannigfache Beziehungen der artikulären und muskulären Krankheitsbilder zu einander giebt, und C. schließt sich der Ansicht Derjenigen an, >die in der chronischen Wirbel- steiigkeit keine Krankheit sui generis sehen, sondern nur einen Symptomen- komplex, der als pathogenetisch nicht einheitlich betrachtet werden muss«.,

Langemak (Rostock).

33) W. D. Dobromysslow. Zur Pathologie und Therapie der seit- lichen Halskiemenfisteln. (Russ. chir. Archiv 1902. Hft. 1.)

Beschreibung mit guten pathologisch-anatomischen Abbildungen auf 2 Tafeln eines von Prof. Ssalistschew operirten Falles. Die typische, vollständige Fistel saß an der rechten Seite des Halses eines 38 Jahre alten Lehrers. Der be- ständig heraustretende Schleim zwang Pat. zur Operation. Heilung mit Eiterung. Ein longitudinaler Schnitt der Fistel zeigt die Irrigkeit der Annahme von König und Sultan, dass die Fistel meist 2 und mehr Lichtungen auf dem Durchschnitt hat: es handelt sich hier um seitliche Ausstülpungen der Wände. Außer den Schleimdrüsen enthielt die Fistel des Verf. auch albuminöse, so wie mächtige Muskellagen, die die Hälfte der Fistelwand bilden.

Gückel (Medwedowka, Kiew).

606 Centralblatt für Chirurgie. No. 22.

34) Senstor. Ein Fall von cystischem Tumor der Epiglottis nebst kurzen Bemerkungen über die Funktion der Epiglottis beim | Schluckakt. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 10.)

Die Entfernung geschah mit einer Schlinge vom Munde aus. Die Cyste ist überall mit Epithel ausgekleidet, das an einer verdickten Stelle der Wand, die hier aus Bindegewebe, Knorpel, zahlreichen Schleimdrüsen besteht, Flimmerepithel, sonst geschichtetes Plattenepithel ist. Es muss sich also um eine angeborene Anomalie, aus der die Cyste hervorgegangen ist, handeln.

Die Bemerkungen über die Funktion der Epiglottie gipfeln darin, dass der Kehldeckel zum Schluckakt nicht nothwendig ist. Borchard (Posen!.

35) M. Rocaz. Note sur deux cas de stridor congénital. (Revue mens. des malad. de l’enfance 1902. p. 81.)

Verf. gelang es, in 2 typischen Fällen von angeborenem Stridor mittels Kir- stein'schen Autoskops die Epiglottis zu sehen. Dieselbe war förmlich von außen nach innen eingerollt und nahm im Laufe von Monaten normale Gestalt an. In einem 2. Falle war der Befund der gleiche, das Kind starb aber, wie sehr viele an derselben Krankheit Leidende, an Lungenerkrankung. Den gleichen Befund hatten in einem Falle dieses Laryngismus stridulus Variot und Marc Hadour. Eine Therapie ist nicht erforderlich, doch besteht Neigung zu Bronchialerkrankungen.

F. Göppert (Kattowitz).

36) K. Rennefahrt. Drei Fälle von Unterbindung der Carotis com- munis zur Verhinderung des Wachsthums inoperabler Krebse des Gesichts.

Inaug.-Diss., Kiel, 1901.

Das Wachsthum wurde in keinem Falle beeinflusst, die Schmerzen in 2 Fällen

gelindert. Ein Pat. bekam in Folge der Operation Gehirnerscheinungen. Coste (Straßburg i/E.).

37) Tuffler. Traitement chirurgical d’un anevrysme de la crosse de l’aorte. (Gaz. des hôpitaux 1902. No. 31.)

Ein faustgroßes Aneurysma des Aortenbogens wölbte die Haut der nicht lue- tischen Pat. über dem 2. rechten Interkostalraum vor. Da jegliche interne Be- bandlung fehlschlug, legte T. das dünnwandige Aneurysma frei, unterband seinen Stiel doppelt und schloss die Wunde, ohne den Sack abzutragen.

Nach 15 Tagen vollkommenen Wohlbefindens trat Gangrän des Aneurysma- sackes ein, und Pat. verblutete sich.

T. empfiehlt für ausgewählte Fälle die Unterbindung des Aneurysmasackes mit Abtragung desselben, indem er es für einen Fehler erklärt, dass er den Sack in seinem Falle belassen hat. Victor E. Mertens (Breslau).

38) E. Schlechtendahl (Barmen). Lungengangrän nach Aspiration einer Kornähre. (Aus der Universitäts-Kinderklinik in Leipzig.) (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 11.)

In dem trotz Empyemoperation und Pneumotomie tödlich verlaufenen Falle eines 2!/2jährigen Mädchens fand sich bei der Sektion Gangrän der rechten Lunge und im rechten unteren Bronchus II. Ordnung eine völlig gut erhaltene Kornähre, außerdem im Eiter in unmittelbarer Nähe der letzteren Aktinomycespilze, während in den kavernösen Partien der gangränösen Lunge solche fehlten.

Kramer (Glogau).

Centralblatt für Chirurgie. No. 22. 607

39) L. Dor. Le cholesteatome du sein. (Revue de chir. 1902. No. 1.)

D. stellt zuerst fest, dass die Geschwulstform, die er beschreibt, nichts ge- meinsam hat mit jenen bei alten Ohreiterungen häufig beobachteten Anhäufungen von Cholestearinmassen in den Zellräumen des Proc. mastoideus, für welche der Name Cholesteatom weder passt noch erfunden ist. Dieses ist eine selbständige Neubildung, welche in 2 Formen auftritt, dem Cholesteatome perlé und dem Cholestestome massif. Der vorliegende Fall ist eine Geschwulst der Milchdrüse vom Type massif und lehnt sich in seinem Bau an die von. Axel Key beschrie- benen Cholesteatome der Hirnhaut an: sie sind Endotheliome mit starker Pro- liferation der Zellen, welche die Fibrillen des Stroma überziehen. Das Vorkommen eines Cholesteatoms in der Brust muss als teratologisch bezeichnet werden.

Christel (Metz).

40) H. M. Fletcher and E. H. Shaw. An analysis of the tumors of the breast removed at St. Bartholomew’s hospital during the year 1900.

(St. Bartholomew’s hospital reports Vol. XXXVII.)

Rein statistische Bearbeitung von 113 Geschwülsten, einschließlich chronisch entzündlicher Zustände. Bemerkenswerth ist, dass von 65 primären Carcinomen 34 ihren Sitz im äußeren oberen Mammaquadrant hatten. 1mal fand sich ein Car- einom und ein Fibroadenom an derselben Brust, imal gwei Carcinome und ein

Fibroadenom, imal ein Sarkom, ein Fibroadenom und ein Fibrom. Kleinschmidt (Kassel).

41) H. T. Butlin. On the results of operations for primary cancer of the breast performed during the years 1895—1897. (St. Bartholomew’s hospital reports Vol. XXX VII)

Im Ganzen berechnet Verf. 50% Heilungen seit mehr als 3 Jahren. Von den 48 Operationen sind 30 nach Halsted’s Methode (cf. Referat in d. Centralblatt 1895 p., 336) ausgeführt. Den 41% Heilungen dieser Gruppe stehen 62% der anderen gegenüber. Dabei ist zu bemerken, dass die schwereren Fälle nach Halsted operirt wurden, so dass die Zahlen nicht gegen diese Methode ver- werthet werden können. Recidive traten bei der Halsted-Gruppe 10mal, bei der anderen 5mal ein; darunter 4 lokale. Beachtenswerth ist der Sitz dieser letzteren. Während es bei 3 nach Halsted Operirten imal am Ende der Narbe, 2mal weit entfernt von ihr in den Muskelresten und am Brustbein sich fand, saß es bei dem anders Operirten direkt unter der Narbe. Kleinschmidt (Kassel).

42) ©. Bender. Zur Kenntnis des erworbenen Hochstandes der Scapula. (Aus der Univ.-Poliklinik für orthopäd. Chirurgie zu Leipzig.) (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 9.)

Bei dem 12jährigen Mädchen wurde der Hochstand des rechten Schulterblattes »zuerst vor 5 Jahren bemerkte. Er war nach Kölliker’s Auffassung durch eine »rachitische< (sonstige rachitische Merkmale geringen Grades nur an Rippen, Schlüsselbein etc.) Deformität des Schulterblattes bedingt, welche in einer ver- mehrten Flächenkrümmung der letzteren mit hakenförmiger Bildung des inneren oberen Winkels, Vergrößerung des Rabenschnabelfortsatzes und Drehung der Ge- lenkpfanne nach vorn bestand. Über den Erfolg der in Aussicht genommenen Behandlung (Mobilisirung der fixirten Scapula, Apparat, event. Resektion des Proc. coracoides und oberen Winkels etc.) wird später berichtet werden.

Kramer (Glogau).

43) Pomponi. Ferita dell' arteria ascellare. (Malpighi. Gazz. med. di Roma 1902. No. 6.)

Stichwunde im linken 8. Interkostalraum, Eröffnung der Pleura und eine Wunde des Zwerchfells, die aber erst am 7. Tage gefunden wird, nachdem sich

608 Centralblatt für Chirurgie. No. 22.

ein stärkeres Hämatom gebildet hatte. Daneben Wunden in beiden Schlüsselbein- gegenden, links dicht unter dem Knochen zwischen mittlerem und äußerem Drittel. Radialpuls fehlt. Arm schwach. Keine Blutung mehr nach außen, als Pat. 8 Stun- den nach Verletzung ins Hospital kommt. Unter all den Umständen wird eine Unterbindung der Arterie nicht gemacht. Radialpuls kehrt am 8. Tage wieder. Tod an Pneumonie nach einigen Wochen. Die Art. axillaris erweist sich seitlich getroffen und durch einen Thrombus verschlossen, der in seinen äußeren Schichten bereits organisirt ist. Er muss sich in den 8 Stunden bis zur Einlieferung ins Hospital gebildet haben. E. Pagenstecher (Wiesbaden).

44) A. Janssen. Unsere Plattfußbehandlung. Inaug.-Diss., Kiel, 1902.

In der Kieler Universitätsklinik bestand die Plattfußbehandlung in leichten Fällen in Massage und Verordnung einer Stiefeleinlage, in schwereren Fällen in Redressement und Verbänden. So wurden vom 1. Juli 1899 bis 1. Juli 1901 97 Pat. behandelt, ohne dass je eine Operation nöthig wurde. Die Fälle werden in 4 Gruppen eingetheilt: a. beginnender Plattfuß 25, b. ausgebildeter, noch gut beweglicher 49, co. ankylotischer 15, d. traumatischer 6 Fälle. Von diesen kamen sur Nachuntersuchung von b. 12, von c. 7, von d. 3, somit 1/3 aller Fälle. Da von diesem einen Drittel bei allen bis auf 2 die Behandlung Erfolg hatte, glautt Verf. »mit Recht behaupten zu können, dass dieselbe durchaus zufriedenstellend und gut ist«, Coste (Straßburg i/E.).

45) Schuhr. Über Frakturen und Luxationen des Talus. (Aus der chirurg. Klinik in Kiel.) Diss., Kiel, 1901. Es wird unter Berücksichtigung der Litteratur über 3 Fälle von Talusbrüchen berichtet. Einmal bestand neben einem Bruch des Collum tali eine Verrenkung des hinteren Stücks nach hinten. Neck (Chemnitz).

46) Paetzold. Die Luxationen im Lisfranc’schen Gelenk. (Aus der chirurg. Klinik in Kiel.) Diss., Kiel, 1901.

In einem Falle, der in der Kieler Klinik zur Beobachtung kam, bestand neben einer Verschiebung des ganzen Vorfußes nach außen (im Tarso-Metatarsalgelenk) eine Verrenkung des Metatarsus II auf das Cuneiforme III und des Metatarsus Ill auf das Os cuboideum. Gleichzeitig bestand eine Fraktur der Basis des II. Meta- tarsus. Ein Röntgenphotogramm ist beigefügt; außerdem eine Zusammenstellung von 60 Fällen verschiedener Arten von Verrenkungen im Lisfranc’schen Gelenk.

Neck (Chemnits).

47) Roncali. Sull’ ulcera perforante del piede e sulla sua cura collo

stiramento dei plantari. (Policlinico 1902. No. 3.)

R. hat in 2 Fällen von Mal perforant Dehnung des N. plantaris ausgeführt. Beide Male bestanden die Geschwüre jahrelang, waren doppelseitig, einmal mit Muskelatrophie komplieirt. Die Heilung trat nach der Operation ein, aber sebr langsam, was R. darauf bezieht, dass er, entgegen dem Rath Chipault’s, es unterließ, gleichzeitig das Geschwür zu excidiren. R. giebt eine Tabelle von 47 Fällen verschiedener Autoren, aus welcher hervorgeht, dass in der überwiegen- den Zahl derselben die Operation zur Heilung führte.

E. Pagenstecher (Wiesbaden).

Berichtigung. p. 550 2.5 v.o.lies von Lesser statt Lesser.

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Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags handlung Breitkopf $& Härtel, einsenden,

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in _Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E m Bam, P. Khi, E Rit

Neunundzwanzigster Jahrgang.

E Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 23. Sonnabend, den 7. Juni. 1901.

Inhalt: C. Nicoladoni, Horizontale Gastroduodenostomie, ee

1) Kraus, Acarus folliculorum. ?) Bender, Bockhart und Gerlach, 3) Bockhart, Ekzem. 4) Marcuse, Lichen simplex chronicus. 5) Török, Dermatitis nodularis neerotica. 6) Pick, Lupus erythematosus. 7) Freund, Spaunungselektricität gegen Dermatosen. 8) Scharff, Pasta serosa Schleich. 9) Winkler, Epikarin. 10) Sellel, 11) Appel, Sapolan. 1?) Goldmann, Theervasogen. 13) Hodara, Impetigo. i Arning, Furunkulose. 16) Zander, Talgdrūsen der Mund- und Lippenschleim- baut. fo) Bockhart, Leukoplakie.

17) I. deutscher Orthopädenkongress. 18) Audry, Cohnheim’sche embryonale Keime. 19) Dorst und Delbanco, Strichförmig angeordnete Hautgeschwülste. 20) Sellel, Lymphangioma cutis. 21) Westberg, Neuartige Dermatose. 22) v. Krzy- sztalowicz, Idiopathische Hauthypertrophie. 23) Pawlof, Acanthosis nigricans. 24) v. Karworski, Hypertrichosis. 25) Ehrmann, Onychoschisis. 26) Berg, Furunkel. 27) Lortet und Genoud, Finsen’sche Behandlung. 28) Bockhart, Ichthyosis. 29) Burmeister, Vergiftung durch Pottasche-Schwefelsalbe. 30) de la Torre, Naht der A. fem.

Horizontale Gastroduodenostomie. Von C. Nicoladoni in Graz.

Gelegentlich einer Resectio pylori wegen Carcinoms, dessen be- deutende Ausbreitung über die kleine Curvatur es verursachte, dass nach Bildung der Occlusionsnaht nach Kocher der restirende Magen mit einem etwa 8cm langen schmalen Zipfel nach rechts hin ab- schloss, konnte ich wegen dieser Form die von Kocher! angegebene Gastroduodenostomie mit dem parallel zur Occlusionsnaht gestellten Querschnitt der hinteren Magenwand ihrer ungenügenden Breite halber nicht ausführen.

Ich wählte (s. Fig.) einen Längsschnitt, parallel zur großen Cur- vatur, 1!/ cm von ihr entfernt, fasste das Duodenum anstatt vertikal mit horizontal gehaltener Klammer und konnte so überraschend bequem und handlich die erste sero-seröse Naht als eine untere

1 Kocher, Chirurgische Operationslehre. Jena, 1902. 23

610 Centralblatt für Chirurgie. No. 23.

anlegen, der die übrigen Nähte folgten, bis die letzte hier obere sero-seröse Naht die Darm-Magenanastomose schloss, genau wie bei einer gewöhnlichen Gastroenterostomie.

Diese Lage der Naht erleichtert ungemein den Verschluss, während die bisher geübte Methode einer ersten hinteren sero-serösen Naht wegen der Enge des Arbeitsfeldes mir wenigstens immer schwie- rig gewesen ist.

Nach Vollendung der Naht legten sich die vereinigten Stücke ohne Torsion oder Knickung an einander.

Ungestörte Nahrungsaufnahme per os vom 5. Tage an.

Ich denke, dass auch für jede Kocher’sche Gastroduodenostomie diese Lage der Naht mit Vortheil anzuwenden sein wird.

1) A. Kraus. Über färbetechnische Methoden zum Nach-

weis des Acarus folliculorum. (Archiv für Dermatologie und Syphilis Bà. LVIII. Hft. 3.)

Der Acarus folliculorum galt bisher als ein ganz harmloser Schmarotzer der Haut. In letzter Zeit ist ihm von verschiedenen Seiten eine pathogene Bedeutung beigelegt worden; er sollte Pig- mentirungen und Blepharitis bedingen. Sein Nachweis soll durch die von K. angegebene Färbungsmethode erleichtert werden. Br ist nämlich wie die Tuberkelbacillen durch Karbolfuchsin färbbar und leistet der Säureentfärbung Widerstand; speciell empfiehlt Verf.

Centralblatt für Chirurgie. No. 23. | 611

die Ziehl-Neelson’sche Methode für Ausstrichpräparate. In Cel- loidinpräparaten gelang die Färbung nicht. Jadassohn (Bern).

2) E. Bender, M. Bockhart und V. Gerlach. Experi- mentelle Untersuchungen über die Ätiologie des Ekzems. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 4.)

Verff. haben, um die Bedeutung der Staphylokokken für die Entstehung und den Verlauf der Ekzeme zu studiren, an sich selbst Versuche mit Staphylokokkenkulturen und deren Filtraten gemacht. Durch mannigfache Variirung der Experimente glauben sie Folgendes festgestellt zu haben: Staphylokokken aus Agurkulturen und isolirte Staphylokokkenleiber (aus Bouillonkulturen) riefen Impetigo (resp. auch Folliculitiden und Abscesse) hervor. Staphylokokkentoxin aber, d. h. das bakterienfreie Filtrat von Bouillonkulturen bedingte ein typisches, papulöses, resp. papulo-vesiculöses, sich auch über die Stelle der Einwirkung ausbreitendes, oft schweres Ekzem. Eben so wirkten auch Staphylokokkentoxin plus isolirte Staphylokokkenleiber und Bouillonkulturen (die ebenfalls beides enthalten) warum solche Gemenge nicht anders wirken, als die Toxine allein, das erklären die Verff. damit, dass die Kokkenleiber ein »leukotaktisch« wirkendes Gift enthalten, die Toxine aber Leukocidin —, die letzteren müssen stärker sein als die ersteren. Das primäre Bläschen des Toxinekzems ist oft steril erst wenn das Toxin durch die seröse Exsudation verdünnt wird, wandern Staphylokokken ein und bedingen die Trübung, die Pustelbildung. Der Staphylococcus albus wirkt dabei eben so wie der aureus. Jadassohn (Bern).

3) M. Bockhart. Untersuchungen über die parasitäre Natur

des Ekzems und über das Staphylotoxin-Ekzem. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 9.)

In Fortführung der Untersuchungen über das Staphylotoxin und Staphyloplasmin (das in den Kokkenleibern enthaltene Gift) kommt B. nunmehr zu der Überzeugung, dass »das Ekzem eine infektiöse Entzündung der Oberhaut« ist, und dass es durch Staphylokokken erzeugt wird. Er tritt jetzt also der früher von Scholtz und Raab und Unna vertretenen Anschauung bei und stellt sich die Entstehung und Entwicklung des Ekzems in folgender Weise vor: Die in den gesunden Hautfollikeln eines prädisponirten Individuums lebenden, aber unthätigen Staphylokokken können durch Verbesserung des Nährbodens (welche ihrerseits von innen oder von außen bedingt werden kann z. B. durch feuchte Verbände) zu vermehrter Lebens- thätigkeit und damit zur Produktion von Staphylotoxin angeregt werden; dieses letztere veranlasst durch Diffussion in die Umgebung vermöge der »Serotaxis« Bildung von Ekzem, Papeln oder Bläschen, welche, wenn sie über den Follikeln liegen, Kokken enthalten, wenn

23*

612 Centralblatt für Chirurgie. : No. 23.

sie neben ihnen liegen, zunächst steril sind. Später vermehren sich die Staphylokokken in den Bläschen an der Mündung des Follikels, machen Leukotaxis, können auch die sterilen Bläschen der Nach- barschaft inficiren. Ob die Bläschen pustulös werden oder nicht, hängt vom »Plasmingehalt« der Kokken ab, der sehr verschieden zu sein scheint ist er groß, so können Impetigopusteln und Furunkel entstehen. Die kutanen und subkutanen Veränderungen des chronischen Ekzems sind nicht direkt durch Staphylokokken veranlasst.

Von weiteren Details ist hinzuzufügen, dass B. in 2 Fällen durch die Kulturfiltrate starke Vergiftungserscheinungen an sich erzeugt hat, dass das Staphylotoxin seine ekzemerregende Eigenschaft durch Erhitzung auf über 60° verliert, dass mikroskopisch die Ekzempapeln ein parenchymatöses und ein interepitheliales Ödem im Epithel und ein Papillarkörper-Ödem aufwiesen. Die in den gesunden Follikeln befindlichen Kokken bilden nur dann Toxin, wenn sie einer Durch- feuchtung ausgesetzt werden (wie auf flüssigen Nährböden im Gegen- satz zu festen!),. Es giebt vielleicht viele Staphylokokken, die kein Staphyloplasmin, wohl aber Toxin produciren etc.

(Gegen die Anschauungen B.’s lassen sich, so verführerisch sie auch zunächst erscheinen mögen, verschiedene Einwände erheben; vor Allem scheint mir der Beweis nicht erbracht, dass die Diffussion von Toxinen aus den Follikeln die Ekzemefflorescenzen bedingt. Man muss die einfache Thatsache festhalten, dass Staphylokokken- kulturfiltrate eine ekzemähnliche Dermatitis machen können, also hautreizende Stoffe führen. Weitere Schlussfolgerungen sind zunächst wohl verfrüht.) Jadassohn (Bern).

4) B. Marcuse. Über Lichen simplex chronicus. (Archiv für Dermatologie und Syphilis Bd. LVII. Hft. 3.)

Unter dem Namen »Lichen simplex chronicus« wird jetzt nach französischem Vorgang eine Hautkrankheit verstanden, welche in ihren typischen Fällen durch stark juckende Herde charakterisirt ist, die scharf abgesetzt sind, zuerst aus planen polygonalen Knötchen bestehen, dann aber durch Zusammenfließen dieser chagrinlederartige Flächen bilden; Kratzeffekte, gelegentlich auch »FEkzematisation«, Pigmentirungen kommen hinzu. Die Krankheit kann in einem oder einigen Herden lange Zeit hindurch bestehen, sich aber auch mehr oder weniger allgemein ausbreiten. Das wichtigste Symptom ist das Jucken in Anfällen. Die französische Schule glaubt, dass das Jucken das Primäre ist, dass die Hautveränderungen nur durch das Kratzen auf einem entsprechenden »Terraine zu Stande kommen, und sie nennt daher die Erkrankung jetzt meist » Neurodermitis chron. circum- scripta, resp. disseminata«. Gegen diese Auffassung spricht sich M. aus und tritt für den früheren Namen Lichen ein (der aber doch in der Dermatologie schon genug Anlass zu Missverständnissen gegeben hat!). Die Krankheit ist in Deutschland und Österreich meist zum chroni-

Centralblatt für.Chirurgie. No. 23. 613

schen Ekzem gerechnet worden. Außer den klinischen und histori- schen Bemerkungen giebt der Verf. noch den histologischen Befund zweier Fälle. Zur Behandlung empfiehlt er neben Salicyl- und Theerpräparaten auch energische As-Behandlung (bis 2 og subkutan). (Ich persönlich habe die günstigsten Erfahrungen mit: Theertinktur und Pflasterbedeckung Zinkoxydpflastermull gemacht; Recidive sing sehr Ref. ) Jadassohn a

5) L. Török.. Über die Dermatitis : nodularis N (Phlebitis nodularis necroticans Philippson, Tuberculide acn&i-

forme etc.). i (Archiv für Dermatologie und Syphilis Bd. LVIII. Hft. 3.'

Seitdem Philippson bei einer zweifellos zu der Gruppe der »Tuberkuliden« gehörigen Erkrankung eine »Thrombophlebitis tuber- culosa« nachgewiesen hat, ist auch von anderer Seite die Bedeutung der Venen für manche Krankheitsformen der Haut und besonders des Unterhautzellgewebes, berücksichtigt worden. Speciell ist vom klini- schen Standpunkt aus das Auftreten tiefer, an der unteren- Grenze der Cutis gelegener Knötchen ein Hinweis auf die Entstehung von Krankheitsherden von Phlebitiden aus. Auch T. hat in 2 Krank- heitsfällen, welche durch solche an den Extremitäten lokalisirte, zu Krustenbildung und Vernarbung führende Knoten . charakterisirt waren, die Venen als zuerst ergriffen nachweisen können. Die Schweißdrüsen werden augenscheinlich nur sekundär erkrankt. Auch in Präparaten von anderen bereits publicirten analogen Fällen hat Verf. die Erkrankung der Venen gefunden. Dagegen gelang der Nachweis von Bakterien und von tuberkulösen Veränderungen ın T.’s Fällen nicht. Es ist kaum mehr zu bezweifeln, dass neben der Tuberkulose auch andere Processe zu analogen Lokalisationen und Veränderungen Anlass geben können. Jadassohn (Bern).

6) W. Pick. Die Beziehungen des Lupus erythematosus discoides zur Tuberkulose, mit besonderer Verwerthung der Tuberkulinreaktion.

(Archiv für Dermatologie und Syphilis Bd. LVIII. Hft. 3.)

-~ Der Lupus erythematodes wird von den verschiedenen dermato- logischen Schulen noch sehr verschieden beurtheilt. Speciell seine tuberkulöse resp. »tuberculo-toxische« Natur ist viel umstritten. Da bisher nur wenig wirklich genau untersuchtes Material statistisch verwerthet ist, ist die von P. an dem Material der Neisser’schen Klinik vorgenommene Zusammenstellung von im Ganzen 43 Fällen mit Dank zu begrüßen. Es fanden sich bei Anwendung aller für die Diagnose der Tuberkulose verwerthbaren Methoden nur bei 42% »für Tuberkulose in positivem Sinne verwendbaren Daten«e trotz- dem auch anamnestische Angaben aufs sorgfältigste verwerthet

614 Centralblatt für Chirurgie. No. 23.

wurden. Eine früher überstandene Drüsentuberkulose fand sich nur 2mal; in anderen Fällen blieb es zweifelhaft, ob Drüsenschwellungen tuberkulös waren. Auf Tuberkulin trat eine verdächtige lokale Reaktion nur imal ein. Den Lupus erythematodes acutus ist der Verf. geneigt von der. discoiden Form gauz abzutrennen und als tuberkulöses Exanthem aufzufassen. Bei dem chronischen Lupus erythematodes hat er niemals tuberkulöse Veränderungen gefunden. Es besteht also kein Recht, den Lupus erythematodes in ätiologische Beziehungen zur Tuberkulose zu bringen. Jadassohn (Bern).

7) L. Freund. Über die Behandlung von Dermatosen mit Spannungselektricität. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 2.)

In dem ersten Theil seiner Arbeit, die als Referat für den Kon- gress der deutschen dermatologischen Gesellschaft zusammengestellt wurde, giebt F. eine Übersicht über die Geschichte der Anwendung der Spannungselektricität mit einer Darstellung der Tesla’schen und d’Arsonval’schen Anordnung und schildert die einander sehr ähnlichen Wirkungen der Faradisation, der Franklinisation und der Hochfrequenzströme auf die Haut. Speciell beschäftigt er sich auch mit der Beeinflussung von Bakterien durch den d’Arsonval-Oudin- schen und den Ruhmkorff’schen Apparat; diese hängt von der Dauer der Exposition, der Anzahl der in der Zeiteinheit erfolgenden Funkenschläge, von der Größe des Luftwiderstandes zwischen Elek- trode und Objekt und von der Intensität der Ströme ab; sie scheint wesentlich durch Austrocknung und Wärmeentwicklung bedingt zu sein. Daneben kommt auch die Erschütterung der Gewebe in Frage. Die histologische Untersuchung der mit Funkenentladung behandelten Haut ergab eine Infiltration der Cutis und der Epidermis und eine Erweiterung der Gefäße mit Vakuolenbildung in den Zellen der Ge- fäßwand.

Im zweiten Theil beschäftigt sich der Verf. mit den klinischen Erfahrungen: Geschwüre wurden günstig beeinflusst, doch scheint die Wirkung nicht tief genug zu gehen. Alopecia areata wurde wenig gebessert. Über Elephantiasis, Lupus erythematodes, Keloide konnte F. eigene die bisherigen Erfolge bestätigende Erfahrungen nicht sammeln. Pruritus wurde oft günstig beeinflusst.

Bezüglich der Methode betont der Verf., dass von der allgemeinen Elektrisation der Hautkrankheiten nicht viel zu erwarten ist; die direkte Funkenentladung event. auch Büschelentladurgen oder der elektrische Winde scheinen ihm am zweckmäßigsten zu sein. Er empfiehlt, wo ein Röntgen-Instrumentarium vorhanden ist, die Spannungselektricität mit dem Funkeninduktor und einer von ihm angegebenen Elektrode für unipolare Polentladungen zu erzeugen. Bei der Wirkung dieser Methode kommen noch ultraviolettes Licht und Ozon in Frage. Endlich spricht der Verf. über die Bedeutung

Centralblatt für Chirurgie. No. 23. 615

der Spannungselektricität für die Wirkung der X-Strahlen und be- richtet über einzelne Versuche und Thatsachen, welche zeigen sollen, dass die Röntgenwirkung zum Theil auf Spannungselektricität beruht und durch deren Anwendung sehr verstärkt wird. Der instruktive Aufsatz wird von allen Interessenten im Original studirt werden müssen. Jadassohn (Bern).

8) Scharf. Die Pasta serosa Schleich’s.. Homogene Dermatotherapie. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 9.)

Verf. hat die Pasta serosa Schleich’s mit Vortheil bei allen Formen akuter Dermatitis und Ekzem verwendet (nur die Jodoform- dermatitis heilt am besten nach Pinselung mit reinem Ichthyol und Einpuderung); er empfiehlt sie ferner bei Blepharitis ciliaris, Balanitis, Verbrennungen 1. und 2. Grades (nach Anstechen der Blasen dick auf- getragen) etc. Der »Pulvis serosus« kann in manchen Fällen über die

Paste gestreut werden und schnellere Eintrocknung bedingen. Jadassohn (Bern).

9) F. Winkler. Zur Verwendung des Epikarins. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 8.)

W. empfiehlt das Epikarin gegen Seborrhoe mit nachfolgendem Haarausfall in folgender Formel: Epicarin. 5,0, Aeth. sulf. 15,0, Spir. vin. gall 80,0 (es sind nur wenige Tropfen zu verwenden, da sonst die Haare spröde werden; täglich eine Einreibung). Ferner wird bei erythematösen und ulcerirten Pernionen täglich nach einem warmem Bade eine Epikarinsalbe (Epicarin. 3,0, Sap. virid. kal. 0,5, Ung. caseini ad 30,0) mit großem Vortheil eingerieben. Einreibungen mit der Salbe und Umschläge mit dem Spiritus stillen auch das Jucken bei Lichen ruber. Jadassohn (Bern).

10) J. Sellei. Über Sapolan. | (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 1.) Sapolan, ein billiges Naphthaprodukt, hat sich bewährt: bei chronischem Ekzem, Dermatitis arteficialis, oberflächlicher Psoriasis, einzelnen Fällen von Pruritus. Jadassohn (Bern).

11) J. Appel. Erfahrungen über Sapolan. (Monatsschrift für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 4.)

Sapolan verursachte, wenn eg unvermischt angewendet wurde, oft Folliculitiden und Furunkel. Es bewährte sich als juckstillendes Mittel (&@& mit Aq. plumbi und in der Form: Sapolan. 30,0, Zinc. oxyd. 20,0. Aq. plumbi 50,0) bei Ekzem, Lichen ruber, Lichen Vidal; es wirkte ferner schmerzstillend bei blasen- und pustelbildenden Hautkrankheiten, Verbrennungen etc. Jadassohn (Bern).

616 Centralblatt für Chirurgie. No. 23.

12) J. A. Goldmann. Die therapeutische Verwendung des Theervasogen. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIV. No. 3.)

G. empfiehlt das leicht eindringende und sehr bequem zu hand- habende 25 %ige Theervasogen in einmaliger täglicher Einpinselung für chronische Ekzeme, auch bei Kindern, Prurigo, Pruritus und Psoriasis (nach Seifenbädern). Unangenehme Nebenwirkungen (speciell »Theeracne«) hat er dabei nicht beobachtet. Jadassohn {Bern!.

13) M. Hodara. Zur Behandlung der Impetigo vulgaris. Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 3.)

H. empfiehlt zur Behandlung der Impetigo vulgaris oder conta- giosa täglich oder jeden zweiten Tag mit 50 %iger Höllensteinlösung zu betupfen (bei Säuglingen 2—10 %ig täglich 1—2mal) und nacher mit Kalomel 1,0, Amyl. 9,9 bepudern. Jadassohn (Bern).

14) E. Arning. Therapeutisches Detail bei der Behandlung der Furunkulosis. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 7.)

Mit allen Details, wie sie sich ihm in langjähriger Praxis aus- gebildet haben, bespricht der Verf. die Therapie der Furunkulose. Von den Abortivmitteln hat sich ihm nur der hellrothglühende spitze Platinbrenner bewährt, welcher je nach der Größe des Herdes mehr oder weniger tief eingeführt wird; feinste > Augen- brenner« bis Brenner von 2—3 mm Durchmesser, werden, wenn nöthig, an mehreren Stellen eingestochen; Schmerz, Fieber, Lymph- angitiden und Drüsenschwellungen gehen sehr schnell zurück. Die Narbe wird wesentlich besser als nach Schnitten. Im Gesicht werden die Wunden freigelassen; an Stellen, die Reizung und Reibung aus gesetzt sind, wird zunächst ein Firnis aufgetragen (nach der Formel: Tumenol. 8,0, Aeth. sulf. 20,0, Tinct. benz. 30,0; bei seborrhoischem Zustand dazu noch Anthrarobin 2,0); ehe dieser Firnis ganz trocken ist, kommt auf den Furunkel selbst ein kleines Stück Chinosolgaze und darüber ein 21/,%iger Salicyltrikoplast (Beiersdorf) (täglich zu wechseln; Reinigung mit Benzin). Ä

Bei Furunkulose des Nackens ist darauf zu achten, dass die Haare nicht zu kurz gehalten werden; Psoriasis und Ekzem des Kopfes, der Achselhöhlen, der Analgegend, Hämorrhoiden etc. sind zu beachten und milde zu behandeln; alle scharfen Mittel sind zu vermeiden; Salicylwaschungen, Creolinbäder (20 bis 25 g auf ein Vollbad von 30° C.) ohne nachherige energische Abreibung! bewähren sich sehr gut. Die kleinen Herdchen werden nach dem Bade gebrannt und mit einer Paste bedeckt (Sulf. praecip., Campb- trit. && 1,0, Ac. bor. 8,0, Zinc. oxyd., Amyl. trit. & 20,0, Vasel. flav.

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ad 100,0). Alte torpide Beulen werden mit größerem Brenner ge- öffnet, mit Dermatol oder Amyloform oder 10%igem Pyoctanin-Bis- muthpuder gefüllt etc. Dass außer Diabetes auch larvirte Tuber- kulose, harnsaure Diathese, Syphilis, Anämie, Malaria etc. als prä- disponirende Ursachen zu beachten sind, betont A. noch ganz besonders. Sool-, Schwefelbadekuren, Trinkkuren von alkalisch- muriatischen Quellen, Eisen, As, Chinin etc. müssen je nach dem Einzelfalle verordnet, nie aber darf die Behandlung des Einzel- furunkels vernachlässigt werden. Jadassohn (Bern).

15) P. Zander. Über Talgdrüsen in der Mund- und Lippen- schleimhaut. (Monatshefte für prakt. Dermatologie Bd. XXXIII. No. 3.)

Das in letzter Zeit vielfach beschriebene Vorkommen der Talg- drüsen in der Mundschleimhaut hat der Verf. einer systematischen Untersuchung bei 450 Personen unterzogen. Er bestätigt die Häufig- keit dieser Erscheinung; entzündliche Reizung der Schleimhaut, schlechte Zähne waren wiederholt vorhanden. Eine Beziehung zu Lues oder merkurieller Stomatitis konnte nicht gefunden werden. Rudimentäre Haare hat Z. nicht gesehen. Er glaubt, dass die Drüsen durch Einstülpung des ganzen Epithels entstehen und macht auf das häufige Vorkommen von Haarstreifen beim Kaninchen und Biber an denselben Stellen der Mundschleimhaut. aufmerksam, an denen die Talgdrüsen in der Mundschleimhaut des Menschen meist vor- kommen. Jadassohn (Bern).

16) M. Bockhart. Über die Behandlung der Leukoplakia _ buccolingualis. (Monatshefte für prakt. Dermatologie. Bd. XXXIV. No. 4.)

B. ist (nach Ansicht des Ref. nicht mit Recht) davon über- zeugt, dass die Leukoplakie nur bei Syphilitikern, die rauchen, vor- kommt. Merkurielle Behandlung wirkt ungünstig. Die wichtigste Bedingung zur Heilung ist, dass die Pat. das Rauchen ganz auf- geben. Thun sie das, so kann man mit Einpinselung von Peru- balsam (täglich oder jeden 2. Tag), vor Allem aber mit 6—12mal täglich vorzunehmenden Spülungen mit 1/„—3%iger Kochsalzlösung, ja auch nur mit den letzteren die Schleimhautveränderungen zur Heilung bringen; es trat in 2 Fällen auch bei Wiederaufnahme des Rauchens ein Recidiv nicht ein. Wenn aber die Pat. das Rauchen nicht lassen, so kann diese Methode nur Linderung, nicht Heilung schaffen. Dann sind vorsichtige (nie bis zur Entzündung zu steigernde) Ätzungen mit Resorcinpaste oder Milchsäure (50 %ige bis koncentrirt) geeignet. Übergang in Carcinom hat B. nie gesehen. (Das ist doch aber wohl nur ein glücklicher Zufall! Ref.! Desswegen hält er auch

die Behandlung mit dem Thermokauter für überflüssig. Jadassohn Bern).

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Kleinere Mittheilungen.

17) I. Kongress der Deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie. Berlin, 1. April 1902.

Hoffa (Berlin: Die neurogenen Skoliosen.

Der Vortr. berichtet über seine Erfahrungen bezüglich der Skoliosen, die auf nervöser Basis entstehen. Er behandelt zunächst die paralytischen Sko- liosenim Gefolge der Kinderlähmung. Diese können auf dreifache Weise entstehen: 1) ala statische Skoliosen, 2) als Skoliosen in Folge von Lähmung uni Atrophie einer oberen Extremität, 3) als Folge der Lähmung der Rückenmuskeln. Nur letztere Fälle sind als rein paralytische Skoliosen aufzufassen. Eben so wie bei Kinderlähmungen können solche rein paralytische Skoliosen sich entwickeln bei progressiver Muskelatrophie, bei Hemiplegikern und bei Poly- neuritis. Der Vortr. berichtet unter Vorzeigung von Photographien über ein- schlägige Erkrankungen. Weiterhin bespricht H. dann die Skoliosen, wie sie sich bei Systemerkrankungen des Rückenmarks finden, so bei Friedreich’scher Er- krankung, bei Tabea» und bei Syringompyelie.

Schließlich erörtert H. die hysterischen Skoliosen, dieneuromuakuläre Skoliose, wie rie im Gefolge der Ischias in die Erscheinung tritt, die reflek- torischen Skoliosen, wie sie bei schmerzhaften Affektionen der Wirbelsäule, z. B. bei der Spondylitis vorkommen. (Selbstbericht.'

Bade (Hannover): Principielles in der Skoliosenfrage.

Ref. stellt seinen Standpunkt in der Behandlung der Skoliosen folgender- maßen hin.

Durch portative Apparate allein lasse sich keine nennenswerthe Besserung er- zielen.

Durch medieo-mechanische, funktionelle Behandlung lässt sich während der Dauer der Behandlung wohl eine Kräftigung der Muskulatur und so eine gewisse Korrektion der Haltung erreichen, eine Beeinflussung der Wirbelsäule und des Rippenbuckels ist jedoch nur in ganz leichten Fällen von beginnender Skoliose noch zu erzielen. Werden die Skolivtiker aus der medico-mechanischen Behandlung entlassen, so tritt bald ein Recidiv ein. Um dies Kecidiv zu verhüten, ist man gezwungen, entweder dauernd medico-mechanische Behandlung eintreten zu lassen oder den Skoliotiker mit einem Stützapparat zu entlassen und ihn häusliche Gym- nastik treiben zu lassen. Mit diesen Maßnahmen kann man bisweilen einem Fort- schreiten der Skoliose vorbeugen. Für die Fälle jedoch, welche trotzdem einen progredienten Verlauf zeigen, empfiehlt Ref. die Gipspanzerbehandlung nach Wullstein mit seinen Modifikationen, »bewegliche Kopfextension«, und >durch den Gipsverband schraubbare Pelotten«e. Diese Behandlung erreiche zunächst mo- mentan eine bedeutende Wachsthumszunahme bis zu 14 cm und eine beträchtliche Reduktion des Rippenbuckels. Keine andere Behandlungsweise könne auch nur annähernd ein ähnliches moumentanes Resultat zeitigen. Dies momentane Resultat müsse fixirt werden durch einen zweckmäßigen, abnehmbaren Stützapparat. Das sci bis zu einem gewissen Grade auch möglich durch Aluminiumkorsetts oder mit Stahl verstärkte Lederkorsetts, die an ihrer Innenseite, dem vorderen und hinteren Rippenbuckel fest anliegend, mit Zügen armirt seien. Diese Züge würden an der entgegengesetzten Seite durch die Perforation des Korsetts heraus- geführt und könnten an Pelottenknöpfen in beliebiger Spannung fixirt werden. Das Korsett müsse jahrelang getragen werden, bi« sich eine Ankylose der Wirbel- säule in verbesserter Haltung ausgebildet habe. Wüährend des Korsetttragen‘ ‘empfiehlt Iicdner nur Massage der Rückenmuskulatur, vermeidet jedoch die vor der Gipsbehandlung angewandte mobilisirende Gymnastik, weil dadurch ein Reeidir eintreten könne, (Selbstbericht.)

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Garr& (Königsberg): Über Skoliosen bei Halsrippen.

Vortr. berichtet über eine bisher nicht beachtete Form der Skoliose der un- teren Hals- und oberen Brustwirbelsäule bei gleichzeitigem Vorhandensein von einer oder mehreren Halsrippen an der konvexen Seite der Skoliose. Bei 4 Fällen eigener Beobachtung war diese Koincidenz nachzuweisen. In der Litteratur über Halsrippen findet man bei dem bisher beschriebenen kleinen Material relativ oft Skoliose vermerkt. Es erscheint leicht verständlich, dass das Vorhandensein einer einseitigen Halsrippe die Bewexlichkeit der unteren Halswirbelsäule im Sinne der Beugung und Rotation nach der betreffenden Seite hin beeinträchtigt, und die wohl meist gleichzeitig bestehende Asymmetrie innerhalb der Halsmuskulatur be- günstigend auf die Verbiegung der Wirbelsäule einwirkt. Starkes asymmetrisches Wachsthum wird oft durch 2 meist mit einander durch knöcherne Querspange ver- bundene Halsrippen bedingt. Eine so hervorgerufene Skoliose am Übervange von Hals- in Brustwirbelsäule veranlasst dann sekundär eine kompensatorische Skoliose der unteren Brustwirbelsäule. Die Zeit der Ausbildung der Skoliose fällt vor die Pubertätszeit. An eine Halsrippe ist nicht immer nothwendig eine Skoliose ge- bunden. Was schließlich die Bildung oder das Ausbleiben der Verbiegung be- dingt, ist nicht immer zu sagen, jedenfalls ist verständlich, dass bei doppelseitiger Halsrippe eine Skoliose nicht resultirt. Vortr. demonstrirt an der Hand einiger Photographien und Röntgenbilder einen mittelschweren Fall der Art und fasst bei demselben das Symptomenbild zusammen in:

1) Verschiebung der rechten Scapula nach oben und außen.

2) Auffallende Asymmetrie des Halsansatzes.

3) Rechtskonvexe Skoliose, die sich erstreckt vom 5. Hulswirbel bis zum 3. oder 4. Brustwirbel.

4) Kompensatorische Skoliose der unteren Brustwirbelsäule.

(Selbstbericht.)

Höftiman (Königsberg) empfiehlt namentlich bei Fällen, bei denn es sich um feste Skoliosen bei elenden, anämischen Kindern handelt, dieselben event. monatelang auf eine schiefe Ebene zu lagern, um so das achädigende Moment (es Körpergewichts auszuschalten, es vielmehr in günstigen extendirendem Sinne aus- zunutzsen. Behandelt man dabei die Kinder nach den Principien der W eir- Mitchell-Kur, so erholen sich dieselben und werden kräftiger und leistungs- fähiger. Daneben werden alle anderen Mittel angewandt: Turnen an den Zander- Apparaten; Massage; abnehmbare Beely’sche Gipskorsetts, die alle 8 Tage ge- wechselt werden; forcirtes Redressement in der Narkose, das jedoch zweckmäßig erst einige Wochen nach Beginn der Kur ausgeführt wird etc.

Das Verfahren wird in geeignetem Falle seit ca. 1883 angewandt und hat gute Dienste gethan. Demonstration einer Reihe von Photographien der letzten Fälle.

(Selbstbericht.)

Wullstein (Halle): Über ein neues Princip in der Skoliosen- behandlung.

Dem Vortr. gelanz es bei wachsenden Hunden durch Bandagen, welche die Funktion der Wirbelsäule bei entsprechender pathologischer Haltung gestatteten, die typische, der menschlichen vollständig gleiche Kyphoskoliose zu erzeugen, und er schloss daher logischerweise aus diesen gelungenen Experimenten, dass, wenn beim wachsenden Individuum durch die Funktion bei pathologischer Haltung der Wirbelsäule die Kyphouskoliose erzeugt werden könne, eine vorhandene Kypho- skoliose durch die Funktion bei korrigirter Stellung der Wirbelsäule beseitigt werden müsste. Danach müssten als Idealapparate oder ldealverbände diejenigen gelten, welche den Rumpf in der gewünschten korrigirten Stellung halten und ihm dabei doch Bewegungsfähigkeit gestatten. Vortr. empfiehlt daher die von ihm an mehreren Pat. demonstrirte, durch Gipsverbände oder portative Apparate be- wirkte, ständige Funktion der Wirbelsäule in redressirter Stellung.

Der Gipsverband wird unter forcirttem Redressement und unter Hyperkorrek- tion aller in Betracht kommenden Deformitäten in dem vom Vortr. konstruirten

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Redressionsapparat angelegt und hält die Wirbelsäule und den ganzen Rumpf, vom Becken bis sum Hinterhaupt denselben umfassend, in redressirter Stellung. Zur Herstellung der Funktion wird in den Gipsverband ein Drahtnetz eingelegt. das nach der späteren horizontalen Durchschneindug im Bereich der primären Ver- krümmung erstens die beiden Hälften des Gipsverbandes in gleicher Entfernung und Spannung erhält, zweitens Bewegungsfähigkeit dieses Theiles der Wirbelsäule gestattet, und drittens noch eine weitere Hyperkorrektion der primären Verkrüm- mung der Wirbelsäule zulässt. Wie in den Gipsverband auf der Seite der pri- mären Verbiegung swischen Wirbelsäule und vorderer Axillarlinie ein Drahtnets eingelegt wird, so werden bei den portativen Apparaten zum gleichen Zwecke neben einander gelegte eingenähte Uhrfedern verwandt. Dieses Drahtnetz hat eben so wie die Uhrfedern die Eigenschaft, dass es sich in seiner Längsachse nicht su- sammenschieben, wohl aber über seine Längsachse biegen lässt. Dadurch nun, dass oberhalb und unterhalb der horizontalen Theilungsstelle des Verbandes in ge wisser Entfernung von derselben Haken in demselben befestigt und diese durch elastische Züge resp. Spiralfedern mit einander verbunden werden, kann durch ent- sprechend stärkere Anspannung derselben allmählich eine weitere Korrektion sämmt- licher in Betracht kommenden Deformirungen vorgenommen werden. Dabei ist der Pat. im Stande, die Hyperkorrektion für gewisse Zeit zu vereiteln, indem er durch Muskelzug und Muskelkraft die durch die redressirenden Kräfte über das Drabtnetz als Hypomochlion gespannten Theile der Wirbelsäule zu entspannen vermag, diese Iintsepannung, oder mit anderen Worten diese Vereitelung der Kor- rektion der Wirbelsäule, kann jedoch immer nur für wenige Minuten stattfinden, nämlich so lange, wie der Pat. im Stande ist, durch Muskelkraft den durch die elastischen Züge resp. durch die Spiralfedern gesetzten Widerstand zu überwinden. Sofort nach Aufhören der gewollten Bewegung und nach Erschlaffung der Musku- latur wird dem Körper dadurch, dass die aufs äußerste gespannten Züge resp. Spiralfedern ihren gewöhnlichen Dehnungsgrad wieder annehmen, die redressirte Stellung wieder gegeben. Aus dem Verbande wird zur Erreichung dieses Zweckes ein ungefähr handbreites Stück im Bereich der primären Verkrümmung, zwischen Wirbelsäule und vorderer Axillarlinie, der der Konvexität entsprechenden Seite ausgeschnitten, während im übrigen Theile der Ciroumferens der Verband nur durchschnitten wird.

Dieser Methode könnte der Vorwurf gemacht werden, dass mit der zum Re- dreasement nöthigen Extension die Hauptfunktion der Wirbelsäule ihre Längs- spannung aufgehoben würde. Dieser Einwand ist jedoch nichtig; denn nach den vom Vortr. vorgenommenen Leichenexperimenten wird bei der foreirten Extension die Wirbelsäule nicht gestreckt im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern über die jedesmalige Konvexität als Hypomoohlion gebogen und somit der Belastungs- druck von der Seite der Konkavität auf die Seite der Konvexität der Wirbelsäule übertragen.

Die Anlegung der Funktionsverbände ist jedooh erst dann möglich, wenn die Wirbelsäule so weit redressirt ist, dass sie ohne größere Mühe einen fast völligen momentanen Ausgleich der Beitendeviation und der kyphotischen Verbiegung su: lässt; desshalb müssen die Skoliosen dritten Grades erst durch starre Gipsverbände, welche unter forocirtem Redressement angelegt sind, behandelt werden; bei den Skoliosen zweiten Grades dayegen ist diese vom Vortr. empfohlene Methode sofort am Platze. (Selbstberiebt.)

Wilhelm Schulthess (Zürich) demonstrirt eine Anzahl von Tafeln, welche in Kurven die Frequenzverhältnisse der skoliotischen Krümmungen in ihrer Vertheilung auf die verschiedenen Regionen der Wirbelsäule für 1137 mit seinem Messapparate gezeichnete Skoliosen wiedergeben.

Es hat sich dabei gezeigt, dass in der Gegend des 2. Brustwirbels die größte Zahl von Krümmungen, und zwar linkskonvexe, beobachtet wurden. Ferner, dass das nächste Maximum rechtskonvexe Biegungen betrifft in der Gegend des 1. Brustwirbels. Linkskonvexe Krümmungen sind im Ganzen häufiger als rechts- konvexe im Verhältnis von 60% zu 40%.

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Abgesehen von dem höheren Stand der Abknickungsstelle, unterscheiden sich aber die linkskonvexen von den rechtskonvexen noch durch die relativ gleich- mäßigen Durchschnittszahlen von Höhe und Überhängen der Krümmungssoheitel bei den linkskonvexen, während bei den rechtskonvexen die beiden Größen nach dem unteren Ende der Dorsalwirbelsäule hin steigen.

Ferner haben die rechtskonvexen Krümmungen, so fern sie in der Dorsal- wirbelsäule liegen, eine viel stärker entwickelte Tendenz, kompensatorische Krüm- mungen zu bilden, als die linkskonvexen.

Vortr. erblickt in der Gesetsmäßigkeit des Kurvenverlaufs einen Beweis für eine dem Körper bezw. der Wirbelsäule innewohnende Disposition zu den Aus- biegungen an den bezeichneten Stellen. Die gesetzmäßige Lokalisation liegt in der Anatomie und Physiologie, in der Mechanik der Wirbelsäule begründet. Ein insufficientes Skelett wird an diesen Stellen zuerst einknicken. Er schlägt zum Schluss vor, den Begriff der habituellen Skoliose einer Kritik zu unterziehen, bezw. denselben aus der Nomenklatur zu entfernen. (Selbstbericht,)

Froelich (Nancy) beschreibt einen Fall von kongenitalem Hochstand der rechten Scapula.

16jähriger Knabe, nichts Besonderes in der Anamnese als Tod der Mutter an Lungentuberkulose. Die rechte Scapula stand 12 cm höher als die linke. Die Abduktion des Armes erhob sich nicht bis zur Horizontalen und diese Bewegung war sehr schmerzhaft. F. zeigt Röntgenbilder des Falles, die einige Abnormitäten der Rippen und der Clavicula sichtbar machen. Leichte linkskonvexe Cervico- Dorsalskoliose. Die ganze kranke Schulter ist der Wirbelsäule sehr auffallend näher gerückt; auch steht das Hers mehr nach rechts.

F, demonstrirt das Präparat des oberen medianen Winkels des Sohulterblattes, den er resecirte, da er ihn als Ursache der Hemmung und der Schmerzhaftigkeit der Abduktion ansah, wegen seiner Anstoßung an die Wirbelsäule.

Das Präparat war ein normaler Knochen und soll nochmals beweisen, dass der exostosenartige Tumor, den man im Nacken sieht und abtastet, nichts anderes ist als der hervorstehende obere Winkel der bestehenden Scapula. Nach der Ope- ration wurden die Bewegungen normal und die Schmerzen schwanden.

Als Ursache des Leidens sieht F. die stellenweise Verkürzung des Trapesius und Angularis an, die 3. Th. fibrös degenerirt waren, so dass ein Vergleich des Leidens mit dem muskulären, chronischen Schiefhals nicht ausbleibt.

(Selbstbericht).

Joachimsthal (Berlin): Über Spondylitis gummosa.

Der von J. demonstrirte, s. Z. 54jährige Pat. suchte im Februar 1901 J.’s Poliklinik in einem sehr kläglichen Zustande auf. Seit etwa einem Jahre hatte er eine zunehmende Versteifung des Rückens und schließlich eine fast vollkom- mene Unfähigkeit, den auf die Brust herabgesunkenen Kopf zu erheben, bemerkt. Angstlich stützte er beim Stehen und Gehen das bis auf wenige Centimeter dem Sternum genäherte Kinn von unten her mit den Händen. Die Untersuchung der Wirbelsäule ergab ein spitzes Hervortreten des 2. und besonders des 1. Brust- wirbeldorns. Die Vertebra prominens war darüber deutlich nachweisbar. Der Winkel, unter dem der supra- und infragibbäre Abschnitt der Wirbelsäule susam- menstießen, betrug etwa 45°. Kompensatorisch hatte der untere Brust- und Lendentheil der Wirbelsäule sich in starker Lordose eingestellt, wodurch allein eine einigermaßen aufrechte Haltung ermöglicht wurde. Es bestanden Schmerzen nicht nur an der Stelle des Gibbus, sondern auch in den unteren Theilen des Rückens, ein ängstlicher Gang, so wie vollkommene Spasmen im Bereiche der Nacken- und Rückenmuskulatur, die namentlich das Bücken nur in der für Spon- dylitis charakteristischen Weise zur Ausführung bringen ließen.

War nach diesen Erscheinungen die spondylitische Natur des Leidens zweifel- los, so erschien bei dem Alter des Pat., dem Fehlen irgend welcher tuberkulöser Veränderungen in den Lungen, dem Larynx und anderen Organen die gewöhn- liche Ätiologie der Wirbelentzündung unwahrscheinlich. Die nach dieser Rich-

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tung hin angest:liten Feststellungen ergaben, dass Pat. 32 Jahre zuvor ein Ulcus acquirirt und damals mit ÄAtzungen und Einspritsungen behandelt worden war, Er ist darauf vollkommen gesund geworden, hat 1870—71 den Feldzug mit- gemacht, und ist angeblich bis zum Beginn des Wirbelleidens ohne Erscheinungen geblieben.

Pat. erhielt neben Einreibungen von Unguentum cinereum große Dosen Jod- kali, weiterhin ein Korsett, an dem mit Hilfe eines Kinn und Hinterhaupt stützenden Jurymastes eine allmähliche Aufrichtung des supragibbären Theils der Wirbelsäule versucht wurde. Bei dieser Behandlung trat eine schnelle Besserung und eine so vollkommene Rückbildung der Deformität ein, wie sie bei einer tuber- kulösen Spondylitis wohl kaum jemals beobachtet worden ist. Zur Zeit ist Pat. im Stande, den Kopf nach allen Richtungen hin frei zu bewegen. Der Gibbus ist nur noch bei der Palpation nachweisbar, die erzielte Geraderichtung tritt nament- lich bei einem Vergleich der vor dem Beginn der Behandlung und der vor Kurzem gefertigten Abbildungen des Pat. deutlich zu Tage. (Selbstbericht.)

Diskussion: A. Sohanz (Dresden): Ich treibe seit 4 Jahren Gipsbehand- lung der Skoliose, nicht mit der Parole Gipsverband oder Korsett oder Gymnastik, sondern mit der Parole : wann ist Gips, wann Korsett, wann Gymnastik anzuwenden. Die Resultate der Gipsbehandlung sind sehr gute, sie lassen sich durch sweckmäßige Maßnahmen dauerhaft machen. Der Beweis dafür lässt sich nur Jemandem er- bringen, der die Resultate mindestens ein Jahr regelmäßig kontrollirt; man kann daher vor einem Kongress dem Zweifelsüchtigen keinen Beweis bringen.

Die Gipsbehandlung ist kein gleichgiltiges Mittel, man darf den Verband nicht zu lange liegen lassen, im Allgemeinen nicht über !/, Jahr.

(Selbstbericht.)

Mainzer (Frankfurt a/M.) berichtet über Versuche, die habituelle Skoliose mit Dauergipsverbänden zu behandeln, welche seit 1897 von seinem verstorbenen früheren Chef Julius Wolff und von ihm selbst an zahlreichen Fällen gemacht wurden. Die Skoliosen wurden zuerst manuell, dann im Hoffa’schen Rahmen in Suspension redressirt, die Seitenverschiebung des Rumpfes durch entsprechende Fixirung des Beckens, die Torsion durch Hleftpflasterstreifen, welche an den Rippenbuckeln angriffen und an einem die Pat. ringe umgebenden, an dem Holz- gestell befestigten horizontalen Eisenrahınen festgemacht waren, beseitigt. Über die so korrigirte oder überkorrigirte Skoliose wurde ein Gipsverband, der die Heft- pflasterstreifen mit einschloss, sorgfältig angelegt. Der Verband umschloss in einem Theil der Fälle auch den Kopf, in einem Theil ließ er den Kopf frei. In manchen Fällen wurde er alle 2—4 Wochen, in manchen alle 3 Monate gewech- selt. Im Verband und unmittelbar nach der Verbandabnahme schien zwar der Erfolg sehr befriedigend, allein schon nach kurzer Zeit, oft nach 3—4 Tagen war der Zustand in allen Fällen wieder bedeutend verschlechtert, die Wirbelsäule so zusammengehockt wie früher. Dabei war es ganz gleichgültig, wie lange die Be- handlung fortgesetzt wurde, ob die Pat. danach heilgymnastisch behandelt und massirt und dabei die Skoliosen wieder mobilisirt wurden oder nicht, eben so ob sie abnehmbare Korsetts erhielten oder nicht. Ermuthigend sind die Erfolge der Gipspanzerbehandlung keineswegs. So viel als damit erreicht wird, erreicht man stets auch durch geeignete heilgymnastische Behandlung, Massage und durch zweckentsprechende abnehmbare Korsetts.

Principiell betont M., dass, so lange die Resultate der langdauernden Gips- panzerbehandlung nicht besser seien, als die bisher demonstrirten, von einer Förderung der Skoliosentherapie nicht die Rede sein könne. (Selbstbericht.)

A. l,orenz (Wien): Zum Vortrage Prof. Hoffa’s bemerkt L., dass der Redner über eine wichtige Frage leicht hinweggegangen sei, in welcber eine Klarstellung Jdifferenter Auffassungen erwünscht wäre. Es handelt sich um die Frage, wie kommt die Skoliose bei halbseitixer I,ähmung der Rückenmuskeln zu Stande? Hoffa acceptirt Landerer’s Erklärung, nach welchem die gesund gebliebenen Muskeln die Wirbelsäule nach ihrer Seite siehen, ähnlich wie der Mast eines

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Schiffes nach einer Seite sich neigen müsse, wenn die Taue der anderen Seite ge- kappt würden. Eine zweite Frage, innig mit der ersten zusammenhängend, ist die, auf welcher Seite liegen die gesund gebliebenen Muskeln? I. wünscht diese Fragen zur erklärenden Diskussion gestellt, da man sich aus den Büchern darüber kaum Rath holen könne. Nach L.’s Meinung verhalten sich die Dinge folgender- maßen: Die gesund gebliebenen Muskeln liegen bei Skoliose an der konvexen Seite der Krümmung, wie auch Hoffa betont hat; sie können jedoch an der konkaven Seite einer paralytischen Deformität getroffen werden. Letzterer Fall findet sich z. B. an der pathologisch verstärkten Lordose der Lende bei Paralyse der Bauchmuskeln. Bei Quadricepsparalyse entstehe niemals ein Genu recurvatum, wie man nach der v. Volkmann’schen Erklärung erwarten müsse, sondern immer nur ein Genu flexum. Auch hier finden sich die mehr oder weniger aktiv geblie- benen Muskeln in der Konvexität der Verkrümmung. Die Lage der gesunden oder gelähmten Muskeln an der Konvexität oder der Konkavität der Verkrüm- mung ist also an keine einheitliche Regel gebunden. Nach der Landerer’schen Hypothese lässt sich diese Verschiedenheit der Lage eben so wenig erklären, wie die Richtung der Abweichung. Stellen wir uns vor, die Skoliose entstehe durch Kontraktion der gesund gebliebenen Muskeln, so müssten dieselben unweigerlich an der konkaven Seite der Krümmung gefunden werden; sie liegen aber bei Skoliose stets an der konvexen Seite. Hierin sucht IL. den Schlüssel zur Frage. Fänden sich nämlich die gesunden Muskeln thatsächlich in der Konkavität der skoliotischen Abweichung, wie man aus Landerer’s Erklärung folgern müsste, dann wäre die Erzeugung dieser Skoliose ihre letzte Arbeitsleistung gewesen. Ist die Skoliose producirt, so müssten die in ihrer Konkarvität gelegenen gesund ge- bliebenen Muskeln wegen der absoluten Unmöglichkeit irgend welcher Arbeits- leistung atrophisch zu Grunde geben, und aus der halbseitigen Lähmung würde schließlich eine beiderseitige entstehen. Das ist aber nicht der Fall. Weder liegen die gesund gebliebenen Muskeln in der Konkavität der Krümmung, noch gehen sie zu Grunde. Sie liegen vielmehr an der Konvexität der Skoliose, und diese entsteht nicht durch Muskelzug, sondern durch das instinktive Be- streben des Pat. eine solche Körperhaltung einzunehmen, bei welcher den gesund gebliebenen Muskeln die Möglichkeit einer Arbeitsleistung gegeben ist. Diese Möglichkeit besteht nur dann, wenn der gestörte Muskelantagonismus irgend welchen Ausgleich findet. Dieser Ausgleich wird geschaffen, wenn die Eigenlast des Rumpfes als antagonistische Kraft der gesund gebliebenen Muskeln auftritt. Dies kann nur bei einer solchen Einstellung der Wirbelsäule geschehen, bei welcher die gesund gebliebene Muskulatur wie ein sich wechselnd spannender und entspannender Reif über die Konvexität des Abweichungsbogens gelegt ist. Nach L. entsteht also die paralytische Skoliose durch den Antagonismus zwischen Rumpflast und zurückgebliebener Muskulatur; ihre Steigerung zu höchsten Graden beruht auf der schließlichen Insufficienz der Muskulatur gegenüber der Körperlast. (Selbstbericht.)

Möhring (Kassel) schneidet nach dem Anlegen eines ausreichenden Gips- verbandes den Theil desselben, welcher die deformirte Partie enthält, cirkulär ein. Darauf wurde der obere und der untere Theil fest fixirt und nunmehr wird durch an diesem mittleren Theile angebrachte Haken oder Ösen ein stark redressirender, drehender oder nach der betreffenden Seite sich richtender Zug angebracht. Man ist auf diese Weise im Stande, etappenweise diesen eingeschlossenen Theil all- mählich mehr und mehr umzuwandeln.

Petersen (Kiel; hat bei einem Schwesternpaar Halsrippen beobachtet. Es bestand bei beiden eine rechtskonvexe Skoliose im unteren Theil der Halswirbel- und im oberen Theil der Brustwirbelsäule mit ausgleichender Krümmung des oberen Theiles der Halswirbelsäule nach der entgegengensetzten Seite. Wenn man die Kinder sah, bevor sie sich entkleidet hatten, so machte s3 ganz den Eindruck. als hätten sie ein ganz gewöhnliches Caput obstipum, was sich aber bei näherer Untersuchung als falsch herausstellte.

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Schede (Bonn) empfiehlt für die Herstellung von Korsetts folgendes Vor- gehen: Nachdem die Wirbelsäule im Detorsionsrahmen, durch Aufhängen in einem Sayre’schen Apparat u. dgl. möglichst beweglich gemacht ist, wird, während das Kind in der Sayre'schen Schwebe hängt, ein Gipsabguss hergestellt. Von der Form wird ein Positiv gewonnen. Der Gipsblock wird dann in der Weise mo- dellirt, dass von dem Buckel je nach den Umständen verschieden große Mengen Gips entfernt und entsprechende Mengen Gipsbrei an der konkaven Seite auf- getragen werden, so dass eine annähernd normale Form herauskommt. Über dieser Form wird dann ein Aluminiumbronzekorsett gearbeitet, das redressirend gleich- zeitig in kosmetischer Hinsicht außerordentlich günstig wirkt. Die Kinder werden daneben mit Gymnastik, Massage etc. behandelt.

Perl (Berlin) erwähnt einen Fall von Skoliose mit doppelseitiger Halsrippe.

Schulthess (Zürich) seigt das Bild einer Pat. mit einer linksseitigen Hals- rippe ohne gleichzeitige Skoliose und erwähnt einen anderen Fall, in dem eine linksseitige Halsrippe eine linkskonvexe Skoliose herbeigeführt hatte.

Krukenberg (Liegnits) empfiehlt die Anwendung der Wullstein’schen Pelotte, räth aber, bei ihrer Anwendung den Schultergürtel in das Korsett mit ein- zuschließen.

Joachimsthal (Berlin) empfieblt das von Herrn Schede erwähnte Modelliren der Gipsmodelle nicht nur zur Herstellung portativer Verbände, sondern auch zur Herstellung der Lageapparate für Skoliotische, denen er sur Unterstützung der übrigen Maßnahmen bei der Behandlung der Rückgratsverkrümmungen warm das Wort redet. Joachimsthal (Berlin).

Schede (Bonn‘: S. demonstrirt einen Beckengurt sur Nachbehandlung der angeborenen Hüftverrenkungen nach Abnahme der im Anschluss an die unblutige Einrenkung angelegten Verbände. Joachimsthal (Berlin).

A. Schanz: Die Bildungsgesetze der statischen Belastungs- deformitäten.

Das Traggerüst des menschlichen Körpers (vom Fußgewölbe abgesehen! ver- biegt sich bei statischer Überlastung nach den Gesetzen, welche für die Über- lastungsverbiegung der senkrecht stehenden, mit ihren Endquerschnitten an Hori- zontalebenen fixirten von oben her belasteten biegsamen Tragsäule maßgebend sind.

Eine solche Säule bildet bei der Verbiegung eine Haupt- und zwei Gegen- krümmungen. Diesem Sats entsprechende Bilder sehen wir von der gansen Körpersäule bei der Alterskyphose, von den selbständigen Abschnitten Wirbel- säule und untere Extremität bei Skoliose und habitueller Kyphose, so wie bei allen Formen rachitischer und osteomalakischer Beinverkrümmungen. Die Ver- hiegungen können durch Krümmungen der Knochen, wie durch zwangsweise difle- rente Einstellungen von Gelenken gegeben werden.

Die entstehende Überlastungsverbiegung kann durch besondere Konstruktions- eigenthümlichkeiten der Säule modificirt werden.

Eine solche Eigenthümlichkeit ist die Einschaltung statisch schwächerer Stellen, die sich daraus ergebenden Bilder sehen wir bei den spondylitischen Deformitäten, bei manchen Formen von Genu valgum, beim Koickfuß.

Eine besondere Eigenthümlichkeit wird von der Wirbelsäule durch die Ver bindung der Körperreihe mit der Bogenreihe gebildet. Die Körperreibe ist der eigentliche Tragtheil, die Bogenreihe bildet für denselben eine der Peripherie auf- gesetzte Verstärkungsleiste. Eine solche Leiste bedingt bei Eintritt einer Über- lastungsverbiegung eine Drehung der Säule in sich, derart, dass auf der Höhe der Biegung sich der Punkt der Peripherie, welcher der Verstärkungsleiste gegen- überliegt, gegen diese nach der Ausschlagsrichtung zu wegdreht. So erklärt sich die Torsion der skoliotiaehen Wirbelsäule.

Vortr. zeigt an einem Modell (Weichgummisäule mit angesetzter Verstärkungs- leiste) den entsprechenden Vorgang.

Den äußeren Veränderungen des Traggerüstes bei Eintritt von Überlastungs- verbiegungen entsprechen innere. Diese ergeben sich aus den inneren Verände-

Centralblatt für Chirurgie. No. 23. 625

rungen der sich verbiegenden einfachen Säule. Sie bestehen darin, das eine Ver- dichtung der Säulensubstanz in der Konkavität, eine Auflockerung auf der Kon- vexität entsteht.

Auf die beschriebenen mechanischen Vorgänge bei Entstehung von Über- lastungsverbiegungen hat der Umstand, dass sie sich im lebenden Körper abspielen, keinerlei’ Einfluss. Der lebende Körper kann ihren Ablauf nur mit Reaktions- erscheinungen begleiten. Die wichtigsten dieser Reaktionserscheinungen sind die Bestrebungen, den so entstehenden Schaden aufzuhalten. Diese Folgeerscheinungen von Selhstheilungstendenzen sind charakterisirt durch die Möglichkeit des Fehlens und der Variation so wie durch ihre Zweckmäßigkeit. |

Man findet diese Erscheinungen am besten, wenn man fragt, wie verhindert der Techniker in dem und dem Fall den Fortschritt einer Überlastungsverbiegung, und nach erhaltener Antwort zusieht, ob bei statischen Belastungsdeformitäten analoge Erscheinungen vorhanden sind. Erscheinungen, welche als Ausdruck von Selbstheilungstendenzen anzuspreohen sind, finden sich z. B. bei rachitischen Ver- biegungen als Stützbogen, die in die Konkavität der Krümmung eingesetst sind; weiter bei entsprechenden Formen des Genu valgum als Verstärkung des inneren Gelenkbandes, als Stützblöcke an der Wirbelsäule bei der sog. Spondylitis defor- mans, bei Alterskyphose und bei Skoliose. |

Vortr. zieht aus seinen Ausführungen den Schluss: Die komplicirten Er- scheinungsformen der statischen Belastungsdeformitäten lassen sich sichten, wenn man dieselben in 2 Klassen scheidet: in Folge- erscheinungen der Wirkung mechanischer Kräfte und in Reaktions- &ußerungen des lebenden Organismus auf diese Folgen.

(Selbstbericht.)

Hoffa (Berlin: Zur Technik der unblutigen Reposition bei an- geborener Hüftgelenksverrenkung.

H. demonstrirt sein Verfahren bei der unblutigen Reposition der angeborenen Hüftgelenksluxation. Nach dem Vorgang von Kümmell wird die präliminare Extension fortgelassen und direkt mit der Abduktion des Beines begonnen. Die Reposition selbst geschieht in der Weise, dass man das rechtwinklig abducirte und stark nach außen rotirte Bein wie einen Pumpenschwengel nach dem Rumpf hin und wieder bis sur Horizontalen zurückführt, indem man allmählich mehr und mehr hyperextendirt. Man erweitert sich so die Pfannentasche sehr schön und dehnt sich die gespannte vordere Kapselwand gut aus. Ist der Kopf dann ein- geschnappt, so erleichtert man sich das Stehenbleiben des Kopfes in der Pfanne dadurch bedeutend, dass man bei starker Abduktion und Auswärtsrollung des hyperextendirten Beines, bei fester Fixation des Beckens und festem Herein- drücken des Trochanter major gegen die Pfanne hin, die vom Tuber ischii nach dem Unterschenkel ziehenden Muskeln dadurch dehnt, dass man von einem Assi- stenten das gebeugte Kniegelenk allmählich in Streckstellung überführen lässt.

Bei der Ausführung der Einrichtung hat man keinen Keil nothwendig, wie ihn Lorenz zur Unterstützung der Reposition bei älteren Kindern verwendet. Bei schwierigen Repositionen älterer Kinder benutzt man vielmehr als Keil seinen eigenen Vorderarm, den man unter den Trochanter der zu reponirenden Hüfte legt. Man kann dann mit dem Vorderarm den Trochanter bequem in die Höhe drücken und sich so die Reposition sehr erleichtern.

Der Gipsverband wird in einem Winkel von etwa 45° in Abduktion und Außenrotation des Beines so wie ziemlich starker Hyperextension desselben an- gelegt. Das Knie wird in den Verband einbezogen. Der Verband bleibt 3 Monate liegen, dann wird mit der Nachbehandlung, bestehend in Massage und Gymnastik, begonnen. Ist der Kopf nicht in wünschenswerther Weise fest geworden, so legt .H. nun einen portativen Apparat an, bestehend aus Beckengürtel und Schienen- hülsenapparat für das Bein und einer besonderen Vorrichtung, um den Kopf dauernd der Pfanne gegenüber zu halten.

Die auf diese Weise erhaltenen Resultate sind sehr befriedigend.

(Selbstbericht.)

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Joachimsthal (Berlin): Die Zeitdauer der nothwendigen Fixation nach der unblutigen Einrenkung derangeborenen Hüftverrenkung.

J. weist unter Demonstration einer größeren Anzahl von ihm behandelter Pat. darauf hin, dass es vielfach möglich, die Zeitdauer der Immobilisation nach der unblutigen Reposition auf 3 Monate einzuschränken und dennoch ausgeseichnete Resultate zu erzielen. (Selbstbericht.)

Drehmann (Breslau) berichtet über die Endresultate der Behandlung der angeborenen Hüftluxation aus der kgl. obirurg. Klinik zu Breslau.

Über 50 mit dem Lagerungsapparat behandelte Fälle ist zu berichten, dass in den Fällen, wo die Behandlung durchgeführt wurde, eine entschiedene Besse- rung, die in vereinzelten Fällen an Heilung grenst, erreicht wurde.

25 Fälle wurden operativ behandelt, davon starb 1 Fall am 3.. Tage an Sepsis, 3 Fälle waren schwer inficirt. In diesen Fällen wurde nach Hoffa's Vorschlag tamponirt. 2 weitere tamponirte Fälle heilten obne schwere Infektion. In den übrigen wurde Alles vernäht und stets primäre Heilung erzielt. Die Fälle über 6 Jahre zeigen mehr oder weniger beschränkte Beweglichkeit und starke Neigung su Kontrakturen, die trotz orthopädischer Behandlung wieder reoidiviren. Be- friedigende Resultate zeigen nur Fälle im 2.—4. Lebensjahre.

Die unblutige Einrenkung gelang in 118 Fällen mit 140 Luxationen. Davon lässt sich über 87 Fälle mit 103 Verrenkungen ein endgültiges Urtheil abgeben. Von 66 Fällen einseitiger Luxation sind 10 Fälle über 9 Jahre; von diesen sind 5 Fälle transponirt mit funktionell befriedigendem Erfolg, in 5 Fällen ist die Reposition geblieben, doch sind diese mehr oder weniger versteift. Der Gang ist ein guter. Von den 56 übrigen Fällen sind 48 völlig normal, am Gang ist gegen die gesunde Seite kein Unterschied, die Röntgenbilder, welche demonstrirt werden, seigen den Kopf in der Pfanne. In 13 Fällen ist der Gang noch leicht bis stärker hinkend; davon ist der Kopf in der Höhe des oberen Pfannenrandes in einer am Röntgenbild sichtbaren Nearthrose fixirt in 7 Fällen, diese hinken nur leicht bei Ermüdung; in 2 Fällen steht anscheinend der Trochanter in der Pfanne, auch hier ist der funktionelle Erfolg befriedigend; 4 Fälle sind trans- ponirt, der Kopf ist unter der Spina ant. sup. vorn fixirt, das Röntgenbild zeigt Nearthrosenbildung; hier ist der Gang wesentlich gebessert, aber es besteht Ver- kürzung von 1!/a—2 cm.

Von 21 doppelseitigen Fällen sind 6 über 5 Jahre; hier wurde in 2 Fällen nur eine Seite reponirt, da die andere gut fixirt war, und guter funktioneller Er- folg erzielt, 3 Fälle blieben reponirt, gingen aber längere Zeit noch steif, 1 Fall zeigt beiderseits Transposition mit gutem Enderfolg. Bei den 16 übrigen Fällen, betreffend Kinder von 2—4 Jahren, wurde in 2 Fällen nur eine Seite unblutig eingerenkt, die andere operirt, in 1 Falle gelang die Reposition nur auf einer Seite, auf der anderen wurde eine absichtliche Transposition ausgeführt. In 6 Fällen stehen die Köpfe in der Pfanne, der Gang ist völlig normal. In 3 Fällen ist die Pfanne nach oben erweitert, auch diese gehen fast normal; 1 Fall ist beiderseits transponirt mit befriedigendem Erfolg. 3 Fälle mit Zeichen über- standener schwerer Rachitis zeigen auf einer Seite Transposition, auf der anderen Neigung zur Reluxation nach hinten. | (Selbstbericht.)

Diskussion: Höftman (Königsberg) demonstrirt einen Apparat aus Stahl- schienen, den er statt des Gipsverbandes nach der Reposition der angeborenen Hüftverrenkung anlegt. Joachimsthal (Berlin).

Mainzer (Frankfurt a/M.) berichtet über einen Handgriff, der ihm bei Kindern von 8—11 Jahren wiederholt die Reposition angeborener Hüftluxationen ermög- lichte, nachdem alle anderen Repositionsmanöver erfolglos geblieben waren. Er versucht bei schwierigen Fällen stets zuerst die Lorenz’sche Reposition über- den Keil, nur dass er statt des Holzkeils seine Faust benutzt, verwendet gelegent- lich auch die Hoffa’schen Pumpenschwengelbewegungen. Hat er so längere Zeit (etwa 3/4 Stunden) gearbeitet, ohne dass wenigstens die Widerstände erheblich geringer geworden wären, so lässt er das Becken durch 2 Assistenten fixiren, den

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im Kniegelenk rechtwinklig gebeugten Unterschenkel durch einen Gehilfen etwa in der Frontalebene des Körpers festhalten, um den erforderlichen Grad der Außenrotation des Oberschenkels zu erreichen. Letzterer wird, so weit als es nach den vorhergehenden Manövern ohne Weiteres möglich ist, abducirt. M. fasst nun den Oberschenkel möglichst weit oben, mit der gleichnamigen Hand vom Damm her, mit der anderen Hand von der entgegengesetzten Seite, derart, dass sich die Fingerspitzen beider Hände auf der bodenwärts schauenden Seite des abducirten und außenrotirten Oberschenkels nahezu berühren. Während das Knieende gegen den Leib des Operateurs sich anlehnt, ohne von diesem in der Richtung der Abduktion gedrückt zu werden, wird der Schenkelkopf durch beide energisch zufassende Hände des Operateurs vom hinteren Pfannenrand her an dem absolut fixirten Becken nach vorn, d.h. in die Pfanne hinein förmlich gehoben.

Für das Gelingen des Manövers, mit dessen Hilfe M. u. A. 2 Gelenke re- ponirt hat, bei denen von anderer Seite wiederholt vergebliche Einrenkungsversuche gemacht worden waren, ist eine sichere Beckenfixation Voraussetzung.

Als Vortheile seines Handgrifis hebt M. hervor, dass Diaphysenbrüche völlig ausgeschlossen sind, und auch die Gefahr des Schenkelhalsbruchs sehr vermindert ist, weil an einem kleinen Hebelarm gearbeitet wird. Der in der erhöhten Wir- kung der aufgebotenen Kraft liegende Vortheil des langen Hebelarms wird bei dem beschriebenen Manöver dadurch aufgewogen, dass beide Hände das Hinein- heben des Kopfes in die Pfanne besorgen. Außerdem wird das bei der Ein- renkung über den Keil oder die Faust oft unvermeidliche Hin- und Hergleiten des Schenkelkopfs am hinteren Pfannenrand mit Sicherheit vermieden.

(Selbastbericht.)

Lorenz (Wien) bemerkt zur Empfehlung des Herm Joachimsthal, die Fixationsdauer der eingerenkten Hüftgelenke abzukürzen, dass diese Maßregel bei günstigen anatomischen Verhältnissen der Gelenkskörper keine Bedenken habe, Man könnte in solchen günstigen Fällen statt durch 3 Monate vielleicht selbst nur durch 3 Wochen fixiren, ohne das Resultat zu gefährden. Im Allgemeinen aber warnt L. vor der Verallgemeinerung dieser Empfehlung. Leider seien die Fälle nicht alle anatomisch günstig. Vielmehr überwiegen die ungünstigen, und diesen gegenüber ist eine länger dauernde Fixation ein Gebot der Vorsicht. Es sei überhaupt zu wünschen, dass bei einer nächsten Versammlung der Deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie mehr von den ungünstigen als von den günstigen Fällen gesprochen werde. Was diese letzteren betrifft, so erklärt L., dass die hier vorgestellten Fälle neuerdings beweisen, dass seine Erwartungen von den erreichten Erfolgen weit überflügelt worden seien, so dass man wohl sagen könne, der Sieg der unblutigen Methode über die blutige sei nunmehr ein endgültiger. Übrigens gewinnt die unblutige Methode allmählich auch im Aus- land immer mehr an Boden. Vor Kurzem ist L. bei seinem Aufenthalt in Algier . von dem dortigen Kollegen Prof. Courtelier eingeladen worden, eine Operation im Höpital Mustapha auszuführen und hat bei diesem Anlass die Freude erlebt, die herrlichen Resultate zu sehen, welche Courtelier mit der L.’schen Methode ersielt hat.

Was die von Hoffa demonstrirte Modifikation der Einrenkung anbelangt, so vermag L. darin nicht eine neue Methode zu erblicken und findet den Namen > Pumpenschwengelmanöver « unglücklich gewählt. Auch besage derselbe nichts Anatomisches. L. habe seiner Zeit die Einrenkung über den oberen, den hinteren und den unteren Pfannenrand beschrieben. Das Pumpenschwengelmanöver sei nun nichts Anderes, als die Einrenkung über den unteren Pfannenrand, welche aus maximaler Beugung erfolgt. Übrigens rührt diese Empfehlung, aus maximaler Beugung einzurenken, von Paci her. In dem wichtigsten Punkt stimmt indess L. Herrn Hoffa vollkommen bei, dass es nämlich gelingt, mit der Einrenkung über den unteren Pfannenrand selbst noch in Fällen zum Ziel zu gelangen, in welchen alle anderen Methoden versagt hatten. (Selbstbericht.)

628 Centralblatt für Chirurgie. No. 23.

Dreesmann (Köln) betont, unter Hinweis auf seine in der Münch. med. Wochen- schrift 1901 No. 52 erschienene Abhandlung, dass bei der Primärstellung eine stärkere Abduktion, d. h. von 90°, günstiger sei, um das Eindringen des Kopfes in die Pfanne zu ermöglichen. Bei gleichzeitiger Außenrotation von 90° es steht dann Becken, Oberschenkel und Unterschenkel bei rechtwinklig gebeugtem Kniegelenk in der Frontalebene des Körper ist der Schenkelhals fast senkrecht auf die Pfanne zu gerichtet. Wird die Abduktion vermindert, so muss in Folge der Anteversion des Schenkelkopfes auch die Außenrotation vermindert werden. Eine gewaltsame Streckung des Kniegelenks nach der Einrenkung hält Redner, zumal bei etwas älteren’ Kindern, wegen der Gefährdung des Ischiadicus für nicht empfehlenswerth. Nur die Abduktion von 90° gestattet die Anlegung der von dem Vortr. demonstrirten Kniekappe, welche vermittels eines um die gesunde Beckenseite herumlaufenden Gummizuges, den Schenkelkopf allmählich tiefer in die Pfanne hineinpresst. Dieser Modifikation glaubt Redner seine vorzüglichen Erfolge in erster Linie zuschreiben zu müssen. So ist es ihm geglückt, bei ein- seitiger Luxation in allen Fällen, bei doppelseitiger Luxation in den meisten, falls eine Einrenkung erreicht wurde, was innerhalb der von Lorenz angegebenen Altersgrenze stets gelang, ein ideales Resultat, sowohl in anatomischer, als auch in funktioneller Hinsicht zu ersielen. | (Selbstbericht.)

Lexer (Berlin) berichtet über die in der v. Bergmann’schen Klinik un- blutig behandelten Hüftluxationen.

Das Material bezieht sich auf 103 Fälle (darunter 18 doppelseitige, aber nur einfach gezählte), wovon in 77 Fällen die Behandlung seit mindestens !/, Jahre abgeschlossen ist. Davon sind 38 Fälle (9 doppelt) völlig geheilt (d.h. aus- gezeichnete Funktion, kein Hinken, Kopf in der Pfanne, wenigstens unter einem gut entwickelten Pfannendach, wenn auch mit Erweiterung der Pfanne, kein Trochanterhochstand, keine Verkürzung). In 11 einseitigen Fällen ist ein guter funktioneller Erfolg vorhanden, d. h. geringe Verkürzung, geringes Hinken, Pfanne stark erweitert, Kopf vorn zu fühlen. Von doppelseitigen Luxationen sind 5 auf der einen Seite sehr gut, auf der anderen Seite wesentlich gebessert.

Misserfolge, d. h. dauernde Reluxationen wurden bis 1897 allein 16 (mit 2 doppelseitigen) gezählt. Unmöglich war die Reposition Imal.

Die Anzahl dieser Misserfolge ist nicht zu verwundern, da in diesen Zahlen auch die Anfänge der unblutigen Behandlung inbegriffen sind.

Erheblich besser sind die Erfolge, wenn die Fälle der ersten Jahre fortgelassen und nur diejenigen berechnet werden, welche L. selbst seit Oktober 1898 zum größten Theil ambulant in der kgl. Poliklinik behandelt hat. Zum Unterschied von früher geschah die Einrenkung mit der Hand ohne Schraube, wesentlich mit vorsichtiger Abduktionsbewegung bei festgehaltenem Becken (fast genau eben so wie es vorher von Hoffa gezeigt worden war) und unter möglichster Schonung . der Muskeln. Da I. die Beobachtung gemacht hat, dass der Femurkopf viel eher federnd in der Pfanne stehen bleibt, wenn die Reposition ohne Zerreißung der Adduktoren zu Stande kam, so wurde von einer gewaltsamen Zerreißung derselben Abstand genommen, wo es möglich war.

Zieht man von 72 von L. selbst behandelten Fällen noch 26 ab, welche noch Verbände tragen oder massirt werden, so bleiben 46 Fälle (mit 13 doppelseitigeni zur Beurtbeilung. Davon sind 32 Fälle (mit 6 doppelseitigen) völlig geheilt. 5 Fälle (einseitig) haben einen guten funktionellen Erfolg (das Pfannendach ist steil, der Kopf nach vorn verdreht). 5 Fälle von doppelseitigen Luxationen haben ausgezeichnete Heilung auf der einen Seite, auf der anderen sind 3 gebessert, 1 reluxirt, 1 nicht reponirt, da am Trochanter Fraktur ist. 2 Fälle sind ans- tomisch geheilt, haben aber nur sehr geringe Beweglichkeit (darunter ein 12jähriges Mädchen). Bei einem hochgradigen doppelseitigen Falle (6 Jahre) glückte die Re- position auf keiner Seite.

Die Einrenkung wurde bei doppelseitigen Fällen zugleich auf beiden Seiten gemacht. Nur in einzelnen hochgradigen Fällen war vorher eine Extensions- behandlung nothwendig.

Centralblatt für Chirurgie. No. 23. 629

Die Fixationsdauer währte 3—8 Monate.

‘Der Gipsverband wurde nach Lorenz in den von ihm angegebenen Stel- lungen (mit freiem Kniegelenk) angelegt; nach Vollendung des I. Verbandes wurde der Unterschenkel vorsichtig gestreckt. Handelte es sich um starke Ver- drebungen des Femurkopfes, so wurde beim 2. oder 3. Verband das Bein mit fixirtem Kniegelenk nach innen rotirt. In einigen solchen Fällen: wurde nebenbei auch der Mikulicz-Hoffa’sche Lagerungsapparat benutzt.

Kamen Reluxationen vor /und zwar I5mal, nämlich I4mal nach vorn und imal nach hinten), so wurde die Behandlung wiederholt und führte in allen bis auf 1 Fall mit Luxation nach hinten zum Ziel.

Dabei hat L. die Beobachtung gemacht, dass, wenn man bei Reluxationen, namentlich bei kleinen Kindern, einige Monate mit der Reposition wartet, d.h. die Kinder ohne Verband herumlaufen lässt, die Retention viel besser gelingt, als wenn man sie sofort wieder versucht. Diese Erfahrung wurde zuerst an Fällen gemacht, welche noch von Prof. Nasse behandelt und nach Reluxation als un- geheilt aufgegeben worden waren. Als sie 1/a—1 Jahr ohne Verband geblieben waren, glückte die Reposition und eben so die dauernde Retention.

Zum Schluss demonstrirt L. einige geheilte Fälle und einen Apparat, auf welchem das Eingipsen der Kinder vorgenommen wird. (Selbstbericht.)

Perl (Berlin) berichtet über erfolgreiche Versuche, in ähnlicher Weise, wie dies Joachimsthal empfohlen hat, die Fixation nach der Reposition der an- geborenen Hüftluxation nur 3 Monate andauern zu lassen.

Jaffe (Posen) rätb, bei denjenigen Fällen, bei denen sich am Röntgenbild und bei der Untersuchung zeigt, dass eine Neigung zu einer geringen Verschie- bung nach dem Foramen obturatorium zu vorwaltet, sehr kurze Zeit nach der Einrenkung in einer Weise zu verbinden, dass keine Außenrotation im Verbande mehr besteht. Joachimsthal (Berlin).

Heusner (Barmen): Trotz aller Bemühungen gelingt es uns bei manchen Pat. nicht, den Kopf in der Pfanne zu halten, und es sind das bekanntlich haupt- sächlich die Fälle mit starker Anteversion des Halses, bei welchem eine dauernde Einwärtsstellung des ganzen Beines nothwendig ist, um den Kopf in frontaler Richtung gegen die Pfanne gekehrt zu erhalten. Ich habe nun in neuerer Zeit versucht, durch eine Sehnenoperation die durch den Gipsverband erzwungene Einwärtsdrehung dauernd festzuhalten. Die erste Gelegenheit bot mir ein 21jäh- riger Pat., bei welchem in Folge von Knieresektion eine hässliche und störende "Auswärtsstellung des Fußes zurückgeblieben war. Ich habe bei diesem Pat. nach vorherigen Versuchen an der Leiche folgende Operation ausgeführt: Vermittels eines handbreiten Längsschnitts am oberen Ende des Schenkelknochens wurde die untere Hälfte der Sehne des Glutaeus maximus vom Knochen und der Fascia lata abgetrennt. Unter starker Abduktion und Einwärtsrotation des Beines wurde hierauf die Rückseite des kleinen Trochanters freigelegt, mittels eines etumpfen Hakens die an der Vorderseite dieses Knochenvorsprungs angeheftete Sehne des Ileopsoas hervorgezogen und abgeschnitten. Jetzt wurde der abgelöste Sehnen- zipfel des Glutaeus maximus an die Vorderseite des durchbohrten kleinen Tro- chanters angenäht, die Wunde geschlossen und ein Gipsverband bei stark einwärts rotirter Stellung über Bein und Becken gelegt. 5 Wochen nach der Operation wurde letzterer entfernt und das Bein in gut einwärts gekehrter Stellung, ohne Neigung zur Auswärtsrotation gefunden, vorsichtshalber der Verband jedoch noch einmal erneuert. Vor Kurzem habe ich sodann bei einem 3!’jührigen Kinde mit doppelseitiger angeborener Hüftluxation, bei welchem an der einen Seite die Re- tention wegen Anteversionsstellung des Halses nicht gelungen war, dieselbe Ope- ration ausgeführt. Auch hier erfolgte die Heilung primär unter dem Gipsverband; doch muss letzterer natürlich noch längere Zeit liegen bleiben. Durch die Tenc- tomie des Ileopsoas wird die Wirkung dieses Muskels mit seiner stark auswärts- drehenden Komponente abgeschwächt; durch die Verlagerung der Sehne des Glutaeus maximus von der Außenseite an die Innenkante des Oberschenkels wird

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die untere Hälfte dieses starken Auswärtsdrehers in einen Einwärtsdreher ver- wandelt. Sollte es durch die ziemlich einfache und gefahrlose Operation gelingen, den antevertirten Hals und Kopf ohne Beihilfe von Apparaten dauernd gegen die Pfanne einzustellen, so wäre eine wichtige Etappe bei der Behandlung dieser schwierigen Fälle gewonnen, und es erübrigte nur noch, bei zu starker Einwärts- stellung des Fußes die operative Auswärtsdrehung des unteren Schenkelendes nach Schede hinzuzufügen. (Selbstbericht.) (Schluss folgt.) ä

18) C. Audry. Über das wirkliche Vorhandensein Cohnheim’scher embryonaler Keime. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 1.)

Verf. hat zufällig in einem Hautstück in der Cutis einen vollständigen Epi- dermisfetzen gefunden, ohne dass er eine Verletzung nachweisen konnte er deutet denselben im Sinne der Cohnheim’schen versprengten Keime.

Jadassohn (Bern).

19) Dorst und Delbanco. Zur Anatomie der strichförmig angeord- neten Geschwülste der Haut (Acanthoma bezw. Epithelioma adenoides cysticum und »Adenoma sebaceum« bezw. multiple umschriebene Talgdrüsenhypertrophie. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 7.)

Der sehr interessante Fall eines strichförmigen Naevus, in dem neben einander Talgdrüsennaevi und die als Epithelioma adenoides cysticum bezeichnete Geschwulst- form vorhanden waren, wird von den Verff. hier nur in Kürze geschildert. Beide Geschwulstformen werden als Missbildungen von Haaranlagen angesehen, die Cystenbildung auf Erweichung und Verflüssigung von Bindegewebe zurückgeführt.

Jadassohn (Bern).

20) J. Sellei. Lymphangioma cutis. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIIL No. 3.)

Aus der Krankengeschichte des 18jährigen Mannes ist hervorguheben, dass die Hautveränderungen an der linken Schulter schon seit frühester Kindheit be- standen, aber erst im 13. Jahre größere Dimensionen annahmen, und zwar trat: jede neue Eruption unter starkem Fieber auf. Außer den charakteristischen Bläs- chen waren kapillare Hämorrhagien, Angiome und warzenartige Biliungen vor- handen. Die histologische Untersuchung sprach für das Vorhandensein von wirk- lich neoplastischen Bildungen; um Lymph- und Blutgefäße war eine entzündliche Infiltration auch in der Tiefe des Corium vorhanden. Die Frage nach der Ent- stehungsweise dieser J,ymphangiome (Stauung, Neubildung oder beides) vermag auch S. nicht definitiv zu lösen. Jadassohn (Bern).

21) F. Westberg. Ein Fall von mit weißen Flecken einhergehender, bisher nicht bekannter Dermatose. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 7.)

W. beschreibt einen Fall von kreideweißen, glatten Flecken mit »kartenblatt- ähnlichere Resistenz bei einem jungen Mädchen; die Herde traten nach Masern auf und entwickelten sich außerordentlich langsam. Histologisch fand sich kolla- gene Hypertrophie, starke Färbung durch Methylenblaw und Säurefuchsin, Mast- zellenansammlung; es besteht also keine Geschwulstbildung, sondern eine Ernäh- rungsstörung der Bindegewebsfasern. Sklerodermie glaubt Verf. ausschließen zu können; es scheint sich um eine »>neue Krankheit« zu handeln.

Jadassohn (Bern).

Centralblatt für Chirurgie. No. 23. i 631

22) F. v. Krzysztalowicz. Ein Beitrag zur Histologie der idiopathi- schen diffusen Hautatrophie. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 8 u. 11.)

Von diesem ätiologisch noch wenig aufgeklärten Krankheitsbild veröffentlicht Verf. einen nach manchen Richtungen bemerkenswerthen Fall, in dem vielleicht auf Grund einer Verletzung Infiltration mit nachfolgender Scohrumpfung und Verdünnung der Haut an einem Bein auftrat; atrophische Herde fanden sich auch an anderen Körperstellen. Die histologische Untersuchung hat nichts wesentlich Neues ergeben. (Nicht berechtigt ist bis jetzt die Zusammenwerfung der » Atrophia maculosa cutise mit der diffusen idiopathischen Atrophie; auch histologisch schei- nen wesentliche Unterschiede zu bestehen. Ref.) Jadassohn (Bern).

23) P. A. Pawlof. Ein Fall von Dystrophie papillaire et pigmentaire (Acanthosis nigricans.) (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIV. No. 6.)

Der von P. beobachtete Fall dieser seltenen, durch dunkelpigmentirte, chagrin- lederartige, bis verruköse Plaques charakterisirten Dermatose ist besonders darum interessant, weil die Krankheit bei einem jungen Mann auftrat, welcher ein Trauma in der Magengegend erlitten und noch nach vielen Jahren eine druckempfindliche Stelle dort hatte. Das Allgemeinbefinden war wesentlich gestört; der Salzsäure- gehalt des Magens stark vermindert. Da nun bei Acanthosis nigricans meist ab- dominelle bösartige Geschwülste gefunden worden sind, so musste man auch hier an eine solche denken; doch wäre es wohl möglich, dass nur eine durch die Verletzung bedingte Sklerose im Gewebe vorhanden war. Uber die histologischen Veränderungen muss das Original nachgelesen werden. Jadassohn (Bern).

24) v. Karworski. Ein Fall von Hoypertrichosis auf einem von gonorrhoischem Gelenkrheumatismus ergriffenen Arm. : (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 5.)

Verf. beobachtete, dass in einem Falle von gonorrhoischer Gelenkentzündung eines Handgelenks in sehr kurzer Zeit eine starke Hypertrichosis eintrat, welche sich weit über die Gegend der entzündlichen Schwellung und der durch die Be- handlung gereisten Gegend hinaus erstreckte. Einen ähnlichen Fall hat Joseph veröffentlicht. v. K. möchte neben der Möglichkeit einer »trophoneurotischen« Störung im Sinne v. Leyden’s auch die einer toxischen Beeinflussung, wie bei den bekannten Hyperkeratosen gonorrhoischer Natur in Betracht ziehen.

Jadassohn (Bern).

25) O. Ehrmann. Beitrag zur Kasuistik seltener Nagelkrankheiten. »Onychoschisis symmetrica«. (Symmetrische »Lamellenbildung« oder »Flächenspaltung« der Nagelplatte.)

(Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 7.)

Ein sehr merkwürdiger Fall, in welchem an beiden Zeigefingern die Nägel- platten aus 2 Lamellen bestanden, und zwar in ihren distalen 2 Dritteln. Ursache unbekannt. Durch Kurzschneiden der Nägel besserte sich der Zustand allmählich.

Jadassohn (Bern).

26) @. Berg. Seltene Komplikationen eines Furunkels. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 10.)

Der Pat. B.’s erkrankte im Anschluss an einen chirurgisch behandelten Kar- bunkel an einer akuten eitrigen Prostatitis, Cystitis, Pyelonephritis und vereiternder Epididymitis; die Heilung ging glatt vor sich. Nach einiger Zeit wieder Kar- bunkel als Folgeerscheinung Ischias. B. deutet die Prostatitis als metastatische und führt die Infektion des Urogenitaltrakts auf die Prostatitis zurück.

Jadassohn (Bern).

632 Centralblatt für Chirurgie. No. 23.

27) Lortet und Genoud. Phototherapeutischer Apparat zur Anwendung der Finsen’schen Methode ohne Kondensator. (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 3.)

Die Finsen sche Lichtbehandlung ist in ihren Erfolgen nicht mehr bestritten; eine Vereinfachung des Instrumentariums, durch welche diese Methode weiteren Kreisen zugänglich werden würde, wäre mit großer Freude zu begrüßen. Verf. haben eine solche versucht, indem sie den Kondensator wegließen und die zu behandelnde Hautfläche möglichst nahe an die Lichtquelle brachten; die Erwärmung wird durch einen Schirm mit Doppelwänden und Wassercirkulation verhindert. Der Apparat soll den Vortheil viel geringerer Kosten, kürzerer Expositionsseit, größeren Wirkungskreises baben wie er sich in der Praxis bewährt, muss die Zukunft lehren. Jadassohn (Bern.

28) M. Bockhart. Über die Behandlung der Ichthyosis. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 12.)

Die Ichthyosis galt bisher als eine unheilbare Krankheit spontane Besse- rungen kommen zweifellos vor; regelmäßige Pflege kann die Haut immer in sehr gutem Zustand halten. B. glaubt mit Unna, dass durch eine mehrjährige konsequente Schwefelbehandlung eine wirkliche Heilung bei jungen Individuen zu Stande kommen kann und giebt zum Beweis dafür eine Krankengeschichte. Außer einem Seifenbad bekam das Kind 3mal täglich eine energische Einreibung mit 5%iger Schwefelsalbe, außerdem 2mal jährlich 6 Wochen hindurch Wiesbadener resp. Kreuznacher Bäder. Diese Behandlung wurde zuerst 3 Jahre ohne Unter- brechung fortgeführt; dann nach je einem Recidiv noch 2mal je 3 Jahre; seither ist 51/3 Jahre lang kein Recidiv eingetreten. Jadassohn (Bern).

29) J. Burmeister. Ein Fall von Schwefelwasserstoff- (resp. Schwefel- alkali-) Vergiftung bei einem Krätzekranken nach äußerlicher An- wendung von Pottasche-Schwefelsalbe.

(Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVIII. Hft. 3.)

Die Anwendung von Schwefelalkalisalben (die im vorliegenden Falle ver- wendete enthielt 10% Kali carbonicum und 40% Schwefel) galt bisher wohl als ganz ungefährlich. In einem vom Verf. beobachteten Falle trat nach der dritten Einreibung mit dieser Salbe eine sehr schwere (aber glücklich verlaufene) Ver- giftung ein, die als Schwefelalkalivergiftung gedeutet wird. Verf. will daher den Gebrauch dieser Salbe auf gesunde und kräftige Individuen beschränkt sehen. Ref. verwendet Schwefelsalbe ohne Alkali nach einem Seifenbad und ist mit den Resultaten dieser ambulant durchgeführten Kur recht zufrieden.

Jadassohn (Bern.

30) Ortiz de la Torre. Sutura de la arteria femoral. (Revista de medicina y cirürgia präcticas 1902. No. 723.)

30jähriger Mann erlitt eine Verletzung durch Einstoßen eines Nagels in die Gegend des Scarpa’schen Dreiecks. Es entwickelte sich eine pulsirende Ge- schwulst von der Größe einer Orange. Wegen der Nähe der Art. profunda femoris wurde von der Unterbindung der Femoralis abgesehen, die nach Freilegung eine 1 cm lange Risswunde aufwies. Die Naht der Arterie erfolgte in 3 Schichten; die erste mit Katgut ausgeführte Nahtreihe umfasste sämmtliche Scheiden des Gefäßes und durchsetzte die Lichtung. Die zwei weiteren Nahtreihen wurden mit Seide nur durch Media und Adventitia gelegt. Ungestörte Heilung.

Stein (Berlin.

Originalmittheilungen, Monographien und Separstabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder au die Verlags-

handlung Breitkopf $ Hüärtel, einsenden. E

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

E. m Bergam, P, Kinie, E Rite,

Neunundzwanzigster Jabrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

No. 24. Sonnabend, den 14. Juni. 1902.

Inhalt: C. Springer, Ein neuer Deckverband. (Original-Mittheilung.) |

1) Archiv für klinische Chirurgie Bd. LXVI. 2) Trendelenburg, B. v. Langen- beck. 3) Schnitzler, Blutuntersuchungen bei Eiterangen. 4) Friedländer, Sar- kome und Plasmazellen. 5) Winkler, 6) Herz, 7) Porosz, 8) Leistikow, 9) Westberg, 13) Berger, Zur Gonorrhoe. 11) Loison, Syphilisbehandlung. 12) Welander, 13) Bockhart, Quecksilberwirkung. 14) Sellel, 15) Jerdan, Jodwirkung. 16) Gold- thwait, Spondylitis. 17) Balacescu, Sympathycusresektion. 18) Schroeder, Ver- letzungen des Phrenicus. 19) Kaufmann, Stypticin. 20) Porosz, Bettnässen, Pollu- tionen. 21) Englisch, Prostataatrophie. 22) Logano, Litholapaxie. 23) Schmie- den, Nebenniereneinheilung. 24) Englisch, Cysten in der Rhaphe der Geschlechts- organe. 25) Tavel, Vaginismus und Pruritus vulvae. 26) Qu6nu und Bouquet, Geschwülste der Tuben.

27) I. Ortbopädenkongress. 28) de Gaetano, Abscess durch Bacterium coll. 29) Bobroft u. Rudneft, Knochenneubildung durch Staphylokokken bedingt. 30) Hirsch- bruch, Zur Gonorrhoebehandlung. 31) Friedländer, 32) Strauss, 33) Karcher, 34) Mac- Gowan, Zur Syphilisfrage. 35) Hildebrand, Hagenbach, Courvolsier, Müller, Hägler und Wyss, Jahresbericht. 36) Hildebrand, Beiträge zur Ohirurgie. 37) Küümmell, Wirbelsäulengeschwülste. 38) Hagenbach, Steißgeschwulst. 39) Porter, Blasenstein. 40) Smith, Blasen-Scheidenfistel.

Ein neuer Deckverband. Von

Dr. Carl Springer, Sekundärarzt der chir. Abtheilung Prof. Dr. C. Bayer am Kaiser Franz Joseph- Kinderspital in Prag.

Wenn gleich der dem Lister’schen Verbandarmamentarium ent- stammende Protektive-silk in seiner ursprünglichen, von vorn herein schon wegen des Gehaltes an Phenol bedenklichen Form kaum mehr in Gebrauch steht, hat das Bedürfnis nach einem glatten, der Wunde nicht anklebenden Verbandmittel bei plastischen Operationen an der Haut Stoffe, die im Wesentlichen auf das Princip des Protektive-silk hinauslaufen, unter Weglassen des Phenolzusatzes andauernd in Ge- brauch erhalten. Es gehören hierher der gefirnisste Seidentaffet, mit

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Kautschuk, Vaselinen oder Fetten imprägnirte Seide oder Baum- wollengewebe, die sich von der sonst souveränen hydrophilen Gaze dadurch vortheilhaft unterscheiden, dass sie der Nahtfuge oder den transplantirten Läppchen nicht ankleben, mit den Nahtenden sich nicht verfangen, so dass der Wechsel des Verbandes ohne Zug und Zerrung der Wunde vor sich geht.

Die genannten Stoffe haben aber einen großen Fehler: sie leiden in Form und Konsistenz zu sehr bei der Sterilisirung durch das Kochen, man kann dies nicht gut öfter als einmal mit ihnen vor- nehmen und ist daher darauf angewiesen, sie nachher in antisepti- schen Flüssigkeiten eingelegt aufzubewahren. So muss man dann vor dem Gebrauch jedes Mal erst durch Abspülen die anhaftende Schicht des Antisepticum zu entfernen trachten, was in idealer Weise nicht möglich ist. Bei der meist gebräuchlichen Verwendung von Karbolglycerin oder Formalinlösungen läuft man Gefahr, Theile davon mit auf die Wunde zu bringen. Jene Materialien entsprechen daher nicht den Forderungen der Asepsis.

Auf der Suche nach einem zweckentsprechenderen Material kam ich auf das Paraffin, dessen Verwendung sich so vorzüglich be- währte, dass ich mir hierdurch auf dieses aufmerksam zu machen erlaube.

Lässt man in einem flachen Gefäße mit kochendem Wasser ein kleines Stückchen Paraffin von 45—47°C. Schmelzpunkt zerfließen, so bildet sich beim Erkalten auf der Oberfläche ein zartes Häutchen von wiedererstarrtem Paraffin, welches bei einer Temperatur von 35—40°C. eine solche Geschmeidigkeit hat, dass man es in jeder Form schneiden und biegen, der Wunde anpassen kann. Mittels einer Nadel kann man es nach Wunsch durchlöchern, um für freien Sekretabfluss vorzusorgen.

Dieses Paraffinhäutchen erfüllt alle Bedingungen, die man aus den oben genannten Gesichtspunkten an ein solches Verbandmittel stellen kann. Es ist von glatter Oberfläche, klebt nicht an, sondern wird beim Verbandwechsel mit der darüber gelegten Gaze abgehoben, es bleibt geschmeidig bei Hauttemperatur, frei von Jedem Antisepti- cum reizt es nicht, ist sehr billig und vor allen Dingen sicher steril zu machen, da man es nach Belieben lange kochen kann. Den Fetten gegenüber hat es den Vorzug, dass es sich nicht ver- schmiert, sondern fest bleibt, und dass es so die darüber liegenden Gazeschichten nicht imprägnirt, sondern trocken und saugkräftig lässt.

Als einen weiteren, wenn auch vielleicht nur theoretischen Vor- theil vor den bisher üblichen, meist grünen oder braunen Protektiven möchte ich, so gesucht es auch klingen mag, seine Lichtdurchlässig- keit anführen. In der ganzen Heilkunde wird jetzt das direkte Licht auch als lokales Heilmittel angewendet, nur der Chirurg ist gezwungen, durch den Verband mit dem nöthigen Abschluss der Wunde von der Außenwelt auch dem Licht den Zutritt zu ver- sperren und dieselbe damit einer vielleicht nicht unwesentlichen

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Hilfs- oder Schutzmacht zu berauben. Zukünftige Untersuchungen mögen diese Erwägung als nicht allzu gegrübelt erscheinen lassen.

Hinsichtlich der praktischen Durchführung gestaltet sich das Verfahren sehr einfach: In einem flachen mit Deckel versehenen Gefäß erhitzt man eine Wassermenge von 3—4 cm Höhe auf 100° C., wirft ein kleines Stückchen Paraffin von 45—47°C. Schmelzpunkt hinein und lässt das Wasser 10 Minuten weiter kochen. Sodann stellt man das Gefäß in kaltes Wasser, wodurch in kurzer Zeit das Paraffin gerinnt und als feines Häutchen die Oberfläche bedeckt. So wie diese Gerinnung sich vollzogen hat, stellt man das Gefäß in Wasser von 40° C., wodurch sich die Temperatur der Paraffinschicht so hoch erhält, dass es biegsam bleibt.

Mit der Temperatur des Wassers, in welches man das Gefäß stellt, braucht man es übrigens nicht sehr genau zu nehmen, und wenn man das Verfahren ein paar Mal gemacht hat, so lässt man gewöhnlich das Einsetzen in laues Wasser überhaupt weg und stellt nur sofort nach Eintritt der Gerinnung das Gefäß auf einen Glas- tisch; bei der ohnehin etwas höheren Temperatur eines Operations- saales bleibt das Paraffin geschmeidig genug, im Nothfall ist durch Zugießen von warmem sterilem Wasser jeder Zeit der gewünschte Grad von Geschmeidigkeit zu erreichen.

Mittels einer geglühten Nadel durchlöchert man das Häutchen so weit nöthig noch auf dem Wasser schwimmend, schneidet mit der Schere ein entsprechend großes Stück heraus und legt es mittels zweier Pincetten mit der dem Wasser zugekehrt gewesenen Fläche auf die Wunde. Darüber kommt eine Lage steriler Gaze.

Hinsichtlich der Dicke der Paraffinschicht ist es Sache kurzer Übung, dieselbe nach Wunsch zu erzielen, ich rechne gewöhnlich 1—2 ccm Paraffin auf 50 qem Oberfläche der Wassersäule. Wichtig ist, während des Erstarrens mit dem Gefäß nicht zu schütteln, damit die Dicke eine gleichmäßige wird.

1) Archiv für klinische Chirurgie. 1902. Bd. LXVI. Berlin. A. Hirschwald, 1902.

Der vorliegende 66. Band des Langen beck’schen Archivs für klinische Chirurgie, mit dem Rilde Franz König’s geschmückt, ist diesem zur Feier seines 70. Geburtstages gewidmet. In 36 Arbeiten seiner einstigen und jetzigen Schüler aus allen Gebieten der Chi- rurgie, durch eine große Fülle von Arbeit ist dem Jubilar eine ehrende Huldigung dargebracht. Die größte Zahl der Verf. tragen ın der Fachlitteratur wohlbekannte Namen, eine Reihe der Autoren gehört zu den Autoritäten unserer Specialwissenschaft. Das Gesammt- werk ist ein stattliches und schönes Denkmal für die Schule König’s. Die einzelnen Aufsätze werden noch gesondert in diesem Blatte re- ferirt werden. E. Siegel Frankfurt a/M.).

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2) F. Troendelenburg. Erinnerungen an Bernhard von Langenbeck. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 14.)

Jedem, dem es Freude macht, Züge aus dem Leben des großen Meisters der Chirurgie kennen zu lernen, werden diese aus warmem Herzen und vorzüglicher Beobachtung geschriebenen Erinnerungen ein großer Genuss sein, und Verf. hat sich durch die Mittheilung sicher den Dank vieler Fachgenossen erworben. Borchard (Posen).

3) J. Schnitzler (Wien). Über die Verwerthung der mikro- skopischen Blutuntersuchung zur Diagnostik und Indikations- stellung bei intraabdominalen Eiterungen.

(Wiener klin. Rundschau 1902. No. 10.)

Im Anschluss und zum Theil im Gegensatz zu Curschmanns jüngster Arbeit über die Leukocytose präcisirt Verf. seine Ansicht in der Weise, dass auch er überzeugt ist, dass bei Appendicitis Zunahme der Leukocytose zweifellos eine Zunahme des Exsudats beweise, und zwar sicherer als die Temperaturtabelle und als die meisten physikalischen Untersuchungsbefunde; dass ferner Hoch- bleiben oder Anwachsen der Leukocytose nach Entleerung eines Abscesses mit Sicherheit eine Eiterretention oder einen neuen Ab- scess bedeute; Pneumonie freilich muss auszuschließen sein. Im Gegensatz zu Curschmann aber ist S. der Meinung, dass jedes klinisch nachweisbare appendicitische Exsudat Eiter enthalte, und dass man nicht den Schluss machen dürfe, Fälle ohne ansteigende Leukocytose gehörten in das Gebiet der inneren Medicin. Giebt es doch frische Fälle von Gangrän, ja frische Fälle von Perforation des Processus vermiformis ohne Eiterung und in Folge dessen ohne Leukocytose.

So scharf also die Leukocytose zur Diagnose der Eiterung ver- wendet werden kann, so wenig soll sie entscheidend sein bei der Indikationsstellung zur Operation. Schmieden (Bonn).

4) G. Friedländer. Sarkome, Riesenzellensarkome und

Plasmazellen. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVLU. Hft. 1.)

Verf. trat der Frage näher, wie sich die Unna’schen Plasma- zellen zu echten Geschwülsten, und zwar besonders zu Sarkomgewebe verhalten. Unna selbst hält Plasmazellen und Sarkomzellen fast für identisch und glaubt, dass die letzteren aus den ersteren durch Atrophie des körnigen Plasmas entstünden. Entgegengesetzt sind die Resultate v. Marschalko’s, welcher die Plasmazellen als Zeichen der Reaktion des gesunden Gewebes gegen das wachsende Sarkom auffasst. Eben so treten Pappenheim, Enderlen und Justi

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für die Verschiedenheit beider - Zellarten ein. Auf Grund seiner eigenen Untersuchungen ist F. der Anschauung, dass reines Sarkom- gewebe keine Plasmazellen enthält. Er hält letztere für ein Symptom der Entzündung des Nachbargewebes. Das Freisein von Plasma- zellen sieht er als ein Moment an, das für ein echtes Sarkom spricht. Das Vorhandensein von Plasmazellen dagegen spricht nicht einfach dagegen; es kommt vielmehr die Überlegung hinzu, ob in der Um- gebung der Geschwulst ein entzündlicher Process vorhanden ist, ob das Geschwulstgewebe selbst bereits entzündet oder die Neubildung auf entzündlicher Basis entstanden ist. Es bleibt der subjektiven Überlegung anheimgestellt, ob man die Plasmazellen als Symptom einer Entzündung des Sarkoms oder ob man sie als integrirende Bestandtheile der betreffenden Neubildung betrachten will. Sechs Riesenzellengeschwülste der Knochen, die untersucht wurden, gaben übereinstimmend den Befund, dass die Riesenzellen Plasmareaktion zeigten, doch unterscheiden sich nach Benda diese Zellen von den typischen Plasmazellen durch ihre Größe, durch ihre äußerst dichte und feine fibrilläre Struktur und die Beschaffenheit des Kerns, der eine starke Chromatinaußenschicht und ein großes Kernkörperchen besitzt. Sie sind am meisten den Angioblasten ähnlich. Zwei andere Geschwülste, Sarkome der Sehnenscheide und des ÖOberschenkels, dagegen unterschieden sich dadurch, dass ihre Riesenzellen keine Plasmareaktion gaben, und dass sie keine den Plasmazellen ähnliche Gebilde aufwiesen. Man kann also jene 6 Riesenzellensarkome nicht in eine Gruppe zu den übrigen Sarkomen bringen. Jedenfalls ist es differentialdiagnostisch sehr wichtig, in jedem Falle festzustellen, ob die Riesenzellen Plasmareaktion geben und mit Recht normalen Myeloplasten in Analogie gestellt werden können oder nicht, und ob die charakteristischen, den Plasmazellen ähnlichen Zellen in der Neubildung vorhanden sind oder nicht. Die Prognose und Therapie werden sich danach richten, letztere bezüglich einer konservativeren oder radikalen Maßnahme. Die Geschwülste, die durch plasma- zellenähnliche Gebilde gekennzeichnet sind, zählen wahrscheinlich zu der gutartigen Gruppe. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

5) F. Winkler. Zum Nachweis von Gonokokken in Urethral- fäden. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 6.)

Die Thatsache, dass sehr oft bei chronischen Urethritiden Gonokokken in den Fäden nicht oder erst nach sehr langem Suchen zu finden sind, ist allgemein anerkannt. Daher ist die Differential- diagnose zwischen der eigentlich gonorrhoischen und der postgonor- rhoischen Urethritis eine sehr ;schwierige. Die Behauptung, dass, wo Eiterkörperchen vorhanden sind, auch noch Gonokokken ver- borgen sein müssen, ist durch tausendfältige Erfahrung als unrichtig widerlegt. Trotzdem muss natürlich jedes Mittel, die Untersuchung auf Gonokokken zu vervollständigen, willkommen geheißen werden.

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W. schlägt vor, mit einem »weiblichen Glaskatheter aus den in der Schleimhaut liegenden Taschen und Drüsen die darin liegenden Eiterpfröpfe zu aspiriren«e. Er betont ferner, dass in den im Urin schwimmenden Fäden die Gonokokken bald ihre Färbbarkeit verlieren; Chloroform- oder Thymolzusatz schützt dagegen nicht, wohl aber Formalin, am besten in Form von Formalindämpfen; man kann die Konservirung noch vollkommener machen, wenn man den Urin vom Sediment abgießt und Alkohol zusetzt.

W. glaubt, dass es das im Urin vorhandene Trypsin ist, welches die Gonokokken zerstört, und dessen Wirkung durch Formalin, nicht aber durch Aufkochen verhindert wird.

Auch durch Hinzufügung einiger Tropfen Karbolfuchsin wird die Färbbarkeit der Gonokokken erhalten; für das formalinisirte Sediment hat sich Neutralroth als besseres Färbungsmittel erwiesen als Methylenblau; das letztere wirkt am besten in Form des poly- chromen Methylenblau mit Glycerinätherentfärbung.

Jadassohn (Bern).

6) A. Herz. Zur Therapie der Prostatitis chronica blennor-

rhoica. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 7.)

Speciell bei den nur die Ausführungsgänge betreffenden Ent- zündungen der Prostata ist außer der Massage die Anwendung von Spüldehnungen zu empfehlen, für welche H. ein neues, aus- schließlich die Pars posterior berücksichtigendes Instrument hat kon- struiren lassen. Er benutzt bei veralteten Fällen !t/3—1 % ige Ichthyol- lösung; sind noch Gonokokken vorhanden, so empfehlen sich Lösungen von Argent. nitr. (0,25—0,5%) und von Ichthargan (0,1—0,25%); Temperatur 40—50°C., 2—3 Liter, ca. 15 Minuten. Die Eiterkörper- chen werden dadurch zwar nicht vollständig beseitigt, wohl aber die Gonokokken. Von anderen Proceduren hat sich der faradische Strom (Rectalelektrode) bei Impotentia coeundi bei Prostatitis bewährt; ferner der Thermopsychrophor, manchmal auch der galvanische Strom. Mit Recht warnt Verf. vor dem »Zuviel«e und vor dem prognostischen Pessimismus mancher Autoren. Jadassohn (Bern).

7) M. Porosz. Über Epididymitis sympathica et blennor-

rhoica. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 1.)

Der Verf. beschreibt eine »sympathische Epididymitis« nach »geschlechtlichen Reizen, die einen normalen Abschluss nicht finden«. Der Nebenhode schwillt an, wird schmerzhaft, meist aber nur bis 24 Stunden; in anderen Fällen aber dauert der Zustand mehrere Tage; das kommt auch bei Menschen vor, die nie eine Gonorrhoe gehabt haben oder keine Spur einer solchen mehr aufweisen. Diese

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Erkrankung führt P. auf reflektorisch ausgelöste Cirkulationsstörungen zurück. Während bis hierher die Beobachtungen und Anschauungen des Verf.s ganz berechtigt sind, wird er in den folgenden Aus- führungen wohl auf Opposition stoßen. Er glaubt nämlich, dass auch die Epididymitis bei Gonorrhoe, nach Lithotomia perinealis, Hernienoperationen, Prostatamassage etc. in gleicher Weise entsteht. Er hält es für ausgeschlossen, dass eine Epididymitis durch Trans- port des Krankheitsstoffes auf dem Wege des Vas deferens zu Stande komme, ohne dass dieses selbst erkrankt es sprechen doch aber auch andere Erfahrungen dafür, dass pathogene Bakterien und Toxine in röhrigen Organen fortgeleitet werden, ohne sie in Entzündung zu versetzen. Zur Unterstützung seiner Ansicht führt P. einen Thier- versuch an, welcher beweisen soll, dass nach Durchschneidung des Vas deferens eine Reizung des centralen Theiles Epididymitis bedingen kann. Der Nachweis der Gonokokken in vereiterten Epididymitiden macht es sehr wahrscheinlich, dass auch die nicht vereiternden Entzündungen auf die gleiche Ursache zurückzuführen sind. P. behandelt die Urethra bei Epididymitis weiter, lässt die Pat. wenn möglich mit gut sitzendem Suspensorium herumgehen, event. warme Umschläge statt kalter machen. Jadassohn (Bern).

8) L. Leistikow. Ichtharganbehandlung der chronischen Gonorrhoe. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 7.)

Von 128 Fällen chronischer Gonorrhoe wurden 92 durch Ichthar- gan geheilt; dasselbe bewährte sich als gonokokkentödtendes und entzündungswidriges Mittel bei Urethritis chronica ant. mucosae in 0,1—0,3% iger Katheter- oder Janet’scher Irrigation; bei Urethritis chron. ant. glandularis besser als Ultzmann’sche Pinselung in 3 bis 5%iger Stärke; bei Urethritis chron. ant. follicularis eben so und in Kombination mit Dilatation resp. Skarifikation; bei Urethritis chron. ant. et post. mucosae: als 0,075—0,3 %ige Injektion mit Ultzmann’s Irrigationskatheter oder als 1—5 ige Einträufelung mittels des Harn- röhreninjektors; dazu kommen Salbensonden (5 %ige) und Massage mit 3 % iger Vaseline oder ein 1 %iges Klysma bei gleichzeitiger Schwellung des Caput gallinaginis und chronischer Prostatitis und 0,1—0,2 % iger Blasenspülung bei Cystitis chronica. Jadassohn (Bern).

9) F. Westberg. Zur Therapie der Epididymitis sympathica et blennorrhoica. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIII. No. 6.) W. giebt im subakuten Stadium der Epididymitis 1—1,5 g Jod- kalium pro die längere Zeit hindurch, d.h. 4—6 Wochen; dadurch sollen sich die zurückbleibenden Verdickungen am ehesten vermeiden

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lassen. Man soll mit dieser Behandlung erst anfangen, wenn der Katarrh der Harnröhre schon sehr gering geworden ist. Jadassohn (Bern).

10) Berger. Die Massage der Urethra. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIV. No. 5.)

Da die bisherigen Versuche, die Harnröhre zu massiren (Massage des Penis oder auf einer Bougie) sich nicht eingebürgert haben, hat B. ein eigenes Instrument konstruirt, mit welchem die Massage gut gelingt und günstige Resultate ergeben soll. Ein einem Urethro- skop ähnliches Metallrohr ist mit 4 Längsschlitzen versehen; nach der Einführung wird Glycerin und Wasser zu gleichen Theilen ein- gegossen (3—4 ccm), und nun werden drehende Bewegungen gemacht, durch welche die in die Längsschlitze sich einpressende Schleimhaut massirt wird. Man kann der Flüssigkeit auch Medikamente (Ar- gentum, Jod, Ichthyol) zusetzen oder zugleich eine Spülung der Harnröhre vornehmen. Indicirt ist die Methode bei weichen Infil- traten, chronischer granulirender Urethritis, Epithelverdickungen etc. Da sie Beschwerden nicht verursacht, kann sie täglich angewendet werden. Jadassohn (Bern).

11) Loison (Paris). Note sur le traitement de la syphilis

par les injections d'oxyde jaune de mercure. (Arch. de méd. et de pharm. militaire 1902. No. 1.)

L. hat das gelbe Quecksilberoxyd in Gummilösung oder flüs- sigem Vaselin suspendirt als Injektion versucht und zieht es der Schmierkur wegen der Reinlichkeit und der genauen Dosirung, der internen Verabfolgung aber wegen der Nichtbelästigung des Darm- kanals vor. Nur selten hat L. größere Schmerzhaftigkeit, niemals aber unter den 1000 gemachten Einspritzungen einen Abscess oder Narbenknoten der Einspritzung folgen sehen. 4 Einspritzungen ge- nügen, in je einer Woche eine. Lühe (Königsberg i/Pr.).

12) E. Welander. Einige Worte über die Remanenz des

Quecksilbers im menschlichen Körper. (Archiv für Dermatologie und Syphilis Bd. LVII. Hft. 3.)

Verf. hat früher geglaubt, dass das Hg wesentlich im Blut »re- manire«. Er hat sich jetzt speciell durch Auswässerungsversuche in den Nieren davon überzeugen können, dass auch in diesen (wohl in den Epithelien?) relativ viel Hg zurückbleib. Nach Erwähnung einiger weiterer Befunde fordert W. auf, die verschiedenen Organe des Körpers nach dieser Richtung einer genauen Untersuchung zu unterwerfen. Jadassohn (Bern).

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13) M. Bockhart. Über die Ätiologie und Prophylaxe der merkuriellen Stomatitis und Proctitis. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIV, No. 3.)

Verf. hat mit bestem Erfolge die von Unna angegebene Kali chloricum-Paste zur Prophylaxe der merkuriellen Stomatitis an- gewendet. Er lässt 3—4mal täglich die Zähne und das Zahnfleisch mit einer weichen Zahnbürste (aus Dachshaaren) einpinseln und empfiehlt ganz besonders die Spalten zwischen Zahnfleisch und Zähnen und die Gegend der Weisheitszähne zu berücksichtigen. Sehr vor- theilhaft ist es, diese Behandlung schon einige Zeit vor Beginn der Quecksilberbehandlung vornehmen zu lassen; keinesfalls aber darf man mit ihr erst beim Auftreten der Stomatitis vorgehen. Ist diese ausgebildet, so wirkt Wasserstoffsuperoxyd besser, das aber prophy- laktisch viel weniger brauchbar ist. Bei der Behandlung mit der Unna’schen Paste bekommen bloß wenige Menschen, die eine Idio- synkrasie haben, Stomatitis. Das Kali chloricum wirkt (als Zahnpulver) antiseptisch und sekretionsbefördernd. B., der von der bakteriellen Natur der merkuriellen Stomatitis überzeugt ist, glaubt, dass mit der Prophylaxe der letzteren auch eine Prophylaxe der merkuriellen Proctitis erzielt wird; denn er hat die letztere seit der Anwendung der Paste nur noch selten (bei Idiosynkrasie) gesehen. Er glaubt, dass sie dadurch vermieden werden, dass die Bakterien der Stomatitis nicht mehr verschluckt werden. Er ist der eingehender begrün- deten Überzeugung, dass die im Mund und im Rachen sicher stattfindenden Reduktionsprocesse durch Hg gesteigert werden, dass durch die reducirende Wirkung des Hg im Gewebe dieses geschwächt und damit gegen die Mikroorganismen weniger widerstandsfähig wird. Die Mundsekrete bewirken dann nicht mehr die »Selbstreinigung« der Mundhöhle, die Mikroorganismen vermehren sich und bedingen Entzündung. Ob es sich dabei um eine bestimmte Bakterienart handelt, lässt B. dahingestellt. Jedenfalls ist die merkurielle Stoma- titis ein gutes Paradigma für die Bedeutung der hier künstlich von uns geschaffenen Disposition für Infektionskrankheiten.

Jadassohn (Bern).

14) J. Sellei. Die Wirkung der Jodkalien bei chlorfreier Diät. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIV. No. 5.) Entsprechend den Erfahrungen beim Brom hat S. versucht, ob auch Jod bei chlorfreier Diät besser wirkt und besser vertragen wird. Die erste Frage konnte er nicht entscheiden, doch glaubt er, dass auch bei relativ chlorfreier Diät zur Rückbildung syphilitischer Er- scheinungen größere Dosen Jod nothwendig sind. Jodismus trat aber auch bei chlorfreier Diät auf. (Er lässt sich nach S. auch nicht durch Brom, Atropin, Sulfanilsäure, Natr. bicarbon. vermeiden; Anti- 24**

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pyrin wohl noch das wirksamste Mittel gegen Jodismus er- wähnt Verf. nicht. Bef.). Jadassohn (Bern).

15) M. Jordan. Therapeutische Versuche mit Jodolen. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXII. No. 12.)

J. hat mit dem »Jodolenum internum« (einem Jodol-Eiweiß- präparat, das jetzt schwächer hergestellt wird, als früher) günstige Erfolge erzielt; man muss wegen des geringen Jodgehaltes 12—20 g pro die geben; Jodismuserscheinungen bleiben nicht aus, sollen aber leichter sein und kürzer dauern, als bei Jodkalium und Jodnatrium. Der Hauptwerth des neuen Präparats läge darin, dass es den All- gemeinzustand hebt (wegen des Eiweißgehaltes!,,. »Jodolenum ex- ternum« gab bei Ulcera mollia, Papeln etc. »ganz gute« Besultate.

Jadassohm (Bern).

16) Goldthwait. Osteo-arthritis of the spine; spondylitis deformans. (Boston med. and surg. journ. 1902. Mārs.)

Gewöhnlich wird diese Erkrankung mit unter die rheumatischen gerechnet, ist aber nicht zu verwechseln mit Arthritis deformans, bei welcher Atrophie des Knochens und Knorpels eintritt neben den Wucherungen, welche bei der vorliegenden Krankheit fehlt. Bei ihr tritt nur Verknöcherung der Knorpelscheiben und der Bänder, hauptsächlich der vorderen Längsbänder ein, und zwar meist einseitig, während der benachbarte Knochen unverändert bleibt. Auch findet keinerlei Ablagerung chemischer Substanzen, wie Urate u. dgl. statt. Der Beginn ist, außer in dem Halstheil, stets linksseitig und erstreckt sich auf längere oder kürzere Strecken; einzelne Knorpel- scheiben und Gelenke können dazwischen frei bleiben, trotz Über- wucherung der vorderen Gelenkränder. Die Knorpel können völlig resorbirt oder gänzlich in Knochen verwandelt werden. Daraus erklären sich verschiedenartige Stellungen der Wirbelsäule. Die Bänder der Rückseite können ebenfalls ergriffen werden, dies ist aber seltener.

Die Symptome sind Anfangs hauptsächlich Schmerzen und Be- schränkung der Beweglichkeit. Der Schmerz kann an der befallenen Stelle sitzen und, wenn im Rücken gelegen, häufig mit Lumbago verwechselt werden, zumal er oft anfallsweise auftritt; andererseits kann er an der befallenen Stelle fehlen und seinen Sitz ım Aus- breitungsgebiet der im befallenen Gebiet der Wirbelsäule austretenden Nerven, z. B. in Armen und Beinen, haben. Bei genauer Unter- suchung findet man dann in diesen Gebieten auch erst hyperästhe- tische, später anästhetische Stellen. Auch lokale Muskelkontraktionen zeigen sich. Dies Alles ist bei frischen Fällen nicht Folge des Druckes von Knochenneubildung auf die austretenden Nervenwurzeln, sondem einer Hyperämie in Umgebung der entzündlich erkrankten Knochen.

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Neuritis ist nicht die Ursache, da der Verlauf des Nerven unempfindlich auf Druck ist. Gewisse Bewegungen, oft auch Ruhelage, bei welcher die einzelnen Theile der Wirbelsäule durch ungenügende Fixation durchhängen oder die Wirbel sich gegen einander pressen, vermehren den Schmerz, der stets auf der einen Seite, wie der pathologische Befund erklärt, stärker ist. Die Haltungen der Wirbelsäule bei frischen Fällen erklären sich aus dem Bestreben, den Schmerz zu verringern. Beim Gehen und Stehen sind oft die Symptome deut- licher; Hinken ist bei tiefem Sitz der Affektion häufig wegen Mit- ergriffenseins des Psoasursprunge. Die Ursache der Erkrankung ist wahrscheinlich nicht einheitlich. Verf. legt großen Werth darauf, dass sie verhältnismäßig häufig nach selbst geringen Infektionen eintritt.

Die Behandlung hat vor allen Dingen den Körper angreifende Maßnahmen zu vermeiden. Trockene Wärme über den befallenen Stellen erleichtert wesentlich die Schmerzen. An innerlichen Mitteln wird neben kräftigender Diät Arsen, Strychnin, Eisen mit Vortheil verwandt, eben so Leberthran. Die Exkretion muss überwacht werden. Am wichtigsten ist Ruhigstellung der Wirbelsäule, und zwar in richtiger Lage, so dass weder eine Zerrung des erkrankten Bandapparates, noch ein Gegeneinanderdrücken der Wirbel stattfindet. Bettlage allein genügt desshalb nur in sehr leichten Fällen und im Beginn. Meist müssen Gipskorsetts und dergleichen Apparate angewandt werden, die bei Deformität häufig, unter Korrektur derselben, zu wechseln sind. Die Prognose ist bei frühzeitig in Behandlung kommenden Fällen gut, da bald die Schmerzanfälle nachlassen und völlige Ausheilung meistens eintritt. Selbst bei länger bestehender Krankheit und hochgradig deformirter Wirbelsäule ist oft noch voller Erfolg zu erzielen, wenn die Behandlung lange genug fortgesetzt wird. An 5 selbst beobachteten Fällen zeigt Verf. die verschiedenen Formen und den Einfluss der Behandlung. Vorzügliche Photographien zeigen die Haltung eines der Kranken, eben so das pathologische Verhalten des Knochens am anatomischen Präparat. Trapp (Bückeburg).

17) Balacesou. Die totale und bilaterale Resektion des Sympathicus cervicalis beim Morbus Basedowii. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVII. Hft. 1.)

Der N. sympathicus spielt nach Ansicht des Verf. eine nicht zu bestreitende Rolle in der Erzeugung der Basedow’schen Symptome. Er darf allerdings nicht als Grundursache der Erkrankung angesehen werden, er dient vielmehr lediglich als Verbindungsorgan für die Nervenleitungen zwischen der primären Ursache (Kropf oder Gehirn- affektion) und denjenigen Organen, deren Funktion wie die des Auges, des Herzens und der Schilddrüse sekundär verändert worden ist. Die zum Zweck der Unterdrückung der Sympathicusfunktionen angewandten Operationsmethoden sind folgende: die einfache Durch- trennung des Halssympathicus, die Ausreißung desselben, die Dehnung

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des Halssympathicus, die partielle Resektion desselben, die von Jonnesco zu einer größeren Ausdehnung vervollkommnet wurde, und die totale Resektion des Sympathicus cervicalis, die ebenfalls von Jonnesco zuerst beim Basedow ausgeführt wurde, und mit der er ausgezeichnete Resultate erzielte. Die Technik dieses Eingriffs ist im Detail genau beschrieben. Der schwierigste Theil desselben ist die Exstirpation des Ganglion cervicale inferius. Die Gefahren dieses letzteren Eingriffs haben eine Reihe Chirurgen bestimmt, die partielle ausgedehnte Resektion zu bevorzugen. Nach B.’s Anschauung ist indessen die Entfernung dieses Ganglion leicht und ungefährlich, wenn man die Lage desselben gut kennt und sich exakt nach den in der Arbeit niedergelegten Vorschriften richtet, besonders wenn man mittels des Jonnesco’schen Hakens die Art. und V. vertebralis, die V. jugularis, die Carotis und den N. vagus gut schützt. Auch die Pleurakuppe wurde in 130 Fällen von Sympathicusresektionen, die zum Theil bei Epilepsie vorgenommen wurden, niemals durch- bohrt. Trophische Störungen traten nie ein.

Verf. stellt 55 Krankengeschichten von Basedowpatienten zu- sammen, welche mit den oben genannten verschiedenen Methoden Operationen am Sympathicus durchgemacht haben. Aus einem Ver- gleiche der erzielten Resultate geht mit Bestimmtheit hervor, dass die totale und blilaterale Resektion des Halssympathicus der einfachen Durchschneidung und der partiellen ausgedehnten Resektion des Nerven weitaus überlegen ist, in so fern sie allein die größte Zahl der zum Auge, Herz, Gehirn und zur Glandula thyreoidea ziehenden sympathischen Leitungsbahnen zerstört. Sie allein ist im Stande, die Hauptsymptome wie auch die accessorischen Zeichen der Krankheit zu beseitigen und vollständige Heilung zu erzielen. Die anderen Methoden, die den Sympathicus weniger ausgedehnt angreifen, erfüllen nicht das wesentlichste Erfordernis, d. h. die Zerstörung aller sympathischen Leitungsbahnen, die das noch unbekannte Grund- leiden mit den in ihren Funktionen sekundär veränderten Organen verbindet. Darum sind sie zu verlassen. Die ausgedehnte partielle Resektion, also das nächstdem radikalste Verfahren, ist allein bei den Fällen von Morbus Basedowii in Betracht zu ziehen, in welchen nur geringe Tachykardie besteht. >Sind wir aber einmal von der Leichtigkeit und Ungefährlichkeit der Exstirpation des Ganglion cervicale inferius und des obersten Brustganglions, so wie von der Überlegenheit der Resultate der totalen Exstirpation überzeugt, so ist es sicherlich nicht rationell, uns oberhalb des Ganglion cervicale inferius aufzuhalten und letzteres zu verschonen.« Eingriffe, welche die Schilddrüse direkt in Angriff’nehmen, hält B. für sehr ernst und häufig von Misserfolgen begleitet.

Die Arbeit selbst ist aus der Klinik von Jonnesco, dem ener- gischen Verfechter der Sympathicusresektion bei der Basedow ’schen Krankheit, hervorgegangen. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

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18) W. E. Schroeder. Phrenic nerve injuries. Report of a case. Anatomical and experimental researches, critical

review of the literature. (Amer. journ. of the med. sciences 1902. Februar.)

S. wurde es aus verschiedenen Gründen zweifelhaft, dass eine Verletzung des Phrenicus eine tödliche oder doch äußerst gefähr- liche Schädigung sei. Er hat desshalb systematisch bei einer ganzen Anzahl von Halsdrüsenexstirpationen den Nerv mit der Pincette ge- kniffen, ja denselben bei einem näher beschriebenen Falle von tief- sitzender, stark verwachsener Geschwulst (Fibrom?), deren Enfernung ohne Verletzung des Nerven nicht ausführbar schien, unbedenklich durchschnitten und sekundär genäht. Als Folge der Verletzung trat weder Niesen noch Husten oder Singultus auf, nur war die Athmung für 4—5 Tage beschleunigt, und es ließ sich ein Hochstand des Zwerchfells auf der Seite der Verletzung (links) nachweisen mit Re- traktion des unteren Lungenlappens, die in 3 Wochen sich wieder ausglich, und leichte inspiratorische Einziehung des Bauches. Weitere Folgen blieben völlig aus.

S. machte darauf eine Reihe von Versuchen an Hunden. Zuerst riss er den Nerven heraus, doch ging dabei die Mehrzahl der Ver- suchsthiere an Pneumo- oder Pyopneumothorax in Folge von Pleura- verletzung ein. Später resecirte er daher größere Stücke aus dem Nerven. Die Thiere verloren in der ersten Woche an Gewicht, nahmen aber bald wieder zu und brachten den Verlust wieder ein. Bei ein- seitiger Resektion fand sich vermehrte Ausdehnung des Brustkorbes und leichte Einziehung des Bauches, mehr ausgesprochen auf der Seite der Operation. Bei den beiderseits operirten Thieren nahm die Athmung einen Typus inversus an, d. h. bei der Inspiration zeigte sich starke Einziehung des Bauches und vermehrte Ausdehnung des Brustkorbes in Folge der Thätigkeit der accessorischen Athemmuskeln. In einem Fall, in dem nur die oberen Äste durchschnitten wurden, zeigten sich gar keine Veränderungen, da die Versorgung des Zwerch- fells überwiegend durch die unteren erfolgt. Kymographische Unter- suchungen ergaben in den übrigen Fällen Lähmung des Zwerchfells auf der operirten Seite. Das Zwerchfell wird auf dieser Seite schlaff und wölbt sich in die Brusthöhle vor. Bei einseitiger Verletzung wird die Athmung auf dieser Seite vorwiegend kostal unter lebhafter Be- theiligung der Hilfsmuskeln. Niesen oder Husten wurde nie beob- achtet. In einem Fall von beiderseitiger Durchschneidung wurde die Athmung angestrengt, aber nur für 2—3 Tage.

‚, Die Obduktion der Versuchsthiere ergab, so fern hinreichende Zeit zwischen Operation und Tödtung lag, stets eine ausgesprochene Atrophie des Zwerchfells; dasselbe war in dem gelähmten Abschnitt

unn und schlaff, fahlgelb und in einigen Fällen durchscheinend. Stets blieb ein 1/,—3/; Zoll breiter Streifen der kostalen Portion in

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Farba und Aussehen normal; derselbe wird wahrscheinlich von Inter- kostalnerven versorgt. |

Einer ausführlichen Besprechung der einschlägigen Litteratur folgen genaue Angaben über die Anatomie des Nerven auf Grund eigener Untersuchungen von F. R. Green, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.

Die Schlussfolgerungen, die S. zieht, lauten folgendermaßen:

1) Aus den klinischen und experimentellen Daten könnte es scheinen, dass das Zwerchfell kein essentieller Athemmuskel ist.

2) Daraus, dass die Symptome, welche man gewöhnlich als Folgen einer Phrenicusreizung beschrieben hat, sowohl bei der Operation, als auch bei den Experimenten völlig fehlten, ist man zu dem Schlusse berechtigt, dass dieselben auf etwas Anderem als einer bloBen Phrenicus- läsion beruhten.

3) Obgleich vom anatomischen Standpunkt das Zwerchfell zweifel- los von Ästen der Interkostalnerven innervirt wird, so steht diese Nervenversorgung doch erst in zweiter Linie hinter der durch den Phrenicus und ist nicht fähig, die Zwerchfellthätigkeit nach Durch- schneidung des letzteren zu unterhalten.

4) Da die Durchschneidung des Phrenicus einen partiellen Collaps des unteren Lungenlappens der verletzten Seite und eine Atrophie einer Hälfte des Zwerchfells bewirkt, so mag sie eine Prädisposition abgeben für Infektion der Lunge oder eine Zwerchfellhernie im Gefolge haben.

5) Durchschneidung des Phrenicus beim Menschen hat nur halb- seitige Zwerchfelllähmung zur Folge und ist nicht nothwendig tödlich.

R. v. Hippel (Kassel.

19) R. Kaufmann. Über Stypticin. I. Mittheilung. Styp- ticin als lokales Hämostaticum. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIV. No. 4.)

K. empfiehlt Stypticin bei Blutungen aus der Harnröhre nach dem Endoskopiren (Abtupfen mit 2 % iger Lösung), nach dem Dilatiren (Einführung von Gelatinestäbchen mit 0,03—0,04 Stypticin ohne Bestreuung mit Talk oder Lycopodium), nach Exstirpation kleiner Hautgeschwülste, nach der Phimosenoperation (30 ige Stypticin- watte oder -Gaze). Es hat sich dem Verf. unter allen diesen Umstän- den sehr gut bewährt. Jadassohn (Bern).

20) M. Porosz. Bettnässen. Schlafpollutionen. (Monatshefte für praktische Dermatologie Bd. XXXIV. No. 2.)

P. schildert mehrere Fälle, deren Gemeinsames häufiger Harn- drang (in einem Falle Bettnässen), geringe Blasenkapacität, Entlee- rung der letzten Urinportion in Tropfen ist. In allen diesen Fällen, die zum Theil nach Gonorrhoe und Abusus eingetreten sind, fanden sich Prostataveränderungen, vor Allem die vom Verf. beschriebene

Centralblatt für Chirurgie. No. 24. 647

Atonie der Prostata. Bei den Erwachsenen waren zugleich reichliche Pollutionen, Ejakulatio praecox, gesteigerte Libido, gelegentlich auch Spermatorrhoe vorhanden; im Urin waren Spermatozoen zu finden. Die Erkrankungen wurden durch Faradisation der Prostata mit einem vom Verf. angegebenen Instrument schnell geheilt resp. ge- bessert. P. zieht ausführlich eine Parallele zwischem dem Schluss- apparat der Harn- und der Samenblasen und den Störungen beider. Er meint, dass zu oft centrale Störungen angenommen werden, wo es sich nur um eine lokal zu beeinflussende Erkrankung der Prostata handelt. Jadassohn (Bern).

21) Englisch. Über die Kleinheit der Vorsteherdrüse und die dadurch bedingten Störungen der Harnentleerung. (Zeitschrift für Heilkunde Bd. XXII. Hft. 12.)

Verf. sucht unter Anführung zahlreicher kasuistischer Belege zu zeigen, dass es eine angeborene Kleinheit der Prostata giebt, welche eben so gefährlich ist wie die Hypertrophie. Zur Beurtheilung einer kleinen angeborenen Drüse ist nothwendig, dass die Drüse normale Konsistenz besitzt, und dass jede Krankheit ausgeschlossen ist, welche einen Schwund der Drüse herbeiführen könnte. Der Haupt- grund der Kleinheit liegt in schwächlicher Konstitution des ganzen Körpers; häufig besteht Tuberkulose und oft, aber nicht immer, findet sich zugleich Kleinheit der Hoden und Schwäche der Blasen- muskulatur.

In Folge der Kleinheit der Prostata bildet sich am Blasenaus- gang eine Klappe, deren Entstehung Verf. folgendermaßen beschreibt: »Am Beginn der Harnröhre findet sich ein Ring aus Kreisfasern, welche, je weiter unten gelegen, um so fester unter einander und mit der Vorsteherdrüse zusammenhängen, Je kleiner die Vorsteher- drüse entwickelt ist, um so kleiner ist auch der Ring der Kreis- fasern und um so weniger Stütze und Befestigung findet er an der Vorsteherdrüse. Der vordere, aus gekreuzten Fasern bestehende Theil des Ringes ist mit dem Lig. pubo-prostaticum in Verbindung, daher gegen die Schambeinfuge fixirt. Zieht sich der Ring zusammen, so schiebt sich der hintere Theil über die Lichtung der Harnröhre, gleich der Sehne eines Kreises, vor und bildet daselbst einen Vor- sprung (Valvula). Mit dem Beginn der Harnaussonderung auftretend, steigert sich die Zusammenziehung zur Kontraktur der abgeflachten Ringfasern.«

Die Klappe besteht bald nur aus Schleimhaut, bald enthält sie noch Ringfasern und Drüsensubstanz. Auch kommt eine Anhäufung von Muskelfasern vor, welche rings um die Harnröhrenöffnung einen dicken Wulst bildet.

Die Symptome der kleinen Prostata sind: Enuresis zur Zeit der Pubertät oder nach derselben, Harndrang, Harnverhaltung, Blasen- katarrh. Die Diagnose ergiebt sich durch die Mastdarmuntersuchung

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welche eine kleine, aber elastische und scharf begrenzte Prostata nachweist. Ein in die Harnröhre eingeführtes Instrument wird an Blaseneingang durch einen elastischen Widerstand (Klappe) aufge- halten, der durch starkes Senken des Instruments überwunden werden kann. Die Behandlung ist eine palliative, d. h. Beseitigung der Erscheinungen, oder eine radikale, d. h. Beseitigung des Hinder- nisses, in leichten Fällen durch Einführen starker konischer Sonden oder in Einschneiden oder Abtragen der Klappe von Sectio alta oder mediana oder beiden zugleich aus. Bei 1747 untersuchten Indivi- duen will E. 190mal eine kleine Prostata gefunden haben.

Von der angeborenen Kleinheit ist 'die Atrophie der Drüse zu unterscheiden, welche im Greisenalter, nach chronischen Ernährungs- störungen, nach Kastration, nach Entzündungen der Drüse vorkommt. Hier ist die Drüse hart, höckerig und ungleichmäßig in Bezug auf beide Lappen verkleinert, die Harnröhre ist nicht verengt. Die Er- scheinungen sind bei Atrophie dieselben wie bei angeborener Klein- heit, nur treten sie mehr im späteren Alter auf.

Fr. Brunner (Zürich).

22) Logano. La raquicocainizaciön en la litolapaxia. (Revista de med. y cirurg. präctic. 1902. No. 727.)

Verf., der als großer Anhänger der Cocainisirung des Rücken- marks diese Methode der Anästhesie bereits bei anderer Gelegenheit warm "empfohlen hat, berichtet über die besonders günstigen Erfolge bei der Litholapaxie. Es wird die Gefährlichkeit der allgemeinen Narkose bei diesem Eingriff betont, da, um die sehr störenden Kon- traktionen der Blasenmuskulatur zu verhüten, eine außergewöhnlich tiefe Narkose nothwendig ist; und es wird weiter darauf hingewiesen, dass die Operation durch den Umstand sehr beschleunigt und er- leichtert wird, dass der Kranke seine Lage den Wünschen des Operateurs entsprechend fortwährend verändern kann.

Stein (Berlin).

23) V. Schmieden. Erfolgreiche Einheilung exstirpirter Nebennieren beim Kaninchen. (Vorläufige Mittheilung.) (Pflüger’s Archiv Bd. XC.)

Es ist S. gelungen, Theile der Nebennieren an anderen Körper- stellen desselben Thieres zur Einheilung zu bringen. In die Niere eingeheilte Stücke waren nach einem halben Jahre makro- und mikro- skopisch noch als Nebennierengewebe zu erkennen; bei größeren, namentlich in die Bauchhöhle eingeheilten Stücken kam es oft zu centraler Nekrose. Weitere Resultate seiner Untersuchungen werden in einer späteren Arbeit veröffentlicht werden. E. Moser (Zittau.

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24) Englisch. Über angeborene Cysten in der Rhaphe der äußeren Geschlechtsorgane. II. Theil.

(Centralblatt f. d. Krankheiten d. Harn- u. Sexualorgane Bd. XIIL Hft. 2.) Verf. bespricht in diesem II. Theil (s. d. Centralblatt 1902 p. 344) zusammenfassend die Erscheinungen dieser Cysten, ihre Ätiologie (sie sind mit Ausnahme der. Atherome angeboren und auf Störung der Vereinigung der Genitalfalten zurückzuführen), die Differential- diagnose gegenüber anderen Geschwülsten (Lipomen, Angiomen, Re- tentionscysten der Cowper’schen Drüsen); dann führt er aus, dass diese Cysten sich entzünden können. Auch in diesem Falle ist es leicht, sie durch ihren Sitz in der Mediana und durch ihre Verschieb- lichkeit und Abgrenzung gegen die Umgebung von anderen Entzün- dungen ztı unterscheiden. Fisteln in der Rhaphe, die nur unter die Haut und nicht tiefer (zu dem Schwellkörper der Harnröhre oder zu dieser selbst) führen, hat man sich als durch Ruptur fraglicher

Cysten entstanden zu denken. Fr. Brunner (Zürich).

25) E. Tavel. La résection du nerf honteux interne dans

le vaginisme et le prurit de la vulve. (Revue de chir. Jahrg. XXII. No. 2.)

Die bisher noch selten geübte Durchschneidung des N. pudendus (Fälle von Rochet, Albertin, Rafin) hat T. 1896 und 1897 2mal ausgeführt. In dieser Arbeit bringt er zuerst die genaue anatomisch- topographische Beschreibung des Operationsgebietes ausgeführt von Strasser (Bern), sodann die Besprechung der Technik und die Krankengeschichten.

Der etwa 10 cm lange Schnitt verläuft mitten zwischen After- öffnung und Tub. ischii, derart, dass seine Mitte geschnitten wird von der Verbindungslinie der beiden Spin. ischii. Dringt man ins Cavum ischio-rectale ein, so wird man bald die Art. pud. int. unter den Fingern pulsiren fühlen. Um sie herum, bald noch vereinigt, bald schon sehr verzweigt, verlaufen die Äste des N. pudendus so wie des N. haemorrhoidalis. Dieser zieht direkt abwärts und muss vermieden werden (innervirt den Sphincter ani). Schwieriger kennt- lich sind die nach abwärts umbiegenden Äste des N. pudendus, die ebenfalls zum Sphinkter treten; auch sie dürfen nicht verletzt werden : man erkennt sie an ihrer rückläufigen Richtung und daran, dass ihre Reizung Kontraktion des Sphinkters auslöst. Die Hautäste lassen sich als solche durch mäßiges Anziehen leicht erkennen und herausdrehen.

Falls die Hyperästhesie sich auf die Haut der Clitoris mit er- streckt, muss ein ziemlich selbständiges, hoch abgehendes Ästchen mit entfernt werden, was dem N. dorsalis penis entspricht. Die In- cision muss dem entsprechend nach aufwärts (in Rückenlage gedacht) verlängert werden. Christel (Mets).

650 Gentralblatt für Chirurgie. No. 24.

26) E. Quönu et L. Bouquet. Les tumeurs des trompes. (Revue de chir. Jahrg. XXI. No. 10 u. 11.)

Geschwülste der Tuben sind im Allgemeinen selten, ihrer Natur nach ähnlich denen des Uterus. Bisher beschrieben sind Papillome, Epitheliome, Adenome, Sarkome, Enchondrome, Fibrome, Misch- geschwülste, Deciduome und Dermoide.

Die Litteratur wird kritisch gesichtet, ‘wobei Q. und B. besonders geneigt sind, eine Reihe von Papillomen auszuscheiden als lediglich entzündliche Veränderungen der Schleimhaut bei chronischen Eite- rungen bezw. Perisalpingitis. Im Ganzen umfasst ihr Material 64 Fälle, worunter 3 Beobachtungen Q.s, nämlich 2 Carcinome und 1 Fibromyom. ,

Die Arbeit schließt mit tabellarischer Übersicht der ‘kurz ver- zeichneten Befunde und operativen Resultate. Sie wird Jedem, der sich speciell mit dem Thema befassen will, ein willkommener Weg- weiser sein. Zugleich ist jedoch aus derselben ersichtlich, dass noch manches Diagnostik, Systematik und pathologische Anatomie der

Tubengeschwülste weiteren Ausbaues und der Nachprüfung bedarf. Christel (Metz).

Kleinere Mittheilungen.

27) I. Kongress der Deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie. Berlin, 1. April 1902.

(Schluss.)

Adolf Lorenz (Wien): Zur Funktionsverbesserung defekter Hüft- gelenke.

Der Vortr. sieht mehrere Kategorien chronischer Hüftgelenksdefekte, welche einer radikalen Therapie nicht zugänglich sind, in den Kreis seiner Betrachtung und berichtet über die Versuche, welche er zur Erzielung besserer Tragfähigkeit und größerer Ausdauer der Funktion unternommen hat. Es kommen in Betracht die mit Luxation des oberen Femurendes bei relativ großer Beweglichkeit aus- geheilten Coxitiden tuberkulösen Ursprungs; ferner die irreponiblen Luxationen kongenitalen Ursprungs und in Zukunft vielleicht auch manche irreponible trau- matische Luxationen; des weiteren handelt es sich um Luxationen oder um Luxationstendenz des Hüftgelenks, wie bei manchen Fällen beginnender Arthritis deformans coxae mit Beuge-Adduktionskontratur; ferner um luxationsähnliche Zustände des Hüftgelenks, wie in manchen Fällen von schlecht geheilten Schenkel- halsfrakturen, bei welchen sich der Trochanter auf der äußeren Darmbeinfläche hin- und herschieben lässt, ohne an dem Schenkelhals Halt zu finden (Luxations- fraktur). Der Funktionsdefekt besteht in solchen und ähnlichen Fällen in ab- solut unzulänglicher Ausdauer bei starkem Gehschmers und ist in der ungebühr- lichen Zerrung der Gelenksweichtheile bei mangelhafter Stützung der knöchernen Gelenkskörper gegen einander begründet. Derartige Funktionsdefekte kommen bei knöchernen Ankylosen der Gelenkskörper folgerichtig nie vor. Die übliche Therapie dieser Funktionsdefekte bewegt sich in Extremen: sie kennt auf der einen Seite nur die Krücke in Form irgend welches Stützapparats, auf der anderen nur eine eingreifende Resektionsoperation als einzigen Weg zur Emaneipation von der Krücke. L. glaubt zwischen diesen Alternativen den Mittelweg gefunden zu haben und legt demselben seine Erfahrungen über die unblutige Reposition der kongenitalen Hüftgelenksluxation zu Grunde. Es hat sich nämlich gezeigt, dass

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nicht nur die vorderen Reluxationen nach oben auf die Spina ant. inf. und unter die Spina ant. sup. (subspinale Stellung) tragfähige Nearthrosen lieferte, sondern dass selbst eine Reluxationsstellung, welche L. als »seitliche Apposition« des sagittal gestellten oberen Femurendes an das Darmbein beseichnet, noch mit ge- nügender Funktionsausdauer verträglich ist. Die seitliche Apposition des oberen Femurendes an das Darmbein ist eine Übergangsstellung der vorderen Reluxation in die hintere Reluxation. Diesem Übergang muss durch Beibehaltung einer über- streckten Abduktionslage des Gelenks vorgebeugt werden. Die bessere Trag- fähigkeit beruht auf Inanspruchnahme der vorderen widerstandsfähigen Ver- stärkungsbänder des Hüftgelenks (Lig. Bertini) durch Überstreckung, während die durch starke Abduktion gesenkte Darmbeinschaufel die Rolle eines stütsenden Pfannendachs übernimmt. Von diesen Erfahrungen ausgehend sucht L. Funk- tionsdefekte des Hüftgelenks durch Erzwingung ultraphysiologischer habitueller, überstreckter ıAbduktionshaltung desselben zu vermindern. Ist der bestehende Funktionsdefekt des Hüftgelenks durch eine Beuge-Adduktionskontraktur bei Subluxation oder Luxationstendenz bedingt, so handelt es sich also nicht nur um eine Korrektur, sondern um eine Überkorrektur der fehlerhaften Gelenksstellung bis jenseits der normalen Gelenksexkursionen. Besteht neben der Beuge-Adduk- tionsstellung eine vollkommene (irreponible, iliacale) Luxation, so handelt es sich -neben der Überkorrektur der Kontrakturstellung gleichzeitig auch um eine Trans- position des luxirten Schenkelkopfes nach vorn neben die Spina ant. sup. (seit- liche Apposition des oberen Femurendes). L. beschreibt das Verfahren zur Er- reichung der Transposition des Schenkelkopfes nach vorn bei irreponiblen Luxa- tionen und nennt eine solche Transposition eine primäre im Gegensatz zu den sekundären Transpositionen, welche nach gelungener Reposition durch nachträg- liche Reluxation zu Stande kommen.

Die Vortheile des Verfahrens sind zunächst die absolute Ungefährlichkeit, da es sich um keine wirkliche Reposition handelt, ferner eine, wenn auch geringe reelle Verlängerung des Beines, wie die beträchtliche scheinbare Verlängerung desselben durch die habituelle Abduktionslage des Gelenks; die schwere hohe Sohleneinlage fällt also weg. Das Hinken wird einigermaßen vermindert, die Ausdauer im Gehen beträchtlich vermehrt. Gegen die zur Verbesserung der Funktion und Beseitigung der Kontraktur vorgeschlagene quere oder schiefe Osteotomia subtrochanterica femoris macht L. die durch Korrektionsknickung hervorgerufene Verkürsung des Femur geltend: die primäre Transposition des Schenkelkopfes nach vorn neben die Spina ant. sup. ist auch bei doppelseitiger irreponibler Luxation anwendbar und erreicht ohne ÖOsteotomie und ohne Ver- kürsung des Oberschenkels zufriedenstellende Resultate. Auch die Hoffa’sche Pseudarthrosenoperation, welche, beiderseitig in derselben Sitzung ausgeführt, zweifellos einen sehr schweren Eingriff bedeutet, kann durch die primäre Trans- position mit augenscheinlichem Vortheil umgangen werden.

Auch in 2 Fällen (Frauen jenseits der 50er Jahre) von schlecht geheilten Schenkelhalsbrüchen bei luxationsähnlichem Verhalten des oberen Femurendes hat L. die Umlagerung der habituellen Beuge-Adduktionshaltung in eine habituelle ultraphysiologische Abduktions-Überstreckungshaltung versucht. Es erfolgte in beiden Fällen eine Fraktur des Femur etwa 5—6 cm unterhalb der Trochanter- spitse. Aus der beabsichtigten Umlagerung der habituellen Gelenkshaltung wurde desshalb in beiden Fällen eine primäre Transposition des unteren Femurfragments nach vorn neben die Spina ant. sup. Die funktionellen Erfolge waren in beiden Fällen sehr zufriedenstellend.. Die Kranken können ohne Stützapparat und (in Folge der habituellen Beckensenkung) ohne hohe Sohle ziemlich ausdauernd, jedenfalls ungleich besser als früher gehen. Auch die mit Luxation des oberen Femurendes auf die äußere Darmbeinfläche beweglich ausgeheilten Coxitiden hält L., allerdings nur bei Kindern, zur Behandlung mit primärer Transposition für geeignet. Obwohl die bisher von L. erzielten Erfolge sehr günstige sind, können doch erst weitere Erfahrungen über den bleibenden Werth des Ver- fahrens in den einzelnen Anwendungsfällen entscheiden. Die Versuche sind den

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Bestrebungen des Vortr. entsprungen, eingreifende blutige Operationen mittels harmloser unblutiger Eingriffe zu umgehen. Schon aus diesem Grunde sind sie nicht nur berechtigt, sondern auch der Nachprüfung werth. (Selbstbericht.)

Drehmann (Breslau): Über kongenitalen Femurdefekt.

D. zeigt an der Hand von 3 Fällen, von denen der eine 61/3 Jahre beobachtet wurde, dass nach den Befunden an Röntgenbildern eine spätere Verknöcherung des oberen verkrümmten Femurendes zu Stande kommt. Es handelt sich in diesen Fällen um hochgradige angeborene Coxa vara, in welche außer dem Schenkelhals das obere verkümmerte Femurende eingezogen ist. In dem älteren Falle wurde durch eine Osteotomie die starke Adduktionsstellung mit gutem Erfolge beseitigt. Zum Ausgleich der starken Verkürzung dient eine Prothese, welche sich den be- stehenden funktionellen Spitzfuß zu Nutze macht und in einen künstlichen Fuß endet. Die Prothese bildet den besten kosmetischen Ersatz, das Bein wird darin belastet. (Selbstbericht.)

Diskussion: Perl (Berlin) demonstrirt einen Pat. mit Femurdefekt.

Joachimsthal (Berlin) demonstrirt einen Gipsabguss und Röntgenbilder eines Falles von Femurdefekt. Joachimsthal (Berlin).

Vulpius (Heidelberg): Dauererfolge des Redressements des spon- dylitischen Gibbus.

Das Calot’sche Verfahren erweckte zunächst übertriebene Hoffnungen und gerieth dann in Folge ungünstiger Erfahrungen überaus rasch in Misskredit, man sprach kaum mehr von ihm. Kürzlich wies nun Joseph auf eine Möglichkeit der Heilung hin, die sich ihm durch das Studium von Präparaten wie durch prak- tische Erfahrung ergeben hatte. Der schwerwiegendste Einwurf gegen das ge- waltseame Redressement des Gibbus war von pathologisch-anatomischer Seite aus- gegangen: Die Aufrichtung der Wirbelsäule erzeugt eine klaffende Lücke an ihrer Vorderfläche im Bereiche der zerstörten Wirbelkörper, diese Lücke wird nicht knöchern ausgefüllt, eine Dauerheilung ist also unmöglich. Nach Joseph aber kann das supragibbäre Segment einsinken in die erweichten kranken Wirbelkörper, es kommt zu einer Art von eingekeilter Fraktur, die knöcherne Konsolidation kann also eintreten.

Fragt man nach den Dauererfolgen des Calot’schen Redressements, so findet man hierüber go gut wie gar nichts.

Der Vortr. hat von Anfang an zu vorsichtigem Nachprüfen des Ver- fahrens gerathen und schon 1898 2 Pat. gezeigt, bei denen vor einem Jahre erfolg- reich redressirt worden war.

Das Resultat ist nun heute, nach 5 Jahren, ein vorzügliches, obwohl es sich um schwere, mit mächtiger Abscessbildung komplieirte Fälle handelte. Beide Knaben sind geheilt, sowohl hinsichtlich der tuberkulösen Entzündung als bezüg- lich der Verkrüämmung.

Die Mittheilung soll nicht erneuten Enthusiasmus für die Methode erwecken, aber doch beweisen, dass Erfolge dauernder Natur mit derselben erzielt werden können.

Der Vortr. hat sowohl den Indikationskreis des Verfahrens eingeengt als na- mentlich auch bezüglich der Technik sich größte Vorsicht und Beschränkung auf- erlegt. (Selbstbericht.)

Wullstein (Halle): Die Behandlung der tuberkulösen Spondylitis durch horizontalgetheilte, dosirbare Lordosirung sulassende Gips- verbände resp. portative Apparate und Reklinationsbetten.

Vortr. demonstrirt an mehreren Pat. seine Behandlungsart der tuberkulösen Spondylitis. Danach kommt bei allen den Pat., die in den ersten Lebensjahren stehen und daher Gipsverbände oder portative Apparate noch nicht tragen können, zweitens bei allen denen, bei denen nachweisbare Senkungsabscesse vorhanden sind, und drittens bei allen denen, bei denen eine geringe Extension floride Er- scheinungen auslöst, nur das Lorenz’sche Reklinationsoett, resp. die vom Vortr.

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vorgenommene Modifikation desselben in Betracht. In allen anderen Fällen wird in dem vom Vortr. angegebenen Redressionsapparat der Wirbelsäule unter geringer Streckung nach Calot’scher Art ein Gipsverband angelegt. Derselbe bleibt je nach der Jahreszeit 3 Monate und länger liegen, und von 4 zu 4 Wochen ungefähr wird derselbe in Höhe des Gibbus horizontal durchschnitten, eine weitere Streckung des Individuums vorgenommen, und die Diastase zwischen den beiden Verbands- hälften durch Gipsbinden ausgefüllt. Bei den Pat., bei denen schon eine mehr oder weniger vollständige Streckung erreicht ist, wird die Wirbelsäule allmählich in Hyperlordose gestellt. Gerade auf die graduelle allmähliche und dosirbare Lor- dosirung der Wirbelsäule legt Vortr. großen Werth. Zur Erreichung derselben gipst er in den Rückentheil des Verbandes ein Drahtnetz ein, welches sich in seiner Längsachse nicht zusammenschieben, wohl aber über seine Längsachse biegen lässt. Nach einigen Tagen wird der Gipsverband in Höhe des Gibbus horizontal durchschnitten, und zwar so, dass er in seiner vorderen Hälfte nur getrennt ist, während in der hinteren Hälfte, von einer hinteren Axillarlinie bis zur anderen, der den Buckel einnehmende Theil herausgeschnitten wird. Das eingegipste Draht- netz erhält die Kontinuität des Verbandes und damit die gegebene Streckung und ermöglicht gleichzeitig, dass sich die Wirbelsäule bei ständiger absoluter Immo- bilisirung allmählich in Lordose stellen lässt. 4 Haken, von denen 2 oberhalb und 2 unterhalb der Durchschneidungsstelle des Verbandes in bestimmter Ent- fernung von der letzteren rechts und links von der Wirbelsäule auf dem Rücken- theil mit eingegipst werden, werden durch 2 Schrauben mit einander verbunden, und auf diese Weise wird durch geringeres oder stärkeres Anziehen der Schrauben die Wirbelsäule allmählich in Lordose gestellt.

Nach den gleichen Principien wurden horizontal getheilte, abnehmbare Kor- setts mit oder ohne Kopfstück und transversal getheilte Reklinationsbetten ange- fertigt, welche sich in jeder Weise bewährten. Bei diesen abnehmbaren Apparaten wurden jedoch statt des Drahtnetzes neben einander liegende eingenähte Uhrfedern verwandt. (Selbstbericht.)

Diskussion: Jacques Joseph (Berlin): Durch meine von Herrn Vulpius eitirte Arbeit wird die principielle Frage, ob wir den eigentlichen Pott’schen Buckel strecken dürfen oder nicht, welche vorher im negativem Sinne entschieden zu sein schien, in positivem Sinne entschieden. Sie werden sich entsinnen, m. H., dass auf dem Chirurgenkongress von 1898 sich Alles um die Frage gedreht hat, was, bei der zweifellos destruktiven Tendenz des Krankheitsprocesses, aus der großen durch die künstliche Streckung entstandenen Lücke in der Reihe der Wirbelkörper und Bandscheiben werden solle. Es konnte aber damals Niemand auf diese Frage eine befriedigende Antwort geben. In meiner Arbeit (Berliner klin. Wochenschrift 1901 No. 37 u. 38) konnte ich nun den pathologisch-anatomi- schen und klinischen Nachweis erbringen, dass es zur Ausfüllung der genannten großen arteficiellen Lücke entgegen der allgemeinen Annahme fast gar keiner Knochenneubildung bedarf, dass vielmehr die Lücke sich ganz allmählich, unter Abplattung der zu den erkrankten Wirbelkörpern gehörigen Wirbel- bögen, durch Senkung des supragibbären Abschnittes der Wirbel- säule mit der untersten Partie desselben fast vollständig, bis auf einen in statischer Beziehung nicht in Betracht kommenden Rest, ausfüllen kann. Die Stützfähigkeit in der künstlich hergestellten Streckstellung besteht in dem von mir seinerzeit in der Berliner med, Gesellschaft gezeigten Falle nunmehr, wie ich mich erst kürzlich überzeugen konnte, bereits 3 Jahre. Wir dürfen also den Pott- schen Buckel vorausgesetzt, dass für sichere, dauernde Fixation in der künstlich hergestellten Streckstellung gesorgt ist unter Umständen sogar vollständig strecken. Ich weise aber jetzt wie damals darauf hin, dass die Streckung nur dann, resp. jedes Mal nur in dem Umfange ausgeführt werden sollte, wenn resp. so weit sie im Interesse der Gesammthaltung der Wirbelsäule erforderlich erscheint. Ein zu starker Druck auf den Buckel führt leicht zu starker Lordosenbildung, Bezüglich alles Näheren, so auch der Schlussfolgerungen im Sinne einer möglichst ausgiebigen funktionellen Behandlung Pott’scher Kyphosen verweise ich auf meine Originalarbeit. (Selbstbericht.)

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H. Maaß (Berlin): Über experimentelle Deformitäten.

Experimentelle Deformitäten lassen sich durch künstliche Störungen des Knochenwachsthums bei jungen Thieren auf zweierlei Weise erzeugen: entweder mittels Läsionen der das Knochenwachsthum bewirkenden Proliferationssonen, in- sonderheit der Wachsthumsknorpel (Ghillini u. A.), die naturgemäß eine örtliche Hemmung resp. Steigerung der Wachsthumsvorgänge zur Folge haben, oder aber durch rein äußere, mechanische Einflüsse. Im letsteren Falle wird die Knochen- deformität nicht wie bei jenen organischen Wachsthumsstörungen durch Hemmung oder Steigerung der Wachsthumsvorgänge bedingt, sondern lediglich durch Anderung der Wachsthumsrichtung; örtlicher Druck hemmt die räumliche Ausdehnung des wachsenden Knochens, aber die Knochenbildung seitens der Pro- liferationssonen nimmt ihren ungestörten Fortgang, und es kommt desshalb zu einem für die mechanischen Wachsthumsstörungen oharakteristischen kompen- satorischen Wachsthum in der druckfreien Richtung: ein im Längen- wachsthum gehemmter Knochen wächst entsprechend stärker in die Breite oder erfährt, falls es sich um einen gebogenen Knochen handelt, eine Zunahme seiner physiologischen Krümmung. Wo das Wachsthum durch spongiöse Apposition geschieht, da verdichtet sich das spongiöse Knochengewebe in dem Maße zu kom- pakterem Gefüge, als durch den örtlich gesteigerten Druck die räumliche Ausdeh- nung des wachsenden Knochens gehemmt ist. Diese Vorgänge lassen sich sehr gut verfolgen, wenn man die Hinterpfote eines jungen Kaninchens in bestimmten Zwangsstellungen eingipst und nach mehrwöchentlicher Versuchsdauer die Knochen der eingegipsten Seite mit denen der frei wachsenden Extremität vergleicht. (De- monstration der schon in der Berliner med. Gesellschaft vorgelegten Präparate'.) Zum Schluss sucht M. die grundlegende Bedeutung des in der druckfreien Rich- tung erfolgenden kompensatorischen Wachsthums für das pathologisch- anatomische Verständnis mechanisch deformirter Skeletttheile an den Beispielen des skoliotischen Keilwirbels und der Tibia valga darzulegen. (Selbstbericht.)

Codivilla (Bologna): Über das foreirte Redressement des Genu valgum.

Auf Grund einer breiten Statistik, wie man sie aus der Summe der Fälle von Genu valgum des Instituts für Rachitis in Mailand mit jenen des Instituts Riszoli in Bologna erhält, unternimmt es der Vortr. dem Werthe des forcirten Redresse- ment nach Tillaux das Wort zu sprechen.

Die Statistik weist 1031 Fälle auf und 1863 operative Eingriffe. Die große Mehrzahl derselben gehört dem Mailänder Institute, die übrigen kommen auf Rech- nung des Instituts Rizzoli in Bologna.

Von hier ausgehend nimmt Vortr. die Gegenheit wahr, Panzeri's zu gedenken, dessen Autorität Italien die weitgehendste Anwendung der Methode verdankt.

Die Resultate waren durchaus befriedigende. Die einzig festgestellte Kom- plikation war die 34 Fälle betreffende Lähmung des Nervus peroneus, welche sich 2mal als dauernd, 32mal als vorübergehend erwies,

Es wurden in keinem der Fälle Wachsthumsstörungen oder nachträgliche De- formitäten, so wie Funktionsstörungen der Epiphysenknorpel beobachtet; eben so wenig durch Bruch des Lig. laterale bedingte Lockerung, noch durch endoartiku- lären Bruch bedingte Versteifung des Gelenkes.

Vortr. weist Radiogramme in bedeutender Zahl vor, die vor dem Eingriffe, unmittelbar nach demselben und nach mehr als Jahresfrist nach der Operation auf- genommen wurden. In nahezu allen Fällen sitzt die Verletzung in der Epiphysen- fuge oder in der juxtaepiphysären Gegend.

Es handelt sich um reine oder mit engumschriebenen Diaphysenbrüchen (Suprakondylärbrüchen) verbundene Ablösungen der Epiphyse. Brüche oder ander- weitige Veränderungen der Femurcurvatur kommen ausnahmsweise vor.

1H. Maaß, Über mechanische Störungen des Knochenwachsthums. Berliner klin. Wochenschrift 1900. No. 6 und Virchow’s Archiv Bd. CLXII.

Centralblatt für Chirurgie. No. 24. 655

Durch diese Verletzungen wird jedoch die Funktion der Epiphysenknorpel keineswegs gestört; dieselben heilen vielmehr mit der Zeit, wie aus den Radio- grammen ersichtlich, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Der Lähmung des N. peroneus, die übrigens eine vorübergehende ist, wird durch angemessene Technik in der Herstellung des Gipsverbandes, welche jede Möglichkeit eines Druckes auf die laterale Kniegegend ausschließt, entgegen- gewirkt.

Die Indikationen des forcirten Redressement bei Genu valgum bleiben die von Panzeri bereits bestimmten.

Die Methode ist hauptsächlichst bei Genu valgum adolescentium angezeigt und eben so bei rachitischem Genu valgum, wenn die Abnormität ihren Sits in der Epiphysär- oder in der Juxtaepiphysärgegend hat.

In den übrigen Fällen werden anderweitige therapeutische Methoden eingreifen müssen.

Das Redressement forc& verdient nach Vortr. eine ausgedehntere Anwendung als es bisher der Fall gewesen.

Dieselbe ist leicht, einfach, rasch sum Ziele führend, gefahrlos, verursacht nur geringfügige, leicht heilbare Verletzungen und ist dasu angethan, die Deformität in jenen Fällen, wo die Indikation eine anstandslose ist, am besten zu korrigiren.

(Selbstbericht.)

Höftman (Königsberg) empfiehlt eine kleine Modifikation der operativen Be- handlung des Genu valgum. Kleiner Schnitt an der Außenseite des Femur, dicht oberhalb der Epiphysenlinie, Abhebelung des Periosts, erst an der Hinter-, dann an der Vorderfläche; neben dem an letztere auf die hohe Kante gestellten Elevatorium Durchsägung mittels Stichsäge etwas schräg von oben außen nach innen unten. Ist der Knochen bis zur Hälfte durchsägt, so wird die Stichsäge etwas zurückgezogen, so dass sie nur die Außen- und später die Hinterfläche durchtrennt. Darauf Einknicken der Innenwand event. durch Eintreiben eines breiten Meißels in den Sägespalt. Naht, Verband, Geradebiegen des Beines und Fixirung durch eirkulären Gips-Hobelspanverband. Bei letsterem wird empfohlen, den oberen Rand durch einen Gummiring zu polstern. Es dient dazu gewöhnlicher Gasschlauch, durch den ein seinem Lumen entsprechender Bindfaden gezogen ist. Um den Schlauch ist ein Stück Leinwand mit losen Stichen angeheftet, so dass dasselbe den letzteren, wie das Mesenterium den Darm umfasst. Durch den Leinenstreifen wird der Ring fest an den oberen Rand des Gipsverbandes fixirt. (Demonstration eines Wasserglasverbandes, der oben eben so montirt ist und von H. bei Coxitiden angewandt wird.)

Vortheile des Verfahrens: leichte, schnelle Ausführung, annähernd absolute Sicherheit gegen Verschiebung es ist nur in einem Falle von doppelseitiger Operation bei sehr spröden Knochen auf einer Seite geringe Verschiebung einge- treten —; geringe Reaktion. Ein doppelseitig Operirter wurde schon an dem- selben Tage, 6 Stunden nach der Operation, in der Königsberger med. Gesellschaft vorgestellt. Die Regel war: Aufstehen der Betreffenden am 3. Tage, Entlassung am 7. nach der Operation. Kosmetische so wie funktionelle Resultate sehr gut. Der vorgestellte Kranke dient augenblicklich bei den Kürassieren, ein anderer ist Matrose bei der Kaiserlichen Marine. Natürlich erfordern Fälle, in denen schon vorher Wackelgelenke bestanden haben, längere Nachbehandlung. (Demonstration einer Reihe von Photographien und Röntgenbildern von operirten Fällen.)

H. hat die Methode seit oa. 10 Jahren angewendet. (Selbstbericht.)

Krukenberg (Liegnitz) berichtet über ein neues Operationsverfahren zur Behandlung schwerer Fälle von Genu valgum. Dasselbe wurde in Anwendung gebracht bei einem i6jährigen Pat. mit sehr hochgradigem, doppel- seitigem, rachitischem Genu valgum. Am linken Bein bestand eine scharfe Ab- knickung der Tibia unterhalb des Kniegelenks, und es wurde hier mit Erfolg nach Schede operirt. Am rechten Bein bestand eine Abknickung unter rechtem Winkel, fest ausschließlich durch eine Verkrümmung des Femur bedingt. Stehen

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war nur dadurch möglich, dass Pat. beide Hüften stark gebeugt, die rechte addu- eirt, die linke abducirt und zugleich die Unterschenkel nach außen rotirt hielt. Gang watschelnd, sehr mühsam, nur kurze Zeit möglich. Röntgendiagramm zeigte sehr deutlich die Abknickung am unteren Ende des Femur um 70° und ließ außer- dem sehr ausgeprägt die durch das Transformationsgesetz bedingten inneren Strukturveränderungen erkennen.

Es wurde nun zunächst eine

vollständige Durchmeißelung nach Macewen vorgenommen, der eine zweite Durchmeißelung von oben innen nach unten außen folgte, so dass ein dreieckiger Knochenkeil vollständig losgelöst wurde. Dieser wurde nach Aufrichtung des Kno- chens in die an der Außenseite ent- \F h standene Lücke wieder eingepfianst.

(Siehe Abbildung.) Heilung p. pr. int. Die Operation hatte eine Ver- längerung des Körpers um 13cm sur Folge. Das Resultat war bezüg- lich Kosmetik und Funktion ein vollständiges. Der vordem gänslich hilflose Pat. geht ohne Schiene und Stock ohne Beschwerden umher und erlernt ein Handwerk. (Der Vortrag wird in der Zeitschrift f. orthopäd. Chirurgie ausführlich veröffentlicht.) (Selbstbericht.)

Herr Henle (Breslau) stellt zwei Knaben vor, bei denen er wegen ischä- mischer Kontraktur der Vorderarmmuskeln die Verkürsung des Vorderarms vorgenommen hat. Er hat im Jahre 1896 den einen Fall publicirt (Centralbl. £. Chir. 1896 p.441) Das bei der ischämischen Kontraktur bestehende Missverhältnis swischen Muskeln und Knochen kann beseitigt werden entweder durch Verlän- gerung der Muskeln resp. Sehnen oder durch Verkürzung der Knochen. Beides ist technisch ausführbar; bei der großen Ansahl der Muskeln am Vorderarm ist die Knochenverkürzung das einfachere Verfahren. Die Operation, die in einer Verkürzung beider Knochen um je 11/g cm bestand, hat in beiden Fällen ein voll- kommenes Resultat herbeigeführt. Die um mehr als 90° beschränkt gewesene Ex- tension der in beiden Fällen betroffenen langen Fingerbeuger ist jetzt vollkommen frei. Bei dem älteren Falle besteht keinerlei Bewegungsbeschränkung und volle Arbeitsfähigkeit. (Selbstbericht.)

Max Reiner (Wien): Die Circumferenzosteotomie.

Der Vortr. bemängelt als Fehler der bisher geübten Form der Meißelosteotomie, dass die Knochenschwächung hauptsächlich im Bereiche der Spongiosa erfolgt, wäh- rend doch die Corticalis der widerstandsfähigste Theil des Knochens ist. Was speciell das Genu valgum anlangt, so birgt die Vorschrift Macewen’s, die Osteotomie an der medianen Seite anzulegen und dann auch nach der medianen Seite durch- zubrechen, den Nachtheil, dass die lateralen Lamellen zerrissen werden müssen; dies erfordert die Vernichtung der absoluten Festigkeit derselben, wozu ein großer Kraftaufwand erforderlich ist; die Operation wird dadurch unsicher.

Eine rationelle Methode der blutigen Knochentrennung beim Genu valgum müsste ihren Angriff in erster Reihe gegen die Compacta richten, und sie müsste überdies die Schwächung des Knochens an der Konkarvität der Deformität etabliren, um die Korrektur und die Knochentrennung in einem einzigen Akte mit dem geringsten Kraftaufwande und mit der größtmöglichen Sicherheit zu voll- enden.

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Zur Durchführung der Operftion im Einklange mit den hier gestellten For- derungen dient das von R. konstruirte Osteotom, welches dem (halben) Umfange des Knochens entlang schneidet und desshalb Circumferenzosteotom benannt wurde. Es unterscheidet sich von einem gewöhnlichen geraden Meißel durch einen Rand- wulst, welcher entlang einer Kante des Meißelblattes verläuft, nach beiden Seiten hin und eben so nach vorn über die Scheide hinaus vorragt. Das Instrument wird schräg gegen die Knochenoberfläche aufgesetzt und richtet sich nach den ersten Hammerschlägen tangential, indem die Schneide im Knochen, der Randwulst aber an der Oberfläche des Knochens vordringt. Demnach wird in erster Reihe die Compacta durchschnitten. Der Randwulst bildet zugleich eine Verstärkung des Blattes, so dass dasselbe dünn gehalten sein darf und überdies nach rückwärts nicht keilförmig an Dicke zusunehmen braucht. Dadurch wird das Schneiden er- leichtert, die Splitterung der Knochenränder und die Einklemmung des Meißels vermindert. Beim Genu valgum wird der Knochenschnitt an der lateralen Seite angelegt. Das Nähere ist im Original einzusehen. (Selbstbericht.)

Diskussion: Höftman (Königsberg) fürchtet, dass durch das Instrument leicht eine Gelenkverletzung zu Stande kommen kann, was

Reiner (Wien) bestreitet. Joachimsthal (Berlin).

J. Riedinger (Würzburg): Die klinische Ätiologie des Plattfußes.

Ausgehend von der Theorie Hermann v. Meyer’s, welcher die Valgität des Fußes auf ein rein seitlich gerichtetes Umlegen des Fußgewölbes nach innen zurückführt, betont R., dass die Deformität nicht durch Drehung um eine normale Achse im Sinne einer Pronationsüberdrehung vor sich geht, sondern um Achsen, die senkrecht auf einander stehen. Die eine der Achsen geht in longitudinaler Richtung des menschlichen Körpers von oben nach unten durch die Mitte der Trochlea tali, d. h. den Meyer’schen » Astragaluspunkt«. Dieser Punkt ist aber kein absolut beweglicher, wie v. Meyer annimmt, sondern ein relativ fixer, da die Bewegung, die der Talus um denselben ausführt, als eine Schraubenbewegung nach abwärts aufzufassen ist. Mit der Annahme einer Schraubenbewegung des Talus um eine senkrechte Achse ist aber ein neues Moment in die Atiologie des Platt- fußes eingeführt, nämlich das rotatorische. Die zweite Achse in Bezug auf die Längsachse des Körpers geht quer von vorn nach hinten durch die Scheitelfuge des Fußes. Nun finden bei der Entstehung des Plattfußes analoge Bewegungs- vorgänge statt wie bei der Entstehung der Skoliose, nämlich Reflexion, Ro- tation und Inflexion. Diese 3 Kardinalsymptome sind bei jeder Belastungs- deformität ausfindig zu machen. Die Reflexion oder die Knickung finden wir beim Plattfuß in der Höhe des rotatorischen Querschnitts, in welchem die Scheitelfuge des Fußes gelegen ist. Durch die rotatorische Bewegung der Scheitelfuge wird eine Torsion erzeugt, welche die Inflexion, worunter wir die Wendung, nicht die Beugung einer Kurve zu verstehen haben, zur Folge hat. Principiell die gleichen Erscheinungen treten uns entgegen, wenn wir den Fuß isolirt und in Bezug auf seine Längsachse betrachten, wobei die Ferse das untere und die Fußspitze das obere Ende darstellen. Klinisch findet der Plattfuß am besten dadurch seine Er- klärung, dass wir annehmen, dass der Talus in Folge Rotation des Unterschenkels um seine Längsachse nach innen aus dem Gerüste des Fußes herausgewälzt wird, wie wir dies auch thatsächlich beobachten können. (Selbstbericht.)

Max Herz (Berlin, Der Bau des Negerfußes.

Seit Langem zieht sich durch unsere Litteratur und Kenntnis die Behauptung, der Neger habe einen platten Fuß. Hoffa (Lehrbuch d. orthopäd. Chirurgie 1902) unterscheidet streng zwischen einem kongenitalen Pes planus und einem acqui- rirten Pes valgus. Beide haben den Mangel eines Fußgewölbes gemeinsam; ihr anatomischer Bau ist verschieden. Beim Pes planus, der eine Rasseneigenthüm- rn des Negers ist, ruht die Tuberositas des Naviculare der stützenden Unter- age auf.

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Verf. hatte während einer mehrmonatlichen Reise an der Ostküste Afrikas Ge- legenheit, diese Behauptung als Irrthum zu erkennen.

Zahlreiche Untersuchungen in Ruß-, Wasser- und Sandabdrücken ergaben, dass der Neger einen eben so gewölbten Fuß hat wie der Weiße. Außer diesem überall deutlichen Gewölbe zeigte der Fuß eine Adduktion des Vorfußes und eine nach medial-konkav geschweifte mediale Circumferenslinie.

Der Negerfuß ist groß und breit und äußerst muskulös; namentlich sind die Ab- und Adduktionsmuskeln der groBen Zehe ungemein differenzirt.

Verf. glaubt, dass diese massive Ausbildung des Fußes den Grund gegeben hat, die Behauptung vom platten Fuß des Negers aufsustellen. Der Fuß sieht voller aus, ohne es in Wirklichkeit zu sein.

Joachimthal’s Bemerkung von dem auffallend langen Tuber calcanei und der damit zusammenhängenden kurzen, gedrungenen, fast schmächtigen Wade konnte bestätigt werden. Verf. führt diese Länge des Tuber auf das Barfußgehen surück.

Nach alledem kommt Verf. zu dem Schluss, dass man die Behauptung vom Rassenplattfuß des Negers fallen lassen muss. (Selbstberieht.)

Wittek (Graz) berichtet über 3 Fälle von Hackenfüßen im engeren Sinne, bei welchen die Deformität nach durch Verletzung erfolgter Ausschaltung der zur Achillessehne vereinigten hohen Wadenmuskulatur eintritt. Der 1. Fall betraf einen Mann, welchem in früher Jugend durch einen Sensenhieb die Achillessehne durchtrennt war. Im 2, Falle war eine Rissfraktur der Insertionsstelle der Achillessehne am Calcaneus das verursachende Moment, im 3. Falle endlich die wegen Equinusstellung des Fußes bei einem an paraplegischer Starre (sog. Little- scher Krankheit) leidenden Knaben vorgenommene Tenotomie mit nachfolgender Überkorrektur. Die Vergleichung der Röntgenbilder aller 3 Fälle mit solchen nor- maler Füße lässt die Schlüsse zu, dass bei erfolgter Ausschaltung der hohen Wadenmuskulatur sich Calcaneus und Talus in Dorsalflexion stellen, während im Chopart’schen Gelenk, so wie im Gelenk zwischen Naviculare und Cuneiformis eine kompensirende Plantarflexion erfolgt, so dass der Fuß als Ganzes niemals ia Dorsalflexion steht und auch Zehen und Vorfuß als Stützpunkte verwendet werden. Bei jahrelangem Bestehen der Deformität tritt in Folge der veränderten Statik eine Umformung der inneren und äußeren Architektur des Fersenbeines ein.

Das Nichteintreten von Vereinigung der tenotomirten Achillessehne (3. Fall) lässt es wünschenswerth erscheinen, Überkorrekturen nach Tenotomien der Achillessehne zu unterlassen oder an Stelle der Tenotomie die plastische Verlän- gerung event. das von Bayer (Prag) empfohlene Verfahren auszuführen.

(Selbstbericht.)

Eug. Jungmann: Ein Fall von multipler hereditärer Exostosen- bildung.

Es handelt sich um einen 9jährigen Knaben, dessen Vater, Großvater und Schwester gleichfalls Exostosenbildung aufweisen. Bei Betrachtung des Skeletts bemerkt man an demselben zahlreiche Exostosen von verschiedenfacher Größe die größten kleinfaustgroß, die kleinsten gerade noch als Rauhigkeit fühlbar; der Aufbau derselben ist ein ziemlich symmetrischer, irgend welche Sohmershaftigkeit besteht nicht. In Verbindung mit den Exostosen bemerkt man das Vorhandensein zahlreicher Missbildungen, Verkürzungen, Verkrümmungen einzelner Extremitäten- knochen, so auch die in der Litteratur häufig beschriebene Subluxation des Radius- köpfchens, ohne dass man das von Bessel-Hagen angegebene Gesetz, dass gerade die Knochen, die am meisten Exostosen aufweisen, auch die größten Missbildungen seigen, bestätigt findet. Das Auftreten der Geschwülste wurde erst im 4. Lebens- jahre beobachtet. (Selbstbericht.)

Vulpius (Heidelberg): Zur Ätiologie des angeborenen Klumpfußes Vortr. hat 25mal bei angeborenem Klumpfuß die Sehnenüberpflanzung aus- geführt, und zwar entweder bei Füßen, welche sehr sum Recidiv neigten, oder bei Füßchen, die in Folge von Fersenlosigkeit aus den Verbänden herausschlüpften.

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In 4 Fällen nun ergab sich bei der Operation ganz der gleiche Muskelbefund wie bei spinaler Kinderlähmung. Es darf um so eher angenommen werden, dass die Poliomyelitis intra-uterin ablaufen kann, als von anderer Seite derartige Rücken- marksbefunde bereits mitgetheilt worden sind. (Selbstbericht.)

Vulpius (Heidelberg): Zur Kasuistik des hysterischen Spitzfußes,

Die Mitarbeit der Orthopäden auf dem Gebiete der Neurologie veranlasst zum Studium nervöser Affektionen, die uns früher ferner lagen, so die hysterischen Kontrakturen.

Es muss vor allen Dingen eine Kasuistik gesammelt werden, um eine Richt- schnur für die orthopädische Therapie zu gewinnen. Aus diesem Grunde werden vom Vortr. 2 Fälle von hysterischem Spitzfuß beschrieben. Die eine, 19 Jahre alte Pat. bot in mehrfacher Hinsicht das interessante Bild schwerer Hysterie, ihr Spitz- fuß war äußerst hartnäckig, die Therapie sehr erschwert. Schließlich trat doch Heilung nach mehrfacher Tenotomie, Redressement, Apparatbehandlung ein.

Das zweite Mädchen von 15 Jahren bot ähnliche Erscheinungen in geringerem Grade. Die Behandlung war eine rein mechanische und führte abgesehen von einer Unterbrechung durch hysterischen Schiefhals ziemlich rasch zum Ziel.

(Selbstbericht.)

Gocht (Halle) demonstrirt einen neuen Pendel- und Widerstandsapparat für Hüftspreisung und Hüftrotation, so wie einen zweiten für die Finger. Fabrikant desselben ist Baumgartel in Halle.

Eben so zeigt Heusner (Barmen) einige orthopädische Apparate.

28) L. de Gaetano. Kokkenförmiges Bacterium coli mit pyogener Wirkung im Menschen und Versuchsthieren. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVII. Hft. 1.)

Die kurze Mittheilung enthält die Krankengeschichte eines Pat., welcher an der Stelle einer Morphiuminjektion einen Abscess bekam, bei dessen Eröffnung man das in der Überschrift genannte Bacterium vorfand. Bei dem Kranken be- standen noch andere Abscesse, allein der Geruch machte in diesem speciellen Falle schon darauf aufmerksam, dass die Eiterereger besonderer Natur sein mussten. Interessant ist der Fall dadurch, dass er beweist, dass durch das Bacterium coli auch fern von der Umgebung des Darmkanals, nämlich hier am Rippenbogen, akute Eiterungen erzeugt werden können. Ferner ist er für die Biologie dieses Mikroorganismus von Bedeutung. Er beweist dessen Polymorphismus, seine hohe Virulenz, seine konstante Fähigkeit, Eiter zu erzeugen und im Thierexperiment metastatische Geschwüre zu veranlassen, und zwar, wie Verf. bemerkt, nicht nach dem tbrombo-embolischen Mechanismus nach Virchow, sondern mit direktem Übergang vom subkutanen Eiterherd in die Blutbahn mit Lokalisation der meta- statischen Absoedirungen in der Leber. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

29) A. Bobroff und 8. Rudneff. Staphylococcus als Ursache benigner

Knochenneubildungen. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVII. Hit. 1.)

Die Arbeit enthält die Veröffentlichung zweier Fälle von Knochengeschwülsten, von denen der eine ein Osteochondroma am oberen Epiphysenknorpel der Tibia, der andere ebenfalls Osteochondroma an mehreren Knochen aufwies. Es handelte sich bei beiden Pat. um noch jugendliche Individuen; bei der einen Kranken war eine erbliche Belastung mit Knochenneubildungen zu konstatiren. In diesen Ge- schwülsten fand sich nun bei Fehlen aller entzündlichen Symptome der Staphylo- coccus albus, und zwar bestand die Hauptanhäufung der Mikroorganismen in der Tiefe des Neoplasma näher zu ihrem Grunde an der Grenze des normalen Knochen- gewebes. Die beiden Autoren halten sich für berechtigt anzunehmen, dass in den beiden vorliegenden Fällen die Gewebsreizung durch den Staphylococcus zur

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Bildung von Geschwülsten geführt hat. Ihre Befunde werden bei der derzeitigen Suche nach den Erregern der Geschwülste nicht ohne Interesse aufgenommen werden. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

30) A. Hirschbruch (Posen). Ein neues Instrument zur Behandlung der Gonorrhoe beim Manne. (Ärztl. Polytechnik 1902. Februar.)

Das Instrument ist ein 3läufiger, geknöpfter Katheter, derart eingerichtet, dass der Harnröhreninhalt, welcher beim Einführen nach hinten verschleppt wird, durch Spülung sofort von hinten nach vorn und herausgeleitet wird. Durch An- setzung eines kurzen Schlauches enthält die Ausflussröhre leichte Aspirations- wirkung. 3 Abbildungen im Original. E. Fischer (Straßburg i/E.).

31) Friedländer. Zur Übertragungsweise der Syphilis. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 3.)

F. berichtet über die seltene Beobachtung, dass ein mit frischer Syphilis be- hafteter, allerdings unter Einwirkung des Quecksilbers stehender Mann eine Kon- ception seiner gesunden, nicht immunen Ehefrau, herbeiführt, ohne sie zu inficiren. Am normalen Ende der Schwangerschaft wird diese Frau von einem ausgetragenen gesunden Kinde entbunden, welches keine Spuren hereditärer Lues zeigt, und welches 13/, Jahr später einen Primäraffekt mit daran sich anschließenden sekun- dären Erscheinungen zeigte, woraus hervorgeht, dass es keine Immunität in utero erwarb. Die Mutter wurde erst 1 Jahr später inficir. Langemak (Rostock).

32) A. Strauss. Ein Beitrag zur Frage: Polyneuritis mercurialis oder syphilitica ? (Archiv für Dermatologie u. Syphilis Bd. LVII. Hft. 3.)

Die Frage, ob die Quecksilberbehandlung der Syphilis eine Polyneuritis be- dingen könne, ist in den letzten Jahren wiederholt erörtert worden; sicher bewei- sende Fälle scheinen kaum vorhanden zu sein, während an der Thatsache der Polyneuritis mercurialis nach Hg-Vergiftung kein Zweifel obwaltet. Der von S. beobachtete Pat. starb im frühen Sekundärstadium einer Syphilis unter den Er- scheinungen einer Polyneuritis, die nach verhältnismäßig geringen Mengen von Quecksilber aufgetreten war, auf weitere milde Hg- und Jodbehandlung aber nicht zurückging. Verf. ist geneigt, diesen Fall (wegen des Fehlens anderer Erchei- nungen von Hg-Vergiftung, der psychischen Störungen eto.) als syphilitische Poly- neuritis aufzufassen und die fehlende Beeinflussung der Krankheit durch die specifischen Mittel auf Alkoholwirkung zurückzuführen. Jadassohn (Bern).

33) Karcher (Basel). Das Schicksal der hereditär-luetischen Kinder. (Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte 1901. No. 16.)

Von 31 in den Jahren 1876—1896 aus dem Baseler Kinderhospital als geheilt entlassenen Fällen von hereditärer Syphilis konnte K. 16 wiederfinden. Davon starben 6 als kleine Kinder, 4 wurden nach dem Pubertätsalter noch völlig gesund befunden, 5 andere zeigten eine tuberkulöse Infektion. Ein weiterer Mann war in einer Fabrik als Arbeiter thätig, also vermuthlich gesund. K. kommt unter Herangiehung der Erfahrungen von Hochsinger und Pott zu dem Schluss, dass auch bei kleinen Kindern eine konsequent durchgeführte Schmierkur mit ÜUng. cinereum günstige Resultate ergiebt, nicht bloß bezüglich der augenblicklichen specifischen Krankheitsäußerungen, sondern auch mit Rücksicht auf die definitive Heilung. P. Stolper (Breslau).

34) G. MacGowan. A case of malignant syphilis cured by Zitt- mann’s decoction. (Journ. of cutan. and genito-urin. disease Bd. XIX. Hft. 3.)

An der Hand einiger Fälle, welche ausgedehnte sekundär-syphilitische Haut- zerstörungen zeigten und trotz großer Hg- und Jodkalidosen sich ständig ver-

Centralblatt für Chirurgie. No. 24, 661

schlimmerten, unter Zittmanndekokt aber geheilt wurden, tritt M. warm für die Anwendung des Dekokts ein. Er lässt Vormittags 120g des stärkeren, Nach- mittags 1/, Liter des schwächeren Dekokts nehmen und steigt um täglich je 50 g bis su je 500g. Bettruhe und Schwitzen, Fortlassen von Hg und Jod bewirken nach 2wöchiger Zittmannkur eine deutlich einsetzende und stetig fortschreitende Besserung. Während Kaposiund Neumann, Keyes und Chetwood nament- lich bei ulcerösen Erscheinungen die Zittmannkur empfehlen, erwähnt Fournier und Crocher dieselbe gar nicht. Chotzen (Breslau).

35) O. Hildebrand, Hagenbach, Courvoisier, Müller, Hägler und Wyes. Jahresbericht über die chirurgische Abtheilung und chi- rurgische Poliklinik des Spitals in Basel.

Basel, Preis, 1901.

Aus der mit großer Sorgfalt ausgearbeiteten Statistik ist zu entnehmen, dass im Jahre 1900 1331 Kranke mit 804 Operationen stationär, und 3419 Kranke mit 1593 Operationen ambulant behandelt worden sind. Es wäre wünschenswerth, wenn gewisse, als geheilt event. auch als gebessert aufgeführte Erkrankungen späterhin wieder berücksichtigt würden, beispielsweise p. 18 unter Tumoren Heilungen eines Zehen-, eines Unterschenkelsarkoms, zweier Oberschenkelsarkome; oder der günstige Verlauf tuberkulöser Erkrankungen, s. B. 6 Heilungen unter 7 lumbalen oder lumbosacralen Spondylitiden.

Aus der Kasuistik ist hervorzuheben:

Ein Fall von Impressionsfraktur des Schädels bei einem 28jährigen Pat. Über dem linken Tuber frontale ein fünffrankstückgroßes Stück in mehreren Fragmenten entfernt; Dura und Hirnsubstanz quellen hervor: Heilung. Osteo- plastische Deckung des Defektes.

Fibroangiom der linken Parietalgegend, apfelgroß, bei einem 8 Tage alten Kinde. Exstirpation. Heilung. Tod nach einem Monat an schwerer Gastro- enteritis, embolischen Blutungen in Herz, Lungen, Nieren, Gehirn; embolische Abscesse beider Nieren. =

Ein Fall von Messerstichverletzung durch Pleurahöhle und Magen. Ather- pneumonie rechts. Eröffnung der Pleurahöhle, 2 Wunden des in diese vorgefallenen Magens, eine des Zwerchfells genäht, Reposition des Magens gelingt nicht, dess- halb Laparotomie. Tod am 4. Tage. War bei dieser komplicirten Verletzung der durch Speisen verunreinigten Pleurahöhle der Ather für die Pneumonie verant- wortlich zu machen, so war er andererseits in Hinblick auf die Pleuraverletzung vielleicht kontraindicirt. Von 11 zur Operation gekommenen Magencarcinomen war bei zweien der Pylorus resecirt, diese (in der Statistik als geheilt aufgeführt) sind noch vor Ablauf eines Jahres an Recidiven zu Grunde gegangen; von den 5 Gastrojejunostomien fand sich eine S4jährige Pat. nach 3/, Jahren noch wohl und arbeitsfähig.

71 Jahre alte Frau. Hydrops und Empyem der Gallenblase. Cholelithiasis durch Cholecystostomie und nach 2!/g Monaten folgende Choledochotomie geheilt.

Fall von Sarkom des großen Netzes mit Zerfall im Innern (kindskopfgroße Höhle). Durch Operation geheilt.

Rechtsseitige Ovarialcyste mit Stieldrehung bei einem 61/, Jahre alten Mäd- chen. Durch Operation geheilt. Ein Fall von Kystoma ovarii permagnum mit nachfolgendem zum Tode führendem Ileus. Eingriff war verweigert. Dasselbe enthielt 46 Liter Flüssigkeit; Gewicht 93 Pfund, Durchmesser der Wand 0,25 cm.

Multilokuläre Cyste des Mesenteriums bei einem 16jährigen Pat. Ein linkes, kindskopfgroßes Kystom entfernt, während ein zweites, an der Wirbelsäule, breitbasig nach rechts sich fortsetzend, nicht entfernt werden konnte.

Fall von Pankreatitis haemorrhagica mit consecutiver Fettnekrose bei einer 44jährigen Pat. Anatomischer Befund: Im großen Netz zahlreiche nekrotische Herde bis Kirschkerngröße; diese finden sich in der Bauchhöhle überall, wo Fett- gewebe vorhanden, Mesenterium, Darmserosa, Appendices epiploicae, Bauchfell,

662 Centralblatt für Chirurgie. No. 24.

Nierenkapseln u. A. Das Pankreasgewebe, eine derbe Geschwulst, braunroth, buntfleckig, von morscher Konsistens. Cholelithiasis, Blutungen in Leber- und Lungenparenchym. 5 Fälle von Peritonitis nach Wurmfortsatzperforation. (Ausgiebige Drainage und Spülungen in einem Falle) Bei sämmtlichen, vorher laparotomirt, Tod. Kronacher (München).

36) Hildebrand. Beiträge zur operativen Chirurgie. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVI.)

H. giebt eine Reihe kasuistischer Mittheilungen, die im Einzelnen recht interessant sind. Der 1. Fall betrifft eine Cholecystgastrostomie. Ein wegen Gallensteinleiden operirter Pat. behielt dauernden Gallenausfluss aus der Fistel. Da ein im Choledochus zurückgebliebener Stein vermuthet ward, wurde nochmals die Laparotomie gemacht. Doch war kein Konkrement zu finden. Es handelte sich jetzt darum, der Galle den Abfluss in den Darmkanal zu sichern. Da starke Verwachsungen eine Anastomose mit dem Dünndarm unmöglich machten, die Verbindung mit dem Colon wegen der Infektion durch die dort ansässigen Mikro- organismen zu gefährlich schien, wurde eine Cholecystogastrostomie ausgeführt, mit gutem Dauererfolg. Die Operation ist bis jetzt im Ganzen 7mal gemacht worden. Bei keinem der Pat. erfolgte danach eine Störung der Magenfunktionen. Auch die Galleneinwirkung erleidet keine Einbuße. Die Operation ist also ge- rechtfertigt in allen Fällen, in denen der Darm wegen Verwachsung schwer zu- gänglich ist.

An zweiter Stelle bespricht Verf. die Methoden zur blutigen Reposition ver- alteter Kieferverrenkungen und beschreibt das Verfahren, das er selbst in einem Falle veralteter doppelseitiger Verrenkung eingeschlagen und auf dem 30. deutschen Chirurgenkongress beschrieben hat (s.d. Bericht in diesem Blatte 1901 p. 56).

Bei der habituellen Schulterverrenkung, die H. weiterhin besprioht, sind die hervorstechendsten anatomischen Veränderungen die Kapselerweiterung und in einer Anzahl von Fällen Defekte am Kopf und auch an der Pfanne, welche die Entstehung der habituellen Verrenkung am plausibelsten machen. Verf. hat 2 Fälle operirt, wo gerade diese Übereinstimmung eklatant hervortrat, wie die an- geführten Krankengeschichten erweisen. Eine rationelle Therapie muss sich nach der vorliegenden Veränderung der anatomischen Verhältnisse richten. Gelenk- resektion und Arthrodese sind unsweckmäßige Maßnahmen. Zunächst soll man durch einen Schnitt das Gelenk inspiciren; findet sich bloß eine erweiterte Kapsel, so verengert man dieselbe durch Excision, Übereinandernähen, Fältelung oder Tamponade. Abgesprengte Stücke des Kopfes muss man extrahiren. Hat der innere Pfannenrand durch den Anstoß gelitten, so bildet man durch Vertiefung der Pfanne einen neuen inneren Pfannenrand und verengert auf jeden Fall die erweiterte Kapsel.

Neben diesen Fällen von veralteter und habitueller Kiefer- und Schulter- verrenkung hat H. auch Gelegenheit gehabt, 2mal Pat. mit habitueller Knie scheibenverrenkung zu behandeln. Bei einem 17jährigen Mädchen hat durch Be- stehen eines Genu valgum ein Fall zu einer traumatischen Verrenkung mit Riss der medialen Befestigungsränder geführt. Die Verrenkung hat sich sofort wieder reponirt, die Heilung erfolgte aber mit Erweiterung des inneren Kapseltheils, so dass bei Flexion leicht eine Reluxation eintrat. Die Korrektur des Genu val- gum durch Osteotomie führte zu vollkommenem Erfolg. Bei der zweiten Pat. war durch ein Trauma eine haselnussgroße Exostose des Condylus externus femoris entstanden, welche operativ beseitigt wurde. Dadurch kam es in Streckstellung des Beines zu einer unvollkommenen Kniescheibenverrenkung nach außen, die sich durch Beugung wieder reponirte. Die Transplantation der Tuberositas tibiae um die eigene Breite nach innen brachte einen guten Erfolg.

Zum Schluss ergeht sich Verf. über die chirurgische Bedeutung der Sesam- beine in der Kniekehle, die den Chirurgen erst durch die Röntgenstrahlen be- kannter geworden sind. Er hat 2mal dieselben diagnosticirt und wegen bestimmter

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Beschwerden und Störungen im Mechanismus des Kniegelenks exstirpirt. Die Schmersen erklären sich wahrscheinlich dadurch, dass sich solche Sesambeine zwischen Femur und Tibia hineindrängen und eingeklemmt werden. In dem einen Falle sind bei solchen Einklemmungen in der Beugung seitliche Ver- schiebungen zwischen Femur und Tibia entstanden, welche sich in Streokstellung jedes Mal wieder ausglichen. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

37) Kümmell. Tumoren der Wirbelsäule. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 17.)

K. berichtet über 2 derartige Fälle. Der 1. Fall betraf ein 27Tjähriges Mädchen, das seit etwa einem Jahre das Auftreten einer Geschwulst im Nacken bemerkt hatte. Die Geschwulst war zur Zeit der Operation etwa zweimannsfaustgroß und saB in einer Ausdehnung vom letzten Hals- bis zum 5. Brustwirbel den Proc. spinosis fest an. Bei der Operation zeigte es sich, dass die Neubildung (Spindel- sellensarkom) die Proc. spinosi der letsten Hals- und ersten Brustwirbel voll- ständig zerstört und eben so mehrere Proc. trans. ergriffen hatte. Die Dura spinal. wurde etwa in der Höhe des ersten Brustwirbels freigelegt. Entfernung der erkrankten Wirbelpartien. Heilung.

Der zweite, klinisch interessantere Fall betraf eine 28jährige Pat., die etwa 1 Jahr vorher Schmerzen im Rücken und Schwäche in den Beinen bemerkt hatte und zur Zeit der Aufnahme fast völlig gelähmt war. Es wurde an der rechten Seite der Wirbelsäule, etwa in Schulterhöhe, eine Dämpfung konstatirt, die sich bei Skiaskopie als ein Schatten erwies, der sich vom 2.—6. Brustwirbel ausdehnte. An beiden unteren Extremitäten war außer der Lähmung die Sensibilität herab- gesetzt. Probepunktion ergab keinen Eiter. Bei der Operation bogenförmiger Schnitt rechts von der Wirbelsäule, Freilegung der rechten Thoraxseite von dem 2.—6. Brustwirbel, Resektion der 5.,4., 3. Rippe in größerer Ausdehnung. Jetzt zeigte sich eine faustgroße Geschwulst, die breitbasig dem 3.—5. Brustwirbelkörper aufsaß. Es gelang die Pleura von derselben abzupräpariren, doch wurde dieselbe am Schluss der Lösung in 3 cm Ausdehnung eröffnet und später geschlossen. Die Neubildung war fest mit der Unterlage verwachsen und drang besonders tief in den 4. Brustwirbel ein. Nach Entfernung derselben zeigt sich der Proc. transv. und ein großer Theil des Körpers zerstört. Das Rückenmark wurde in einer Ausdehnung von etwa 3 cm freigelegt. Tamponade der Wundhöhle. Heilung. Besserung der Lähmungserscheinungen, go dass Pat. 4 Wochen nach der Operation das Bett verlassen konnte. Die Geschwulst erwies sich als Spindelszellensarkom.

Borchard (Posen).

38) E. Hagenbach. Beitrag zur Kenntnis der angeborenen Sacro- coccygealtumoren. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVI.)

H. fügt der Kasuistik angeborener Sacralanhänge 3 neue Fälle hinzu, die er beobachtet und histologisch untersucht hat. Die beiden ersten Caudalanhänge, von einem 1/jährigen und einem 2!/,jährigen Kinde herrührend, stellen identische Befunde dar, sowohl in Hinsicht auf ihre äußere Erscheinung als auch in Bezug auf ihre histologische Struktur, indem sie in einfacher Weise aus denselben Ge- websarten aufgebaut sind. Die nächstgelegene Bezeichnung dieser Gebilde ist die eines Schwanzes, und in beiden Fällen wird diese Auffassung durch die Bewegungs- fähigkeit bestärkt. Während nun diese beiden menschlichen Caudalanhänge nur aus Haut, Fett, Muskeln, Nerven und Gefäßen bestehen, die eine gewisse Regel- mäßigkeit der Anordnung bieten, ist die 3. vom Verf. beobachtete Geschwulst wesentlich von jenen unterschieden. Bei ihr finden sich wirr durch einander versprengte Abkömmlinge von Haut-, Nerven-, Rückenmark- und Drüsengewebe.

Trotz des gleichen Sitzes und der ähnlichen Norm muss desswegen die Auf- fassung dieser letsten Geschwulst eine verschiedene sein. Sie ist wegen der An- wesenheit von Abkömmlingen so verschiedener Gewebe als Teratom zu bezeichnen.

664 Centralblatt für Chirurgie. No. 24.

Man braucht indessen diese Geschwülste, die schon massenhaft beschrieben sind, keineswegs alle für fötale Inklusionen zu halten. Ihre Entstehung erklärt sich sum Theil aus embryologischen Thatsachen, nämlich aus der ungenügenden Rück- bildung des postanalen Darmtheils und des Ductus mesentericus, während die beiden ersten Geschwülste als Caudalanhänge, weiche Schwänze oder Caudae suillae aufzufassen sind und man ihr Bestehen dem Persistiren und dem eventuellen Wachsthum von Steißhöcker und Schwansfaden zuschreiben muss. Verf. beweist dies an der Hand der über die einschlägigen Fragen aus der Litteratur gesammelten Studien in eingehender Erörterung. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

39) M. T. Porter (Fort Wayne, Indiana). Stone in the bladder of a female child of four years. (Annals of surgery 1901. December.)

Verf. berichtet über einen Fall von Blasenstein bei einem 4jährigen Kind, welches seit seinem 6. Lebensmonat häufig an Koliken mit Abgang kleiner Stein- chen gelitten hatte.

Er entfernte durch Cystotomia suprapubica einen 7/ę Zoll langen und 2), Zoll dicken, ovalen Stein und vernähte die Blase und Haut primär, indem er nur mit einem Garzestreifen die Hautwunde drainirte.. Die Heilung trat bei Stägiger An- wendung des Verweilkatheters in 12 Tagen ein.

P. betont die Seltenheit des Vorkommens von Blasensteinen bei so kleinen Kindern, insbesondere weiblichen Geschlechts.

Er empfiehlt, auf diese seine Erfahrung gestützt, die primäre Naht der Blase, ausgenommen in Fällen von schwerer Cystitis. Bei Anwendung des Verweil katheters (der bei männlichen Individuen länger liegen muss als bei weiblichen) hält er die Aussichten auf primäre Heilung der Blasenwunde für günstig.

Seefisch (Berlin).

40) L. Smith. A new and improved method of closing vesico-vaginal fistulae, with report of a case. (Philadelphia med. journ. 1902. Februar 15.)

S. schloss mit Erfolg eine 2 Zoll lange Blasen-Scheidenfistel, die den Cerrical- kanal mit eröffnet hatte, nach folgender Methode:

Nach Querincision in die vordere Scheidenwand vor der Cervix wurde die Blase vom Uterus abgedrängt und der Cervixriss durch eine Chromkatgutnabt verschlossen. Die Scheide wurde dann stumpf mit dem Finger von der Blase ab- gelöst. An der Fistelstelle gelang dies mit Hilfe einiger Scherenschläge, ohne dass Blasen- oder Scheidenwand verletst wurden. Der Blasenriss wurde mit Chromkatgut in der Weise genäht, dass nur die Muscularis mitgefasst wurde. Endlich wurde der Riss in der Scheide durch Silkwormgutknopfnähte verschlossen. Hierbei wurde die Blasenwand abermals bis zur Muscularis mitgefasst, aber 1/3 Zoll weiter nach rechts von dem genähten Blasenriss, so dass die Blase um diese Strecke nach links verschoben wurde. Die Blasennaht soll dadurch, dass hinter ihr normale Scheidenwand liegt, erhöhte Festigkeit bekommen.

S. legt Werth darauf, dass man während der Nachbehandlung durch Anwen- dung des Dauerkatheters die Blasenwand für einige Tage vor größerem Druck bewahrt. Läwen (Leipzig).

Originalmittheilungen, Monographien und Separatsbdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags

handlung Breitkopf & Hüärtel, einsenden. Te ———— ————— —————— ng OSTSEE EEE TEE Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Centralblatt CHIRURGIE

herausgegeben E. ma Beynam, F, Kitiy E Roter Neunundzwanzigster Jahrgang.

GE m m m a m TEE Wöchentlich eine Nummer. Preis des J ngs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumerstion. Zu besieben durch alle Buchbandlungen und Postanstalten.

No. 25. Sonnabend, den 21. Juni. 1902.

Inhalt: 1) Kocher, Chirurgische Operationslehre. 2) Oppel, 3) Lennander, Pori- tonitis. 4) u. 5) Riedel, Appendicitis. 6) Oppenheim, Meteorismus. 7) Haegler, Traumatische Hernien. 8) Fuetterer, Magengeschwür und Magenkrebs. 9) Frommer, Anomalien des Dickdarmes. 10) Jopson und White, Sarkom des Dickdarmes. 11) Payr, Ausgedehnte Darmresektionen. 1?) Jafl6, Mastdarmkrebs. 13) Ribera y Sans, Zur Chirurgie der Milz.

J. Bakes, Eine neue Spatelzange für Laparotomien. Ali Krogius, Zur Technik der Uretero-pyelo-neostomie. (Original-Mittheilungen.)

14) Freie Vereinignng der Chirurgen Berlins. 15) Davis, Patterson und Hewlett, Mastitis bei Typhus. 16) Freeman, 12 Hall, Aortenaneurysmen. 18) Alenar, Dila- tation des Ductus thoracicus. 19) Le Conte, Bauchschüsse. 20) Briggs, Perforation von Typhusgeschwüren. 21) Lenzmann, 22) Münch, Appendicitis. 23) Müller, Intraparletale Hernien. 24) Fraenkel, Radikaloperation bei Leistenbruch. 25) Cur- voisier, Verschluss der Darmlichtung. 26) Sievers, Embolie der A. mesent. sup. 27) Martinez, Analfistein. 28) Indet, 29) Dalinger, Milzexstirpation. 30) Wilms, Leberabscesse. 31) Kümmell, Ascites bei Lebercirrhose.

Berichtigung.

1) Th. Kocher. Chirurgische Operationslehre. 4, Auflage. Jena, &. Fischer, 1902.

Bei der neuen Auflage der chirurgischen Operationslehre hat K. nicht nur die von dem Referenten der vorigen Auflage aus- gesprochenen Wünsche erfüllt, sondern er ist weit darüber hinaus- gegangen, indem er eine ganze Reihe von Kapiteln von Grund auf umgearbeitet hat, um sie dem heutigen Stande der Chirurgie an- zupassen. Die »Verhütung des Schmerzes bei Operationen« und die »>Wundbehandlung« sind in den letzten Jahren Gegenstand ein- gehendster Diskussion gewesen. Alles Werthvolle, was die neueren und neuesten Arbeiten über diese Themata ergeben haben, hat K. in den bezeichneten Kapiteln kritisch beleuchtet, aus seinen eigenen Erfahrungen ergänzt und zu einem Ganzen zusammengefügt.

Zu den Methoden der Lokalanästhesie ist die medulläre An- ästhesie nach Bier neu hinzugekommen. Mit dem Urtheil, dass die- selbe in ihrer heutigen Form noch viele Nachtheile hat, die eine

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allgemeine Verwendung ausschließen, wird die Mehrzahl der Chi- rurgen einverstanden sein. Unter den lokalen Anästhesirungs- methoden bevorzugt K. die Reclus’sche Injektion von 1—6 Spritzen einer erwärmten und sterilisirten Cocain-Kochsalzlösung. Ob man 0,06 Cocain unter allen Umständen ruhig einverleiben kann, möchte Ref. nach den Erfahrungen der Breslauer Klinik bezweifeln. Ref. hat auch bei relativ geringen Quanten Schleich’scher Lösung Ver- giftungserscheinungen gesehen, wenn von jüngeren Ärzten die In- filtration zu langsam ausgeführt wurde und daher zwischen Injektion und Incision ein zu langer Zeitraum verstrich. Es ist nicht zu be- zweifeln, dass diese Methoden, in der Hand des Geübten gefahrlos, bei ihrer Anwendung durch weniger Geübte üble Erfahrungen mit sich bringen können.

Von besonderem Interesse ist das Kapitel über Allgemein- anästhesie.e Die Indikationen für die Anwendung der verschiedenen Narkotica und die Art ihrer Anwendung werden klar und über- zeugend dargelegt. Neu ist ein Kapitel über die so sehr wichtige Lagerungsfrage.

Was die Wundbehandlung anlangt, so kann sich ein Mitglied der Breslauer Schule nur freuen über die Übereinstimmung, welche zwischen dieser und K. zu Tage tritt. Von den permeablen Hand- schuhen wird nichts verlangt, was sie nicht leisten können, anderer- seits aber wird ihnen ihr unbestreitbarer Werth voll und ganz zu- gesprochen. Wenn bezüglich der Durchführung der Asepsis und ‚und Antisepsis Differenzen bestehen zwischen Bern und Breslau, dort der Heißwasser-Alkohol-, hier der Seifenspiritus-Desinfektion gehuldigt wird, dort die Mundmasken für entbehrlich gelten, die hier in Gebrauch sind, so ändert das nichts an der Thatsache, dass die wesentlichen Principien der Wundbehandlung dort wie hier dıe gleichen sind.

Auf Einzelheiten in den die specielle Operationslehre ent- haltenden Kapiteln hinzuweisen, verbietet der zur Verfügung stehende Raum. Nicht nur die Zungenexstirpation und die Magenresektion, die R. selbst in der Vorrede als neu bearbeitet angiebt, sondern auch eine große Zahl der übrigen Kapitel ist wesentlich erweitert. Leider sieht sich Ref. genöthigt, die in Kapitel 132 gewählte Be- nennung »Gastrektomie nach Henle-Mikulicz« als den Thatsachen nicht entsprechend zu bezeichnen. Sie wurde von Mikulicz und unabhängig von ihm von Krönlein ausgeführt und verdient daher die auch im Handbuch der praktischen Chirurgie gewählte Bezeich- nung nach Krönlein-Mikulicz.

Alles Gute, was von den früheren Auflagen gesagt worden ist, gilt in noch reicherem Maße von der gegenwärtig vorliegenden.

Henle (Breslau).

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2) W. A.Oppel. Experimentelle akute Mikrobienperitonitis. (Russki Wratsch 1902. No. 11.)

O. experimentirte in Metschnikow’s Laboratorium an Kanin- chen und Meerschweinchen. Er fand dabei im Gegensatz zu früheren Forschern, dass das Bauchfell für die Mikroorganismen sehr empfäng- lich ist, sogar in viel höherem Grade als das Unterhautzellgewebe. Die Einführung derselben ins Bauchfell ruft 2 allgemeine Reaktionen hervor: Leukocytose und Temperaturschwankungen; was letztere be- trifft, so fällt dieselbe bei Einwirkung Toxinämie erzeugender Mikro- organismen (Staphylococcus pyog. aur., Bact. coli, Bact. typhi, Cholera- vibrio) und steigt bei Bakteriämie erzeugenden (Diplococcus Fraenkel). Ferner untersuchte O. das Exsudat in der Bauchhöhle und spricht sich gegen die Theorie von Grawitz (Resorption der Mikroorganismen durch das Peritoneum) aus. Die Hauptrolle im Ausgange der Peri- tonitis spielt der Kampf der Phagocyten mit den Mikroorganismen. Bei nicht tödlichen Dosen werden die Staphylokokken von den Phagocyten gefasst und zerstört; die Typhus- und Colibacillen werden nur zum Theil zerstört, zum Theil setzen sie sich haufenweise am Omentum majus ab, zerstören die Leukocyten und geben so zur Bildung von Eiter (todten und unthätigen Leukocyten) Anlass; das Netz ist dicht mit Abscessen besetzt. Das Blut bleibt in diesen Fällen bei Staphylokokkeninfektion steril; bei Coli- und noch mehr bei Typhusinfektion enthält es im Anfang Mikroorganismen, die aber ‚mit Entwicklung der Leukocytose im Bauchraum ‘nach 4—7 Stunden) : wieder verschwinden. Sind die Phagocyten stark genug, um die Mikrobien zu zerstören, so heilt die Peritonitis aus; die Todesursache bei Peritonitis nach Coli-, Typhus- und Cholerabacilleninfektion liegt im ungenügenden Zufluss der Leukocyten; bei Einführung großer Mengen der Mikroorganismen findet man im Bauchfell Reinkulturen derselben und fast gar keine Phagocyten (hypoleukocytäre Peritonitis). Besonders typisch ist das Bild bei Diplokokkenperitonitis.. Hier ist das Exsudat rein eitrig, bei gutartiger Peritonitis katarrhalisch. Es sind 3 Arten von Exsudat zu unterscheiden: das hypoleukocytäre (wenig oder gar keine Phagocyten), das katarrhalische (lebende, kräftige Leukocyten) und das eitrige (todte, unthätige Phagocyten). Das Phänomen der Absetzung der Mikroorganismen am Netz erklärt O. dadurch, dass dieses ein resorbirendes Organ ist; wenn nach der Lehre der deutschen Autoren diese Rolle dem Zwerchfell zukommt, so ist sie wenigstens in nicht geringerem Grade auch dem Netz eigen. Daher räth O., wenn diese Beobachtung auch am Menschen gemacht wird, das Netz in solchen Fällen zu reseciren, um so 1) die mögliche Infektionsquelle zu entfernen und 2) möglichst den Zutritt der Mikroorganismen und Toxine zum Blut zu verhindern. O. sah in einzelnen Fällen sekundäre Infektion: bei Staphylokokkenperitonitis z. B. führte er Colibacillen in die Bauchhöhle ein; darauf fand er, dass die Staphylokokken aus dem Exsudat verschwanden und Coli-

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reinkulturen zurückblieben; nur einzelne Kokken wurden im Innern der Phagocyten gefunden, alle übrigen saßen am Netz. Die sekundäre Infektion schien also das Sedimentiren der ersten Mikrobien am Omentum zu beschleunigen.

(Ob nicht diese Erscheinung viel einfacher durch das Gesetz der Schwere als durch die Annahme einer besonderen Resorptionsfähig- keit des Netzes (resp. des Zwerchfells) zu erklären ist? Die Mikro- organismen sinken einfach zur tiefsten Stelle der Höhle herab, beim Kaninchen und Meerschweinchen zum Netz, beim Menschen zum Zwerchfell. Ref.) Gückel (Medwedowka, Kiew).

3) Lennander. Akute (eitrige) Peritonitis. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXILL p. 1.)

Der bereits durch frühere ausgezeichnete Arbeiten im Gebiete der Bauchhöhlenchirurgie wohl bekannte Autor liefert in dieser 74 Seiten starken Abhandlung eine wohl als klassisch zu bezeichnende Allgemeinbesprechung der eitrigen Peritonitis nach sämmtlichen Gesichtspunkten, wobei sowohl völlige Beherrschung der Litteratur als reiche praktische Erfahrung, wie selbständige Ansichten hervor- treten. Ein angelegentlich zu empfehlendes Studium derselben lohnt durch das klare Gesammtbild der Krankheit, das Verf. zeichnet, so wie durch die zahlreichen praktischen Konsequenzen, die er für den Chirurgen ableitet. Ein erschöpfendes Referat ihres reichen Inhalts ist unmöglich, doch sollen einige der wichtigsten Punkte, solche zumal, wo Verf. eigene Ansichten entwickelt, hervorgehoben werden.

In der anatomisch-physiologischen Einleitung interessirt, was Verf. über die Sensibilität des Bauchfells angiebt. Den größten Nervenreichthum, wie übrigens auch Gefäßgehalt, besitzt die Sub- serosa. Schmerzempfindlich aber ist vor Allem das Peritoneum parietale, dessen »Schmerznerven« von den Interkostal-, Lumbal- und Sacralnerven stammen und in der Subserosa verlaufen. Die Eingeweide, Magen, Darm, Gekröse, Leber, Gallenblase dagegen haben keine Nerven für Berührung oder Schmerz. Die meisten Schmerzen, die in der Bauchhöhle gefühlt werden, sollen durch Dehnung am Parietalperitoneum entstehen, wie auch Magen- und Darmgeschwüre erst dann empfindlich werden sollen, wenn sie zu Entzündung an letzterem Anlass geben. Diese Lehre hat natürlich für die Symptomatologie Bedeutung. Nach L. ist die Größe des schmerzhaften und druckempfindlichen Bauchbezirks wesentlich ein Maßstab für die Entzündungsausdehnung am Parietalperitoneum, wodurch mancherlei fremdartige Schmerzlokalisationen der Kranken verständlich werden. Auch glaubt L., dass die zuletzt von der Ent- zündung ergriffenen Wandbauchfelltheile stets am stärksten schmerz- haft sind, und dass die bekannte brettharte Bauchmuskelspannung nach Perforationen ein Muskelreflex, von der entzündeten Parietal-

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serosa ausgehend, ist, bestimmt, die Darmbewegungen bezw. das Scheuern der Därme an der Bauchwand zu hindern.

In dem Abschnitt über Ätiologie befürwortet L. bakteriologische Blut- und Harnuntersuchungen, die unter Umständen die schuldigen Peritonitismikroben liefern können. In pathologisch-anatomischer Hinsicht interessirt vor Allem L.’s Eintheilung der Peritonitisformen. Er unterscheidet nur 1) eine diffuse Form, bezw. nicht abgekapselt oder fortschreitend, und 2) eine circumscripte bezw. begrenzte. Die letztere erhält 2 Unterabtheilungen: a) die vollständig abgekapselte Krankheitsart (einräumige oder mehrräumige intraperitoneale Abscesse) und b) die unvollständig abgekapselte, aber doch fortschreitende Form »progredient-fibrinös-eitrige« Form). Gleich wichtig ist die Unter- scheidung zwischen centraler (zwischen den Dünndärmen sitzender) und peripherischer Peritonitis so wie deren Lokalisirung im kleinen Becken (weibliche Genitalien, Wurmfortsatz!, in der Blinddarm- gegend (Periappendicitis!), in der Gallenblasengegend (Cholecystitis, Magen- und Duodenalgeschwüre!), in den subphrenischen Räumen. In den peripheren Räumen ist die Aussicht auf Abkapselung im Allgemeinen besser, die centrale Peritonitis entbehrt solcher nicht nur, sondern ist auch durch die sich ihr bald zugesellende Dünn- darmparese, wahrscheinlich durch Schädigung der Darmmuskeln und Nerven hervorgerufen, gefährlicher, da diese die Entleerung von Koth und Gasen hintanhält, und die Resorption des zersetzten Darminhalts die allgemeine Infektion und Intoxikation verschlimmert. Bei Per- forationen oder Rupturen am Verdauungsschlauch ist einmal die Quantität des austretenden Inhalts, ferner aber ihr Sitz von Bedeutung, da die Mikrobenflora in den verschiedenen Darmabschnitten ungleich ist. Die Mikroben des Magens und oberen Dünndarmes stammen meist aus Miteinführung mit der Nahrung, doch reinigt sich die Schleimhaut dieser Theile normaliter so zu sagen selbst, indem bei Weiterrücken bezw. Entleerung des Inhalts dieser Organe auch die nur der Schleimhaut oberflächlich aufliegenden Bakterien abwärts gehen. Durch Darreichung ausschließlich steriler Nahrung verbunden mit Magenausspülungen und Mundhöhlenreinigung vor den Mahl- zeiten, also durch »präventive Diätaseptik« lassen sich Magen und Jejunum leidlich keimfrei machen. Im unteren Dünn- und ganzen Dickdarm kommt eine Mikrobenentleerung nie zu Stande, den größten Keimgehalt zeigt der Blinddarm, von wo er nach dem Mast- darm zu wieder abnimmt.

Bei Besprechung der Symptomatologie werden die allgemeinen auf Intoxikation und Infektion beruhenden Zeichen und die lokalen getrennt erörtert. Erstere betreffend wird die Harnuntersuchung hervorgehoben, bei welcher ein Albuminbefund, eine toxische oder infektiöse Nephritis anzeigend, einen operativen Eingriff indiciren wird (Exsudatentleerung), ferner auch die mikroskopische Blutunter- suchung, bei der die Zunahme der Leukocytose ebenfalls die Noth- wendigkeit der Operation ausweisen kann (Curschmann). Zum

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Nachweis von Exsudaten ist die Perkussion und Tastung meist ge- nügend, zur Anwendung der Probepunktion wird nur im Bereich des kleinen Beckens durch Scheide oder Mastdarm gerathen. Die hier angesammelten Exsudate bahnen sich zwar, wie bei Besprechung der Prognose erörtert wird, häufig durch Mastdarmperforation selbst Bahn, doch thut man, um weniger günstige Durchbrüche auszu- schließen, besser, sie kunstgerecht vom Douglas oder Mastdarm aus durch Schnitt zu entleeren, wonach die Prognose meist sehr gut ist. Was die Prognose der allgemeinen, nicht abgekapselten Krankheits- form betrifft, so ist diese in gewissem Sinne desto besser, mit je stürmischeren Allgemeinerscheinungen sie einsetzt, da in solchen Fällen Pat. mehr Aussicht hat, ungesäumt laparotomirt zu werden, was ihn allein retten kann.

Therapeutisch soll Opium durch den Mastdarm gegeben, die Nahrungszufuhr durch den Mund ausgesetzt werden, dafür subkutan Kochsalzlösung 1200—2000 cem täglich, event. auch Ol. olivar. Gegen Durst Mundausspülungen mit heißem Wasser, zur Verhütung von Venenthrombosen Hochstellen des Bettfußendes und Herztonica. In allen Fällen aber, wo ernste Verdachtsgründe auf Berstung eines Abscesses, Perforation oder Ruptur eines inneren Organs vorliegen, soll unbedingt sofort operirt werden. Denn die voll entwickelte Allgemeinperitonitis giebt stets nur eine höchst zweifelhafte Prognose, wesshalb sie mit allen Mitteln zu verhüten gesucht werden muss. Von höchster Wichtigkeit ist desshalb Zwecks rechtzeitiger Lapa- rotomieindikation die Frühdiagnose von Magen- oder Duodenal- geschwürs-, Gallenblasen-, Wurmfortsatz- etc. Perforationen so wie von Darmberstungen nach Kontusion. Auch die Appendektomie in freien Intervall, die Gastroenterostomie bei rebellischem Magen- geschwür kommen als Präventivmittel gegen die Allgemeinperitonitis in Betracht.

Betrefls der chirurgisch-technischen Punkte sei der Kürze halber im Wesentlichen auf das Original verwiesen und nur hervorgehoben, dass L. ein Freund der Bauchhöhlenausspülung ist, in granulirenden Wundhöhlen gern pulverisirten sterilen Zucker, bisweilen mit 1/1 bis !/,, Alaunzusatz anwendet und bei Darmparalyse die Anlegung einer temporären Darmfistel am Blinddarm empfiehlt. Bei der Nach- behandlung schien ihm Apocodein. mur. 0,01—0,02 subkutan als Abführmittel nicht wirkungslos. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).

4) Riedel. Vorbedingungen und letzte Ursachen des plötz- lichen Anfalles von Wurmfortsatzentzündung. (v. Langenbeok’s Archiv Bd. LXVI.) In der chirurgischen Klinik zu Jena wurden im Ganzen 282 Fälle von Appendicitis behandelt, darunter 198 = 70% eitrige und 84 = 30% nicht eitrige Fälle. Die Appendicitis non purulenta kann entstehen durch nicht arrodirenden großen Kothstein im gesunden Wurm-

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fortsatz, durch Appendicitis granulosa, durch Strikturen und Stenosen. Die Steinbildung im gesunden Wurmfortsatz ist am seltensten, die Erkrankung an granulöser Appendicitis dagegen sehr häufig. Das Charakteristische dieser Erkrankung besteht in der Entwicklung von Granulationsgewebe zwischen den tubulären Drüsen mit Auseinander- drängung der einzelnen Drüsen, ferner in der Bildung oft kleiner, aber mikroskopisch sichtbarer Blutergüsse in diesem Granulations- gewebe. Dass man diese Veränderungen als katarrhalische bezeichnet, hält R. nicht für am Platze, denn der Katarrh verändert die Struktur des Wurmfortsatzes nicht. Die richtige pathologisch-anatomische Bezeichnung ist Appendicitis granulosa. Diese Form entwickelt sich vielfach schleichend und langsam ohne entzündliche Schübe, aber einen normalen Involutionsvorgang stellt sie nicht dar. Außerdem ist auch sie im Stande, Entzündung zu erregen, Lymphdrüsenent- züundung und Abscesse zu veranlassen, ja sofort mit Gangrän ein- zusetzen, wenn auch die leichteren Fälle hier die häufigeren sind. Neben den Drüsen- und Epithelveränderungen hat R. auch gänzlichen Verlust von Drüsen und Epithel ohne Obliteration gesehen. Übrigens können auch trotz der Obliteration starke Beschwerden bestehen. Eine Komplikation der Appendicitis granulosa ist die Infektion der entsprechenden Gekrösdrüsen, nachdem die Mikroorganismen die Appendix durchwandert haben ohne sie zu schädigen. Es kann dabei zu Geschwulstbildungen kommen, so dass selbst während der Operation der Eindruck einer tuberkulösen Erkrankung erweckt wird und erst die mikroskopische Untersuchung den Irrthum aufklärt. Auch mancherlei andere Komplikationen können die Diagnose der nicht eitrigen Form besonders gegenüber der eitrigen zu einer schwierigen gestalten. Hauptsächlich gilt dies von den Anfällen, die auf dem Boden einer Striktur oder Stenose entstehen. Diese Strikturen und Stenosen selbst sind veranlasst durch Kothsteine. Während der Koprolith durch einen entzündlichen Schub nach Analyse der Ver- hältnisse bei der Cholelithiasis ausgetrieben wird, bleiben cirkuläre Narben zurück. Eine Reihe interessanter Krankengeschichten werden zum Beweise für diese Annahme und Behauptung mitgetheilt. Diese Möglichkeit der Austreibung eines Kothsteins aus dem Wurmfort- satz mag auch manche Spontanheilung der Krankheit erklären. Nächstdem können aber Strikturen auch durch die Appendicitis granulosa an sich entstehen. Dies geschieht meist in schleichender Art, während die durch Kothsteine veranlassten Stenosen unter heftigen Anfällen sich bilden. Zu den nicht seltenen Konsequenzen der nicht eitrigen Appendicitis gehören auch noch Schädigungen der Darm- funktion. Beispiele von Luftgeschwülsten des Blinddarmes, Achsen- drehungen durch Verwachsungen bestätigen in lehrreicher Weise diese Thatsache.

Zwischen eitriger und nicht eitriger Appendicitis besteht keine scharfe Grenze; es kommt lediglich auf die Stärke des entzündlichen Schubes an, welche Art entsteht, ferner darauf, ob dieser Schub auf

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dem Boden eines putriden Processes oder einer granulösen Appen- dicitis stattfindet. Der periappendicitische, um den relativ gesunden, nicht perforirten Wurmfortsatz gelegene Abscess entwickelt sich bei geringer Virulenz der Mikroorganismen, während hochvirulente In- fektionsträger die Appendix selbst zerstören. Solche Eiterherde können auch fern vom Wurmfortsatz selbst gelegen sein. So harmlos im Allgemeinen dieser meist durch Strikturen entstandene periappendi- kuläre Abscess ist, so gefährlich kann er gelegentlich durch Bildung infektiöser Thromben werden.

Im Gegensatz zu dem periappendikulären Abscess entsteht der appendicitische am häufigsten auf der Basis des arrodirenden Koth- steins, dann auf Grund der Appendicitis granulosa haemorrhagica und des perforirten Hydrops resp. der Striktur. Am harmlosesten verlaufen die perforirten Stenosen, weil keine Kommunikation mit dem Blind- darm besteht. Bedenklicher sind Strikturen; sobald ein energischer Infektionsschub stattfindet, kann statt des in dieser Situation zweifel- los leichteren Anfalls ein tödliches Krankheitsbild entstehen. Das Gleiche gilt von der granulös-hämorrhagischen Form. Die auf Grund der Kothsteine sich entwickelnde Perforation ist die schlimmste. Die Behauptung, dass der Durchbruch immer schwere Erscheinungen mache, findet Verf. unzutreffend. Oft verläuft der nicht eitrige Anfall viel stürmischer. Vielfach laufen Pat. nach mehreren leichten Anfällen mit einer perforirten Appendix herum, die jeden Augen- blick zur Todesursache werden kann. Die Lage des Wurmfortsatzes, die Stärke der Verwachsungen vor dem Durchbruch spielen für die Schwere der Erkrankung die erste Rolle. Liegt der Wurmfortsatz hinter dem Blinddarm oder nahe dem Poupart'schen Bande, so ist das günstiger. Die Verwachsungen, die um einen medianwärts gelegenen Fortsatz sich befinden, sind meistens zarter. Die Verwachsungen selbst bilden sich schon vor dem typischen Anfall. Das Nichtver- wachsensein eines kothsteinhaltigen Wurmfortsatzes hält R. für selten. Aber der in Verklebungen eingeschlossene Eiterherd kann sehr rasch platzen und nur eine schnelle Operation dann noch Nutzen bringen, die natürlich am Besten noch vor dem Platzen des Abscesses vorgenommen werden sollte. Nicht die gangränöse Appendicitis setzt, wie Son nen- burg sagt, mit schweren Erscheinungen ein; diese treten erst nach dem Platzen des Eiterherdes auf. Die Statistik über die Endresultate der Operationen bei Appendicitis hält Verf. für unbrauchbar, so lange der Operateur sich nicht selbst die Fälle aussuchen kann. An dem Eingriff selbst ist ihm kein Pat. gestorben.

Für gewöhnlich entstehen nach R.’s Anschauung die Kothsteine in durchaus normalen Wurmforsätzen, die allerdings individuell auf den drückenden Fremdkörper reagiren. An einigen Beispielen demon- strirt er seine Auffassung, dass trotz schwerer Schädigung, welche diese Koprolithen hervorrufen, sie doch nicht durch ihr Eindringen in die Wand der Appendix als solches die Anfälle hervorrufen. Auch die Arrosion der Schleimhaut an sich ist nicht die Ursache der Anfälle.

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Nur wenn der Stein Muscularis und Serosa durchtrennt, wird er dieselben veranlassen können. Doch die Serosa wird meist nur gangränös, weil der Anfall auf faulem Boden einsetzt. Die Ursache der Anfälle ist häufig die Blutung in die Substanz des erkrankten Wurmfortsatzes. Sie ist das primäre Ereignis, die Infektion erst das sekundäre. Diese Blutungen entstehen leicht, weil die Gewebe ver- ändert sind durch Granulationsbildung oder durch Kothsteine. Traumatische Einflüsse würden ebenfalls ihr Auftreten erleichtern. Auch bei Stenosen und Strikturen sind es wahrscheinlich Blutergüsse, die den Anfall auslösen. Sie brauchen nur sehr geringgradig zu sein.

Die in dem stets Interesse erweckenden dramatischen Stile des Verf. geschriebene Arbeit ist jedenfalls sehr lesenswerth. Sie zählt zu den wenigen Schriften der jüngsten Zeit, welche neue Gesichts- punkte in der Erforschung der Appendicitis bringen. Staunenswerth ist es, wie R. sein großes Material bis in die intimsten Einzelheiten der Anamnese und der ÖOperationsbefunde beherrscht.

E. Siegel (Frankfurt a/M.).

5) Riedel. Die zweizeitige Operation bei Appendicitis purulenta aut gangraenosa. (v. Langenbeck’'s Archiv Bd. LXVI.)

Anfälle nicht eitriger Appendicitis auf der Basis von granulöser Entzündung und von Strikturen und Stenosen kommen häufig vor. Operationen zur Rettung des Lebens sind bei diesen Fällen nicht nöthig; denn das Leben kommt bei ihnen gar nicht in Gefahr. Könnte man zu Beginn der Krankheit wissen, ob Appendicitis puru- lenta oder non purulenta vorliegt, so wäre die Therapie einfach. Leider kann man das nicht sehen. Der Theorie nach bedürfen wohl 50% der Kranken keiner Operation, weil sie an nicht eitriger Wurm- fortsatzentzündung leiden. Von den restirenden 50% eitriger Fälle können auch noch 38—42% durchkommen, aber in praxi schlägt R. jedem an Appendicitis Erkrankten die sofortige Operation vor, wenn er nicht verschwindend leichte Erscheinungen bietet. Die Haupt- sache ist, dass man vor der Perforation der Appendix, vor Bildung eines Abscesses operirt. Dann kommt man mit einem kleinen Schnitt bei der Laparotomie aus, und dieser kleine Schnitt ist das Ziel, das R. erstrebt. Ist schon ein größerer Abscess vorhanden, und ist dieser der vorderen Bauchwand anliegend, so öffnet R. bloß den Eiterherd, drainirt ihn und entfernt ihn dann nach ca., 14 Tagen durch einen zweiten Eingriff. Bei diesem Verfahren, dessen Nothwendigkeit wohl kaum eine allgemeine Anerkennung finden dürfte, soll man mit kleinem Schnitt auskommen und häufigere Fistelbildung am vernähten Stumpf vermeiden können. Eingeschränkt wird dieses Princip der zweizeitigen Operation schon dadurch, dass bei Lage des Wurmfortsatzes an der medialen Seite des Blinddarmes öfters einzeitig operirt werden muss, weil das Leben bedroht ist. Man kann sich

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wohl kaum der Ansicht verschließen, dass die von R. vorgeschlagene zweite Operation schwerlich unter günstigeren Verhältnissen vor- genommen wird als die erste. 14 Tage nach Incision eines appen- dikulären Abscesses besteht wohl allermeist noch Eiterung; dadurch bleibt die Gefahr der erneuten Laparotomie dieselbe, und Pat. hat die Aufregungen und Unannehmlichkeiten zweier Operationen statt einer zu ertragen; die von R. vorgeschlagene Frühoperation wird vielleicht einmal Allgemeingut der Ärzte werden, die zweizeitige, welche ja Verf. selbst nur als einen besser zu vermeidenden Noth- behelf ansieht, voraussichtlich nicht. Treffend ist, was R. von manchen Anhängern der konservativen Behandlung sagt, dass sie nicht operiren lassen, so lange der Puls noch nicht auf 120 gestiegen ist, so lange der Pat. noch nicht krank genug ist; wahr ist auch sein Ausspruch, dass die Rücksicht auf die Statistik, welche ohne Operation eine Mortalität von ca. 12% bei der Appendicitis giebt, schon Manchem den Tod gebracht hat. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

6) Oppenheim. Beitrag zur Bekämpfung des Meteorismus. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 13.)

O. experimentirte an Kaninchen, denen durch Lufteinblasung in den Mastdarm Meteorismus des ganzen Darmkanals erzeugt wurde. Blieb das Thier sich selbst überlassen, so trat zuweilen schon nach wenigen Minuten unter Abnahme der Athmungs- und Herzfrequenz und des Blutdrucks der Tod ein. In anderen Fällen wurde der Bauch eröffnet, der Dickdarm in der Bauchwunde fixirt und durch ein kleines Loch ein Kunstafter angelegt. Die Spannung des Bauches nimmt wesentlich ab, Lungen und Herz erholen sich sofort. Gleich darauf Einspritzung von Physostigminum salicylicum 0,003. Alsbald tritt Kothentleerung durch den natürlichen After ein. Etwa nach 20 Minuten ist das Maximum der Physostigminwirkung erreicht.

Es erhellt aus den Versuchen die mechanische Einwirkung des Zwerchfellhochstandes auf das Herz und ferner die sichere und mächtige Wirkung des Physostigmins als Peristalticum. Jedoch glaubt O. in dem Hochstand des Zwerchfells eine weitere Kontra- indikation gegen die Anwendung des Physostigmins sehen zu müssen, weil die glatte Muskulatur der Bronchien der specifischen Einwirkung des Mittels unterliegt, und somit bei der Raumbeschränkung der Lungen der Respirationstod eintreten kann. Das Mittel wirkt ferner individuell nicht gleichmäßig.

Wenn einige Zeit starker Meteorismus bestanden hat, darf Physo- stigmin nicht mehr eingespritzt werden, da dasselbe auf Muskel- fasern, die zur völligen Atonie gespannt und gedehnt sind, nicht mehr einwirken kann. Daher wurde bei dem Experiment das Physo- stigmin erst eingespritzt, nachdem der Darm eröffnet und zum größten Theil entspannt war. Hierdurch glaubt Verf. gezeigt zu haben, wie

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man in verzweifelten Fällen noch einen Versuch machen kann, den mechanischen Herztod zu verhindern. Borchard (Posen).

7) C. S. Haegler. Zur Beurtheilung der accidentell trau- matischen Hernien.

(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVL)

Die Frage der »Unfallsbrüche« steht heute noch in ausgedehntem Maße auf der Tagesordnung; hat doch vor einigen Jahren noch das deutsche Reichsversicherungsamt in letzter Instanz über 400 Bruch- fälle zu entscheiden gehabt und nur 8% davon als Unfallbrüche an- erkannt. H. bezeichnet als traumatische Hernien diejenigen, bei welchen durch ein direktes oder indirektes Trauma Baucheingeweide erstmalig austreten. Zu unterscheiden sind dabei die accidentell traumatischen und die wohl weniger bei uns als in Russland vor- kommenden künstlich traumatischen Brüche. Was die Diagnostik der frischen accidentell traumatischen Hernie betrifft, so ist zuerst der Beweis zu erbringen, dass der Bruchträger vor dem angeblichen Unfall bruchfrei war. Aber selbst bei vorhergegangener ärztlicher Untersuchung ist dieser Beweis äußerst schwierig. Die Feststellung des Betriebsunfalles oder der aulergewöhnlichen Anstrengung ist mehr Sache des Gerichts als des Arztes. Unter den Symptomen kommen in erster Linie in Betracht die Schmerzen. Im Allgemeinen muss das erstmalige plötzliche Austreten von Eingeweiden durch die Dehnung der in Frage kommenden Weichtheile erhebliche, länger dauernde Schmerzen verursachen. In der Mehrzahl der Fälle dürfte der Unfallbruch Hühnereigröße nicht überschreiten, doch kommen echt traumatische Hernien vor, die dieses Volumen wesentlich über- treffen. Bei Bestehen von Doppelbrüchen oder ausgesprochener Bruchanlage der anderen Seite einen Unfallbruch auszuschließen, wie dies manche Autoren thun, hält Verf. für unlogisch. Mehr Gewicht ist dem Umstand beizumessen, warum der angeblich trauma- tische Bruch weder spontan zurückgeht noch manuell reponirt werden kann. Das spricht gegen einen Unfallsbruch. Der beim Untersuchen der Betroffenen geäußerte Schmerz ist leider ebenfalls ein sehr trügerisches Symptom, in so fern er auch bei nicht traumatischen Hernien geäußert wird, um den Arzt zu täuschen. Der einzig wirk- lich gültige Beweis für das Vorliegen einer Unfallshernie wäre der autoptische Befund, während Vorgeschichte und Untersuchungsresultat nur mit geringer Wahrscheinlichkeit entscheiden können, ob wirklich Trauma als Ätiologie vorliegt. Ob man nur das Offenbleiben des Scheidenfortsatzes vom Bauchfell als Disposition zur Bruchbildung annimmt oder mit Kocher die »weiche Leiste« als disponirendes Moment ansieht, bei jeder dieser Arten muss das Entstehen der accidentell traumatischen Hernie selbst bestimmte anatomische Ver- änderungen setzen, die bei einer Autopsie wahrgenommen werden

müssen. Blutergüsse darf man nicht erwarten; es kommt höchstens *

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zur Bildung von Suffusionen. Dagegen müssen bei dem plötzlichen Austreten der Eingeweide frische Risse in dem engen Bruchsackhals und am inneren Leistenring entstehen. Narbige Veränderungen an jenen Stellen weisen auf längeres Bestehen der Brüche hin. Auch bei der Entstehung des Unfallbruches auf Basis der von Kocher angenommenen Grundlage kann es an Schädigungen bei Loßreißung des Parietalperitoneums, wie sie alsdann statt hat, nicht fehlen. H. hatte bei 10 Fällen Gelegenheit, innerhalb der ersten 10 Tage nach der Anmeldung des Unfallbruches operativ einzuschreiten. In keinem dieser Fälle aber hat er den Eindruck gewinnen können, dass es sich um frische Hernien handelte. Die Beschaffenheit des Bruch- sackes bewies meist das Gegentheil. Bei keinem dieser Operirten waren die traumatischen Veränderungen zu finden, ohne die man sich das erste Austreten der Eingeweide schlechterdings nicht denken kann.

Zum Schlusse der Arbeit weist H. darauf hin, wie in der Schweiz die Zahl der Radikaloperationen von Hernien im Verhältnis zu Deutschland enorm zugenommen hat. Kocher hat durch das Zu- trauen, das ihm Publikum und praktische Ärzte entgegen bringen und durch seine operativen Resultate in dieser Hinsicht eine Be- wegung ins Leben gerufen, die auch in wirthschaftlicher Beziehung von immer größerem Einfluss sein wird; verschiedene Großbetriebe in der Schweiz gewähren nur bruchfreien Leuten Anstellung, geben es aber den Angemeldeten mit Brüchen oder mit Bruchdisposition anheim, sich operiren zu lassen, um die Anstellung zu erhalten.

E. Siegel (Frankfurt a/M..

8) Fuetterer. The origin carcinoma of the stomach from chronic round ulcer of the stomach. (Journ. of the amer. med. assoc. 1902. März.)

Durch Beobachtung einer Reihe von Carcinomen des Magens, die sich entweder in der Narbe eines verheilten Geschwürs fanden oder gleichzeitig mit dem noch weiterschreitenden Geschwür bestanden, indem die eine Ecke desselben typisches Carcinom, die anderen Theile den Befund des runden Geschwürs aufwiesen, kommt F. dazu, die Prognose in eine naheliegende gute und eine entferntere schlechte zu theilen. Schlecht ist sie desshalb, weil, seiner Ansicht nach, aus sehr vielen runden Geschwüren, einerlei ob groß oder klein, später sich Carcinome entwickeln, und zwar um so eher, je stärkerem mecha- nischen Reiz sie ausgesetzt sind. An der Hand seiner eigenen so wie aus der Litteratur zusammengetragenen Fälle (im Ganzen 52) sucht Verf. dies zu beweisen. Als Hauptsätze seines Beweises dient ihm der Befund bei einer Anzahl von Pyloruscarcinomen, bei welchen die untere Ecke, die stärkeren mechanischen Reizen ausgesetzt ist, krebsig war, der übrige '[heil des Geschwürs nicht. Folgende Sätze stellt er am Schluss der Arbeit auf: 1) Wenn sich Krebs aus einem chronischen Geschwür entwickelt, beginnt er un dem am stärksten

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mechanisch gereizte Theil desselben. 2) Am Pylorus ist die untere Ecke der stärkst beanspruchte Theil, durch Verwachsungen können aber auch andere Stellen dazu gemacht werden. 3) Gerade bei Py- loruscarcinom ist dessen Entwicklung aus dem einfachen Geschwür am häufigsten. 4) Zur Verhütung des Carcinoms ist bei allen Ge- schwüren mit Sitz nahe am Pylorus oder in ihm die frühzeitige Grastroenterostomie auszuführen, um den mechanischen Reiz zu ver- mindern. 5) Bei Pat., die an den Beschwerden der Pylorusstenose leiden und sich einer Operation nicht unterwerfen, ist die Diät von mechanisch reizenden Speisen frei zu halten (flüssig oder breiig am besten). 6) Besonders gilt dies von älteren Leuten der Art mit mangel- haften Zähnen. 7) Da nicht allein von großen, sondern auch von kleinen Geschwüren Carcinom entstehen kann, ist die Prognose in allen Fällen von Magengeschwür schlecht. Die Prophylaxe desselben tritt damit in den Vordergrund der Behandlung. 8) Der Ausgang des Krebses von Magengeschwür war schon früher bekannt, es ist dieser Thatsache aber bisher zu wenig Gewicht beigelegt worden. Der Beweis, dass die Prognose des Geschwürs schlecht sei und sich dies auch nur sehr häufig in Carcinom verwandele, scheint durch die Arbeit nicht erbracht (Ref.). Trapp (Bückeburg).

9) Frommer. Zur Kasuistik der Anomalien des Dick- darmes. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVII. Hft. 1.)

Verf. beginnt mit einer eingehenden Zusammenstellung alles dessen, was er in der Litteratur über die Anomalien des Dickdarmes finden konnte. Das im Ganzen noch nicht sehr ergiebig behandelte Gebiet dieser Erkrankungen giebt mancherlei interessante Aufschlüsse namentlich Betreffs des ursächlichen Zusammenhangs zwischen kind- licher Verstopfung, die durch abnorme Länge der Flexur bedingt ist, und dem späteren Entstehen eines Volvulus. Wichtig ist, dass die chronische Verstopfung, die vielfach als die Ursache für die Achsen- drehung des S romanum angesehen wird, meist nur sekundär zu ent- stehen scheint und gerade durch die besondere Länge der Flexur und deren Schlingenbildung erst bedingt wird. Ein einheitliches Krank- heitsbild lässt sich bei den Varietäten des pathologisch anatomischen Befundes solcher Fälle nicht geben, wie aus den beigefügten, aus anderen Publikationen excerpirten Krankenjournalen genügend ersicht- lich ist.

F. istin der Lage, ausführlich drei selbst beobachtete Fälle mit- zutheilen, die viel Interessantes bieten. Der eine Fall wurde »in frigido« operirt. Die beiden anderen kamen im Stadium der stürmi- schen Okklusionserscheinungen zur Operation. Die Atiologie war - bei einem dieser Pat. Achsendrehung des abnorm langen S romanum und bei dem zweiten der Verschluss durch einen Kothstein, dessen Entstehung zum größten Theil durch die excessiv träge Darmperistaltik

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verursacht gewesen sein mag. Die Öperationsmethode bestand ein- mal wegen großer Eile, die der Eingriff erforderte, nur in Aufhebung des Darmverschlusses, das zweite Mal in der Colopexie, die eine theilweise Besserung erzielte, und bei dem dritten Pat. ın der Aus- schaltung der erkrankten Partie durch eine Enteroanastomose zwischen dem Endtheil des Dünndarmes und dem Anfang des Mastdarme:. Dieses letztere radikalste Verfahren brachte völlige Heilung. Alle 3 Pat. waren jugendliche Individuen je von 9, 12 und 18 Jahren.

Die Hauptschwierigkeit der Therapie ist in der Schwierigkeit der Erkenntnis leichterer Fälle zu suchen. Sehr häufig wurden falsche oder unsichere Diagnosen gestellt. So wurden Cysten, Ge- schwülste aller Art, Lebercirrhose, Ascites, Tabes meseraica, Eier- stocksgeschwülste, Extra-uterin-Schwangerschaft und Anderes mehr angenommen. In leichteren Fällen soll die Behandlung eine sym- ptomatische sein, d. h. die Verstopfung beseitigen. Elektricität, Bauch- massage, Finläufe sind besonders zu empfehlen. Gewicht ist ferner auf eine vernünftige Nahrungshygiene zu legen. Klysmen und Abführ- mittel reizen den Darm und können die Erweiterung noch steigern, namentlich bei langdauernder Anwendung. Bei weiter fortgeschrittenen Fällen ist dagegen die innere Therapie machtlos. Verschiedene Ursachen können zum Tode führen, wie akute und chronische Colitis zum Theil mit Geschwürsbildung, Darmperforation, Darmatrophie, Peritonitis und interkurrente Krankheiten. Als operative Therapie wurde von Nussbaum vorgeschlagen, eine Naht zwischen Becken- wand und S romanum anzulegen. Braun und Roser nähten mit einer Reihe von Seidenfäden das Mesosigmoideum oder den Colon- schenkel der Flexur in größerer Ausdehnung an die seitliche Bauch- wand an. Da in den meisten Fällen der Process fast das ganze Colon betrifft, und zwar zuerst in Form einer Ektasie mit Hyper- trophie der Wandung, die später in Atrophie und bindegewebige Degeneration übergeht, muss die rationellste Therapie in einer totalen Ausschaltung der ganzen erkrankten Partie durch Resektion des ganzen Dickdarmes (Senn) oder durch Anastomosenbildung zwischen Dünndarmende und Mastdarmanfang gesucht werden. In verzweifelten

Fällen kommt noch der Kunstafter in Betracht. E. Siegel (Frankfurt a/M.'.

10) Jopson and White. Sarcoma of the large intestine. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. December.)

Ein selbst beobachteter Fall von Sarkom des Dickdarmes, der zwar nicht zur Operation, aber zur Obduktion kam, und der in klinischer und pathologisch anatomischer Hinsicht aufs zorgfältigste verarbeitet ist, giebt den Verff. die Veranlassung zu einer eingehenden Studie über das Dickdarmsarkom. Statistischen Angaben folgen solche über die Pathogenese und pathologische Anatomie des Leidens, über Symptomatologie und Diagnose, Prognose und Therapie. Es würde zu weit führen, auf Einzelheiten der sehr lesenswerthen Arbeit hier

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näher einzugehen. Hervorgehoben sei nur, dass Zeichen von Darm- verschluss im Gegensatz zum Dickdarmcarcinom fast stets fehlen, und dass das Leiden nicht selten eine Appendicitis vortäuscht. Die Prognose ist ohne Operation natürlich völlig hoffnungslos, die Operation weist eine Mortalität von 50% auf. 22 Fälle aus der Litteratur sind tabellarisch zusammengestellt. R. v. Hippel (Kassel).

11) E. Payr. Über ausgedehnte Darmresektionen. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVII. Hft. 1.)

Bei einer 39jährigen Frau, die a einem Strangulationsileus eT- krankt war, wurde es nothwendig, 23%, m Dünndarm zu reseciren wegen Gangrän dieser ungeheuer langen Darmstrecke. Für die Frage der Zulässigkeit von solch ausgedehnten Resektionen ist vor- liegender Fall von besonderem kasuistischen Interesse, da Verf. mit Recht die Minderwerthigkeit der Thierversuche für die Entscheidung dieser Frage betont mit dem Hinweis, dass nur die Erfahrungen am Menschen die endgültige Entscheidung liefern dürfen. Der erwähnten Pat. ist es 3’, Jahre nach dem Eingriff sehr gut gegangen, jedenfalls wieder ein Beweis, dass ganz beträchtliche Kürzungen des Darm- kanals gut vertragen werden. Die Grenze der Zulässigkeit solcher Resektionen ist kaum zu bestimmen, da man ja nie über die Größe des zurückgebliebenen Darmes unterrichtet ist. Wahrscheinlich wird es auch kein bestimmtes Gesetz darüber geben, da individuelle physio- logische und pathologische Verhältnisse des Darmkanals wohl dabei eine große Rolle spielen, vor Allem auch der Gesundheitszustand des Pat. im Allgemeinen von wesentlicher Bedeutung für das Gelingen sein wird. Erwähnt sei übrigens, dass die Stuhlverhältnisse der von P. operirten Pat. normale sind. Stoffwechselversuche wurden einst- weilen nicht gemacht. Verf. legt ihnen auch nur einen Werth bei, wenn sie zu verschiedenen Zeiten angestellt werden. Von 35 bisher veröffentlichten Darmresektionen sind 1? von über 200 cm Länge des resecirten Darmstückes ausgeführt worden.

Die weiteren Erörterungen beschäftigen sich mit dem Vorkommen, der Herkunft und der Bedeutung der intraperitonealen Ergüsse, wie sie im vorliegenden und in ähnlichen Fällen zu beobachten waren. Jedenfalls sind dieselben von dünnflüssigen peritonealen Exsudaten principiell zu unterscheiden. Denn es handelt sich hier um ein ur- sprünglich klares Stauungstranssudat, eine Ödemflüssigkeit, die vom strangulirten Darm in mehr oder weniger starker Menge abgesondert wird, während bei den serös-fibrinösen Exsudaten eine zell- und eiweißreiche Flüssigkeit vorhanden ist. Es liegt demnach im ersteren Falle ein Stauungsödem aus dem passiv hyperämischen Darm vor, das Anfangs keine entzündungserregenden Eigenschaften besitzt. Natürlich kann in beiden Fällen schließlich dasselbe Bild, d. h. eine allgemeine septische Peritonitis entstehen, indem auch ohne Kommuni- kation mit dem Darmkanal durch die Gewebe hindurch Bakterien

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in die Bauchhöhle eindringen. Anerkannt ist auch das Durchtreten von Bakterientoxinen, die eine chemische Bauchfellentzündung er- zeugen. Der Verlauf der durch Toxine verursachten Peritonitiden ist ein verschiedener, da gewisse Schutzvorrichtungen des Organismus in Kraft treten und eine allgemeine Peritonitis hintanhalten können, nämlich die baktericiden Eigenschaften des Bruchwassers sowohl wie die der intraperitonealen Stauungstranssudate, die jedenfalls den- selben Hintergrund haben wie die gleiche Wirkung des gestauten Blut- serums bei der künstlich erzeugten Hyperämie durch Bier’sche Stau- ung, deren antibakterielle Wirkung ja schon mehrfach nachgewiesen wurde. Leider versagen diese Schutzvorrichtungen manchmal, wie die nicht zu seltenen tödlichen Toxinperitonitiden beweisen. Eine nicht zu fern liegende Frage ist es, ob diese Heilkräfte des Blutserums durch Stauungsvorgänge am Darm und Netz nicht künstlich gesteigert werden können. Bei derartigen Versuchen hat P. bisher zu große technische Schwierigkeiten gefunden. Trotzdem wird das Experiment

den richtigen Weg zur Beantwortung dieser Frage bilden. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

12) M. Jaffe. Indikation und Prognose des Mastdarmkrebses.

Mit einem Beitrag zur Modifikation der Operationsmethoden. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVII. Hft. 1.)

Verf. bespricht die Untersuchungsmethoden, die zur Erkenntnis des Mastdarmkrebses führen, die Stellungen, welche oft schwer tast- bare Geschwülste dem Untersuchenden zugänglicher machen; er schildert die differentiell-diagnostischen Merkmale gegenüber anderen Erkrankungen der Mastdarmschleimhaut und erörtert die anatomischen Verhältnisse einschließlich des Hauptsitzes der Drüsen. Eine über- sichtliche Darstellung ist der Entwicklung der Operationsmethoden gewidmet. J. selbst führt die sacrale und parasacrale Methode mit einigen Modifikationen aus. Bei den in der Höhe des unteren und mittleren Prostataabschnittes sitzenden Carcinomen beginnt er mit einem Querschnitt vor dem Mastdarm, der die oft schwierige Aus hülsung des Mastdarms später erleichtert und zugleich die Situation bezüglich bestehender Verwachsungen mit Nachbarorganen so klärt, dass man aussichtslose Eingriffe noch zeitig genug aufgeben kann. Bei höher sitzendem Krebs soll unter allen Umständen vor Aus- hulsung des Darmes die Bauchfellfalte vom hinteren Schnitt aus breit in ganzer Ausdehnung eröffnet werden. Dann soll man sofort den Mastdarm resp. die Flexura sigmoidea durchtrennen und provi- sorisch versorgen, um nun den kranken Darmabschnitt auch von oben her auszulösen. Die Schwierigkeiten des Eingriffs sollen sich so wesentlich leichter beherrschen lassen.

Eine weitere recht sinnreiche Methode giebt Verf. noch an, um das obere Ende des resecirten Darmes mit dem unteren Fragment zusammenzubringen und den natürlichen Kothweg wieder herzustellen. Einige Zeichnungen schildern klar dies schwer ohne Zuhilfenahme

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einer Skizze zu schildernde Verfahren. Zum Schluss sind nochmals eingehend die Indikationen für die Operation des Mastdarmkrebses in den einzelnen Partien des ganzen Mastdarms geschildert und die Grenzen bestimmt, in welchen der Eingriff noch vorgenommen

werden soll oder zu unterlassen ist. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

13) Ribera y Sans. Cirurgia del bago: Exo-esplenopexia. (Revista de med. y cirurg. präctic. Festschrift zum 25jährigen Bestehen dieser Zeitschrift. 1902. Januar.)

Verf. bespricht die Chirurgie der Milz, indem er die verschiedenen, bisher an diesem Organ geübten operativen Eingriffe einer Kritik unterzieht. Er glaubt, dass die Splenektomie, so wie die sog. Exo- splenopexie bei Hypertrophie der Milz keine Empfehlung verdienen, da die Mortalität danach eine außerordentlich hohe ist. Er empfiehlt statt dessen ein Verfahren, das ihm in einigen näher beschriebenen Fällen von nicht bösartiger Milzgeschwulst vortreffliche Erfolge ge- liefert hat. Es besteht in einer Verlagerung der hypertrophirten Milz nach oben und Annähung derselben an die Bauchwand in mög- lichster Nähe des Rippenbogens. Die Heilung erfolgte theils nach primärem Verschluss der Wunde, theils durch Granulation in circa 4 Wochen; nach dieser Zeit soll die Milz normale oder nahezu nor- male Größe erreicht haben. Ein Erklärungsversuch des sehr auf- fallenden Resultates wird nicht unternommen. Falls diese Versuche weiterhin bestätigt werden, würde in der That ein großer Fortschritt in der Milzchirurgie vorliegen; denn die Exstirpation der Milz stellt, insbesondere bei Kindern, bei denen Milzschwellungen nicht allzu selten beobachtet werden, eine Operation von äußerst schlechter Pro- gnose dar. Die mitgetheilte Statistik, die alle von dem Autor ope- rirten Fälle umfasst, beträgt 17 Fälle, darunter 7 Todesfälle, die den anderen Methoden zur Last fallen, während 3 zuletzt nach der

neuen Methode operirte Fälle in Heilung ausgingen. Stein (Berlin).

Kleinere Mittheilungen.

(Aus dem öffentlichen Krankenhause in Trebitsch.)

Eine neue Spatelzange für Laparotomien. Von Dr. J. Bakes, Primararzt.

Das rastlose Bestreben, alle Fehlerquellen beim aseptischen Operiren zu eli- miniren, basirt nicht nur auf einer Vervollkommnung der operativen Technik, son- dern involvirt zugleich Fortschritte auf den einschlägigen mechanisch-technischen Gebieten. Iang hinter uns liegen die Zeiten, wo Billroth mit drei Assistenten, mehreren Instrumentar- und Verbandärzten, also thatsächlich mit einem apparatus magnus operirte. Wie überraschend wirkt heut zu Tage der Anblick einer großen Operation, s. B. im Hamburg-Eppendorfer Krankenhause Kümmell’s!

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Ein Narkotiseur, ein einziger Assistent und Kümmell, welcher sich selbst flink instrumentirt, vollenden in entsprechender Zeitdauer die größten Eingriffe. Mehrere Chirurgen vermeiden es peinlich, die Wunde mit ihren Händen in Be- rührung zu bringen, und die Handschuhfrage, welche eine ganze Litteratur von wissenschaftlichen Arbeiten heraufbeschwor, und auf vielen Kongressen zu Dis- kussionen Veranlassung gab, scheint sich zu Gunsten der v. Mikuliez’schen Ideen entscheiden zu wollen. Die Thatsache, dass wir eben immer die Wunden

Fig. 1.

Fig. 3. Fig. 3a.

inficiren, dass also die Hauptfehlerquelle des aseptischen Operirens in der Unmög- lichkeit, unsere Hände su sterilisiren, gelegen ist, wurde bakteriologisch festgestellt, und durch die möglichst große Verminderung der Händezahl bei operativen Ein- griffen gelingt es zweifellos, die Resultate su verbessern. Es sei mir denn ge stattet, eine kleine Vervollkommnung des Instrumentariums bei Laparotomien zu publieiren, durch welche nebst anderen kleinen Vortheilen die sonst unentbehr- liche zweite Assistenz ausgeschaltet wird.

Centralblatt für Chirurgie. No. 25. 683

- Das nach Art einer Zange konstruirte! Instrument (Fig. 1) besteht aus zwei im Schloss (a) in einander gefügten, rinnenförmig gekrümmten Branchen, welche bei Anwendung sus einander genommen, separat in die Laparotomiewunde eingeführt und in situ im oben erwähnten Schloss zusammengesetst werden.

Durch Annäherung der beiden scherenförmigen Griffe wird das Instrument und somit auch die Wundränder beliebig zum Klaffen gebracht (Fig. 2 u. 4). Die Fixation der Zange in der erwünschten Stellung wird durch ein P&anschloss (a), oder durch eine Kette (b) bewerkstellig. Bei Trendelenburg’scher Position wird die Spatelsange noch mittels eines an einer Kette suspendirten Bleigewichts (c) ‚vor dem Abrutschen gesichert.

Der Liebenswürdigkeit des Herrn Hofraths Prof. Schauta in Wien verdanke ich das erste Erproben des Instruments.

Derselbe äußerte sich lobend über seine praktische Verwendung bei gynöko- logischen Laparotomien, wo sich der Operationsakt in der Tiefe des kleinen Becken abspielt, und fügte hinzu, dass insbesondere bei Eingriffen nächst der Mittelebene des Körpers es gute Dienste leiste. 6

Er verwendete es auch mit Erfolg bei dem suprasymphysären Bogenschnitt Küstner’s. Prof. Wertheim, dem ich ebenfalls für das Erproben der Spatel- sange zu Dank verpflichtet bin, bezeichnete es für Fälle mangelnder Assistenz als geradezu unentbehrlich. Bei seiner abdominalen Carcinomexstirpation des Uterus bewährte sich jedoch das Instrument nicht, da bei Freilegung der Ureteren die Bauchdecken stark lateralwärts verzogen werden müssen, was die starr in ihrer Lage fixirte Zange nicht gestattet. Selbst habe ich bei einer Gastroenterostomie ein entsprechend kleineres Instrument mit zufriedenstellendem Erfolge angewendet.

Die mit der Anwendung der Laparotomiespatelzange sich verknüpfenden Vor- theile wären folgende:

1) Wegfallen der zweiten Assistenz, sohin Verminderung der Infektionsgefahr;

2) wird das Zerfasern der Wundränder durch Einsetzen von scharfen Haken, so wie das Zerren und Berühren derselben durch eingehakte Finger der Assisti- renden vermieden, wodurch Infektion und partielle Nekrosen des Wundrandes verhütet und ein zur Schwächung der Laparotomienarben beitragender Faktor aus- geschaltet wird.

3) Das Operationsfeld liegt unverrückt vor den Augen des Öperateurs, was hauptsächlich bei Eingriffen in der Tiefe (im kleinen Becken) mir nicht ohne Vor- theile gu sein scheint.

Dass bei Konstruktion der Zangenbranchen der verschiedenen Dicke der Bauchdecken, so wie der Länge der Laparotomiewunden Rechnung getragen wurde beweist die Verfertigung der Zange in vier Größen.

Indem ich dieses Instrument der Öffentlichkeit übergebe, bitte ich die Herren Fachgenossen, dasselbe einer praktischen Probe zu unterwerfen und über seine Brauchbarkeit oder Nachtheile gütigst berichten zu wollen.

Zur Technik der Uretero-pyelo-neostomie.

Von Prof. Dr. Ali Krogius in Helsingfors.

Um diejenigen Fälle von Hydronephrose, die durch eine Striktur des oberen Ureterendes, resp. durch eine fehlerhafte Einmündung des Ureters in das Nieren- becken bedingt werden, ohne Aufopferung der Niere zur Heilung zu bringen, sind in den letzten Jahren verschiedene Operationsmethoden angegeben worden, von denen die wichtigsten die plastischen Operationen am Ureter und Nierenbecken, am Sitz der Striktur oder Klappe, und die Resektion des oberen Ureterendes nebst Wiedereinpflanzung desselben in das Nierenbecken sind.

1 Die Konstruktion vollführte mit dankeswerthen: Fleiße die bestrenommirte Firma J. Leiter, Wien IX., Marianengasse.

684 Centralblatt für Chirurgie. No. 25.

Die letstgenannte Operation, von Bazy Uretero-pyelo-neostomie ge nannt, mit der ich mich hier ausschließlich beschäftigen werdei, ist sum ersten Male von Küster? im Jahre 1891 ausgeführt worden. Seinem Beispiele sind später van Hook3, Bardenheuer (Cramert), Basy5 (in zwei Fällen) und Morris® gefolgt. Die Operation war in Küster’s Falle, so wie in Barden- heuer’s und dem einen von Bazy's Fällen von vollständigem Erfolg gekrönt. Basy's zweiter Pat., wegen Steinanurie operirt, starb unter infektiösen Symptomen. In van Hook’s und Morris’ Fällen, wo zuerst eine Uretero-pyelo-neostomie ge- macht wurde, musste der ursprüngliche Plan wegen der Enge des unteren Theiles des Ureters aufgegeben und unmittelbar eine Nephrektomie angeschlossen werden.

Die Technik der Operation anlangend, hat schon Küster vorgeschlagen, das obere Ende des Ureters in der vorderen Mittellinie etwa 11/5 cm nach abwärts zu spalten und dasselbe aus einander zu klappen, um eine Erweiterung der Einmün- dungsstelle zu ergielen. Das Annähen des Ureters an das Nierenbecken hat Bary von innen gemacht und betont, dass man durch dieses Vorgehen die Schleim- hautnaht mehr regelmäßig und linear gestalten kann. Die übrigen hier citirten Verfasser haben dagegen für diesen Akt der Operation keine näheren Vorschriften gegeben.

Da nun bei einer so subtilen Operation, wie es die Uretero-pyelo-neostomie ist, eben die technischen Details für das Gelingen der Operation von größter Be- deutung sein müssen, dürfte es nicht aus dem Wege sein, diese Frage hier im Anschluss an folgenden von mir neulich operirten Fall etwas eingehender zu be- sprechen:

B. L., 21jähriger Eisenbahnpraktikant, wurde am 16. April 1901 in die chi- rurgische Klinik zu Helsingfors aufgenommen. Pat. giebt an, von Kindheit auf an anfallsweise auftretenden und gewöhnlich von Verstopfung und Erbrechen be- gleiteten Schmerzen in der linken Lumbal- und Bauchgegend gelitten zu haben. Diese Anfälle, die sich früher nur ungefähr jährlich Imal einstellten, waren im Laufe des letzten Jahres mehrere Male aufgetreten, und auch zwischen den An- fällen hatte Pat. in letzter Zeit an einem Gefühl von Vollheit und Spannung in der linken Bauchhälfte gelitten. Mehrmals hatte Pat. bemerkt, dass der Harn während der Anfälle blutig gefärbt war. Steine oder Gries sind niemals beob- achtet worden; keine Störungen von Seite der Blase. Bei der Untersuchung bot Pat. in der linken Bauchhälfte eine bis in die Lendengegend sich erstreckende, abgerundete, prall elastische Geschwulst dar, die nach innen beinahe zur Mittel- linie und nach unten bis zur Höhe der Spina ilei ant. sup. reichte. Deutliches »Ballottement renale. Die Probepunktion ergab eine fast klare, etwas eiweißhaltige Flüssigkeit. Der Harn war klar, eiweißfrei; spec. Gewicht 1,024. Die Diagnose wurde auf eine Hydronephrose gestellt. Am 20. April: Nephrostomie; plasti- sche Operation am Ureter und Nierenbecken. Lendenschnitt; Freilegung und Punktion des Nierensackes, aus dem sich etwa 11/, Liter Flüssigkeit entleerte.

1 Die ganze Frage von den konservativen Operationen bei renaler Retention ist bekanntlich auf dem XIII. internationalen Kongress in Paris 1900 Gegenstand einer sehr eingehenden Diskussion gewesen. Ich verweise auf die Verhandlungen dieses Kongresses so wie auf einen im Archiv f. klin. Chirurgie 1900, Bd. LXII, p. 524 von Fenger über dasselbe Thema publieirten Aufsatz.

2 Küster, Ein Fall von Resektion des Ureters (vorgetragen am 2. Sitzungs- tage des XXI. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie zu Berlia, 9. Juni 1892). Archiv für klin. Chirurgie Bd. XLIV. p. 850.

3 van Hook, The surgery of the ureters. Journ. of the amer. med. associa- tion Vol. XXI. 1894. (Citirt nach Fenger, 1. c.)

4 Cramer, Zur konservativen Behandlung der Hydro- resp. Pyonephrose. Centralblatt für Chirurgie 1894. p. 1145.

5 Bazy, De l’uretero-pyelo-neostomie. Revue de chir. 1897. p. 400.

6 Morris, The Huntrian lectures on the surgery of the kidney. Brit. med. journ. Vol. I. 1898. p. 873.

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Sodann Sektionssehnitt durch die Niere, deren Parenchym ziemlich verdünnt war. Die Mündung des Ureters war vom Innern des Sackes aus nicht zu finden. Es wurde daher der Ureter weiter unten aufgesucht und nach oben verfolgt. Es zeigte sich dabei, dass das obere Ureterende auf einem von der Mediangegend her gegen den Nierenhilus hin sich erstreckenden, aus einer Arterie und Vene bestehenden Strange ritt und dadurch abgeknickt war. Dieser Strang, der wahrscheinlich von einem unteren Ast der Nierengefäße gebildet war, wurde swischen zwei Ligaturen durchgeschnitten. Nach weiterer Lösung einiger Adhäsionsbildungen ließ sich nunmehr der Ureter gerade strecken, behielt aber doch die Neigung bei, die ge- knickte Lage wieder einzunehmen, wodurch der Ausfluss aus dem Nierenbecken in hohem Grade erschwert werden musste. Ich beschloss daher die Einmiündungs- stelle durch eine nach dem Heineke-v. Mikulicz’schen Prineip aussuführende Plastik zu erweitern, nachdem ich mich vorerst durch Einführen einer Sonde von dem Nierenbecken bis in die Blase davon überzeugt hatte, dass der Ureter in seiner ganzen Länge durchgängig war. Nach Ausführung dieser Plastik wurde eine Nierenfistel angelegt und durch eine weite Gummiröhre drainirt, worauf der Len-

A unterer Theil der linken Niere von dem Lendenschnitt aus gesehen. B zeigt den Effekt der Spaltung des oberen Ureterendes.

denschnitt theilweise sugenăht, theilweise mit Jodoformgase tamponirt wurde. Der Verlauf nach der Operation war gut, aber es zeigte sich, nach Weglassen des Drains, dass die Passage durch den Ureter nicht frei geworden war, sondern dass die ganse aus der linken Niere stammende Harnmenge sich nach wie vor durch die Fistel entleerte. Es wurde daher am 15. September eine zweite Operation vorgenommen. Incision in der alten Narbe und Freilegung des Nierenbeckens, dessen Wand an dem umgebenden Zellgewebe ziemlich adhärent und bedeutend verdickt war. Sodann wurde von der Fistelöffnung aus der Nierensack bis zur Einmündungsstelle des Ureters gespalten und das obere Ureterende, das sich noch als geknickt erwies, frei präparirt. Der Ureter wurde nun in der Höhe des un- teren Poles des Sackes durchtrennt und in der vorderen Mittellinie ca. 11/ cm weit gespalten. Sodann schnitt ich aus der hinteren unteren Wand des Nierenbeckens ein dreieckiges Stück mit der Basis nach auf- wärts aus, sog mittels einer Pincette dasobere Ureterende durch das so erzeugte Loch durch und nähte von innen her die dreieckig aus

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einander gezogenen Schleimhautränder des oberen Ureterendes an die entsprechenden Schleimhautränder des Nierenbeckenloches mit feinem Katgut an. Man konnte in dieser Weise die Schleimhautränder sehr exakt an einander passen, und da die Nierenbeekenwand an dieser Stelle siemlich dick und starr war, entstand eine klaffende Kommunikationsöffnung mit dem Üreter. Zudem boten die dicken, angefrischten Lochränder eine breite Berührungsfläche mit der äußeren Fläche des oberen Ureterendes dar, das noch von außen her mit ein paar Katgutnähten an die äußere Wand des Nierenbeckens fixirt wurde. Schließlich wurde die schräge Wunde durch das Nierenparenchym und das Nieren- becken bis auf die ursprüngliche Fistelöffnung durch Nähte geschlossen und durch die Fistelöffnung ein Nelaton-Katheter bis ins Nierenbecken eingeführt. (Die abnorme Einmündung des Ureters in das Nierenbecken so wie das Vorgehen bei der zweiten Operation sind in der vorstehenden Fig. veranschaulicht.) Der Verlauf nach dieser Operation gestaltete sich sehr einfach. Die von der linken Niere ab- gesonderte Harnmenge entleerte sich die erste Zeit durch den Katheter in ein unter das Bett gestelltes Gefäß; dieser Harn war schon seit der ersten Operation trübe, durch Beimengung von Eiter aus dem Nierenbecken, und zugleich eiweiß- haltig. Am 3. Oktober wurde der Katheter aus der Nierenfistel weggelassen, und von dieser Zeit ab entleerte sich aller Harn den natürlichen Weg durch den Ureter, so dass der Verband von Anfang an beinahe trocken blieb, und die dureh die Blase entleerte Harnmenge von 1200—1500 auf 2000—3500 ccm anstieg. Der Harn war zuerst durch die Beimengung der aus der linken Niere stammenden Sekretion trübe und eiweißhaltig. Er klärte sich aber unter dem Gebrauch von Urotropin stetig auf, so dass er am 31. Oktober, als der Pat. die Klinik verließ, beinahe vollständig klar war und nur noch kaum nachweisbare Spuren von Eiweiß enthielt. Die Nierenfistel war dann auch vollständig geschlossen.

Es wurde also in diesem Falle durch die Uretero-pyelo-neostomie eine prompte und vollständige Heilung der Nierenbeckenfistel erzielt, nachdem eine früher vor- genommene Ureterplastik ohne Erfolg geblieben war. Die näheren Details des von mir angewandten Verfahrens dürften aus der Krankengeschichte zur Genüge hervorgehen. Ich möchte nur die Punkte, auf die ich besonderes Gewicht lege, noch einmal in aller Kürze hervorheben.

Zur exakten Anlegung der Suturen ist es, wie schon Bazy betont hat, von Gewicht von innen her zu näben. Zu diesem Zwecke ist es nöthig, den Nieren- sack durch eine ausgiebige Incision breit zu spalten.

Weiter ist es von Vortheil, für die Einpflanzung des Ureters eine beson- dere dreieckige Öffnung an der hinteren unteren Nierenbeckenwand anzu- legen, anstatt das Ureterende etwa in den unteren Theil des Nierenbeckenschnittes einzunähen. Zur Anlegung der neuen Öffnung wählt man am besten eine relativ dicke und rigide Partie der Nierenbeckenwand, um eine möglichst breite Berüh- rungsfläche zwischen dem oberen Ureterende und den Lochrändern und zugleich ein Klaffen der Öffnung zu ersielen. Wenn das Nierenbecken sehr dünn und brüchig wäre, sehe ich kein Hindernis für die Anlegung der neuen Öffnung noch im Bereich des verdünnten Nierenparenchyms.

14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 124. Sitzung vom 12. Mai 1902. Vorsitzender: Herr Rinne.

I. Herr Rinne: Zur Nachbehandlung atypischer Amputationen der Extremitäten.

Bei dem heutigen Stand der Wundbehandlung braucht bei ausgedehnten Zer- malmungen der Extremitäten die Weichtheilquetschung nicht mehr für den pri- mären Eingriff bestimmend zu sein. R. sucht bei solchen Verletzungen besonders des Vorderarms und Unterschenkels möglichst viel vom Knochen zu erhalten, um einen beweglichen Vorderarm- oder Unterschenkelstumpf zu erhalten, der für die

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Kranken von großem Werth ist. Er hat dann, bei gutem Verlauf und so bald die Wundrerhältnisse es gestatteten, die Weichtheile, die vom Knochenstumpf oft weit zurückgewichen waren, durch permanente Traktion mittels Heftpflasterstreifen heruntergezogen. Zuerst hat er das Verfahren vor Jahren bei einer ausgedehnten Verbrennung mit Entblößung des Ellbogengelenks mit Erfolg angewandt, in gleicher Weise bei mehreren Vorderarmzermalmungen, bei denen der Knochen bis handbreit unter dem Ellbogen erhalten wurde, während die Weichtheile bei Beginn der Traktionsbehandlung bis sur Mitte des Oberarmes zurückstanden. Zur Unterstützung der Extension wurde auch die blutige Lösung der Wundränder, so wie die Anlegung von Situationsnähten angewandt. Das Heftpflaster wird in Längsstreifen angelegt, die durch Gazebinden gedeckt werden, Zirkeltouren sollen nicht gelegt werden, es wurde ein Gewicht von 5 kg angewandt. Bei dem vor- gestellten Pat. ist die Haut bis an die Knochenränder herangezogen, der Knochen ist von einer beweglichen Narbe bedeckt. Bei Unterschenkelverletzungen gelang es R., 12 cm Stumpf zu erhalten, wo die Haut 15 resp. 13 cm weit heruntergezogen werden musste; in einem 3. Falle wurde, um die endgültige Vernarbung zu er- zielen, die sekundäre Amputation eines Theils der Tibia nöthig.

II. Herr Hennig: Ein seltener Fall von Fremdkörper im Darm.

Ein 61jähriger Mann kam wegen Mastdarmblutung in Behandlung mit der nicht ganz zuverlässigen Angabe, es sei ihm in der Trunkenheit von Zechgenossen ein Likörglas in den After gesteckt worden, das er beim Erwachen noch gefühlt hatte. Die Exploration des Mastdarmes ließ keinen Fremdkörper entdecken. Das Röntgenbild zeigte in der Gegend der Flexura coli sin. einen Schatten, der seiner Gestalt nach von einem Likörglas herrühren konnte. Nach einer Abführkur war der Schatten in der Gegend des S romanum zu sehen. An dem Pat. waren noch 2 merkwürdige Fremdkörper im Scrotum zu fühlen, 2 Bleikugeln, die er sich vor Jahren hatte implantiren lassen.

III. Herr Löhlein: a. Schädel- und Gehirnverletzung (mit Kranken- vorstellung).

Der 1. Kranke hatte in Folge eines Hiebes mit einem Infanteriesäbel eine Depressionsfraktur des rechten Seitenwandbeins mit Anspießung des Gehirns durch einen Knochensplitter erlitten; es bestand Parese der linken Hand mit Erlöschen der Sensibilität. Hebung der Depression, Entfernung des Splitters. Beim 1. Ver- bandwechsel am 6. Tage allgemeine klonische Krämpfe. Heilung mit Zurück- bleiben einer Schwäche im linken Arm. Die beiden anderen Kranken hatten eine Impressionsfraktur des linken Stirnbeins erlitten mit Gehirnquetschung; sie sind nach operativer Beseitigung der Impression geheilt; bei dem ersten, einem Knaben, besteht noch ein größerer Knochendefekt, entsprechend dem Pulsation zu sehen ist; bei dem zweiten, vor 5 Jahren operirten, hat sich der Knochen re- generirt.

b. Abnorme Insertion der Gallenblase (mit Krankenvorstellung).

Bei der 5Vjährigen Frau fand sich zwischen Nabel und Proc. xiphoideus ein glatter Tumor, der bei der Aufblähung des Magens verschwand. Bei der Opera- tion fand sich ein Hydrops der Gallenblase, welche sich im Suleus longitudinalis sin. inserirte. Im Cysticus lag ein Stein. Nach Exstirpation der Gallenblase musste der Stumpf mit P&ans versorgt werden. Heilung.

c. Abrissfraktur des Calcaneus (mit Krankenvorstellung). Heilung durch Naht mit gutem Resultat. IV. Herr Borchardt zeigt die Röntgenphotographie eines Riss-

bruches des Calcaneus mit 2cm Diastase, der durch Naht mit gutem funk- tionellen Resultat geheilt ist.

Herr Helbing erinnert an einen von ihm gezeigten Fall, der ohne Naht gut geheilt ist.

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V. Herr E. Borchert: Über die Indikationen zur Lithotomie gegenüber der Lithotripsie.

B. betont die Überlegenheit der Lithotripsie über die Lithotomie, de erstere in der Mehrzahl der Fälle den Pat. in kürzerer Zeit und ohne körperliche Läsion von seinem Leiden befreit. Der Lithotripsie sind Grenzen gesetzt 1) durch die Beschaffenheit des Steine, 2) durch gewisse Veränderungen der Harnwege.

Ad 1) können sehr harte oder sehr große Steine in seltenen Fällen der Litho- tripsie ein unüberwindliches Hindernis entgegensetzen.

Ad 2) geben Veranlassung, die Lithotomie statt der Lithotripsie auszuführen, gewisse Zustände der Harnröhre, der Blase oder der Nieren. Von Seiten der Harnröhre können Strikturen oder Prostatahypertrophie das Einführen des Litho- triptors unmöglich machen, jedoch selten, da Strikturen sich erweitern lassen und die Pars prostatica nur bei besonders unregelmäßiger Hypertrophie der Prostata in Ausnahmefällen unpassirbar ist. Die häufigste Veranlassung zum Steinschnitt geben Veränderungen der Blase: a. schwere entzündliche Zustände, wenn gleich- zeitig der Stein sehr groß ist (Mittheilung eines derartigen Falles), b. eine sehr reisbare Blase, die keine Füllung zulässt und die freie Beweglichkeit des Litbo- triptors in der Blase verhindert (1 Fall}, c. Divertikelsteine, entweder festsitzende Steine (1 Fall} oder bewegliche im Divertikel liegende Steine, die aber für den Lithotriptor nicht erreichbar sind (1 Fall}, d. Formveränderungen der Blase durch Prostatahypertrophie; B. unterscheidet hier 2 Arten von Veränderungen: 1) wenn bei allgemeiner, kugelförmig in die Blase vorspringender Prostatahypertropbie gleichzeitig eine koncentrische Hypertrophie der Blase besteht und hierdurch der Fundus der Blase vollkommen verloren geht, so dass zwischen Prostata und hin- terer Blasenwand nur ein tiefer, spaltförmiger Raum übrig bleibt, in dem der Stein mehr oder weniger fest eingekeilt liegt (3 Fälle); die 3 demonstrirten Steine zeigen als Zeichen ihrer unverrückbaren Lage deutliche Abdrücke der prominenten Prostata; 2) wenn bei Hypertrophie des Mittellappens dieser als breiter Zapfen weit in die Blase hineinragt, so dass er den vorderen Tbeil des Blasengrundes überdeckt und unter ihm ein Recessus besteht, in dem ein ‘Stein weder für die Sonde, noch für den Lithotriptor erreichbar ist (2 Fälle). Von Seiten der Nieren geben Pyelitis und Pyelonephritis die Indikation zur Lithotomie, bei welchen die Kranken schon auf Sondenuntersuchung mit Fieber und Verschlimmerung des Nierenleidens reagiren (1 Fall).

Bei 100 Steinkranken hat B. 10mal die Sectio alta gemacht; 7 unkomplicirte Fälle sind genesen; 3 sind Komplikationen ihres Steinleidens erlegen, 2 in Folge abundanter, in den ersten Tagen nach der Operation aufgetretener Blutungen aus der villös degenerirten Blasenschleimhaut (Demonstration der Präparate), 1 an den Folgen der Operation eines gleichzeitig entfernten, über taubeneigroßen Fibro- adenoma prostatae.

B. hebt resumirend hervor, dass die Lithotripsie heute die Operation der Wahl, der Steinschnitt die Ausnahme ist, aber in gewissen Fällen die einzige Operationsmethode bleibt, die es ermöglicht, den Stein zu entfernen.

Herr Rotter fragt nach den Resultaten der Lithotripsien.

Herr Borchert hatte unter 90 Fällen 4 Todesfälle: ein S0jähriger Pat. mit Bronchitis starb an Bronchopneumonie, ein anderer an Herzcollaps, ale er das erste Mal aufstand, einer am Tage der Operation, die unter Cocainanästhesie aus- geführt war, an kardialem Asthma, und der vierte an Pyelonephritis. Bei dem letzten, etwas komplicirten Falle trat nach Stägigem guten Verlauf nach Weg- lassen des Dauerkatheters ein Frostanfall mit Nierenschmerzen auf; der Kranke starb unter hohen Fiebererscheinungen am 13. Tage.

Herr Rotter erwähnt ein ihm bei einer Lithotripsie durch Versagen des Instruments passirtes Missgeschick. Das Instrument stand, nachdem der Stein schon zum Theil zertrümmert war und ein kleineres Stück gefasst werden sollte, plötzlich unverrückhar still und folgte der Schraube nicht mehr; es ließ sich nur bis an die Parse membranacea zurückführen. Nachdem der Schraubentheil ab- gefeilt war, wurde das Instrument aus der Blase von einem Perinealschnitt aus

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extrabirt. Der innere Theil war verbogen und so fest in den äußeren eingekeilt, dass er auch nachträglich nicht aus ihm zu entfernen war.

Herr Hahn betont zunächst, dass nach den Ausführungen Borchert’s die Prognose für die Lithotripsie als sehr günstig zu bezeichnen ist. Dann theilt er einen ihm passirten, dem Rotter’schen gleichen Zufall mit, wo das Verbiegen des Instruments durch die Härte des Steins bedingt war. Er entfernte das In- strument unter Anwendung der Sectio alta.

Herr Rotter hebt hervor, dass das Unglück in seinem Falle durch ein un- sureichendes Instrument bedingt war.

VI. Herr Rinne: Zur operativen Behandlung der Perityphlitis.

R. setzt seinen Standpunkt zur Perityphlitisoperation aus einander. Früher war er mehr konservativ und operirte nur bei deutlichem Abscess und lebens- gefährlichen Symptomen. Unliebsame Überraschungen in verschiedenen Fällen, die später schnell zu Grunde gingen, haben ihn veranlasst, von dem konservativen Verhalten abzugehen. Bezüglich der Indikationsstellung zur Operation schließt er sich im Wesentlichen den Ansichten und der Eintheilung Sonnenburg’s an, doch will er nur leichte und schwere Fälle unterschieden wissen, besonders für den praktischen Arzt, um für denselben die Entscheidung, wann er den Fall dem Chirurgen übergeben soll, leichter zu machen. Die schweren sollen operirt, und zwar frühzeitig operirt werden. Als schwere bezeichnet er alle Erkrankungen, die mit Eiterung einhergehen und diejenigen, welche von vorn herein ein schweres Krankheitsbild machen, wobei der Puls und das allgemeine Aussehen der Kranken die wesentlichen Kriterien bieten.

Die Appendix wird möglichst primär entfernt. Die Berechtigung zu diesem Vorgehen ist auch dadurch begründet, dass die Operation bei guter technischer Ausführung keine Gefahr in sich birgt. R. macht einen großen schrägen Schnitt, tamponirt bei Eröffnung der freien Bauchhöhle gut ab, reinigt das Operations- gebiet sorgfältig und macht eine ausgiebige Tamponade der Wunde. Douglas- abscesse werden auch von oben freigelegt. Die Wunde wird event. sekundär ge- näht. Die Narben erwiesen sich als hinreichend fest. R. theilt die Resultate von 155 Operationen mit; die 48 leichten Fälle sind sämmtlich geheilt; von den 107 schweren Fällen sind 15 mit allgemeiner septischer Peritonitis sämmtlich gestorben, trotz Behandlung mit mehrfachen Incisionen, Ausspülungen etc., von 38 mit all- gemeiner progredient-eitriger Peritonitis sind 28 geheilt, 10 gestorben, die übrigen 64 sind geheilt.

Vo. Herr Schmitz: Über Behandlung der senilen und diabetischen Gangrän der unteren Extremität.

S. berichtet über 39 Fälle seniler (spontaner wie im Anschluss an Trauma oder Infektion entstandener) und diabetischer Gangrän, die von Rinne behandelt sind. R. behandelt nach folgenden Grundsätzen: Sind nur die Zehen befallen, so wird unter Hochlagerung und entsprechendem Verband die Demarkation abgewartet; Ent- fernung von Gewebsstücken mit der Schere ist zu meiden, um die Infektion nicht zu verbreiten; event. werden Incisionen gemacht. Griff die Entzündung auf den Fuß und weiter, so wurde auch bei vorhandenem Poplitealpuls die Oberschenkel- amputation gemacht; auf prima intentio wurde verzichtet. Die Oberschenkelampu- tation hat den Vortheil, dass Reamputationen selten nöthig werden, wie bei der Unterschenkelamputation; bei letzterer ist die Prognose, wenn Stumpfgangrän und Thrombosirung der großen Gefäße eintritt, auch für die sekundäre Oberschenkel- amputation schlechter. Da die Leute meist invalid sind, kommt der Vortheil des Unterschenkelstumpfs für sie wenig in Betracht. Bei 35 statistisch verwerthbaren Fällen (21 sin., 14 dext.) sind 3 Amputationes cruris (1 Heilung nach Lappenbrand, 2 + an progredienter Gangrän) und 30 Amputationes femoris gemacht, von letz- teren 25 primär, 5 sekundär nach Incisionen und Zehenexartikulation. Von ersteren hat R. 15 Heilungen, 3 Todesfälle wegen Stumpfgangrän und 7 an Koma und Collaps, von letzteren 3 Heilungen, 1 Todesfall wegen Stumpfgangrän, 1 an Koma zu verzeichnen. Wolff (Berlin).

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15) Davis, Patterson and Hewlett. Mastitis complicating typhoid fever. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. December.)

Krankengeschichte eines Falles von abscedirender Mastitis in der 6. Typhus- woche bei einer 34jährigen Frau. Im Eiter fanden sich Typhusbacillen in Rein- kultur, während Blutkulturen negativ ausfielen.

Aus der Litteratarbesprechung geht hervor, dass die abscedirende Form der Mastitis bei Typhus sehr selten ist. Atiologisch bestand keine Erklärung für den Locus minoris resistentiae in der Brust. R. v. Hippel (Kassel).

16) L. Freeman. The treatment of aortic aneurysm by means of silver wire and electricity, with report of cases. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. December.)

17) J. N. Hall. Report of two cases of aneurysm treated by wiring and electrolysis. (Ibid.)

F. unterzieht die Aneurysmabehandlung durch Einführung von Silberdraht und Elektrolyse einer eingehenden Besprechung. Seine Ausführungen müssen im Original nachgelesen werden, da sie sich für ein Referat nicht eignen. Nur seine Schlusssätze seien hier wiedergegeben.

1) In Anbetracht der Unwirksamkeit medikamentöser Behandlung und der vergleichsweisen Wirksamkeit des Gebrauchs von Silberdraht und Elektricität ist es wahrscheinlich besser, von vorn herein zu letzterer Maßregel zu greifen, ohne werthvolle Zeit mit ersterer zu verlieren. Um so wünschenswerther erscheint dies, wenn man bedenkt, dass die Drahteinführung keine sehr gefährliche Maßregel ist, und dass grade die Frühstadien, in denen der Sack noch fest und der Pat. in guter Verfassung ist, die besten Aussichten auf Erfolg geben.

2) Weicher, ungezogener, nicht legirter Silberdraht ohne Federkraft wie er aus dem Laden kommt ist dem harten, stark gezogenen, mit Kupfer legirten und stark federnden vorzusiehen. Man braucht den Draht kaum vorher auf- zuwickeln.

3) Ob es vorzuziehen ist, wenig oder viel Draht einzuführen, ist noch eine offene Frage, doch sprechen die theoretischen Vortheile su Gunsten von viel Draht.

4) Ein starker elektrischer Strom ist offenbar einem schwachen vorzuziehen.

5) Die Kanüle, durch die der Draht eingeführt wird, soll nur grade bis in den Sack vorgeschoben werden, nicht weiter.

6) Die Gefahr, dass das Aneurysma durch Steigerung des Blutdrucks in Folge von Koagulation in einem Theil des Sackes bersten könne, ist nur gering, wenn sie überhaupt besteht.

H. giebt die Krankengeschichten von 2 Fällen, in denen F. das Verfahren erprobte. Bei der Seltenheit derselben rechtfertigt sich wohl eine etwas aus- führlichere Wiedergabe. |

1) 36jähriger Bergmann. Syphilis mit 18 Jahren. Seit 7 Monaten Schmersen rechts am Halse, seit 4 Monaten dort eine Geschwulst, seit 1 Monat heiser, sgu- letzt Schluckbeschwerden.

Bei der Aufnahme am 16. August 1900 im Allgemeinen gesund ausehender Mann. Pulsirender Tumor an der rechten Halsbasis von Gänseeigröße und -Form. Das rechte Sternoclaviculargelenk nach vorn verdrängend. Dämpfung über der Ge- schwulst erstreckt sich in den 2. Zwischenrippenraum und überschreitet beide Sternalränder. Systolisches Herabrücken und diastolischer Stoß an der Traches vorhanden bei fehlendem diastolischem Stoß über der Geschwulst. (Vgl. d. Blatt 1900 No. 11 p. 310.) Rechte Pupille verengt, rechtes Stimmband gelähmt. Puls 84—100, Temperatur normal.

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6. September Injektion von 250 ccm 1x%iger Gelatinelösung, 8. September die- selbe Menge 2%iger Lösung. Starker Nachschmerz. 17. September keine Besserung, sondern Verschlimmerung, Orthopno&. Ligatur der rechten Carotis und Subelavica unter Lokalanästhesie (F... Heilung p. primam. 21., 23. und 24. September aber- mals Gelatineinjektionen.

28. September Zustand eher schlechter, Haut über dem Aneurysma geröthet. Einführung von 5—6 Fuß Silberdraht No. 27 durch Kanüle (F.); 30 Minuten An- wendung eines Stromes von 75 Milliampères. 29., 30. September und 2. und 3. Oktober abermals Gelatineinjektionen.

An der Stelle der Nadel, die schlecht isolirt war, war die Haut verbrannt; es bildete sich hier eine mit Serum gefüllte Geschwulst. 4 Monate bleibt Pat. zu Bett und bessert sich allmählich. Am 10. April 1901 ist keine Geschwulst mehr zu finden. In der rechten Radialis wieder leichte Pulsation. Rechte Hand etwas cyanotisch, Pupille leicht kontrahirt. Stimme heiser, aber besser, keine Dysphagie. Auskultation ergiebt nichts Abnormes, Perkussion noch eine leichte Dämpfung dieht unterhalb des rechten Sternoclaviculargelenks. Durch Druck des Kragens ist es an einer Stelle zu Decubitus gekommen, und es besteht eine anf den Draht führende Fistel. Pat. arbeitet als Tagelöhner ohne Mühe mit Hacke und Schaufel.

Anfang Juli 1901 kommt Pat. wieder, ein Stück Draht ragt aus der Fistel, die eitert. Draht wird entfernt. Nach wenigen Stunden schwere Hämorrhagie, der mehrere andere in Zwischenräumen von einigen Tagen folgen. Das Aneurysma bildet sich rasch neu, komprimirt die Luftröhre. Bluthusten und Kurzathmigkeit. 13. Juli 1901 neue Einführung von 15 Fuß Draht, Strom von 50—70 Milliampères für 35 Minuten. Tod 62 Stunden später an Dyspnoe. Autopsie zeigt ein festes Gerinnsel, das den ganzen Sack füllt, den Draht in allen Riohtungen durch das- selbe hindurchziehend.

2) 56jähriger Hotelier; weder Syphilis noch Potatorium. Kräftiger Mann. Seit 6 Monaten Schmerzen in der oberen Brust rechts, in die Seite und den Arm ausstrahlend. In den letsten Tagen bemerkte er eine pulsirende Geschwulst.

13. December 1900. Stimme und Augen normal. Im 2. rechten Interkostalraum eine 3cm im Durchmesser haltende Geschwulst, von entzündeter Haut bedeckt, mit sicht- und fühlbarer Pulsation. Rippen vorgewölbt. Herz und Herztöne normal, 2. Aortenton accentuirt. Puls 108, Athmung normal. Geringes systolisches Abwärtsziehen des Kehlkopfs, kein diastolischer Stoß. Rechte Hand leicht cya- notisch.

10: Tage Bettruhe und Jodkalium, dabei Besserung. 24. December unter Lokalanästhesie Einführung von 22 Fuß Siberdraht (F.). Blut spritzt aus der ein- geführten Kanüle einen Augenblick mehrere Fuß hoch, doch gehen nur wenige Unzen verloren. Strom von 70 Milliamperes wirkt 65 Minuten ein. Puls geht zuerst von 90 auf 52 herunter; bei sofortiger Stromunterbrechung und folgendem langsamen Einschleichen geht der Zufall aber schnell vorüber (Vaguswirkung).

Während der folgenden Wochen, in denen Bettruhe, subkutane Injektionen von 2x%iger Gelatinelösung und kleine Dosen Jodkalium angewandt wurden, wurde die Geschwulst kleiner, die Schmerzen verschwanden.

20. Februar. Pulsation nimmt am rechten Rand des Tumors zu, rechte Pupille etwas dilatirt, Einführung von 8 Fuß Draht, Strom von 70 Milliamperes 77 Mi- nuten, dann 15 Minuten 50 Milliamperes. Danach hat die Pulsation bie auf die äußerste rechte Seite aufgehört.

13. März wegen Zunahme derselben 3 Fuß Draht mühsam eingeführt, Strom von 75 Milliamperes für 70 Minuten.

29. April abermals 6 Fuß Draht eingeführt, Anwendung des gleichen Stromes für 72 Minuten.

Am 1. Mai. Die Geschwulst hebt sich noch leicht mit der Herzaktion, dehnt sich aber nicht mehr aus. Am 16. Oktober 1901 befindet sich Pat. bei guter Ge- sundheit. Seit der 2. Operation wurde auch Gelatine per rectum gegeben. .

Die Behandlung eignet sich nur für sackförmige Aneurysmen, die sich nach vorn und seitlich entwickeln, also nur für einen kleinen Theil. Bei Aneurysmen

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der Bauchaorta müsste die Laparotomie vorausgeschickt werden. Wiederholte Einführung von Draht wird in vielen Fällen nöthig sein. Von den Gelatine- injektionen subkutan und per rectum hat H. nicht viel gesehen, meint aber doch,

dass man sie machen soll. R. v. Hippel (Kassel). 18) Alenar. Dilatación del conducto torácico en la cisterna de Pecquet.

(Revista de medicina y cirúrgia prácticas 1901. No. 711.)

Die 55jährige Kranke, deren Familienanamnese nichts Besonderes aufweist, hatte seit einiger Zeit ein Stärkerwerden des Leibes bemerkt und zeitweise heftige Schmerzen im linken Epigastrium verspürt. Der vorhandene Ascites war so stark, dass eine Tastung des Bauches zur Feststellung einer etwa vorhandenen Geschwulst ganz unmöglich war. Es wurde desshalb die sofortige Punktion beschlossen, und diese in der linken Bauchseite vorgenommen. Der eingeführte Trokar gelangte nach wenigen Centimetern in eine feste Masse, und es entleerten sich unter sehr hohem Druck in wenigen Minuten 6 Liter einer dicken, milchartigen Flüssigkeit, ohne dass die Auftreibung des Leibes desshalb vollkommen verschwand. Die Untersuchung ergab, dass es sich um Lymphe handelte. Es wurde eine zweite Punktion 3 Wochen nach der ersten in der rechten Bauchseite vorgenommen, da sich die Beschwerden der Kranken wieder sehr vermehrt hatten, und nun konnten 4 Liter gewöhnlicher Ascitesflüssigkeit entleert werden. Pat. erholte sich bald, und ein Recidiv des Ascites trat seither nicht mehr ein. A. sieht den Schluss, dass es sich hier um eine Dilatation des Ductus thoracicus an der Stelle seiner normalen kleinen Erweiterung gehandelt habe, und dass die hierdurch entstehende Geschwulst die großen Bauchgefäße komprimirt und so den Ascites hervorgerufen habe. Bei der Differentialdiagnose der Bauchgeschwülste ist also event. auch dieses sehr seltene Vorkommnis in Betracht zu ziehen. Auffällig ist ferner, dass die Kranke den plötzlichen Verlust von 6 Litern Lymphflüssigkeit ohne besondere Erscheinungen überstanden hat. Stein (Berlin).

19) Le Conte. Penetrating gunshot wounds of the abdomen. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. December.)

27jähriger Neger erhält 2 Revolverschüsse; der erste verletzt ihn leicht am linken Oberschenkel, der zweite dringt dem Davonlaufenden auf 20 Fuß Entfernung in den Rücken. Nach 11/; Stunden findet Verf. ihn mit krampfhaften Leib- schmerzen, mäßigem Chok, schnellem Puls und fast nur kostaler Athmung. Ein- schuss 3 Zoll rechts vom Darmfortsatz des 5. Lendenwirbels in Höhe der Crists ilei; kein Ausschuss. Bauch überall empfindlich, ausgedehnt und resistent, Dämpfung in den Flanken.

Athernarkose; Erweiterung der Wunde, die in die Bauchhöhle führt. Ein- führung eines Drains. Mediane Laparotomie, Entleerung von viel flüssigem Blut. Rasches Auspacken des Dünndarms, der eine Perforation zeigt. Ein stark blutendes Mesenterialgefäß wird unterbunden. Das Loch im Dünndarm und ein zweites im Quercolon wird übernäht. Ausspülung der Bauchhöhle mit Kochsalr- lösung, intravenöse Infusion wegen starken Collapses, Glasdrain in die Bauch- wunde, die sonst mit durchgreifenden Nähten geschlossen wird. Kugel nicht gefunden.

Nachbehandlung: Absaugen der Flüssigkeit aus dem Drain mit Spritze, in den ersten 6—8 Stunden alle paar Minuten, später alle 1—21/s Stunden; nach 48 Stunden ist das Drain trocken und wird entfernt. Nach 24 Stunden erster Stuhl auf Kalomel und Einlauf, von da an zunehmende Ernährung durch den Mund. Entfernung des hinteren Drains am 11. Tage. Am 21. Tage steht Pat. auf.

Im Anschluss an diesen Fall entwickelt Verf. seine Ansichten über die Be- handlung von Bauchschusswunden, die sich mit denen der meisten Chi deeken. Nur die spätere Aufsuchung des bei der Operation nicht gefundenen Geschosses mit Röntgenstrahlen und seine sekundäre Entfernung, ist, sofern es keine Beschwerden macht, sicher überflüssig. R. v. Hippel (Kassel).

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20) C. E. Briggs. Laparotomy for perforation in thyphoid fever. Report of six cases. (Amer. journ. of the med. sciences 1902. Januar.)

Ausführliche Krankengeschichten der 6 Fälle mit epikritischen Bemerkungen. Geheilt wurde nur 1 Fall, in einem zweiten keine Perforation gefunden, ein dritter kam bereits mit voll entwickelter allgemeiner Peritonitis in Behandlung.

R. v. Hippel (Kassel).

21) Lenzmann. Weitere Beobachtungen über Appendicitis chronica. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 15.)

Es giebt Fälle von Appendicitis ehronica, die sich ganz allmählich entwickeln und schließlich ein Symptomenbild bewirken, das zu der irrigen Diagnose einer Cholelithiasis, Ulcus ventriculi, Darmkolik, Hysterie verleitet. L. theilt 2 der- artige weitere Fälle mit, die sich im Anschluss an eine Geburt entwickelt hatten und durch Resektion des Wurmfortsatzes geheilt wurden. Derselbe bot das Bild einer Appendicitis chronica haemorrhagica resp. ulcerosa. Der Process war über den Wurmfortsatz nicht hinausgegangen. L. glaubt, dass durch den dauernden Entzündungsvorgang eine Reizung der der Appendix angehörenden Nerven- endigungen stattfindet, welche sich auf das obere Bauchgeflecht des Sympathicus überträgt. Hierdurch kommt ein dauernder Reizsustand des Bauchsympathicus su Stande.

Beide Pat. hatten vor der Operation an hartnäckiger Verstopfung gelitten. Die Defäkation erfolgte immer unter heftigen Schmerzen im Leibe. Nach der Operation waren diese Beschwerden völlig geschwunden.

Die Diagnose ist nicht schwer, wenn es gelingt, mit Sicherheit das erkrankte, verdickte Gebilde durch die Bauchdecken abzutasten und andere Erkrankungs- ursachen auszuschließen. Borchard (Posen).

22) Münch. Ein Fall von Appendicitis perforativa in einem Schenkelbruch. (Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte 1902. No. 8.)

Eine 73jährige Frau litt seit vielen Jahren an einem nicht reponiblen rechts- seitigen Schenkelbruch. Seit einigen Tagen wurde die Geschwulst ohne bekannte Ursache größer und schmerzhaft. Dabei fehlten aber Erbrechen und alle Symptome einer Darmeinklemmung: Winde, Stuhl und Urin konnten regelmäßig entleert werden. Kein Fieber, Puls 66. Bauch weich, nirgends empfindlich. Der Schall über der 10 cm langen, dem Poupart’schen Bande parallel verlaufenden Geschwulst ganz matt, keine Fluktuation. Bei der Operation findet sich eine walnussgroße, sehr derbe, gelbliche, runde Geschwulst.e Kein Bruchwasser; dagegen entleert sich beim Versuch der Freilegung der Geschwulst von deren Rückseite ziemlich übelriechender, aber nicht kothiger Eiter ohne Gasblasen in der Menge von 3 Esslöffeln. Die mit einem dünnen, aber derben Stiel in die Bauchhöhle sich fortsetzende Geschwulst ist irreponibel, kann aber nach mehrfachem Debridement der Bruchpfortenränder herausgesogen werden. Nach Spaltung der fibrösen Hülle tritt ein 12cm langes, wurmförmiges, auch in Farbe und Dicke einem großen Regenwurm ähnliches Gebilde hervor, das in der innen glänzend sehnig weißen, fein gestreiften Hülle eng zusammengerollt lag. Die dem Schenkel zugeriohtete Fläche trägt eine zarte, eine kleine Arterie enthaltende Gewebsfalte. Das peri- phere, kolbig aufgetriebene Ende ist mit der äußeren Bruchhülle fest verwachsen. Nach Abtrennung des ganzen Stranges möglichst hoch oben zeigte sich eine enge Lichtung, aus der eine röthlich trübe Flüssigkeit quoll. Das centrale Ende wurde unterbunden. Es erfolgte rasche Heilung. Die Untersuchung des resecirten Ob- jektes im pathologisch-anatomischen Institut in Basel zeigte an verschiedenen Stellen an mikroskopischen Schnitten das charakteristische Strukturbild des Pro- cessus vermiformis. An der Seite zeigte der Processus ein Loch in einem Ge- schwür. Am proximalen Ende waren die Schleimhautdrüsen erhalten, der Inhalt

694 Centralblatt für Chirurgie. No. 25.

war amorph. Der während der Operation aufgefangen gelbe Eiter roch säuerlich fötid und wurde nicht weiter untersucht. Als 1/s Jahr später Pat. an Inanition gestorben war, ergab die Sektion, dass vom unteren Pol des normalen Blind- darmes senkrecht nach abwärts der Wurmfortsats in den Schenkelkanal hinein- ging, wo er mit der Narbe des Bruchschnitts fest verwachsen war. Seine Länge vom Coecum bis sur Amputationsstelle betrug noch 5 cm. Dreyer (Köln).

23) R. Müller. Ein Beitrag zur Kasuistik der interparietalen Hernien. Inaug.-Diss., Kiel, 1901.

Verf. berichtet über einen von Helferich operirten Leistenbruch, der irre- ponibel zwischen dem Musculus obliquus externus und internus lag. Bisher sind nur 11 solcher Fälle bekannt, 5 reponible, 5 irreponible und 1 Sektionsbefund. Alle 11 Pat. waren Kryptorchisten. Das Besondere des vom Verf. beschriebenen

12. Falles ist es, dass er bei einer jungen Frau beobachtet wurde. Schmieden (Bonn).

24) F. Fraenkel (Nürnberg). Bericht über 100 Fälle von »Radikal- operation des Leistenbruches nach der Bassini’schen Methode«. (Festschrift zur Feier den 50jährigen Bestehens des ärztl. Vereins Nürnberg 1902.

Bei 100 Radikaloperationen nach Bassini, deren Methode vom Verf. genau beschrieben wird, aber keine Besonderheiten aufweist, wurde im Nürnberger ‚Krankenhaus kein Todesfall beobachtet, trotzdem sich 17 incarcerirte Hernien darunter befanden, die z. Th. groBe Darmresektionen erforderten. Von den 17 ein- geklemmten Brüchen heilten 13 primär, 4 sekundär; von den nicht eingeklemmten heilten 90,4% primär, die anderen eiterten; imal wurde Hodennekrose beobachtet. Unter 44 länger als 1 Jahr beobachteten Fällen fanden sich 3 Recidive.

. Schmieden (Bonn).

25) Curvoisier. Über einige operativ behandelte Fälle von Obstruktion des Darmlumens. (v. Langenbeck’s Archiv Båd. LX VI.)

Verf. behandelt die in den Jahren 1900 und 1901 in der chirurgischen Klinik zu Basel operativ behandelten Fälle von Verschluss der Darmlichtung, in deren Krankengeschichten mancherlei interessante Einzelheiten zu finden sind. Schon gleich der 1. Fall ist ein Unikum von multiplen angeborenen Entwicklungs- störungen, von Osophagusverschluss, Atresia ani urethralis, Fehlen des einen Harnleiters und cystischer Degeneration der entsprechenden Niere. Völlige Klar- heit in das klinische Bild und in den Krankheitsverlauf, der zu zwei Eingriffen führte, kam natürlich erst durch die Obduktion. Die darauf folgenden Fälle von Darminvagination unterscheiden sich von dem gewöhnlichen derartigen Krank- heitsbild durch die stürmischen Initialeymptome zum Theil ohne die geringsten vorhergegangenen Darmstörungen. Die 3. dieser Beobachtungen stellt in so fern eine Rarität dar, als es sich um eine Invagination durch ein Dünndarmsarkom handelt. Nicht die Neubildung hat hier die ersten Zeichen der Krankheit ver veranlasst, sondern die Invagination. Weiterhin werden einige Fälle beschrieben, bei denen Volvulus der Flexura sigmoides und andererseits peritonitische Stränge zum Verschluss führten. Einmal gingen diese vom Wurmfortsatz, ein zweites Mal von einem Meckel’schen Divertikel aus. Schließlich sind noch 3 Beobachtungen über Ileus bei Darmverengerung durch Carcinom beigefügt. Der Sits der Ge- schwulst war ein Mal am Blinddarm, das zweite Mal am Colon descendens und im 3. Falle an der Flexura sigmoidea. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

26) Sievers. Zur Kenntnis der Embolie der Art. mesenterica superior. (Berliner klin. Wochenschrift 1902. No. 9.)

»Eine Frau von 56 Jahren mit Aneurysma in der abwärtsgehenden Aorta er- krankt plötzlich unter heftigen Schmerzen und starker Kräfteabnahme. Der Bauch

Centralblatt für Chirurgie. No. 25. 695

wird ein wenig aufgetrieben, eine gelinde diffuse Empfindlichkeit über demselben lässt sich konstatiren, Übelkeit und etwas Erbrechen finden statt, mit schmerz- haften Tenesmen, ohne Abgang von Koth und Blut. Nach 29 Stunden erfolgt der Tod. In der oberen Gekrösader, unmittelbar nach ihrem Austritt aus der Bauchaorta, wird ein Embolus von 6 cm Länge gefunden. Die Därme sind 1m abwärts vom Pylorus bis zu 70 cm unterhalb der Valvula Bauhini gleichmäßig -roth, succulent und nicht sonderlich stark meteoristisch aufgetrieben, mit einem braunröthlichen, flüssigen Inhalt. Völlig normal und mit einem Inhalt von ge- wöhnlicher Beschaffenheit sind Magen, Duodenum, der Obertheil von Jejunum und Colon descendens; in diesem finden sich feste, normalfarbige Exkremente.«

Mit diesen Worten resumirt Verf. selbst die mitgetheilte Krankengeschichte.

Langemak (Rostock).

27) Martinez. Tratamiento de cas fistulas tuberculosas del ano por la formalina. Revista Ibero-Americana de cienc. med. Ref, in Rev. med. y cir. präct. 1902. No. 731.)

Verf. behandelte 30 Fälle von tuberkulöser Analfistel, bei denen fast allen ein radikaler Eingriff in Folge schlechten Allgemeinzustandes kontraindieirt.war, mit Injektionen einer 1—5%igen Formalin-Glycerinlösung. Die jedes Mal angewandte Dosis betrug 5 cem. Bei 24 Kranken trat dauernde Hebung des Leidens ein; 6 gingen bald an Lungenphthise su Grunde. Stein (Berlin).

28) H. Indet. Rupture de la rate. Splönectomie. Guerison. (Bull. et mém. de la soc. anat. de Paris A. LXXVI. T. III. No. 8.)

Fall aus 12 m Höhe auf die linke Seite. Unter den Zeichen innerer Blutung und großer Schmerzhaftigkeit der linken Seite wird bereits 2 Stunden nach dem Unfall die Laparotomie ausgeführt. Irregeleitet durch blutigen Urin, der einer mäßigen Nierenquetschung entstammte, machte I. zuerst die mediane Laparotomie unterhalb des Nabels, musste dann den Schnitt stark nach oben verlängern und weiterhin nach links rechtwinklig abbiegen {daher eine 20 cm lange mediane, 10 cm lange transversale Wunde).

Die Milzzerreißung war eine sehr ausgiebige: ein Dreispitz war völlig heraus- gesprengt und der Haupttheil des Organs der Länge nach gespalten.

Die Mittheilung ist rein kasuistisch, die Krankengeschichte ausführlich, mit zwei Blutuntersuchungen vom 5. und 34. Tage nach der Operation. Das sog- Trendelenburg’sche Symptom ist nicht erwähnt. Christel (Metz).

29) A. P. Dalinger. Ein Fall von Splenektomie mit günstigem Ausgang. (Medieinskoje obosrenje 1901. December.)

Die 44 Jahre alte Pat. erkrankte vor 9 Monaten an intermittirendem Fieber, das aller Therapie trotzte, konnte aber ihren Arbeiten nachgehen. Erst vor 3 Tagen legte sie sich zu Bett in Folge heftiger Schmerzen im Hypochondrium; seither 3mal Synkope. Nach 16 Tagen konnte man eine fluktuirende Geschwulst - fühlen und schritt zur Laparotomie unter der Diagnose: Leberabscess oder Echino- coccus des linken Lappens. Doch zeigte es sich, dass zwischen der Milz und deren Kapsel Blutgerinnsel und dunkle Flüssigkeit vorhanden waren; die Kapsel war hinten und oben mit Zwerch- und Bauchfell verwachsen. Bei Entfernung der Gerinnsel wurde die Blutung drohend, und musste daher die Splenektomie ausgeführt werden. Verlauf während der ersten 4 Tage schwer, dann Heilung. Während der letzteren wurde Wolfshunger beobachtet, sonst keine besonderen Veränderungen. Gückel (Medwedowka, Kiew).

696 Centralblatt für Chirurgie. No. 25.

30) Wilms. Operative Behandlung multipler, durch Cholangitis und Cholecystitis entstandener Leberabscesse. (Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Leipzig.)

(Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 13.)

Während solitäre tropische und traumatische Leberabseesse spontan ausheilen können, bieten die multipel auftretenden, bei Entzündungen im Pfortadergebiet, bei Pyämie und im Gefolge von Cholangitis und Cholecystitis sich entwickelnden meist sehr ungünstige Aussichten. So hat W. in 4 Fällen solcher multipler ‚Leberabscesse nach Perityphlitis den Tod eintreten gesehen, und auch sonst ist in der Litteratur, außer einem Falle von Geigel, kein einsiger mitgetheilt, der ohne Operation oder durch einen chirurgischen Eingriff zur Heilung gelangt wäre. Wider Erwarten verlief ein von W. im letsten Jahre beobachteter Fall von mul- tiplem Leberabscess nach Cholangitis und Cholecystitis gūnstig. Die mit schleimigem Eiter gefüllte Gallenblase wurde durch einen Schnitt entleert und drainirt, sämmtliche an der Ober- und Unterfläche der Leber gelegenen sichtbaren (ca. 20) Abscesse in gleicher Weise behandelt und darauf der vergrößerte rechte Leberlappen mit Gase umhüllt; nirgends waren Steine vorhanden. Nach 5 Wochen war Pat. geheilt und ist seitdem gesund geblieben. Kramer (Glogau).

31) Kümmell. Die chirurgische Behandlung des Ascites bei Leber- cirrhose. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 14).

Bericht über 7 derartige nach Talma operirte Fälle, von denen aber nur 4 wegen einer mehr oder weniger langen Beobachtungsseit in Betracht kommen können. K. stellt die Indikation weiter als Talma, der in dem Vorhandensein von Ikterus, Acholie oder Hypocholie der Fäoces eine Kontraindikation erblickt, indem es ihm in erster Linie darauf ankam, durch Beseitigung des Ascites die Pat. von dem lästigsten und quälendsten Symptom su befreien.

Der 1. Fall ist 3 Jahre nach der Operation arbeitsfähig geblieben; Fall 5 starb 1 Jahr nach der Operation an interkurrenter Erkrankung; der Ascites war geheilt. Eine Heilung der Lebereirrhose war nicht eingetreten. Im 6. Falle wurde ein höchst elender, fast moribunder Pat. durch die Operation arbeitsfähig. Der 2.und 3. Fall gingen wenige Tage nach der Operation zu Grunde. In beiden war der Allgemeinzustand schon vorher ein sehr elender; in dem einen Falle trat Ileus hinzu. Der 4. Fall starb 5 Wochen p. op. Es war in so fern eine wesent- liche Besserung eingetreten, als der trots 6maliger Punktion in kurzen Intervallen sich immer wieder ansammelnde Ascites ausblieb. Im 7. Falle ist die Zeit nach der Operation noch zu kurz.

Ob es möglich sein wird, durch die Operation eine Heilung der Lebereirrhose herbeizuführen, bezweifelt K. sehr. Wohl aber gelingt es in vielen Fällen, die Stauung im Pfortadersystem zu beseitigen und damit den Ascites auf lange: Zeit zu beheben, so wie eine Rückbildung der Leber- und Milssohwellung herbeisuführen.

Borchard (Posen).

Berichtigung. P. 508 2.3 v. o. lies »Praktitscheski Wratsch« statt Wratsch; p. 592 Z. 4 v. o. lies >»Russki Wratsch« statt Prakt. Wratsch.

Originalmittheilungen, Monographien und Separatabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- handlung Breitkopf & Hüärtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

Gentralblatt CHIRURGIE

R m Bergman, P. Kinig, E Bitter

Neunundzwanzigster Jahrgang.

Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrgangs 20 Mark, bei halbjähriger Pränumeration. Zu beziehen durch alle Buchbandlungen und Postanstalten.

No. 26. Sonnabend, den 28. Juni. 1902.

Inhalt: A. Schanz, Zur Operation des paralytischen Klumpfußes. (Original-Mitth.)

1) Bennecke, Gicht. 2) Avegno, Gelenk- und Knochentuberkulose. 3) Lange, Ungenügende Muskelspaunung. 4) Müller, Venenthrombosen. 5) Bier, Künstlich erzeugte Hyperämie. 6) Neisser und Jadassohn, Krankheiten der Haut. 7) Buxton, Epithelisle Hautgeschwülste.e 83) Engman, Impetigo contagiosa. 9) Phototherapie in der Klinik Weljaminow’s. 10) Krukenberg, Erysipel. 11) Körner, Otitische Erkrankungen des Hirns. 12) Phillips, Eiterung des Warzenfortsatzes. 13) MacCoy, Osteophyten der Nasenhöhle. 14) Matas, Künstliche Respiration durch Intubation. 15) Pels-Leusden, Schenkelhalsbrüche.

0. Hagen-Torn, Statik und Dynamik. Kasuistischer Beitrag. Przewalski, Ein Fall von ausgesprochener Verlängerung des Femur bei einem Erwachsenen nach Osteosarcoma Tibiae. (Original-Mittheilungen.)

16) Berndt, Exstirpation und Regeneration langer Röhrenknochen. 17) Johnston, Angiosarkome der Haut. 18) Curtin, Herpes zoster. 19) Wende und Pease, Derma- titis herpetiformis. 20) Grindon, Impetigo contagiosa. 21) v. Bergmann, Geheilte Schädelschüsse. 22) Rasumowsky, Trepanation bei Epilepsie. 23) Leiser, Paraffn- injektionen bei Sattelnase. 24) Röpke, Leukämische Gaumengeschwülste. 25) Mayer, Ulceröse Angina. 26) Shambaugh, Zungensarkom. 27) Robertson, Thyreoiditis. 28) Ballarin und Muñoz, Basedow. 29) Seidel, Thymusgeschwülste. 30) Müller, Enchondrom der Gelenkkapsel. 31) Gaetano, Verrenkung des Os capitatum. 32) Championnière, Klumpfuß.

Zur Operation des paralytischen Klumpfulses. Von A. Schanz in Dresden.

Die Korrektion des paralytischen Klumpfußes wird heut zu Tage allgemein in der Weise ausgeführt, dass zuerst das Redressement der Deformität vorgenommen wird, und dass man dann versucht, durch eine Sehnentransplantation die verloren gegangene Funktion der Peronei wieder herzustellen. Für diese Transplantation gewinnt man gewöhnlich das bestgeeignete Material durch Abspaltung eines Theiles der Achillessehne.

Für Fälle, in denen dieser Modus Verwendung finden kann, soll meine kurze Mittheilung gelten.

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698 Centralblatt für Chirurgie. No. 26.

Wenn man den Klumpfuß redressirt, so beseitigen sich die einzelnen Komponenten der Deformität mehr oder weniger leicht bis auf den Spitzfuß. Dessen Korrektur erfolgt dann meist bei der Aus- führung der Transplantation, und zwar gewöhnlich durch eine der verschiedenen Operationsmethoden zur Verlängerung der Achilles- sehne, welche an dem nicht auf die Peronealsehne verpflanzten Rest ausgeführt wird.

So setzt sich der blutige Theil dieser Klumpfußoperation aus 2 verschiedenen Operationen zusammen: der Transplantation und der Achillessehnenverlängerung.

Während diese beiden Operationen allgemein in einer Sitzung ausgeführt werden, möchte ich empfehlen, zweizeitig zu operiren, und zwar zuerst die Transplantation und 4—5 Wochen später die Sehnenverlängerung auszuführen.

Die Gründe dafür sind folgende: Zuerst sind es dieselben Gründe, welche es beim angeborenen Klumpfuß empfehlenswerth erscheinen lassen, das Redressement und die Verlängerung der Achillessehne ın 2 Zeiten auszuführen.

Wie ich in diesem Centralbl. 1899 No. 25 dargelegt habe, be- rauben wir uns, wenn wir beim Klumpfußredressement die Achillo- tomie ausführen, des wichtigsten Widerhaltes zur Ausrollung der Fußsohle. Dasselbe gilt natürlich für den Lähmungsklumpfuß.

Ein weiterer Grund sind die einfacheren Wundverhältnisse, die wir erhalten, wenn wir in der ersten Sitzung nur die Transplantation ausführen. Darauf möchte ich zwar kein sehr großes Gewicht legen, aber ich glaube doch, dass das abgespaltete und überpflanzte Stück eher von dem übrigen Rest der Achillessehne freibleibt, wenn beide in straffer Spannung erhalten werden.

Nun muss man freilich, wenn man zweizeitig operiren will, den Fuß nach der ersten Operation in Spitzfußstellung eingipsen. Das ist aber kein Nachtheil, im Gegentheil: die neue Achillo-Peroneal- sehne können wir kürzer anlegen und dadurch die Transplantation wirksamer gestalten, wenn der Fuß zunächst in Spitzfußstellung bleibt.

Weiterhin aber kommen wir durch die vorläufige Spitzfußein- stellung in die Lage, auszuprobiren, wie viel der Spitzfuß korrigırt werden muss, um die beste Funktion zu ergeben. Wir haben ja doch bei diesen Fällen fast stets Wachsthumsverkürzungen des kranken Beines, welche sich am besten dadurch ausgleichen, dass man einen entsprechenden Grad von Spitzfuß stehen lässt und dazu einen in dem Fersentheil erhöhten Schuh giebt.

Sehr häufig stellt sich dabei heraus, dass eine Achillesehne- verlängerung nicht nöthig ist, ja sogar sehr unzweckmäßig wäre.

Ich bin in den von mir operirten Fällen in der angegebenen Weise verfahren und habe in jedem Fall, auch bei. je einer 25- und 27jährigen Pat., ein volles recidivloses Resultat erreicht. Andererseits habe ich doch schon 2 von anderer Seite einzeitig operirte Fälle

Centralblatt für Chirurgie. No. 26. 699

gesehen, von denen man das nicht sagen konnte. In beiden Fällen war die Fußsohle nicht ausgerollt; es war das Bild, welches ich in meiner oben genannten früheren Mittbeilung als halbes Resultat beschrieben habe: »Die Pat. treten zwar mit der Sohle auf, die Spitz- fußstellung ist beseitigt, aber der Vorderfuß steht noch adducirt, der ganze Fuß ist zu kurz, die Ferse prominirt nicht nach hinten«.

1) E. Bennecke. Beitrag zur Anatomie der Gicht. (v. Langenbeck’s Archiv BdeLXVI.)

Wie so viele Stoffwechselkrankheiten, ist auch die Gicht in ihrem Wesen noch nicht völlig erforscht. Uber die wichtigsten Be- funde und‘ Symptome herrscht noch die lebhafteste Kontroverse. Besonders gilt dies von der Ebstein’schen Behauptung, dass die Abscheidung von Harnsäurekrystallen stets in nekrotisches Gewebe stattfinde, derart, dass ein Theil der im Überschuss gebildeten Harnsäure durch lokale Stauungen des Säftestroms in den Lieblings- stellen der Ablagerungen zurückgehalten werde, dass ihre Anhäufung als aseptisches Gift abtödtend auf die Gewebe wirke, und dass nun die Urate als saure Verbindungen auskrystallisirten, sobald sie mit der bei den nekrotischen Vorgängen sich stets bildenden Säure in Berührung kommen. Eine Reihe von Autoren haben auch experi- mentell diese Befunde nachgeprüft und sind zu entgegenstehender Ansicht gekommen. So findet es Freudweiler unwahrscheinlich, dass die Nekrose der Krystallbildung vorausgehe, und andererseits fand er Krystalle auch in noch völlig gesundem Gewebe. Die Eb- stein’sche Schule hinwiederum sah das letztere Vorkommnis als postmortale Erscheinung an. Verf. liefert nun zu der vorstehenden Frage einen anatomischen Beitrag auf Grund eines Präparats, welches menschliche Gichtherde in fast allen Stadien enthält, auch in sehr jugendlichen, wie sie nur selten zur Untersuchung gelangen. Nach Schilderung der zur Aufbewahrung gichtischer Präparate erforder- lichen Maßnahmen und der zweckmäßigen Färbemethode beschreibt B. im Einzelnen genau die interessanten mikroskopischen Unter- suchungen, die in ihrer Gesammtheit ein vortreffliches Bild vom Schicksal eines Gichtherdes geben. Man sieht die frische, rasch körnig zerfallende Nekrose eng mit Krystallen durchsetzt und scharf gegen das gesunde Gewebe abgesetzt. Anfänglich fehlt jede Spur von Reaktion von Seiten des Körpers. Bald aber tritt diese auf und verläuft ganz in den bei anderen Nekrosen und resistenten Fremd- körpern beobachteten Formen. Zuerst treten die Wanderzellen in Thätigkeit, um den Resorptionsprocess einzuleiten, der des Weiteren in der Hauptsache durch die reaktive Thätigkeit des umgebenden Gewebes besorgt wird, indem es dort zum Wachsthum einer üppigen Granulationsschicht kommt, welche die Nekrose und die Krystalle allmählich zum Schwinden bringt. Da natürlich die letzteren wesent- lich widerstandsfähiger sind als die nekrotischen_Weichtheile, sieht

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700 Centralblatt für Chirurgie. No. 26.

man von letzteren nichts mehr, wenn die ersteren noch reichlich vorhanden sind. Übrigens erlahmt an groBen Klumpen von Krystall- anhäufungen die Kraft der Granulationszellen, und es wird eine Bindegewebskapsel um sie gebildet. In den Spalten des Gewebes, um kleine Gefäße herum, zwischen den Maschen des spärlichen Fettgewebes finden sich frische Entzündungsherde von geringer In- tensität, welche als eine der Nekrose folgende Reaktion zu deuten sind. Verf. ist auf Grund seiner aufgenommenen Befunde der An- sicht, dass wahrscheinlich ein flüssiges Gift die Nekrotisirung bewirke, und dass die Krystalle erst sekundäre Produkte sind. Ganz ist der Beweis dafür freilich nicht zu erbringen gewesen. In unverändertem lebendem Gewebe oder in unversehrten Lymphgefäßen wurden nie Krystalle gefunden. Im späteren Stadium kommt der Thätigkeit des Gewebes ein größerer Antheil an der Resorption der Gichtherde zu als man bisher annahm. Die meisten werden von den Granulationen bewältigt, nur massige Krystallklumpen werden eingekapselt. Die Phagocyten fanden sich nur mit Weichtheilnekrose, nicht mit Krystallen beladen. Neben der Resorption durch Zellthätigkeit mag auch eine Lösung in den Körpersäften oder eine chemische Zer- setzung stattfinden. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

2) Avegno. Sulla cura della tubercolosi ossea ed articolare. (Morgagni 1902. Bd. I. No. 2.)

Die von Durante namentlich bei Drüsentuberkulose inaugu- rirten Jodinjektionen empfiehlt A. auch bei Gelenk- und Knochen- tuberkulose anzuwenden, und zwar intravenös nach folgender Formel:

Jodi 1,0 Kal. jodat. 1,5 Aq. destillata 100,0.

Man injicirt 1 bis 4 g der sterilisirten Lösung. Die Berichte über 3 Fälle im Alter von 10, 13 und 25 Jahren sind namentlich bei den beiden ersteren günstig, indem fast vollkommene Heilung erzielt wurde. Im 3. Falle trat nur Besserung der Allgemeinsymptome ein. Nebenwirkungen fehlten völlig bis auf eine Röthung und

Schwellung in der Umgebung der Vene in einem Falle. Dreyer (Köln).

3) F. Lange (München). Über ungenügende Muskelspan-

nung und ihre operative Behandlung. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 13.)

Die normale Muskelspannung kann durch Verletzungen verloren gehen, wenn durchschnittene und weit aus einander gewichene Sehnen- enden sich mit langer Narbenbildung vereinigen und dadurch die Sehnen zu lang werden. Ferner werden bei den Deformitäten die Muskeln durch die dauernde Entfernung ihrer Ansatzpunkte von einander durch gleichzeitig bestehende Krämpfe der Antagonisten

Centralblatt für Chirurgie. No. 26. 101

durch Lähmung zu lang oder verlieren durch Annäherung der An- satzpunkte ihre normale Spannung. Die klinische Diagnose der abnormen Muskellänge oder der ungenügenden Muskelspannung ist zumeist erst durch die Operation möglich; die Freilegung des Muskels zeigt die Schlaffheit der Sehne, die sich in einer Falte emporheben lässt. Durch Verkürzung der zu lang gewordenen Muskeln, mittels operativer Eingriffe muss sich somit die Heilung von Deformitäten oder Folgezuständen von Sehnenverletzungen herbeiführen lassen. Hierbei genügt indess nicht die Resektion der zu langen Sehne mit Naht der durchschnittenen Enden an oder über einander, sondern es ist nothwendig, entweder die beiden Sehnenenden auflange Strecken mit einem einzigen in runde Nadel eingefädelten Seidenfaden zu durchflechten oder besser ohne vorausgeschickte Resektion bezw. Durchtrennung der Sehne die durchflochtene Sehne in Falten zu- sammenzuschieben. Die günstigen Resultate, welche L. durch diese Art des operativen Vorgehens in mehreren Fällen erzielt hat, werden durch die Krankengeschichten derselben und Abbildungen veran- schaulicht. Dieselben beweisen, dass für die Arbeitsleistung eines Muskels die Spannung, unter der er an den Knochen festgeheftet ist, noch viel wichtiger ist als der Querschnitt, und dass die Muskel- insufficienz, die auf eine verminderte Spannung zurückzuführen ist, sich durch die operative Sehnenverkürzung heben lässt. Kramer (Glogau).

4) W. Müller. Zur operativen Behandlung infektiöser und benigner Venenthrombosen. (v. Langenbeok’s Archiv Bd. LXVI.)

Zaufal’s Gedanke, durch Unterbindung der Vena jugularis in- terna die Verschleppung infektiösser Thromben bei einer Sinus- thrombose hintanzuhalten und eine tödliche Lungenembolie zu ver- meiden, hat zweifellos schon viel Gutes gestiftet. Nun entwickeln sich auch an anderen Körperstellen lokal entzündliche Processe mit der Gefahr der Pyämie. Unter diesen sei an die nicht so seltene Thrombophlebitis im Anschluss an inficirte Beingeschwüre, an Kratz- wunden bei Ekzem am Unterschenkel und an geplatzte Varicen er- innert. Die Frage, ob man auch in diesen Fällen berechtigt ist, prophylaktisch die abführenden Venenstämme zu unterbinden, event. die thrombophlebitischen Herde zu entfernen, bejaht Verf., obgleich die Gefahr der Verschleppung von Thromben in diesem Gebiet viel- leicht nicht so groß ist wie bei den thrombosirten Sinus. Von einem planmäßigen Vorgehen bei diesen Fällen mittels der prophylaktischen Venenunterbindung ist in der Litteratur bisher wenig zu finden. Desshalb veröffentlicht M. eine Reihe einschlägiger Beobachtungen. Die Gefahr der hohen Unterbindung des Saphenastammes im Zu- stande der Thrombosirung scheint ihm überschätzt zu werden. Die- selbe ist vielleicht inicht größer als die Behandlung mit Ruhig- lagerung und Suspension des Beines. In den neuerdings veröffent-

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lichten Fällen M. verfügt selbst über 4 ist eine Gerinneel- verschleppung nicht beobachtet worden. Gelingt es jedoch, bei der so häufigen Thrombophlebitis des Unterschenkels, die hohe Unter- bindung oder besser die Resektion der V. saphena auszuführen, ehe sie tbrombosirt ist, und im Anschluss daran die phlebitischen Unterschenkelvenen zu exstirpiren, so ist die Gefahr des Fortschreitens der Thrombose mit ihren üblen Folgen, die lokale Erkrankung des Unterschenkels und das Grundleiden, die Varicen, mit seinen mög- lichen Folgen beseitigt. Desshalb scheint dem Verf. die Thrombo- phlebitis bei Unterschenkelvaricen nicht, wie meist aus Scheu vor dem Eingriff angenommen wird, eine Kontraindikation, sondern eine direkte Indikation zu modernen Trendelenburg-Madelung’schen Varicenoperationen zu sein. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

5) Bier. Über praktische Anwendung künstlich erzeugter Hyperämie. (Therapie der Gegenwart 1902. No. ?.)

Verf. betont, dass arterielle und venöse Hyperämie bisweilen gleichartig, bisweilen aber auch ganz verschieden wirken. Uber die Wirkungsweise der arteriellen Hyperämie stellt er nach Beschreibung derzur Hervorrufung erforderlichen Heißluftapparate folgende Sätze auf:

1) Die arterielle Hyperämie löst krankhafte Ablagerungen und Verwachsungen besonders der Gelenke auf und steht in ihrer Wirkungsweise damit auf gleicher Stufe mit der Medicomechanik;

2) hat sie eine resorbirende Wirkung. Ödeme, Elephantiasis und Gelenkergüsse werden wirksam beeinflusst;

3) hat sie eine schmerzstillende Wirkung, besonders auf schmerz- hafte, versteifte Gelenke und bei Neuralgien;

4) wirkt sie erregend und übend auf erkrankte Gefäße, so bei Varicen des Unterschenkels und bei Erfrierungen;

5) soll sie eine antibakterielle Wirkung haben. So wird der Bac. pyocyaneus leicht abgetödtet, wobei es sich allerdings mehr um Hitze- als um Hyperämiewirkung handelt. Ungünstig wirkt die Hyperämie auf tiefere Tuberkulosen.

Über die Wirkungsweise der durch Anlegen der Gummibinde oder durch Saugapparate erzeugten venösen Hyperämie stellt B. folgende Sätze auf:

1) Die Stauungshyperämie vermehrt das Bindegewebe und führt zu Knochenverdickungen, wesshalb man sie zur Heilung von Pseud- arthrosen angewandt hat;

2) hat sie eine bakterientödtende Wirkung bei Infektionskrank- heiten. So werden günstig beeinflusst die Gelenktuberkulose so wie gonorrhoisch, pyämisch und rheumatisch erkrankte Gelenke;

3) hat sie eine auflösende Wirkung, eben so wie die aktive Hyperämie. Dieselbe zeigt sich besonders in der günstigen Beein- flussung von chronischem Gelenkrheumatismus, Arthritis deformans

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und traumatischen Versteifungen. Auch hartnäckige Blutergüsse werden durch Stauungshyperämie in Verbindung mit Massage beseitigt. Silberberg (Hirschberg i/Schl.).

6) Neisser und Jadassohn. Krankheiten der Haut.

(Handbuch der prakt. Medicin von Ebstein und Schwalbe. Bd. II. Theil 2.) | Stuttgart, F. Enke, 1901.

Das dermatologische Handbuch von N. und J. Letzterer hat nur einige Kapitel von geringerer praktischer Bedeutung übernommen, um die Fertigstellung des Ganzen zu fördern musste sich den Gesichtspunkten des gesammten Ebstein-Schwalbe’schen Werkes, welches praktischen Zwecken dienen will, unterordnen. Theoretische und wissenschaftliche Fragen, speciell pathologisch-anatomische und histologische Thatsachen konnten nur gestreift werden, damit dia- gnostisch-therapeutische Ausführungen um so ausführlicher behandelt würden. Gerade die Ausführlichkeit in dieser Richtung und die stete Betonung des allgemeinen pathologischen Standpunktes, von dem aus Hauterkrankungen zu betrachten seien, macht das Buch für den Praktiker besonders werthvoll. Die lebendige Form der Darstellung, die prägnante Kürze, welche charakteristische Dinge mit wenigen Worten scharf heraushebt, die reiche Fülle klinischer Erfahrungen, die umfassende Verwerthung der einschlägigen Litteratur geben dem Buche einen eigenartigen Charakter und befriedigen den Leser beim Nachschlagen außerordentlich. Zu bedauern ist nur, dass der Autor in seinen Ausführungen sich Einschränkungen auferlegen und anscheinend zur Aushilfe stellenweise ein unangenehm kleiner Druck eingefügt werden musste. Wenn eine Anzahl der Holz- schnitte, mit denen der Text durchsetzt ist, fortgelassen worden wäre aus Schwarzdruckbildern werden doch nur die Konturen, nicht aber die sonstigen Charakteristica einer erkrankten Haut deutlich er- kannt —, hätte der auf diese Weise gewonnene Platz eine Verminde- rung oder gar ein Weglassen des augenschädlichen Kleindrucks er- möglicht. |

Es ist ferner zu bedauern, dass die Verlagshandlung, wenn sie schon Herrn N. eine größere Bogenzahl nicht bewilligen konnte, die Krankheiten der Haut nicht als Buch für sich in den Handel bringt. Die N.’schen Ausführungen sind ein in sich abgeschlossenes Ganzes; es ist eine ungerechtfertigte Zumuthung, den Interessenten für die Krankheiten der Haut zu zwingen, die Konstitutionskrank- heiten und die Krankheiten des Bewegungsapparates, welche dem N.’schen Texte angeheftet sind, miterstehen zu müssen. Das N.’sche Buch wird dadurch nur unnütz vertheuert und in seiner Ver- breitung behindert. Chotzen (Breslau).

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7) B. Buxton. Benign epithelial tumors of the skin. (Journ. of the cutan.and genito-urin. disease Bd. XIX. Hft. 4.)

Unter »Epithelialzellen« sind alle diejenigen Zellen zu verstehen, welche, dicht an einander liegend ohne jegliche intercellulare Zwischen- substanz, ohne von Gefäßen geschieden zu sein einschichtig oder mehrschichtig äußere oder innere Körperflächen, Drüsenalveolen und Ausführungsgänge so wie Gefäßlichtungen auskleiden. Es sind also nicht nur die Zellen der Epidermis und ihrer Anhangsorgane, sondern auch die Endothelien der Blut- und Lymphgefäße und die aus ihnen sich entwickelnden Geschwülste als epitheliale zu bezeichnen. Naevi und die von ihnen ausgehenden Geschwülste rechnet B. nicht zu den epithelialen. B. theilt die gutartigen Epitheliome je nach ihrer Entwicklung aus den verschiedenen Gewebszellen ein in 1) Kera- tome Hühneraugen und Hauthörner, welche aus Apposition von Hornzellen entstehen aus dem Stratum corneum, 2) Akanthome, Verruca vulgaris, Condyloma acuminatum, Molluscum contagiosum, Akanthoma adenoides cysticum (Unna) (oder das benigne Epithelioma [Fordyce]) aus der Stachel- und Kernschicht, dem Rete Malpighi. Die Bezeichnung Papilloma acuminatum ist fallen zu lassen, da die Annahme, dass die Wucherung der Papillen die primäre Ursache der Geschwulstbildung sei, nicht mehr aufrecht zu halten ist. 3) Syringadenome aus den Schweißdrüsenausführungsgängen, 4) Spin- adenome aus den Schweißdrüsenknäueln, 5) Steatadenome aus den Talgdrüsen, 6) Endotheliome aus den Gefäßen abstammend (Wolters’ Haemangio-Endothelioma tuberosum multiplex). B. bespricht die einzelnen Geschwulstbildungen unter Anführung eigener Beobach-

tungen und Beifügung von Mikrophotogrammen. Chotzen (Breslau).

8) Engman (St. Louis). Impetigo contagiosa and its bac- teriology. (Journ. of cutan. and genito-urin. disease Bd. XIX. Hft. 4.)

Der Verlauf infektiöser Hautkrankheiten hängt einerseits ab von der speciellen Reaktion des befallenen Individuum, welche vom Klima, der Ernährungsweise, den Lebensgewohnheiten beeinflusst wird, andererseits von dem inficirenden Organismus und der speciellen chemotaktischen Virulenz desselben. E. unterscheidet 3 Formen der Impetigo:

1) Impetigo vulgaris Unna, die in Europa am meisten ver- breitete Form. Sie entwickelt sich auf normaler Haut als kleines, wasserhelles Bläschen, das sich peripher ausdehnt, allmählich einen rothen Hof erhält, im Centrum eitrig wird und unter Borkenbildung ohne Narbenerzeugung abbheilt. .

2) Impetigo circinata (Unna). Die ursprünglichen Bläschen trocknen bei der ersten Form ein: es bildet sich jedoch um diese Borke herum ein neuer hellrother Entzündungshof, auf welchem ein

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Blasenring emporsprießt und es wiederum zu borkiger Eintrocknung kommt. Auf diese Weise entstehen scheibenförmige Ringe von Borken. Sie heilen schwerer ab als die gewöhnlichen Impetigo- krusten.

3) Impetigo contagiosa bullosa. Sie ist selten; sie wird ver- muthlich oft mit Pemphigus verwechselt. In St. Louis tritt sie im Sommer häufig, im Sommer 1900 sogar epidemisch auf. Häufig finden sich bei einem Individuum alle 3 Impetigoformen neben ein- ander. Aus anfänglich kleinen Bläschen werden Blasen von ca. 6 cm Durchmesser mit erst klarem, dann trübem Inhalt und leicht platzender Decke. Von dieser bullösen Form wird durch Auto- inokulation oder bei Übertragung auf andere Personen zumeist immer wieder die bullöse Impetigo erzeugt.

Als Ursache der Impetigo sind nicht specielle Staphylokokken, sondern der gewöhnliche Staphylococcus aureus anzusehen; jedoch scheint auch der Fehleisen’sche Streptococcus unter bestimmten chemotaktischen Bedingungen Impetigo hervorzurufen. Viele Fälle von Pemphigus neonatorum simplex acutus (contagiosus febrilis) stellen nichts anderes vor als Impetigo bullosa contagiosa; daher sind auch bei diesen Fällen Staphylococcus albus und aureus gefunden worden. Chotzen (Breslau).

9) Arbeiten aus der phototherapeutischen Abtheilung der akademischen chirurgischen Klinik Prof. Weljaminow’s. Bd. I. Unter Redaktion von K. P. Sserapin. (Beilage zum Russki chir. Archiv 1902. Hft. 2.)

St. Petersburg, 1902. (Russisch.)

Der 487 Seiten starke, mit zahlreichen schönen Tafeln ausgestattete Band ist Prof. Weljaminow zu seinem 25jährigen Jubiläum ge- widmet und enthält folgende Arbeiten: K. P. Sserapin: Geschicht- liche Entwicklung der Phototherapie nach Finsen bis 1900, und Beschreibung der phototherapeutischen Abtheilung Prof. Welja- minow’s und Wirksamkeit derselben 1900 und 1901 (im Ganzen wurden 210 Fälle behandelt). W. N. Tomaschewski: Über die Wirkung der Strahlenenergie auf die Bakterien und einige andere niedere Organismen. A. A. Glebowski: Über die Wirkung des koncentrirten Lichts des Volta’schen Bogens auf den Lupus vulgaris. B. E. Gerschuny: Zur Frage vom Ulcus rodens und von der Wirkung des koncentrirten Lichts des Volta’schen Bogens (nach Finsen) auf dasselbe. A. K. Schenk: Über die Wirkung des koncentrirten Lichts des Volta’schen Bogens auf die gesunde Haut. A. A. Glebowski: Über die Wirkung des koncentrirten Lichts des Volta’schen Bogens auf den Naevus vascularis planus, das Angioma

simplex und die Teleangiektasie.

Die Arbeiten Sserapin’s waren schon früher in den Annalen der russischen Chirurgie veröffentlicht; eben so berichtete Welja- minow im »Russki Wratsch« über die Experimente ‚von To'ma-

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schewski, Gerschuny und Glebowski, die auch im Centralblatt referirt wurden. Die Versuche von Schenk zeigten, dass bei kurzer Dauer der Belichtung der Haut die Entzündung der letzteren pro- duktiven Charakter zeigt; bei längerer Dauer treten destruktive Processe auf bis zur Nekrose der Gewebe (Versuche am Ohr weißer Kaninchen). Mit Naevus vascularis planus wurden 2 Fälle behandelt; in dem einen war das Resultat glänzend, im anderen gut. Gückel (Medwedowka (Kiew).

10) H. Krukenberg (Liegnitz). Über die Behandlung des Erysipels im »rothen Zimmer. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 13.)

K. hat ı8 Fälle von Erysipel, die 13 Personen betrafen, mit rothem Licht behandelt und den Eindruck gewonnen, dass die Krank- heit dadurch in günstigster Weise beeinflusst wurde; die durchschnitt- liche Fieberdauer betrug nach dem stets sofort bewirkten Abschluss der chemisch wirksamen Strahlen unter der Einwirkung der keinen schädlichen Einfluss ausübenden rothen, nur zwei Tage. Allerdings fehlten in allen Fällen schwere Allgemeinerscheinungen. Die Grenzen des Erysipels waren schon nach 12 Stunden nicht mehr genau zu bestimmen, und trat häufig schließlich eine feine Abschuppung ein. Indess kamen 4mal Recidive nach Wiederzulassung des Tageslichts vor. Verf. hält es für möglich, dass der eigenthümlich kriechende Fortschritt des Erysipels durch die Einwirkung des Lichts befördert werde, dass das Erysipel seine Neigung zum spontanen Erlöschen bei Ausschaltung des Lichtreizes besonders häufig hervortreten lasse. Damit würde sich der Einfluss mancher bei Erysipel angewandter, für Licht undurchlässiger Heilmittel (Ichthyol, Jodtinktur, Ölfarben- anstrich etc.) und die Thatsache erklären, dass das Erysipel gerade an dem am meisten den Sonnenstrahlen ausgesetzten Gesicht auf- zutreten pflegt, und die Neger weniger zu Erkrankungen an Erysipel zu neigen scheinen. Kramer (Glogau).

11) O0. Körner. Die otitischen Erkrankungen des Hirms, der Hirnhäute und der Blutleiter. 3. vollständig umgearbeitete Auflage. = Wiesbaden, Bergmann, 1902.

Das K.’sche Werk, dessen 1. Auflage bereits in d. Centralblatt (Jahrgang 1894 p. 61) eine ausführliche Besprechung gefunden hat, ist in 3. Auflage erschienen. Es hat seine äußere Gestalt in so fern verändert, als es in einen anderen Verlag übergegangen ist und jetzt als 3. Theil einem vom Verf. herausgegebenen Sammelwerk: »Die Ohrenheilkunde der Gegenwart und ihre Grenzgebiete« ein- gereiht ist. Die Seitenzahl ist von 161 auf 205 gewachsen, 5 Tafeln

sind beigefügt. Der Inhalt hat so tiefgreifende Umarbeitungen er-

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fahren, dass wir stellenweise ein vollständig neues Werk vor uns haben. Fast jede Seite weist Änderungen und Ergänzungen auf, die Kapitel über den diagnostischen und therapeutischen Werth der Lumbalpunktion und über die Operationen bei Leptomeningitis sind neu hinzugekommen, die Abschnitte über Meningitis serosa, die »Osteophlebitispyämie« und zum Theil auch der über die Sinus- phlebitis vollständig neu bearbeitet.

Die neue Auflage bietet, eben so wie die früheren zur Zeit ihres Erscheinens, ein exaktes und klares Bild vom gegenwärtigen Stand der operativen Ohrenheilkunde. Dass in so kurzer Zeit (2. Auflage 1896) so tiefgreifende Änderungen nothwendig wurden, ist ein er- freulicher Beweis für das erfolgreiche Fortschreiten auf diesem Gebiet.

Da der Inhalt des Werkes bereits im Referat über die 1. Auflage wiedergegeben wurde, beschränke ich mich darauf, die wesentlichsten Änderungen kurz zu skizziren. Die otitische Pachymeningitis interna und der intrameningeale Abscess, die in der 2. Auflage nur kurz erwähnt wurden, finden eine ausführliche Bearbeitung. Es handelt sich um umschriebene Eiterungen im Subduralraum, deren Verall- gemeinerung durch Verklebungen zwischen Dura und den weichen Hirnhäuten hintangehalten wird. Bei einem Theil der Fälle sind die anliegenden Theile der weichen Hirnhäute und event, die Hirn- rinde zerstört, bei anderen sind sie unversehrt. Beide Formen sind durch geeignete operative Eingriffe heilbar.

Bei Besprechung der Prognose und Therapie der Leptomeningitis purulenta betont K., dass es »an der Zeit ist, Kranke mit vermutheter oder sicher nachgewiesener otitischer Arachnitis nicht mehr als un- heilbar ohne weiteres ihrem Schicksal zu überlassen«. Bei einer Reihe von sicher nachgewiesenen Meningitiden wurde durch Ent- fernung des primären Eiterherdes im Ohr allein oder in Verbindung mit Lumbalpunktion oder endlich nach Spaltung der Dura Heilung erzielt. Über den Heilwerth des letztgenannten Eingriffes kann heute noch kein endgiltiges Urtheil abgegeben werden. Das Kapitel über die Meningo-Encephalitis serosa enthält eine vollständige Zusammen- stellung der bisher unter diesem Namen beschriebenen Fälle. Trotz- dem sich das Material in den letzten Jahren außerordentlich vermehrt hat, ist es noch nicht möglich, ein typisches Bild der Symptome und des Verlaufs dieser interessanten Erkrankung aufzubauen, vor allen Dingen fehlen uns noch exakte pathologisch-anatomische Unter- suchungen. K. ist geneigt, für manche Fälle wenigstens die Ansicht von Merkens zu acceptiren. Derselbe nimmt als Ursache der klinischen Symptome eine seröse Entzündung der weichen Hirnhäute allein oder des Gehirns und seiner Häute an, die durch Toxine, nicht durch Bakterien bedingt ist. Die Toxine wandern vom pri- mären Entzündungsherd durch die Dura ins Schädelinnere Ein Übergang in eitrige Meningitis kann stattfinden, wenn in späteren ~ Stadien der Erkrankung die Dura auch für Bakterien durchgängig wird,

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Über den Werth der Lumbalpunktion zu diagnostischen Zwecken spricht sich K. sehr zurückhaltend aus. Sie giebt nicht immer ein- deutige Resultate und ist nicht ungefährlich. K. betont, dass die durch eine Lumbalpunktion verursachte Druckschwankung zur Lösung von eiterabkapselnden Verklebungen der Hirnhäute führen kann, und dadurch event. eine umschriebene, noch heilbare Meningitis in eine unheilbare verwandelt. In dem die Sinusphlebitis behandelnden Abschnitt ist die Besprechung der einzelnen Operationsmethoden, die Abwägung ihres Heilwerthes und die Indikationsstellung von be- sonderem Interesse. Die Unterbindung der Jugularis nach Aus- räumung des Sinus ist nach K. gerechtfertigt, wenn der freigelegte Sinus thrombosirt ist und die Kranken fiebern, auch wenn das Fieber nicht die pyämische Kurve zeigt, und auch, wenn die Jugu- laris selbst nicht nachweisbar thrombosirt ist. Fehlt das Fieber, so soll man sich auch bei nachweisbarer Sinusthrombose auf die Incision des Sinus beschränken. Das der Besprechung des Hirnabscesses zu Grunde gelegte Material ist von 92 Beobachtungen auf 267 vermehrt, wie überhaupt auch in den übrigen Kapiteln die Litteratur in gründ- lichster Weise bis auf die neueste Zeit ergänzt ist.

Hierdurch, vor Allem aber durch die klare, stets objektive Kritik, aus der überall die reiche, eigene Erfahrung des Autors spricht, ist das Werk außerordentlich werthvoll. Wenn auch einige Details in erster Linie für den Otologen von Interesse sind,’so reicht die Bedeutung des ganzen Werkes doch weit über die Grenzen des Specialfaches hinaus. Gerade auf dem Gebiet der otogenen Er- krankungen des Hirns treffen sich die Arbeiten des Chirurgen, Neurologen und zum Theil auch des Ophthalmologen mit denen des Otiaters, gerade den Vertretern dieser Disciplinen dürfte es wohl schr willkommen sein, dass ihnen in der Neubearbeitung des K.’schen Werkes eine zusammenfassende Darstellung aller in Betracht kom- menden Fragen und der neuen Errungenschaften auf diesem Gebiet geboten wird. Hinsberg (Königsberg i/Pr.).

12) W. C. Phillips. Symptoms pointing to the necessity for operative interferenze in mastoid suppuration. (Amer. journ. of the med. sciences 1901. December.)

Der größte Theil der Arbeit beschäftigt sich mit der Frage des richtigen Zeitpunktes für die Eröffnung des Warzenfortsatzes bei der akuten Erkrankung desselben im Gefolge einer akuten eitrigen Mittel- ohrentzündung.

Die wichtigsten Symptome zur Beurtheilung der Nothwendigkeit der Operation sind: 1) Der Schmerz, der einsetzt, wenn der quälende Schmerz der Mittelohrentzündung durch Perforation des Trommel- fells behoben ist. 2) Druckempfindlichkeit, besonders wenn dieselbe . über dem Antrum mastoideum lokalisirt wird, während Druckempfind- lichkeit der Spitze des Warzenfortsatzes weniger Bedeutung: bat.

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3) Temperatur; mit Vorsicht zu beurtheilen, weil kein sicheres Kriterium. 4) Angstlicher, außerordentlich unglücklicher Gesichts- ausdruck mit Neigung des Kopfes nach vorn und nach der gesunden Seite. 5) Äußere Periostitis event. mit Infiltration der Weichtheile; dies Symptom soll nicht abgewartet, sondern womöglich vor seinem Eintreten operirt werden. 6) Vorwölbung der Shrapnell’schen Mem- bran und der hinteren oberen Gehörgangswand.

Letzteres Symptom zugleich mit prolongirter Druckempfindlich- keit über dem Antrum und Kokkenbefund im Eiter indicirt stets die Operation.

Im Frühstadium lässt sich die Mastoiderkrankung manchmal koupiren durch ausgiebige Incision der Shrapnell’schen Membran bis in die hintere Gehörgangswand hinein; Blutegel, Eisblase oder heiße Kompressen, so wie 1—2mal stündlich applicirte. heiße Dusche. Tritt nach 24—36 Stunden kein dauernder Nachlass der Symptome ein, so ist die Mastoidoperation indicirt.

Bei chronischen Mittelohreiterungen, besonders bei übelriechendem Eiter und cholesteatomatösen Massen, so wie cariösem Knochen ist die äußere Operation indicirt, wenn die lokale Behandlung erfolglos geblieben ist. R. v. Hippel (Kassel).

13) MacCoy. A note on osteophytes of the nasal chambers. (Amer. journ. of the med. sciences 1902. Februar.)

Verf. hat bei einer Anzahl von Fällen Osteophytenbildung in den Nasenhöhlen nachweisen können. Dieselben sitzen mit Vorliebe im unteren Nasengang am knöchernen Septum und am Boden des Nasengangs, und zwar meist weit nach hinten. Zu ihrer Entdeckung ist die Einführung des kleinen Fingers in die Nase und Lokalanästhesie erforderlich. Diese Osteophyten sind ein nicht so seltener Neben- befund bei Verbiegung des Septums und machen, wenn sie über- . sehen werden, die wegen jener Affektion ausgeführte Operation mehr oder weniger wirkungslos. Sie sitzen lose auf und lassen sich mit geeigneten Instrumenten leicht entfernen. R. v. Hippel (Kassel).

14) R. Matas. Artificial respiration by direct intralaryngeal

intubation with a modified O'Dwyer tube and a new graduated

air-pump, in its 'applications to medical and surgical practice. (Amer. med. 1902. Januar 18.)

| Verf. will durch einen eigenartigen, automatischen Luftpumpen- apparat die normalen in- und exspiratorischen Druckverhältnisse in den Lungen in solchen Fällen wieder herstellen, in denen es ge- legentlich von Operationen an den Lungen oder der Pleura zu plötz- lichem Lungencollaps und traumatischem Pneumothorax gekommen ist. Der Apparat verspricht ferner Erfolge bei der Narkosenasphyxie, bei Cocainvergiftung und bei Athmungslähmung in Folge vermehrten

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Hirndrucks. Verf. modificirte seinen ursprünglichen Apparat, weil es bei seinen Experimenten an menschlichen Leichen und lebenden Hunden in Folge der. aspirirenden, die Ausathmung ersetzenden Wirkung des Pumpapparats zu Collaps der kleineren Bronchien und ungenügender Entleerung der verbrauchten Luft kam. Zur Unterhaltung eines genügenden Gasaustausches genügt ein einfacher, insufflirender Cylinder, welcher es gestattet, durch eine intralaryn- geale Tube Luft in genügender Menge und unter genügendem Druck in die Lungen einzublasen und den Rhythmus der Athmung beliebig zu reguliren. (4 Abbildungen, genauere Technik und Beschreibung des Apparats siehe Original.) Mohr (Bielefeld).

15) Pels-Leusden. Über die sog. Schenkelhalsfrakturen. Zugleich ein Beitrag zur Frage der Coxa vara traumatica. (v. Langenbeok’s Archiv Bd. LXVL)

Durch die Gewöhnung, alle Frakturen am oberen Femurende als Schenkelhalsbruch zu bezeichnen, ist, wie Kocher mit Recht sagt, eine Verwirrung in die Lehre von den Brüchen an dieser Stelle gebracht worden. Diese Verwirrung besteht aber nur in anatomischer Beziehung; sie hat weiter keine Einwirkung auf unser Handeln und den Erfolg desselben gehabt. Die einfachste Eintheilung scheint dem Verf. die in Brüche im Bereich des Halses und solche im Bereich der Trochanteren zu sein. Ob ein Bruch ein rein intra- kapsulärer ist, lässt sich nach dem Röntgenbild fast nie entscheiden. Verf. hat in der König’schen Klinik 75 Schenkelhalsbrüche nach allen Richtungen hin, besonders auch mit Röntgenstrahlen, unter- suchen können. Er fand, dass bei Frauen geringere Gewalten zum Entstehen eines solchen Bruches genügen wie bei Männern. Die linke Körperseite war häufiger betroffen als die rechte. Das Alter zwischen 60 und 80 Jahren ist am meisten betheiligt. 15 der in Behandlung Gekommenen sind gestorben, und zwar an den gewöhnlichen Todes- ursachen, denen ältere bettlägerige Leute erliegen. Brüche im Be- reich des Halses, also jenseits des überknorpelten Kopfes, wurden 33mal beobachtet. Es betrafen also noch nicht die Hälfte aller Frakturen am oberen Femurende den eigentlichen Schenkelhals. Der Verlauf der Brüche war meist ein querer, die Bruchlinie gezackt, am häufigsten war die Nähe des Kopfes betroffen. In der Linea intertrochanterica war 16mal ein Bruch zu konstatiren, 12mal bei Männern, 4mal bei Frauen. Diese Brüche in der Gegend der Linea intertrochanterica und dicht jenseits derselben können sich mit Trochanterbrüchen kombiniren. Das sind diejenigen Brüche, welche von Kocher als Y-, T- und L-Brüche bezeichnet werden, und die Verf. selbst unter dem Namen der Zertrümmerungsbrüche zusammen- fasst. Nur ein einziges Mal wurde ein zweifelloser Pfannenbruch festgestellt. Eine Betrachtung der Hauptbruchlinie in seinen Be- obachtungen macht es wahrscheinlich, dass die meisten Brüche des Schenkelhalses und besonders der Trochantergegend durch Biegung

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entstehen. Die Brüche welche im Wachsthumsalter in der Gegend der Epiphysenlinie des Kopfes vorkommen, nehmen eine durchaus selbständige Stellung ein. Die Einkeilung, Zertrümmerung und Ab- sprengung der Trochanteren sind nach L. sekundäre Ereignisse. Die Therapie und deren Resultate stimmen mit der anderwärts geübten im Allgemeinen überein. Unter den 75 Fällen finden sich 2 Pat. von jugendlichem Alter, bei denen im Anschluss an die Fraktur eine Coxa vara entstanden ist. Der eine Fall beweist, dass eine typische Coxa vara traumatica nicht allein durch Epiphysenlösung und Brüche in der nächsten Nähe der Epiphysenzone, sondern auch durch unvollständige Brüche in der Trochantergegend entstehen kann. Nur mittels der Röntgenaufnahme war diese Thatsache festzustellen. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

Kleinere Mittheilungen.

Statik und Dynamik. Kasuistischer Beitrag.

Von | Dr. Oscar Hagen-Torn in St. Petersburg.

In der orthopädischen Therapie gilt heut zu Tage der Satz: Ist eine Skoliose standhaft geworden, so muss ein Bewegliohmachen der Bestandtheile der Wirbel- säule eingeleitet werden. Dem entsprechend wird in speciellen Pelottenapparaten bei Fixation des Körpers die Wirbelsäule der Pat. so zu sagen weich gestampft. Es kann eine solche Maßnahme nur unter der theoretischen Voraussetzung be- stehen, dass die Knochenformveränderung durch die Verkürsung des Bandapparats der Muskelwirkung ein unüberwindliches Hindernis bereite. Ob diese theoretische Annahme richtig ist, ist fraglich. Zieht man in Erwägung (die Fälle von angeborenen anormalen überzähligen Wirbeltheilen als Ursache der Skoliose ausgeschlossen), dass eine jede Skoliose das Resultat der Wechselwirkung der abweichenden sta- tischen Verhältnisse und ungenügender Muskelthätigkeit ist1, so müsste die Therapie nur den Weg zurück einschlagen, also den statischen Abweichungen entgegenarbeiten und zugleich die Muskelfunktion steigern. Die bestehende geringe Beweglichkeit der Wirbelsäule würde dann dem Fixiren der jeweilig erlangten Besserung nur dienlich sein. In jedem einzelnen Falle muss selbstredend die Wechselwirkung der statischen und dynamischen Kräfte mehr oder weniger genau bekannt sein. Ein theoretisch diesbezüglicher interessanter Fall hat sich mir vor einigen Jahren geboten.

Am 30. Juli 1896 wurden einem 16jährigen Arbeiter der Obuchow’schen Guss- stahlfabrik, Iwan M., welcher mit 5 anderen Arbeitern in der Tiefe von 10 m einen schwebenden Eisencylinder von 10 m Länge am Boden zu fixiren beschäftigt war, durch den Rand des plötslich herabgefallenen Cylinders die Extremitäten der rechten Körperhälfte zerschmettert, der Arm oberhalb der Ansatzstelle des Deltoi- deus, das Bein im untersten Theil des Oberschenkels. Es wurde von einem Kol- legen eine schonende Primäramputation unter Chloroformnarkose gemacht.

1 Die Fälle von primärer Knochenveränderung als Ursache der Deviation sind verhältnismäßig sehr selten.

2 Zufällig konnte ich den Pat. erst einige Stunden nach dem Vorfalle sehen. In Bezug auf primäre Amputationen nach Unglücksfällen halte ich mioh gewöhn- lich an die Regel, nur dort zu amputiren, wo eine Amputation ohne Schmerz und Narkose mit der Sohere allein auszuführen ist. Ioh halte mich an Sekundär- amputationen.

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Der Pat., von wohlproportionirtem, kräftigem Körperbau, hatte nach sehr schweren Chokerscheinungen eine ein paar Monate dauernde Pyämie durchsu- machen. Nach einer in der 2. Woche einsetzenden Pneumonie traten subperiostale Eiterungen mit nachfolgender Abstoßung von Knochenplättchen am Unterkiefer und am linken Oberarm auf. Ein großer Hautfetzen an der Außenfläche des Oberschenkelstumpfes stieß sich nekrotisch ab, und die nicht heilen wollende Narbe gestattete es bis nach der am 17. Februar 1898 erfolgten Reamputation nicht, ein künstliches Bein zu tragen. Früher entschloss sich der Pat. nicht dazu. Heiraths- pläne, welche der Jüngling auch ausführte, reiften seinen Entschluss.

Zur Reamputation musste ein innerer Lappen genommen werden. Um eine Neurombildung zu verhüten, wurde der Gefäß- und Nervenstrang herauspräparirt und au niveau der Sägefläche abgeschnitten.

Nach dem Verlust von beiden Gliedern einer Körperhälfte bei meinem Pat. war ich in Erwartung, eine hochgradige Skoliose eintreten zu sehen.

Wider Erwarten trat eine solche nicht ein. Der Bursche blieb stramm und gerade, ja sogar eine Muskelatrophie an den Stümpfen war keine in die Augen springende, bis zur Zeit, wo er sein künstliches Bein su benutzen anfing (den 15. August 1898). Wenige Wochen darauf stellte sich allmählich eine Wirbel- säulenverkrümmung ein.

Nur einem Umstand kann ich das Ausbleiben einer Skoliose und einer Muskel- atrophie der gliedlosen Seite wäbrend eines Zeitraums von 1 Jahr und 9 Monaten zuschreiben. Anfang December 1896 wurden der Pat. und noch 3 andere interne Kranke, welche mit ihm in einem Krankenraum lagen, von einem an Säufer- delirien Leidenden im Nobenzimmer erschreckt (Letsterer versuchte die verschlossene Thür aufsubrechen) und suchten das Weite. Da Iwan M. wegen des mangelnden Arms keine Krücken benutzen konnte, so musste er sich, um gu flüchten, seines einen Beins bedienen. Er hüpfte auf einem Bein den Anderen nach. Seit der Zeit war er fast den gansen Tag auf seinem Bein. Er spielte im Hof Haschen mit den Rekonvalescenten, hob die Knochen vom Boden auf und warf geschickt mit dem linken Arm.

Beim Springen auf einem Bein ist die gesammte Muskulatur des Rumpfs und der Extremitäten in Anspruch genommen. Diesem Umstand allein muss das Aut- bleiben der Skoliose zugeschrieben werden. Das Feblen des Beine kann nur in demselben Sinne wirken, wie der fehlende gleichnamige Arm; es hätte also die Skoliose eine erst recht ausgesprochene werden müssen. Der beschriebene Fall weist darauf hin, wie weit eine wohlgepflegte Muskulatur die statischen Verhält- nisse beherrschen kann. Die Skoliose bei meinem Pat. trat ein, und zwar sehr bald, nachdem die Benutzung des künstlichen Beins eine Veränderung der stati- schen Verhältnisse herbeigeführt hatte und damit einen Theil der Muskelarbeit überflüssig machte.

Die so häufig zu beobachtenden Fälle von Totalskoliosen sprechen in den meisten Fällen für sufficiente Muskulatur bei Anwesenheit einer statischen Ur sache der Skoliose (ungleiche Länge der Beine der häufigste Befund). Die doppelte nn der Wirbelsäule ist in der Mehrzahl der Fälle durch Muskelinsufficiens

edingt.

Ein Fall von ausgesprochener Verlängerung des Femur bei einem Erwachsenen nach Osteosarcoma Tibiae. Von Dr. Przewalski in Charkow.

Fälle von pathologischer übermäßiger Verlängerung einzelner langer Röhren- knochen nach einer Affektion des central oder peripher gelegenen Nachbarknochens sind, wie bekannt, sehr selten, und die Frage von Wesen und Ursache dieser Erscheinung bleibt bis jetzt ganz offen. Sie ist sum ersten Mal von Holden

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konstatirt, später von Ollier, Bergmann, Haga und von Anderen bestätigt worden.

Auf Grund seiner Experimente bei Thieren wollte Ollier, weil ein ver- längerter Knochen sich stets dünner, gerader, weniger gedreht erwies und eine engere, geradere Epiphysenknorpelfuge besaß, diese Verlängerung als atrophische, als eine Art von Aufdrehung des Knochens ansehen (»Allongement atrophique produit par une sorte de detorsion de l’os«).

Nach Ollier’s Experimenten rief Amputatio antibrachii eine Verlängerung des Humerus hervor und Resectio humeri dieselbe des Antibrachium. Holden, Bergmann und Haga beobachteten je imal nach Nekrose der Tibia eine Ver- längerung des Femur; Haga sah außerdem bei 2 Fällen von Femurnekrose eine Verlängerung der Tibia. Vor 1 Jahre beobachtete ich eine ausgesprochene Femurverlängerung bei Osteosarcoma tibiae an einem Erwachsenen.

Theod. Golowtschenko, 42 Jahre alt, Schuhmacher, verweilte vom 11. Juli bis 18. Aug. 1901 im Kran- kenhaus des Charkower Arztevereins wegen Osteosarcoma diaphyseos tib. dextrae periostale exulceratum hae- morrhagicum. Das rechte Bein ist um 4 cm verlängert, wovon 3 cm auf Femur, 1 om auf Tibia kommen, Amputatio s. Gritti am 24. Juli.

Anamnese. Der Vater, 78 Jahre alt, gesund; die Mutter, 70 Jahre alt, Trinkerin, hat vor etwa 1 Jahre einen Schlaganfall gehabt. 3 gesunde Geschwister. Pat. war bis zu seinem 12. Jahre skrofulðs und machte die meisten Kinderkrank- heiten durch; dann gesund, heirathete er mit 23 Jahren und hatte gesunde Kinder (das älteste 18 Jahre alt, das jüngste 40 Tage). Die Geschwulst der rechten Tibia hat G. zuerst vor 15 Jahren bemerkt, als sie erbsen- groß war. Vor”? Jahren, nach einem Stoß, begann sie zu wachsen, er- reichte bald die Größe einer Apfel- sine, war knochenhart, höckerig, mit unverletster Haut bedeckt. Während nassen Wetters empfand G. stets Reißen im rechten Knie und im medialen Knöchel. Im nächsten Juni vergrößerte die Geschwulst sich rasch; ihre Hautbedeckung wurde geschwürig und begann zu bluten.

Status praesens. Blasser, schwächlicher, schlecht genährter Mann. Puls 80. An der Herzspitze leichtes systolisches Geräusch. Athmung 24. Temperatur 38,6. Profuser Schweiß im Schlaf. Urin normal, 1013. Hämoglobin nach Fleischl 30%. Die Zahl der rothen Blutkörperchen 3500000, darunter viele Erythromikro- cyten; die Zahl der weißen Körperchen 9313.

Im mittleren Drittel des rechten Unterschenkels ragt eine beinahe kugel- förmige, kindskopfgroße Geschwulst an dickem Stiel vor, beide hart anzufühlen. Erstere, auf der ganzen vorderen Oberfläche exulcerirt, blutet bei herabhängendem Unterschenkel stark. Der größte Umfang der Geschwulst ist 44 cm, der des Stiels 34 cm, der Frontaldurchmesser 12 cm, der sagittale 8cm. Entfernung von der Kniegelenklinie bis zum obersten Stielrand 17,5 cm, bis zum untersten 29 cm.

Die Länge: 1) der unteren Extremität (von der Spitze des Trochanter major bis zur Spitze des äußeren Knöchels) rechts 85 cm, links 8i cm, 2) des Ober- schenkels (von der Spitze des Trochanter major bis zur Kniegelenklinie) rechts

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45 cm, links 42 cm, 3) des Unterschenkels (von der Kniegelenklinie bis zur Spitze des inneren Knöchels) rechts 40, links 39 cm. Umfänge des Ober- und Unter- schenkels rechts und links gleich, außer in der Nähe der Geschwulst.

Das Präparat. Crista tibiae entspricht der Mittellinie der Geschwulstkugel. Der Grund des Stiels umschlingt das vordere Drittel der Circumferenz des Unter- schenkels, indem die anderen 2 hinteren frei bleiben. Auf der Schnittfläche nach der Länge der Crista tibiae sieht man mehrere Streifen von verschiedener Re- sistenz. Im oberen Theil des Stiels liegt ein fibröser Herd mit kleinen Inseln spongiöser Knochensubstans eingebettet; in der Mitte des Stiels befindet sich ein Knochenbezirk, der von der Tibia ganz isolirt ist, und eine andere kreisförmige, fibröse Masse, die die kompakte Lamelle der Tibia usurirt und sehr klar sich von der Hauptgeschwulst trennt; im unteren Theil lässt sich der relativ enge Streifen des Stiels der Hauptgeschwulst bestimmen, der theilweise in den verdickten Knochen übergeht, theilweise ihm anliegt und denselben usurirt. Die Hauptgeschwulst ist von Marmoransehen, von dichter, elastischer Konsistenz, mit weiten, theils throm- bosirten Gefäßen, porös und ein wenig ödematös. Der centrale Kanal der Tibia ist entsprechend der Geschwulst verengert und enthält statt des Marks spongiöses Gewebe. Über der Geschwulst ist die kompakte Lamelle 3 cm lang verdickt. Die Geschwulst, die das mittlere Drittel der Tibia spindelförmig umgiebt und überall von Periost bedeckt ist, sitzt auf verdickter, übrigens usurirter Compacta, unter der der verengte Markraum des Knochens von Spongiosa eingenommen ist. Die Muskeln sind aus einander geschoben und die Fibula säbelförmig verbogen. Die Geschwulst ist leicht mit dem Messer zu schneiden, und auf der Schnittfläche empfindet man leichte Rauhigkeit der weichen Knochensubstanz.

Mikroskopisch zeigt sie: 1) rein sarkomatöses fusocellulares Gewebe mit er- weiterten Gefäßen, 2) Osteoidherde mit zahlreichen Riesenzellen, 3) fibröses Zwischen- gewebe.

16) F. Berndt (Stralsund). Über Exstirpation und Regeneration langer Röhrenknochen bei Osteomyelitis und Tuberkulose. (Münchener med. Wochenschrift 1902. No. 13.)

B. berichtet zunächst über mehrere Fälle von akuter Osteomyelitis, welche nach breitester Aufmeißelung keinen Nachlass der bedrohlichen Symptome gezeigt, also der Amputation verfallen, indess durch ausgedehnte Exstirpation eines mehr oder minder großen Stücks der Diaphyse, bezw. des ganzen. Röhrenknochens zur Heilung mit ausgiebiger Knochenneubildung und günstigem funktionellem Resultat gelangt waren. Röntgenbilder dieser Fälle veranschaulichen die erzielten Erfolge, die in Bezug auf den Grad der Knochenregeneration naturgemäß davon abhängig waren, wie viel von dem Periost zurückgeblieben. Die Verkürzung war in den Fällen eine nicht sehr erhebliche und in Anbetracht dessen, dass ein brauchbares Glied den Kindern erhalten worden, eben so wie die Unannehmlichkeit einer längeren Behandlungsdauer, wohl ertragbar. Nur in 2 Fällen hat B. sich nach- träglich noch zur Amputation entschließen müssen, da die Pat. durch den häufigen Verbandwechsel sichtlich elender geworden waren.

Auch in 2 Fällen von ausgedehnter Tuberkulose der Diaphyse ist es B. ge- lungen, durch Exstirpation des kranken Knochenstücks reichliche Knochenneu- bildung mit völliger Heilung und guter Funktion des Gliedes zu erzielen.

Kramer (Glogau).

17) J. C. Johnston. A case of multiple angiosarcoma of the skin. (Journ. of cutan. and genito-urin. diseases Bd. XIX. Hft. 3.)

Ein 16 Monate altes Kind zeigte über den Körper verstreut eine Anzahl weicher, beweglicher, mit glatter, normaler Haut bedeckter Geschwülste von ca. 21/j, cm Durchmesser. Lymphdrüsen frei. Nach Excision einzelner Knoten erfolgte normales Verheilen der gesetzten Wunde. Die histologische Untersuchung ergab, dass sich die Geschwulst aus mehreren durch bindegewebige Züge von einander

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getrennten Lobuli zusammensetzt. Die Lobuli werden von erweiterten Gefäßen gebildet, ‚welche von koncentrischen Reihen runder Zellen umgeben und an ihrer Innenseite von ödematösen Endothelien ausgekleidet sind. Die runden Zellen sind embryonales Endothel. Wolters hat 2 ähnliche Fälle veröffentlicht und als Hämangioendotheliom resp. Hämangiosarkom bezeichnet.

Chotzen (Breslau).

` 18) R. G. Curtin. Herpes zoster and its relation to internal in- flammations and diseases, especially of the serous membranes. (Amer. journ. of the med. sciences 1902. Februar.)

C. bringt in Kürze 10 Krankengeschichten, welche den Zusammenhang des Herpes zoster mit Entzündungen der serösen Häute (Pleura, Peritoneum, Synovialis) darthun sollen. 4mal trat der Zoster gleichzeitig mit der internen Affektion auf, 4mal ging ihm dieselbe voraus, imal erschien er im Verlauf einer chronischen Pleuritis bei Lungentuberkulose, imal trat regelmäßig im Anschluss an einen recidivirenden Zoster, Hämaturie auf.

C. schließt aus diesen Beobachtungen, dass kein bloß zufälliges Zusammen- treffen, sondern ein innerer Zusammenhang zwischen diesen Krankheitserschei- nungen bestehen muss, und glaubt, dass die innere Entzündung die Veranlassung des Herpes zoster sei. B. v. Hippel (Kassel).

19) W. Wende and H. D. Pease. A case of dermatitis herpetiformis illustrating an unusual pustular variety of the disease. (Journ. of cutan. and genito-urin. diseases Bd. XIX. Hft. 4.)

Ein 25jähriger Schmied zeigte im Anschluss an einen Grippeanfall in beiden Achselhöhlen weiße juckende Bläschen, die binnen 24 Stunden sich über den ganzen Körper, mit Ausnahme des Gesichts, der Handteller und Fußsohlen aus- dehnten. Die ursprünglichen Bläschen waren zunächst von einem acharlachrothen Hofe umgeben; sie zeigten entweder die Neigung zu platzen und Krusten zu bilden oder pustulös zu werden, im Centrum unter Schuppenbildung einzutrocknen und einen pustulösen Kranz mit hochrother Umgebung zurückzulassen. Stellenweise kam es zur Konfluenz der einzelnen Effloresceenzen. Während 7 Wochen traten des öftern schubweise Eruptionen unter Schüttelfrösten und Fieber auf. Aus dem Pustelinhalt ließen sich außer Staphylokokken keinerlei specifische Bakterien züchten. Die histologische Untersuchung ergab, dass der Process sich in der Epi- dermis, unmittelbar über den Papillen, im Rete mucosum abspielte und erst all- mählich eine Veränderung der Papillarschicht zu Wege brachte. Duhring, von welchem die Abgrenzung der Dermatitis herpetiformis als einer eigenen Krank- heitsform stammt, hat die Diagnose des vorliegenden Falles bestätigt.

Chotzen (Breslau).

20) J. Grindon (St. Louis). Report of two cases of lmpetigo conta- giosa bullosa: one of them fatal. (Journ. of cutan. and genito-urin. Bd. XIX. Hft. 4.)

Die Impetigo bullosa ist in St. Louis durchaus nicht selten und durchaus nicht auf Kinder beschränkt; eine große Anzahl derart Erkrankter führt die Infektion auf die Barbierstuben zurück. Der eine Fall, den G. veröffentlicht, betraf einen Er- wachsenen, der am Rumpfe und in den Achselhöhlen zahlreiche große Blasen auf- wies und dessen Kopfhaut von einer dicken übelriechenden Kruste bedeckt war. Die Erscheinungen heilten in wenigen Tagen ab, und Rückfälle traten nicht auf: Der zweite Fall betraf ein ötägiges Kind, dessen Vater sich in der Barbierstube mit Impetigo contagiosa infieirt hatte und durch Küssen seinen neugeborenen Sohn angesteckt hatte. Am 3. Tage nach der Infektion hatten sich bei dem Kinde im Gesichte und auf dem Unterarm große Blasen entwickelt, nach weiteren 4 Tagen war der ganze Körper mit Blasen bedeckt. Am 10. Tage nach der Erkrankung starb das Kind. Chotzen. (Breslau).

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21) v. Bergmann. Geheilte Schädelschüsse. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 14.)

Im 1. Falle Einchuss (Terzerol) 2fingerbreit über der Mitte des Arcus super- ciliaris dext. Austritt von Gehirnsubstanz und Liquor. Heilung unter dem Schorfe ohne jeden Eingriff. Beim Einliefern in die Klinik war der Knabe be- wusstlos durch mehrere Stunden. Erbrechen. Volle Hemiplegie auf der Seite der Verletzung. Rechtes Auge normal; auf der Netzhaut des linken Auges lagen zwei Blutextravasate. Das Skiagramm zeigte, dass das Geschoss das ganze linke Hirn durchsetzt hatte und dass es auf der linken Seite des Hinterhaupts nicht weit entfernt vom Knochen liegt. Alle Erscheinungen der Motilitätsstörung sind geschwunden. Außerdem, dass im Anfang nicht gesagt werden kann, welche Aus- fallserscheinungen auf wirklicher Zerstörung des Gehirns, welche auf Fernwirkung beruhen, ist ein anderer Grund, bei Schussverletsungen des Gehirns nicht zu schnell mit der Operation zur Hand zu sein, der, dass es schwierig, fast unmöglich ist, das Gesoboss im frisch verletzten Gehirn zu finden. Die Schwierigkeit, ein Geschoss, das nahe dem Knochen an der Schädelbasis sitzt, zu entfernen, und selbst nach genauester Ermittlung seines Sitzes durch eine Röntgenaufnahme, ist groß. v. B., stellt zwei derartige Fälle vor, bei denen die Schussverletzung die Augenhöhle betraf, Sehstörung erzeugt hatte, das Geschoss durch Röntgenaufnahme nachgewiesen, aber bei der nach der Krönlein’ schen Methode vorgenommenen Operation nicht gefunden werden konnte. Borchard (Posen).

22) Rasumowsky. Zur Frage der Trepanation bei corticaler Epilepsie. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVII. Hft. 1.)

Aus den bisherigen Publikationen über die operative Behandlung der Epi- lepsie geht hervor, dass noch eine ganze Reihe hierher gehöriger Fragen ungelöst geblieben ist. Sehr häufig ist die Dauer der Beobachtung eine ungenügende ge- wesen. Mit der Thatsache allein, dass die Trepanation eine ungefährliche Opera- tion ist, ist nichts anzufangen. Sie hat sogar vielfach Verwirrung gestiftet. Am spärlichsten ist noch das Thatsachenmaterial, dass sich auf die Frage Betrefls Heilung der Corticalepilepsie nach Horsley’s Methode mit Abtragung der Ge- hirncentra besieht. Verf. hatte nun Gelegenheit, mehrere nach Horsley operirte Fälle längere Zeit zu beobachten und vermag so diese bestehende Lücke aus- sufüllen. Im Ganzen hat er 9mal chirurgisch eingegriffen, 7mal nach Horsley’s Verfahren. imal lag eine rein traumatische Epilepsie vor. Hier wurde ein Knochenstück entfernt und ein Theil der Dura exeidirt. In einem anderen Falle von corticaler Epilepsie handelte es sich um Porenoephalie, die mit Incision und Drainage behandelt ward. Die 7 übrigen Fälle gehören ebenfalls der corticalen Form an. Die Frage des Trauma als ursächliohes Moment muss bei diesen Pat. zweifelhaft bleiben. Die Operation wurde bei den letztgenannten Kranken in gleicher Weise ausgeführt: Osteoplastische Resektion nach Wagner im Gebiete der motorischen Centren, Untersuchung des Rindenfeldes, Aufsuchen der epilepto- genen Centren mittels des Induktionsstroms. In einigen Fällen gelang es, von solchen Stellen aus deutliche epileptische Krämpfe zu erzeugen, während in anderen wiederum nur Eingelguckungen ausgelöst wurden. An dem Centrum der für den Anfall charakteristischen Bewegungen wurde die Substanz der Hirnrinde abgetragen so lange, bis bei Reisung mit gleich starkem Strom keine epileptischen Kontraktionen mehr auftraten. In anderen Fällen wurde das den Zuckungen ent- sprechende Rindengebiet ausgelöst. Die Blutung war meist gering, einmal aller- dings musste wegen starker Blutung aus den Piagefäßen die Operation unter- brochen werden. Die Duraränder wurden nach der Hirnexcision einander durch Nähte wieder genähert, dann wurde der Hautmuskelknochenlappen reponirt und durch eine Knochenlücke ein Gazedrain eingeführt. Die Heilungsverhältnisse . waren stets günstige, der Eingriff! wurde meist gut ertragen. Einige Male auf- tretende Lähmungen gingen rasch wieder zurück. In direktem Anschluss an den Eingriff ist kein Pat. gestorben, doch muss ein erst nach Monaten eingetretener

Centralblatt für Chirurgie. No. 26. 717

Todesfall der Operation noch zugerechnet werden, da wahrscheinlich Infektion durch die restirende Fistel eintrat. Was nun die Endresultate anlangt, so kommen auf die 7 nach Horsley operirten Fälle zwei ständige und gute therapeutische Erfolge, ferner ein weniger guter, aber doch merklicher Erfolg, 2 zweifelhafte und 2 negative Resultate. Die vorliegenden Erfolge sieht R. bedingt durch die Wegnahme der Hirnrinde, nicht durch die Trepanation an sich oder durch eine Ventilbildung. Bestimmte Indikationen, wann bloß trepanirt werden soll und in welchen Fällen man die Rindenschicht abzutragen hat, lassen sich heute noch nicht aufstellen. Übrigens ist nicht zu befürchten, dass nach der Horsley’schen Operation ein Schaden in psychischer oder somatischer Hinsicht auftritt, wie die Fälle des Verf. selbst beweisen. |

Aus seinen weiteren Fällen sieht R. den Schluss, dass man bei Epileptischen, bei denen man eine traumatische Veränderung nachweisen kann, diese zuerst be- seitigen soll. Erst wenn dies keinen Nutzen bringt, soll man das Horsley’sche Verfahren nachträglich ausführen. Am Ende der Arbeit sind dann noch einige Bemerkungen über Gehirnventrikeldrainage beigefügt, die der Autor mit v. Berg- mann immer als eine gefährliche Maßnahme ansieht, die leicht auch noch spät In- fektion und Meningitis erzeugen kann. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

23) Leiser. Paraffinprothese einer Sattelnase. Amaurose des einen Auges. (Deutsche med. Wochenschrift 1902. No. 14.)

3 Paraffininjektionen wegen traumatischer Sattelnase. Nach der letzten In- jektion trat ein heftiger Collaps ein, der durch Ätherinjektion, künstliche Athmung beseitigt wurde. Nach Erholung viele Stunden anhaltendes Erbrechen. Voll- ständige Amaurose des linken Auges. L. vermuthet, dass durch die Paraffin- injektion eine Thrombose der Vena ophthalmica hervorgerufen wurde, in die sich die Vena dorsalis nasi ergießt. L. weist auf die Gefährlichkeit der Paraffininjek- tion hin. Borchard (Posen).

24) W. Röpke. Zur Kenntnis der Tumorbildung am harten Gaumen | bei Pseudoleukämie. , (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVI.)

Verf. beschreibt die Krankengeschichte eines 62jährigen Kaufmanns, bei welchem auf Grund des klinischen Verlaufs, des Blutbefundes, der Lokalisation und Beschaffenheit der Geschwülste die Diagnose auf eine Pseudoleukämie ge- stellt werden musste. Auch die mikroskopische Untersuchung der Halsdrüse und Mandeln bestätigte diese Annahme. Von besonderem Interesse ist bei dem Falle das nicht häufige Vorkommen von Geschwülsten am harten Gaumen, die auf beiden Seiten der Mittellinie desselben vollsändig symmetrisch lagen und Anfangs oblonge Form und Mandelgröße hatten. Später wuchsen dieselben bis an die Alveolar- fortsätze des Oberkiefers, blieben aber scharf in der Mittellinie getrennt und ließen den weichen Gaumen frei. Allmählich zeigten sie auf ihrer höchsten Erhebung Ulcerationen. R. bespricht die l)ifferentialdiagnose dieser Geschwülste gegenüber ntramuralen Geschwülsten, Syphilomen und Lymphsarkom, die er alle ausschließt. Analoge Geschwulstbildung konnte er in 3 Fällen aus der Litteratur bei Adam, Arning und Pfeiffer sammeln. Leider ist in diesen 3 Fällen die mikroskopische Untersuchung unterblieben, welche R. bei seinem Pat. vornahm. Er fand von normaler Drüsenstruktur so gut wie nichts mehr erhalten. In der unwesentlich verdickten Drüsenkapsel fanden sich gleichförmige an einander gelagerte Rund- zellen. Von den Trabekeln waren nur feinste Reste vorhanden. Sonst reihten sich kleine, gleichmäßige Rundzellen an einander. ' Sie entsprachen völlig dem Typus der Lymphocyten. Die Geschwulstmasse lag in der Submucosa. Die Septen stammten von dem Bindegewebe der Submucosa her und führten zahlreiche Gefäße. Gegen das umgebende Gewebe war die Geschwulstmasse fast abgekapselt. Nur in den tieferen Schichten fand sich stellenweise ein Hineinwuchern derselben

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in das bindegewebige Substrat. Die Mandelgeschwulst entsprach in Aufbau und Zusammensetzung der Geschwulst am harten Gaumen. Mikroorganismen wurden trotz verschiedener Färbemethoden nirgends gefunden. Dem Verf. scheint es eine Eigenthümlichkeit der Pseudoleukämie zu sein, bei Metastasenbildung am harten Gaumen in seinen beiden Hälften als symmetrische durch die Rhaphe scharf von einander getrennte Geschwülste aufzutreten. E. Siegel {Frankfurt a/M..

25) E. Mayer. Affections of the moutb and throat associated with the fusiform bacillus and spirillum of Vincent. (Amer. journ of the med. sciences 1902. Februar.)

M. beschreibt einen Fall von membranös-ulceröser Angina mit Übergreifen des Processes auf Zäpfchen und Gaumen, bei dem die bakterologische Unter- suchung das Vorhandensein des Bacillus und Spirillum Vincent ergab. Die Rein- kultur gelang, wie gewöhnlich, nicht, es gingen dabei nur Streptokokken auf.

Die Affektion ist sehr schwer, nur auf bakteriologischem Wege von Diphtherie und Lues zu differenziren, von letzterer um so schwerer, als sie gern als Begleit- erscheinung einer luetischen Angina auftritt. Wichtig aber ist die Differensirung wegen der Therapie, da eine merkurielle Behandlung die Affektion nur ver- schlimmern würde. Die Behandlung besteht in Gurgeln mit Borsäurelösung und lokaler Anwendung von Weasserstoflsuperoxyd. Die Erkrankung weicht nur all- mählich der Behandlung und hat Neigung zur Wiederkehr.

R. v. Hippel (Kassel).

26; @. E. Shambaugh. On sarcoma of the radix linguae, with report of a case. (Amer. journ. of the med. sciences 1902. Januar.)

Radix linguae ist nach der Baseler Nomenklatur der hinter den Papillse circumvallatae gelegene Theil der Zunge. Dieser Theil war bei einem 38jährigen Manne der Sitz einer getheilten (oder zweier isolirter?) Geschwulst. Seit 8 Monaten hatten sich bei ihm Schluckbeschwerden und Schmerzen in der Gegend des Zungen- beins eingestellt, auch war er durch ständige Schleimansammlung im Schlund be- lästigt. Seit 2 Monaten macht das Schlucken fester Speisen Schwierigkeit und wird allmählich unmöglich; in den letzten 2 Wochen kommt auch flüssige Nahrung wieder zur Nase heraus. Athmung und Stimme ebenfalls beeinträchtigt, aus- gesprochene Kachexie.

Keine Drüsenschwellungen. Auf der linken Seite der Zungenwurzel sitzt eine Geschwulst von Hühnereigröße, die die Gaumenbögen und den weichen Gaumen dieser Seite verdeckt. Oberfläche glatt, fleischroth, mit erweiterten Venen über- zogen. Konsistenz weich, leicht blutend. Sie sitzt breitbasig in der Zungen- wurzel fest. Auf der rechten Seite sitzt eine flache, harte Geschwulstmasse, 1/; Zoll über die Zungenoberfläche hervorragend. Oberfläche höckrig, mit glatter Schleimhaut überzogen, blutet weniger leicht. Ulcerationen an keiner der beiden Geschwäülste.

Kurze Zeit darauf hat Pat. eine abundante Blutung aus dem Mund. Bei der Untersuchung erscheint die Geschwulstmasse links etwas geschrumpft und mehr gelblich aussehend. Aus der rechten Masse wird ein Stückchen gur mikroskopi- schen Untersuchung entnommen, die ein Spindelzellensarkom ergiebt. Therapis nulla! Pat. kommt nicht wieder.

S. stellt noch 9 andere Fälle aus der Litteratur zusammen und bespricht das klinische Bild. R. v. Hippel (Kassel).

27) W. E. Robertson. Thyroiditis complicating typhoid fever. (Amer. journ. of the med. sciences 1902. Januar.)

42jähriger Pat. bekam nìch Abklingen des Fiebers in der Typhusrekonvales cnz plötzlich Schluckbeschwerden. Die Schilddrüse schwoll akut an, die rechte

Centralblatt für Chirurgie. No. 26. 119

Hälfte stärker als die linke; sie war druckempfindlich und zeigte weiche, fast fluktuirende Beschaffenheit. Frost und leichte Temperatursteigerung, so wie zu- nehmende Dysphagie, so dass 3 Tage lang kaum Flüssigkeiten geschluckt werden konnten; geringe Dyspnoe. Allmählicher Rückgang der Symptome und völlige Resolution in 10 Tagen. .

Solche spontane Resolution ist bei den als Komplikation des Typhus auftreten- den akuten Strumitiden selten, meist gehen sie in Eiterung über.

E. v. Hippel (Kassel).

28) Ballarin und Muñoz. Bocio exoftálmico tratado por la simpat- ectomia cervical bilateral. (Revista medicina y cirúrgia prácticas 1902. No. 725.)

Verff. berichten über außerordentlich günstige Erfolge der doppelseitigen Ex- stirpation des Halssympathicus in einer Sitzung bei Morbus Basedow. Da in allerneuester Zeit! die operative Therapie dieser Erkrankung durch eine sehr aus- führliche Arbeit von Balacescu aus der Jonnesco’schen Klinik in Budapest, wo das gleiche Verfahren geübt wird, eine warme Empfehlung erhalten hat, so dürften auch die in Spanien erhaltenen Resultate zu weiteren Versuchen in dieser Richtung ermuntern. Stein (Berlin).

29) A. Seidel. Über die Geschwülste der Thymus. Inaug.-Diss., Leipzig, 1902.

Unter Zugrundelegung eines Falles von Cystenbildung der Thymus aus der chirurgischen Abtheilung des Leipziger Kinderkrankenhauses (Tillmanns) be- spricht Verf. die Pathologie und Therapie der Geschwülste.

Das 2!/, Jahr alte Kind war schon wegen einer Lymphoyste am Schlüsselbein operirt worden, erkrankte dann unter Erbrechen, Fieber und Hinfälligkeit. Bald kamen Athembeschwerden dazu, weiterhin sogar Orthopnoe. Allenthalben ge- schwollene Lymphdrüsen, Albuminurie, Cylindrurie. Über den Lungen beiderseits Dämpfung bis auf einen schmalen Streifen zu beiden Seiten der Wirbelsäule, links mehr. Dort auch 180 ccm kaffeebrauner, klarer, steriler Flüssigkeit durch Punk- tion in der mittleren Axillarlinie eutleert. Tod. Obduktionsbefund: Die Lungen, hochgradig atelektatisch, liegen hinten ganz an der Wirbelsäule zusammengepresst; Pleuren und Perikard frei. Im vorderen Mediastinalraum großes, blutiges Exsudat. Die Thymus ist in ein zahlreiche Cysten und Cystchen enthaltendes Gebilde um- gewandelt. Die Cysten, mit einer dem Exsudat identischen Flüssigkeit gefüllt, stehen mit dem vorderen Mediastinalraum in Kommunikation. Die Cystenwand von einer niedrigen Endothellage bekleidet. Daher ist es wahrscheinlich, dass ein Lymphangiom vorliegt, wofür auch das Bestehen der Lymphceyste am Schlüsselbein spricht. Durch Rarefikation der Cystenwandung ist eine Perforation nach dem vorderen Mediastinalraum zu Stande gekommen. Schließlich hat das angesam- melte Sekret Lungen und Herz komprimirt und verdrängt. Dadurch trat schließ- lich der Tod ein.

Da in 3 Fällen von Thymushyperplasie schon mit günstigem Erfolge operirt worden ist (Rehn, Fritz König, Purrucker!, so schlägt Verf. auch für die Thymusgeschwülste die Operation vor, vorausgesetzt, dass sie rechtzeitig genug erkannt werden. E. Moser 'Zittau).

30) W. Müller. Über diffuses Enchondrom der Gelenkkapsel. (v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXVI.)

Bei einem 25jährigen Manne wurde wegen einer Geschwulst das 3. Metacarpo- phalangealgelenk der einen Hand resecirt. Bei der Besichtigung des Präparats

1 Archiv für klin. Chirurgie 1902. Bd. LXVII. Hft. 1.

120 Centralblatt für Chirurgie. No. 26.

zeigten sich die knöchernen Gelenkenden und die Gelenkknorpel normal. Die Neubildung, die sich als diffuses Enchondrom ergab, gehörte ausschließlich der Gelenkkapsel an. Stellenweise war sie 11/g cm dick und batte rundliche Hervor- ragungen bis über Linsengröße. Auf dem Durchschnitt hat sie das Aussehen von hyalinem Enchondromgewebe, das stellenweise von faserigen Bindegewebszügen durchsetzt ist. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt, dass die Hauptmasse der Geschwulst aus zellarmem hyalinem Knorpel ohne Degenerationserscheinungen besteht. Hier und da erscheint er von faserigem Bindegewebe durchzogen. Der Ausgangspunkt der Geschwulst ist wahrscheinlich das Grenzgebiet von Periost und Gelenkkapsel. Es handelt sich also um ein »äußeres Enchondrom« im Sinne Virchow’s. M. hält die Neubildung nicht für bösartig, da sie seit 9 Jahren obne Recidiv und Metastasen geblieben ist. Ein ähnliches Kniegelenkpräparat ist von Reichel beschrieben. E. Siegel (Frankfurt a/M.).

31) Gaetano. Un caso di lussazione dorsale della testa del capitato, con contributo al meccanismo di produzione e riduzione di questo lussazione.

(Policlinico 1902. No. 4.)

Diese genau beschriebene dorsale Verrenkung des Köpfchen des Os capitatum (die zweite beim Mann bisher beschriebene) ereignete sich durch kräftige palmare Flexion und Rotation der Hand nach außen (der Verletzte wollte mit einem Messer das Fett einer Speckschwarte ablösen). Die Reposition gelang durch Palmarflexion, Extension, Zusammendrücken der Metacarpen (wodurch die Wölbung derselben vergrößert wird) und gleichzeitigen Druck auf den vorstehenden Knochen. In Leichenversuchen konnte G. nur eine Subluxation durch Flexion und Außen- rotation erringen, wenn alle Bandverbindungen des Knochens durchschnitten waren; den Hauptwiderstand bieten die palmaren Bänder.

E. Pagenstecher (Wiesbaden).

32) L. Championnidre. Traitement du pied bot par l’ablation de la totalité des os du tarse sans immobilisation in appareil orthopédique. Trente et une observation. Présentation d'un malade opéré il-y-a un an. (Bull. de l’acad. de med. 1902. No. 4.)

Dies ausgiebige Verfahren hat dem Verf. bisher in allen schweren Fällen von Klumpfuß vorgügliche Erfolge gegeben. Von einem medialen dorsalen Schnitt aus werden der Reihe nach Talus, Cuboideum, die Cuneiformia, und, wenn zur Erreichung völliger Modellirbarkeit nöthig, der vordere Theil bis zwei Drittel des Calcaneum mit entfernt. Der Fuß wird verkürzt, der Metatarsus, dessen V. Basis event. auch gestutzt werden muss, rückt an den Fersenbeinstumpf heran. Sehnen, Bänder und Muskeln müssen sorgsam geschont werfen. Bereits in den ersten Tagen nach der Operation wird mit Bewegungen des mittleren Theiles am neuen Fuß begonnen. Außer einem etwas kräftigeren Stiefel zum Gehen kommt kein orthopädischer Apparat in Verwendung.

Dank einer gewissenhaften Antisepsis hat C. nur imal geringfügige Eiterung gesehen; seine Resultate und die Einfachheit der Methode sind so günstig, dass er sie allen anderen überlegen glaubt. Christel (Metz).

Originalmittheilungen, Monographien und Separstabdrücke wolle man an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage-

handlung Breitkopf $ Hürtel, einsenden.

Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig.

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