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ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER
ABTEILUNG
| FÜR |
ALLGEMEINE ZOOLOGIE UND PHYSIOLOGIE
DER TIERE
HERAUSGEGEBEN
VON
PROF. DR. J. W. SPENGEL
IN GIESSEN
BAND 57
MIT: 82 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 7 TAFELN.
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VERLAG VON GUSTAV FISCHER
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Bi | ~ Alle Rechte, namentlich das der HR vorbehalten. 5 ;
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Inhalt.
Erstes und zweites Heft.
(Ausgegeben am 1. Oktober 1919.)
v. FRISCH, KARL, Über den Geruchsinn der Biene und seine blüten-
biologische Bedeutung. Mit 14 Abbildungen im Text
Drittes Heft.
(Ausgegeben am 19. Februar 1920.)
Kurz, FRIEDRICH, Versuche über den Einfluß farbigen Lichtes auf
die Entwicklung und Veränderung der Pigmente bei den Fischen.
Mit 2 Abbildungen im Text und Tafel 1—3
HASEBROEK, K., Ein neuer Nachweis des Großstadt- Mens de |
einge in Hamburg an Noctuen. Mit Tafel 4 .
HASEBROEK, K., Über die ontogenetische Wanderung der Zwillings-
flecke auf = Vorderflügeln von Vanessa urticae L. Mit 3 Ab-
bildungen im Text . À
DEwiTz, J., Über die Entstehung nes Deine bei ae
Tieren. Mit 3 Abbildungen im Text und Tafel 5
v. BUDDENBROCK, W., Versuch einer Analyse der Lichtreaktionen
der Heliciden. Mit 17 Abbildungen im Text .
Viertes Heft.
(Ausgegeben am 2. Juni 1920.)
KocH, ALBERT, Messende Untersuchungen über den Einfluß von
Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven bei der Sub-
mersion. Mit 21 Abbildungen im Text .
WILHELMI, HEDWIG, Zur Analyse der Bi iekhrabelorreliliinen
bei der Skeletbildung der fußlosen Holothurien. Mit 22 Ab-
bildungen im Text und Tafel 6—7 a ane). la
Titel und Inhalt zu Bd. 37.
Seite-
305.
313-
361
493
| ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER
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- ALLGEMEINE ZOOLOGIE UND PHYSIOLOGIE
DER TIERE
HERAUSGEGEBEN
VON
PROF. De. J. W. SPENGEL
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BAND 37. HEFT 1 u. 2
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Inhalt. (Abt. f. Phys., Bd. 37, 1/2.)
| Le Seite
v. Frisch, KARL, Uber den Geruchsinn der Biene und seine blüten-
biologische Bedeutung. Mit 14 Abbildungen im Text . . . 1
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Die angegebenen Preise erhöhen sich z. Zt. durch folgende Zuschläge:
1. Teuerungszuschlag des Verlages:
für die bis Ende 1916 erschienenen Werke. 40%
für die in den Jahren 1917 u. 1918 erschienenen Werke. 10€
2. Teuerungszuschlag der liefernden Buchhandlung. . . .
Die Preise für gebundene Bücher sind bis auf weiteres unverbindlich.
Der Farbensinn und Formensinn der Biene. Rise
Privatdozent und Assistent am Zoologisehen Institut München. Mit 12 Ab-
bildungen im Text und 5 Tafeln. (Sonder-Abdruck aus „Zoologische Jahrbücher“
Abt. f. allg. Zool. u. Phys. Bd. 55.) (188 8. gr. 8°) 1914. ° Preis: 18 Mark.
Inhalt: Einleitung. 1. Nachweis des Farbensinnes. — 2. Beschaffenheit des
Farbensinnes. — 3. Der Farbensinn der Biene und die Blumenfarben. {Die
Blumenfarben im allgemeinen. Der ,Farbenwechsel“ der Blüten, „Kontrast-
farben“ und „Saftmale“. Die ,Lieblingsfarben“ der Bienen. — 4. Der Formen-
sinn der Biene und seine Bedeutung beim Blumenbesuch. — 5. Mißglückte Dressur-
versuche mit unnatürlichen Formen; ein Beitrag zur Psychologie der Biene. —
6. Biologische Notizen.. — 7. Die praktische. Bedeutung eines farbigen Anstriches
der Bienenstöcke; Versuche über die Orientierung der Bienen bei der Heimkehr
in den Stock. Historisches. Eigene Versuche: Ratschläge für den Imker.) —
nfassung. — Anhang: Versuchsprotokolle zu Kapitel 1 und 2. — Literatur-
ee eine Gegeniiberstellung.
nd Vogel Yo Reinh. Demoll
ora. nchen. Mit 18 Abbildungen im Text und
5 Tafeln. (70 S. gr. 8°.) 1918. Preis: 4 Mark 50 Pf.
Die Fortschritte auf dem Gebiete der Flugtechnik und die Vertiefung unserer
Kenntnis des Vogelfluges haben sich wechselseitig in hohem Maße gefördert. Dem
Flug der Insekten dagegen wurde bisher nur wenig Beachtung geschenkt. Die
vorliegende Schrift stellt eine grundlegende Untersuchung des Insektenfluges dar,
in welcher der prinzipielle Gegensatz der Flugweise dieser Tiere gegenüber der der
roßen Vögel und Flugapparate dargetan wird. Durch eine einfache Methode, die
ie Einfluß der Fliigelbewegung auf die umgebende Luft erkennen läßt, erfahren
unsere Vorstellungen über das Fliegen eine wertvolle Bereicherung. In einem
Anhang wird das Schweben der Tagschmetterlinge näher analysiert. Die Schrift
ist allgemeinverständlich gehalten, und wird den Zoologen, den Ornithologen und
Entomologen ebensö interessieren und anregen wie den Physiologen, den Flugtechniker
und den Flieger.
Die Orientierung der Tiere im Raum. Yun," Dr. Alfred
für Zoologie an der Universität Berlin. Mit 40 Abbildungen im Text. (IV, 718,
gr. 8%) 1919. Preis: 4 Mark,
Unter den tierischen Ortsbewegungsreaktionen nimmt die „Orientierung“, die
Einstellung in eine bestimmte Richtung des Raumes, nach der Natur der auslösenden
Reize, nach dem Verlauf der Bewegung und nach ihrer Bedeutung für die Lebens-
führung der Tiere eine besondere Stelle ein. Einer vergleichend-physiologischen
Analyse der Orientierungsvorgänge soll die vorliegende Abhandlung dienen. Die
sychologische Frage nach dem Bewußtsein der Orientierung im Raume bleibt außer
etracht. Soweit sie eine a rt Da Frage ist, setzt ihre erfolgreiche Inan-
griffnahme eine Beantwortung der reizphysiologischen Frage nach der Zuordnung
bestimmter sichtbarer Reaktionen zu bestimmten Reizen voraus.
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Über den Geruchsinn der Biene
und seine blütenbiologische Bedeutung.
Von
Karl v. Frisch,
a. 0..Professor an der Universität München.
Mit 14 Abbildungen im Text.
- Inhalt.
Seite
Einleitung : : 2
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ob sich die sammelnde Biene durch Blumendüfte leiten läBt 9
IL. Das Unterscheidungsvermögen der Biene für verschiedene Düfte 35
III. Duft und Farbe . . PURES LE Ret
IV. Das Gedächtnis der Biene Kar Duft =: Fes er SIR à
V. Haben „geruchlose“, unscheinbare Blüten, welche von an
stark besucht werden, einen für uns nicht wahrnehm-
| A AN ie en, fe I «OO
VI. Der Honigduft . . . : 14106
VIL. Die Riechschärfe der Bee (das rn perceptibie‘) es AS
VIII. Versuche mit Mischgerüchen . . CAE ah LE =
IX. Die biologische Bedeutung des a ge 3 Los
X. Versuche mit Riechstoffen, die bei chemisch verschiedener
Zusammensetzung ähnlich duften . . 168
XI. Dressur auf Lysol, Schwefelkohlenstoff, Skatol iad Pitehonliöl.
Ein Beitrag zur Psychologie der Biene. . . . . . 195
Be ea a ea. ns , , 214
PUR MEN ARC een. een 220
Ber een nut , 226
en Ne. . .« 228
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 1
2 Karu v. Frisch,
Einleitung.
Ehemals betrachtete man die farbenprächtige, duftende Welt
der Blumen nur vom Standpunkte des ästhetischen Genusses. Erst
die grundlegenden Arbeiten von I. G. KÖLREUTER (64), CHR. K. SPRENGEL
(98) und CH. Darwin (25, 26) haben uns gelehrt, die Eigenheiten ~
der Blumen: als eine wundervolle Anpassung der Pflanzen an ihre ©
tierischen Besucher zu verstehen. Den Untersuchungen der ge-
nannten Forscher verdanken wir die Erkenntnis, daß für die Pflanzen
zur Erzielung einer zahlreichen, kräftigen Nachkommenschaft Kreuz-
befruchtung im allgemeinen vorteilhafter ist als Selbstbefruchtung
und daß dem Zustandekommen der Kreuzbefruchtung, also der Über-
tragung des Blütenstaubes einer Blüte auf die Narbe einer anderen
Blüte, zweierlei Wege dienen (wobei wir eine gewisse Gruppe von
Pflanzen, bei welchen die Anpassung an das Leben im Wasser eine
andere Übertragungsweise des Pollens herbeigeführt hat, außer acht
lassen wollen): bei der einen großen Gruppe von Pflanzen nämlich
bewirkt der Wind die Überführung des Blütenstaubes, bei der
anderen besorgen es die blütenbesuchenden Tiere, in a Linie
Insecten. Demgemäß finden wir in beiden Gruppen ganz ver-
schiedene Blüteneinrichtungen: die Windblüter haben unschein-
bare Blüten, die einen trockenen, leicht zerstäubenden Blütenstaub
hervorbringen, und zwar in großen Massen, denn er wird vom Wind,
wie es der Zufall will, nach allen Richtungen zerstreut und durch
die ungeheuere Menge des produzierten Blütenstaubes muß wett ge-
macht werden, daß Millionen von Pollenkörnern ihr Ziel verfehlen.
Die Inseetenblüter können der maßlosen Überproduktion von
Pollen entraten, denn ihnen bietet sich in den Blütengästen, die sich
beim Besuch der Blüte mit Pollen beladen, das Mittel zu einem
relativ kurzen und sicheren Transport desselben von Blüte zu Blüte.
Gäste stellen sich aber nur ein, wo etwas geboten wird. Ein in
den Blüten abgeschiedener, zuckerreicher Saft, der Nektar, ist in
der Regel die Lockspeise der Blume für ihre Gäste. Doch wäre
die Pollenübertragung wenig gesichert, wenn nicht auch dafür ge- ,
sorgt wäre, daß die Nektarquellen von den nach Nahrung suchenden |
Insecten leicht gefunden werden. Und so sehen wir bei
vielen Blüten ihreauffallend gefärbten, oft absonder-
lichgeformten Blumenblätter, bei anderen ihren Duft,
bei wieder anderen Duft und bunte Farben vereint
Über den Geruchsinn der Biene. 3
als sinnfällige Kennzeichen ihrer Insectenblütig-
k eit. *)
Die Lehre, daß die bunten Blumenfarben den Insecten beim
Auffinden der Blüten als Wegweiser dienen, ist von verschiedenen
Seiten [vgl. Prarzau (77—93), v. Huss (46—49a)] heftig angegriffen
worden. Dieser Widerspruch hat zu erneuten Untersuchungen in
älterer und in jüngster Zeit herausgefordert, und so können wir
heute nicht nur mit Sicherheit behaupten, daß die Lehre Sprencet’s
von der Bedeutung der Blumenfarben zu recht besteht, sondern es
sind uns auch so manche, längst bekannte nee der
Blütenfärbungen als Anpassung an den Insectenbesuch verständlich
geworden, seit wir über den Farbensinn der wichtigsten Blumen-
bestäuberin, der Honigbiene, Näheres wissen |(v. Friscx (39). Daß
der Blütenduft die Insecten anlocke, ist von niemandem bestritten
worden. Und gerade die einmütige Zustimmung, deren sich die
SPRENGEL’sche Blumentheorie in diesem Punkte erfreut, mag Schuld
daran sein, daß unsere Kenntnisse von der Rolle des Blumenduftes
bei der Bestäubung der Blüten bis heute erstaunlich gering sind.
Daß wirklich die Entwicklung des Blütenduftes
mit dem Insectenbesuch in Beziehung steht, kann
schon deshalb nicht wohl bezweifelt werden, weil
ohne diese Annahme viele Tatsachen der Blütenbio-
logie, die so eine ungezwungene Erklärung finden,
völlig unverständlich wären.
Das Fehlen des Blütenduftes bei den meisten Windblütern,
seine weite Verbreitung bei den insectenblütigen Pflanzen wurde ja
1) Diese Tatsache ist wiederholt bestritten worden [vgl. z. B.
Bonnier (8), Hess (46 u. 48, p. 410), PLATEAU (81)|, unter Hinweis darauf,
daß es unscheinbare, duftlose Blüten gibt, die von Insecten bestäubt werden,
und daß andrerseits an den Blüten mancher windblütiger Pflanzen bunte
Farben auftreten. Man hat hierbei vergessen, daß man eine Regel nicht
umstößt, indem man Ausnahmen konstatiert. Daß die Regel besteht,
dürfte wohl niemand zu leugnen wagen. Statt die Ausnahmen in
den Vordergrund zu stellen nnd auf eine Erklärung der bestehenden
Gesetzmäßigkeit zu verzichten, scheint es mir natürlicher, in dem ge-
legentlichen Auftreten von bunten Farben und Düften bei windblütigen
Pflanzen einen Fingerzeig für die Phylogenese der Blumen zu erblicken;
ist doch eine Fortentwicklung solcher Merkmale zu immer größerer Voll-
kommenheit da, wo sie für die Pflanzen von Vorteil sind, wohl verständ-
lich, während ihr erstes Auftreten als Folge von Insectenbesuch schwer
zu begreifen ware. Auf den Insectenbesuch unscheinbarer, ae Blüten
komme ich im V. ‘Kapitel zurück.
1*
4 Kart v. Frisch,
schon erwähnt. Es ist aber bei vielen Blüten dieEntwick-
lung eines Duftes sogar auf die Flugzeit der Insecten
beschränkt, welche bei ihnen die Bestäubung herbei-
führen. Als Beleg ’sei die folgende Stelle aus KErner’s „Pflanzen-
leben“ (58, Vol. 2, p. 204) zitiert:
„Die vorwaltend von Abendschmetterlingen besuchten Blüten
verschiedener Arten des Geissblattes (Lonicera caprifolium, Peri-
clymenum, Etrusca, grata etc.), der Petunien (Petunia violacea, vis-
cosa etc.), der Platanthera bifolia und noch zahlreicher anderer im
Sommer blühender Pflanzen duften tagsüber nur sehr schwach oder
gar nicht; erst nach Sonnenuntergang, von 6 oder 7 Uhr abends
angefangen bis gegen Mitternacht, entbinden sie reichlichst ihre
Riechstoffe. Noch auffallender verhalten sich die von kleinen Nacht-
schmetterlingen ‚besuchten Blüten der Trauerviole (Hesperis tristis),
der dnnkelblütigen Pelargonien (Pelargonium triste, atrum etc.),
zahlreicher nelkenartiger Gewächse (Silene longiflora, nutans, viridi-
flora etc.), von welchen am Tage gar kein Duft ausgeht, die aber
mit beginnender Dämmerung starken Hyazinthenduft aushauchen,
desgleichen die Nachtviole (Hesperis matronalis), deren Blüten abends
nach Veilchen, und eine Art des Waldmeisters (Asperula capitata),
deren Blüten bei eintretender Dunkelheit nach Vanille duften.
Andererseits stellen zahlreiche von Faltern, Bienen und Hummeln
im Laufe des Tages besuchte Blüten die Entwicklung des Duftes
ein, sobald die Sonne untergegangen ist. Die gelben Blüten des
Besenstrauches (Spartium scoparium) spenden ihren köstlichen
Akazienduft nur zur Zeit, wenn die Sonne hoch am Himmel steht
und die genannten Insekten durch die warme Luft schwirren. Abends
ist an ihnen keine Spur des Duftes wahrzunehmen. Der zierliche
Klee: Trifolium resupinatum, dessen im Sonnenscheine von vielen
Bienen umsummte Blüten stark nach Honig duften, wird duftlos,
sobald sich mit beginnender Dämmerung die Bienen in ihren Bau
zurückziehen. Dasselbe gilt von dem Studentenröschen (Parnassia
palustris), das nur im warmen Sonnenscheine nach Honig duftet und
abends duftlos wird. Auch eine in den Pyrenäen heimische Art des
Seidelbastes (Daphne Philippi) zeigt die Eigentümlichkeit, dass ihre
Blüten nur tagsüber zarten Veilchenduft entbinden, mit beginnen-
dem Abend aber zu duften aufhören.“
Einen weiteren Hinweis darauf, daß der Blütenduft zum In-
sectenbesuch in Beziehung steht, sehen wir darin, daß die Qualität
des Duftes je nach der Art der Blumengäste ver-
Über den Geruchsinn der Bienen. | 5
schieden sein kann. So ist allgemein bekannt, daß die Ent-
_ wicklung eines Aasgeruches für solche Blüten charakteristisch ist,
die auch in ihrer sonstigen Blüteneinrichtung an den Besuch von
fäulnisliebenden Fliegen und Käfern angepaßt sind und tatsächlich
von solchen besucht und bestäubt werden. Ein Beispiel möge zeigen,
wie eindeutig sich das Zusammentreffen von Aasgeruch und aas-
liebenden Blütengästen beobachten läßt: „Vor einigen Jahren wurde
die aus Cypern stammende Aroidee Dracunculus Creticus am Rande
eines kleinen Nadelholzbestandes im Wiener botanischen Garten ge-
pflanzt. Im Umkreise von mehreren hundert Schritten befand sich
weder eine Düngerstätte noch irgendein in Fäulnis übergegangener
tierischer Körper, und auch von Aasfliegen und Aaskäfern war dort
weit und breit keine Spur zu finden. Als sich aber einmal im
Laufe des Sommers die grosse tütenförmige Blütenscheide dieser
Aroidee geöffnet hatte, so kamen sofort von allen Seiten zahllose
_ Aasfliegen und Aaskäfer herbeigeflogen. Für den Menschen war
der aus der Blütenscheide strömende indoloide Duft nur auf die
Entfernung von wenigen Metern bemerkbar, die genannten Tiere
' mussten denselben aber mehrere hundert Meter weit gewittert
haben“ [Kerner (58), Vol. 2, p. 203].
Schließlich hat man auf die Bedeutung des Blütenduftes aus
der Statistik des Blütenbesuches geschlossen, wie sie
HERMANN MÜLLER in größtem Stile durchgeführt hat. Er faßt seine
Ergebnisse über die Wirkung des Blumenduftes im allgemeinen Teil
seines Werkes über die Befruchtung der Blumen (71, p. 429) fol-
gendermaßen zusammen:
„Dass den Pflanzen auch der Duft der Blumen dadurch von
Vorteil ist, dass er dieselben den Insekten von weitem bemerkbar
macht und dadurch gesteigerten Insektenbesuch und häufigere Fremd-
bestäubung bewirkt, erscheint von vornherein unzweifelhaft und
kann durch eben so entscheidende Beispiele belegt werden, wie die
Wirkung der Augenfalligkeit; es läßt sich sogar durch direkte Be-
obachtung des Insektenbesuches mit voller Sicherheit feststellen, dass
Blumenduft ein weit kräftigeres Anlockungsmittel ist als bunte
Farben. Die würzig duftenden Blüten von Convolvulus arvensis
werden z. B. ungleich reichlicher von Insekten besucht, als, bei
Tage wenigstens, die viel größeren und in die Augen fallenderen,
aber geruchlosen Blüten von C. sepium, die wohlriechenden Blüten
des Veilchens viel reichlicher, als die grösseren und auffallender ge-
färbten, aber geruchlosen, des Stiefmütterchens; die kleinen, un-
6 Karz v. Friscu,
scheinbaren, aber kraftig duftenden Blüten von ZLepidium sativum
übertreffen an Reichlichkeit des Insektenbesuchs die viel auffälligeren,
aber geruchlosen Blüten anderer Cruciferen.“
Scheint somit im allgemeinen ein Zusammenhang zwischen
Blütenduft und Blütenbesuch festzustehen, so geraten wir so-
fort ins Ungewisse, sobald wir ins Spezielle gehen.
Wir erhalten auf die naheliegende Frage, ob die Insecten einen
scharfen oder einen stumpfen Geruchsinn haben, ob sie den Blüten-
duft auf große Entfernung oder erst aus nächster Nähe wahrnehmen,
von verschiedenen Autoren die widersprechendsten Antworten. So
sagt KnutaH im Handbuch der Blütenbiologie (63, Vol. 1. p. 399),
nachdem er die PuatTEav’schen Versuche besprochen und kritisiert
hat: „Vorläufig dürfte folgender Satz gelten: Die Anlockung aus
weiterer Ferne geschieht wohl meist durch den Geruch der Blüten,
der ja in unbestimmten Wolken die Luft erfüllt und die Richtung
des einzuschlagenden Fluges angibt; beim Näherkommen der In-
sekten (auf 1—2 m) werden dann die Blütenfarben die weitere An-
lockung übernehmen, und beim Anfliegen auf die Blumen endlich
werden die auf denselben befindlichen, schon von SPRENGEL als
‚Saftmal’ bezeichneten Linien und Punkte den Wegweiser zum
Honig bilden.“ Nun vergleiche man hiermit die folgenden Sätze
Forer’s über die Bedeutung des Geruchsinns für die Anlockung der
Bienen durch Honig und durch Blumen (36, p. 207): „Der Geruchs-
sinn gewährt nur eine Nachhilfe, indem er auf eine Entfernung von
2—3 cm die Tiere auf den eigentlich wichtigen Fleck hinleitet.“
Und: „Der Geruchssinn wirkt nur aus nächster Nähe bestimmend
auf das Verhalten der Biene ein, und auch nur dann, wenn ihre
Aufmerksamkeit nicht durch anderes abgelenkt wird...“ Als Ver-
treter der Lehre von einem scharfen Gerüchsinn wären noch zu er-
wähnen: BETHE (7, p. 207), Bouncer (10), v. BurrEen-REEPEN (16, 17,
18, 21), Prateavu (77—93), SCHRÖDER (97), ZANDER (102, 103), während
sich für einen stumpfen Geruchsinn außer Forez auch Derro (28),
Focke (34), SCHENK (96) und Wery (101) aussprechen.
Die Verschiedenheit der Ansichten erklärt sich zum Teil daraus,
dab Beobachtungen, die an gewissen Insectenarten gewonnen waren,
ohne Berechtigung verallgemeinert wurden. ANDREAE (1) hat ge-
zeigt, daß sich Fliegen und gewisse solitär lebende Bienenarten
beim Blumenbesuch viel mehr durch den Geruchsinn leiten lassen
als die Honigbiene. Doch auch was diese letztere betrifft, herrscht
keine Einigkeit — und gerade ihr Verhalten interessiert uns in
. Uber den Geruchsinn der Bienen. 7 7
erster Linie, weil sie an der Bestäubung unserer Blumen vorwiegend
beteiligt ist.
PratEau hat seine auf lange Versuchsreihen gestützte These,
daß die Insecten beim Blumenbesuch ausschließlich (78—82) oder
doch in erster Linie (92) durch den Geruchsinn geleitet werden,
gegen alle Anfeindungen ausdrücklich auch für die Honigbiene ver-
fochten. Seine Schlußfolgerungen halten der vielseits an ihnen ge-
übten Kritik [vgl. AnpREAE (1), Derro (28), v. Dopkıewıcz (29),
Forez (36), Gıutay (41, 42), KıEnıtz- GERLOFF (59, 60), Lover
(66, 67), Reexer (94), Wery (101) u. a.)] nicht Stand. Doch haben
sich späterhin auf Grund von anderen Beobachtungen (Findigkeit
im Aufspüren von Honig und sonstigen Süßstoffen, Verhalten bei
Weisellosigkeit etc.) auch ZANDER (102, 103) und v. BUTTEL-REEPEN
(21, p: 178ff.) für die Annahme eines vortrefflichen Riechvermögens
der Honigbiene ausgesprochen.
Dem steht die Beobachtung Forer’s (36, p. 197) entgegen, dab
duftende, von Bienen reichlich beflogene Dahlienblüten, sobald sie
durch ein Weinblatt maskiert wurden, zunächst gänzlich im Stich
gelassen und erst nach längerer Zeit wieder aufgefunden wurden,
ferner ähnliche Beobachtungen Wery’s (101) und die Angaben
ANDREAE’S (1), der gepflückte Blüten in Bechergläser brachte und
sah, daß die Bienen wohl gegen die Blüten anflogen, wenn diese
unter umgestülpten Bechergläsern, die ein Ausströmen des Duftes
verhinderten, frei sichtbar aufgestellt waren, wogegen aufrecht
stehende Gläser, die das Entweichen des Duftes gestatteten, in
welchen aber durch eine Umhüllung die Blüten unsichtbar gemacht
waren, fast ganz ignoriert wurden.
Als strenge Beweise können all diese Beobachtungen nicht
gelten. Wir wissen nicht, ob die Veränderungen, die Forez und
Wery mit ihren Blüten vorgenommen haben, nicht, hinreichen, um
die Bienen vom Besuch der Blumen abzuhalten, auch wenn sie deren
Duft wahrnehmen; es wäre ferner denkbar, daß sich der Duft der
gepfliickten Blüten Anprears vom Duft ungepflückter Blüten in
seringfügiger Weise unterschieden hätte (vgl. S. 17), und solange wir
über die Qualitäten des Geruchsinnes der Biene so wenig orientiert
sind, ist es nicht von der Hand zu weisen — wenn es auch höchst
unwahrscheinlich ist —, daß solche Unterschiede das Resultat be-
einflußt haben könnten.
Andrerseits ist auch die Beweisführung v. BuUTTEL-RErpen’s und
_ZANDER’S nicht befriedigend; auf die Wahrnehmung des Honigduftes
8 Karu v. Frisch,
komme ich in Kapitel VI zuriick, aus den Beobachtungen iiber den
Weiselduft können wir zumindest in blütenbiologischer Richtung
keine Schlüsse ziehen.
Zahlreiche Arbeiten liegen vor über den Sitz des Geruch-
sinnes, und es gibt kaum ein Organ der Biene, das für denselben
nicht beansprucht worden wäre. Auf ihre nähere Besprechung
möchte ich verzichten, da ich mich mit dieser Frage nicht beschäftigt
habe.!) Doch sind in solchen Arbeiten gelegentlich Experimente mit
Riechstoffen eingeflochten: |
McInooo (69, p. 271) brachte z. B. ein mit Pfefferminzöl oder
Thymianöl oder Wintergrünöl etc. getränktes Wattebäuschchen auf
1, Zoll Entfernung an eine dicht besetzte Bienenwabe heran und
suchte aus der Anzahl von Sekunden, die verstrich, bis die fliehen-
den Bienen eine bestimmte Entfernung erreicht hatten, ein Maß für
die abstoßende Wirkung der betreffenden Stoffe zu gewinnen. DOn-
HOFF (30) gibt an, daß sich die Bienen beim Annähern eines
mit Tabaksjauche getränkten Stäbchens sogleich abwenden, und
Lussock (68, p. 244) schließt auf einen scharfen Geruchsinn,
weil er die „Wächter“ aus dem Bienenstocke eilen sah, wenn er
Eau de Cologne oder Rosenwasser auf das Flugbrett schüttete.
Solche Beobachtungen fördern leider unsere Kenntnisse vom Geruch-
sinn der Biene ebenso wenig wie die Angaben PLArtrAv’s (82), dab —
er durch Eintropfen verschiedener Essenzen (Lavendel, Salbei,
Thymian, Mentha und Eau de Cologne) in Blüten zum Teil eine
abstoßende, zum Teil eine etwas anziehende. zum Teil gar keine
Wirkung auf den Bienenbesuch hervorgebracht habe; wenn wir
lebende Blumen mit künstlich gewonnenen, noch dazu von anderen
Pflanzen stammenden Düften versehen, schaffen wir so unnatürliche
und komplizierte Verhältnisse, daß klare Resultate nicht erwartet
werden können.
Wir kommen somit bei der Durchsicht der Literatur zu keinem
erfreulichen Ergebnis. Gegen die Annahme SPRENGEL’'S, daß sich
die Bienen beim Aufsuchen der Blüten auch durch den Blumenduft
leiten lassen, hat sich zwar kein Widerspruch erhoben, ja es ist
diese Annahme durch blütenbiologische Beobachtungen wesentlich
gefestigt worden, aber der experimentelle Beweis für sie ist bis
heute nicht erbracht; ob für die Orientierung der Honigbiene Duft
1) Anm. bei der Korrektur: Inzwischen habe ich mich davon über-
zeugt, daß die Bienen mit den Fühlern riechen. ~
Über den Geruchsinn der Bienen. 9
oder Farbe, Geruchsinn oder Gesichtsinn die überwiegende Rolle
spiele, darüber sind die Meinungen geteilt; ob es für den Geruch-
sinn der Biene eine ähnliche Fülle von Blütendüften gibt wie für
uns, ob ihr Unterscheidungsvermögen vielleicht weniger fein ausge-
prägt ist als das unsere oder das unsrige etwa weit übertrifft,
wurde nicht geprüft; daß der Blumenduft ein ,Lockmittel“ für
die Insecten sei, wurde als so selbstverständlich angenommen, daß
die Frage, ob seine blütenbiologische Bedeutung nicht auch in
anderer Richtung gesucht werden könnte, kaum ernstlich erwogen
wurde; mit der größten Bestimmtheit findet man die Ansicht ver-
treten, daß gewisse für uns duftlose Blüten für die Bienen einen
starken Geruch haben müßten. Auf Mutmaßungen und theoretische
Betrachtungen sind wir angewiesen, wo sachgemäß durchgeführte
Versuche eine klare Auskunft erwarten ließen.
Diese Lücke wünschte ich auszufüllen. Wenn ich nun nach mehr-
jähriger Arbeit sagen muß, daß meine Resultate weit hinter dem
zurückgeblieben sind, was ich zu erreichen hoffte, so mag die
Schwierigkeit des Gegenstandes meine Entschuldigung sein. _ Gehört
doch auch die Physiologie des menschlichen Geruchsinnes zurzeit
noch zu den trübsten Kapiteln in der Physiologie des Menschen,
trotz reicher Forscherarbeit und trotz der Erleichterung, die das
Experimentieren am sprachbegabten, vernünftigen Menschen und der
Versuch am eigenen Leibe gewährt.
Daß ich dennoch einige Fragen klären konnte, verdanke ich
zum großen Teile der liebenswürdigen Unterstützung, die ich von
seiten einer der ersten Riechstoffabriken Südfrankreichs, der Firma
ScHMOLLER & BomparD in Grasse, und von seiten der bekannten
Firma Scummmet & Co. in Miltitz bei Leipzig durch Überlassung
einer großen Zahl einwandfreier Riechstoffe erfahren habe. Beiden
Firmen möchte ich auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank
aussprechen.
I. Erläuterung der Versuchstechnik und Entscheidung der Frage,
ob sich die sammelnde Biene durch Blumendüfte leiten läßt.
Wollen wir auf experimentellem Wege in die Wechselbeziehungen
zwischen dem Blütenduft und der blumenbesuchenden Honigbiene
Einblick gewinnen, so müssen wir zunächst volle Gewißheit erlangen
über die Voraussetzung soicher Beziehungen: daß die Biene den
Blütenduft wahrnimmt und daß sie sich bei der Nahrungssuche
durch Geruchswahrnehmungen leiten läßt. Die Schilderung der ein-
10 Karu v. Frisch, à
‘fachen Versuche, welche uns hierüber Aufschluß geben, nehme ich
zum Anlasse, um etwas ausführlicher, als es im allgemeinen üblich
ist, auf die Technik der Arbeit einzugehen. Denn je weniger wir
bei der Biene über die Schärfe und sonstigen Qualitäten des Ge-
ruchsinnes bisher orientiert waren, desto wichtiger ist es für die
Beurteilung der Resultate, zu wissen, wie sie erlangt worden sind.
Die Methode, die uns unsere Fragen nach dem Riechver-
mögen der Biene beantworten soll, ist die Dressur auf Düfte mit
Hilfe von Zuckerwasser. Wenn sich die Biene!) auf einen Blüten-
duft dressieren läßt, d. h. wenn sie es lernt, die im Duft gebotene
Nahrung mit dem Duft zu assoziieren, so beweist sie uns hierdurch,
daß sie den betreffenden Blütenduft wahrnimmt und sich beim Auf-
suchen der Nahrung durch’ ihn leiten lassen kann. Wir haben so
ferner ein Mittel in der Hand, um zu prüfen, ob und mit welcher
Sicherheit sie den „Dressurduft“ von anderen gebotenen Düften zu
unterscheiden vermag, ob sie ihn auch unter gewissen veränderten
Bedingungen erkennt und anderes mehr.
Natürlich muß der Duftstoff in solcher Weise geboten were
daß das Versuchsgebiet durch ihn nicht verunreinigt wird, und es
soll die Anordnung so getroffen sein, daß man bei der Beurteilung
des Dressurerfolges nicht auf einen subjektiven Eindruck angewiesen
ist, sondern so, daß sich der Erfolg zahlenmäßig feststellen läßt — _
was ich durch Verwendung von geschlossenen, je mit einem Loche
versehenen Kästchen erreichte; es wurde dann die Zahl der Bienen,
welche durch das Flugloch eines mit dem Dressurduft geschwängerten
Kästchens hineinschlüpften, mit der Zahl jener Tiere verglichen,
_ welche andere, duftlose oder mit abweichenden Düften versehene
Kästchen besuchten.
Ich ließ mir mehrere hundert untereinander gleiche Kästchen
aus grauem Karton anfertigen, wie eines in Fig. A (in Vorder-
ansicht) dargestellt ist; die Maße sind 10xX10x10 em; in der
Vorderwand ist unten ein Loch von 11, cm Durchmesser einge-
stanzt; der Deckel läßt sich nach der Seite aufklappen (vgl. Fig. B).
Zum Anbringen des Duftstoffes dient folgende einfache Vorrichtung:
ein 20 cm langer, 3 cm breiter Kartonstreifen, der mit zwei Falzen
versehen ist, so daß er sich an diesen Stellen (je 6 cm von seinen
Enden entfernt) leicht abbiegen läßt; so entsteht eine Art Bänkchen
— es sei im folgenden kurz als „Duftbänkchen“ bezeichnet —
1) Bei meinen Versuchen stets: deutsche Rasse von Apis mellifica L.
Über den Geruchsinn der Bienen. 11
welches in das Kästchen vorn hineingestellt wird (Fig. B). Auf
seine horizontale Fläche wird der Duftstoff, sofern es sich um
Flüssigkeiten handelt, aufgetropft. Gewöhnlich wird der Duftstoft
vom Karton des Duftbänkchens vollständig aufgesogen. Bei schwerer
eindringenden Flüssigkeiten empfiehlt es sich, um ein Verschleppen
Fig.B.
des Riechstoffes durch umherkriechende Bienen zu vermeiden, ein
zweites Bänkchen über das erste zu stülpen, mit solchem Abstande,
daß die mit dem Duftstoff versehene Fläche den Bienen nicht zu-
gänglich ist, der Duft aber doch ungehindert entweichen kann.
12 Karu v. Frisch,
Mehrere hundert Kästchen waren deshalb nötig, weil die Mög-
lichkeit ihrer Wiederverwendung sehr beschränkt ist. Karton-
kästchen, die einmal mit Duft versehen waren, wurden selbstver-
stiindlich, auch wenn späterhin für unsere Nase keine Spur des
Duftes mehr wahrnehmbar war, für andere Versuche nicht mehr
gebraucht. Aber auch solche Kästchen, die nur als leere, duftlose
Vergleichskästchen gedient hatten und hierbei von einzelnen Bienen
besucht worden waren, wurden wegen des ihnen anhaftenden Bienen-
geruches (vgl. S.31ff.) von weiteren Versuchen ausgeschaltet, wenig-
stens dann, wenn es sich nicht nur um orientierende, sondern um
entscheidende Versuche handelte. Bei solchen wurde stets darauf
“Wert gelegt, ausschließlich neue Kästchen zu verwenden.
Gegen den Gebrauch von Kartonkästchen könnte geltend ge-
macht werden, daß sie einen Eigengeruch besitzen. Als ich die
Kartonkästchen anfertigen ließ, glaubte ich diesem Umstande keine
besondere Bedeutung beimessen zu sollen, denn wir hatten damals
ebensowenig einen Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Bienen
den Kartongeruch wahrnehmen, als wir andrerseits wissen konnten,
ob nicht ein für uns duftloses Material für die Bienen riechend sei.
Eine störende Wirkung ist nur in dem Sinne denkbar, daß die
Wahrnehmung des im Kästchen gebotenen Duftes durch die Bei-
mischung des Kartongeruches beeinträchtigt wird, also im Sinne von
negativen oder unklaren Versuchsresultaten. Positive Dressurerfolge
hingegen können nicht auf den Kartongeruch zurückgeführt werden,
da dieser ja auch den leeren oder mit anderen Düften beschickten
Vergleichskästchen anhaftet. Als es im Verlaufe der Arbeit immer
wahrscheinlicher wurde, daß für uns Menschen duftlose Stoffe auch
für die Bienen duftlos sind und umgekehrt, und als ferner die
Kartonkästchen zur Neige gingen und eine Nachbestellung wegen
des Krieges Schwierigkeiten verursacht hätte, entschloß ich mich
zur Anschaffung von Kästchen aus geruchlosem Material, und zwar
aus weiß-glasiertem Steingut. !)
Ein solches Steingutkästchen (es standen mir deren 50, unter-
einander genau gleiche zur Verfügung) ist in Fig. C abgebildet. ?)
Die Maße sind 11><11><11 cm innen. Das Loch in der Vorder-
wand hat wieder einen Durchmesser von 11/, cm. Die Kästchen
1) Fayence.
2) Sie wurden in den Wiener kunstkeramischen Werkstätten her-
gestellt.
Über den Geruchsinn der Bienen. 13
haben eingepaßte, abnehmbare Deckel.
Zwecks leichterer Reinigung
(vgl. unten) gehen alle Wände innen nicht scharfkantig, sondern
sanft geschweift ineinander über.
der Kästchen ist es wesentlich,
daß die Glasur innen völlig
fehlerfrei ist, damit nicht
etwas vom Duft in das poröse
Innere der Wandungen ge-
langen kann, was eine zu-
verlässige Reinigung sehr er-
schweren würde. Hierauf muß
bei der Anfertigung der Käst-
chen geachtet werden; die Füß-
chen, auf welchen die Stein-
gutgegenstände während des
Brennens ruhen und die in
der Glasur Spuren hinter-
lassen, müssen, im Gegen-
satze zum üblichen Verfahren,
außen angesetzt werden.
Das „Duftbänkchen“ mußte
nun eine andere Gestalt be-
kommen. Es wird durch
einen aus 3 Teilen be-
stehenden Duftträger er-
Für die Wiederverwendbarkeit
Fig. C.
setzt: der Untersatz a (Fig. D) ist glasiert (Maße 2X2%X4 cm).
Auf ihm liegt der unglasierte, daher poröse Teil d, der, bei
gleicher Grundfläche, nur 1}, cm hoch ist; er ist bestimmt, die
duftende Flüssigkeit in sich aufzusaugen.
Um zu verhindern, daß
14 Karu y. Frisch,
die Bienen mit dem Riechstoff in direkte Berührung kommen können,
wird er mit dem glasierten, übergreifenden Deckel c bedeckt; dieser
ruht mit vier an seiner Unterseite angebrachten kleinen Füßchen
(F) auf dem Teil b auf; seine übergreifenden Seitenwände lassen
ringsum zwischen sich und dem Untersatz einen Spalt frei, so dab
sich hier sowie durch die im Deckel angebrachten Löcher der Duft
genügend verbreiten kann. |
Auch feste Riechstoffe können bequem, und ohne Gefahr der
Verschleppung durch die Bienen, dargeboten werden, indem sie auf
den Untersatz gebracht und durch den Deckel geschützt werden.
\
Die Steingutkästchen mußten nach dem Gebrauch vom an-
haftenden Duft, insbesondere auch vom Bienengeruch (vgl. S. 31f.)
gereinigt werden. Um die Zuverlässigkeit der Reinigungs-
methode zu prüfen, dürfen wir uns nicht an unsern eigenen Ge-
ruchsinn halten. Denn Geruchlosigkeit für uns ist kein Beweis,
daß nicht die Bienen noch einen Duft wahrnehmen. Diese
selbst müssen daher zur Prüfung herangezogen werden — in
welcher Weise, ergibt sich von selbst aus meiner Versuchstechnik:
ein Kästchen, das mit Dressurduft versehen und von zahlreichen
Bienen besucht war, wird in der üblichen Weise gereinigt und her-
nach neben neuen (unbenutzten) Kästchen!) den dressierten Bienen
dargeboten. Wenn sie das gereinigte Duftkästchen vor den neuen
Kästchen nicht bevorzugen, dürfen wir daraus schließen, daß sie an
ihm keinen Duft mehr wahrnehmen. ?) Da die Adsorptionsdauer je
nach der Art des Riechstoffes sehr verschieden ist?), wiederholte
ich diese Probe bis gegen das Ende meiner Versuche bei jedem
neuen Dressurduft,
Als ich die Steingutkästchen in Gebrauch nahm, war natürlich das
Problem ihrer Reinigung, von dessen Lösung die Verwendbarkeit der
Kästchen abhing, meine erste Sorge. Nach anfänglichen Fehlschlägen hat
sich die folgende, von mir dann stets angewendete Methode in allen ge-
prüften Fällen als zuverlässig wirksam erwiesen: die gebrauchten Kästchen
werden mit einem alkoholgetränkten Wattebauschen, der nicht mit den
1) Als mir keine solchen mehr zur Verfügung standen, nahm ich
statt ihrer Kästchen, welche vorher mit anderen Duftstoffen, die in den
entsprechenden Versuchsreihen nicht anziehend auf die Bienen wirkten,
beschickt waren und die natürlich nach dem Gebrauch in gleicher Weise
gereinigt waren wie die Dressurduftkästchen.
2) Dies ergibt sich aus Kapitel VII, vgl. insbesondere S. 131ff.
3) Vgl. die Tabelle in TIGERSTEDT's Handbuch (105), Vol. 8, 1,
p. 49.
hu a
Über den Geruchsinn der Bienen. 15
Fingern, sondern mit einer reinen Kornzange oder mit einem anderen
zweckentsprechenden Instrument gefaßt wird, innen und außen abgerieben
(für jedes Kästchen ein neuer Bauschen) , bierauf mit ‘einem reinen Tuch
in warmem Wasser gründlich gewaschen, in fließendem-Wasser nachgespült
und bei abgehobenem Deckel unter freiem Hintmel getrocknet und gelüftet.
Die gebrauchten Duftträger werden auf einer Blechschaufel für ca. 1/, Stunde
auf die Glut eines Herdfeuers gesetzt, hierauf von der Schanel direkt
auf einen reinen Teller geschüttet, auf welchem sie in freier Luft bis zu
ihrer Wiederverwendung bleiben.
Für Kästchen, die zur Dressur gedient haben, die daher tagelang
von zahlreichen Bienen andauernd besucht waren, genügt (wahrscheinlich
wegen des anhaftenden Bienengeruches) die geschilderte Reinigungsmethode
nicht, um sie wieder mit ungebrauchten Kästchen ganz gleichwertig zu
machen. Ich habe deshalb Steingutkästchen, die einmal als „Dressur-
kästchen“ gedient haben, ausschließlich wieder für Dressurzwecke und
‚niemals bei einem Versuch benutzt.
Überdies traf ich die Vorsichtsmaßregel, alle Steingutkästchen
zu numerieren und ihre Verwendung in einer Tabelle zu proto-
kollieren, und wählte für jeden Versuch die Kästchen so aus, daß
ein durch mangelhafte Reinigung bedingter Fehler das Resultat nur
ungünstig und nicht im Sinne des erwarteten Erfolges beeinflussen
konnte.
Eine vergleichende Betrachtung der mit Steingutkästchen und
mit Kartonkästchen angestellten Versuche lehrt, daß der Karton-
-geruch der letzteren die Resultate nicht beeinträchtigt. Da es
überdies sicherer und viel bequemer ist, die billigen Kartonkästchen
nach dem Gebrauch wegzuwerfen, als die kostspieligen Steingut-
kästchen in umständlicher Weise zu reinigen, sind die ersteren wohl
empfehlenswerter. Doch halte ich es für richtig, gewisse subtilere
Fragen auch mit den geruchlosen Steingutkästchen geprüft zu haben.
Die Dressur besteht im Darbieten von Zuckerwasser im
Duftkästchen. Füttert man aus kleinen Uhrschälchen, wie ich es
bei der Dressur auf Farben. (vgl. 39, p. 11, 12) getan habe, so hat
dies den Nachteil, daß man sehr häufig Futter nachfüllen muß, da
die Bienen in wenigen Minuten mit dem Inhalt des Schälchens fertig
sind. Würde man ein größeres Schälchen nehmen, so würden nur
um so mehr Bienen kommen, denn ihre Zahl nimmt zu, bis zwischen
ihr und der Menge des gebotenen Futters ein gewisses Gleich-
gewicht besteht. Aus diesem Grunde darf man auch das Schälchen
nicht gleich, nachdem es geleert ist, wieder anfüllen, sondern muß
warten, bis sich die Bienen einigermaßen verflogen haben. Dies
bedeutet aber, daß man nicht ununterbrochen dressieren kann. Beide
16 _. Kart v. Frisch,
Übelstände, die Notwendigkeit des häufigen Nachfüllens und die
Pausen in der Dressur, habe ich bei den Riechversuchen durch die
Verwendung der in Fig. E abgebildeten Futterglaser vermieden.
Sie bestehen aus einem 9 cm
hohen, 4, cm weiten Glas- |
zylinder mit flachem Dach und
Boden; unter seinem Dache hat
das Futterglas einen mit Gummi-
stopfen luftdicht verschließbaren
Ansatz und knapp über dem
Boden zwei in das angeschmol-
zene Näpfchen N mündende
Löcher, die so klein sein sollen,
daß die Bienen eben nicht mehr
hindurchkriechen können. Beim
Füllen aus der Vorratsflasche
(Fig. F) wird das Glas horizontal gehalten. Wird hierauf der An-
satz durch den Gummistopfen verschlossen und das Glas vertikal
gestellt, so fließt Wasser in das Näpfchen, bis die Löcher bedeckt
sind. Wird das Näpfchen durch die saugenden Bienen geleert, so
dringt durch die Löcher etwas Luft in das Glas und das Näpfchen
Über den Geruchsinn der Bienen. ‘17
füllt sich wieder. Ca. 10 Bienen können gleichzeitig an dem Näpf-
chen saugen. Es dauerte meist 2—2!/, Stunden, bis ein vollständig
gefülltes Futterglas von den Bienen geleert. war.
Was nun schließlich die Riechstoffe anbelangt, so erscheint
es vielleicht als das nächstliegende, duftende Blüten zu benützen.
Ich habe dies auch in einzelnen Fällen mit bestimmter Absicht
getan. Im allgemeinen aber wäre ein solches Verfahren wenig zweck-
entsprechend. Die Auswahl an duftenden Blumen ist in unseren
Salzburger Bergen ziemlich gering, besonders im Sommer, auf den
ich zumeist meine Arbeit beschränken mußte. Eine einigermaßen
exakte Dosierung des Duftes ist nicht möglich, da die gleichen
Blüten je nach dem Standort, von dem sie stammen, je nach der
Zeit, zu der sie gepflückt sind, und je nach der Witterung verschieden
stark duften werden. Auch kann sich die Intensität des Duftes,
der von gepflückten Blüten ausgeht, im Laufe von Stunden in un-
kontrollierbarer Weise ändern. Ja Hesse (50—53) hat gezeigt, daß
sich bei manchen Blüten nach dem Pflücken auch die Qualität des
produzierten Duftes ändert, indem .Riechstoffe auftreten, die an den
frisch gepflückten Blüten nicht nachweisbar sind. Und so wäre man
stets im Ungewissen, ob der Duft, der bei einem Versuche den Bienen
geboten wird, vollkommen dem Duft entspricht, auf den sie dressiert
-worden sind. |
All die erwähnten Übelstände kommen nicht in Betracht, wenn
wir Riechstoffe benutzen, wie sie bei der Verarbeitung duftender
Blüten gewonnen und für die Riechstoffindustrie in den Handel
gebracht werden. Andererseits aber entsprechen diese Produkte im
allgemeinen nicht ganz den natürlichen Blumendüften. Gerade das
meistgebrauchte Verfahren zur Gewinnung der ätherischen Öle, die
‚Destillation mit Wasserdampf, bedeutet einen so gewaltsamen, häufig
mit chemischen Umsetzungen verbundenen Eingriff, daß man sich
‚nicht wundern kann, wenn Endprodukt und Ausgangsmaterial im
‚Duft nicht völlig übereinstimmen. : Mir kam es aber bei den Grund-
‚versuchen, die entscheiden sollten, ob sich die sammelnde Biene
durch Blütendüfte leiten läßt, und bei einigen anderen Experimenten
darauf an, mit echten, unveränderten Blumendüften zu arbeiten. Eine
Methode der Riechstoffgewinnung gibt es nun, die uns fiir diese
Zwecke einwandfreies Material liefert. Das ist die. „enfleurage a
froid“; wie sie in Süd-Frankreich, besonders in Grasse, bei der Ver-
wertung gewisser Blumensorten üblich ist.
Die enfleurage & froid beruht auf der Bigenschaft von
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 2
18 Karr v. Frisch,
Fetten und Ölen, den von den Blüten ausgehenden Duft lebhaft
aufzunehmen und lange Zeit unverändert zu bewahren. Ich gehe
auf die verschiedenen Modifikationen des Verfahrens nicht ein, sondern
schildere es. gleich so, wie es für die Gewinnung des von mir be-
nutzten Materials in Betracht kommt. |
Man gebraucht hierbei sogenannte „chässis“, das sind Holz-
rahmen vom Aussehen der Wabenrähmchen unserer Imker, aber um
das 2—3fache größer, die mit einem Drahtgitter bespannt sind; auf
die Drahtgitter werden wollene, mit Paraffinöl getränkte Tücher
gelegt, und diese werden mit den frisch gepflückten Blüten bestreut
(„enfleurer“). Die beschickten châssis werden, Rahmen auf Rahmen,
über mannshoch aufeinander gestellt, so daß sich zwischen je zwei
ölgetränkten Tüchern eine Lage Blüten befindet, deren Duft vom
Paraffinöl aufgenommen wird. Nach einer bestimmten Zeit (bei
Jasmin nach 24 Stunden, bei Tuberosen nach 72 Stunden) werden
die Blüten entfernt und durch frische ersetzt. Nach etwa 30maligem
Wechseln der Blüten wird das duftgeschwängerte Paraffinöl aus
den wollenen Tüchern ausgepreßt, und solche „wohlriechende
Öle“, die den Blütenduft in a Reinheit Viele
standen mir zur Verfügung.
Bei manchen Pflanzen (z. B. Rosen, Cassie, ande hat es sich
als rationeller erwiesen, die ganzen Blüten in das Paraffinöl hinein-
zubringen, statt, wie a beschrieben, nur ihren Duft auf das Öl
wirken zu lassen. Es wird in diesen Fällen das Paraffinöl auf etwa
50—70° erwärmt („enfleurage à chaud“) und etwa 10—15mal
mit frischen Blüten beschickt.
‘Das Enfleurageverfahren wird nur bei einer beschränkten Zahl
von Blütensorten angewendet. Von mir wurden folgende nach diesem
Verfahren gewonnene „wohlriechende Ole“ zu Versuchen benutzt:
Cassieblütenöl (wahrscheinlich von Acacia Farnesiana WıLup. oder
Acacia Cavenia Hook et Arn.), Jasminblütenöl (Jasminum grandi-
florum L.), Orangen blütenöl (Citrus Aurantium L. subspec. amara L.),
Resedablütenöl (Reseda odorata L.), Rosenblütenöl (wahrschein-
lich von ‘Rosa centifolia L.) und Tuberosenblütenöl (Polianthes
tuberosa L.).
Waren mir diese Blumendüfte für gewisse Zwecke äußerst wert-
voll, so kam es mir bei anderen Versuchen darauf an, über möglichst
zahlreiche verschiedene Riechstoffe zu verfügen, ohne daß dieselben
bestimmten Blumendüften genau zu entsprechen brauchten. Auch
diesen’ Wunsch hat mir die Firma SchmoLLEer & Bomparp in Grasse
Über den Geruchsinn der Bienen. 19
erfüllt, indem sie mir ca. 60 verschiedene, größtenteils durch Destilla-
tion gewonnene ätherische Öle lieferte,
' Dadurch, daß ich die bisher erwähnten Riechstoffe direkt aus
einer der besten Quellen bezog, hatte ich Garantie für die Reinheit
des Materials; Verfälschungen der im Handel erhältlichen ätheri-
schen Öle sind ja sehr häufig.
Für eine weitere Gruppe von Versuchen brauchte ich Duftstoffe
von bekannter chemischer Zusammensetzung. Der Aufbau der aus
den Pflanzen gewonnenen ätherischen Öle ist nun so kompliziert,
dab wir trotz eifriger Forschung zurzeit über ihre Zusammensetzung
nicht vollständig orientiert sind. So ergab sich die Notwendigkeit,
auch chemisch einheitliche, rein dargestellte Riechstoffe zu ver-
wenden, die mir größtenteils die Firma Scuimmen & Co. in Miltitz
bei Leipzig überließ. |
Es wird die spätere Darstellung der Versuche vereinfachen und
Wiederholungen überflüssig machen, wenn ich zunächst Dressur und
Versuch für einen speziellen Fall genau schildere. |
"Als Versuchsplatz diente für die meisten Versuche ein Tisch
an der Nordseite unseres Landhauses, an einer vor Sonne und Wind
geschützten Stelle, durch einen ebenen, etwa 60 Schritte breiten
Wiesenstreifen von meinem Bienenstande getrennt. Waren die Bienen
nicht schon durch vorangegangene Versuche an den Platz gewöhnt,
so wurden sie zunächst durch große, mit Honig bestrichene, offen
-ausgelegte Papierbogen angelockt. Es dauert gewöhnlich mehrere
Stunden, bis eine Biene die Honigbogen findet. Dann aber bringt
die Entdeckerin der neuen, reichen Honigquelle rasch Gefährten in
größerer Zahl herbei. ‚Sind deren so viele geworden, dab stets etwa
10—20 Bienen gleichzeitig auf den Honigbogen anzutreffen sind, so
‘kann man dazu übergehen, die Bienen in die Kästchen zu gewöhnen.
Dies gelingt sehr leicht auf folgende Art: man stellt in ein Karton-
kästchen ein mit Zuckerwasser gefülltes Futterglas (Fig. E, S. 16),
dessen Trinknäpfchen man mit Honig versieht. Die ausgebreiteten -
Honigbogen entfernt man nun, setzt das Kartonkästchen an ihre
Stelle, bringt einen dicken Honigtropfen vor dessen Flugloch und
zieht eine Honigspur von diesem Tropfen bis zum Trinknäpfchen des
Futterglases im Kästchen. Die Bienen suchen den ihnen plötzlich
entzogenen Honig am alten Platze und finden so auch rasch den
Tropfen vor dem Kartonkästchen. Haben sie diesen aufgesogen, so
folgen sie der Honigspur ins Innere des Kästchens bis zum Trink-
RE
20 Kart v. Frisch,
näpfchen, wo sie, nachdem der Honig aufgezehrt ist, auch mit dem
Zuckerwasser vorlieb nehmen. Haben sie das Kästchen einmal durch
10—20 Minuten besucht, so kann man sicher sein, daß sie es kennen
und späterhin auch unter etwas veränderten Bedingungen anstandslos
aufsuchen werden. Nun kann man mit der Dressur beginnen.
Wir ersetzen den Tisch, auf dem sich die bisherigen Manipula-
tionen abgespielt haben und der, wenn nicht direkt, so durch die
umherkriechenden Bienen mit. Honig beschmutzt ist, durch einen
reinen Tisch, auf dessen vorderen (den vom Stocke anfliegenden
Bienen zugekehrten) Rand wir ein reines Brett legen. Auf dieses
setzen wir ein Kartonkästchen, welches nun außer dem mit Zucker-
wasser gefüllten Futterglase auch ein mit mehreren Tropfen Jasmin-
blütenöl (s. S. 18) beschicktes Duftbänkchen enthält. Sobald sich
die Bienen — was rasch zu geschehen pflegt — mit dieser Ver-
änderung vertraut gemacht haben, setzen wir neben das Dressur-
kästchen in gleichen Abständen 3 weitere, weder mit Zuckerwasser
noch mit Duft versehene Kartonkästchen, um schon bei der Dressur
den Anblick der ganzen Anordnung so zu gestalten, wie er später
beim Versuch sein wird. Sonst würden wir bei den Versuchen die
Bienen unnötigerweise verwirren und dadurch das Resultat trüben.
Die Kästchen werden nicht direkt auf die Tischplatte, sondern
auf ein Brett gesetzt, damit wir die Unterlage, falls sie verunreinigt
werden sollte, leicht auswechseln können. Wir setzen die Käst-
chen stets so auf das Brett, daß sie über dasselbe um etwa den
vierten Teil ihrer Tiefe hinausragen, 1. damit der aus dem Flug-
loche dringende Duft nicht auf das Brett strömt und dieses so mit
Duft behaftet wird, 2. damit die Bienen direkt an die Fluglöcher
der Kästchen anfliegen und sich nicht vorher auf dem Brette nieder:
lassen, wodurch dieses an bestimmten Stellen einen Bienengeruch
annehmen würde, und 3. weil Duftstoffe, die etwa doch am Brette
haften sollten, zu Versuchsfehlern (wie sich später zeigen wird) nicht
leicht Anlaß geben können, wenn sie einige Zentimeter vom Flug-
- loche des Kästchens entfernt sind.
Nun entwickelt sich rasch ein regelmäßiger Verkehr zwischen
dem Dressurkästchen und dem Bienenstocke. Lüften wir ein wenig
den Deckel des Dressurkästchens, so sehen wir am Boden desselben,
entsprechend dem Trinknäpfchen des Futterglases, einen aus etwa
20—30 Tieren bestehenden, wogenden Bienenklumpen. Die neu an-
kommenden Tiere stürzen sich kopfüber dazu und drängeln und
stoßen so lange, bis es ihnen gelingt, mit ihrem Rüssel die süße
hs zum à ei
Über den Geruchsinn der Bienen. 21
Quelle zu erreichen. Dies können, wie schon erwähnt, nur ca.
10 Bienen gleichzeitig. Sind sie einmal so weit, dann haben sie
meist in 1—2 Minuten ihre Honigblase gefüllt und fliegen zum
Stock zurück. |
Durch dieses Drängen der Bienen um den Futternapf scheuern
sie sich bald gegenseitig ihr Haarkleid ab, so daß sie ein tief-
schwarzes, glänzendes Aussehen bekommen, wie es sonst für „Raub-
bienen“ charakteristisch ist [vgl. z. B. v. BeruerscH (5) p. 1—4].
Infolgedessen sind späterhin die Bienen, die sich neu hinzugesellen,
an ihrer lichten Behaarung kenntlich, bis auch sie ihren Rock ab-
gewetzt haben. Hierdurch kann man sich. nun, ebenso wie durch
Markierungsversuche, leicht überzeugen, daß die am Dressur-
platze verkehrenden Bienen durch Tage, ja durch
Wochen im großen und ganzen diegleichen Individuen
sind. Einige neue findet man wohl täglich, und andere bleiben
dafür aus; die Gesamtzahl der den Platz besuchenden Bienen schwankt
- im allgemeinen nicht sehr und dürfte sich nach Markierungsver-
suchen auf ca. 200 belaufen haben. !)
Fig. G.
Eine Beobachtung mag hier Erwähnung finden, obwohl sie mit unserem
Thema eigentlich nichts zu tun hat. Der Umstand, daß sich die neu
1) Das zähe Festhalten der Bienen am gewohnten Platze macht es
auch möglich, wenn die Zeit drängt, an mehreren, nicht allzuweit von-
einander entfernten Dressurplätzen gleichzeitig verschiedene Versuche
durchzuführen. Ich habe in solchen Fällen die Bienen an den verschiedenen
Plätzen verschiedenfarbig markiert und mich überzeugt, daß die an den
Futterplätzen verkehrenden Scharen im allgemeinen reinlich geschieden
bleiben. Nur hier und da findet man eine verflogene Biene. Man muß
aber stets an allen Plätzen gleichzeitig mit der Fütterung beginnen und
gleichzeitig aufhören, da die Bienen, wenn vor Eintritt der Dunkelheit
mit der Fütterung ausgesetzt wird, die Umgebung in weitem Umkreise ab-
suchen und so bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift die fremden Dressur-
plätze entdecken würden.
29 Karu v. Frisch, an
Ankommenden oft längere Zeit vergeblich bemühen, zum Trinknäpfchen
vorzudringen, bringt es mit sich, daß des öfteren eine Biene, ohne ans
Futter gelangt zu sein, aus dem Dressurkästchen abfliegt, um nach einigen
Kreistouren in der nächsten Umgebung zurückzukehren und ihr Glück
von neuem zu versuchen. Diese mit leerem Magen abfliegenden Bienen
sind von jenen, welche mit gefüllter Honigblase abfliegen, an folgendem
Merkmale auf den ersten Blick zu unterscheiden: die Bienen mit
leerer Honigblase halten im Fluge ihre Hinterbeine nach
hinten gestreckt (Fig. Ga), während sie die vollgesogenen
Tiere wie zum Gebet nach vorn gefaltet tragen (Fig. Gb).
Man kann nach diesem Kennzeichen sehr gut voraussagen, ob eine ab-
fliegende Biene direkt zum Stock eilen oder nach einigen Kreisflügen
zum Kästchen zurückkehren wird.
Der Grund für die verschiedene Beinhaltung ist leicht einzusehen.
Die Honigblase liegt an der Basis des Hinterleibes, etwas weiter nach hinten
als der Schwerpunkt des Bienenkôrpers. Durch ihre Füllung wird der
Schwerpunkt nach hinten verschoben, und diese Verlagerung des Schwer-
punktes wird offenbar durch das Anziehen der Beine nach vorn kom-
pensiert.
Ich habe in der Literatur mehrfach die Bemerkung gefunden, daß
sich Bienen mit gefüllter Honigblase durch ihren schwerfälligeren Flug
von unbeladenen Bienen unterscheiden, aber einen Hinweis auf den er-
wähnten auffälligen Unterschied habe ich vergeblich gesucht. Freilich
werden die von der Tracht heimkehrenden Bienen oft genug ihre Honig-
blase nicht voll gefüllt haben, und so mag die Erscheinung am Bienenstocke
weniger deutlich sein als am Dressurkästchen mit seiner reichen Futter-
quelle.
Läßt man das Dressurkästchen längere Zeit am selben Platze
stehen, so fliegen die Bienen schon aus großer Entfernung direkt
auf den gewohnten Platz los, z. B. zu dem am weitesten rechts
stehenden Kästchen. Dieser Faktor muß bei der Dressur natürlich
ausgeschaltet werden, indem man den Platz des Dressurkäst-
chens häufig wechselt; man setzt es an die Stelle eines der
leeren Kästchen und dieses an den früheren Platz des Dressurkäst-
chens. Hat man nicht die Absicht, in nächster Zeit Versuche zu
machen, so kann man allerdings das Futterkästchen 1—2 Stunden
am gleichen Orte lassen, ohne daß dadurch die Dressur nachteilig
beeinflußt wird. Stehen aber Versuche bevor, so vertausche ich
mindestens alle 20 Minuten, meist noch häufiger, das Dressurkäst-
chen mit einem der leeren Kästchen.
Hat man den Dressurplatz häufig gewechselt, so sieht man die
Bienen ganz ziellos bald rechts, bald links, bald gegen die Mitte
der Kästchenanordnung anfliegen und nun nach dem Duftkästchen
suchen. Besonders hübsch kommt dies zum Ausdruck, wenn man
~
à d'or die ie
Über den Geruchsinn der Bienen. 23
nicht nur vier, sondern eine größere Anzahl von Kästchen (in
manchen Versuchen waren es 24, in zwei Reihen iibereinander) auf-
gestellt hat. Ganz systematisch suchen sie oft die Kästchen der
Reihe nach ab, nähern sich im Fluge den Löchern bis auf ca.
1 cm Distanz, „riechen hinein“ und fliegen, wenn es ein duftloses
Kästchen ist, zum nächsten, um endlich, wenn sie an das Duftkäst-
chen gelangen, rasch hineinzuschlüpfen. Diejenigen, welche sich
dem Loch des Duftkästchens zufällig auf eine Entfernung von
4-5 cm nähern, werden nicht angelockt, und schon daraus ist zu
schließen, daß sie den Duft nicht auf große Distanz wahrnehmen.
Doch soll uns dies Später eingehend beschäftigen und sei hier nur
nebenbei erwähnt. |
Natürlich verflüchtigt sich der Riechstoff allmählich und muß dann
nachgefüllt werden. Man darf bei der Dressur nicht unterlassen, sich von
Zeit zu Zeit mit Hilfe der eigenen Nase zu überzeugen, ob das Dressur-
kästchen noch genügend stark duftet. |
Einige weitere allgemeine Regeln, deren Einhaltung wichtig
ist, sollen hier erwähnt werden. Daß man stets für saubere Hände
Ranch fleiBiges Waschen mit nicht parfiimierter Seife Sorge tragen muB,
ist wohl selbstverständlich. Überdies dürfen die Kästchen immer nur
hinten, niemals vorn und schon gar nicht in der Nähe des Flugloches
angefaßt werden. Das Offnen der Riechstoff-Fläschchen besorgt man am
besten mit einem Instrument (spitze starke Metallnadel), das jedesmal nach
dem Gebrauche ausgeglüht wird. Zum Einbringen des Riechstoffes in die
Kästchen dienen gläserne Pipetten, die vorher mit Alkohol gereinigt und
durch Erhitzen in der Flamme vollkommen duftfrei gemacht worden sind.
Die Steingut-Duftträger werden mit ausgeglühter Pinzette in die Steingut-
kästchen hineingesetzt, und auch beim Nachfüllen des Duftstoffes wird
der Deckel des Duftträgers stets nur mit ausgeglühter Pinzette abgehoben
und wieder aufgesetzt.
Dies genügt wohl, um zu zeigen, in welcher Weise vorgegangen
wurde. Alle Vorsichtsmaßregeln im einzelnen aufzuführen, würde allzuviel
Raum beanspruchen.
Nachdem die Bienen in der geschilderten Weise auf ee
blütenduft dressiert worden sind, gestaltet sich ein Versuch fol-
gendermafen: die drei leeren, neben dem Dressurkästchen stehenden
Kartonkästchen werden entfernt, aus dem Dressurkästchen werden
auf der Wiese, etwa zehn Schritte vom Dressurplatze entfernt, die
Bienen durch leichtes Anblasen bei geöffnetem Deckel aufgescheucht,
das Kästchen selbst wird abseits an einen Platz gestellt, wo es von
den Bienen nicht gefunden wird (am besten von einer Hilfsperson
zu besorgen. Auf dem Versuchstische werden vier neue, unge-
brauchte Kartonkästchen in gleicher Weise aufgestellt wie bei der
24 , Karu v. Frisch,
Dressur. Drei von ihnen sind duftlos, das vierte, an einer vom
letzten Dressurplatz abweichenden Stelle hingesetzt, enthält ein
Duftbänkchen mit einigen Tropfen Jasminblütenöl,’) aber kein
Futterglas und kein Zuckerwasser (dies gilt für alle
Versuche). Nun werden von einem gegebenen Momente an bei
jedem Kästchen die Bienen gezählt, die durch das Loch ins Innere
des Kästchens hineinschlüpfen, und die Zahlen von Minute zu Minute:
notiert.) Haben sie es gelernt, sich beim Aufsuchen des Zucker-
wassers durch den Jasminduft leiten zu lassen, so werden sie auch
im leeren, duftenden Kästchen nach dem Zuckerwasser suchen. Dies
ist tatsächlich in eklatanter Weise der Fall, wie die untenstehende
Tabelle lehrt. ;
Die Bienen, welche in dem Duftkästchen kein Zuckerwasser vorfinden,
kommen häufig aus demselben nach einiger Zeit wieder heraus, um es
nach längerem oder kürzerem Umherschwärmen abermals aufzusuchen, in
welchem Falle sie natürlich neuerdings gezählt werden.
„Tabelle 1.
Beobachtungszeit | nl a duftlos | Jasmin duftlos
30./7. 1914 350—55 0 0 5 0
0 0 21 0
0 1 26 0
0 2 32 0
0 1 39 0
Summa | 0 | 1 | 123 | 0
Das * bezeichnet die Stelle, an welcher vor dem Versuche zu-
letzt gefiittert worden war.
1) Die Duftbänkchen werden stets an der Vorderwand aufgestellt
und sind daher von außen nicht sichtbar. Daß nicht etwa trotzdem die
Anwesenheit des Bänkchens an sich die Bienen zum Besuch eines Käst-
chens veranlaßt, davon habe ich mich oftmals durch Kontrollversuche
überzeugt.
2) Mehr als ein Kästchen zuverlässig zu zählen ist nur bei großer
Übung und auch dann nur bei wenig frequentierten Kästchen möglich.
Es soll daher für jedes Kästchen ein eigner Zähler sein. Man braucht
also für jeden Versuch mehrere verläßliche Hilfspersonen. Ich bin Herrn
Hofrat SIGMUND EXNER sowie vielen Freunden und Verwandten, die mir
zumeist schon bei den Versuchen über den Farbensinn der Biene in ähn-
licher Weise wertvolle Hilfe geleistet hatten, für ihre andauernde Unter-
stützung zu herzlichem Danke verpflichtet.
\
Uber den Geruchsinn der Bienen. 25
In diesem Falle waren die Bienen bereits 2 Tage lang auf den
-Jasminduft dressiert worden. Die Versuche gelingen aber auch
‘schon nach weit kürzerer Zeit. Im allgemeinen genügt eine
Dressurdauer von 2Stunden. Ja bei der eben besprochenen
-Jasmindressur erhielt ich in einem orientierenden Versuche eine
halbe Stunde nach Beginn der Dressur, als ich das Dressur-
“kästchen entfernte und (natürlich wieder unter Wechseln des
Platzes) durch ein reines, ungebrauchtes, mit Jasminduft versehenes
Kästchen ersetzte, binnen 2 Minuten die folgenden Zahlen:
Tabelle 2.
Beobachtungszeit | _ duftlos En a Jasmin duftlos
28./7. 1914 1230—32 | - 0 | 5 | 51 |
Bevor ich auf die Besprechung einiger Fehlerquellen, die auf
die Resultate Einfluß haben können, eingehe, möchte ich zunächst
einige weitere Dressurversuche anführen.
Nachdem die Bienen in der oben geschilderten Weise einige
Stunden lang auf das wohlriechende Öl!) Cassie (Acacia) dressiert
worden waren, wurden ihnen 4 neue Kästchen vorgesetzt, von denen
eines mit einigen Tropfen des Akazienduftes versehen war.
Wie immer bezeichnen die * die letzten Futterplätze. In diesem
Falle hatte ich in 2 Kästchen gleichzeitig dressiert, ein Verfahren,
welches ich — als überflüssig — sehr bald aufgab.
Tabelle 3.
AR * ae Cassi
Beobachtungszeit dutttos duftlos duftlos assie
28.16. 1914 955—58 | 1 | A | 0 | 71
_. Nun wurde das Duftkästchen an einen anderen Platz gestellt
und durch weitere 3 Minuten gezählt.
1) Unter „wohlriechenden Ölen“ ist stets ein nach dem Enfleurage-
verfahren (s. S. 17, 18) mit Blütenduft geschwängertes Paraffinöl zu ver-
stehen.
26 Karu v. Frisch,
Tabelle 4.
— : CT =
Beobachtungszeit lan Cassie dti | duftlos
28./6. 1914 958—1001 | 7 | 79 | 7 | 6
_ Bei der Dressur auf Orangenbliitenduft (wohlriechendes
Ol) ergaben 3 in rascher Folge durchgeführte Zählversuche !) die
aus Tabelle 5—7 ersichtlichen Resultate. ?)
Tabelle 5.
duftlos | duftlos
Orangen-
Beobachtungszeit | | - duftlos blüten
3.19. 1916 420-355)
OS OOSOCS
Ae
SO =
DS SONO©
Summa | | 113 |
1) Bei größeren Versuchsreihen soll man zwischen den einzelnen Ver-
suchen etwas längere (etwa 20 Minuten dauernde) Pausen einhalten. Denn
jeder Versuch — bei welchem ja die Bienen im Duftkästchen keine Nahrung
vorfinden — wirkt der vorangegangenen Dressur entgegen, und daher
würde man bei allzu häufiger und rascher Wiederholung der Versuche
bald Mißerfolge verzeichnen.
2) Der jeweilige letzte Dressurplatz ist in diesen Tabellen nicht an-
gegeben; die Anordnung in dieser Versuchsreihe war nämlich aus hier neben-
= sächlichen Gründen eine andere als bisher: es waren 11 Kartonkästchen
in einer Reihe nebeneinander aufgestellt, wie dies in Fig. O S. 73 ab-
gebildet ist. Vor jedem Versuch wurde aus dem mittelsten dieser Käst-
chen (f, Fig. O) gefüttert. Bei den Versuchen wurden 4 reine Kästchen
an die Plätze b, c, i und k gestellt, und nur die Frequenz dieser Käst-
chen wurde gezählt, nachdem das Dressurkästchen f entfernt worden war.
An den übrigen 7 Plätzen standen auch leere Kästchen, die natürlich
von den Bienen ebensowenig frequentiert wurden wie die beobachteten
leeren Kästchen, sie konnten aber aus Mangel an Zählern nicht registriert
werden.
3) Stunden stets nach Sonnenzeit.
Über den Geruchsinn der Bienen. 27
Tabelle 6.
‘ Orangen-
D PRBCIEUNE Set duftlos | duftlos | bliiten duftlos
3./9. 1916 433—38 0 0 5, 0
: 0 0 21 0
0 0 20 0
0 0 - 24 0
0 1 18 0
Summa | 0 | 1 | 92 | 0
Tabelle Y.
Beobachtungszeit | duftlos en 5 | duftlos duftlos
3./9. 1916 452-57 0 10 2 0
0 16 1 0
0 28 0 0
0 21 0 0
0 30 2 0
Summa |. 0 | 105 | 5 | 0
Im folgenden Jahre dressierte ich zu bestimmten Zwecken noch-
mals auf Orangenblütenduft, und zwar benützte ich diesmal Stein-
gutkästchen. Es waren bei der Dressur und bei den Versuchen je
7 Kästchen in 2 Reihen übereinander in der aus Fig. H ersichtlichen
Anordnung aufgestellt. In der Tabelle sind zunächst die 3 oberen,
dann die 4 unteren Kästchen von links nach rechts fortschreitend
angeführt. Ein schon nach istün diger Dressur unternommener
Versuch hatte das folgende Ergebnis:
28 Karu v. Frisch,
Tabelle 8.
Orangen-
bliiten duftlos
Beobachtungszeit | duftlos duftlos}duftlos|duftlos
*
duftlos
25./8. 1917 158203
Summa | 2 |
Im Anschlusse an diese Versuche mit reinen Blumendüften seien
einige Dressurversuche mit durch Destillation gewonnenen ätheri-
schen Ölen vorgebracht: |
Nach 2stündiger Dressur auf Sternanisöl?) hatte ein
Versuch das in der folgenden Tabelle wiedergegebene Resultat.
Steingutkästchen. Anordnung wie in Fig. H. Es wurden bei diesen
Versuchen zwei Duftkästchen aufgestellt. Die obere Kästchenreihe (die
ersten 3 Kästchen der Tabelle) wurde während des ganzen Versuches
relativ wenig von Bienen umschwärmt, daher auch die relativ geringe:
Frequenz des Duftkästchens der oberen Reihe.
Tabelle 9.
Beobachtungszeit |duftlos[duftlos Stern- |auftlos pee Bi duftlos
5./9. 1917. 10510 0 1 6 3 34 1 0
0 1 7 0 43 0 0
0 0 13 0 25 0 0
Or 9 5 39 0 0
0 0 8 4 19 0 0
Summa | 0 SNS Ba RE es CDS UE TEE ie Gt
%
Nach 2stündiger Dressur auf Geraniumöl (Grasse) ?)
machte ich bei der gleichen Anordnung einen Versuch mit folgendem
Resultat:
1) Wird aus den Früchten von Ilkeium-Arten (Magnoliaceae) dar-
gestellt und hat einen intensiven Anisgeruch.
2) Wird aus den Blättern von Pelargonium odoratissimum gewonnen und
hat einen rosenähnlichen Geruch.
Über den Geruchsinn der Bienen. 29
Tabelle 10.
Ge- *
Beobachtungszeit [duftlosiduftlos an duftlos A| duftlos duftlos
1./9. 1917 -415—20 i} 1 34 2 36 0 0
5 5 42 6 33 0 0
4 0 36 4 46 0 0
2 1 40 8 51 0 0
0 0 x 29 4 45 0 0
pagan TOM ISL 77717 24,210 | U KO
Und nach 2stündiger Dressur auf Verbenaöl!) ergab
die Zählung bei gleicher Anordnung (nur daß diesmal, wie gewühn-
Jich, bloß 1 Duftkästchen aufgestellt wurde):
Tabelle 11.
| Beobachtungszeit |duftlos[duftlos ee. duftlos| Verbena | duftlos |duftlos
28/8. 1917 1265-50 | 0 | 0 0 0 33 1 0
0 0 0 0 54 5 2
1 0 0 0) 33 4 0
0 0 0 0 40 T 3
0 0 0 0 33 0 0
Sune OC ORE Or NS CES 1577122773
Aus den Versuchen mit wohlriechenden Olen — die, wie schon
mehrfach betont wurde, den Blumenduft in voller Reinheit wieder-
geben — folgt somit, daß die Biene den Blütenduft wahr-
nimmt. Die Annahme, daß dies etwa nur für gewisse Blumendüfte
gelte und daß andere, für uns duftende Blumen für die Bienen ge-
ruchlos wären, erscheint um so weniger begründet, als wir in den
folgenden Kapiteln noch zahlreiche weitere Blütendüfte und andere
Riechstoffe kennen lernen werden, für die sich ohne Ausnahme
der Nachweis erbringen ließ, daß sie auch für die Bienen
duften. Aus allen hier mitgeteilten Versuchen geht ferner klar
hervor, daß die Biene den Duft mit der dargebotenen Nahrung rasch
assoziiert und sich beim Aufsuchen des Zuckerwassers durch den
Duft leiten läßt; es ergibt sich hieraus die zwanglose, ja seibstver-
ständliche Folgerung, daß sich dieBiene auch beim Blüten-
1} Aus den Blättern der Verbenacee Lippia citriodora gewonnen, hat
citronenartigen Geruch, _
30 Kart v. Frisch,
besuch, beim Aufsuchen des Nektars, durch den Duft
der Blüten leiten läßt.
Wer mit den Gewohnheiten der Biene vertraut ist, könnte auf die
Vermutung kommen, daß der starke Besuch der Duftkästchen in den oben
geschilderten Versuchen nicht ausschließlich durch den Duft bedingt sei,
sondern daß die Hauptmenge der Bienen, sobald einmal einige in das
Kästchen hineingeschlüpft sind, durch den Anblick dieser ersten Besucher
nachgelockt wurde.
Ich habe schon bei den Versuchen über den Farbensinn der Bienen
Gelegenheit gehabt, auf die Bedeutung des Vorgehens einzelner Bienen
für das Benehmen der übrigen hinzuweisen. Dort waren die Verhältnisse
insofern anders, als die farbigen und grauen Papiere offen da lagen und
die auf bestimmte Papiere sich setzenden Bienen für die übrigen frei
sichtbar waren. Trotzdem übt, wie ich nachweisen konnte [v. FRıscH (39),
p. 17, 18], die Dressurfarbe auf die Bienen eine weit größere Anziehungs-
kraft aus als ein auf einem andersfarbigen oder grauen Papier sitzender
Bienenklumpen. Hat aber keines der auf dem Versuchstische aufgelegten
Papiere für die Bienen eine besondere Anziehungskraft, oder werden sie
von mehreren, z. B. gleichfarbigen Papieren in gleichem Maße angezogen,
so kann ein zufälliges Niedersitzen einer oder weniger Bienen auf einem
dieser Papiere andere Bienen, nachziehen und so zu einer relativ starken
Frequenz des betreffenden Papieres Anlaß geben.
In unserem Falle spielen diese Verhältnisse eine untergeordnete Rolle,
weil die in ein Kästchen hineingeschlüpften Bienen den Blicken der übrigen
entzogen sind. Doch das Hineinschlüpfen selbst kann bemerkt werden,
und eine andere, in nächster Nähe befindliche Biene kann hierdurch zum
Nachschlüpfen veranlaßt werden. Von ausschlaggebender Bedeutung ist
dies nicht, denn bei gelungener Dressur schlüpfen die an das Duftkästchen
geratenden Bienen gewöhnlich so rasch hinein, daß es zu einer Anstauung
vor demselben nicht kommt, und die in der Nachbarschaft um die duft-
losen Kästchen schwärmenden Bienen sind mit dem Suchen nach dem Duft
so beschäftigt, daß sie kaum darauf achten, was an den anderen Kästchen
vorgeht. Auch muß bemerkt werden, daß bei gelungener Dressur die ein
Kästchen besuchenden Bienen in der Regel nur dann andere, in der Nähe
befindliche Tiere nachlocken, wenn es sich eben um das Dressurduft-
Kästchen handelt, daß aber eine in ein duftloses Kästchen schlüpfende
Biene nur höchst selten eine Nachahmerin findet, auch dann, wenn andere
Tiere in nächster Nähe sind. Auch hier tritt also, in analoger Weise
wie bei den Farbversuchen, der Nachahmungstrieb gegenüber
der Wirkung des Duftes ganz in den Hintergrund.
Anders, wenn die Dressur mißlungen ist oder wenn
unter den dargebotenen Riechstoffen der Dressurduft
fehlt. Dann sammeln sich die suchenden Bienen, vor den Kästchen
schwärmend, in großen Mengen an, und dann können eine oder wenige
Bienen, die in ein beliebiges Kästchen hineinschlüpfen, zahlreiche andere,
die gleichsam auf einen Anhaltspunkt lauern, zum Folgen veranlassen. So
kommt es dann häufig zu einer ganz ungleichmäßigen Frequenz der Käst-
Beer ee En
Über den Geruchsinn der Bienen. 31
chen. Ich werde im Verlaufe der Abhandlung auf diesen Umstand wieder-
holt hinzuweisen haben.
Wichtiger für unsere Versuche ist die Frage, inwiefern der
Eigengeruch der Bienen als Fehlerquelle in Betracht
kommt. Wird ein Kästchen, welches nicht mit Duft versehen ist,
aber während des Versuches zufällig von einigen Bienen besucht
worden ist, durch den ihm anhaftenden Bienengeruch andere Bienen
zu seinem Besuche veranlassen oder nicht? Darfein solches Karton-
kästchen zu weiteren Versuchen wieder benützt werden oder nicht?
Wirkt das mit Dressurduft versehene Kästchen, sobald es von einer
‚größeren Zahl von Bienen besucht war, weiterhin auf die Bienen
etwa mehr durch den ihm anhaftenden Bienengeruch anziehend als
durch den Dressurduft? Das sind Fragen, über die auf experi-
mentellem Wege Aufschluß zu erhalten ist.
Ich habe Versuche hierüber sowohl mit Kartonkästchen als
auch mit Steingutkästchen angestellt, und zwar auf folgende Weise:
neben einigen leeren wurde ein mit einem Futterglase versehenes
Kästchen aufgestellt, aber nicht mit Duft beschickt. Die Bienen
konnten es somit nur durch den ihm anhaftenden Bienengeruch
unter den übrigen Kästchen herausfinden.!) Nach längerer, natür-
lich unter häufigem Platzwechsel durchgeführter Dressur wurde
ihnen dann neben einer gewissen Zahl von leeren, völlig reinen
1) Da jemand die Meinung äußern könnte, das für uns geruchlose
Zuckerwasser könnte für die Bienen einen wahrnehmbaren Duft haben,
und sie könnten sich daher bei dieser Dressur vorwiegend durch den
Geruch des Zuckerwassers leiten-lassen, habe ich geprüft, ob eine Dressur
auf den Geruch von Zuckerwasser möglich ist — mit völlig
negativem Resultate. Es wurden 4 Kästchen aufgestellt, von denen
3 leer waren; das vierte enthielt das mit Zuckerwasser gefüllte Futterglas,
und überdies war auf seinem Duftbänkchen ein Uhrschälchen von 5 cm
‘Durchmesser und 2!/, cm Tiefe aufgestellt, das zur Hälfte mit Zucker-
‚wasser gefüllt und dessen Inhalt durch ein Drahtnetz vor den Bienen ge-
sichert war. Bei den Versuchen wurden 4 neue, unbenutzte Kästchen auf-
gestellt, von denen eines ein ebensolches mit Zuckerwasser gefülltes Uhr-
schälchen enthielt. Auch nach mehrtägiger Dressur wurde dieses Kästchen
von den Bienen niemals vor den leeren Kästchen bevorzugt.
Ich will hiermit nicht die Möglichkeit in Abrede stellen, daß die
Bienen, im Freien, Wasser mit Hilfe des Geruchsinnes aufspüren können.
Erdreich und andere Substanzen riechen oft angefeuchtet anders als in
trockenem Zustande, ja lassen manchmal erst nach dem Anfeuchten einen
Geruch erkennen. Hierauf ist wohl das Witterungsvermögen für Wasser,
das ja bei manchen Tieren außer Zweifel steht, zurückzuführen.
32 Karu v. Frisch,
Kästchen auch ein solches geboten, das zwar gleichfalls leer, aber
von einer bestimmten Zahl von Bienen besucht gewesen war, und «
zwar entweder unmittelbar vor, dem Versuche oder schon eine be-
stimmte Zeit vorher. Solche Kästchen waren auf folgendem Wege
leicht zu erhalten: vom Dressurplatze wurden sämtliche Kästchen —
entfernt und durch ein einziges reines, leeres Kästchen ersetzt. Die
Bienen gingen dann nach längerem Zögern in dieses Kästchen, da
es eben das einzig vorhandene war. Sobald es von der gewünschten
Zahl von Bienen besucht worden war, wurde es wieder durch das
. Dressurkästehen ersetzt und für den Gebrauch beiseite gestellt.
Die Versuche nun möchte ich, um nicht all zu ausführlich zu
werden, nicht in extenso wiedergeben, sondern nur an einigen Bei-
spielen erläutern.
Ein. Kartonkästchen, das unmittelbar vor Versuchs-
beginn von 25 Bienen besucht worden war, wurde zusammen mit
drei völlig reinen Kästchen aufgestellt. Anfangs flogen die Bienen‘
gleichsam ratlos herum, und erst in den beiden letzten Minuten
wurde das fragliche Kästchen etwas stärker frequentiert als die
anderen:
Tabelle 12.
Beobachtungszeit © Sheet | ren rein Me = rein | "been | rein rein
20/8. 1914 310—15 0 0 a 0
0 A ; 1
2 5 0
3 0 i 4
1 1 = 1
Summa | 6 | 7 | | 6
Ein Kartonkästchen, welches — bei sonst gleicher Versuchs-
anordnung — 10 Minuten vor Versuchsbeginn von 25 Bienen
besucht worden war, wurde nicht stärker frequentiert als die reinen
Kästchen. Und auch als den Bienen neben drei reinen Kästchen
ein solches vorgesetzt wurde, das 10 Minuten vor Versuchsbeginn
von 100 Bienen besucht worden war, wurde dieses vor den ersteren
in einem Falle nicht, in einem anderen Falle nicht sehr stark be-
. vorzugt, wie die folgenden beiden Tabellen lehren:
Über den Geruchsinn der Bienen. 33
Tabelle 13.
* .
Beobachtuneszei : | „A: von 100Bienen
eobachtungszeit | | rein | noon | rein bem
21./8. 1914 320—25 0 1 0 1
0 0 9 8
5 3 7 8
9 8 9 4
6 16 3 7
Summa | 2U | 23 | 28 | 28
Tabelle 14.
Beobachtungszeit | rein er aa rein | x m
24./8..1914 1125-30 0 6 1 4
0 15 1 11
0 14 6 9
0 13 i 9
0 19 0 15
Summa | U | 61 | 9 | 46
Derartige Versuche, mannigfach modifiziert, könnte ich in
großer Zahl anführen. Doch es genügt, wenn ich das Resultat der-
selben mitteile:
Niemals ließ sich auf solche Weise ein Dressurerfolg erzielen,
der in der Sicherheit des Gelingens und in den erzielten relativen
Zahlenwerten auch nur angenähert an den Erfolg bei der Dressur
auf einen Blumenduft heranreicht. Andrerseits lehrt eine Zusammen-
‚stellung sämtlicher Versuche, daß ein Kästchen — sei es nun aus
‘Karton oder aus Steingut —, welches soeben erst von mehr als 10
‘bis 20 Bienen besucht worden ist, vor einem reinen Kästchen nicht
stark, aber deutlich bevorzugt wird. Und diese Bevorzugung kann
wohl nur auf den dem Kästchen anhaftenden Bienengeruch zurück-
geführt werden. Sie wird um so deutlicher, je mehr Bienen das
Kästchen besucht haben. Und der Geruch muß recht zähe am
Kästchen haften, denn sobald es von mehr als 100 Bienen besucht
war, wird es auch noch am nächsten Tage durchschnittlich deutlich
stärker frequentiert als reine Kästchen. Ich möchte besonders be-
tonen, daß auch für unser Geruchsorgan ein Kästchen, das von
ca. 50 Bienen besucht war, einen deutlichen, charakteristischen
Bienengeruch erkennen läßt.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. : 3
34 Karu vy. Frisch,
Für die Praxis unserer Versuche genügt der Nachweis, daß ein
von relativ wenigen Bienen besuchtes Kästchen infolge dieses Be-
suches vor reinen Kästchen bevorzugt werden kann, um die Ver-
wendung solcher Kästchen in Versuchen, die einwandfrei sein sollen,
zu verbieten. Andrerseits können wir mit Beruhigung konstatieren,
daß bei den Versuchen mit Blumendüften der Geruch, den die ersten
Besucher des Duftkästchens an diesem hinterlassen, auf die nachfolgen-
den Bienen keine so große Anziehungskraft ausübt, daß die hohen
Frequenzzahlen des Duftkästchens wesentlich durch diesen Umstand
bedingt sein könnten. Im Gegenteil, es würde das Dressurduftkäst-
chen wahrscheinlich noch stärker besucht, als es tatsächlich der Fall
ist, wenn sich der Einfluß des Bienengeruches bei den Versuchen
ausschalten ließe. Denn dieser Geruch muß sich naturgemäß am
Dressurkästchen, in welchem sich durch Stunden hindurch an-
dauernd zahlreiche Bienen aufhalten, relativ stark bemerkbar
machen. Das Kästchen, in welchem beim Versuch der Duft ge-
boten wird, ist frei von Bienengeruch. Die Bienen werden an ihm
daher eine Geruchskomponente vermissen, die sie am Dressurkäst-
chen gewöhnt sind. Es wäre demnach nicht erstaunlich und läßt
sich in der Tat nicht selten beobachten, daß die Bienen bei den
Versuchen das Duftkästchen zunächst nur zögernd betreten.
Ein besonders kritischer Leser könnte auf den Gedanken verfallen,
daß das für uns geruchlose Paraffinöl für die Bieneneinen
merklichen Duft haben könnte und daß bei den oben dargestellten
Versuchen mit wohlriechenden Ölen, aus welchen ich schließe, daß die
Biene den Blütenduft wahrnimmt, nicht der Blütenduft, sondern der Duft
des Paraffinöles für den Erfolg der Dressur puiseheidend gewesen sein
könnte. So wenig Wahrscheinlichkeit eine solche Annahme für sich hat,
erschien es mir doch der Mühe wert, zu\versuchen, ob eine Dressur auf
jenen problematischen Duft von Paraffinöl gelingt. Ich habe daher die
Bienen mehrere Tage lang in einem Kartonkästchen gefüttert, auf dessen
Duftbänkchen reines Paraffinöl getropft war. Die Versuche führten zu
einem völlig negativen Resultat: ein reines, mit Paraffinöl ver-
sehenes Kästchen wurde vor reinen, nicht mit Paraffinöl
beschickten Kästchen in keinem Falle bevorzugt.
Einen Faktor möchte ich schließlich noch kurz besprechen: den
Einfluß der Witterung. Man wird in den Tabellen dieses
Kapitels sowie in vielen der späteren Versuchsprotokolle Angaben
über Bewölkung, Temperatur usw. vermissen, und man wird mir
vielleicht daraus einen Vorwurf machen. Ich habe diese Daten wohl
protokolliert, doch glaube ich auf ihre Wiedergabe, wo es sich nicht
zn +
Über den Geruchsinn der Bienen. 35
um besonders subtile Versuche handelt, verzichten zu kénnen. Denn
es hat sich gezeigt, daß der Ausfall der Versuche von der jeweiligen
Witterung in erstaunlich hohem Maße unabhängig ist. Bei Regen
oder Kälte (unter 10—12° C.) habe ich nicht gearbeitet. Im übrigen
aber bemerkt man, sobald eine Dressur überhaupt gelungen ist, keinen
Unterschied des Erfolges, ob man die Versuche an einem kühlen
Herbsttage oder an einem .schwülen Julitage, in frischer Morgenluft
oder in glühender Mittagshitze, bei bedecktem oder bei heiterem
Himmel durchführt.
II. Das Unterscheidungsvermögen der Biene für
verschiedene Düfte.
Um von der biologischen Bedeutung des Blumenduftes ein richtiges
Bild zu bekommen, genügt es nicht, zu wissen, daß die Biene den
Blütenduft wahrnimmt, sondern wir müssen auch erfahren, ob sie
verschiedene Blumendüfte voneinander zu unterscheiden vermag, und
wenn dies der Fall ist, müssen wir die Feinheit ihres Unter-
scheidungsvermögens prüfen. Die blütenbiologische Bedeutung
dieser Fragen wird im IX. Kapitel zu erörtern sein. Hier wollen
wir uns mit einigen Tatsachen vertraut machen.
Ich bringe zunächst die Resultate einiger Versuche, die nach
ca. 5stündiger Dressur auf Akazienduft (wohlriechendes Öl „Cassie“)
unternommen worden sind. Es wurden den Bienen vier reine Käst-
chen geboten, von denen eines mit dem Dressurduft versehen war,
ein zweites mit Rosenduft (wohlriechendes Öl), das dritte mit Lavendel-
duft (durch Destillation gewonnenes ätherisches Öl), während das
vierte duftlos blieb.
. Es wurde bei der Dressur in zwei mit Cassie-Duft versehenen Käst-
chen gefüttert. Die * bezeichnen wieder die Plätze, an denen vor Versuchs-
beginn die Dressurkästchen gestanden hatten.
Tabelle 15:
* *
Beobachtungszeit | Rose Lise til Cassie duftlos
98,6. 1914 10551100 0 0 22 0
| 0 0 26 1
— 0 i 28 0
0 0 31 0
0 0 26 2
Summa | 0 | 0 | 133 | 3
36 Karu v. Frisch,
Tabelle 16.
Beobachtungszeit | Cassie Darouael Rose | Antehzi
28./6. 1914 1105-10 16 0 0 0
40 0 0 0
47 0 0 Ove
21 0 0 0
21 0 0 0
Summa | 145 | U | 0 | 0
Nun wurde der Versuch, nachdem neuerdings 10 Minuten lang
in Akazienduft-Kästchen gefüttert worden war, nochmals wiederholt,
mit der Modifikation, daß der Dressurduft fortgelassen und statt
dessen ein zweites duftloses Kästchen aufgestellt wurde. Die Bienen
waren durch das Weglassen des Dressurduftes nicht zu bewegen, in
die mit den anderen Düften beschickten Kästchen zu gehen, dagegen
erhielten nun in den späteren Minuten die duftlosen Kästchen einige
Besuche:
Tabelle 17.
ca 5 :
Beobachtungszeit duftlos Ruse | duftlos LA Sent
28./6. 1914 1120—25 0 0 0 0
2 0 4 O
18 1 1 0
10 0 1 0
ir 1 a 0
Summa | al | 2 | 8 | 0
In unmittelbarem Anschlusse an dieses Experiment wurde, ohne
daß inzwischen gefüttert worden wäre, nochmals ein Versuch mit
der früheren Anordnung wiederholt. Die relativ schwache Frequenz
des Dressurduft-Kästchens in diesem Versuche erklärt sich daraus,
daß sich die vergeblich nach Zuckerwasser und nach dem Dressur-
duft suchenden Bienen inzwischen schon teilweise verflogen hatten.
Tabelle 18.
an ht it duftl late Cassi N
eonac ungszel uItlos Rose assie Lavendel
28./6. 1914 1125—30 3 0 10 0
1 0 13 0
0 0 8 0
0 0 13 0
0 0 10 0
Summa | 4 | 0 | 54 | 0
Über den Geruchsinn der Bienen. 37
Ein anderer Versuch an Bienen, die auf Jasminduft dressiert
waren, lehrte, daß dieser von Resedaduft (beides wohlriechende Öle)
ebenso sicher unterschieden wird, wie in den obigen Versuchen der
Cassieduft von den zum Vergleiche herangezogenen Düften.
In diesen Fällen wurden also den Bienen neben dem Dressur-
duft einzelne andere ausgewählte Düfte vorgesetzt. Wenn es auch
von Interesse ist, zu sehen, mit welcher Sicherheit der Dressurduft
erkannt und von den anderen Düften unterschieden wurde, so ist
doch andererseits klar, daß wir auf diese Weise über die Feinheit
des Unterscheidungsvermögens keinen genügenden Aufschluß erhalten.
Um einen tieferen Einblick zu gewinnen, müssen wir die Bienen
nicht zwischen wenigen, sondern zwischen zahlreichen verschiedenen
Düften wählen lassen, und unter diesen Düften sollen sich solche
befinden, die dem Dressurduft sowohl nach ihrer chemischen Zu-
sammensetzung als auch geruchlich nahestehen. Da mir von den
wohlriechenden Ölen nur eine beschränkte Zahl zur Verfügung stand,
zog ich zu einem solchen Versuche die durch Destillation und
Pressung gewonnenen ätherischen Öle heran und wählte als Dressur-
duft die „Essence de Pomeranzen Messina“.
Ich bringe zunächst die bei diesem Versuche benutzten Riech-
stoffe in alphabetischer Folge und einige Angaben über deren Her-
kunft, Gewinnung und Zusammensetzung, wobei ich mich an das
Werk von GILDEMEISTER U. HOFFMANN (40) und an briefliche Mit-
teilungen !) halte; jeweils an erster Stelle ist die Bezeichnung an-
geführt, welche die von der Firma ScamMozrer u. Bomparp in Grasse
gelieferten Originalfläschchen trugen:
1. „Essence de Basilicum* (Basilicumöl), aus Ocimum Basilicum L.
durch Destillation gewonnen. Aromatischer, an Estragon erinnernder
Geruch. Hauptbestandteile sind Methylchavicol (p-Methoxyallylphenol,
isomer dem Anethol) und Linalool.
2. „Essence de Bergamotte“ (Bergamottöl), aus den Früchten des
in Calabrien kultivierten Bergamottbaumes (Citrus Aurantium L. subspec.
Bergamia WIGHT et ARN. durch Auspressen gewonnen. Das Ol enthält
d-Limonen und l-Linalylacetat. Daneben spielt freies 1-Linalool
eine gewisse Rolle bei der Geruchsentwicklung, an der vielleicht auch ge-
ringe Mengen bisher noch nicht isolierter Körper ‚beteiligt sind.
3. „Essence de Bittermandel echt“. Das sogenannte echte
1) Für letztere bin ich der Firma HEINE u. Co. in Leipzig und Herrn
PAuL RICHARDT, der seinerzeit als Vertreter der Firma SCHMOLLER u.
Bomparp die Lieferung der Riechstoffe mit mir besprochen hatte, zu
Dank verpflichtet.
38 Karu v. Frisch,
Bittermandelöl wird fast ausschließlich aus Aprikosenkernen (Prunus Ar-
meniaca L.) dargestellt. Dieses Öl unterscheidet sich in nichts von dem
aus bitteren Mandeln gewonnenen Öl. Die Aprikosenkerne werden ge-
mahlen und durch Pressen vom fetten Öle befreit. Die Presskuchen werden
pulverisiert und mit Wasser versetzt, worauf ein Gärungsprozeß stattfindet.
Es wird hierbei das Glucosid Amygdalin in Benzaldehyd, Blausäure und
Traubenzucker gespalten. Dann wird mit Wasserdampf destilliert. Benz-
aldehyd und Blausäure sind die wesentlichen Bestandteile des Bitter-
mandelöls.
4. „Essence de Cajeput“ (Cajeputöl) wird aus den frischen Blättern
und Zweigspitzen verschiedener Arten der Gattung Melaleuca (Fam. Myrta- .
ceae) destilliert. Es hat einen kampherartigenGeruch. Hauptbestandteile:
Se ol und a-Terpineol.
5. ,Cassie, wohlriechendes Öl neutraline No. 36“ 1) (Cassieblütenöl),
durch Enfleurage (vel. S. 17, 18) gewonnen aus den Bliiten von Acacia Far-
nesiana WILLD. oder Acacia Cavenia Hoox. et Arn. ‘Als Bestandteile
sind Salicylsäuremethylester, verschiedene Ketone und Alde-
hyde sowie eine kleine Menge p-Kresol nachgewiesen.
6. „Extr. quadr. 36 Cassie.“ Aus Cassie-Pomade ?) hergestellter
Alkoholextrakt.?)
7. „Essence de Cedrat“ (Cedratél) wird auf Sicilien und in Calabrien
aus den Früchten verschiedener Varietäten von Citrus medica durch Pressung
gewonnen. Es wird von den Fabrikanten meist mit Citronen- oder Po-
meranzenöl vermischt. Uber seine Zusammensetzung ist nicht viel bekannt.
Citral und Limonen wurden nachgewiesen.
8. „Essence de Citronelle“ (Citronellöl) ist ein ätherisches Öl,
welches aus dem auf Ceylon heimischen Citronellgrase (Cymbopogon Nardus
RENDLE) durch Destillation gewonnen wird. Als Bestandteile sind nach-
gewiesen: Citronellal (ein Aldehyd, welcher an der Hervorbringung
des Citronellgeruches am stärksten beteiligt ist), 1-Borneol, Geraniol,
1) Die Nummer bezieht sich auf die Intensität des Duftes. Die Ole
„No. 36* sind die am intensivsten riechenden (mit der größten Blüten-
menge behandelten) wohlriechenden Öle.
2) Die Blumen-Pomaden werden in gleicher Weise durch En-
fleurage gewonnen, wie es S. 17ff. für die wohlriechenden Ole beschrieben
wurde, nur daß — wenn es sich um „enfleurage 4 froid“ handelt — bei
den chässis an Stelle der Drahtgitter und der Paraffinöl-getränkten Woll-
tücher Glasplatten verwendet werden, die mit einer Fettschicht bestrichen
sind. Das mit Blumenöl geschwängerte Fett ist die Blumen-Pomade.
3) Diese „Extraits“ werden durch Auswaschen der Blumen-Pomaden
mit 96°/, Alkohol hergestellt. Der Blumengeruch der Pomade teilt sich
dem Alkohol mit, der hierauf vom Fette befreit wird. „Extr. qua-
druple“ bedeutet, daß die erste Auswaschung („Extr. triple“) aus der
gesattigtesten Blumen-Pomade (No. 36) noch mit „Extr. simple“ (der
dritten Auswaschung) verstärkt wurde. Aus einer Pomade No. 36 lassen
sich nämlich drei Auswaschungen herstellen,
“
bo 1%
Über den Geruchsinn der Bienen. 39
Methyleugenol, Camphen, Dipenten, l-Limonen, Methyl-
heptenon u. a.
9. „Oypressenöl“. Aus den Blättern und jungen Zweigen von
Cupressus sempervirens L. destilliert. Zu den Hauptbestandteilen gehört
d-Camphen.
10. „Essence d’Estragon“ (Estragonöl), aus dem blühenden Kraut
von Artemisia Dracunculus L. durch Destillation gewonnen. Der Geruch
des Estragonöles erinnert an Anis, weil es zum größten Teile aus Methyl-
chavıcol (p-Methoxyallyl-Phenol, isomer dem Anethol) besteht.
- _ 11. „Essence d’Eucalyptus“ (Eucalyptusöl). Aus den Blättern
zahlreicher Eucalyptus-Arten werden durch Destillation ätherische Öle ge-
wonnen, die sich in ihrer Zusammensetzung nicht unerheblich voneinander
unterscheiden. Das von mir benützte Öl stammt wahrscheinlich von
Eucalyptus Globulus LAB. Der geruchbestimmende Hauptbestandteil ist
Cineol.
12. „Essence de Fenchel bitter“ (Bitterfenchelöl) wird aus den
Früchten des Fenchels (Foeniculum vulgare G.) durch Destillation gewonnen.
Der Hauptbestandteil ist ein Terpen, das d-a-Phellandren. Das Öl
enthält kein oder fast kein Anethol und ist daher im Geruch ganz ver-
schieden von:
13. „Essence de Fenchel süss“, aus den Früchten einer Varietät
des Fenchels destilliert. Der Hauptbestandteil ist Anethol, dem das
Ol seinen anisartigen Geruch verdankt.
14. „Essence de Geranium Grasse“ (Geranium- oder Pelargoniumöl)
wird aus den Blättern von Pelargonium odoratissimum WILLD. durch
Destillation gewonnen und hat rosenartigen Geruch. Seine Hauptbestand-
teile sind zwei Alkohole, Ger aniol und Citronellol. Von den zahl-
reichen anderen in diesem Ol nachgewiesenen Verbindungen sind einige,
wie der Phenylathylalkohol, trotz ihrer geringen Menge fiir den
Geruch von Bedeutung.
15. „Essence de Geranium Réunion“ wird aus den Blättern von
Pelargonium capitatum Art. destilliert. Vor dem eben besprochenen Ol,
dem es im Geruch nahe steht, ist es durch einen relativ großen Gehalt
an Citronellol ausgezeichnet.
16. „Essence de Gurken“. Gurken werden mit Alkohol angesetzt
und dann destilliert. Die Essenz riecht nach frischen, reifen Gurken.
17. „Jasmin, wohlriechendes Öl neutraline No. 36“), von
den Blüten des spanischen Jasmins (Jasminum grandiflorum L.) nach
dem Enfleurage-Verfahren gewonnen. An wichtigen Bestandteilen sind
nachgewiesen: Benzylacetat, Linalylacetat, Benzylalkohol,
Linalool, Indol, Anthranilsäuremethylester, Jasmon.
18. „Extr. quadr. 36 Jonquille“. Alkoholextrakt aus Jonquille-
Pomade.?) Die Pomade wird durch Enfleurage mit den Blüten von Nar-
cissus Jonquilla L. gewonnen. |
1) Vgl. Anm. 1 S. 38.
2) Vgl. Anm. 2 und 3, S. 38.
40 Kart V. Frisch,
19. „Essence de Iris flüssig.“ Das Öl wird aus den Wurzeln ver-
schiedener /ris-Arten gewonnen. Sein véilchenartiger Geruch ist durch
die Anwesenheit eines Ketons (Iron) bedingt.
20. „Essence de Irisine* ist eine braune, dickliche Flüssigkeit von
gleichfalls veilchenähnlichem Geruch. Auch dieses Präparat wird aus
Iris-Wurzeln hergestellt.
21. „Essence de Kirschlorbeer“ (Kirschlorbeeröl) wird aus den
Blättern des Kirschlorbeers (Prunus Laurocerasus L.) dargestellt. Die
zerschnittenen Blätter werden, mit Wasser versetzt, einem GärungsprozeB
überlassen und dann mit Wasserdampf destilliert. Bei der Gärung wird
ein in den Blättern enthaltenes Glukosid (Prulaurasin) in Blausäure,
Glukose und Benzaldehyd zerlegt. Das gewonnene Öl entspricht in
seiner Zusammensetzug fast vollständig dem echten Bittermandelél. Der
geringe Unterschied, welcher im Geruch zwischen beiden Ölen besteht,
rührt von Spuren einer im Kirschlorbeeröl gefundenen, noch nicht gene
bestimmten Substanz her.
22. „Lavendelöl (Mont-Blanc)“. Wird aus den Blütenständen
des Lavendel (Lavandula vera DC.) durch Destillation gewonnen. Den
Hauptbestandteil dieses Öles bildet 1-Linalylacetat; in geringen Mengen
findet sich der Buttersäure-, Valaramrährei und Capron-
säureester des Linalools, nach Linalool in freiem Zustande.
Ferner sind im Öl Geraniol sowie dessen Ester mit den eben ge-
nannten Säuren nachgewiesen, ferner Cumarin, Nerol, Thymol u. a.
23. „Essence de Lavendel-Spik“ (Spiköl), aus dea Blütenständen
von Lavandula Spica DC. destilliert, hat eine: etwas andere Zusammen-
setzung, enthält z. B. Campher und unterscheidet sich done
auch im Geruch vom echten Lavendelöl.
24. „Essence de Majoran-kultiviert“ (Majoranöl) wird aus din
blühenden Kraut von Majorana hortensis Mow. destilliert und enthält ver-
schiedene Terpene, hauptsächlich Terpinen, und d-Terpineol.
25. „Essence de Majoran-wild“ wird aus. Satureia Calamintha
SCHEELE subsp. Nepeta Brig. destilliert (die Bezeichnung Majoran, „Mar-
jolaine“, wird in Süd-Frankreich sowohl für Majorana hortensis als auch
für Satureia Calamintha Nepeta gebraucht). Das Öl unterscheidet sich
durch seinen minzigen Geruch von dem vorigen. Seine charakteristischen,
geruchbestimmenden Bestandteile sind Pulegon und 1-Menthon.
26. „Essence de Myrten“ (Myrtenöl) wird aus den Blättern von
Myrtus communis L. durch Destillation erhalten. In ihm sind nach-
gewiesen: Pinen, Dipenten, Cineol und ein Alkohol von Myrten-
geruch, der als Myrtenol bezeichnet wird.
27. „Essence de Nelken“ (Nelkenöl) wird aus den getrockneten
Blütenknospen des Nelkenbaumes (Hugenia caryophyllata THUNB., Fam.
Myrtaceae) destilliert. Sein Hauptbestandteil ist das Eugenol.
28. „Orangenblüten, wohlriechendes Öl neutraline No. ET ue À
von den Blüten der bitteren Orange (Citrus Bigaradia Risso) nach dem
1) Vgl. Anm. 1 S. 38.
|
j
DR
Über den Geruchsinn der Bienen. 41
Enfleurageverfahren gewonnen. Anthranilsäuremeth ylester spielt
bei der Bildung des Orangenblütenaromas eine wichtige Rolle. Ferner
ist nachgewiesen: 1-Linalool und 1-Linalylacetat in beträchtlichen
Mengen, l-a-Pinen, 1-Camphen, Dipenten u. a.
29: +. Exte. N 36 Orangenblüte“, Alkoholextrakt aus Orangen-
bliiten- Pomade. !)
30. ,Essence de Patchouli“ (Patchouliöl) wird aus den getrock-
neten Blättern von Pogostemon Patchouli PELL. destilliert. Uber die
Substanzen, welche den charakteristischen Geruch bedingen, ist noch sehr
wenig bekannt.
, dl. „Pfefferminzöl* wird aus dem Kraut von Mentha piperita
Hops. durch Destillation gewonnen. Seine charakteristischen Bestandteile
sind Menthol und Menthon. Außerdem sind Isovaleraldehyd,
Isoamylalkohol, la-Pinen und Cineol im französischen Pfeffer-
minzöl nachgewiesen.
32. „Essence de Pomeranzen Messina“ (süßes Pomeranzen-
schalenöl) wird durch Pressung aus den Schalen von Citrus Aurantium L.
subsp. sinensis gewonnen. Es hat den charakteristischen Pomeranzen-
geruch und besteht zum größten Teil aus d-Limonen; ferner ist nach-
gewiesen: d-Linalool, n-Nonylalkohol,d-Terpineol, Anthra-
nilsäuremethylester, n-Decylaldehyd.
33. „Essence de Pomeranzen spanisch“, süßes Pomeranzen-
schalenöl anderer Herkunft.
34. „Extr. quadr. 36 Reseda“. Alkoholextrakt aus Reseda-Pomade.!)
Über die Zusammensetzung der von den Resedablüten produzierten Riech-
stoffe ist Näheres nicht bekannt.
35. „Extr. quadr. 36 Rose“. Alkoholextrakt aus Rosen-Pomade.!)
Wesentliche Bestandteile sind Geraniol, Phenyläthylalkohol,
Nonylaldehyd.
36. „Rosmarinöl“. Aus dem Kraut von Rosmarinus officinalis L.
durch Destillation gewonnen. a-Pinen, Camphen, Cineol, Campher,
Borneol sind in ihm aufgefunden worden.
37. „Essence de Sadebaum“ (Sadebaumöl) wird in Süd-Frankreich
durch Dampfdestillation aus den Blättern und Zweig-Enden verschiedener
Juniperus-Arten gewonnen. Es hat einen terpentinigen Geruch und ent-
hält neben verschiedenen Terpenen Sabinol u. a.
38. „Essence de Sandelholz“ (Sandelholzöl) wird aus dem Holz
von Santalum album L. destilliert. Es besteht. zur Hauptsache aus San-
talol. Mehrere andere, in geringer Menge vorhandene Stoffe sind für den
Geruch von Bedeutung.
39. „Essence de Sellerie“ (Sellerieöl). Die Selleriepflanze (Apium
graveolens L.) enthält in allen ihren Teilen ein ätherisches Ol, das vor-
wiegend aus den Samen, in denen es besonders reichlich vorhanden ist,
durch Destillation gewonnen wird. Seinen charakteristischen Geruch ver-
dankt es dem Sedanolid (einem Lacton) und dem Sedanonsäure-
anhydrid.
1) Vgl. die Anmerkungen 2 und 3 auf S. 38.
42 Kart v. Frisch,
40. „Essence de Senf echt“ (Senföl) wird aus den Samen der Senf-
pflanzen Brassica nigra KoCH und Brassica juncea HOOKER fil. et THOMSON
gewonnen. Das Senföl entsteht in den gemahlenen, mit Wasser angerührten
Senfsamen durch einen Gärungsprozeß und wird sodann mit Wasserdampf
abgetrieben. Es hat einen intensiven, stechenden Geruch. Es besteht
außer wechselnden Mengen von Schwefelkohlenstoff und Allyl-
cyanid fast ganz aus Allylsenföl (Isothiocyanallyl).
41. „Essence de Sternanis“ (Sternanisöl) wird aus den Früchten
verschiedener Illicium-Arten (Fam. Magnoliaceae) destilliert. Es hat einen
anisartigen Geruch. Sein Hauptbestandteil ist das Anethol.
42. „Thymianöl rot.“ Aus dem frischen, blühenden Kraut von
Thymus vulgaris L. durch Destillation gewonnen. Sein wichtigster Be-
standteil ist das Thymol, das manchmal teilweise, manchmal auch voll-
ständig durch das isomere Carvacrol ersetzt ist.
43. „Tuberose, wohlriechendes Ol neutraline No. 36“ 1), von den
Blüten von Polianthes tuberosa L. nach dem Enfleurageverfahren ge-
wonnen, enthält Anthranilsäuremethylester, Salicylsäure-
methylester, Benzylbenzoat, Benzylalkohol, ferner andere,
noch nicht näher definierte Verbindungen.
44. „Extr. quadr. 36 Tubereuse*. Alkoholextrakt aus Tuberosen-
Pomade. ”) |
45. „Essence de Verbena“ (Verbenaöl) wird aus den Blättern
von Lippia citriodora H. B. et K. (Fam. Verbenaceae) destilliert. Der
Anwesenheit des Aldehyds Citral verdankt es seinen citronenartigen
Geruch.
46. „Essence de Wacholderbeeren“ (Wacholderbeerél) wird aus
den reifen „Beeren“ des gemeinen Wacholders (Juniperus communis L.)
~
destilliert. Der Geruch erinnert an Terpentinél. a-Pinen, Cadinen,
Camphen, Terpinenol sind im Wacholderbeeröl nachgewiesen.
47. ,Essence de Zimt chin.“ (chinesisches Zimtöl oder Cassiaél)
wird aus den Blättern von Cinnamomum Cassia BLUME durch Destillation
erhalten. Es riecht deutlich nach Zimt. Sein Hauptbestandteil ist der
Zimtaldehyd. |
Der Versuch wurde in folgender Weise durchgeführt: auf einem
zweistöckigen Brettergestelle wurden, in zwei Reihen übereinander,
24 Kartonkästchen aufgestellt (vgl. Fig. J), von denen 23 duftlos
und leer waren, während eines mit dem Dressurduft (Pomeranzen-
Messina) und mit einem gefüllten Futterglase versehen wurde. Nun
wurde in der üblichen Weise unter häufigem Platzwechsel des Duft-
kästchens dressiert. Nach eintägiger Dressur wurde das Ver-
halten der Bienen gegenüber dem Dressurduft und 46 anderen Düften
geprüft, und zwar in zwei aufeinanderfolgenden Versuchen, wobei
1) Vgl. die Anmerkung 1 auf S. 38.
2) Vgl. die Anmerkungen 2 und 3 auf. S. 38.
Über den Geruchsinn der Bienen. 43
jedesmal der Dressurduft und 23 andere Düfte geboten wurden. Um
die Versuche in Muße vorbereiten zu können, hatte ich ein zweites
_ Brettergestell angefertigt, welches in seinen Dimensionen mit dem
Dressurgestelle übereinstimmte. Auf diesem wurden, abseits vom
Dressurplatze, 24 reine (unbenutzte) mit Duftbänkchen versehene
Kartonkästchen aufgestellt und mit den Düften beschickt. Selbst-
verständlich enthielt keines der Kästchen Zuckerwasser. Nun wurde
durch zwei Hilfspersonen das Dressurgestell samt seinen Kästchen
_ fortgetragen und augenblicklich durch das bereitgehaltene Versuchs-
gestell mit den 24 Duftkästchen ersetzt. Die im Dressurkästchen
befindlichen Bienen wurden, wie ich es schon früher beschrieben
habe, auf der Wiese freigelassen, und gleichzeitig wurde am Versuchs-
. platze mit dem Zählen begonnen. Nach 5 Minuten wurden die Ge-
stelle wieder ausgetauscht und der zweite Versuch, für welchen 24
neue Kästchen mit anderen Düften beschickt wurden, in gleicher
Weise vorbereitet und durchgeführt.
In den untenstehenden Tabellen (S. 44) ist die Anordnung der Duft-
kästchen und das Resultat der Zählung von beiden Versuchen ein-
getragen. Die Zahlen geben für jedes Kästchen die Gesamtfrequenz
von jeweils 5 Minuten an, die Besuche wurden für die einzelnen .
Minuten nicht gesondert notiert.
Ordnen wir die Düfte nach der Zahl der von ihnen angelockten
Bienen, so ergibt sich folgende Reihe:
1. Pomeranzen Messina (1. Vers.) 7. Orangenblüten Extr. quadr. 7
205 8. Cajeput 5
2. Cedrat 148 9. Iris flüssig 5
3. Pomeranzen Messina (2. Vers.) | 10. Lavendel 5
120 11. Thymian 5
4. Bergamotte 93 | 12. Majoran cultiviert 4
5. Pomeranzen spanisch 60 | 13. Myrten 4
.6. Lavendel-Spik 8 | 14. Fenchel süß 3
Pome-
Beob- 4 [Cassie Pome- | Bitter-
achtungs- ie Myrten ei ranzen 2 sags een extr. | Patchouli] ranzen | mandel | Gurken | Estragon
zeit , a " | Messina P quadr. spanisch echt
7./8. 1916 0 4 à 205 8 3 0 3 60 0 0 0
215—20
ae Orangen- ae | > ru Reseda] y >
Sandel- | ‘ . [Geranium| blüten irsch- enchel | Iris Zimt | Majoran
? holz Sternanis | Sellerie Réux. extr. lorbeer Tubereuse bitter [flüssig RESTE hint wild
quadr extr. quadr. > | quadr.
E 0 0 0 0 7 0 2 1 5 0 0 1
= .
Fr
= 2
E Tabelle 20.
bd
Beob- Bi rt À : Euca-| Pfeffer- | Cassie |Tuberose| Jasmin
hae ae Lavendel |Cypressen| Thymian [Rosmarin |Cedrat Der Cajeput Iyptus| minz | wohlr. Öl| wohlr. Öl wohl: OI
7./8. 1916 5 0 5 0 148 EB: 5 2 2 0 0 0
215—50
Wachol- | Pome- | Jonquille . .
Ba- À er Sade-|, .. Orange 3 Ps Majoran |Geranium
silicum Verbena | Nelken [Citronelle baum Irisine wohlr. Ol Re Noise ee cultiv. | GRASSE
=H
+
1 1 0 1 1 0 0 0 120 0 4 2
a
ay
Ay
Über den Geruchsinn der Bienen. 45
‚ 15. Patchouli 3 | 32. Geranium Réun. 0
16. Rose Extr. quadr. 3 | 33. Gurken 0
17. Eucalyptus : 2 | 34. Jasmin wohlr. Öl 0
18. Geranium Grasse 2 | 35. Jonquille Extr. quadr. 0
19. Pfefferminz 2 | 36. Irisine 0
20. Tuberose Extr. quadr. 2 | 37. Kirschlorbeer 0
21. Basilicum 1 38. Nelken 0
22. Citronelle 1 | 39. Orange wohlr. Ol 0
23. Fenchel bitter 1 40. Reseda Extr. quadr. 0
24. Majoran wild 1 | 41. Rosmarin 0
25. Sadebaum 1 42. Sandelholz 0
26. Verbena 1 | 43. Sellerie 0
27. Bittermandel echt 0 | 44. Senf echt 0
28. Cassie wohlr. Ol 0 | 45. Sternanis 0
29. Cassie Extr. quadr. 0 | 46. Tuberose wohlr. Öl 0
30. Cypressen 0 | 47. Wacholderbeeren 0
31. Estragon 0 48. Zimt chin. 0
Bei der Durchsicht dieser Zusammenstellung fallt auf den ersten
Blick ein beträchtlicher Sprung in der Reihe der Besucherzahlen
auf. Demnach lassen sich die verwendeten Diifte in zwei Gruppen
ordnen. Die eine Gruppe, umfassend die beiden Pomeranzen-
öle, ferner Cedratöl und Bergamottöl, weist mit ihren Fre-
quenzzahlen von 205—60 einen starken Besuch auf. Bei der
anderen Gruppe, umfassend alle übrigen Düfte, schwanken
die Frequenzzahlen von 8—0; ein solcher Besuch von vereinzelten
Bienen liegt im Bereiche der Fehlergrenze und findet eine hinreichende
. Erklärung durch die Anwesenheit einzelner nicht oder mangelhaft
dressierter Bienen sowie durch den Umstand, daß die eine oder die
andere der im Dressurduft-Kästchen vergeblich nach Zuckerwasser
suchenden Bienen schließlich auch einmal ein anders duftendes Käst-
chen untersucht.
Ein Vergleich der beiden Duft-Gruppen lehrt nun, daß die
Düfte der ersten Gruppe: Cedratöl, Bergamottöl und
Pomeranzen-spanisch,fürunsermenschlichesGeruchs-
empfindendem Dressurduft (Pomeranzen- Messina) sehr
ähnlich sind, jedenfalls weitaus ähnlicher als irgend-
einer der tibrigen bei diesen Versuchen verwendeten
Düfte. Die Ähnlichkeit besteht aber nicht nur in subjektiver
Hinsicht, bemessen nach dem menschlichen Geruchsempfinden, sondern
\
46 Karu v. Friscx,
auch objektiv, in bezug auf die Herkunft und Zusammensetzung der
betreffenden Düfte; in bezug auf die Herkunft, indem die fraglichen
ätherischen Öle die einzigen in der ganzen Reihe der hier
verwendeten Öle sind, welche aus den Früchten von
Citrus-Arten durch Pressung gewonnen sind [Pomeranzen-
Messina und Pomeranzen-spanisch aus den Früchten (Fruchtsch alen)
von Citrus Aurantium L. subspec. sinensis, Bergamottöl von Citrus
Aurantium L. subspec. Bergamia und Cedratöl von Citrus medica];
in bezug auf die Zusammensetzung, indem diese Ole Limonen und
Linalool als gemeinsame, fiir den Geruch bedeutungs-
volle Komponenten enthalten.!) Limonen oder Linalool sind
auch in manchen anderen, der zweiten Gruppe angehörenden ätheri-
schen Ölen enthalten, doch bekommen diese durch die gleichzeitige
Anwesenheit anderer Riechstoffe ein völlig abweichendes Gepräge.
DieSicherheit, mit welcher die BienendenDressur- —
duft und die ihm ähnlichen Düfte aus der großen Zahl
der dargebotenen Riechstoffe herausgefunden haben,
ist bemerkenswert und berechtigt zu dem Schlusse, ~
daß sie von dieser Fähigkeit, die verschiedenen Düfte
zu unterscheiden, auch beim Blumenbesuch Gebrauch
machen. Die Mannigfaltigkeit der Blütendüfte gereicht so den
Bienen und den Blumen zum Nutzen. Ich werde hierauf im IX. Ka-
pitel zu sprechen kommen.
Andererseits muß mit Nachdruck darauf hinge-
wiesen werden, daß die Bienen den Dressurduft von
einigen anderen Düften nicht mit voller Sicherheit
unterschieden haben, und zwar waren dies Düfte, die
sogar für den als stumpf geltenden Geruchsinn des
Menschen, trotz ihrer Ähnlichkeit mit dem Dressur-
duft, erkennbar (Pomeranzen-spanisch) ?, zum Teil sogar
1) Im reinen Cedratöl ist zwar Linalool bisher (es liegen nur
wenige Untersuchungen vor) nicht nachgewiesen, doch wurde schon auf
S. 38 erwähnt, daß es im Handel selten rein angetroffen wird, vielmehr
sehr häufig mit Pomeranzenöl vermischt ist. Das von mir benützte Öl
ist wahrscheinlich nicht von der Firma SCHMOLLER & BOMPARD- selbst
hergestellt, sondern aus seinem Produktionsgebiet (Sicilien oder Calabrien)
fertig bezogen. _Daher ist auch hier ein Zusatz von Pomeranzenöl leicht
möglich. Die Ahnlichkeit des Geruches scheint mir dafür zu sprechen.
2) Mehrere Versuchspersonen glaubten zwischen Pomeranzen-Messina
und Pomeranzen-spanisch einen Unterschied im Duft zu erkennen. In
a ms A
Über den Geruchsinn der Bienen.‘ 47
deutlich (Cedrat- und Bergamottöl) von ihm verschieden
sind. Mancher, der bei seinen Betrachtungen über den Geruchsinn
der Biene, angeregt durch die fabelhaften Angaben über manche
andere Insecten, seiner Phantasie freien Lauf ließ, wird vielleicht
von dieser Tatsache enttäuscht sein.
Es wäre mißlich, das Urteil über diesen Punkt aus einem einzigen
Versuche abzuleiten. Eine mehrmalige Wiederholung des Versuches
in gleichem Ausmaße, d. h. mit nahezu 50 Düften, mußte ich mir
versagen, da ich meinen Vorrat an Kartonkästchen dadurch allzu
stark reduziert hätte. Auch verfügte ich nicht andauernd über einen
solchen Reichtum an Zählern, wie sie in diesem Falle nötig waren.
Doch habe ich mit jenen einander ähnlichen Düften noch einige
Versuchsreihen angestellt.
Es wurde hierbei in folgender Weise vorgegangen. Das Dressur-
gestell blieb während des Versuches an seinem Platze. Das Dressur-
kästchen und einige andere, leere Kästchen wurden entfernt und
durch reine, mit den zu prüfenden Düften versehene Kästchen ersetzt.
Nur bei diesen Kästchen wurde die Bienenfrequenz gezählt. Um
jedoch das Gesamtbild nicht zu verändern, blieben die übrigen Käst-
chen, die während der Dressur als leere, duftlose Kästchen auf dem
Gestelle waren, auf ihren Plätzen. Da es allzuviel Raum bean-
spruchen würde, wenn ich in die folgenden Tabellen, um die An-
ordnung der Kästchen zu zeigen, jedesmal alle 24, also auch die
leeren, nicht gezählten Kästchen aufgenommen hätte, so bringe ich
in den Tabellen nur die Duftkästchen ohne Rücksicht auf ihre An-
ordnung bei den Versuchen. Wenn sich jemand für die Anordnung
der Kästchen interessiert, kann er sich darüber aus den in den
Tabellen eingetragenen Buchstaben orientieren. Sie beziehen sich
auf die entsprechenden Buchstaben der Fig. I (S. 43) und geben den
jeweiligen Platz des betreffenden Duftkästchens an. Auch der Ort,
an welchem die Bienen vor Versuchsbeginn zuletzt gefüttert worden
waren, ist aus dem entsprechenden Buchstaben ersichtlich.
Zunächst bringe ich die Resultate einiger Zählungen, die schon
nach !,tägiger Dressur, also vor Durchführung des oben besprochenen
‚großen Versuches, vorgenommen wurden. Es wurde in 3 reinen Käst-
chen Pomeranzen-Messina (Dressurduft), Pomeranzen-
unwissentlichen Versuchen vermochten sie die Düfte nicht auseinander-
zuhalten. Ein geübter Kenner vermag aber, wie mir aus Fachkreisen
mitgeteilt wird, die beiden Ole geruchlich zu unterscheiden.
8 Karu v. Frisch,
x
spanisch und, als abweichender Duft, Reseda (Extr. quadr.)
dargeboten:
Tabeile21.
Letzter Dressurplatz t.
‘ i e t
Beobachtungszeit Pomeranzen Messina] Pomeranzen spanisch | Reseda
7./8. 1916 84550 2 10 0
6 : 8 0
9 12 1
8 8 0
13 8 1
Summa | 38 | 46 2
Tabelle 22.
Letzter Dressurplatz t.
. e i t
Beobachtungszeit Pomeranzen Messina] Pomeranzen spanisch | Reseda
7./8. 1916 900—05 15 6 0
12 2 0
12 2 1
11 4 0
11 4 0
Summa | 59 | 18 | |
Tabelle 23. -
Letzter Dressurplatz p.
Beobachtungszeit b : P
5 Pomeranzen Messina] Pomeranzen spanisch | Reseda
7.[8. 1916 945—50 15 14 0
13 16 RD |
12 19 0
20 15 0
19 8 0
Summa | 19 | 72 1:29
Tabelle 24,
Letzter Dressurplatz p.
Beobachtungszeit b 4
Pomeranzen Messina | Pomeranzen spanisch | Reseda
7.8 1916 955-1000 15 3 1
19 5 0
11 6 0
22 2 1
20 3 0
Summa 87 19 2
oe
Über den Geruchsinn der Bienen. 49
In zwei weiteren Versuchen wurde Pomeranzen-Messina
mit Bergamottöl verglichen, als abweichender Duft wurde Fen-
chel-süß geboten, ferner wurde ein duftloses Kästchen gezählt:
Tabelle 25.
Letzter Dressurplatz r.
] x k w
Beobachtungszeit
yom ee Bergamotte | Fenchel süß duftlos
8./8. 1916 1005-10 12 3 0 0
13 4 1 0
32 7 f 2
21 3 0 1
28 5 i 0
Summa | 106 | 22 | 3 | 3
Tabelle 26.
Letzter Dressurplatz e.
w k x l
Beobachtungszeit
a ui Bene Bergamotte | Fenchel süß duftlos
8./8. 1916 1020-25 11 5 0 0
20 12 0 0
25 9 0 0
23 8 0 0
21 11 0 0,
Summa | 100 | 45 | 0 | 0
In vier weiteren Versuchen wurden Pomeranzen- Messina,
Cedratöl und als abweichende Düfte Fenchel-süß und La-
vendel-Spik geboten:
Tabelle 27,
Letzter Dressurplatz 1.
s f g t
Beobachtungszeit Pomeranzen y Lavendel
Messina Cedrat Fenchel süß Spik
' 8./8. 1916 1050-55 23 10 1 0
20 16 0 0
23 18 0 0
20 LE 0 | 2
18 19 0 0
Summa : | 94 | 74 | 1 | 2
. Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. À
50 Karu v. Frisch,
Tabelle 28.
Letzter Dressurplatz x.
g a t f
Beobachtungszeit Pomeranzen Lavendel
Messinh Cedrat Fenchel süß - Spik
8./8. 1916 1110-15 33 14 1 0
49 10 0 0
46 1 0 0
36 0 0 1
18 2 0 0
Summa | 182 | 24 | 1 | 1
Tabelle 29.
Letzter Dressurplatz 1.
S a g t
Beobachtungszeit Pomeranzen A Lavendel
PS Cedrat Fenchel süß Spik
8./8. 1916 1135-40 ie 3 170 0
14 7 1 0
23 16 0 0
22 14 0 0
23 10 0 0
Summa | 93 | 50 | 1 | 0
: Tabelle 30.
Letzter Dressurplatz x.
g S t f
Beobachtungszeit Pomeranzen x Lavendel
Messie Cedrat Fenchel süß Spik
8./8. 1916 1200-05 38 5 0 3
48 L 0 0
38 3 i: 0
47 4 0 1
30 0 0 0
Summa | 201 | 15 | 1 | 4
Schließlich wurde in vier Versuchen Pomeranzen- Messina,
Pomeranzen-spanisch,Bergamottöl,Cedratöl,Orangen-
blüte (Extr. quadr.) und Verbenaöl geboten:
Über den Geruchsinn der Bienen. 51
Tabelle 31.
Letzter Dressurplatz p.
g u N f t h
: Pome- Pome- À 4
Beobachtungszeit Sa ie (eee aa Dr ua er Votes
Messina | spanisch
8./8. 1916 440—45 27 1 0 5 | 0 | 0
32 1 0 10 0 1
SL 1 1 6 0 1
38 1 1. | a 1 2
29 0 1 9 0 il
Summa | 157 | 4 | 3 | 33 | 1 | 5
Tabelle 32.
Letzter Dressurplatz p.
t S u h f g
à Pome- Pome-
Beobachtungszeit ranzen | ranzen en Cedrat A Verbena
Messina | spanisch
8./8. 1916 505—10 13 0 2 8 1 1
11 3 1 5 2 2
6 5 0 6 1 0
13 Hd 1 12 2 1
10 1 2 2 0 1
Summa | 53 | 16 | 6 | 33 | 6 | 6)
Tabelle 33.
Letzter Dressurplatz p.
h t g u f S
> Pome- - Pome- : ’
Beobachtungszeit ranzen | ranzen SH Cedrat en Verbena
Messina | spanisch
8./8. 1916 54550 19 0 2 7 iL 0
41 2 3 3 4 0
32 6 4 5 1 0
19 4 5 1 5 0
26 2 2 3 0 0
Summa mar Page | 137 | 14 | 16 | 19 | 11 | 0
4*
52 Karu v. Frisch,
Tabelle 34.
Letzter Dressurplatz p.
0 c d q b or
Pome- Pome-
ranzen ranzen
Messina | spanisch
Beobachtungszeit Berga- @atnat Orangen-
motte bliite Verbena
8./8. 1916 610-15 | 26 | 10 3 Fe 3 0 | 0
32 hoe 9 6 3 0
42 19 8 7 4 0
33 18 8 3 0 0
28 ial 3 1 0 0
Summa | 161 | 75 31 | 20 7 | 0
Diese Versuche in ihrer Gesamtheit bestätigen, daß das spanisch-
Pomeranzenöl, Bergamottöl und Cedratél für den Geruchsinn der
Biene Ähnlichkeit mit dem Messina-Pomeranzenöl besitzen. Sie lehren
aber auch deutlicher, als dies aus dem Hauptversuch (Tabelle 19
u. 20) zu entnehmen war, daß es sich nur um eine Ähnlichkeit,
keineswegs um eine Gleichheit, keineswegs um völlige Verwechslung
handelt. Das Kästchen mit dem Dressurduft wurde hier in allen
Fällen stärker besucht als Bergamottöl oder Cedratöl; und es wurde
nur in einem einzigen Falle (Tabelle 21) schwächer besucht als
Pomeranzen-spanisch; dies war nach 1/,tagiger Dressur, während
es nach 2tägiger Dressur (Tabelle 31—34) anscheinend mit größerer
Sicherheit unterschieden wurde. Was in den Zahlen der Tabellen
seinen trockenen Ausdruck findet, kam dem Beobachter bei den Ver- .
suchen im Gebahren der Tiere an den Kästchen lebhaft vor Augen:
die Bienen, die sich dem Flugloch des mit Dressurduft versehenen
Kästchen auf 1—2 cm näherten, schlüpften fast ausnahmslos rasch
hinein, während sie bei den Kästchen mit Pomeranzen-spanisch, mit
Bergamottöl und Cedratél stutzten und zögerten und häufig wieder
abflogen, ohne das Kästchen besucht zu haben; ganz anders noch
war aber ihr Benehmen bei jenen Kästchen, die mit den stärker
abweichenden Düften beschickt waren: ein kurzes „Hineinriechen“
und ein rasches Abfliegen.
Daß die Bienen Pomeranzen-Messina von Bergamottöl und
Cedratöl bis zu einem gewissen Grade unterscheiden, ist nicht ver-
wunderlich; diese Düfte zeigen auch für unser Geruchsorgan einen
deutlich erkennbaren Unterschied. Dagegen stellt es eine beachtens-
werte Leistung dar, daß sie Pomeranzen-Messina nach längerer
Über den Geruchsinn der Bienen. 53
Dressur auch vor Pomeranzen-spanisch deutlich bevorzugen.1) Doch
hielte ich es für falsch, hieraus den Schluß zu ziehen, daß ihr Unter-
scheidungsvermögen für Düfte wesentlich feiner ausgeprägt ist als
das menschliche. Denn ein geübter Parfumeur trifft die Unter-
scheidung gleichfalls, ja auch weniger geübte Nasen hätten sie
vielleicht getroffen, wenn sie den Dressurduft durch Stunden und
Tage immer wieder und wieder erprobt hätten, wie die Bienen.
Wir werden im Verlaufe dieser Abhandlung noch mehrmals
Gelegenheit haben, das Unterscheidungsvermögen der Biene für ver-
schiedene Düfte zu prüfen; ich verweise auf die Versuche nach
Dressur auf Mirbanöl (S. 169ff), Anthranilsäuremethyl-
ester (S. 174ff.), Bromstyrol (S. 183ff.), Parakresolmethyl-
äther (8. 189f.), Amylacetat (S. 179ff).
Ill. Duft und Farbe.
Daß die Bienen beim Ausbeuten einer Nahrungsquelle den
Blütenduft als Merkzeichen benützen, um die Nahrung spendende
Stelle wieder aufzufinden, geht aus den bisher zitierten Versuchen
klar hervor. Daß sie die-Blütenfarben in gleichem Sinne ver-
werten, ist trotz der von v. Hess publizierten Arbeiten nicht zweifel-
haft [vg]. v. Frisch (39)]?) Es liegt die Frage nahe, ob die Pro-
duktion von Duft oder der Besitz auffallend gefärbter Blütenblätter
1) Vgl. Anm. 2 S. 46.
2) Ich habe 1913 das Ergebnis einiger Versuche über den Farben-
sinn der Biene in einem Vortrag (37) mitgeteilt. Die Einwände, die
v. Hess (46) gegen meine Beweisführung erhoben hat, habe ich in meiner
ausführlichen Publikation 1914 (39) widerlegt. Auf diese Arbeit ist
v. Hess zunächst nicht eingegangen. Zwar ist 1916 eine Abhandlung
von ihm erschienen: „Messende Untersuchung des Lichtsinnes der Biene“
(47), in deren Schlußsätzen zu lesen ist: „Damit ist auch die von zoolo-
gischer Seite noch vertretene, auf unzulängliche und leicht zu wider-
legende „Dressurversuche“ sich stützende Annahme einer Rotgrün-Blindheit
der Bienen endgültig erledigt“. Man findet aber in dieser Abhandlung keine
„Erledigung“ meiner Ausführungen, sondern es wird nur das alte Argu-
‘ment, die Übereinstimmung des Helligkeitssinnes der Biene mit dem
Helligkeitssinn des total farbenblinden Menschen, durch neue Versuche
gestützt. Daß dieses Argument nicht als Beweis für eine totale Farben-
blindheit der Biene gelten kann, habe ich schon früher (39, p. 8) aus-
einandergesetzt, und ich habe nichts neues hinzuzufügen. Meine oben
erwähnte Arbeit wird von Huss nicht zitiert.
In einer späteren Publikation (48, 1917, p. 404) bezieht sich v. HESS
54 Karu v. Frisch,
die Bestäubung besser gewährleistet, ob die Biene der Farbe
oder dem Duft größere Beachtung schenkt.)
Schon HERMANN MÜLLER hat diese Fragen zu beantworten ge-
sucht: „Daß den Pflanzen auch der Duft der Blumen dadurch von
Vorteil ist, daß er dieselben den Insekten von weitem bemerkbar
macht und dadurch gesteigerten Insektenbesuch und häufigere Fremd-
bestäubung bewirkt, erscheint von vornherein unzweifelhaft und
kann durch ebenso entscheidende Beispiele belegt werden, wie die
Wirkung der Augenfälligkeit; es läßt sich sogar durch direkte
Beobachtung des Insektenbesuches mit voller Sicherheit feststellen,
daß Blumenduft ein weit kräftigeres Anlockungsmittel ist als bunte
Farben“ (71, p. 429).
7
auf diese Arbeit — wieder ohne Titel und Autor zu nennen, wodurch er
es seinen Lesern erschwert, sich über die ,laienhaften“ Versuche seines
Gegners ein eigenes Urteil zu bilden — indem er sagt: „So glaubt man
in der Zoologie zum ‚Beispiel noch immer, Bienen auf bestimmte Farben
„dressieren“ und so einen Farbensinn bei ihnen feststellen zu können; als
Beweis für eine solche Meinung sind noch kürzlich (1915) ausführliche
Protokolle mitgeteilt worden. Aber an Hand eben dieser Protokolle läßt
sich leicht der schlagende Nachweis führen, daß jene „dressierten“ Bienen,
die angeblich Blau und Gelb wahrnahmen, tatsächlich weder Gelb
noch Blau von Grau unterschieden, sich also auch bei diesen
Versuchen nicht wie farbentüchtige, sondern wie total farbenblinde Wesen
verhielten. “
Den „schlagenden Nachweis“, daß meine dressierten Bienen tat-
sächlich weder Gelb noch Blau von Grau unterschieden, hat v. Hess
erst in jüngster Zeit (49a, 1918) veröffentlicht. Seine Darstellung meiner
Befunde weicht so sehr von der Wirklichkeit ab, daß ich mich leider
veranlaßt sehe, gesondert darauf zurückzukommen (39c, 1919).
Hier sei nur erwähnt, daßich meine Angaben tiber den Farben-
sinn der Fische, der Daphnien und der Bienen in vollem
Umfange aufrecht halte. So gerne ich auf eine sachliche Kritik
eingehen. würde, so sehr bedaure ich es, mich einem Kritiker gegeniiber-
zusehen, der sich iiber die Hauptsachen mit allgemeinen Redensarten
hinwegsetzt und die Tatsachen entstellt, indem er unwesentliche Dinge in
den Vordergrund setzt und das Wesentliche verschweigt.
1) Allgemein gefaßt hat die Frage, ob Duft oder Farbe von
der Biene mehr beachtet wird, wenig Sinn. Denn wenn man den einen
Faktor, z. B. die Farbe, konstant sein läßt und den Duft zu hoher
Intensität steigert, wird man selbstverständlich andere Resultate erhalten,
als wenn man die Intensität des Duftes bis an die Grenze der Wahr-
nehmbarkeit für die Biene herabmindert. Trotzdem können wir durch
eine zweckmäßig gewählte Versuchsanordnung in dienatürlichen, beim
Blütenbesuch geltenden Verhältnisse Einblick gewinnen.
_
Über den Geruchsinn der Bienen. 55
Diesen bereits in der Einleitung zitierten Satz begründet Hrr-
MANN MÜLLER dadurch, daß, nach seinen Beobachtungen, von den
Blüten einander nahestehender Pflanzenarten solche, die unscheinbar
sind, aber kräftig duften, viel reichlicher von Insecten besucht
werden als augenfällige, aber duftlose Blüten. Es muß aber bei
solchen Betrachtungen ein Umstand wohl beachtet werden, dessen
Vernachlässigung schon zu vielen Trugschlüssen geführt hat: daß
die Reichlichkeit des Insectenbesuches in erster Linie von der
Menge der von den Blüten gebotenen Nahrung abhängt. Wenn die
Blüten einer Pflanzenart reichlich Honig führen, werden sie in der
Regel reichlich von Bienen besucht sein, auch dann, wenn sie relativ
schwer von ihnen aufgefunden werden; denn die Bienen, welche den
versteckten, aber reichen Honigschatz aufgespürt haben, kehren
wieder und bringen andere Bienen ihres Stockes in stets wachsender
Zahl mit sich, bis die Nahrungsquelle voll ausgenutzt wird. Wenn
aber auffallend gefärbte oder stark duftende Blüten wenig oder
keine Nahrung bieten, werden sie trotz ihrer Auffälligkeit schwach
besucht sein. Denn die Bienen, welche sie, durch Duft oder
Farbe angelockt, befliegen, stellen den Besuch ein, wenn er sich
nicht als lohnend erweist, und bringen auch keine Artgenossen
herbei. *)
So schwierig es aus diesen und anderen Gründen ist, durch
Beobachtungen über den Blütenbesuch ein Urteil über die relative
Bedeutung von Duft und Farbe zu gewinnen, so leicht ist es, im
Experiment die beiden Faktoren miteinander in Konkurrenz zu
setzen. Füttert man die Bienen in einem Kästchen,
welches mit einer bestimmten Farbe und mit einem
bestimmten Duft versehen ist, dressiert man sie also
zugleich auf Duft und Farbe, und bietet man ihnen
dann in den Versuchen an einem Kästchen nur die
Dressurfarbe, in einem anderen Kästchen nur den
Dressurduft, so muß sich zeigen, ob siesichmehrnach
der Farbe oder mehr nach dem Duft richten oder obsie
beide Faktoren in gleicher Weise beachten.
_ Bei der ersten Versuchsreihe stellte ich nebeneinander vier
Kartonkästchen auf, von denen eines mit Resedaduft (wohl-
1) Das gleiche gilt für andere Insectenarten, nur in vermindertem
Maße, entsprechend den anderen Lebensgewohnheiten.
[4
56 Kırr v. Frisch,
riechendes Öl, vgl. S. 18) beschickt war; an diesem Kästchen war
mittels vier Reißnägeln ein die ganze Vorderwand bedeckendes
blaues Papier angebracht, in welchem ein Loch ausgestanzt war,
nach Größe und Lage dem Flugloch des Kästchens entsprechend.
Die drei übrigen Kästchen waren in gleicher Weise mit gelben
Papieren!) versehen. Gefüttert wurde in dem blauen, nach Reseda
duftenden Kästchen. | |
Nach 4/, tagiger Dressur stellte ich vier reine Kästchen auf,
von denen eines mit einem reinen blauen Papier, aber nicht mit
Duft versehen war, während an den drei übrigen Kästchen gelbes
Papier angebracht und eines von diesen Kästchen mit Reseda-
duft beschickt war. Das Resultat des Versuches zeigt die folgende
Tabelle:
Tabelle 35.
Beobachtungszeit Gelb duftlos |Blau duftlos Gelb a can Reseda
2.8. 1914 335—40 0 0 0
0 1 0 1
0 2 0 12
0 6 1 17
0 10 1 15
Summa | 0 | 19 | 2 | 63
Das Verhalten der Bienen gegenüber dem mit Dressurfarbe
und dem mit Dressurduft versehenen Kästchen war insofern inter-
essant und grundverschieden, als die ankommenden Tiere schon aus
einer Entfernung von mehreren Metern direkt auf die. Farbe los-
zufliegen pflegten. Sie schienen also die Farbe auf viel größere
Entfernung wahrzunehmen als den Duft. Dieses Benehmen findet
leider in der Tabelle keinen zahlenmäßigen Ausdruck. In nächster
1) Ich verwendete die bekannten HErInG’schen Papiere (bezogen von
RIETZSCHEL in Leipzig, Kreuzstraße 12). Die Farbenserie besteht aus
16 Nummern. Als Blau benützte ich No. 13 der Serie, als Gelb in
dieser Versuchsreihe No. 5, in späteren No. 4 der Serie. Proben dieser
Farbpapiere sind in meiner Arbeit über den Farbensinn der Biene (39)
auf tab, 5 aufgeklebt, Bei der Wahl der Farben ist die Tatsache zu
beachten, daß der Farbensinn der Biene mit dem eines rotgrünblinden
(protanopen) Menschen weitgehend übereinstimmt (vgl. die eben zitierte
Arbeit). Man darf also nicht etwa Blau und Purpurrot oder Orangerot
und Gelbgrün als Farbenpaare wählen, da diese Farben von den Bienen
nicht qualitativ unterschieden werden.
Über den Geruchsinn der Bienen. 57
Nähe des Farbkästchen-Flugloches angekommen, stutzten sie — offen-
bar weil ihnen der vertraute Geruch abging. Nun begannen sie
die Kästchen abzusuchen und schlüpften schließlich — bei diesem
Versuche — häufiger in das Duftkästchen als in das Farbkästchen.
Aber sie gingen in keines der beiden Kästchen mit Eifer hinein,
sie gingen in beide zögernd. Daher bleiben bei beiden Kästchen
die Besucherzahlen beträchtlich hinter den Zahlen zurück, die ent-
sprechend der großen Menge der anwesenden Bienen bei regem
Besuch zu erwarten gewesen wären. Dies zeigt der folgende, bald
darauf unternommene Versuch, bei welchem Dressurduft und
En zurfanbe vereint geboten wurde:
Tabelle 36.
Beobachtungszeit Gelb duftlos | Gelb duftlos |Blau Reseda
*
Gelb duftlos
2./8. 1914 405—10
SQ oeZ7eS
A] © © © a)
See
43
Summa | |
Am folgenden Tage wiederholte ich den Konkurrenzversuch.
Ich tropfte aber an diesem Tage im Dressurkästchen nur spärlich
Resedaöl auf, so dab das Kästchen andauernd nur schwach nach
Reseda duftete. Daher richteten sich die Bienen offenbar mehr nach
der Farbe als nach dem Duft, und daher erhielt auch beim Versuch
das blaue Kästchen einen stärkeren Besuch als das mit Resedaduft
beschickte gelbe Kästchen:
| 146
Tabelle 37.
*
Beobachtungszeit | mu Blau duftlos |Gelb Reseda] Gelb duftlos CL duftlos
3,8. 1914 320-25 1 0 0 2
= 3 0 0
6 U 0
1 0 0
7 0 1
Summa ~ Summa | = | 17 | 0 |
Als jen am nächsten Tage das Dressurkästchen absichtlich be-
sonders häufig und ausgiebig mit frischem Riechstoffe beschickte,
58 Kant v. Frisch,
kehrte sich beim Versuch das Zahlenverhältnis wieder um. Auch
jetzt wurde das blaue Kästchen sehr stark von Bienen umschwärmt,
aber nur wenige schlüpften hinein:
Tabelle 38.
Beobachtungszeit Gelb eee Gelb duftlos [Gelb Reseda} Blau duftlos
4./8. 1914 320—25 | 0 0 9 2
0 0 10 0
0 0 8 0
or) 0 10 5
0 0 17 2
Summa | 0 | 0 | 54 | 9
Mein erstes Bestreben war nunmehr, eine Versuchsanordnung
zu treffen, welche gestattete, die auffallige Verschiedenheit zwischen
Duft und Farbe in bezug auf die Entfernung, aus welcher sie von
den Bienen wahrgenommen werden, genauer zu verfolgen. Wenn
O
Sch
O
do
CL
bu |
W
av
Os a aye Oo
Fig. L.
a, b, c, d Kästchen. Sch Schuppen. W Wiese.
O Bäume und Sträucher. Der Pfeil gibt die An-
Fig. K. flugrichtung der Bienen an. —
Über den Geruchsinn der Bienen. 59
die Kästchen so nahe beieinander standen, wie es in den bisher
besprochenen Versuchen der Fall war, konnte man sich des öfteren
darüber täuschen, auf welches Kästchen eine anfliegende Biene aus
der Entfernung loszielte. Ich vergrößerte daher den Abstand zwischen
je zwei Kästchen auf je 1 m. Die Aufstellung geschah nicht auf
einem Brette, sondern jedes Kartonkästchen erhielt ein vorne und
hinten offenes Holzgehäuse, das auf einem unten zugespitzten Pfahl
befestigt war (Fig. K); dieser wurde an dem für das Kästchen be-
stimmten Platze in den Wiesengrund gesteckt. Jedes Kästchen
behielt sein Gehäuse bei, indem beim Tauschen der Plätze stets die
Kartonkästchen samt Gehäuse und Pfahl versetzt wurden. Die Skizze
Fig. L veranschaulicht die Situation an dem für diese Versuche
gewählten Orte. Dressurfarbe war wiederum Blau, Dressurduft
Jasmin (wohlriechendes Öl, vgl. S. 18). Ich bringe zunächst in
Tabellenform die Resultate der vier bei dieser Versuchsanordnung
vorgenommenen Zählversuche (nach drei- und viertägiger Dressur):
Tabelle 39.
Gelb NR
Beobachtungszeit duftlos |[Felb Jasmin | Geh aust] os | Blau duftlos
19./8. 1914 1050-55 0 “5 0 4
0 24 0 6
0 27 2 21
0 26 0 13
0 23 0 10
Summa | 0 | 115 2 | D4
Tabelle 40.
Beobachtungszeit Blau duttlos Gelb ie Gelb duftlos | Gelb Jasmin
19.8. 1914 1105-10 5 0 0 25
7 0 0 33
15 1 0 37
21 0 2 36
15 if 0 35
Summa | 63 | Aa 2 | 166
60 Karu v. Frisch,
Tabelle 41.
Beobachtungszeit Gelb Jasmin|Blau duftlos| Gelb duftlos Gelb Ba.
20./8. 1914 955—1000 11 3 Nicht gezählt. Höchstens
14 10 von vereinzelten Bienen
ile! 3 besucht
13 6
21 9
Summa | 73 | 31 |
Tabelle 42.
Beobachtungszeit Blau duftlos|Gelb Jasmin| Gelb duftlos Gelb RN
20./8. 1914 1008-13 0 25 Nicht gezählt. Höchstens
4 16 von vereinzelten Bienen
7 31 besucht
5 18
4 26
Summa | 20 | 116 |
In einigen Versuchen verzichteten wir auf das Zählen und be-
schränkten uns auf die Beobachtung der anfliegenden Bienen. Hier-
bei zeigte sich einwandfrei, daß dieselben aus einer Ent-.
fernung von mehreren Metern fast ausnahmslos direkt
auf die blaue Farbe losflogen. Es sei besonders betont, daß
dies nicht nur bei Windstille der Fall war, sondern auch dann,
wenn eine leise Luftströmung den aus dem Jasmin-
kastchen entweichenden Duft den Bienen direkt ent-
gegentrug. Am Farbkästchen angekommen, stutzten sie, um-
schwärmten es lebhaft, gingen aber nur zögernd hinein. Meist
wandten sie sich, statt hineinzuschlüpfen, den anderen Kästchen zu
und suchten diese der Reihe nach ab. Näherten sie sich hierbei
dem Flugloche des Jasminkästchens, so schlüpften sie meist ohne
Zaudern hinein. Daher die starke Frequenz des Duftkästchens in
allen Versuchen. Es schien, als wirkte der Jasminduft auf sie be-
-sonders „überzeugend“, als vertrauten sie diesem Duft mehr als der
Farbe. Um so auffallender und um so beweiskräftiger für die ge-
ringe Reichweite der Duftwirkung ist der konstante Anflug gegen
das Blau.
Ich habe mich bemüht, eine Versuchsanordnung zu finden, bei
welcher diese Verhältnisse durch das Resultat der Zählungen in
er
Über den Geruchsinn der Bienen. | 61
objektiver Weise zum Ausdruck kämen. In ganz befriedigender
Weise ist mir dies nicht gelungen. Denn auch bei der Versuchs-
reihe, welche ich in der eben erwähnten Absicht unternommen habe
und die ich jetzt schildern möchte, würden die Frequenzzahlen allein
- ohne Beschreibung des Benehmens der Bienen kein richtiges Bild
von ihrem Verhalten geben.
Fig. M.
Die Anordnung ist in Figur M skizziert. Drei Bogen von
braunem Karton, je 1 m? groß, wurden parallel zueinander an einem
Gerüste aus Holzlatten derartig befestigt, daß zwischen ihnen zwei
je 40 cm breite Räume entstanden; diese wurden oben und hinten
durch ein ziemlich weitmaschiges, aber für Bienen nicht passier-
bares Drahtnetz abgeschlossen, während sie von vorn frei
62 Karu v. Frisch,
zugänglich waren. Im Hintergrunde dieser Räume, !/,—1 m vom
freien Zugang der Vorderseite entfernt, war je ein Kästchen auf-
gestellt; sie standen auf einem auswechselbaren Streifen aus Zink-
blech. Die Vorderseite des einen, duftlosen Kästchens war mit
gelbem Papier versehen. Im anderen, mit Jasminduft und blauem
Papier versehenen Kästchen wurden die Bienen gefüttert. Natürlich
wurden die Plätze häufig vertauscht, so daß das Dressurkästchen
bald im linken, bald im rechten Raume aufgestellt war. Ich beab-
sichtigte auf diese Weise zu erreichen, daß sich die Bienen schon
in einiger Entfernung von den Kästchen — am Zugange zu den
Räumen — für den Anflug gegen ein bestimmtes Kästchen in leicht
kontrollierbarer Weise entscheiden mußten. Wenn sie in dieser
Entfernung (!,—1 m) wohl die Farbe, nicht aber den Duft wahr-
nahmen, so mußte eben die Farbe allein dafür entscheidend sein, in
welchen Raum sie einfliegen würden.
Bei den Versuchen wurden zwei reine, leere Kästchen, ein
blaues, duftloses und ein gelbes, mit Jasminöl beschicktes auf-
gestellt. Abwechselnd kam einmal das mit der Dressurfarbe, das
anderemal das mit dem Dressurduft versehene Kästchen in jenen
Raum, in welchem zuletzt gefüttert worden war. Das Benehmen
der Bienen war sehr auffallend und stimmte zu den früheren Beob-
achtungen: die vom Bienenstande ankommenden Tiere flogen direkt
gegen das blaue, duftlose Kästchen an, durcheilten den
Raum in schnellem, geraden Fluge und stutzten erst
unmittelbar vor dem Flugloche des blauen Kästchens;
jetzt erst bemerkten sie offenbar das Fehlen des Jasminduftes;
manche gingen trotzdem, sehr zögernd, in das Kästchen, die meisten
umschwärmten es einige Zeit und entfernten sich dann wieder, um
den anderen Raum zu untersuchen, in welchem das gelbe, Jasmin-
duftende Kästchen stand; aber schon am Zugang zu diesem
Raume, also ',—1 m vom Kästchen entfernt, prallten sie zu-
rück und schwankten daselbst in eigentümlich wacke-
ligem Fluge auf und ab, hin und her, stets den Kopf dem
Kästchen zugewendet. Sie mußten also die abweichende Farbe auf
diese Entfernung erkannt haben. Schließlich drangen auch in diesem
Raume einzelne Bienen an das Kästchen vor — in den späteren
Minuten in zunehmender Zahl, denn sie hatten ja nur zwischen
zwei Kästchen die Wahl. Aber dieses Vordringen gegen das gelbe
Kästchen geschah auch wieder in merkwürdig zauderndem Fluge,
Über den Geruchsinn der Bienen. 63
als wenn eine unsichtbare, abstoBende Kraft von dem Kästchen
ausginge.
Hätte man bei diesen Versuchen jede der vom Bienenstand her
ankommenden Bienen nach ihrem ersten Anfluge von der weiteren
Beobachtung ausschalten können, so hätte man durch Zählen der
Tiere, welche die Zugänge zu den beiden Räumen passierten, ekla-
tante, in Zahlen angebbare Unterschiede gefunden. So aber
sammelte sich schon im Laufe der ersten Minute am Zugange zu
dem das gelbe Duftkästchen beherbergenden Raume eine gewisse
Menge von Bienen an, die bei ihrem schwankenden Schaukelfluge die
Eingangslinie wiederholt um ein Geringes überschritten, so daß eine
solche Zählung wertlos wäre. In den beiden folgenden Tabellen,
welche sich auf die zwei ersten Experimente dieser Versuchsreihe
beziehen, ist daher, wie in den früheren Tabellen, nur die Zahl der
Bienen eingetragen, welche in die Kästchen hineinschlüpften; die
Bienen waren 3 Tage lang auf Duft und Farbe dressiert.*)
Tabelle 43.
*
Gel Tasman Blau duftlos
Beobachtungszeit
10./8. 1914 1030-35
3 3
1 1
3 if
6 5
5 5
Summa | 18 | 15
Tabelle 44. =
Beobachtungszeit Blau duftlos Gelb or
10./8. 1914 1045-50 4 0
4 3
5 6
7 6
3 ee!
Summa | 23 | 29
1) Ausnahmsweise wurde hier in beiden Versuchen das Duftkästchen
an die Stelle des letzten Dressurplatzes gesetzt. In den weiteren Ver-
suchen wurde Jasmin- und Blaukästchen abwechselnd in jenes Fach gestellt,
in welchem zuletzt gefüttert worden war.
64 Karu v. Frisch,
Es wurden also bei dieser Versuchsanordnung beide Kästchen
angenähert gleich stark besucht, während bei meiner früheren An-
ordnung, bei Anwendung des gleichen Dressurduftes') und der
gleichen Dressurfarbe, das Duftkästchen weit stärker besucht
worden war (vgl. S. 59ff, Tab. 39—42). Da die Bienen hier nur
zwischen zwei Kästchen zu wählen hatten und da sie, wenn sie am
blauen Kästchen den Jasminduft vermißten, zu suchen begannen, ist
für die uns interessierende Frage ihr Verhalten in der ersten Mi-
nute vor allem beweisend. Es wurde daher in den weiteren acht
Versuchen der Kästchenbesuch nur eine Minute lang beobachtet. *)
Unter diesen Umständen verschiebt sich das Verhältnis der Frequenz-
zahlen noch mehr zugunsten der Farbe. In Tabelle 45 habe ich
das Resultat der 8 Zählungen eingetragen und von den zwei schon
oben erwähnten Versuchen die Zahlen der jeweils ersten Minute
einbezogen.
Tabelle 45.
Beobachtungszeit Blau duftlos | Gelb Jasmin
10./8. 1914 1030-31 | 3 3
” Le] 1045—46 4 iy U
11/8. 1914 1001-02 3 4 eee
” ” 101011 3 = Os a
PUIS MONET 1 if 1
” ” 103031 6 ¥ 1 i
14/8: 1914 1040-41 | 2 a 0
rs oar Byes TUN,
” ” 1050—51 1 N OBER
Neun Tee ARE REN
Summa 29 10
1) Auch in der gleichen Intensität.
2) Sollte man einwenden, die Diffusionsgeschwindigkeit des
‚ Duftes sei nicht so groß, daß schon binnen einer Minute eine Ver-
breitung des Duftes durch den ganzen in Betracht kommenden Raum zu
erwarten sei, so ist dem entgegenzuhalten, daß das Duftkästchen schon
beim Einbringen in seinen Raum, was von vorn geschah, eine Duftwolke
hinterlassen mußte, daß das Verhalten der Bienen auch dann keine Ande-
rung zeigte, wenn ihnen eine leise Luftströmung den Duft direkt ent-
gegen trug, daß sich auch durch Diffusion allein der Duft in wenigen
Sekunden auf einen größeren Umkreis verbreiten mußte, als der Entfernung
vom Flugloche entsprach, in welcher die Bienen auf den Duft reagierten,
und daß schließlich bei der Dressur, wo das Duftkästehen 10 —20
Über den Geruchsinn der Bienen. 65
In Tabelle 46 sind die Besucherzahlen der jeweils ersten Mi-
nute aus Tabelle 39—42 zusammengestellt, also aus jenen Versuchen,
in welchen den Bienen die gleiche Dressurfarbe und der gleiche
Dressurduft bei frei zugänglichen Kästchen geboten wurden.!) Bei
dieser Anordnung wurde insgesamt das Farbkästchen von 12,
das Duftkästchen von 76 Bienen besucht, bei unserer jetzigen
Anordnung das Farbkästchen von 29, das Duftkästchen
von 10 Bienen.
Tabelle 46.
Beobachtungszeit | Blau duftlos | Gelb Jasmin
19./8. 1914 1050-51 4 15
% Di 06 5 25
20./8. 1914 955—56 3 11
mera 0 2
Summa 12 16
So kommt also bei dieser Versuchsanordnung bis zu einem ge-
wissen Grade auch in den Besucherzahlen ‘zum Ausdrucke, daß Duft
und Farbe aus ganz verschiedener Entfernung wahrgenommen wurden.
Denn der Unterschied in der Anordnung der beiden Versuchsreihen
bestand darin, daß bei der neuen Anordnung die Bienen schon in
einer Entfernung, in welcher sie den Duft noch nicht wahrnehmen
konnten, durch die abweichende Farbe davon abgehalten wurden,
in den Raum hineinzufliegen, in welchem sich das Duftkästchen be-
fand; bei der freien Aufstellung der Kästchen aber kamen die nach
dem Zuckerwasser suchenden Bienen häufig in die nächste Nähe
des Duftkästchens und wurden dann durch den Duft angelockt.
Es sei aber nochmals hervorgehoben, daß die unmittelbare
Minuten am selben Platze stand, dieser Einwand überhaupt nicht in Be-
tracht kommt und daß die Bienen daher, wenn sie gewohnt wären, schon
am Zugange zu dem Raume des Duftkästchens den Dressurduft wahr-
zunehmen, auch bei den Versuchen schon in dieser Entfernung das
Fehlen .des Duftes hätten bemerken müssen. Angaben über die Diffusions-
geschwindigkeit bei ZWAARDEMAKER (104, p. 30—40).
1) Diese Versuche wurden an einem anderen Dressurplatze, also nicht
mit den gleichen Individuen ausgeführt. Ich erwähne dies, damit man
nicht aus dem Datum der Versuche auf eine verschieden lange Dressur-
dauer schließt und die Differenzen etwa hieraus irgendwie zu erklären
versucht.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 5
66 Karu v. Frisch,
Beobachtung der Bienen vor dem Duft- und Farb-Kästchen den be- «
sprochenen Unterschied weit deutlicher und viel überzeugender lehrt,
als die Besucherzahlen der Kästchen es tun können.
Vielleicht ist manchem Leser, der die Versuche bis hierher verfolgt
hat, ein Bedenken gekommen: während der Dressur war das Futter-
. kästchen in allen Fällen mit einer bestimmten Farbe und mit einem be-
stimmten Blumenduft versehen; die leeren Kästchen hatten eine ab-
. weichende Farbe, aber keinen abweichenden Blumenduft.
Dementsprechend war bei den Versuchen das mit Dressurduft
beschickte Kästchen mit der abweichenden Farbe versehen, aber das
Kästchen, welches die Dressurfarbe trug, hatte keinen fremden Duft.
Es wäre denkbar, daß sich das Verhältnis der Besucherzahlen zu un-
gunsten der Farbe verschiebt, wenn man entsprechend der Gegenfarbe
auch einen Gegenduft gebraucht. Um dies zu prüfen, habe ich im
Anschlusse an die auf S. 58—60 besprochenen Versuche mit den
selben Bienen und bei der gleichen Versuchsanordnung folgendes
Experiment gemacht. Die Bienen wurden weiterhin auf Blau und
Jasminduft dressiert, die drei leeren, gelben, bisher duftlosen-
Kästchen wurden mit Resedaduft (wohlriechendes Ol) beschickt.
Nach 2 Tagen wurden Zählversuche gemacht, bei welchen ein reines
gelbes Kästchen mit Jasminduft, ein reines blaues Kästchen
mit Resedaduft:beschickt war. Das Ergebnis ist aus Tabelle 47
und 48 ersichtlich.
Tabelle 47.
*
. Gelb Blau Gelb
Beobachtungszeit Reseda Reseda Gelb Jasmin
: Reseda
24/8. 1914 94550
0 4 1 10
0 4 it 17
0 4 3 20
0 2 1 22
0 5 i 0 17
Summa | 1) | 19 | 6 | - 86
Über den Geruchsinn der Bienen. 67
Tabelle 48.
*
ER Gelb Gelb Blau
Beobachtungszeit Reseda, sen eh Bess
24./8, 1914 ca. 1000-05 0 8 0 2
0 19 0 4
0 20 0 7
0 32 1 10
0 27 0 10
Summa | 0 | 106 | 1 | 33
Vergleicht man diese Tabellen mit den entsprechenden Tabellen
(No. 39—42) der früheren Versuche, so findet man keine wesentliche
Differenz. Die oben erwähnte Möglichkeit trifft also nicht zu. Mit
anderen Worten: das Fehlen des vertrauten Dressur-
duftes war es, was die Bienen vom Besuch des blauen
Kästchens zurückhielt. Ob nun ein anderer Blumen-
‘duft das Kästchen erfüllte oder gar keiner, war ziem-
dich sleichgiltig.
Dagegen ak sich bei häufigerem Wiederholen solcher Ver-
suche mit verschiedenartigen Düften, daß die Art des Dressur-
duftes auf das Verhältnis der Besucherzahlen von Ein-
fluß ist. Manche Düfte locken die Bienen im Vergleich zur Farbe
stärker, manche weniger stark ins Kästchen. Ich lasse es dahin-
gestellt, ob es hierbei mehr auf die Qualität des Duftes oder
mehr auf seine Intensität ankommt. Jedenfalls spielt die Inten-
sität des Duftes eine große Rolle. Denn erstens bewirkt ein und
derselbe Dressurduft bei den Experimenten einen relativ stärkeren
Besuch des Duftkästchens, wenn das Dressurkästchen andauernd be-
sonders reichlich mit dem Duftstoff beschickt wird. Auf S. 57ff.
habe ich schon ein Beispiel dafür gebracht, und ich könnte leicht
mehrere anführen. Zweitens stellte sich unter allen Versuchen das
Zahlenverhältnis für den Duft am günstigsten in jenen Fällen, in
welchen das intensiv riechende ätherische Öl „Fenchel süß“ (vgl.
S. 39) als Dressurduft zur Anwendung kam, hingegen für den Duft
am ungünstigsten bei den Versuchen mit Orangenblütenöl, welches,
nach unserem Empfinden, relativ schwach duftete. Es seien hier
die betreffenden Versuchsresultate in Tabellenform angeführt (vgl.
auch Tabelle 58—63, S. 75—77).
5*
68 Karu v. Frisch,
Es wurden 7 Kartonkästchen in zwei Reihen übereinander aufgestellt,
in derselben Anordnung, wie sie in Fig. H S. 27 dargestellt ist. Ein
Kästchen wurde mit dem wohlriechenden Öl „Orangenblüte“ (vgl.
S. 18) beschickt und seine Vorderwand mit gelbem Papier bekleidet.
In diesem Kästchen wurden die Bienen gefüttert. Die übrigen 6 Kästchen’
blieben ohne Futter, ohne Duft und ohne Farbe (also grau). Bei den
‘Versuchen wurde von zwei reinen Kästchen das eine, duftlose, mit einem
reinen gelben Papier versehen, das andere mit dem Dressurduft beschickt
und seine Vorderwand mit einem reinen grauen Papier !) bekleidet, damit
es äußerlich mit dem gelben Kästchen in allen Einzelheiten bis auf die
Farbe übereinstimmte. Die übrigen Plätze wurden von 5 grauen duft-
losen Kästchen eingenommen. Vor Versuchsbeginn war der letzte Dressur-
platz stets der ee Platz in der oberen Reihe (vgl. Fig. H), das Duft-
kästchen und das Farbkästchen standen stets an den beiden Eckplätzen
der unteren Reihe, und zwar einmal das Farbkästchen links, das Duft-
kästchen rechts, das nächstemal umgekehrt und so fort in ständigem
Wechsel. Dies vorausgeschickt, brauche ich in den Tabellen die jeweilige
Anordnung der Kästchen nicht zu berücksichtigen.
Tabelle 49
Grau
. Gelb en a Grau |Grau | Grau | Grau | Grau
Beobachtungszeit | quttios en duftlos |duftlos}duftlos|duftlos|duftlos
24./8. 1917 230—35 17 1 2 0 1 1 0
24 23 0 : 0 OA 0 0
22 23 0 0 1 1 0
25 25 if 0 1 1 0
19 15 0 0 Oo 0 0
Summa | 107 | 87 | 3 | 0 | = | a | 0
Tabelle 50.
Grau
: . Gelb Grau |Grau | Grau | Grau | Grau
à Beobachtungszeit duftlos Rg ee! duftlos |duftlos|duftlos|duftlos}duftlos
24/8. 1917 24550 8 11 2 0 0 0 0
2 13 0 0 0
26 ; 13 0 0 2 0 0
16 29 Di 0 0 0 0
16 27 0 0 3 0 0
Summa | 16 | 93 | 2 | O | 5 | 0 | 0
1) Von angenähert gleichem farblosen ea. wie das gelbe
Papier.
Über den Geruchsinn der Bienen. 69
Tabelle 51.
Grau
Beobachtungszeit pen. Orangen-
blüte
24./8. 1917 300—05 1
5
5
4
4
Grau
duftlos
Grau | Grau | Grau | Grau
duftiosiduftlosiduftlosiduftlos
Summa | 19 |
Tabelle 52.
Beobachtungszeit duftlos
24.18. 1917 312-17
HOO OD
Summa | 15 |
Grau
Gelb Orangen-
blüte
59
Grau
duftlos
OISOoOooSo
Grau | Grau | Grau | Grau :
duftlosiduftlosiduftlosiduftlos
Se
Sr (ee
sie
Cjooooo
In 6 weiteren Versuchen wurde nur die Frequenz des Farb- und
Duftkastchens gezählt. Die Resultate sind aus Tabelle 53 ersichtlich.
Ich habe daselbst die Besucherzahlen nicht nach Minuten getrennt, sondern
nur die Summen fiir jeweils 5 Minuten eingetragen.
Tabelle 53.
Grau
Beobachtungszeit gelb Orangen-
duftlos bliite
24./8. 1917 145—50 158 133
” ” 20005 85 96
BER! x 409—14 43 50
“ 2 423-—28 54 77 x
a es " 447—52 45 75
458— 503 SIS 63
_ Bei genau derselben Versuchsanordnung dressierte ich die Bienen
auf Gelb und „Fenchel süß“ (vgl. S. 39).
Weise durchgeführt wie die soeben besprochenen, ergaben folgende Resultate:
Die Versuche, in gleicher
70 er Kart. v. Frrscu,
Tabelle 54.
| vr Gelb Grau Grau | Grau | Grau Grau | Grau.
Beobachtungszeit | Auftlos | Fenchel | duftlos |duftlos|duftlos|duftlos|duftlos
30./8.1917 1240—45 0 5 0 0 0 0 0
, (+ 10 0 0 0 0 1
4 13 0 0 0 0 0
3 19 0 0 0 0 0
2 15 0 0 0 0 0
Summa | 9 | 56 | 0 | 0 | 0 | 0 | 1
Tabelle 55.
. Gelb Grau Grau Grau | Grau | Grau Grau
Beobachtungszeit | Auftlos | Fenehel | duftlos [duftlo-lauftloslduftloslduftlos —
30.18.1917 1250—55 rl 6 0 0 0 0 0
2 24 0 0 0 0 0
4 27 O0: 0 0 0 0
il 33 0 0 0 0 0
2 20 0 0 0 0 0
Summa | 16 | 110 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0
_Tabelle 56.
Gelb Grau Grau Grau | Grau | Grau] Grau
Beobachtungszeit | quftips | Fenchel | duftlos |duftlos|duftlos|duttlos|duftlos
30.18.1917 125—30 3 11 0 ee er 0 0
1 22 0 0 0 0 0
3 18 0 1 0 0 Ow:
4 29 0 0 0 0 0
2 21 0 0 0 0 0
Summa 13 | 101 | 0) | 1 | 0 | O | 0
Tabelle 57.
; Gelb Grau Grau | Grau | Grau | Grau | Grau
Beobachtungszeit duftlos Fenchel duftlos |duftlos}duftlos|duftlos}dufuos
30,/8.1917 135—40 | 4 8 0 0 |:0 |) 22
3 16 0 0 0 0 0
: arts 24 0 0 0 0 0
1 26 es 0 0 0 0
3 23 0 0 0 0 0
Über den Geruchsinn der Bienen. 71
Nehmen wir die Gesamtsummen der Bienenbesuche, welche
einerseits das Farbkästchen, andererseits das Duftkästchen in beiden
Versuchsreihen erhalten haben, so bekommen wir für die erste Ver-
suchsreihe (Gelb und Orangenblüte) das Zahlenverhältnis der
Besuche Farbe: Duft = 1:1,26, für die zweite Versuchsreihe
Melb und Penchel sub) Farbe:Duft = 1:728 Auch bei
den letzteren Versuchen war, trotz der intensiven Wirkung
des Fenchelduftes, der Anflug: der vom Stocke kom-
menden Bienen stets gegen die Farbe gerichtet. Erst
in nächster Nähe des Flugloches stutzten sie, umschwärmten das
Farbkästchen, ließen sich auch oft am Rande seines Flugloches
nieder und krochen um dasselbe herum, wobei sie häufig den Kopf
prüfend zum Loch hineinsteckten — meist ohne schließlich hinein-
zuschlüpfen. Die Bienen aber, welche, die Kästchen absuchend und
überall „hineinriechend“, an das Flugloch des Fenchelkästchens ge-
rieten, schlüpften fast alle ohne Zögern hinein. |
In einer anderen Versuchsreihe (15 Versuche) war die Anord-.
nung in der Weise modifiziert, dab nicht die ganze Vorderfront des
Dressurkästchens, sondern nur die Umgebung seines Flugloches mit
gelbem Papier bekleidet war. Das farbige Blatt, aus welchem ein
Loch ausgestanzt war, mab 5 X 5 cm und wurde mit kleinen Steck-
_ nadeln am Kartonkästchen befestigt (vgl.
Fig. N). Das Innere des Kästchens wurde
mit Tuberosenduft (wohlriechendes
Ol, vgl.S.18) beschickt. Ich wollte sehen,
ob die verminderte Größe des farbigen
Papieres eine wesentliche Änderung im
Verhalten der Bienen bedinge. Die hier
gewählten Maße des farbigen Pa-
pieres entsprechen den Dimen-
sionen kleinerer Blütenstände
oder größerer Einzelblüten, die
Intensität des Duftes entsprach Fio. N.
nach unserem Empfinden einer
stark duftenden Blume. Auch die Qualität des Duftes war
durchaus natürlich, da ein nach dem Enfleurageverfahren gewonnenes
„wohlriechendes Öl“ verwendet wurde.
| Bei den Versuchen benahmen sich die Bienen ebenso wie bei
den früheren Experimenten. Trotz der geringeren Größe
by _
oe :
if
ie
72 Karu v. Frisch,
des farbigen Papieres flogen sie aus der Entfernung
gegen die Farbe an und fanden den Duft erst auf, wenn sie
suchend in seine Nähe kamen; und wie in fast allen früher be-
sprochenen Versuchen schlüpften sie in das Duftkästchen weniger
widerstrebend hinein als in das Farbkästchen, so daß ersteres durch-
schnittlich doppelt so stark besucht wurde wie das letztere. Auf
eine Wiedergabe der Versuchsprotokolle kann ich wohl verzichten,
sie würden uns nichts neues lehren.
Eine Frage aber bedarf noch der näheren Untersuchung. Bei
allen bisher beschriebenen Experimenten war die Farbe an der
Außenseite des Kästchens angebracht, der Duftstoff befand sich
in seinem Inneren. Ist die stärkere Frequenz des Duftkästchens
in den meisten Versuchen vielleicht auf diesen Umstand zurück-
zuführen? Es wäre denkbar, daß sich so die Bienen daran ge-
wöhnten, unter Leitung des Auges an das Kästchen heranzufliegen,
dann aber unter der Leitung des Geruchsinnes in sein Inneres zu
schlüpfen. Es war zu prüfen, ob nicht bei den Versuchen die
Frequenz des Farbkästchens zunahm, wenn auch die Farbe, so
wieder Duft, imInneren desKästchens geboten wurde,
wenn also die Bienen durch die Farbe nicht nur zum Kästchen hin,
sondern ins Kästchen hineingeleitet würden. Auch aus einem anderen
Grunde war in diesem Falle eine Verschiebung der Frequenzzahlen
zugunsten der Farbe möglich: bei der bisherigen Anordnung konnten
die Bienen die Farbe nur beim Anfliegen wahrnehmen; sobald sie
sich im Kästchen befanden, war sie ihren Blicken entzogen. Wenn
die Farbe im Inneren angebracht war, konnten während der Dressur
Duft und Farbe gleich lange auf die Bienen wirken und a ihrem
Gedächtnis einprägen.
Sollte die Farbe im Inneren des Knsbehens sichtbar gemacht
werden, so durfte dieses nicht dunkel sein. Es wurden deshalb von
den Kartonkästchen die Deckel abgeschnitten und durch aufgelegte
Glasplatten ersetzt. Wären diese Kästchen so wie bisher frei auf-
gestellt worden, so hätten die umherschwärmenden Bienen von oben
durch das Glas die Farbe erblickt. Dies wurde dadurch verhindert,
daß die Kästchen hinter einem Schirm aufgestellt wurden. Die An-
ordnung ist aus Fig. O ersichtlich. An den beiden Enden eines
2,30 m langen Brettes sind, senkrecht zu diesem, zwei 68 cm lange
Bretter befestigt und oben durch eine Latte (Z) miteinander ver-
bunden. Der so entstehende Rahmen ist mit grauem Papier be-
Über den Geruchsinn der Bienen, 3
spannt, in welchem unten 11 Ausschnitte von je 7 cm Breite und
5 cm Höhe angebracht sind. Hinter diesen Ausschnitten werden
11 Kartonkästchen so aufgestellt, daß zwischen je 2 Kästchen ein
Abstand von 10 cm ist. Die Innenwände des Dressurkästchens (so-
wohl die Seitenwände wie der Boden) sind mit gelbem Papier aus-
gekleidet, das Duftbänkchen (um die Hälfte verschmälert, um dem
c f
a
Fig. 0.
a Vorderansicht. 5b Querschnitt. B Brett. LZ Latte. P graues Papier.
K Kartonkästchen. G Glasplatte.
~
farbigen Papier möglichst wenig Oberlicht zu nehmen) ist mit dem
wohlriechenden Ol Orangenbliite beschickt. Die 10 übrigen Käst-
chen bleiben ohne Riechstoff und sind auf die gleiche Weise innen
mit grauem Papier ausgelegt wie das Dressurkästchen mit gelbem.
Das Gelb im Innern des Dressurkästchens ist durch das Flugloch
desselben deutlich sichtbar. An der Vorderwand des Kästchens ist.
kein farbiges Papier angebracht. Die anfliegenden Bienen sehen also
einen gelben Fleck, dessen Ausdehnung nur einer kleinen Blume ent-
spricht. Erst beim Hineinschlüpfen in das Kästchen sehen sie eine große
gelbe Fläche — wie auch beim Besuch eines Blütenkelches häufig fast
das ganze Gesichtsfeld der Biene von der Blütenfarbe ausgefüllt wird.
Bevor ich auf die Versuche selbst eingehe, sei mir eine kleine Ab-
schweifung gestattet. Eine Beobachtung möchte ich schildern, die, wie mir
scheint, als Beitrag zur Psychologie der Biene von Interesse ist.
Kaum hatte ich die neue Versuchsanordnung aufgestellt und die ersten
Bienen ins Dressurkästchen gelockt, so zeigte sich eine unvorhergesehene
Schwierigkeit: die Tiere, die sich am Futterglase vollgesogen hatten,
flogen alle, statt gegen das Flugloch zu laufen, nach oben dem Himmels-
licht zu und schwärmten am Glasdeckel des Kästchens wild herum, wie
es Insecten zu tun pflegen, die aus einem Zimmer beim Fenster hinaus
wollen und an die geschlossenen Scheiben stoßen. Dann wieder rannten
sie, anscheinend ermattet von ihrem vergeblichen Bemühen, planlos an
den Innenwänden des Kästchens herum, um bald von Neuem iu die Höhe
zu fliegen. Schließlich aber gelangte die eine oder andere zufällig in die
74 Kart v. Friscu,
Nähe des Flugloches und entfloh durch dieses. Der Eindruck war derart,
daß ich fest überzeugt war, die geplanten Versuche würden scheitern.
Aber schon nach einer Stunde war das Benehmen der Bienen wesent-
lich anders. Etwa ein Drittel oder fast die Hälfte von ihnen lief, voll-
gesogen, vom Futternäpfchen direkt zum Flugloch (das Futterglas war so
aufgestellt, daß sich das Näpfchen in einer hinteren Ecke des Kästchens
befand). Andere liefen zunächst am Futterglase oder an der Innenwand
des Kästchens hoch, bis sie am Glasdeckel anstießen, machten dann scharf
kehrt, liefen wieder hinunter und über den Boden des Kästchens direkt
und gleichsam zielbewußt zum Loch hinaus. Wieder andere schwärmten
wohl noch ein bißchen am Glas herum, flogen aber dann meist sehr bald
an die innere Vorderwand des Kästchens und liefen an dieser direkt zum
Flugloch. Am meisten aber bat mich interessiert, daß viele Bienen vom
Näpfchen eine gewisse Strecke am Futterglase oder an einer Innenwand
aufwärts liefen, dann aber, noch weit vom Glasdeckel entfernt, mit einer
scharfen Wendung umkehrten, als wenn sie sich plötzlich ihrer früheren
Erfahrungen erinnerten, und über den Boden des Kästchens direkt. zum
Flugloch liefen. Es kann einem das Lernvermögen der Bienen, ihre
Fähigkeit Erfahrungen zu verwerten, nicht deutlicher vor Augen kommen
als in diesem Verhalten der Tiere. Eine „Reflexmaschine“ kann sich so
nicht benehmen. +)
In den folgenden Stunden und Tagen machten die Bienen keine
weiteren Fortschritte. Stets liefen viele zunächst nach oben, um dann
scharf umzukehren und zum Flugloch zu laufen, stets schwärmten einige
am Deckel herum, bevor sie zum Ausgang flogen. Es schien, als be-
stünden im Lernvermögen starke individuelle Unterschiede. Doch habe
ich keinen Beweis dafür, daß sich dieselben Individuen stets gleich be-
nahmen. Markierungsversuche würden hier Aufschlaß bringen. ?)
1) Man darf andererseits das Lernvermögen der Bienen nicht über-
schätzen. Wir werden später (Kap. XI) Versuche zu besprechen haben,
in welchen sie sich recht wenig gelehrig zeigten. _
2) Nachträglich finde ich bei v. BUTTEL-REEPEN (20, p. 467, 468)
eine Beobachtung an stachellosen Bienen (Trigona emerina K.), die mit
meinen Wahrnehmungen in erfreulicher Weise übereinstimmt:
„In den kühlen Herbsttagen liess ich ein aus Paraguay stammendes
Völkchen stachelloser Bienen, das sich in einem fast 8 cm starken Bambus-
stamme befand, bei Sonnenschein zwischen einem Doppelfenster meiner
Studierstube fliegen. Das Verhalten der Bienen änderte sich innerhalb
weniger Tage. Während anfänglich alle -abfliegenden direkt gegen das
Aussenfenster. flogen, nachdem zuvor ein kurzer Orientierungsausflug vor
dem Flugloch gemacht war und sich dort müde „krabbelten“, ohne den
Rückweg zum Nest zu finden, lernte es eine Anzahl Bienen nach 3—4
Tagen in dem schmalen hohen Raume ergiebig zu fliegen und dann das
Flugloch wiederzugewinnen.
_ Hier haben wir ein sehr befriedigendes Beispiel von Lernvermögen.
Die Bienen überwanden den starken Lichtreiz, der sie stets gegen das
Aussenfenster zog und durch sorgfältiges Orientieren im Raume, das genau
Über den Geruchsinn der Bienen. 75
Was nun die Experimente anlangt, so schien die erste Ver- _
suchsreihe die oben ausgesprochene Überlegung zu bekräftigen. Das
Farbkästchen wurde nun stärker besucht als das Duftkästchen. Bei
den Versuchen wurden zwei reine Kästchen aufgestellt, von denen
eines innen mit gelbem Papier ausgekleidet und nicht mit Duft be-
schickt, das andere mit grauem Papier und mit Orangenbliitenduft
versehen war. Diese beiden Kästchen wurden an korrespondieren-
den Stellen, gleich weit vom letzten Dressurplatze entfernt, aufge-
stellt. An den übrigen Plätzen standen die grauen, duftlosen Käst-
chen, welche auch während der Dressur aufgestellt waren. Ich
bringe zunächst das Ergebnis von 4 nach zweitägiger Dressur unter-
nommenen Versuchen, bei welchen die Frequenz sämtlicher Kästchen
beobachtet wurde:
Tabelle 58.
Pe eet steel asl eS) AE PE EE EE
Beobachtungszeit | SE | 55 [5 se] SS] es [Grau | Se |s&|s£|=s&|s$
CSCS ES|CS ICE [duftls] OZ [SES ER ENS E
=)
3.9.1916 10712 | 0 | 0 2 O0 0 RO detest 0
| 0 0 1 0 0 0 0 0 le ae 1)
BB 6 0 | 0 0 02.0.1 76.) 0'120
a EO 1 0} 0 0 Ot Otol Ot 0
621.0 1 DO 0 DUO 1370,10
Summa | 0 | 0 | ia | U | 0 | 0 | 0 FTSE ON Et
Tabelle 59.
Is21=22|=23|=:3|-2| * |-2|-3|=22|-2|-3
Beohbachtunpszet, | SE] se I BEI sel SS Grau JESIE EIS LEISElSE
= 53123 |73|935 [CS [duftlos['® 2/5 3 7 ES Dry
3.19. 1916 120-3 | 0 | 0 121° 021.0 Bi. 051021,.0::71° Ot 0
0821740 SPO Or OO 1.0412 IO" 0
Oc 1 0 3 Oe 1.0 Or Ont 6.10 0
Gop Oe a6 Ut 0 Oar Or tOc 10,321. 0:70
er ser yO Or kh O) pO 1 Oc] . 0°) [0°] -0
pom 0730757107700 707707 0 |. 11 | 0 E 0
so vor sich ging, wie bei dem früher geschilderten der Apis mellifica,
lernten sie die vom Normalen so außerordentlich abweichenden Flug-
bedingungen kennen und adaptierten sich in verhältnismäßig kurzer Frist.
„Beachtenswert erscheint, daß nicht alle Individuen dieses schnelle
‚Lernvermögen zeigten. Viele mußten abends stets wieder an das Flug-
loch gesetzt werden... .“
Karu v. FrıscH,
76
Tabelle 60.
soup
neu
sop}7np
nein)
somp
179
so47nPp
neun
sopznp
neun
uoIngq
-WISUBAY
nevi
s0]47nP
nenn)
sopyzup
neig
Beobachtungszeit
|
0
0
4
0
3./9. 1916 133—38
Summa | 0 | 0) |
Tabelre:ht,
sopjnp
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sojJmp
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ung
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ne1H
sopzup
nen)
sopmp
419
SO[}}np
neiy
sopnp
neu
Beobachtungszeit
3./9. 1916 145—50
0
Summa | 0 | 0 [107 | 9 | O |
aa ee
In 12 anderen Versuchen wurde bei gleicher Aufstellung nur
die Frequenz des Farb- und Duftkästchens gezählt.
In Tabelle 62
sind die Zahlen (Summen von je 5 Minuten) eingetragen.
Tabelle 62.
Grau
Orangen-
bliite
Gelb
duftlos
Beobachtungszeit
© [D [DI | © iD» | Isa 19 IN [SO |
OO fC) 19 a II IN IN | | |
os
Ad SERIE
Swan |S OD nm re m
En = | |
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Free el es eae 6 ba Ne)
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OH rt st Am | let | Sd [SD ISS
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TA | [+ | |
| ls |
De D + ee ig DE | fake 3 ae =
a |
Über den Geruchsinn der Bienen. 77
Wieder war das Anfliegen gegen die Farbe deutlich,
wenn auch nicht so auffallend wie in den früheren Versuchen. An
den Fluglöchern beider Kästchen war ein Zögern der Bienen be-
merkbar, aber, im Gegensatz zu den früheren Versuchen, beim Farb-
kästchen weniger als beim Duftkästchen. Das Farbkästchen erhielt
durchschnittlich angenähert doppelt so viele Besuche wie das Duft-
kästchen, während in fast allen früheren Versuchen das Duftkästchen
stärker besucht worden war.
Trotzdem glaube ich, daß es keine wesentliche Rolle
spielt, ob man bei den Versuchen die Farbe innen oder
außen anbringt, und daß das abweichende Ergebnis dieser Ver-
suchsreihe durch andere Umstände bedingt war. Denn als ich im
folgenden Jahre die Versuche mit,der gleichen Dressurfarbe, dem
gleichen Dressurduft und mit genau derselben Anordnung wieder-
holte, wurde das Farbkästchen nicht stärker, sondern sogar durch-
schnittlich etwas schwächer besucht als das Duftkästchen (vgl. Ta-
belle 63). Die Durchschnittszahlen der Besuche verhielten sich
Farbe:Duft=1:1,45. Das war aber fast dasselbe Verhältnis,
wie ich es in einer unmittelbar vorher durchgeführten Versuchsreihe
fand (Farbe: Duft = 1:1,26), bei welcher die gleiche Dressurfarbe
und der gleiche Dressurduft verwendet wurden, aber die Farbe an
der Außenseite des Kästchens angebracht war (diese Versuche
sind auf S. 68, 69 besprochen).
Tabelle 63.
Grau
Beobachtungszeit Gelb Orangen-
duftlos nlite
- _25,/8. 1917 1045-50 12 | 25
” ” 1055 —1 190 25 39
i 3 1 117—22 20 33 13
= i, 1130—35 16 34
ee & 1230—35 10: 26
1240—45 31 29
Worauf die Verschiedenheit der Resultate bei der Wiederholung
des gleichen Versuches zurückzuführen ist, kann ich nicht sagen.
Aus meinen Aufzeichnungen geht hervor, daß verschiedene
Witterungs-, insbesondere verschiedene Temperaturverhältnisse hier-
für nicht verantwortlich gemacht werden können. Vielleicht habe
78 Kart v. Frisch,
ich bei der Wiederholung des Versuches das Dressurkästchen etwas
häufiger mit frischem Duftstoff versehen als im Jahr vorher, so daß
es etwas stärker duftete. Die Differenzen im Zahlenverhältnis sind
nicht so groß, daß diese Deutung auszuschließen wäre.
Überblicken wir die Ergebnisse aller Versuchsreihen, so zeigt
sich, daß sich die eingangs gestellte Frage, ob der Blumenduft oder
die Blumenfarbe von seiten der Biene größere Beachtung findet, nicht
allgemeingiltig beantworten läßt, sofern wir die Anzahl der Bienen,
welche das Duft- resp. Farbkästchen besuchen, als Maßstab nehmen.
Denn bei der Verwendung verschiedener Düfte erhält man ver-
schiedene Resultate, wobei die Intensität des Duftes ausschlag-
gebend zu sein scheint. :
Soviel aber läßt sich sagen: es macht den Eindruck, als wiirden
die Bienen dem Blumenduft, sofern er nicht allzu schwach ist,
mehr vertrauen als der Fee denn das Duftkästchen er-
hielt fast stets einen stärkeren Besuch als das Farbkästchen.
Andrerseits steht fest, daß bei allen Versuchen die Farbe .
aus beträchtlicher Entfernung, der. Duft erst aus
nächster Nähe wahrgenommen wurde, auch dann, wenn ein
intensiver Duft zur Anwendung kam und wenn die farbige Fläche
recht klein war.
IV. Das Gedächtnis der Biene für Duft und Farbe.
Bei meinen Versuchen über den Farbensinn der Bienen habe
ich mich gelegentlich davon überzeugt, daß die Tiere, welche, nach
mehrtägiger Dressur auf Gelb, nun auf eine andere Farbe (Blau)
dressiert wurden, die frühere Dressurfarbe mehrere Tage lang im
Gedächtnis behielten (vgl. 39, p. 74 ff.). Vom Beginn der Blaudressur
an war ihnen nie mehr auf gelber Unterlage Futter geboten worden,
ja sie bekamen gar kein gelbes Blatt Papier mehr zu sehen, außer
bei den höchstens einmal täglich vorgenommenen Versuchen. Bei
diesen Versuchen nun wurde ihnen neben zahlreichen grauen
Papieren von verschiedener Helligkeit je ein blaues (derzeitige
Dressurfarbe) und ein gelbes (frühere Dressurfarbe) Papier vorge-
legt. Das Gelb verlor für sie von Tag zu Tag an Anziehungskraft,
aber es wurde noch nach 4 Tagen weit stärker beflogen, als es
jemals bei blau-dressierten Bienen der Fall war, wenn sie nicht
zuvor auf Gelb dressiert gewesen waren. Sie erinnerten sich also
Über den Geruchsinn der Bienen. 19
noch nach 4 Tagen daran, daß ihnen ehemals das Gelb den Platz
des Futterschalchens angezeigt hatte.
Auch bei der Dressur auf Düfte prüfte ich mehrmals, wie lange
sich die Bienen an einen ehemaligen Dressurduft erinnerten. So
konnte ich feststellen, daß sie nach 2tägiger Dressur auf den Duft
von Isobutylbenzoat (ygl. 8. 185ff.), als sie hernach auf anders-
artige Riechstoffe dressiert wurden, nicht nur am 2., 3. und 4. Tage
nach Beginn der neuen Dressur, sondern auch noch am 7. Tage
ein mit Isobutylbenzoat beschicktes Kästchen. vor anders duftenden
bevorzugten. Erst. am 10. Tage schienen sie ihre früheren Er-
fahrungen mit dem Isobutylbenzoat vergessen zu haben, jetzt erst
hatte dieses jegliche Anziehungskraft für sie verloren. Und dies
bei einem Duft, der recht wenig Ähnlichkeit mit Blütendüften hat
und bei welchem die Dressur lange nicht so gut gelungen war, wie
die Dressur auf blumenhafte Gerüche zu gelingen pflegt (vgl. Kap. XI).
Ein andermal dressierte ich die Bienen 21}, Tage lang auf
Bromstyrol, das einen hyazintenartigen Geruch besitzt. Im An-
schlusse hieran wurden Versuche mit anderen Riechstoffen durch-
geführt, und 10 Tage lang bekamen die Bienen keine Spur von
Bromstyrol zu riechen, geschweige denn daß sie in einem Brom-
styrolkästchen gefüttert worden wären. Als ich nach Ablauf dieser
Frist 7 Kästchen (Steingut) aufstellte (Anordnung wie in Fig. H,
S. 27), von denen 2 mit Bromstyrol beschickt, 5 duftlos waren,
wurden die ersteren zwar bei weitem nicht so lebhaft besucht wie
seinerzeit während der Dressur auf Bromstyrol, aber doch vor den
duftlosen Kästehen deutlich bevorzugt. Einige Bienen hatten also
die vor. 10 Tagen abgeschlossene Dressur noch. nicht vergessen;
viele von den damals dressierten Bienen mochten inzwischen aus-
geblieben sein, andere sich im Verlaufe der 10 Tage neu zugesellt
haben, und so war gar nicht anzunehmen, daß alle anwesenden
Bienen ehedem auf Bromstyrol dressiert waren. Das Resultat der
Zählung ist aus Tabelle 64 ersichtlich (die Buchstaben geben die
Plätze der Kästchen an, vgl. Fig. H, S. 27).
Tabelle 64.
b C d e g
a
Beobachtungszeit Brom- Brom- duftlos duftlos |duftlos|duftlos|duftlos.
styrol styrol
30./8. 1917 355— 400 0 7 4 0 0 0 0
4. 5 0 0 0 0 0
7 3 Or 0 0 0 0
6 4 0 2 0 0 0
5 3 0 0 0 0 0
Summa | 22 | 22 | 4 2 | 0 | 0) | 0
80 Karu v. Frisch,
Erst als ich den Versuch 13 Tage nach Abschluß der Dressur
auf Bromstyrol nochmals bei der gleichen Anordnung wiederholte,
wurden die Duftkästehen nicht mehr stärker besucht als die duft-
losen. |
Es schien mir demnach, als würden sich Düfte dem Gedächtnis
der Biene besser einprägen als Farben. Um hierüber in einwand-
freier Weise Aufschluß zu erhalten, versah ich ein und dasselbe
Dressurkästchen mit Farbe und Duft, ebenso wie es bei den im
‚vorigen Kapitel beschriebenen Versuchen geschehen war, ging dann
nach Ablauf einer bestimmten Frist zu einer anderen Dressurfarbe
und einem anderen Dressurduft über und prüfte nun von Zeit zu
Zeit das Gedächtnis der Bienen für beide Faktoren, indem ich ihnen
Farbe und Duft der ersten Dressur gleichzeitig, aber räumlich ge-
trennt darbot. Als Dressurdüfte wählte ich naturwahre Blumen-
düfte (wohlriechende Öle), um die Versuchsbedingungen mit den
natürlichen Verhältnissen beim Blütenbesuch vergleichbar zu machen.
Im einzelnen gestaltete sich der Versuch folgendermaßen. Ich
stellte 9 Kartonkästchen in einer Reihe nebeneinander in gleichen
Abständen (zwischen je 2 Kästchen ca. 10 cm Zwischenraum) auf.
Als Dressurfarbe sollte Blau (No. 13 der Herme’schen Farbenserie),
als Dressurduft das wohlriechende Öl Tuberose dienen. Bevor
ich mit der Dressur begann, überzeugte ich mich, das derzeit weder
die blaue Farbe noch der Tuberosenduft die Bienen im geringsten
anlockte: Ich versah ein Kartonkästchen mit einem blauen Papier,
welches seine ganze Vorderfront bedeckte und nur das Flugloch
freiließ, ein anderes Kästchen mit einigen Tropfen des Tuberosen-
blütenöles, während die 7 übrigen Kästchen ohne Farbe und ohne
Duft blieben. In keinem war natürlich Futter. Die Bienen
flogen ganz ziellos vor den Kästchen herum, und die stattlichen Be-
sucherzahlen (vgl. Tabelle 65), welche bei manchen von ihnen zu
verzeichnen waren, trugen den Charakter von Zufallsbesuchen, da-
durch bewirkt, daß eine oder wenige, in ein beliebiges Kästchen
schlüpfende Bienen andere Tiere zum Nachfolgen veranlaßten (vgl.
S. 30).
Die Bienen waren an dem für diese Versuchsreihe gewählten Dressur-
platze vor dem Beginn des Versuches weder auf einen Blumenduft noch
auf eine Farbe dressiert, wohl aber schon in Kartonkästchen gefüttert
worden. |
Über den Geruchsinn der Bienen. 81
Tabelle 65.
Beobachtungs- | Grau | Grau | Blau | Grau | Grau | Grau Grau |Grau |Grau
zeit AuftlosjduftlosjduftlosjduftlosjduftlosiduftlosjTuberoselduftlosiduftlos
30./8 1917 0 1 0 8 0 0 0 1 0
255—300 0 0 0 25 0 0 0 0 0
0 0 0 25 5 ok 1 1 0
0 0 0 6 9 32 0 13 0
0 0 2 16 it 19 1 8 1
Summa | 0 | 1 | 2 | 80 | 25 | 82 | 2 | 23 | 1
Sowohl das Duft- wie das Farbkästchen wurden
also so gut wie völlig ignoriert; beide erhielten zufällig
gleich viel, nämlich je 2 Besuche.
Nun brachte ich das blaue Papier an dem Tuberosenkästchen
an und fütterte in diesem Kästchen auf die gewohnte Weise. Die
Bienen wurden so am 30./8. von 3—*/,6h und am 31./8 von '/,9—11h,
im ganzen also ca. 5 Stunden lang auf Blau und Tube-
rosenduft dressiert. Kurz vor Beendigung dieser Dressur
machte ich zwei Versuche, um zu sehen, in welchem Verhältnis nun-
mehr Duft und Farbe die Bienen anlockte. Die Anordnung war
genau so wie bei dem oben beschriebenen, knapp vor Dressurbeginn
unternommenen Versuch (Tabelle 65). Das erste Mal wurde das
Duftkästchen links, das Farbkästchen rechts aufgestellt, das zweite
Mal umgekehrt. Die Frequenzen der Kästchen in beiden Versuchen
sind in Tabelle 66 und 67 eingetragen. Wie nach unseren früheren
Erfahrungen’ zu erwarten war, schlüpften in das Duftkästchen etwas
mehr Bienen hinein als in das Farbkästchen. Die grauen und zu-
gleich duftlosen Kästchen fanden natürlich wenig oder keine Be-
achtung.
Tabelle 66.
. Beobachtungszeit Mieten | At, | mie a ee ae ee
9 22
13 19
25 26
Le Re ATEN 28 28
ROLL | 79 | TE
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 6
82 Karu v. Frisch
Tabelle 67.
Beobachtungszeit | | Ba. an
31./8. 1917 1045-50 15 94
12 26
1 25
25 34
22 37
Summa | 81 | 146
Von nun ab (31/8 11h) wurden die Bienen auf Gelb
(No. 4 der Hrrıng’schen Farbenserie) und Akazienduft (,Cassie“,
wohlriechendes Öl) dressiert, ohne daß im übrigen die Versuchs-
anordnung geändert wurde. Blaues Papier und Tuberosenduft
wurden vom Dressurplatze und seiner Umgebung peinlich fernge-
halten. Nach 2 Tagen wurden den Bienen, abermals in der
oben beschriebenen Anordnung, ein blaues Kästchen und ein
Tuberosenkästchen dargeboten, nachdem das gelbe, nach
Akazien duftende Dressurkästchen entfernt worden war. Das Re-
sultat der Zählung ist aus Tabelle 68 zu entnehmen.
Tabelle 68.
Grau | Grau | Blau | Grau a Grau SE Grau | Grau
Beobachtungszeit duftlos{duftlos|duftlos}duftlos durtion duftlos ee duftlos duftlos
2.19. 1917 255—300 0 0 0 0 0 1 10 0 0
0 0 0 0 0 0 9 0 0
0 0 0 0 0 if 10 0 0
0 0 0 0 0 0 10 0 0
0 0 0 0 2 0 12 0 1
Sammea.. | 0 [-0 {Of Os]. ENT ANT SENS
Bei einem zweiten Versuche erhielt das Blau-Kästchen 4, das
Tuberosen-Kästchen 93 Besuche. In beiden Fällen wurde
das blaue Kästchen deutlich umschwärmt, viel stärker
als eines der grauen Kästchen, aber lange nicht so stark wie in
den Versuchen, die 2 Tage vorher während der Blau-Tuberosen-
Dressur unternommen worden waren. Es zeigte sich also, daß
sich die Bienen nach 2 Tagen noch an die ehemalige
Dressur auf Blau erinnerten, aber zum Hinein-
schlüpfen in das Kästchen vermochte sie die blaue
FR > à
Über den Geruchsinn der Bienen. 83
Farbe nicht oder kaum mehr zu bewegen, während
das Tuberosenkästchen noch stark besucht wurde.
Nun wurde weiter auf Gelb und Akazienduft dressiert. Am
nächsten Tage, also 3 Tage nach der Dressur auf Blau und Tube-
rosenduft, zeitigte eine Wiederholung des Versuches folgendes Er-
gebnis:
Tabelle 69.
eee ee ee
Grau =
: Grau | Grau _| Grau Grau | Blau | Grau | Grau
Beobachtungszeit duftlosiduftlos ae duftlos 2 Fle ‘ duftlos|duftlos|duftlos|duftlos
3./9. 1917 345—50 0 0 0 0 0. 0 0 0 0
0 0 3 0 2 0 1 0 0
0 0 5 0 1 0 0 0 0
Or 0 10 2 2 2 À 0 0
0 0 25 0 1 6 0 0 0
Summa | 0 | 0 | 43 | 2 | 6 | 8 | 2 | 0 | 0
Ein zweiter Versuch fiel im gleichen Sinne aus. In beiden
Fällen wurde nun das blaue Kästchen auch nicht mehr
umschwärmt, während das Tuberosenkästchen im Ver-
gleich mit allen übrigen noch relativ lebhaft besucht
wurde.
Nach weiteren 2 Tagen, also 5 Tage nach Beendigung der
ersten Dressur, war das Resultat eines abermaligen Zählversuches:
Tabelle 70.
| % Grau |
., [Grau | Grau | Blau | Grau Grau Grau |Grau
Beobachinngszeit duftlosiduftlosjduftlosjduftlos ee „[duftlos Be duftlos|duftlos
OOo wen ole OF doi: | OF] Oo Br 310 | 0
0 0 0 0 0 0 5 2 0
0 0 0 el 2 0 12 0 0
0 0 ered QE 0 0 14 i 0
0 0 0 4 1 0 16 0 0
Sunma 70570 ll. ,8 Pee OL eae fe UE
Eine Wiederholung des Versuches, 10 Minuten später, führte
wieder fast zu den gleichen Zahlen. Und wiederum wurde in beiden
Fällen das Blau nicht mehr umschwärmt als irgendeines der grauen
duftlosen Kästchen. Die Erinnerung an den Tuberosenduft wäre
6*
84 | Karu v. Frisch,
wohl, in Übereinstimmung. mit den früher besprochenen Versuchen,
noch durch mehrere Tage zu verfolgen gewesen. *)
Es könnte jemand einen Widerspruch darin finden, daß sich nach meiner
früheren Beobachtung (S. 78) die auf Gelb dressierten Bienen noch
nach vier Tagen an die gelbe Dressurfarbe erinnerten, daß aber
nach meiner jetzigen Angabe die Blau-dressierten Bienen schon nach
drei Tagen die blaue Dressurfarbe vergessen hatten. Es muß jedoch
berücksichtigt werden erstens: daß die Bienen in jenen Versuchen mehrere
Tage hindurch, in diesen Versuchen aber nur fünf Stunden lang auf die
Farbe dressiert worden waren; zweitens: daß sie in jenen Versuchen auf
die Farbe allein, in diesen Versuchen auf Farbe und Duft zugleich dressiert
waren; im letzteren Falle mußte, als ihnen zur vergleichenden Prüfung
ihres Gedächtnisses Farbe und Duft getrennt geboten wurden, schon das
Fehlen des Dressurduftes dem Besuche des Farbkästchens Abbruch tun.
Diese Versuchsreihe brachte also eine volle Bestätigung der
oben ausgesprochenen Vermutung, daß sich der Blütenduft
dem Gedächtnis der Biene besser einprägt als die
Farbe. Vielleicht haben wir hier eine weit verbreitete Erscheinung
vor uns, die in der Natur des Geruchsinnes begründet liegt. Können
doch auch uns Menschen durch Geruchseindrücke längst vergangene
Situationen mit einer Lebhaftigkeit ins Gedächtnis gerufen werden,
wie durch keinen anderen Sinn. Doch wissen wir nicht, wie sich
die übrigen Insecten in dieser Beziehung verhalten.
Man könnte dem Umstande, daß die Bienen gerade für Düfte
ein so vorzügliches Gedächtnis haben, auch eine biologische Be-
deutung zuschreiben. Es ist zu bedenken, daß diese Tiere als Di-
chromaten die Welt der Farben viel weniger mannigfaltig sehen
als wir; sie unterscheiden nur „warme“ und „kalte“ Farben, aber
sie unterscheiden zahllose Düfte. Einen gegebenen Blumenduft aus
der Fülle der bestehenden Düfte wieder herauszufinden, stellt offen-
bar eine viel größere Anforderung an das Gedächtnis der Biene
dar, als sich zu merken, daß eine Blüte gelb und nicht blau oder
1) Der geschilderte Versuch hat zur Voraussetzung, daß für die
Bienen der Tuberosenduft vom Akazienduft so verschieden ist, daß man
sie nicht etwa durch Dressur auf Akazienduft zum Besuch eines Tuberosen-
kästchens veranlassen kann. Obwohl diese Voraussetzung bei dem ver-
schiedenen Geruch und der verschiedenen chemischen Zusammensetzung
der beiden Duftstoffe von vornherein gemacht werden konnte, habe ich
mich überdies im folgenden Jahre davon überzeugt, daß auf Akazienduft
dressierte Bienen durch Tuberosenduft nicht angelockt werden, auch dann
nicht, wenn man ihnen beim Versuch nur diesen und keinen Akazienduft
darbietet.
Über den Geruchsinn der Bienen. . 85
weiß war. In diesem Sinne wäre die Tatsache als Anpassungs-
erscheinung wohl verständlich. Doch gebe ich zu, daß wir uns mit
solchen Betrachtungen auf ein unsicheres Gebiet begeben. Und
hätten uns die Versuche das Gegenteil gelehrt — wir könnten auch
eine Deutung finden.
In der Praxis des Experimentierens muß das gute Gedächtnis
der Bienen für Düfte strenge berücksichtigt werden. Ihr Verhalten
gegenüber einem Duft, der mit einem früher gebrauchten Dressur-
duft identisch oder sehr ähnlich ist, könnte sonst leicht zu Fehl-
schlüssen Anlaß geben.
V. Haben „geruchlose“ unscheinbare Blüten, welche von Bienen
stark besucht werden, einen für uns nicht wahrnehmbaren Duft?
Bei den vergleichenden Versuchen über die Bedeutung von
Duft und Farbe haben wir gefunden, daß keiner der beiden Fak-
toren in seiner Wirksamkeit dem anderen entschieden überlegen
ist, daß beide für die Orientierung der Biene von großer Wichtig-
keit sind. So war es ja fast zu erwarten. Es wird dadurch die
Tatsache verständlich, daß Farbe und Duft sehr häufig vikariierend
auftreten, indem viele auffallend gefärhte, große Blumen einen Duft
vermissen lassen, während andere, stark duftende Blüten nicht selten
von unscheinbarem Äußeren sind.
KERNER spricht sich über diesen Punkt folgendermaßen aus: „Es
wurde die Frage aufgeworfen, ob nicht zwischen Farbe und Duft
der Blüten eine Art Ergänzung oder Stellvertretung statt-
finde, so zwar, daß in jenen Fällen, wo die Anlockung der berufenen
Honig- und Pollenfresser durch lebhafte Farben der Blumenblätter ver-
mittelt wird, der Duft fehle und umgekehrt. Auf diese Idee wurde man
durch die Tatsache hingeleitet, daß viele Pflanzen, deren Blumen in den
grellsten Farben prangen, und die auch wegen ihrer Größe schon von fern
in die Augen fallen, beispielsweise jene der Kornblume (Centaurea Cyanus),
des Tausendschöns (Adonis aestivalis und flammea), viele Gentianen (Gen-
tiana acaulis, Bavarica, verna), verschiedener Arten der Gattung Läusekraut
(Pedieularıs incarnata, rostrata ete.), der Kamelie (Camellia Japonica), der
indischen Azalee (Azalea Indica) und zahlreicher Arten der Gattung Ama-
ryllis und Hemerocallis des Duftes völlig entbehren, während viele Blüten
mit unscheinbaren kleinen Blumen, wie z. B. die Reseda (Reseda odorata),
die Weinrebe (Vitis vinifera), der Epheu (Hedera Helix), die Gleditschie
(Gleditschia triacanthos), der Oleaster (Elaeagnus angustifolia), einen weithin
wahrnehmbaren starken Duft verbreiten. Es wäre hier auch zu ver-
zeichnen, daß die schon mehrfach erwähnten Pelargonien (Pelargonium
atrum und triste) und die Trauerviole (Hesperis tristis), welche schmutzig
86 | Karu v. Frisch,
gelbe und schwärzliche, für das beste Auge in der Dämmerung nicht
unterscheidbare Blüten tragen, starken Hyazinthenduft entwickeln, der
zahlreiche kleine Nachtschmetterlinge anlockt. So bestechend aber diese
Beispiele sein mögen, so lassen sich ihnen andrerseits wieder viele solche
entgegenstellen, welche zeigen, daß lebhafte und auffallende Farben nicht
selten auch mit starkem Dufte der Blüten zusammen vorkommen. Die
Rosen, Nelken und Levkojen, viele tropische Orchideen, die Magnolien,
die Narzissen, die großblütigen Rhododendren des Himalaja zeigen zum
wenigsten so viel, daß die erwähnte Annahme eine allgemeine Gültigkeit
nicht besitzt“ (58, Bd. II, p. 204, 205).
Nun gibt es aber auch Blüten, die weder augenfällig sind noch
duften und doch von Bienen reichlich besucht werden. Man könnte
meinen, dab sie einen Duftstoff produzieren, für den wir unempfäng-
lich sind, der aber von den Bienen wahrgenommen wird; ja KERNER
hat dies für jene Pflanze, auf welche in diesem Zusammenhange am
öftesten hingewiesen wird, mit Bestimmtheit angenommen. Er sagt
vom wilden Wein:
„Die zur Überkleidung von Lauben, Geländern und Mauern
häufig gepflanzte, zu den Reben gehörige Ampelopsis quinquefolia
entwickelt im Hochsommer Blüten, welche von den Bienen sehr gern
und sehr fleißig besucht werden. Die Farbe hat als Anlockungs-
mittel in diesem Falle keine Bedeutung; denn die Blüten haben
grünliche Kronenblätter, sind unter den Laubblättern versteckt und
werden selbst von guten Augen aus geringer Entfernung nicht
mehr bemerkt. Dennoch sieht man die Bienen von allen Seiten in
einer Weise anfliegen, welche keinen Zweifel übrig läßt, daß die
Blüten der Ampelopsis von diesen Tieren aus ziemlicher Entfernung
wahrgenommen werden. Da es nicht das Gesicht ist, so muß es
wohl der Geruch sein, der bei ihnen diese Wahrnehmung veranlaßt!
Für das Geruchsorgan des Menschen sind diese Blüten aber duftlos!“
(58, Bd. II p. 201). Sogar die Entfernung, aus welcher die Bienen
den problematischen Riechstoff wahrnehmen sollen, glaubt er angeben
zu können: ,. .. Sie riechen die für uns duftlosen Blüten der Am-
pelopsis auf 300 Schritt gerade so wie wir auf gleiche Entfernung
die Blüten der Weinreben“ (58, Bd. II, p. 203).
Diese Worte Kerxer’s sind wiederholt zitiert worden. Von
ZANDER (103, p. 136) werden sie als „schlagender Beweis“ für ein
gutes Geruchsvermögen der Biene angeführt. Auch mir schien
Kerner’ s Annahme sehr einleuchtend und umso mehr berechtigt,
als es zweifellos Insecten gibt, welche zu einem für uns duftlosen
~
Über den Geruchsinn der Bienen. 87
Objekt aus beträchtlicher Entfernung durch ihren Geruchsinn hin-
geleitet werden.
Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Anlockung der Männchen ge-
wisser Nachtschmetterlinge durch jungfräuliche Weibchen . ihrer Art.
FABRE setzte ein von ihm gezüchtetes Weibchen des Eichenspinners
(Lasiocampa quercus L.) unter einer Drahtglocke bei geöffnetem Fenster
in sein Arbeitszimmer. Trotz der großen Seltenheit des Schmetterlinges
in jener Gegend versammelten sich an einem einzigen Tage ca. 60 Männ-
chen in dem Zimmer und umschwärmten die Drahtglocke. Als FABRE
das Weibchen nahe dem offenen Fenster unter eine gut schließende Glas-
glocke setzte, die mit Sand bedeckte Schüssel aber, auf welcher das Tier
vorher unter der Drahtglocke gesessen hatte, samt dieser Glocke in einem
entfernten dunklen Winkel des Zimmers auf den Boden stellte, flogen die
ankommenden Männchen ohne Aufenthalt an dem Glase vorbei, unter
welchem, allen sichtbar, das Weibchen saß, und drängten sich in dem
entfernten Winkel um die leere Schüssel und die Drahtglocke. Man kann
diese Beobachtung nicht anders deuten, als daß ein Secret des Weibchens,
welches für die Schmetterlingsmännchen stark duftet, die Anlockung be-
wirkte, obwohl für das menschliche Riechorgan kein Duft wahrnehmbar
ist. An Nachtpfauenaugen machte FABRE die gleiche Beobachtung (33,
p. 80—92). STANDFUSS konnte in Zürich mit einem frisch ausgeschlüpften
Weibchen von Saturnia pavonia L., obwohl dieser Schmetterling in der
Gegend gar nicht häufig ist, an einem Tage zwischen !/,11 Uhr Vor-
mittag und 5 Uhr Nachmittag 127 Männchen anlocken. „Und doch
vermag unser Geruchsinn von dem Dufte solcher Schmetterlingsweibchen,
selbst wenn ihrer mehr als 50 gleichzeitig vorhanden sind, nicht das
Geringste wahrzunehmen“ [Hesse u. DOFLEIN (54) Vol. 1 p. 644]. Wie
intensiv der von dem Weibchen ausgehende, von uns nicht wahrnehmbare
‚Duft für das Geruchsorgan der Männchen sein muß, geht daraus hervor,
daß nach FOREL (36, p. 87) mitten in der Stadt Lausanne ein Schwarm
von Männchen das geschlossene Fenster eines Zimmers belagerte, in
welchem Weibchen des Nachtpfauenauges (Saturnia carpini) ausgeschlüpft
waren. |
Die angeführten Beispiele ließen sich leicht noch vermehren
[vel. z. B. Hesse u. Dortein (55) Vol. 2, p. 431, 432] und durch
andere Beobachtungen an Käfern, Schlupfwespen etc. bereichern.
Freilich ist etwas Vorsicht am Platze, wenn man aus solchen Be-
obachtungen ohne weiteres auf eine fabelhafte Schärfe des Geruch-
sinnes bei den betreffenden Insecten schließen will, wie es gewöhn-
lich geschieht. Da müßten wir erst die fraglichen Riechstoffe
kennen und wissen, ob wir nicht Düfte, für welche unser Geruchs-
organ sehr empfindlich ist, in ähnlicher Verdünnung, wie sie in jenen
Fallen in Betracht. kommt, noch wahrnehmen können. Für uns ist
hier nicht die Riechschärfe das Wesentliche, über die wir nichts
88 Karu v. Friscu,
wissen, sondern es interessiert uns die Tatsache, daß es für
manche Insecten Düfte gibt, die für uns keine Düfte
sind. Ein solcher für uns nicht wahrnehmbarer Duft könnte sehr
wohl auch beim Aufspüren der unscheinbaren Blüten des wilden
Weines eine Rolle spielen. Es fragt sich nur, ob es tatsächlich
der Fall ist oder nicht. Und dies läßt sich leicht prüfen. |
Ich ‚stellte in einer Reihe vier Kartonkästchen auf, von denen ich
zwei mit Futtergläsern versah, während die beiden anderen leer blieben.
Von einer Hausmauer, an welcher der wilde Wein in Blüte stand und
stark von Bienen beflogen wurde, nahm ich zwei Blütenbüschel, die neben
offenen Blüten auch Knospen enthielten, und legte sie auf die „Duft-
bänkchen“ der beiden Futterkästchen. Nachdem ich einen Tag lang in
der gewohnten Weise dressiert hatte, stellte ich vier Kästchen auf, von :
denen zwei mit Blütenbüscheln des wilden Weines versehen, die anderen
zwei leer waren und von denen keines Zuckerwasser enthielt. Das Re-
sultat war ein völliger Mißerfolg +):
Tabelle 71.
- Beobachtungszeit | fa B Weinblüten so Weinblüten
19./7. 1914 525—30 13 3 23 2
17 6 56 3
1 3 41 0
8 15 52 2
5 9 37 il
‘ Summa | 44 | 36 | 209 | 8
Ich dressierte nun weiter und wiederholte am folgenden Tage den
Versuch, stellte aber die mit den Blüten versehenen Kästchen für einige
Zeit in die Sonne und traf die Anordnung so, daß sie auch während des
Versuches von der Sonne beschienen wurden, um hierdurch vielleicht die
Entwicklung des fraglichen Duftes zu begünstigen. Die Bienen aber
schwärmten anfangs ziellos vor den Kästchen herum und schlüpften alsbald,
das Zuckerwasser suchend, in die leeren Kästchen wie in die Blüten-
kästchen:
1) Dies war nach dem Benehmen der Bienen bei der Dressur nicht
vorauszusehen. Denn hierbei bietet ihnen der den Dressurkästchen an-
haftende Bienengeruch einen genügenden Anhaltspunkt, um die Futter-
kästchen recht sicher herauszufinden.
En
Über den Geruchsinn der Bienen. 89
Tabelle 72.
Beobachtungszeit | 1 N Weinblüten ee Weinblüten
20./7. 1914 920—25 6 9 6 6
11 16 18 16
15 D 26 “ai 22
13 26 22 30
14 32 28 30
Summa | 59 | 116 | 100 | 104
Nun versah ich die Kästchen sowohl bei der Dressur wie bei den
Versuchen noch reichlicher als bisher mit den Blüten, die ich an einer
sonnigen Stelle pflückte. Da die Entwicklung eines Duftes möglicherweise
auf ein bestimmtes Stadıum der Blütezeit beschränkt sein konnte, achtete
ich darauf, daß abgeblühte und junge Blüten sowie noch geschlossene
Knospen reichlich vorhanden waren. In den Dressurkästchen wurden die
Blütenbüschel nach je ca. 2 Stunden durch frische ersetzt. Die Resultate
von vier Versuchen sind aus Tabelle 73—76 ersichtlich.
Tabelle 73.
Beobachtungszeit | 1 he Weinblüten l ce Weinbliiten
20.7. 1914 1110—15 22 20 8 3
| 26 45 18 a!
40 50 20 10
40 64 24 14
34 53 18 15
Summa | 162 | 232 | 88 | 46
Tabelle 74.
Beobachtungszeit W es ae leer | Ww a liiten leer
20./7. 1914 1123—28 4 0 0 0
18 4 0 2
27 16 6 5
32 20 12 il
32 10 14 6
Summa | 18 | 50 | 32 | 14
90 Karu v. Frisch,
Tabelle 75. :
Beobachtungszeit | 1 a Weinbliiten ] = Weinblüten
20 /7. 1914 1155—1200 5 10 0 2
17 16
16 22 4. 15
13 18 9 19
2 a7 2 19
Summa CC aaa Een | 53 | 83 | 18 | 77
Tabelle 76.
5 * za
Bhs ata Weinbliiten leer Weinblüten leer
20/7. 1914 1205-10 4 0 0 0
1 1 5 2
12 0 8 2
4 18 25 0
147 4 16 0
Summa | Poe 23 | 52 | À
Ich mußte nun die Versuche unterbrechen, nahm sie aber am 30./7.
wieder auf und dressierte nochmals auf die Blüten des wilden Weines; es
war diesmal nur ein Dressurkästchen neben 3 leeren aufgestellt, und dem-
entsprechend wurde auch bei den Versuchen nur ein Kästchen mit Blüten
versehen; dieselben wurden meist kurz vor Versuchsbeginn frisch gepflückt;
in einem Falle (Versuch: Tabelle 77) wurden sie ?/, Stunden vor Ver-
suchsbeginn, in einem anderen Falle (Versuch: Tabelle 83) 3 Stunden
vor Versuchsbeginn in das Kästchen gegeben und dieses bis zum Gebrauch
geschlossen aufbewahrt, da ich dachte, daß vielleicht dadurch der ver-
geblich gesuchte Duft besser zur Geltung kommen könnte. Bei den Ver-
suchen: Taabelle 78—83 wurde das Kästchen so reichlich mit Blüten
beschickt, daß sich in ihm ca. 60 offene Blüten befanden, bei den Ver-
suchen: Tabelle 84 und 85 waren es sogar über 100. Auch das Dressur-
kästchen war vorher mit entsprechend zahlreichen Blüten versehen worden.
Bei den Versuchen: Tabelle 79—81 waren die Blüten an einer stark be-
sonnten Stelle gepflückt worden.
Tabelle:77.
Beobachtungszeit | ] ve Weinbliiten leer | deer .
30./7. 1914 335-40 2 2 3 0
5 14 3 0
28 19 6 Le
16 15 2 4
4 15 2 0
Summa | 55 | 65 | 16 | 5
EEE SA En oot nr de rs
— vO à
a Uber den Geruchsinn der Bienen. 91
+ Tabelle 78.
Beobachtungszeit | leer | Weinblüten 1 Ns | leer
31./7. 1914 225—30 0 3 0 0
2 2 0 0
3 15 4 0
E 8 II 2 i!
7 9 9 4
Summa | 20 | 40 15: | 5
1 Tabelle 79.
Beobachtungszeit | Weinblüten leer | 1 à a | leer
1./8. 1914 1130—35 2 0 0 0
3 1 3 0
3 3 4 1
3 2 1 1
5 11 2 1
Summa | 15 | 17 10 | a
2 Tabelle 80.
Beobachtungszeit | ] A | leer | leer | Weinbliiten
1/8. 1914 200-05 0 0 0 0
3 0 0 0
0 3 9 2
0 2 4 2
2 4 3 1
Summa | 5 | 9 | 18 | 5
Tabelle 31.
Beobachtungszeit leer 1 "2 | leer | Weinblüten
%
2/8. 1914 255—300
es | ee en se || meee — en
IG OF Ot
bat
em Oo OC Hi D
0 4
6 4.
12. 3
27 8
20 12
65 | 31
92 Kary v. Frisch,
Tabelle 82.
Beobachtungszeit | DR | leer | Weinbliiten leer
3./8. 1914 1120—25 3 3 5 1
5 4 8 5
4 5 14 1
5 1 it 2
3 1 1 0
Summa | 20 | 14 | 39 | 9
Tabelle 83.
= 4 —
Beobachtungszeit | leer | oe | leer Weinbliiten
3./8. 1914 155—200 2 0 0 0
it 0 0 1
2 0 2 6
7 1 2 2
2 4 2 1
Summa | 14 | 5 | 6 | 10
Tabelle 84.
Beobachtungszeit | leer u | leer Weinbliit en
3./8. 1914 205—10 0 0 0 1
0 0 0 1
6 2 il 6
3 5) 3 2
10 4 3 5
Summa | 19 | J1 | i | 15
Tabelle 85.
Beobachtungszeit | leer is . Weinbliiten leer
4/8. 1914 1005—10 2 0 1 1
1 1 2 3
4 1 6 8
1 1 2 7
0 1 3 | 6
Summa | 8 | 4 | 14 | 25
Würden die Blüten des wilden Weines den von KERNER postu-
lierten Duft besitzen, so müßten sich die Bienen auf diesen Blüten-
- Über den Geruchsinn der Bienen. 93
duft so gut dressieren lassen, wie sie sich auf den Duft von Orangen-
blüten, Jasminbliiten etc. (vgl. die Tabellen S. 24 ff.) dressieren ließen.
Dies ist aber nicht der Fall. Ich führte diese Versuchsreihen bei
warmem, sonnigem Wetter durch, ich nahm mein Material von
Weinranken, die, in voller Blüte stehend, von einem Schwarm von
Bienen umsummt waren, ich pflückte die Blüten an sonnigen und
an schattigen Stellen, des Morgens, Mittags und am späten Nach-
mittage, ich gab aufblühende, abgeblühte, voll geöffnete Blüten und
geschlossene Knospen, gab bis über 100 offene Blüten in ein Käst-
chen — ein deutlicher Dressurerfolg ließ sich nicht er-
zielen. Wenn man die in den sämtlichen Versuchen beobachteten
Zahlen addiert, so findet man, daß durchschnittlich die mit den
Weinblüten versehenen Kästchen etwas stärker besucht wurden als
. die leeren. Der Unterschied ist gering. Es verhält sich in der
ersten Versuchsreihe die durchschnittliche Besucherzahl eines leeren
Kästchens zu der eines Blütenkästchens wie 1:1'14, in der zweiten
Versuchsreihe wie 1:1'61. Wenn diese Differenz nicht auf Zufall
beruht, so kann man die geringe Bevorzugung der Blütenkästchen
auf den schwachen krautigen Geruch zurückführen, der sich an
einem Kästchen, welches mit vielen Blütenbüscheln beschickt ist,
auch für unser Geruchsorgan bemerkbar macht. Es liegt kein
Grund vor, anzunehmen, daß die Biene diesen Geruch nicht wahr-
nimmt, und ein dem schwachen Duft entsprechender schwacher Er-
folg wäre daher verständlich — wo zahlreiche Blüten in engem, ge-
schlossenem Raume beisammen liegen. Von einem „Blüten-
duit aber, der die Bienen im Freien, und noch dazu
aus großer Entfernung, zu den Blüten des wilden
Weines hinleitet, kann nicht die Rede sein.
Man könnte einwenden, die mit Jasminduft, Akazienduft etc.
geschwangerten Paraffinöle seien infolge der oftmals wiederholten
»Enfleurage“ als konzentrierte Riechstoffe zu betrachten. Im
Vergleiche mit diesen sei der Duft, der von einer Anzahl frischer
Blüten ausgehe, sehr schwach, und darauf sei der Mißerfolg bei der
Dressur auf die Blüten des wilden Weines zurückzuführen. Dieser
Mißerfolg beweise also nichts gegen die Annahme, daß die Blüten
des wilden Weines einen Geruch besitzen, der nach seiner Intensität
— vom Standpunkte der Bienen aus betrachtet — mit dem Geruch
anderer Duftblüten durchaus vergleichbar, für uns aber nicht wahr-
nehmbar sei.
Obwohl dieser Einwand schon deshalb wenig Berechtigung hat,
94 Karu v. Frisch,
weil ein Kästchen, das mit einigen Tropfen eines „wohlriechenden
Öles“ beschickt ist, für uns durchaus nicht stärker duftet als manche
Blume, weil also mit jenen Präparaten keine abnorm „konzentrierten“
Blumendüfte geboten wurden, so schien es doch wünschenswert, zum
Vergleiche eine Dressur mit frischen, duftenden Blüten
zu versuchen. |
Ich stellte wieder in einer Reihe 4 Kartonkästchen auf und
legte auf das Duftbänkchen des Futterkästchens einen kleinen Blüten-
stand des bei uns als Gartenblume häufig gepflanzten, stark duften-
den Phlox (Phlox paniculata L.). Die Dressur gelang in einwand-
freier Weise. Wurden 4 reine Kästchen aufgestellt, von denen eines
Phloxblüten enthielt, so wurde dieses stark, die leeren Kästchen hin-
gegen kaum besucht. Ja als ich eine einzige Phloxblüte aus einem
Blütenstande nahm und in ein reines Kästchen legte, genügte der
von der Einzelblüte ausgehende Duft, um die Bienen ins Kästchen
zu locken. |
Dieser Versuch fiel bei 3maliger Wiederholung stets im gleichen
Sinne aus (vgl. Tabelle 86—88). Das 1. Mal legte ich die Blüte
5 Minuten vor Versuchsbeginn ins Kästchen, das 2. und 3. Mal erst un-
mittelbar vor Versuchsbeginn (natürlich jedesmal in ein anderes Kästchen),
Die Bienen waren seit einem Tage auf Phlox-Duft dressiert worden.
Tabelle 86.
Beobachtungszeit | 4 ee | leer 1 Phlox-Bliite leer
3./8. 1914 1045—50 1 0 5 0
0 0 19 1
1 2 23 2
1 1 22 4
2 1 15 1
Summa | 5 | 4 | 84 | 8
Tabelle 87.
Beobachtungszeit | 1 a | leer | 1 Phlox-Blüte leer
.3./8. 1914 1055—1100 0 1 2 0
0 0 5 1
0 0 13 0
0 3 19 0
1 0 11 2
Summa | 1 | 4 | 50 | 3
Über den Geruchsinn der Bienen. 95
; Tabelle 88.
Beobachtungszeit . | 1 Phlox-Bliite leer | et | leer
3./8. 1914 235—40 3 0 0 0
Tue 0 0 1
4 0 0 0
i 0 0 0
14 0 0 0
Summa | 35 | 0 | 0 | i
‘ Eine Blüte des Phlox ist im Vergleich mit einer einzelnen Blüte
des wilden Weines recht groß. Um den Versuch mit Blüten zu
wiederholen, die, wie die Weinblüten, klein sind, fütterte ich die
Bienen in einem Kartonkästchen, auf dessen Duftbänkchen ich zwei
Blütenstände von Reseda odorata L. legte.
Nach 6stündiger Dressur ergab ein Versuch, bei welchem 4 Karton-
kästchen aufgestellt wurden, von denen 3 leer, 1 mit einem Blütenstande
der Reseda (ca. 20 offene Blüten enthaltend) versehen war, folgendes
Resultat:
Nabelle, 39.
Beobachtungszeit | leer ines | leer Reseda-Bliiten
5./8. 1914 230—35 0 if 2 7
a 0 0 al 16
0 0 i! 22
0 0 3 27
0 0 1 30
Summa | 0 | 1 | 8 | 102
Kurz darauf wiederholte ich den Versuch und gab diesmal auf das
. Duftbänkchen eines Kästchens nur drei von den kleinen Einzelblüten eines
Reseda-Blütenstandes, und zwar erst 2 Minuten vor Versuchsbeginn ; die
anderen Kästchen blieben leer:
Tabelle 90.
: + 3 Reseda-
Beobachtungszeit | leer - | tan | leer Bliiten
\
5/8. 1914 243—48 0 0 0 8
0 1 0 2
1 1 0 4
il 0 4 10
0 0 0 6
U
Ss
B
B
2
D
D
>
Os
©
96 Karu v. Frisch,
Der Versuch wurde alsbald wiederholt, wobei das Blütenkästchen einen
anderen Platz erhielt:
Tabelle 91.
Beobachtungszeit 3 en 1 | leer | leer
5./8. 1914 255—300 : 3 2 0 1
4 0 1 1
9 3 0 2
8 0 L 2
2 1 0 0
Summa | 26 | 6 | 2 | 6
Bei der Verwendung von Blüten, welche für uns duften, gelingen
also diese Versuche anstandslos, und die Bienen können sogar ein
Kästchen, in welches kurz vor Versuchsbeginn nur 3 kleine Einzel-
blüten der Reseda gelegt wurden, von den leeren Kästchen unter-
scheiden. Sie vermögen hingegen ein Kästchen, welches über 100
Blüten des wilden Weines enthält, unter den leeren Kästchen nicht
herauszufinden. Demnach können wir in diesen Kontroll-
versuchen eine Bestätigung dafür sehen, daß die An-
sicht, die Bienen würden durch einen für uns nicht
wahrnehmbaren Duft der Weinblüten von diesen an-
gelockt, nicht länger verteidigt werden kann.
Es bleibt noch zu erwägen, ob nicht vielleicht von den Blättern
des wilden Weines der von Kerner geforderte, für uns nicht wahr-
nehmbare Duft ausgeht. Daß die Blätter ätherische Öle entwickeln,
welche an Stelle des Blütenduftes oder vereint mit diesem den In-
secten das Finden und Wiederfinden der Pflanzen erleichtern, scheint
ja nicht selten vorzukommen.
„Meist sind die Blüten die Träger des Duftes, doch dient in einzelnen
Fällen offenbar auch der Geruch des Laubes und des Stengels der
Anlockung der Insekten. So dürfte der kräftige Geruch der Blätter von
Ruta graveolens, sowie derjenige der Mentha-Arten, der La-
vendel,des Majorans u. a. diesem Zwecke dienen“ [KnuT# (63), Vol. 1,
p. 107].
Um diese Möglichkeit in unserem speziellen Falle zu prüfen,
stellte ich abermals 4 Kartonkästchen auf, von denen 2 leer blieben,
während in den beiden anderen gefüttert wurde. Die letzteren
waren je mit einem Blatte’) des wilden Weines versehen. Auch diese
1) Mit dem 5. Teile eines 5fingerigen Blattes.
Über den Geruchsinn der Bienen. 97
Versuchsreihe wurde zur Blütezeit des wilden Weines durchgeführt.
Als der erste Versuch ein negatives Resultat lieferte, legte ich
mehrere Blätter in die Dressurkästchen und versah auch bei
den weiteren Versuchen je 2 Kästchen mit der entsprechenden
Zahl von Blättern. Es war nicht die Spur eines Dressur-
erfolges zu erkennen, und so dürfen wir auch diese Annahme
als erledigt betrachten.
Es genügt wohl, wenn ich die Ergebnisse der Zählungen summarisch
wiedergebe, indem ich in die folgende Tabelle die Summe der an jedem
Kästchen beobachteten Besuche während der je 5 Minuten dauernden Ex-
perimente eintrage. Die jeweilige Anordnung der Kästchen ist in der
Tabelle nicht berücksichtigt. Der erste Versuch wurde nach 6stündiger
Dressur unternommen:
Tabelle 92.
Beobachtungszeit Weinblätter | Weinblätter leer | leer
19.0. 1914, 510-15 | 33 DE 35 « 184 99
20./7. 1914 857— 902 76 18 178 76
” ” 140—45 34 28 49 SEN 48
” ” 150—55 12 12 34 5
Da in diesen 4 Versuchen die leeren Kästchen stärker frequentiert
wurden als die mit Blättern beschickten Kästchen — sei es zufällig oder
sei es, weil ich (bei den 3 ersten Versuchen) die leeren Kästchen, wie
gewöhnlich, auf die Plätze stellte, an denen zuletzt gefüttert worden war
— glaubte ich auf weitere Zählungen verzichten zu können.
Ich habe mich mit der Frage, ob die Bienen durch einen für
uns nicht wahrnehmbaren Duft zu den Blüten des wilden Weines
geleitet werden, so ausführlich befaßt, weil gerade diese Pflanze
immer wieder als Beleg herangezogen wird, wenn gezeigt werden
soll, daß es für die Biene Blütendüfte gibt, die wir nicht riechen.
Die Blüten des wilden Weines sind aber nicht die einzigen unschein-
baren, für uns duftlosen Blüten, die von Bienen beflogen werden,
und was für diese Blüten gilt, braucht für andere nicht zu-
zutreffen. Es war mir deshalb daran gelegen, weitere hierher ge-
hörige Pflanzenarten zu prüfen. Das Resultat war dasselbe wie bei
den Versuchen mit Ampelopsis: auch bei den Blüten der
Heidelbeere (Vaccinium Myrtillus L.) undderrotenJohannis-
beere (Ribes rubrum L.) ließ sich kein auf die Bienen ab-
gestimmter Duft nachweisen.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. | 7
98 Karu v. Friscn,
Die Blüten der Heidelbeere gelten für unscheinbar [Knute
(63), Vol. 2, p. 28, Kerer (58), Vol. 2, p. 201]. An den mir bekannten
Standorten sind sie zum Teil durch Anthocyan lebhaft rot gefärbt
und erlangen so für uns Menschen trotz ihrer Kleinheit eine gewisse
Augenfalligkeit. Die Rotfärbung tritt aber nur an solchen Pflanzen
auf, die an stark besonnten Stellen wachsen, und auch bei diesen
in der Regel nur an der Sonnenseite der Blüten, während ihre
Schattenseite grünlich ist. An schattigen Standorten sind die ganzen
Blüten grün, dazwischen gibt es alle Übergänge. Dadurch erinnert
die Rotfärbung der Heidelbeerblüten an die gleichfalls durch An-
thocyan bedingte Rotfärbung, welche bei Stengeln und anderen
Pflanzenteilen, insbesondere auch bei vielen Früchten an der sonnen-
wendigen Seite zu beobachten ist, und sie dürfte auf die gleichen
Ursachen zurückzuführen sein. Man könnte diese Blütenfärbung
schon wegen ihrer Unbeständigkeit kaum als Anpassung an den
Bienenbesuch auffassen, man kann sie aber vor allem deshalb nicht
so deuten, weil das Rot der Heidelbeerblüten (auch bei spektro-
skopischer Untersuchung) recht genau dem Rot No. 1 der HERING-
schen Farbenserie entspricht, welches dem rotblinden Bienenauge
nicht farbig erscheint [vgl. v. Frrscu (39), p. 32]. Für die Bienen
Sind also auch die rot überlaufenen Heidelbeerblüten
unscheinbar. Das geht überdies aus ihrem Benehmen beim Besuch
von Heidelbeerbeständen deutlich hervor. Während beispielsweise
eine Biene, die an blauen, zerstreut in einer Wiese stehenden Ver-
gißmeinnicht sammelt, zielsicher von Blüte zu Blüte eilt, sieht man
sie an den Heidelbeeren ein Pflanzchen nach dem anderen genau ab-
suchen, wobei solche Stämmchen, die keine Blüten tragen, nicht
weniger eingehend inspiziert werden als solche, die reichlich blühen.
Ich habe auch des öfteren gesehen, daß eine Biene knapp an einem
Stämmchen vorbeiflog, das mit roten Biüten übersät war, und da-
neben andere, zufillig blütenlose Stämmchen sorgfältig absuchte.
Sie erkennt die Heidelbeerblüten sichtlich erst aus nächster Nähe.
Die Versuche führte ich (mit Steingutkästchen) in der Weise
durch, daß ich die Bienen in einem Kästchen fütterte, in welchem
50 Heidelbeerblüten untergebracht waren; sie wurden nach je ca.
2 Stunden durch frisch abgeschnittene ersetzt. Daneben waren 3
Kästchen ohne Futter und ohne Blüten aufgestellt. Es herrschte
sonniges, warmes Wetter. Die Blüten nahm ich von einem Heidel-
beerbestand, an welchem zahlreiche Bienen sammelten.
on
Über den Geruchsinn der Bienen. 99
Nach 21/,stündiger Dressur wurden 4 reine Steingutkästchen auf-
gestellt, von denen eines 20 Minuten vorher mit 50 Heidelbeerblüten be-
schickt worden war. Die Bienen flogen völlig ziellos vor den Kästchen
herum. Die Frequenzen sind in Tabelle 93 eingetragen:
Tabelle 93.
: h 50 Heidel- *
Beobachtungszeit | leer leer | beerbliiten ke
28./4. 1918 1038—43 1 8 9 #1
0 28 14 26
1 27 19 33
0 15 13 20
1 2 14 9
Summa | 3 | 80 | 69 | 99
Nach 3stündiger Dressur wurden abermals 4 reine Kästchen aufgestellt,
von denen eines !/, Stunde vorher mit 50 Blüten versehen worden war:
Tabelle 9.
Beobachtungszeit mungen | me | u leer | 1 & 2 | leer " : ee
28./4. 1918 1103—08 30 9 0 0
29 18 0 1
28 18 0 0
36 12 U 2
12 0 0 0
Summa | 135 | 57 | U | 3
Nun fütterte ich weiter und wiederholte den ee nach 6stündiger
Dressur. Die Bienen legten das gleiche ziellose Benehmen an den Tag.
Sie inspizierten alle Kästchen, berochen alle Fluglöcher, und die stärkeren .
Frequenzen, die schließlich bei einigen Kästchen zustande kamen, waren
sichtlich dadurch bewirkt, daß einige ae Tiere andere zum
Nachfolgen veranlaßten (vgl. S. 30):
Tabelle 95.
Beob achtungszeit = Se leer | 1 3 2 | leer
28./4..1918 200—05 1 0 0 0
6 1 0 0
i: 22 12 13
1 28 15 11
6 8 10 47
Summa | 15 | 59 | a | 41
100 Karu v. Frisch,
Der nächste Versuch könnte, wenn er der einzige wäre, einen Dressur-
erfolg vortäuschen. Doch flogen die Bienen auch diesmal länger als
eine Minute ganz ziellos vor den Kästchen herum. Dann ließen sich
einige Tiere gleichzeitig am Flugloche des Heidelbeerkästchens nieder, und
dieser Bienenklumpen zog die anderen Tiere herbei und von den übrigen
Kästchen ab:
Tabelle 96.
Beobachtungszeit | leer | er Elch leer | ] er
28./4. 1918 215—20 0 2 0 0
0 23 0 3
0 24 0 0
0 33 0 0
0 27 0 0
Summa | 0 | 109 | U | 3
Der letzte, nach 7stündiger Dressur unternommene Versuch bestätigt,
daB es sich hier um einen Zufallserfolg gehandelt hat:
Tabelle 97.
Beobachtungszeit | leer | elek leer | Es
28./4. 1918 300—05 0 1 0 0
0 7 2 7
0 23 16 0
0 10 14 0
0 8 16 0
Summa | 0 | 49 | 48 | ÿ
Es war somit kein einigermaßen zuverlässiger Dressurerfolg zu
erzielen. Die durchschnittliche Frequenz des Heidelbeer-
kästchens verhält sich zu der eines leeren Kästchens !) wie 1'28:1.
Vielleicht hätte sich bei längerer Fortsetzung der Versuche eine
schwache Bevorzugung des Heidelbeerkästchens als konstant er-
wiesen. Es wäre dies nicht merkwürdig, denn ich konnte zwar an
dicht mit Blüten besetzten Heidelbeerstämmchen in freier Luft
keinen Geruch wahrnehmen, aber in einem geschlossenen Kästchen
1) Da bei allen Versuchen ein Heidelbeerkistchen und drei leere
Kästchen aufgestellt waren, ist diese Berechnung natürlich so zu ver-
stehen, daß die Summe der Frequenzen des Heidelbeerkästchens mit der
durch 3 dividierten Summe der Frequenzen der leeren Kästchen
verglichen wird.
Th
Uber den Geruchsinn der Bienen. 101
mit 50 Heidelbeerbliiten war nach kurzer Zeit ein charakteristischer,
sehr schwacher Blütenduft erkennbar. Daß diese Blüten für das
Geruchsorgan der Biene intensiv duften, muß ich auf Grund der
Versuche in Abrede stellen.
In unmittelbarem Anschlusse an die eben besprochenen Experi-
mente versuchte ich in gleicher Weise die Bienen auf Johannis-
beerblüten (Ribes rubrum L.) zu dressieren. Das Steingutkäst-
chen, in welchem die Bienen gefüttert wurden, war mit 5 Blüten-
trauben (mit insgesamt ca. 50 offenen Einzelblüten) beschickt; sie
waren von einem Strauch genommen, dessen Blüten von vielen
Bienen besucht wurden.
Nach 2stündiger Dressur wurden 4 reine Steingutkästchen aufgestellt,
von denen eines 5 Minuten vor Versuchsbeginn mit 5 Blütentrauben (ca.
50 offenen Blüten) versehen, die übrigen leer waren. Nach 21/,stiindiger
Dressur wurde der Versuch wiederholt. Die folgenden Tabellen zeigen
die Resultate:
Tabelle 98.
Beobachtun gszeit 1 a leer ry eae : leer
28./4. 1918 505—10 3 0 9 1
33 3 3 0
22 0 10 0
35 ae 13 0
21 i 16 1
Summa | 114 | 6 | Sl | 2
Tabelle 99.
Beobachtungszeit leer er = an is- leer | 1 né
28./4. 1918 533-38 2 3 0 4
1 6 0 16
3 9 4 4
0 8 10 D
0 3 5 3
Summa | 6 | 29 | 19 | 30
Es fehlte mir an Zeit, die Versuche fortzusetzen. Doch läßt
sich schon aus diesen beiden Tabellen ablesen, daß diese Blüten für
die Bienen so wenig wie für uns einen deutlich wahrnehmbaren Duft
entwickeln.
102 Kart v. Frisch,
Bei den Versuchen mit den Ampelopsis-Blüten und den Kontroll-
versuchen mit den duftenden Phlox- und Reseda-Blüten hatte ich
Kartonkästchen verwendet. Zu den Versuchen mit Vaccinium- und
Ribes-Blüten dienten Steingutkästchen, und zum Vergleiche dressierte
ich die Bienen bei derselben Anordnung in einem Steingutkästchen
auf die duftenden Blüten der Narzisse (Narcissus poeticus L.).
Als ich dann 4 reine Steingutkästchen aufstellte, von denen eines
mit einer Narzissenblüte versehen war, wurde nach 1stündiger
Dressur das Narzissenkästchen binnen 5 Minuten von ebenso vielen
Bienen besucht wie die 3 leeren Kästchen zusammengenommen.
Eine Wiederholung des Versuches nach 2stündiger Dressur hatte
schon ein weit besseres Resultat, die Bienen drängten sich ohne
Zögern in das Narzissenkästchen und besuchten die leeren Kästchen
nur mehr sehr spärlich. Bei einem dritten und letzten Versuch,
nach 2?/,stündiger Dressur, wurden die leeren Kästchen überhaupt
nicht mehr frequentiert (Tabelle 100).
-Fabelle 100:
1 Narzissen-
Beobachtungszeit | leer blüte
27.4. 1918 630-35
QIOOOOO
Do
CO
Summa | | 116 E |
Wie ist nun die Tatsache zu erklären, daß die unscheinbaren,
duftlosen Blüten mancher Pflanzen so lebhaft von Bienen besucht
werden? Wenn Kerner vom wilden Wein sagt, daß „die Bienen
von allen Seiten in einer Weise anfliegen, welche keinen Zweifel
übrig läßt, daß die Blüten der Ampelopsis von diesen Tieren aus
ziemlicher Entfernung wahrgenommen werden“, so hat er wohl nicht
bedacht, daß die so sicher anfliegenden Bienen die Weinblüten nicht
erst entdecken, sondern an eine bekannte, vielleicht seit vielen Tagen _
ausgebeutete Futterquelle immer wieder zurückkehren und daß die
Scharen von Bienen, die eine von blühendem wilden Wein bekleidete
Mauer beleben, von wenigen Tieren, vielleicht sogar von einer
einzigen Entdeckerin herbeigeführt sind. Wie eine solche” Ent-
deckerin bei ihrem ersten Besuche anfliegt, wird kaum jemals be-
5
Über den Geruchsinn der Bienen. 103
wußt beobachtet worden sein. Bei der Ausdauer, mit welcher die
auf Nahrungssuche gehenden Bienen überall herumspüren, könnte es
niemanden in Erstaunen setzen, wenn auch der Nektarschatz einer
Blüte mit so wenig hervorstechenden Eigenschaften gelegentlich von
ihnen gefunden wird. Merkwürdig ist nur, wie zuverlässig vieler-
orts die Blüten des wilden Weines oder der Heidelbeere alljährlich
von den Bienen aufgespürt werden.
Es ist daher die Frage berechtigt, ob den in Rede stehen-
den Blüten gemeinsam irgendein Merkmal zukommt,
welches bei ihnen den Bienenbesuch trotz ihrer Un-
scheinbarkeit und trotz ihrer Duftlosigkeit gewähr-
leisten kann. Dies läßt sich nur an Hand einer möglichst voll-
ständigen Liste der hierher gehörigen Pflanzenarten beurteilen. Eine
solche hoffe ich — wenigstens für die heimische Flora — dadurch
gewonnen zu haben, daß ich, abgesehen von eigenen Beobachtungen,
zwei reich illustrierte Pflanzenatlanten (44, 99) durchgesehen und die
Listen Bonnier’s (8) sowie diejenigen PLArEAu’s (81, p. 616ff) be-
rücksichtigt habe, welch letzterer das größte Interesse daran hatte,
keine unscheinbaren, von Insecten besuchten Blüten zu übersehen ;
dieses Material konnte ich noch aus einer Zusammenstellung von
„Pflanzen, deren unscheinbare Blüten Insekten anlocken“ ergänzen,
die sich im Nachlasse Kerxer’s vorfand und mir von Herrn Hofrat
v. Wertsteis freundlichst zur Verfügung gestellt wurde. Über
Duft und Duftlosigkeit der unscheinbaren Blüten konnte ich nur
teilweise in der Literatur Ängaben finden. Viele Blüten mußten
erst daraufhin geprüft werden. Herrn Hofrat v. WETISTEIN, der
mir einen großen Teil des gewünschten Materiales verschaffte, bin
ich für seine liebenswürdige Unterstützung zu größtem Dank ver-
pflichtet. |
. Weitaus die Mehrzahl der von Insecten bestäubten unauffälligen
Blüten wird nicht von der Honigbiene, sondern von niederen Bienen-
arten, Schlupfwespen, Fliegen, Käfern, Kleinschmetterlingen be-
stäubt.!) Diese Blüten lasse ich hier außer Betracht. Denn die
Erfahrungen an der Honigbiene dürfen wir nicht verallgemeinern.
Wir wissen von einigen jener genannten anderen Insecten-Arten, dab
sie einen schärferen Geruchsinn haben als die Honigbiene und dab
sie Düfte wahrnehmen, die uns verschlossen sind. Es ist durchaus
möglich, daß ihr Verhalten durch Blütendüfte beeinflußt wird, die
1) Ich halte mich an die von KnuTH (63) gegebenen Besucherlisten.
104 Karu v. Frisch,
wir nicht wahrnehmen können. Solange keine Untersuchungen hier-
über vorliegen, wird eine Diskussion der Frage, wie die betreffenden
Insecten die unscheinbaren Blüten auffinden, fruchtlos bleiben.
Die meisten unscheinbaren, von Honigbienen besuchten
Blüten entwickeln einen deutlichen Duft, der oft so intensiv ist,
daß er auch für das menschliche Geruchsorgan aus einiger Ent-
fernung wahrzunehmen ist und den Mangel an Augenfälligkeit wohl
zu ersetzen vermag. Hierher gehören die Blüten der Weinrebe
(Vitis vinifera L.), der Gleditschie (Gleditschia triacanthos L.), der
Linden (Zilia platyphyllos Scov., T. ulmifoha Scor.), des salbeiblätte-
rigen Gamanders (Zeucrium Scorodonia L.), der schwarzen Johannis-
beere (Ribes nigrum L.), der Stachelbeere (Ribes grossularia L.), des
Alrauns (Mandragora vernalis BERTOLONI), des Beinbrechs (Narthecium
ossifragum' Hupson), des Spargels (Asparagus officinalis L.),*) der
grünen Nieswurz (Helleborus viridis L.) u. a. Die Blüten der letzt-
erwähnten Art duften nicht intensiv, sie können aber auch, trotz
ihrer grünen Farbe, wegen ihrer beträchtlichen Größe nicht ganz
unscheinbar genannt werden. Es wären hier ferner die Blüten der
Mistel (Viscum album L.) zu nennen, an welchen KIRCHNER be-
obachtete, daß nur die männlichen, stark duftenden Büsche
von (pollensammelnden) Honigbienen besucht wurden, während die
schwach duftenden weiblichen Blüten von den Bienen trotz
ihrer Nektarsecretion nicht beachtet wurden. Für die Bestäubung
war also der Bienenbesuch wertlos, diese wird vielmehr durch
Fliegen vollzogen, welche beiderlei Blüten besuchen [vg]. KnurH (63),
Vol. 2,2. p. 366].
Pflanzen mit unscheinbaren, duftlosen Blüten, die
von der Honigbiene beflogen werden, sind mir nur wenige
bekannt geworden: außer den schon genannten, von mir unter-
suchten Heidelbeeren (Vaccinium Myrtillus L.), dem wilden Wein
(Ampelopsis quinquefolia Mion.) und der roten Johannisbeere
(Babes rubrum L.) sind Wolfsmilcharten (Euphorbia virgata W.
et K., E. amygdaloides L. u. a.)?) und Ahornarten (Acer plata-
noides Li, A. campestre L., A. Pseudoplatanus, 1.) zu nennen. Hier-
bei muß ich noch bemerken, daß die gelblichen, in Büscheln stehen-
1) PLATEAU beobachtete auch an den Blüten von Asparagus amarus
Dec.. Bienenbesuch (81, p. 626); ich konnte nicht in Erfahrung bringen,
ob auch bei dieser Spargel-Art ein Blütenduft vorhanden ist.
2) Manche Euphorbien duften. Ob die hier genannten Arten zu den
duftlosen gehören, habe ich nicht in Erfahrung gebracht.
Über den Geruchsinn der Bienen. 105
den, vor den Blättern erscheinenden Blüten von Acer platanoides
recht augenfällig sind, die Blüten von Acer Pseudoplatanus unter
Umständen einen starken Duft entwickeln. Doch sah ich auch
Exemplare von Acer Pseudoplatanus, die nicht dufteten, von vielen
Bienen umschwärmt. Ferner gehört hierher der Perücken-
strauch (Rhus Cotinus L.), bei welchem sich aber hauptsächlich
Fliesen, Käfer, kurzrüsselige Hymenopteren und nur gelegentlich
auch Honigbienen als Blütengäste einstellen. Ob auch der Faul-
baum (Rhamnus Frangula L.) zu den duftlosen Gewächsen zu rechnen
ist, bleibt mir zweifelhaft; Literaturangaben fand ich nicht, und
meine eigene Beobachtung erstreckt sich auf ein einziges Exemplar,
dessen Blüten einen schwachen, aber deutlich erkennbaren Duft
entwickelten; vielleicht lassen andere Exemplare ihn vermissen;
Knurs bemerkt "ausdrücklich, daß bei den Blüten von Rhamnus
Frangula wegen ihrer Unauffalligkeit der Insectenbesuch gering ist,
„und es erfolgt daher als Notbehelf häufig nachträglich spontane
Selbstbestäubung“ (63, Vol. 2, 1, p. 257).')
Wenn von diesen Blüten trotz ihrer mangelhaften Ausstattung
an sinnfälligen Merkmälen oft ein hoher Prozentsatz durch Bienen
bestäubt wird, so ist dies, glaube ich, darauf zurückzuführen, dab
sie zu Hunderten und Tausenden beieinander stehen. Der wilde
Wein überzieht bei seinem üppigen Wuchs große Flächen mit
seinen Ranken, und wenn nur ein Blütenbüschel von einer Biene
entdeckt wird, sind zugleich Tausende von Blüten den Bienen er-
schlossen. Auch das Wiederfinden des blühenden Gewächses ist
durch seine große Ausdelinung sehr erleichtert. Würden die gleichen
' Blüten einer kleinen, zerstreut in der Wiese wachsenden Pflanzen-
art angehören, so wäre ihre Bestäubung durch Bienen sicherlich
1) PLATEAU (81, p. 628 u. 638) bemerkte auch an den grünlichen
Blüten von Tamus communis L. und Ornithogalum pyrenaicum L. Bienen-
besuch. Beide Beobachtungen stehen vereinzelt da [vgl. Knut (63),
Vol. 2, 2, p. 476 u. 492]. Ob diese Blüten einen Duft entwickeln, ist
mir nicht bekannt. In seiner Liste der grün blühenden, entomophilen
Pflanzen führt PLATEAU auch Scrofularia nodosa L. an. Die Blüten sind
duftlos, man kann aber verschiedener Meinung sein, ob sie noch zu den
unscheinbaren Blüten zu zählen sind; die gelben Staubbeutel heben sich
recht auffällig von dem tiefbraunen Saftmal ab. Die Besucher sind vor-
wiegend Wespen; Honigbienen stellen sich anscheinend nur da ein, wo
die Blüten in Menge vorkommen; wenn aber die Anzahl der Blüten be-
Som ist, sind Wespen die einzigen Besucher [KNuTH (63), Vol. 2, 2,
p. 144}.
106 Karu v. Frisch,
sehr in Frage gestellt. Die Heidelbeere wächst in ausgedehnten,
geschlossenen Beständen. Bei Sträuchern und Bäumen, wie bei der
Johannisbeere, dem Perückenstrauch, dem Faulbaum,
den Ahornbäumen sind zahllose Blüten auf engem Raume ver-
ein. Und von den Wolfsmilcharten, die auch als zerstreut
wachsende Pflänzchen vorkommen, sagt Knur# (63, Vol. 2, 2, p. 376):
„Die Befruchtung wird ausschließlich durch Fliegen vermittelt, doch
treten hin und wieder Käfer und Wespen als Besucher auf und da,
wo die Pflanzen in größeren Mengen dicht beiein-
ander wachsen,!) stellen sich auch Bienen ein.“
Ein Gegner der SprenGeu'schen Lehre wird sagen, man könne
demnach zumindest bei allen Bäumen, Sträuchern und in ge-
schlossenen Beständen wachsenden Pflanzen die Blumenfarbe und
den Blütenduft nicht als Anpassung an den Insectenbesuch auf-
fassen, da auch Pflanzen, deren Blüten einer solchen Auszeichnung
entbehren, von Bienen besucht und bestäubt werden. Ich meine,
dann müßte man auch leugnen, daß die Flossen der Fische eine An-
passung an das Wasserleben darstellen, da andere Tiere ohne Flossen
schwimmen können. Man darf über eine Anpassungserscheinung
nicht nach einzelnen, willkürlich ausgewählten Beispielen urteilen.
Nach allem, was wir wissen, unterliegt es keinem Zweifel, daß bei
auffälligen, duftenden Blüten die Bestäubung durch Bienen besser
gewährleistet ist als — unter sonst gleichen Bedingungen — bei
unscheinbaren, duftlosen Blüten. Bei den letzteren wird auch die
Häufung der Blüten nicht immer ihre Entdeckung sichern. So sah
ich z. B. im Frühjahr 1918 an einem größeren, in voller Blüte be-
findlichen Heidelbeerbestand, der unweit von Bienenständen ge-
legen war, bei wiederholter Inspektion keine Biene.
Die Erhaltungsfähigkeit einer Art hängt von zu vielerlei Fak-
toren ab, als daß wir uns wundern könnten, wenn eine Art, die in
einem bestimmten Merkmal schlechter ausgerüstet ist als viele ihrer
Konkurrenten, im Kampf ums Dasein besteht.
VI. Der Honigduft.
Mehrfach wurde die Ansicht ausgesprochen, daß nicht so sehr
der eigentliche Blütenduft, als vielmehr der Duft des Nektars?) die
1) Von mir gesperrt.
2) Die Produktion des Blütenduftes erfolgt unabhängig von der
Nektarproduktion. Es gibt stark honigende Blüten, die nicht duften, und
ata im À
Über den Geruchsinn der Bienen. 107
Bienen anlocke. Diese Annahme ist nicht von vornherein auszu-
schließen, auch wenn wir der Meinung, daß die Biene einen be-
sonders scharfen Geruchsinn habe, nicht zustimmen können; denn es
wäre sehr wohl möglich, daß der Geruchsinn der Biene gerade für
die Wahrnehmung dieses Stoffes, der in ihrem Leben eine so be- .
deutende Rolle spielt, hervorragend ausgebildet ist.
Daß die Biene den Duft des Nektars und des Honigs (Honig
ist ja im wesentlichen nichts anderes als gesammelter, eingedickter
Nektar, dessen Rohrzucker in Invertzucker gespalten ist) auf be-
trächtliche Entfernung wahrnimmt, wird denn auch von verschie-
denen Seiten behauptet. Die Begründung freilich — wo eine solche
überhaupt gegeben wird — kann ich nicht beweiskräftig finden.
So schreibt v. BuTTEL-ReEpen: „Wir sahen vorhin, daß die
Bienen weit über den normalen Flugkreis durch den Duft (Nektar-
geruch) der Rapsfelder usw. hinausgezogen werden können. Zweifel-
los — ich erwähne nur diesen einen Fall, dem viele andere Fälle
zur Seite gesetzt werden können — ist also der Duft ein An-
lockungsmittel; ich glaube, daß hier nur der Nektargeruch und nicht
der .davon ganz unabhängige Blütenduft in Frage kommt. Sehr
wohlriechende Blumen, die keinen Nektar und keinen zusagenden
Pollen besitzen, bleiben z. B. unbeachtet.“ (21, p. 169.) v. BuTTEL-
REEPEN hat hier nicht bedacht, daß eine Biene, die auf der Suche
nach neuen Nahrungsquellen an eine duftende Blüte gerät, in der
sie nichts Genießbares findet, selbst nicht wiederkehrt und auch
keine Gefährten herbeizieht, und daß dies eine vollkommen aus-
reichende Erklärung dafür ist, warum wir bei einer solchen futter-
losen Blüte, auch wenn sie duftet, stundenlang vergeblich auf einen
Bienenbesuch warten können, während wir andere, futterreiche
Blüten stark umschwärmt sehen. Auch PLaTEAU hat dies nicht be-
achtet und zieht daher gleichfalls aus der Abhängigkeit eines reich-
lichen Blütenbesuches von einer reichlichen Nektarproduktion den
Schluß, daß der Duft des Nektars das wesentliche Lockmittel
der Blüten sei. Wie die biologische Bedeutung des Blütenduftes
zu verstehen sei, wenn schon der Nektargeruch zur Sicherung des
es gibt duftende Blüten, die keinen Honig führen. Wenn eine Blüte
beides produziert, geschieht es zumeist an verschiedenen Stellen: der Duft
geht in der Regel von der Oberfläche der ganzen Blumenblatter aus, der:
Nektar wird von drüsenartigen Organen — den Nektarien —, die sich
meist im Blütengrunde finden, ausgeschieden. Doch sind zuweilen auch
die Nektarien die Träger der Duftstoffe. |
108 Karu v. Frisch,
Insectenbesuches genügte, darüber fällt keine Bemerkung. Auch
habe ich vergeblich nach einer Begründung dafür gesucht, daß wir
berechtigt sind, vom Nektarduft als von einem besonderen Duft zu
sprechen. Hat denn der Nektar einen spezifischen Geruch? Duften
nektarführende Blüten nach Honig? Duftet nicht vielmehr der
Honig nach den Blüten, aus denen er stammt und in denen er mit
Blütenduft geschwängert wird? Das letztere ist doch wahrschein-
licher, obwohl Sicheres darüber nicht bekannt ist. Man wende nicht
ein, daß viele Blüten in ausgesprochener Weise nach Honig duften.
Denn dies besagt nur, daß bei ihnen der (von den Blumenblättern
produzierte) Blütenduft mit dem Duft, den wir am Honig wahrzu-
nehmen gewohnt sind, große Ähnlichkeit besitzt, was nicht erstaun-
lich ist, wenn der Honigduft fast gleichbedeutend ist mit dem vom
Nektar absorbierten Bliitenduft.*)
Vielfach wird der Umstand, dab sich bei spärlicher Tracht |
rasch Bienen in großen Massen einfinden, wenn unweit von den
Stöcken Honig geschleudert wird, und daß sie einen Honigvorrat
auch an entlegenen Stellen aufspüren können, als Beweis eines
scharfen Witterungsvermögens für den Honigduft angeführt. Nirgends
aber fand ich einen Beweis dafür, daß sie den Honigduft tatsäch-
lich aus beträchtlicher Entfernung wahrgenommen haben. Sie suchen
allerorts nach neuen Nahrungsschätzen, und da kann leicht eine
Biene an den Raum, wo Honig geschleudert oder aufbewahrt wird,
auf eine Distanz herankommen, in welcher auch wir den Honig- :
duft wahrnehmen würden. Fängt aber einmal eine Biene mit der
Ausbeutung eines reichen Honigvorrates an, so folgen ihr bekannt-
lich bald zahlreiche andere nach.
Am ehesten können noch Beobachtungen Zanper’s (102) im
Sinne eines fein ausgeprägten Geruchsvermögens für den Honigduft
geltend gemacht werden. Er stellte, wie dies Forez (36, p. 236)
vorgeschlagen hat, eine mit Honig gefüllte Schale, die mit Draht-
gaze überspannt und deren Honig daher dem Bienenriissel nicht
zugänglich war, auf dem Flugbrett resp. dem Dache eines frei im
Bienengarten stehenden Bienenstockes auf und beobachtete sie
1/,—1/, Stunde lang. Der Versuch wurde vom 30. 4. bis 30. 9. 1913
alle 14 Tage wiederholt. Da zeigte sich, daß die Honigschale bei
1) Fast gleichbedeutend, denn auch die Bienen selbst und ihre
Produkte (Wachs) dürften am Zustandekommen des Honigduftes Anteil
haben,
Über den Geruchsinn der Bienen. 109
guter Tracht nur von vereinzelten Bienen beachtet oder völlig
ignoriert wurde, während sie im Spätsommer und Herbst, nachdem
die Tracht sehr spärlich geworden war, rasch von zahlreichen Bienen
entdeckt und belagert wurde. Sie fanden also den Honig in kürzester
Zeit auf, wenn sie nicht durch reiche Tracht voll in Anspruch ge-
nommen waren. Doch sind wir auch hier darüber im Unklaren,
aus welcher Entfernung sie den Honigduft wahrgenommen haben.
Wenn stark duftender Honig verwendet und wenn er etwa auch
noch der direkten Sonne ausgesetzt wurde — worüber wir nichts
erfahren —, so war der Duft auch für ein menschliches Geruchs-
organ in der Nähe der Schale bemerkbar. Daß bald die eine oder
andere Biene der Schale in die Nähe kam, ergibt sich von selbst
aus der Art ihrer Aufstellung. Saßen aber einmal nur eine oder
wenige Bienen auf der Schale, so können die übrigen leicht durch
den Anblick derselben nachgelockt worden sein. Einen sicheren
Schluß können wir daher aus diesen Versuchen nicht ziehen.')
Andrerseits darf man aber auch nicht aus den zahlreich vor-
liegenden Beobachtungen, daß sich blütenbesuchende Bienen durch
Honig, den man in ihre Nähe bringt, nicht ablenken lassen [Lus-
BOCK (68), FOREL (36), GILTAY (42) u. A.], etwa auf ein stumpfes Geruchs-
vermögen schließen. Denn solche Beobachtungen können restlos da-
durch erklärt werden, daß eine Biene, die seit Stunden oder seit
Tagen eine bestimmte Blütenart befliegt, neuen Eindrücken nicht
leicht zugänglich ist. Sie lebt dann ausschließlich für ihre gegen-
wärtige Aufgabe.
Wenn vor allem der Nektarduft der Blüten den Bienen als
Wegweiser dient, wie es v. BUTTEL-REEPEN und PLATEAU annehmen,
so wäre zu erwarten, daß sie sich auf diesen Duft noch weit besser
dressieren lassen als auf Blumendüfte. Aber auch wenn dies nicht
der Fall ist, müssen uns Dressurversuche darüber aufklären, wie es
um die Wahrnehmung des Honigduftes bestellt ist. Denn es ist:
nicht einzusehen, warum die Dressur auf einen Duft nicht gelingen
sollte, der mit dem Duft vieler Bienenblumen so große Ähnlich-
keit hat. ? |
1) Auch muß ich betonen, daß die ZAnDER’sche Beobachtung mit
meinen eigenen Erfahrungen nicht übereinstimmt, also jedenfalls nicht all-
gemein giltig ist; ich habe auch bei sehr spärlicher Tracht wiederholt
gesehen, daß beträchtliche Honigmengen, die noch dazu in der Sonne aus-
gebreitet waren, in nächster Nähe eines Bienenstandes lange Zeit nicht
gefunden wurden; niemals wurden sie binnen weniger Minuten entdeckt.
110 Karr v. Frisch,
Bei der ersten Versuchsreihe verwendete ich Honig, der dem-
selben Bienenstande entnommen war, welchem die Versuchstiere an-
gehörten. Ich stellte in einer Reihe 4 Kartonkästchen auf; in eines
derselben kam ein „Duftbänkchen“, und auf dieses wurde ein Uhr-
schälehen gesetzt (ca. 5 cm Durchmesser und 21/, cm Tiefe), welches
zur Hälfte mit Honig gefüllt und mit Drahtgaze bedeckt wurde, so
daß der Honig den Bienen nicht zugänglich war. In diesem Käst-
chen wurde in der gewohnten Weise mit Zuckerwasser gefüttert,
die 3 anderen Kästchen blieben leer. Der Honig duftete nach
menschlichen Begriffen außerordentlich schwach, so
daß wir, wenn wir den Deckel des Honigkästchens ein wenig öffneten
und sein Inneres mit der Nase prüften, kaum einen Honiggeruch
bemerken konnten.
Der erste Versuch, nach 2stündiger Dressur unternommen, lieferte
ein völlig negatives Resultat:
Tabelle 101.
Beobachtungszeit | leer | Honig | lace | leer
8./8. 1914 1055—1100 0 ff 6 0
4 1 10 1
. 8 4 dl] 3
: 9 0 3 0
0 2 7 1
Summa 21 | 14 | ou | 5
Beim nächsten Versuch waren die Bienen schon länger als einen
Tag dressiert worden. Ich stellte das Honigschälchen schon
/, Stunden vor Versuchsbeginn in das Versuchskästchen, es duftete
aber so schwach, daß dieses trotzdem für uns keinen sicher er-
kennbaren Honiggeruch bekam. Auch diesmal war kein. Dressur-
erfolg zu bemerken; °/, Minuten lang schwärmten die Bienen ziel-
los vor den Kästchen herum, dann stürzten sie sich, dem Beispiele
einiger Tiere folgend, in Massen auf jenes Kästchen, welches da
stand, wo zuletzt gefüttert worden war:
Tabelle 102.
Beobachtungszeit ext | Honig leer | na ie | me | 5, | me leer
9./8. 1914 215-20 0 0 15 6
0 0 26 6
1 0 26 11
8 2 14 9
1 5 22 17
Summa | 5 7 ee: | 49
Über den Geruchsinn der Bienen. 111
Zwei weitere, nach 3tägiger Dressur unternommene Versuche,
wobei das Honigschälchen das einemal viele Stunden (Tabelle 103),
das andere Mal 5 Minuten (Tabelle 104) vor Versuchsbeginn in das
Kästchen gegeben wurde, lieferten kein besseres Resultat:
Tabelle 103.
x
Beobachtungszeit | eae leer Honig leer
11./8. 1914 1055—1100 0 0 0 3
2 2 2 i
2 3 6 16
1 5 6 18
2 6 6 14
Summa | 7 | 16 | 20 | 52
«Tabelle 104.1)
Beobachtungszeit Cr leer a | | Honig leer
11./8. 1914 21014 | 0 | 1 | 0 | 2
1 1 3 1
0 6 0 4
9 8 3 5
Summa | 10 | 16 | 6 | 12
Da der Einwand naheliegt, daß bei schwachen Düften der Eigen-
geruch der Kartonkästchen den Erfolg beeinträchtigen könnte, habe ich
die Versuche später nochmals aufgenommen, und zwar gleichzeitig an
2 verschiedenen Dressurplätzen. An dem einen Platze wurde genau so
wie bei den. eben besprochenen Versuchen vorgegangen, am anderen Platze
dienten zur Dressur und zu den Versuchen Holzkästchen?), dieaußen
und innen mit Paraffin überzogen worden waren. In je
4 Versuchen zeigte sich kein Unterschied. In Tabelle 105 sind die
Ergebnisse der Zählungen an den Kartonkästchen, in Tabelle 106 die Er-
gebnisse mit den paraffinierten Holzkästchen summarisch zusammengestellt.
Dressurbeginn: 7./9. 1914, 10 Uhr.
1) Es wurde hier aus Versehen nur 4 Minuten lang gezählt.
2) Ich hatte sie früher zu anderen Zwecken benutzt; man findet sie
in meiner Arbeit über den Farbensinn und Formensinn der Biene (39)
auf p. 64, 65 abgebildet und beschrieben.
112 | Karu v. Frisch,
Tabelle 105 (Kartonkästchen).
Beobachtungszeit Honig | leer | leer | leer
8.9. 1914 1055—1100 6 30 72 ae
9./9. 1914 1035—40 47 15 58 74
9.9. 1914 200-0 i 77 TR 12
11./9. 1914 1107—12 "1: ie 8 24 66
Tabelle 106 (paraffinierte Holzkästchen).
Beobachtungszeit | Honig leer | leer | leer
8/9. 1914 10550 | 7 66 33 53
9./9. 1914 1025-30 GR - 20 14 35
9.9. 1914 21520 6 = AR 3 3
11./9. 1914 1052-57 44 6 14 13
Zwei Jahre später habe ich den Versuch mit eben solchem Honig, aber
in Steingutkästchen wiederholt. Es waren bei der Dressur und bei
den Versuchen je 7 Kästchen in 2 Reihen übereinander aufgestellt, in
der Anordnung, wie sie in Fig. H, S. 27 skizziert ist. Ich habe der
Einfachheit halber in den Tabellen (107 und 108) die Kästchen in eine
Reihe gebracht, doch ist ihre jeweilige Anordnung bei den Versuchen aus
den beigefügten Buchstaben, welche sich auf die entsprechenden Buchstaben
der Fig. H beziehen, zu ersehen. Auch unter diesen Bedingungen
warnach 6—7stiindiger DressurkeinErfolgzu verzeichnen.
Das Honigschälchen wurde in beiden Fällen 10 Minuten vor Versuchs-
beginn in das Steingutkästchen gesetzt.
Tabelle 107.
*
: a b c d e g
Beobachtungszeit Honig leer leer leer leer 1 3 leer
21./8. 1917 40005 0 1 18 1 0 9 0
0 0 15 10 0 54 1
0 0 11 19 0 27 1
0 0 13 8 0 28 7
; 0 0 2 1 0 30 7
Summa | 0 1 59 39 0 6
Über den Geruchsinn der Bienen. 113
Tabelle 108.
. e a c d f g
Beobachtungszeit | yonig leer Es leer | leer | leer | leer
21./8. 1917 420—25 3 iO 3 0 28 6 11
8 0 25 0 31 0 13
11 0 1 0 23 0 9
16 0 2 0 17 0 +
10 0 1 0 16 0 7
u A OT (oe ile cz zer
Will man aus diesen Versuchen schließen, daß der Biene in
bezug auf die Wahrnehmung des Honigduftes kein scharfer Geruch-
sinn zuzuschreiben ist, so müssen zuvor zwei Einwände erwogen
werden, die man gegen eine solche Schlußfolgerung geltend machen
könnte.
Der von mir benützte Honig stammte, wie schon erwähnt wurde,
von dem gleichen Bienenstande, dem meine Versuchstiere ange-
hörten; ich kann nicht sagen, ob er von dem gleichen Volke ge-
nommen war, aber es ist leicht möglich.
Der erste Einwand würde nun lauten: Die Bienen sind von
daheim an den Duft ihres eigenen Honigs so sehr gewöhnt, daß
sie ihn beim Besuch des Dressurkästchens gar nicht beachten, und
deshalb bleibt der Dressurerfolg aus.
Mit theoretischen Erörterungen über diese Auffassung brauchen
wir uns nicht aufzuhalten, denn sie wird durch die Tatsache wider-
legt, daß bei Verwendung desselben Honigs ein Dressur-
erfolg zu erzielen ist, sobald nur der Honig etwas
stärker duftet, so dab auch für unser Geruchsorgan der Honig-
duft im Dressurkästchen wahrnehmbar wird. Ich erreichte dies da-
durch, daß ich die Kästchen in die Sonne stellte.
Nach den ersten mißlungenen Dressurversuchen (Tabelle 101—104
S. 110, 111) setzte ich die Dressur an einem anderen, sonnigen Platze
fort. Im übrigen blieb die Anordnung unverändert. Der erste Versuch
wurde nach 4/,tagiger Dressur unternommen. Ich hatte in ein reines
Kästchen !/, Stunde vorher ein Honigschälchen gestellt und dieses sowie
die drei leeren für den Versuch bestimmten Kartonkästchen an einem vor
Bienen sicheren Ort in die Sonne gebracht, um alle Kästchen gleichmäßig
zu erwärmen und den Honig ebenso zum Duften zu bringen wie im
Dressurkästehen. Das Resultat der Zählung ist aus Tabelle 109 ersichtlich.
‘Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 8
114 Karu v. Frisch,
Tabelle 109,
Beobachtungszeit | 1 Er | leer | Honig leer
12./8. 1914 310—15 13 9 19 2
5 2 26 1
3 1 27 1
2 4 22 1
id 3 22 0
Summa | 30 | 19 | 116 | 5
Nun stellte ich das Honigschälchen in das Kästchen, welches bei
diesem Versuche am wenigsten von Bienen besucht worden war und wieder-
holte den Versuch ausnahmsweise mit denselben Kästchen, nachdem ich
sie zuvor eine weitere Viertelstunde lang besonnt hatte:
Tabelle 110.
Beobachtun gszeit | leer | leer | | pat | Honig
12./8. 1914 335—40 0 5 11 31
0 8 8 28
4 13 19 43
2 3 35 48
1 12 ee 54
Summa | 7 | 41 | 81 | 204
Bei einem dritten, am folgenden Tage unternommenen Versuch wurden
die Kästchen wieder !/, Stunde vor Versuchsbeginn in die Sonne gestellt.
Das Ergebnis war: |
Tabelle 111.
Beobachtungszeit | leer Bu | leer | Honig
13./8. 1914 245—50 À 1 0 8
4 2 1 5
4 16 4 4
8 21 7 20
9 18 9 25
Summa | 26 | 58 | 2l | 62
Es erhielt also bei allen 3 Versuchen jedesmal das Honigkäst-
chen den stärksten Besuch, und durchschnittlich wurde dieses ca.
4mal so stark besucht wie die leeren Kästchen.
‚Im Vergleich mit den Erfolgen, die wir mit der Dressur auf
Über den Geruchsinn der Bienen. 115
Blumendüfte erzielt haben, ist dies freilich ein klägliches Resultat.
Und dies führt uns auf den zweiten Einwand, der sich mit
mehr Berechtigung als der erste vertreten ließe Es ist aus der
Sinnesphysiologie des Menschen bekannt, und jedem bestätigt es die
tägliche Erfahrung, daß unser Geruchsinn für einen bestimmten
Geruch bei längerer Einwirkung desselben ermiiden kann, so daß
wir ihn unter Umständen schließlich gar nicht mehr wahrnehmen.
Das Gleiche kann für die Bienen gelten. Wenn bei dem schwach
duftenden Honig ein Dressurerfolg gänzlich ausblieb, bei dem stärker
duftenden nur ein relativ geringer Erfolg zu erzielen war, könnte
dies darauf beruhen, daß der Geruchsinn der Bienen bei
ihrem Aufenthalt im Stocke für den Duft des eigenen
Honigs ermüdet; sie könnten dann etwa, vom Stocke kommend,
im Dressurkästchen beim schwach duftenden Honig gar keine, beim
intensiver duftenden nur eine schwache Geruchsempfindung haben,
obwohl bei nicht ermüdetem Geruchsorgan in beiden Fällen eine
starke Empfindung ausgelöst würde. Die Frage, ob der Weg vom
Bienenstock zum Dressurplatz nicht genüge, damit sich das Geruchs-
organ erhole, ist müßig, da wir über die hierfür nötige Zeit ebenso-
wenig wissen wie über die ns des Geruchsinnes bei der
Biene überhaupt.
Esist daher eine wesentliche Ergänzung zu den bisher besprochenen
Versuchen, daß ich die Dressur auch mit einem Honig wiederholen
konnte, der aus einer weit entfernten Gegend, von einer ganz
anderen Flora stammt und anders und viel intensiver duftet als der
Honig meiner Bienen: mit bayerischem Heidehonig.
Ein Kartonkästchen, welches in der oben beschriebenen Weise
mit solchem Honig beschickt wurde, hatte auch im Schatten einen
für uns deutlich bemerkbaren Honigduft, wenn wir bei geöffnetem
Deckel daran rochen. Aber trotz der qualitativen Ver-
schiedenheit des Honigs, trotz seines abweichenden
Duftes gelang die Dressur (im Schatten) nicht wesent-
lich besser, als siemit demeigenen Honig inder Sonne
gelungen war.
Es waren wieder 4 Kartonkästchen in einer Reihe aufgestellt. Der
erste Versuch wurde nach 6stündiger Dressur unternommen:
8*
116 Karu v. Frisch,
Tabelle 112.
Beobachtungszeit | leer Heidehonig leer | ] se
12./8. 1914 255—300 0 8 1 2
1 or 5 11
0 28 4 36
3 31 5 12
2 29 15 29
Summa | 6 | 133 | 30 | 90
Tabelle 113.
Beobachtungszeit Heidehonig I ar R | leer leer
12./8. 1914 355 —400 N NE 7 0 5
24 0 0 8
23 5 0 16
14 4 2 14
22 3 1 9
Summa | 92 | 19 | 3 | 52
Tabelle 114.
Beobachtungszeit | leer Heidehonig ae | leer
13./8. 1914 220—25 3 30 5 1
1 49 5 3
2 47 7 5
2 40 | 3
2 41 a 0
Summa | 10 | 207 | 26 | 12
Tabelle 115.
Beobachtungszeit | “leer | 1 ke | leer Heidehonig
13./8. 1914 230—35 1 3 0 7
7 8 5 15
5 8 1 12
9 3 4 23
9 0 3 34
Summa | al | 22 13 | YL
Über den Geruchsinn der Bienen. 1417
Tabelle 116. |
Beobachtungszeit Heidehonig Was | leer | leer
13./8. 1914 26300 7 1 0 3
15 1 4 8
14 5 3 6
17 6 6 9
20 6 3 10
Summa | 13 | 19 | 16 | 36
Es erhielt also bei allen 5 Versuchen jedesmal das Honig-
kästchen den stärksten Besuch, und durchschnittlich wurde es 41/,mal
so stark besucht wie die leeren Kästchen. Demnach auch hier ein deut-
lich positives Ergebnis, das aber nicht entfernt an den Erfolg einer
Dressur auf Blumenduft heranreicht. Dies kam auch in dem un-
sicheren Benehmen der Bienen zum Ausdruck.
Man könnte noch sagen: der Duft verschiedener Honigsorten
sei immerhin so ähnlich, daß auch bei der Verwendung des Heide-
honigs die Ermüdung des Geruchsinnes zur Geltung komme. Wenn
jemand durchaus an dieser Ansicht festhalten will, sei es ihm nicht
verwehrt. Aber er muß nur bedenken, daß dann das Gleiche für
den Nektarduft der Blüten gilt; daß dann die Bienen, die eben noch
auf den Nektar-gefiillten Waben ihres Stockes gesessen haben, für
den Nektarduft der Blüten so wenig empfänglich sein werden wie
für den Honigduft in meinen Kästchen. |
Viel maturlicher scheint es. mir, auf die: unbe-
sründete Annahme, daß die Bienen ein hervorragend
fein ausgeprägtes Witterungsvermögenfürden Honig-
duft besitzen, zu verzichten. Dann erklären sich die Ver-
suchsresultate in ungezwungener Weise. Das Mißlingen der Dressur
bei Verwendung von Honig, der für uns kaum merklich duftete, der
mäßige Dressurerfolg in jenen Fällen, wo im Dressurkästchen ein
Honigduft wahrnehmbar war, der aber an Intensität den Blumen-
düften weit nachstand, fügt sich dann harmonisch in die Kette der
anderen, zum Teil schon erwähnten, zum Teil im folgenden Kapitel
geschilderten Beobachtungen, die alle dafür sprechen, daß die Riech-
schärfe der Honigbiene für die geprüften Düfte nicht wesentlich
anders und jedenfalls nicht von einer anderen Größenordnung ist
als die des Menschen. Auch brauchen wir dann keinen spezifi-
schen Nektarduft anzunehmen, dessen Vorhandensein von vorn-
118 Karu v. Frisch, :
herein unwahrscheinlich und durch nichts erwiesen ist, und können
den Honigduft als das betrachten, was er doch der Hauptsache
nach offenbar ist: als den vom Nektar absorbierten Blütenduft.
VII. Die Riechschärfe der Biene (das „minimum perceptibile“).
Wir haben schon eine Reihe von Tatsachen kennen gelernt, die
dafür sprechen, daß die Schärfe des Geruchsinnes der Biene für die
geprüften Düfte diejenige eines normalen Menschen nicht wesentlich
. übertrifft und wenigstens der gleichen Größenordnung angehört. Ich
erinnere nur an unsere Resultate bei der Dressur auf Honigduft
und an die Art, wie die Bienen ein stark duftendes Kästchen unter
duftlosen herausfinden, wie sie niemals aus größerer Entfernung
direkt auf die Duftquelle losfliegen, wie sie.vielmehr die Kästchen
wahllos absuchen, um sich erst in nächster Nähe des Flugloches für
oder gegen den Besuch zu entscheiden. Doch schien es mir wünschens-
wert, ein genaueres Maß für die Riechschärfe der Biene zu ge-.
winnen, als es durch solche Beobachtungen möglich ist.
Das Minimum perceptibile exakt zu bestimmen stößt auch beim
Menschen, an welchem derartige Versuche naturgemäß viel leichter
auszuführen sind als an Bienen, heute noch auf solche Schwierig-
keiten,!) daß es nicht tunlich war, ein für die Riechmessung am
Menschen ausgearbeitetes Verfahren bei den Bienen in Anwendung
zu bringen. Ich halte dies zwar für technisch durchführbar, aber
es würde eine große Apparatur und sehr viel Zeit und Mühe er-
fordern und schien mir in Anbetracht der am Menschen gewonnenen,
einander vielfach widersprechenden Resultate nicht lohnend.
Wenn wir aber die Frage so stellen: ob die Riechschärfe
der Biene für bestimmte Gerüche angenähert dieselbe
ist wie die eines Menschen mit normalem Geruchs-
organ oder ob der Geruchsinn der Biene wesentlich
stumpfer oder wesentlich schärfer ist als der des
Menschen, so kann man durch einfache Versuche eine Antwort
erhalten; und dies genügt, um die Sache soweit zu klären, wie es
zur Beurteilung der blütenbiologischen Fragen, die sich daran
knüpfen, nötig ist.
Man wird vielleicht einwenden, das „normale Geruchsorgan des
1) Vgl. z. B. die entsprechenden Kapitel bei ZWAARDEMAKER (104)
und HENNING (45).
Über den Geruchsinn der Bienen. 119
Menschen“ !), welches zum Vergleich herangezogen werden soll, sei
ein allzu unexakter und dehnbarer Begriff, als daß man so brauch-
bare Resultate erhalten könnte. Ich meine, dies ist nicht der Fall.
Denn es handelt sich nicht darum, genaue Zahlenwerte, sondern
eine Größenordnung zu finden.
Die erste Versuchsreihe wurde in folgender Weise durchge-
führt. Es waren in 2 Reihen übereinander 24 Kartonkästchen auf-
gestellt. In einem derselben wurden die Bienen auf Tuberosen-
duft (wohlriechendes Öl, s. S. 18) dressiert, die übrigen waren
weder mit einem Riechstoff noch mit Da versehen. Der
Platz des Dressurkästchens wurde häufig gewechselt, doch wurde
vor den Versuchen stets längere Zeit aus einem mittleren Kästchen
der oberen oder unteren Reihe (f, g, s oder t vel. Fig. J S. 43) ge-
füttert. Bei den Versuchen wurde das Dressurkästchen entfernt
und durch ein leeres ersetzt; weit seitlich davon wurden die vier
Kästchen, deren Frequenz beobachtet werden sollte, aufgestellt, der-
art, daß mit Rücksicht auf die Lage des Dressurplatzes keines vor
dem anderen begünstigt war.?) Von diesen 4 reinen Kästchen blieb
eines ohne Riechstoff, die übrigen wurden mit je 6 Tropfen der
wohlriechenden Öle versehen, die aus fein ausgezogenen, unterein-
ander gleichen Glaspipetten kurz-vor Versuchsbeginn auf die Duft-
bänkchen getropft wurden; und zwar wurde eines mit Jasmin-
blütenöl, also mit einem vom Dressurduft abweichenden Riechstoff
versehen; ein zweites mit einem Gemisch von Tuberosenblütenöl und
-Jasminbliitendl; dieses soll uns hier nicht interessieren und ist in
den Tabellen weggelassen; das dritte mit Tuberosenblütenöl (Dressur-
duft) in wechselnder Verdünnung. Die Verdünnung wurde durch
Mischung mit reinem Paraffinöl bewerkstelligt, dessen. Geruch-
losigkeit auch für die Bienen schon au, S. 34 hervorgehoben
wurde.
1) Vgl. über die Norm der Geruchschärfe ZWAARDEMAKER (104),
p. 125 ff.
2) War z.B. beit le worden, so wurden die zu beobachtenden
Kästchen an die Plätze d, k, p, x gestellt; die Kästchen der unteren Reihe,
in welcher gefüttert a war,. standen also etwas weiter seitlich vom
letzten Dressurplatze entfernt als die Kästchen der oberen Reihe. War
in der oberen Reihe zuletzt gefüttert worden, so war die Aufstellung
der 4 Kästchen entsprechend anders. Fehler, die durch die Lage des
Dressurplatzes nz wären, wurden dadurch so weit wie möglich aus-
geschaltet. | |
120 Karu v. Frisch,
An den übrigen Plätzen blieben die leeren Kartonkästchen, die
während der "Dressur aufgestellt waren, auch bei den Versuchen
stehen, um das Gesamtbild der Anordnung nicht zu verändern.
Wurde das Tuberosenblütenöl mit gleichen Teilen reinen Paraffinôles
gemischt, so wurde ein mit 6 Tropfen dieses Gemisches beschicktes Käst-
chen von den Bienen ebenso rasch und sicher herausgefunden wie ein mit
dem unverdünnten Dressurduft versehenes Kästchen. Als Beispiel seien
die bei einem solchen Versuch gefundenen Besucherzahlen (Tabelle 117)
angeführt (die Aufstellung der Kästchen ist aus den beigefügten Buch-
staben ersichtlich, welche sich auf Fig. J S. 43 beziehen).
Tabelle 117.
Letzter Dressurplatz t.
| | k
: x
Beobachtungszeit Faeroe Wi Paraffin alles EN
13./8. 1916 1095-10 16 0 1
27 0 2
29 0 0
29 0 0
21 0 0
Summa | 122 | 0 | 3
Bei einem zweiten Versuche erhielt ich Zahlen, die nur um ein ge-
ringes von denen der Tabelle 117 abweichen.
Weiterhin wurde der Dressurduft in den Verdünnungen Tuberosen-
blütenöl: Paraffinôl — 1:2 (4 Versuche), 1:5 (4 Versuche), 1 : 7 (2 Ver-
suche), 1:11 (4 Versuche) und 1:20 (5 Versuche) geprüft. Schon bei
der Verdünnung 1:2 war ein Unterschied im Benehmen der Bienen
bemerkbar; es schlüpften nicht mehr alle Bienen in das Tuberosenkästchen,
welche „hineinrochen“, sondern manche zögerten am Flugloche und flogen
wieder ab, ohne hineinzuschlüpfen. Immerhin wurde bei dieser Ver-
dünnung das Tuberosenkästchen durchschnittlich noch 64mal
so stark besucht wie das duftlose Kästchen. Das Zögern der
Bienen machte sich bei zunehmender Verdünnung in erhöhtem Grade be-
merkbar, so daß bei der Verdünnung 1:11 das Tuberosen-
kästchen durchschnittlich nur noch 14.5mal so stark, bei
der Verdünnung 1:20 nur 9.7mal so stark besucht wurde
wie das duftlose Kästchen. Aber bei allen 19 mit diesen Verdünnungen
unternommenen Versuchen hatte noch jedesmal das Tuberosenkästchen
eine stärkere Frequenz aufzuweisen als das duftlose Kästchen.
Dies änderte sich bei weiter fortschreitender Verdünnung. Ich möchte
die Resultate der betreffenden Versuche, bei welchen wir offenbar auch
für die am schärfsten riechenden Bienenindividuen an die Grenze der
Über den Geruchsinn der Bienen. | 121
Wahrnehmbarkeit des Dressurduftes herankommen, wieder ausführlich in
Tabellenform bringen.
Bei der Verdünnung 1:50 (5 Versuche, Tabelle 118—122)
wurde in einem Falle das duftlose Kästchen stärker fre-
quentiert als das Tuberosenkästchen. Durchschnittlich
wurde das letztere 3-7mal so stark besucht wie das duftlose
Kästchen.
Tabelle 118.
Letzter Dressurplatz s, schön Wetter, kühl.
e 3
: : : i 0
Beobachtungszeit Tuber a, Paraffin er eee
23./8. 1916 545—50 0 0 0
1 0 0
1 0 0
5 0 0
7 0 0
Summa | 14 | 0 | 0
Tabelle 119.
Letzter ‘Dressurplatz t, leicht bewölkt, viel Sonne !), 13—14° C,
Beobachtungszeit un Paraffin “ =
8 1-50 duftlos Jasmin
24./8. 1916 945—50 2 il 1
2 10 1
0 4 2
0 10 2
| il 2
Summa | 5 | 26 | 8
Tabelle 120.
Wie bei Tabelle 119.
k x
Beobachtungszeit Dre). Paraffin Aufiles ann
24./8. 1916 955—1000 4 1 0
12 3 7
12 1 6
ar 0 3
15 0 7
Summa | 60 | 5 | 23
1) Die Kästchen standen natürlich stets im Schatten.
122 Kart v. Frisch,
Tabelle 121.
Wie bei Tabelle 119.
i ;
: k pP.
ae ser ge Er Paraffin duftios | Jasmin
24.18. 1916 1020-25 6 0 gr -
a 4 pee) 1
1 0 1
10 fee 0
6 1 1
Summa | 27 | 8 | 5
Tabelle 122.
Wie bei Tabelle 119.
: AT | à
Beobachtungszeit a, Paraffin duftlos jan
24./8. 1916 1035—40 : 2 0 5)
6 0 0
10 0: 3
7 0 4
16 1 2
Summa | 41 1 | : 12
Bei zwei Versuchen mit der Verdünnung 1:100 wurde beidemale
das Tuberosenkästchen stärker, aber durchschnittlich nur
2mal so stark besucht wie das duftlose. Daß der Dressurduft
jetzt für die Bienen kaum mehr wahrnehmbar war, ging auch deutlich aus
der bloßen Beobachtung der Tiere hervor. Sehr viele näherten sich dem
Flugloche des Tuberosenkästehens und steckten sogar den Kopf hinein,
ohne schließlich hineinzuschlüpfen, ganz so, wie sie es bei duftlosen oder
andersartig duftenden Kästchen zu machen pflegten.
Tabelle 123. ee |
Letzter Dressurplatz g, leicht bewölkt, viel Sonne, 15° C.
————————————————————— ‘ +
: ot q w C
Beobachtungszeit eg 1 Os toa duftlos Kane
24.8. 1916 1055—1100 0 I 1
3 0 1
4 3 3
9 0 5
2 0 0
Summa | 18 7 10 |
„if
Über den Geruchsinn der Bienen. 123
Tabelle 124.
Wie bei Tabelle 123.
]
A £ C Ww
Beobachtungszeit Tuber a en duftlos nenn
24./8. 1916 1110-15 2 0 3
4 4 1
6 5 2
4 ab 4
4 5 0
Summa | 20 | 15 | 10
Schließlich wurde in 4 Versuchen die Verdünnung 1:200 geprüft.
Es wurde in 2 Fällen das Tuberosenkästchen stärker be-
sucht als das duftlose, 2mal war das Gegenteil der Fall.
Das Tuberosenkästchen wurde durchschnittlich 1.36mal
so stark frequentiert wie das duftlose. . Das Benehmen der
Bienen an den Kästchen schien völlig ziellos.
Tabelle 125.
Letzter Dressurplatz s, bewölkt, 17° C.
: 20:
Beobachtungszeit puberuee 319 un | grue J RR
24/8. 1916 119—24 0 0 1
2 L 2
1 5 2
1 3 2
2 a 0
Summa | 6 | 12 | 7
Tabelle 126.
Wie bei Tabelle 125.
Beobachtun szeit ER Paraffi be À
8 1 : 200 en duftlos Jasmin
24.18. 1916 130—35 3 0 TR.
4 0 0
6 5 3
8 1 5
| 3 0 De
j 2
Summa | 24 | 6 | 1:
124 Karu v. Friscu,
Tabelle 127.
Letzter Dressurplatz f, bewölkt, 164/,° C.
b
; : p k
Beobachtungszeit «aus pa ab Paraffin Loti Face
24.18. 1916 24-49 0 0 0
0 0 0
0 0 0
0 0 3
0 5 3
Summa | 0 | 5 | 6
' Tabelle 128.
Wie bei Tabelle 127.
Beobachtungszeit Tuberöse-Pardifin k R
= 1 : 200. duftlos Jasmin
24 /8. 1916 255—300 1 0 1
1 3 0
0 1 i!
3 0 3
3 1 0
Summa b>. 8 | 5 | 5
10 Minuten nach dem letzterwähnten Versuch machte ich zur Kon-
trolle ein Experiment, in welchem bei sonst gleichen Bedingungen statt des
verdünnten Tuberosenduftes ein Kästchen mit 6 Tropfen des unver-
dünnten Tuberosenblütenöles geboten wurde. Das Ergebnis ist
aus Tabelle 129 ersichtlich.
Tabelle 129.
Wie bei Tabelle 127.
: k b Vv
Beobachtungszeit Tuberose duftlos Jasmin
24/8 1916 310-15 22 1 0
30 2 0
45 2 0
30 1 0
36 1 1
Summa 163 | 7 | 1
Über den Geruchsinn der Bienen. 125
‘ Aus dem Benehmen der Bienen in dieser Versuchsreihe gewinnt
man den Eindruck, als beständen bei ihnen in bezug auf die
Riechschärfe recht beträchtliche individuelle Unterschiede.
Denn schon bei der Verdünnung 1:2 wandten sich manche
Tiere, die den Kopf ins Flugloch gesteckt hatten, wieder vom
Tuberosenkästchen ab, was bei der Verwendung des unverdünnten
Tuberosenblütenöles (6 Tropfen) nicht zu beobachten ist. Aber noch
bei der Verdünnung 1:50 wurde das Tuberosenkästchen zweifellos
von einer Anzahl von Bienen vor dem duftlosen Kästchen bevorzugt.
Bei der Verdünnung 1:100 schienen noch einzelne, besonders scharf
riechende Individuen den Dressurduft zu erkennen, während bei der
Verdünnung 1:200 so gut wie alle versagten.
Zum Vergleich stellte ich Versuche an mir selbst sowie an
einer Dame (M.F.) an, deren Geruchsinn etwas schärfer ist als der
meinige.!) Würden wir bei geschlossenem Kästchen an dessen re-
lativ kleinem Flugloch riechen, so wären die Bedingungen für uns
bedeutend ungünstiger als für die Bienen, die, vor dem Flugloch
schwebend, ihren Kopf hineinstecken. Angenähert ähnliche Bedin-
gungen schaffen wir für uns, wenn wir den Deckel des Kästchens
etwas öffnen und durch die entstehende Spalte Luft aus dem Käst-
chen inspirieren. Unter solchen Umständen roch für mich das mit
der Verdünnung 1:50 beschickte Kästchen noch deutlich nach Tube-
rosen, während bei der Verdünnung 1:100 für mich der Tuberosen-
duft in unwissentlichen Versuchen nicht mehr mit voller Sicherheit
erkennbar war. Für M. F. lag die Erkennungsschwelle zwischen
den Verdünnungen 1:100 und 1:200.
Ich habe über diese Versuchsreihe mit Ausführlichkeit berichtet,
weil sie die einzige ist, bei welcher als Dressurduft ein natürlicher
1) Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sind diese beiden
zum Vergleich herangezogenen Riechorgane als normal und keinesfalls als
hervorragend scharf zu bezeichnen. Um dies genauer zu prüfen, habe ich
an einem Riechmesser mit Magazinzylinder, Metallgazestütze und Papier-
zylinderchen (wie es bei ZWAARDEMAKER [105], p. 64, Fig. 4 abgebildet
und beschrieben ist) wiederholt Reizschwellenbestimmungen ausgeführt, wobei
als duftende Flüssigkeiten eine wässerige Kampferlösung 1: 100000 und
eine wässerige Cumarinlésung 1:1000000 zur Anwendung kamen. Die
hierbei gefundenen Erkennungsschwellen wichen von der Norm nicht
‘wesentlich ab. Ich fand an mir die Erkennungsschwelle für die Kampfer-
lösung durchschnittlich bei 6—7 cm, für die Cumarinlösung bei 3 cm.
Bei M. F. lagen die gefundenen Werte. durchschnittlich etwas niedriger
als bei mir.
126 Kart v. Faiscu,
Blumenduft funktionierte. Sie ist aber in mancher Hinsicht nicht
ganz befriedigend. Vor allem schien es mir angebracht, als ich statt
der Kartonkästchen die geruchlosen Steingutkästchen zur Verfügung
hatte, mit diesen die Versuche nochmals aufzunehmen und hierbei
an Stelle der komplexen Blütenöle bei diesen weiteren Versuchen
chemisch wohldefinierte, einheitliche Riechstoffe zu benutzen. Als
solche wählte ich Bromstyrol und Methylheptenon. 1) |
w-Bromstyrol ist Vinylbenzol (Phenyläthylen), bei dem ein
Vinylwasserstoff in w-Stellung durch Brom ersetzt ist:
| C,H, — CH = CHBr.
Es ist eine Flüssigkeit von intensivem, an Hyazinthenduft erinnerndem
Geruch. | |
Die Bienen ließen sich sehr leicht auf diesen Duft dressieren.
Es waren 7 Steingutkästchen in zwei Reihen übereinander aufge-
stellt (Anordnung vgl. Fig. H, S. 27), von denen 6 duftlos waren,
während eines mit. dem Dressurduft und Zuckerwasser versehen
wurde. Nach 2'/,stiindiger Dressur ergab ein Zählversuch, bei
‚welchem 7 reine Kästchen und zwar 5 duftlose und 2 mit dem
Dressurduft beschickte aufgestellt wurden, das aus Tabelle 130 er-
sichtliche Resultat (die Anordnung der Kästchen beim Versuch ist
aus den beigefügten Buchstaben zu entnehmen, die sich auf die ent-
sprechenden Buchstaben der Fig. H, S. 27 beziehen).
Tabelle 130.
- a g ni
Beobachtungszeit | Brom- | Brom-
b d e f
Cc
styrol styrol cutee duftlos duftlosiduftlosiduftlos
18.8. 1917 112-17 | 44 14 0 0 2 1 0
44 18 0 1 0 1.
34 20 0 2 0 0 0
| 38 19 0 0 1 0 0
21 27 1 0 1 0 0
Summa | 181 | 98 | 1 | 2 | 4 | 2 | 0
Nach 2tägiger Dressur wurde eine Versuchsreihe durchgeführt,
bei welcher der Dressurduft in allmählich zunehmender Verdünnung
dargeboten wurde. Die Verdünnung geschah nach Volumina durch
1) Ich verdanke diese Riechstoffe der Firma SCHIMMEL & Co. in
Miltitz bei Leipzig.
Über den Geruchsinn der Bienen. 427
Versetzen mit reinem (geruchlosem) Paraffinöl, mit welchem Brom-
styroi gut mischbar ist. Die Mischung wurde stets kurz vor dem
Versuch frisch hergestellt. Bei jedem Versuch wurden 5 duftlose
und 2 mit verdünntem Bromstyrol beschickte Steingutkästchen auf-
gestellt. Die Duftträger (S. 13) der letzteren wurden stets 5 Mi- _
puten vor Versuchsbeginn !) mittels einer fein ausgezogenen Glas-
pipette mit je 6 Tropfen der Mischung versehen, worauf sogleich
die Deckel geschlossen wurden.
Die mit den Verdünnungen 1:10 und 1:50 unternommenen Ver-
suche kann ich übergehen. Die Bromstyrolkästchen wurden in diesen
Fällen ohne Zögern und sehr reichlich von den Bienen besucht. Bei den
Verdünnungen 1:200 (2 Versuche, Tabelle 131 und 132) und 1:500
(2\ Versuche, Tabelle 133 und 134) ließ die Frequenz der Bromstyrol-
kästchen schon etwas nach. Daß bei der Verdünnung 1:500 die Duft-
_ kästchen relativ stärker besucht wurden als bei der Verdünnung 1: 200,
ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß es inzwischen um 6° C. wärmer
geworden war, was die Verdunstung des Riechstoffes begünstigen mußte.
Tabelle 131.
Teilweise bewölkt, 19° C.
nen i
: b c e g
Bromstyrol| Bromstyrol d
Beobachtungszeit Paraffin | _ Paraffin re ir duft- ge Sue
| 1 : 200 1 : 200 jh Pr seit : 5
20,8. 1917 902-07 |. 25 7 0 1 0 4 1
| 13 6 2 1 2 8 0
a ae 8 0 0 1 1 0
8 7 6 0 1 1 2
10 10 1 3.170 5 0
CONTRE se EUR 3
Summa | Maes | 38 |
1) Es ist für die Duftkonzentration im Kästchen natürlich nicht
gleichgiltig, ob der verdünnte Riechstoff unmittelbar vor Versuchsbeginn
oder längere Zeit vorher eingebracht wird, da bei längerem Stehen eine
größere Zahl von Riechstoffpartikelchen frei wird und die Luft des Raumes
erfüllt.
128 Karu v. Frisca
Tabelle 132.
Wie bei Tabelle 131.
Bromstyrol| Bro mstyrol| 3,54. | auft- | duft- | dutt-
Beobachtungszeit . 8
+ Paratfin | + Paraffin 2 duft-
1 : 200 1.20 | 8 | 6 DÉS
20./8. 1917 920—25 9 3 1 1 1 0 0
12 3 0 0 0 12 0
17 14 0 4 7 1 0
13 a 0 2 3 2 0
12 2 0 3 1 0 :!
Summa | 63 | 25 | 1 | 10 | 12 | 15 | i!
Tabelle 353
Teilweise bewölkt, 25° C.
C e *
Bromstyrol| Bromstyrol| a b d f
Beobachtungszeit + Paraffin | + Paraffin |luftlosiduftlos[duftlosjd aftlos aries
1: 500 PE A u er 1 : 500
20. B. 1917 1253—58 19 5 (0208 AL 0 1 0
18 3 0 1 0 .0 0
9 7 0 2 0 0 4
14 2 0 3 0 0 1
24 8 0 O 0 0 0
Summa | 84 | 25 BO + 6-1 OS
Tabelle 134.
Wie bei Tabelle 133.
| ba | g ls,
-, |Bromstyrol| Bromstyro c d e f
Beobachtungszeit + Paraffin | + Paraffin aac ds duftlos|duftlos|duftlos|duftlos
1 : 500 1 : 500
20./8. 1917 258—302 19 10 0 | 0 0 0 1 |
28 22 0 0 0 1 1 |
17 14 0 0 0 0 1 :
13 15 0 0 0 0 0 |
17 15 2 0 0 0 0
Summa | 94 | 76 [ 4 | 0 [| DIT TEE
Bei der Verdünnung 1: 2000 (2 Versuche, Tabelle 135 und 136)
war im Benehmen der Bienen bereits ein hoher Grad von Unsicherheit
zu bemerken.
si er
Über den Geruchsinn der Bienen. 129
Tabelle 135.
Wie bei Tabelle 133.
b f [8%
., |Bromstyrol|Bromstyrol| a e g
Beobachtungszeit + Paratfin | + Paraffin |duftlos antes a pam duftlos|duftlos
1 : 2000 1 : 2000
20./8. 1917 115—20 3 5 0 : 0 2 0
: | 7 6 1 0 0 0 0
14 1 1 0 2 0 0
13 4 5 1 3 0 Q
7 3 0 0 0 2 0
Summa | ‚44 | 19 ARCS CARS a AE 20
Tabelle 136.
Wie bei Tabelle 133.
a
-, |BromstyroljBromstyrol| b d e g
Beobachtungszelt + Paraffin | + Paraffin |duftlos panes ,|duftlos|duftlos/duftlos
1 : 2000 1 : 2000
20/8. 1917 320-3 0 0 2 MARS CN CO IN
18 1 10 1! 0 0 0
é 24 1 1 0 0 0 1
29 0 1 1 0 0 0
20 0 3 4 0 0 À
Summa | 91 | 2 RAA te bee 4
Mit der Verdünnung 1: 20000 (4 Versuche, Tabelle 137— 140) sind
wir auch für die mit dem schärfsten Geruchsinn begabten Bienenindividuen
nahe an der Grenze der Wahrnehmbarkeit angelangt. Dies offenbarte
sich deutlich in dem ziellosen Benehmen der Tiere namentlich in den ersten
Minuten der Versuche, und es zeigt sich ferner dadurch, daß in allen
Fällen eines der beiden Duftkästchen fast keinen Besuch erhielt. Da
die Bienen alle Kästchen absuchten, da zahlreiche Tiere auch das Flug-
loch jenes Bromstyrolkästchens inspizierten, ohne jedoch hineinzuschlüpfen,
war der Duftin dieser Verdünnung für weitaus die Mehr-
zahl von ihnen nicht mehr erkennbar. Das zweite Duftkästchen
wurde allerdings noch relativ stark besucht. !) Man darf aber beim Ein-
schätzen der Zahlen nicht vergessen, daß auf die vielen herumschwärmenden,
vergeblich nach dem Dressurduft suchenden Bienen schon das Hinein-
schlüpfen weniger Tiere in eines der Kästchen verführerisch wirkt und
leicht zum Nachfolgen Veranlassung gibt (vgl. S. 30).
_. 1) Es wurden selbstverständlich bei jedem Versuch andere, neu mit
Duft versehene Kästchen verwendet.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. + 3
130 Karu v. Frisch,
Tabelle 137.
Wie bei Tabelle 133.
C e
.. |Bromstyrol| Bromstyrol| a | d f g
Beobachtungszeit | | Paratfin | + Paraffin |tuftlos| ©, (auftosluuftiosduftlos
1:20000 | 1:20000
20./8. 1917 145-50 0 0 0 0 0 0 0
7 0 i 5 0 0 2
12 1 0 23 0 0 0
4 1 2 18 0 2 1
1 0 0 23 0 2 1
Summa | 23 | 2 | 3°) 69° | ON
Tabelle 138.
Wie bei Tabelle 133.
a f *
a Bromstyrol| Bromstyrol| b c d e
Beobachtungszeit + Paratfin a Paraffin |duftlos}:luftlos|duftlos}duftlos d Ê
: 20000 : 20000 NE
20./8. 1917 203—08 0 7 0 1 0 0 0
0 LL 0 3 0 0 0
0 N 1 0 0 0 0 0
0 5 0 0 7 0 0
0 2 2 1 3 1 0
Summa | 0 | 42 2 2.5: 7 OT eee
Tabelle 139.
Wie bei Tabelle 133.
romeo comte its 3 f
: romstyrol| Bromstyro e
Beobachtungszeit + Paraffin ir Paraffin |duftlos duftlos 1 S „[uftlosfduftlos
1 : 20000 : 20000 Ma |
20./8. 1917 219-24 2 0 1 1 0 0 0
15 0 2 2 0 1 0
9 0 0 2 1 1 0
20 0 | 2 1 1 0
21 0 0 0 0 0 l
Summa | 67 | 0 | 4 | 7 [vache
|
|
Über den Geruchsinn der Bienen. 131
Tabelle 140.
Wie bei Tabelle 133.
c e R
Bromstyrol|Bromstyrol| a
Beobachtungszeit b d f
= + Paraffin | + Paraffin |duftlos|duftlos|duftlos|duftlos 1 £ |
1 : 20900 1 : 20000 ultlos
20./8. 1917 240—45 0 4 0 0 0 1 1
| 5 0 0 2 0 0 0
30 0 1 0 0 1 0
21 0 0 0 0 0 1
20 1 0 0 0 0 0
Sunma | fo. | 5 Peers 2 | 2
Während also schon bei einer Verdünnung von 1:200 die Fre-
quenz der Bromstyrolkästehen merklich nachließ, war anscheinend
in der Verdünnung 1:2000 der Dressurduft für die Mehrzahl der
Bienen nicht mehr zu erkennen, und bei der Verdünnung 1:20000
sind wir offenbar auch für die mit dem schärfsten Geruchsinn aus-
gestatteten Individuen nahe an der Grenze der Wahrnehmbarkeit
angelangt. So wie beim Tuberosenblütenöl schienen auch hier in
bezug auf die Riechschärfe beträchtliche individuelle Unterschiede
zu bestehen.
In unmittelbarem Anschlusse an den letzten Versuch prüfte ich
am Menschen die Bromstyrolverdünnungen, die zur Anwendung
gekommen waren. Es wurden reine Steingutkästchen genau so
wie bei den Bienenversuchen mit den Riechstoffen beschickt, 5 Mi-
nuten mit geschlossenem Deckel stehen gelassen und hierauf bei
etwas gelüftetem Deckel von oben berochen. Für M. F. war das
Bromstyrol in den Verdünnungen 1:200 und 1:500 sofort in voller
Deutlichkeit erkennbar. Auch bei der Verdünnung 1:2000 wurde
in unwissentlichen Versuchen das Duftkästchen von einem duftlosen
mit Sicherheit unterschieden und der Bromstyrolgeruch erkannt.
Bei der Verdünnung 1:20000 war kein Duft mehr wahrnehmbar.
Ich selbst nahm den Bromstyrolduft im Kästchen noch schwach
wahr bei der Verdünnung 1:500, nicht mehr bei der Verdünnung
1:2000.
Entspricht nun jene Verdünnung des Duftes, bei
welcher die Duftkästchen von den Bienen nicht mehr
vor duftlosen Kästchen bevorzugt werden, wirklich
dem minimum perceptibile für die Bienen? Auf Grund
Ox
132 Karu v. FriscH,
_
der bisher besprochenen Versuche kann diese Frage nicht strikte
bejaht werden. Denn es ist folgender Einwand in Erwägung zu
ziehen. Die Bienen hätten tatsächlich einen weitaus schärferen Ge-
ruchsinn als wir, und sie hätten auch den Duft bei jener Verdün-
nung, bei welcher ich die Grenze der Wahrnehmbarkeit annehme,
sehr wohl noch wahrgenommen und seien nur deshalb von dem Duft-
kästchen nicht mehr angelockt worden, weil sie auf eine viel höhere
Konzentration des Duftes dressiert worden seien; man könne nicht
verlangen, daß die an einen konzentrierten Duft gewöhnten Bienen
den Dressurduft auch beachten, wenn er pes stark verdünnt
geboten wird.
Der Einwand .scheint zwar wenig cher ‘Denn es ist an-
zunehmen, daß die Bienen in ein Kästchen, in welchem sie noch
eine Spur des Dressurduftes. wahrnehmen, Eher hineingehen werden
als in ein völlig duftloses. Wäre es doch höchst unzweckmäßig,
wenn der Geruch einer Blume seine Bedeutung ganz verlöre, .
sobald er infolge der Witterung oder aus anderen Gründen weniger
intensiv ist als sonst.
Doch wollte ich über diesen Punkt Gewißheit erlangen, und die
ist auf Grund folgender Überlegung môglich: Wenn die Bic die
auf einen konzentrierten Duft dressiert ist, den Duft bei einer ge-
wissen Verdünnung wohl noch riecht, aber nicht mehr beachtet, weil
seine Intensität von der des Dressurduftes zu sehr verschieden ist,
so muß sich der gefundene Grenzwert verschieben, sobald ich auf
eine andere Duftkonzentration dressiere, d. h. es muß bei den Ver-
suchen der Duft noch in weit stärkerer Verdünnung beachtet
werden, wenn ich ihn bei der Dressur weit stärker verdünnt dar-
biete. Entspricht aber der gefundene Grenzwert tat-
sächlich dem minimum perceptibile für die Bienen,
gehen sie also tatsächlich so lange in das Duftkästchen, als sie noch
eine Spur des Dressurduftes erkennen, so darf sich die Grenze
nicht verschieben, gleichgültig, obichbei der Dressur
den Duft in hoher Konzentration geboten habe oder
in einer Verdünnung, die dem minimum perceptibile
nahe liegt. Diese Alternative wird durch folgende Versuchsreihe
entschieden.
Ich Br: die Bienen auf Methylheptenon
EN
3
en Wate =CH — CH, — CH, —CO—CHs,
eine Flüssigkeit von dem intensiven Fruchtgeruch des Amylacetat.
Über den Geruchsinn der Bienen. 133
Die Anordnung war die gleiche wie bei der oben beschriebenen
-Dressur auf Bromstyrol (7 Steingutkästchen in 2 Reihen über-
einander, vgl. Fig. H, S. 27). Die Dressur auf diesen Duft gelingt
sehr leicht; die Bienen erwiesen sich bei dem ersten, nach ein-
tägiger Dressur unternommenen Zählversuch (Tabelle 141) als gut
dressiert, alle Tiere, die an die Fluglöcher der Duftkästchen heran-
kamen, schlüpften ohne Zögern hinein. Daß die beiden Duftkästchen
bei diesem Versuch keine höhere Frequenz aufweisen, ist darauf
zurückzuführen, daß zufällig gerade bei Versuchsbeginn die Sonne
durch dunkle Wolkenmassen verfinstert wurde, was die meisten
aus dem Dressurkästchen aufgescheuchten Bienen zum Heimfliegen
veranlaßte, so daß relativ wenige Tiere anwesend waren.
Tabelle 141.
b d *
Beobachtungszeit Methyl- Methyl-
a C e g
f
heptenon | heptenon duftlosiduftlosiduftlos Aeros duftlos
3./9. 1917 1100-05 3 3 0 0 0 0 0
| 7 7 0 0 0 0
9 10 2 0 0 0 0
10% 8 0 3 0 0 0
13 A 1 0 se] 0
a D an, es ee ee a 2] 0
An den beiden folgenden Tagen wurden Versuche durchgeführt, die
auf S. 153ff. besprochen sind und uns hier nicht interessieren. Dann
wurde die Dressur für 2 Tage unterbrochen und am 7./9. wieder auf-
genommen.
Zur Verdünnung des Riechstoffes benutzte ich, wie beim Bromstyrol,
Paraffinöl, mit welchem auch Methylheptenon gut mischbar ist. Die Duft-
kästchen wurden wieder stets 5 Minuten vor Versuchsbeginn mit je 6 Tropfen
des Riechstoffes beschickt.
Ich stellte zunächst fest, daß die Verdünnung des Methyl-
heptenons, bei welcher es für viele Bienen anscheinend nicht mehr
erkennbar ist, angenähert bei 1:2000 liegt. Bei dieser Verdünnung
macht sich eine gewisse Unsicherheit bemerkbar, die Bienen gehen
meist nur zögernd in die Duftkästchen, und viele riechen an deren
Fluglöchern, ohne hineinzuschlüpfen. In. noch stärkerer Verdünnung
wurde der Duftstoff an diesem Tage nicht geprüft. ©
Nach mehrtägiger Pause nahm ich am Morgen des 11./9. die
Dressur wieder auf und fütterte in einem Kästchen, welches sehr
reichlich mit Methylheptenon beschickt war und in kurzen Zwischen-
134 Karu v. Frisch,
räumen mit frischem Riechstoff versehen wurde, so daß es andauernd
sehr intensiv duftete. Als nun bei einem Versuch das Methyl-
heptenon in der Verdünnung 1:2000 geboten wurde (Tabelle 142),
war es wiederum sehr deutlich, daß die Bienen nur zögernd in die
Duftkästchen gingen und sehr viele die Fluglöcher inspizierten, ohne
hineinzuschliipfen.') In zwei Versuchen, bei welchen das Methyl-
heptenon in einer Verdünnung von 1:20000 zur Anwendung kam,
schwärmten die Bienen gänzlich ziellos vor den Kästchen herum,
und die Duftkästchen wurden nun vor den duftlosen überhaupt nie
mehr bevorzugt (Tabelle 143, 144).
Tabelle 142.
Wolkenlos, 19° C.
C e
Beobachtungszeit heptenon heptenon i eae aD . .
+ Paraffin | + Paraffin duftlos Aufklhs duftlos|duftlosiduftlos
1 : 2000 1 : 2000
11.9. 1917 1022—27 0 2 0 0 0 0 0
0 9 0 0 0 8 0
1 17 0 0 0 2 1
1 12 0 11 0 0 1
0 15 | 6 0 3 3
Summa | 2 | 99 [ofp ite OO
Tabelle 143.
Wie bei Tabelle 142.
a à
Methyl- Methyl- b 2 * x g
Beobachtungszeit heptenon | heptenon d
4 Paraffin | Paraftin duftlosjduftlos duftios duftlosiduftlos
1 : 20000 1 : 20000
11./9. 1917 1002-07 0 0 0 1 0 0 0
0 0 0 0 0 {) 0
0 0 D 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 1
0 2 | 0 0 0 0
Summa | U | 2 | 6 | JI.) OUT
1) Daß das eine Methylheptenon-Kästchen fast gar nicht, das andere
relativ stark besucht wurde, erklärt sich wieder aus dem Nachahmungs-
trieb der Tiere, der sich geltend macht, sobald die sichere Leitung durch
den deutlich wahrnehmbaren Dressurduft fehlt (vgl. S. 30 u. 129).
Über den Geruchsinn der Bienen. 135
Tabelle 144.
Wie bei Tabelle 142.
C 7
Metbyl- Methyl- + d &
Beobachtungszeit Dem Pantin le duftlos}duftlos|duftlos|duftlos
1 : 20000 : 20000
11.9. 1917 10505 0 0 0 0 0 3 0
: 3 0 ik il 0 0 0
0 0 0 0 0 5 0
6 3 0 0 0 10 0
0 3 2 0 0 7 0
Summa | 9 | 6 rar ke Os Poze ECO
Von 11 Uhr an dressierte ich nun auf den gleichen Duft in
starker Verdünnung. Ich benutzte eine Verdünnung mit
Paraffinöl im Verhältnis 1:200, in welcher der Duft von den Bienen
(und auch von uns) sicher noch wahrgenommen wird, aber doch vom
Grenzwert (1:2000) nicht mehr allzuweit entfernt ist. Unter Kon-
trolle der eigenen Nase wurde der Duft im Dressurkästchen durch
entsprechendes Nachfüllen von verdünntem Methylheptenon an-
dauernd in solcher Konzentration gehalten, daß er für mich eben
noch deutlich, aber schwach erkennbar blieb.
Nachdem etwas mehr als 3 Stunden in dieser Weise dressiert
worden war, wurden die Versuche wiederholt. Eine 3stündige
Dressurdauer genügte. Sind doch die Bienen schon nach 2 stündiger
Dressur auf einen neuen Duft einwandfrei dressiert. |
Das Wetter war das gleiche wie am Vormittage. Nur hatten sich
mittags einige Haufwolken gebildet. Die Temperatur war um 21/,° ge-
stiegen. |
Es wurde wieder in einem Versuche die Verdünnung 1:2000
(Tabelle 145), in drei Versuchen die Verdünnung 1:20000 ae
belle 146, 147, 148) geprüft.
136 Karu v. Frisch,
| Tabelle 145.
Sonnig, leicht bewölkt. 211,° C.
c d
Methyl- Methyl- 2 : N f g
Beobachtungszeit | heptenon | heptenon |
+ Paraffin | + Paraffin duftlos dutitos duftlosjduftlosjduftlos
1 : 2000 1 : 2000
11.9. 1917 31722 5 1 0 1, BR Vig DER |e
1 20 0 0 0 14 0
2 35 0 0 1 15 0
4 20 0 0 0 15 0
11 24 0 1 0 10 0
Summa | 23 | 100 [0.20 AIN
‚Pabelle 146;
Wie bei Tabelle 145.
a f
en Methyl- N ; : ‘
Beobachtungszeit eptenon | heptenon f
+ Paraffin | + Paraffin duftlos|duftlos dufdäs duftlosiduftlos
1 : 20000 1 : 20000
11.9. 41917 211-716 1 2 0 0 1 2 3
0 3 0 0 4 12 0
0 3 1 0 6 27 0
0 4 0 0 26 32 0
0 4 1 0 17 14 0
Summa | i | 16 | 2°... 0. |) 54” aaa
Tabelle 147.
Wie bei Tabelle 145.
b 2
Methyl-* | Methyl- J
3 d e f
Beobachtungszeit | heptenon | heptenon c
+ Paraffin | + Paraffin duftlos duftlos duftlosiduftlosiduftlos
1 : 20000 1 : 20000
11/9. 1917 233—38 3 0 à | 0 |b )
20 0 0 2 2 2 0
7 0 0 | 0: | ou
11 0 0 0 3 1 4
8 0 3 0 1h 1 7 |
Summa | 49 | 0 | 7 17 2 De à
Über den Geruchsinn der Bienen. deh 6
Tabelle 148.
Wie bei Tabelle 145.
ie g
Krise li Methyl- b A ad * ;
Beobachtungszeit | heptenon | heptenon EINER
+ Paraffin | + Paraffin duftlos|duftlos|duftlos daftlos duftlos
1 : 20000 1 : 20000
11./9. 1917 255—300 0 0 0 0 11 0 0
2 9 ah 0 11 0 0
9 16 1 0 23 0 0
0 5 0 0 25 1 0
1 12 1 4 19 0 0
Summa | ja, | 42 HE Slt: | 0
Wir haben wieder bei der Verdünnung 1 :2000 ein höchst un-
sicheres Benehmen der Bienen zu verzeichnen, bei der Verdünnung
1:20000 ein gänzliches Versagen. Die starke Frequenz mancher
_ Kästchen machte durchaus den Eindruck von Zufallsbesuchen, be-
wirkt durch das Hineinschlüpfen einer oder weniger Bienen, denen
andere, ziellos umherschwärmende Tiere nachfolgen. Daß sämtliche
Kästchen bei dieser zweiten Gruppe von Versuchen im allgemeinen
stärker frequentiert wurden als bei der ersten (vormittägigen). Ver-
suchsgruppe, ist wohl darauf zurückzuführen, daß die Bienen nun
auf ein sehr schwach duftendes Kästchen dressiert waren und daher
auch duftlose Kästchen eher besuchten als früher, wo sie an ein
intensiv duftendes Kästchen gewöhnt waren.
Berechnen wir aus den beobachteten Besucherzahlen aller
Kästchen die durchschnittliche Besucherzahl der Duft-
kästchen und duftlosen Kästchen für beide Gruppen von
Versuchen, so ergibt sich:
Nach Dressur auf den intensiven Duft:
Bei der Verdünnung
1: 2000 — duftloses Kästchen : one cues — 4:51
1: 20000 — 5 > - = — we
Nach Dressur auf den schwachen Duft:
Bei der Verdünnung
1:2000 — duftloses Kästchen: en = EU
1 : 20000 — à i : 7 — 14,0
138 Kart v. Frisch,
Also nicht nur, daß gegenüber den geprüften Verdünnungen im
allgemeinen Benehmen der Bienen kein Unterschied zu bemerken
war, ob sie nun zuvor auf einen intensiven oder auf einen schwachen
Methylheptenonduft dressiert waren, es stimmen sogar die durch-
schnittlichen Besucherzahlen der Kästchen in beiden Fällen noch
in der 1. Dezimale fast genau überein!!) Auf diesen Umstand will
ich jedoch kein zu großes Gewicht legen, denn es ist klar, daß
leicht das eine oder andere Kästchen zufällig von weit mehr oder
weniger Bienen hätte besucht werden können; so zahlreich waren
die Versuche nicht, daß man auf genaue Mittelwerte rechnen könnte.
Um so erfreulicher ist die Eindeutigkeit des Resultates, daß
die Intensität des Dressurduftes den gefundenen
Grenzwert nicht beeinflußt hat. Wir dürfen daherin
jenem Grenzwert tatsächlich das minimum perceptibile
für die Bienen sehen’)
Für Bromstyrol und für den Tuberosenduft gilt wohl dasselbe,
denn daß sich der Grenzwert je nach der Konzentration des Dressur-
duftes verschiebt, war ja von vornherein unglaubwürdig, und daß
dies in manchen Fällen zutrifft und in anderen nicht, ist in höchstem
Grade unwahrscheinlich.
1) Die Einheitlichkeit der Resultate ist gewiß zum Teil darauf
zurückzuführen, daß die ganze Versuchsreihe an einem Tage bei kon-
stanter Witterung durchgeführt wurde und daß gerade an diesem Tage
auch die Zahl der an den Versuchen beteiligten Bienen von Anfang bis
zu Ende konstant blieb und nicht, wie es sonst häufig der Fall ist, in
den Mittagsstunden zunahm. Auch wurde die ganze Zeit über mit einer
durchwegs gut dressierten Schar experimentiert, während sich sonst häufig
im Laufe des Tages einige Neulinge zugesellen, die durch ihr nicht ab-
gewetztes Kleid und nicht selten auch durch ihr Benehmen auffallen.
2) Wollte jemand den in Rede stehenden Einwand durchaus aufrecht-
erhalten, so könnte er vielleicht noch einwerfen: die Bienen riechen so
scharf, daß sowohl bei der Dressur auf den konzentrierten Duft als auch
bei der Dressur auf den verdünnten Duft für ihr Geruchsorgan maximale
Reize zur Anwendung kamen. Für sie war also die Intensität des Duftes
in beiden Fällen gleich und daher das gleiche Resultat. — Man kann
aber nicht annehmen, daß eine Biene, für welche das Methylheptenon in
der Verdünnung 1:200 noch einen maximalen Reiz bedeutet, schon bei
einer zehnfach stärkeren Verdünnung den Duft nicht mehr wiedererkennt
(unsicheres Benehmen bei der Verdünnung 1:2000, s. oben). Denn dann
würde für sie zum Wiedererkennen der Düfte nicht nur die gleiche Qualität,
sondern auch fast die gleiche Intensität notwendig sein, was niemand wird
behaupten wollen.
Uber den Geruchsinn der Bienen. 139
Für M. F. lag die Grenze der Wahrnehmbarkeit des Methyl-
heptenons (unter den gleichen Bedingungen wie beim Bromstyrol)
bei 1:2000, also bei einer Verdünnung, bei welcher es nur mehr .
von einem kleinen Teil der Bienen erkannt wird. Auch beim Tube-
rosenduft und beim hyazinthenartig duftenden Bromstyrol fanden
wir das minimum perceptibile für den menschlichen Geruchsinn bei
eben jener Verdünnung des Duftes, welche auch für die Mehrzahl
der Bienen die Grenze der Erkennbarkeit bedeutete. Diese Resultate
stehen in guter Übereinstimmung mit den Erfahrungen und gelegent-
lichen Beobachtungen, die wir auch sonst im Verlaufe dieser Unter-
suchungen gesammelt haben, und sie lehren, daß die’ Schärfe des
Geruchsinnes der Biene bei allen untersuchten Düften
nicht wesentlich anders und wenigstens von der gleichen
Größenordnung ist wie die des Menschen.
Ob nicht vielleicht bei den Drohnen der Geruchsinn besser
entwickelt ist und ob er bei diesen nicht etwa speziell für ‘die
Wahrnehmung des Königinnenduftes hervorragend scharf ausgebildet
ist, bleibt vorderhand eine offene Frage.
VIII. Versuche mit Mischgerüchen.
Bietet man einem menschlichen Geruchsorgan ein Gemisch
zweier Riechstoffe dar und wählt ein derartiges Verhältnis, daß der
eine Duft außerordentlich schwach, der andere sehr stark ist, so
wird nur der letztere wahrnehmbar sein. Läßt man den schwachen
Duft stärker, resp. den intensiven Duft schwächer werden, so kommen
beide Gerüche zur Geltung. Hierbei kann es bei einem gewissen
Mischungsverhältnis zu einer einheitlichen Geruchsempfindung
kommen, die keine der beiden Komponenten erkennen läßt, oder zu
einem Wettstreit der Düfte, indem bald der eine, bald der andere
die Oberhand gewinnt, nach manchen Autoren auch zu einer an
Geruchlosigkeit grenzenden gegenseitigen Aufhebung. Bei weiterer
Verschiebung des Intensitätsverhältnisses wird der zuerst unter-
drückte Duft in den Vordergrund treten, bis er schließlich allein
wahrnehmbar ist. Wieviel von einem Duft zu einem gegebenen
Duft zugesetzt werden muß, damit der letztere in dem Gemisch ge-
ruchlich nicht mehr erkennbar ist, hängt in erster Linie von der
Art der gewählten Riechstoffe ab. Bei gegebenen Riechstoffen wird
man je nach der Geübtheit der Versuchsperson und nach der Feinheit
ihres Geruchsorgans Unterschiede finden, die sich aber innerhalb
gewisser, physiologisch bedingter Grenzen halten.
140 | K. v. Frisch,
Vergleichende Versuche an Bienen schienen mir erwünscht zu
sein, weil wir bisher völlig darüber im Unklaren sind, ob diese
- Tiere nicht etwa in weit höherem Maße als wir Menschen die
Fähigkeit haben, aus einem Duftgemisch den Duft herauszuriechen,
auf den sie gerade eingestellt sind. Es wären umfangreichere
Untersuchungen nötig, als ich unternommen habe, um diese Ver-
hältnisse in befriedigender Weise zu klären. Denn die Frage ist
nicht so einfach gelöst, wie sie gestellt ist. Doch sind schon aus
meinen wenigen Versuchsreihen gewisse Folgerungen abzuleiten, die
für unsere Auffassung von der biologischen Bedeutung des Blüten-
duftes von Beläng sind.
Bei der ersten Versuchsreihe -kamen echte Blumendüfte, wohl-
riechende Öle (vg1.S. 18), zur Anwendung. Die Bienen waren auf Tube-
rosenduft dressiert. Wie bei der Dressur und bei den Versuchen
vorgegangen wurde, habe ich schon aut S. 119 bei der Besprechung
der mit Tuberosenduft durchgeführten Versuche über die Riech-
schärfe der Bienen geschildert. Hier sei nur nochmals erwähnt, daß
bei der Dressur und bei den Versuchen 24 Kartonkästchen in
2 Reihen übereinander aufgestellt waren, daß vor jedem Versuch
das Dressurkästchen in der Mitte der oberen oder der unteren Reihe.
stand und daß bei den Versuchen die Kästchen, deren Frequenz
beobachtet werden sollte, weit seitab von diesem Platze und in
symmetrischer Gruppierung zu ihm aufgestellt wurden, wobei diese
Gruppierung überdies bei jedem Versuch wechselte, so daß eine
örtliche Begünstigung eines auf bestimmte Weise mit Duft be-
schickten Kästchens ausgeschlossen war. Bei jedem Versuch wurde
die Frequenz von 4 reinen Kartonkästchen beobachtet; von diesen
soll uns eines, welches mit verdünntem Tuberosenduft versehen war,
hier nicht interessieren; eines blieb ohne Duftstoff, eines wurde mit
6 Tropfen Jasminblütenöl (wohlriechendes Öl), also mit einem vom
Dressurduft abweichenden Geruch bedacht, und eines wurde mit
6 Tropfen eines Gemisches von Tuberosenblütenöl (Dressurduft) und
Jasminblütenöl beschickt.
Die Angaben über das Mischungsverhältnis beziehen sich auf
Volumina der beiden Öle. Gemischt wurde stets kurz vor den Ver-
suchen in reinen Glasgefäßen. Eine gegenseitige chemische Be-
einflussung der Riechstoffe in der Mischung. ist nicht anzunehmen;
doch habe ich, um sicher zu gehen, bei einer Reihe von Versuchen
z. B. das Tuberosenblütenöl + Jasminblütenöl=1:5 in der Weise
Über den Geruchsinn der Bienen. 141
hergestellt, daß auf das Duftbänkchen des Kartonkästchens 1 Tropfen
Tuberosenblütenöl und 5 Tropfen Jasminblütenöl räumlich gesondert
aufgetropft wurden. Das Resultat war in diesen Fällen genau das
gleiche wie bei der Mischung der Öle im entsprechenden Ver-
hältnis. |
Die Beobachtungen sind so eindeutig, daß ich glaube, ich kann
auf eine ausführliche Wiedergabe der Einzelversuche, die einen be-
trächtlichen Raum beanspruchen würden, verzichten. So ist in den
folgenden Tabellen von jedem Versuch nur summarisch (für je
5 Minuten) die beobachtete Frequenz für jedes Kästchen angegeben.
Überdies sind die Tabellen dadurch vereinfacht, daß in ihnen die
jeweilige Anordnung der Kästchen nicht berücksichtigt ist. Ich
darf mir diese Unterlassung unter Hinweis auf die oben erwähnten
Vorsichtsmaßregeln wohl erlauben.
Wir wollen zunächst betrachten, wie sich die Frequenz
eines Kästchens, welches ein Gemisch des Dressur-
duftes (Tuberosenblütenöl) mit Jasminblütenöl ent-
hält, im Vergleich zu der Frequenz eines duftlosen
Kästchens und eines solchen, welches allein mit
Jasminblütenöl beschickt ist, verhält.
Wenn das Gemisch aus gleichen Teilen Tuberosen-
blütenöl und Jasminblütenöl bestand, so besuchten die
Bienen das betreffende Kästchen sehr zögernd, aber doch noch
wesentlich stärker als das Jasminkästchen oder das duftlose Kästchen
(Tabelle 149). |
Tabelle 149.
Tuberose e
Beobachtungszeit + Jasmin | Jasmin | duftlos
Ae |
13./8. 1916 1005-10 51 | 3 0
= PL, 1035-30 46 6 0
Summa | 97 | y | 0
War das Mischungsverhältnis
Tuberosenblütenöl+ Jasminblütenöl=1:2
so wurde diese Mischung meist nur mehr von vereinzelten Bienen
vor dem duftlosen und dem Jasminkästchen bevorzugt (Tabelle 150).
Die geringe Frequenz des Gemischkästchens ist nicht etwa auf
142 Karu v. Frisch,
Mangel an Bienen zurückzuführen. Solche waren sehr reichlich zu-
gegen, und viele rochen auch an dem Flugloche dieses Kästchens,
ohne aber hineinzuschlüpfen.
Tabelle 150.
Tuberose
Beobachtungszeit + j a Jasmin | duftlos
13./8. 1916 200—05 10 0 |
” ” 213-18 2 0 0
é 230—35 D U 1
3 . 2449 7 Lies 2
23./8. 1916 8350-55 24 | 4
» ” A | 9 3 | 5
Summa | 57 | 5 | if
Tabelle 151.
Tuberose +
Beobachtungszeit ee ae Jasmin | duftlos
15./8. 1916 950—55 22 17 23
R „ 1053-08 7 12 46
„1020-25 14 3 10
A „ 1035-40 20 4 7
28.8. 1916 425-500 2 1 8
2 . 438—43 2 0 0 3
UT 7e See 1 3 1 |
~~ 52025 3 0 1 |
545—50 0 0 QO
51 3B. 1916 SSA NC EX 8 26 |
i „9551000 22 23 5
m 1020-25 25 5 8
2 „ 1035-40 11 12 1
ee En LU à 8 10 4 |
yo gt 110% 10 10 lon ‘
aris „ 119-2 9 37, Me ‘
ee = BT 6 2
De "= rey 5 j
nn BH —B00 me. Be
ee | = | 139 | 190
Über den Geruchsinn der Bienen. 143
Bei einem Mischungsverhältnis Tuberosenblütenöl
+ Jasminblütenöl=1:5 verliert der Dressurduft seine
anziehende Wirkung so gut wie gänzlich (Tabelle 151).
In den 20 mit diesem Mischungsverhältnis angestellten Versuchen
verhält sich die durchschnittliche Frequenz des mit dem Gemisch
versehenen Kästchens zu der des Jasminblütenkästchens wie 1,43: 1,
zu der des duftlosen Kästchens wie 1,05:1.
In den bisher beschriebenen Versuchen wurde die Frequenz
eines Kästchens, welches mit dem Duftgemisch (Dressurduft + fremder.
Duft) versehen war, verglichen mit der Frequenz eines duftlosen
Kästchens und eines solchen, welches nur den fremden Duft
enthielt. Hierbei hat sich gezeigt, daß das Gemisch nicht mehr vor
dem fremden Duft oder dem duftlosen Kästchen bevorzugt wurde,
wenn es 1 Teil des Dressurduftes auf 5 Teile des fremden Duftes
enthielt.
In den folgenden Versuchen (Tabelle 152) vergleichen wir die
Frequenz von Kästchen, welche mit einem Duftgemisch (Dressur-
duft + fremder Duft) versehen sind, mit der Frequenz eines duft-
losen Kästchens und eines solchen, welches mit 6 Tropfen des un-
verdünnten Dressurduftes (Tuberosenblütenöl) beschickt ist.
Hierbei zeigt sich, daß schon ein Gemisch, wenn es nur *;,
ja sogar wenn es nur !/, Jasminblütenöl enthält und
zu *,, resp. °,, aus Tuberosenblütenöl (Dressurduft)
besteht, vonden Bienen im Vergleich zumreinen Tube-
rosenblütenöl wesentlich vernachlässigt wird.
“rapelle 192.
Tuberose Tuberose
Beobachtungszeit — : Ser + 5 as Han Tuberose duftlos
26./8. 1916 #05 © 8 21 70 2
Le APR 3 18 177 0
=: „ 1010-15 DE 49 145 2
a „ 1023—28 ik 8 239 1
ees 11 114 56 0
e Oh Ar 25 1 i 140 aaah Siete
a... cae ET | | 827 Eee
Es sieht vielleicht auf den ersten Blick sonderbar aus, daB in den
früheren Versuchen das Kästchen mit dem Tuberose-Jasmingemisch, wenn _
144 Karu v. Frisch,
man die absoluten Besucherzahlen nimmt, ebenso stark oder sogar stärker
frequentiert wurde als in dieser Versuchsreihe das mit dem Gemisch
Tuberose + Jasmin — 4:1 beschickte Kästchen, obwohl in jenen Fällen
das Gemisch beträchtlich weniger vom Dressurduft enthielt als hier.
Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich dadurch, daß hier im Gegen-
satze zu den. früheren Versuchen ein Kästchen mit dem konzentrierten,
reinen Dressurduft aufgestellt war. Dieses macht gleichsam den übrigen
Kästchen Konkurrenz und bannt schon in der ersten Minute einen großen
Teil der Bienen an sich.
Es wäre denkbar, daß der Jasminduft für den Geruchsinn der
Bienen viel intensiver ist als der Tuberosenduft und daß sie deshalb
das Gemisch Tuberose + Jasmin — 1:5 vor reinem Jasminduft nicht
bevorzugten, während sie bei Mischung mit einem anderen Blüten-
duft noch viel geringere Mengen des Dressurduftes beachten würden.
Ich machte daher zum Vergleich eine Reihe von Versuchen mit
Mischungen des Tuberosenblütenüles mit dem wohlriechenden Öl
Reseda, fand aber auch da, daß von den auf Tuberosenduft
dressierten Bienen ein Kästchen, welches mit 6 Tropfen des Ge-
misches Tuberose + Reseda — 1 : 5 beschickt ist, fast ebensowenig
besucht wird wie ein Kästchen mit 6 Tropfen reinen Resedaöles.
Diese Ergebnisse würden mit den Wahrnehmungen eines mensch-
lichen Geruchsorganes in Einklang zu bringen sein. Wenigstens
hat sich bei wiederholten Prüfungen gezeigt, daß der Tuberosenduft
angenähert bei jenem Mischungsverhältnis, bei welchem die Bienen
versagen, auch für die menschliche Nase nicht mehr erkennbar ist.)
Es fragt sich nur, ob man aus der Tatsache, daß die auf
Tuberose dressierten Bienen in ein Kästchen mit
einem gewissen Tuberosen-Jasmingemisch nicht
hineinschlüpfen, den Schluß ziehen darf, daß sie aus
diesem Gemisch den Tuberosenduft nicht heraus-
riechen. Sie könnten den Tuberosenduft sehr wohl als solchen
wahrnehmen, aber durch den gleichzeitig vorhandenen Jasminduft,
den sie im Dressurkästchen niemals vorfanden, vom Besuch des
Kästchens abgehalten werden.
Man würde diese Frage nicht dadurch entscheiden können, daß man
die Bienen auf Jasminduft dressiert und dann untersucht, eine wie
geringe Beimengung von Tuberosenduft zu Jasminduft eben genügt, damit
das betreffende Kästchen weniger frequentiert wird als ein reines Jasmin-
1) Parfumeure oder andere geübte Riecher würden vielleicht noch
. wesentlich geringere Mengen des Tuberosenblütenöles aus dem Gemisch
herausgerochen haben.
Über den Geruchsinn der Bienen. 145
kästchen. Denn eine Beimengung von Tuberosenduft, die hinreicht, um
den Charakter des Jasminduftes für die Bienen merklich zu verändern,
braucht für sie noch lange nicht als Tuberosenduft erkennbar zu sein.
Ich habe versucht, einer Lösung der Frage auf folgendem Wege
näher zu kommen. Wenn die auf Tuberosenduft dressierten Bienen
aus dem Gemisch Tuberose + Jasmin — 1:5 den Tuberosenduft wohl
noch herausriechen, aber durch die Anwesenheit des ihnen fremden
Jasminduftes zurückgehalten werden, so wird man wesentlich andere
Resultate erhalten, wenn man sie auf ein Gemisch von Tube-
rose und Jasmin dressiert und dadurch der Jasminkomponente
ihre abstoßende Wirkung nimmt. Ich dressierte auf ein Gemisch
von Tuberosen- und Jasminblütenöl zu gleichen Teilen. Haben die
Bienen früher den Dressurduft in dem Gemisch Tuberose + Jasmin
— 1:5 wirklich nicht mehr erkannt, so ist nun das gleiche zu er-
warten, wenn man den jetzigen Dressurduft (Tuberose + Jasmin —
1:1) mit 5 Teilen Jasminblütenöl versetzt, d. h. bei der Mischung
Tuberose + Jasmin — 1:11.1) War es aber nur der fremde Jasmin-
duft, der sie zurückhielt, so ist zu erwarten, daß sie jetzt ein
Kästchen mit diesem Gemisch noch besuchen werden und daß man
wesentlich mehr Jasminblütenöl zusetzen muß, um die gleichen
Resultate zu erhalten wie früher mit dem Gemisch 1:5. Das
letztere trifft nun in der Tat zu. Erst ein Kästchen, welches mit
einem Gemisch Tuberose + Jasmin — 1:24 beschickt war, wurde
jetzt im Vergleich zu einem reinen Jasminkästchen im selben Ver-
hältnis besucht wie früher ein Kästchen mit dem Gemisch Tube-
rose + Jasmin —1:5. Es ist dies eine bemerkenswerte Leistung,
wenn man bedenkt, daß das Tuberosenöl, mit reinem (geruchlosem)
Paraffinöl verdünnt, schon bei einer Verdünnung von 1:50 nur
mehr von einer relativ kleinen Anzahl der Bienen, bei einer Ver-
dünnung von 1:100 nur mehr von vereinzelten Tieren erkannt wird
(vgl. S. 119—125).
Die Anordnung bei der Dressur war im wesentlichen ebenso wie bei
den früheren Versuchsreihen, nur wurden sämtliche leeren, früher duft-
losen Kästehen mit Jasminblütenöl beschickt, um die Bienen zu lehren,
1) Als äußerste Grenze; wahrscheinlicher schon bei einer Mischung
Tuberose 4 Jasmin — 1 : (11—z); denn der jetzige Dressurduft (das Gemisch
Tuberose + Jasmin — 1 : 1) steht dem Jasminduft geruchlich näher als der
frühere Dressurduft (Tuberose), und je ähnlicher zwei Gerüche sind, desto
schwieriger ist es — für uns wenigstens —, kleine Anteile des einen
Duftes im anderen Duft zu erkennen.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u Physiol. 10
146
Karu v. Frisch,
daß reiner Jasminduft Futterlosigkeit bedeutet. Sonst würde sie in einem
Duftgemisch, das vorwiegend aus Jasminduft besteht, dieser allein, der ja
nun eine Komponente des Dressurduftes bildet, bei den Versuchen an-
locken können. Das Dressurkästchen war, wie schon erwähnt wurde, mit
einem Gemisch von Tuberosen- und Jasminblütenöl zu gleichen Teilen
versehen. Da es nicht ausgeschlossen war, daß sich die beiden Düfte
ungleich rasch verflüchtigen würden, was das Mischungsverhältnis geändert
hätte, wurde der Duftstoff sehr häufig erneuert.
Das Ergebnis der Experimente ist aus Tabelle 153 ersichtlich. Die
ersten Versuche, bei welchen ein Gemisch von größerem Gehalt an
Tuberosenblütenöl zur Anwendung kam — das auch entsprechend stärker
frequentiert wurde — sind in die Tabelle nicht aufgenommen.
Tabelle 153.
Tuberose Tuberose
Beobachtungszeit + Jasmin | + Jasmin Jasmin duftlos
£210 1:24
28./8. 1916 13338 | 47 7 20 2
Feat oe ee 36 21 7 20
à à 158—203 - 100 | 6 14 1
LE RES À DIET 87 27 dk) Pi
Be IT a anal 8 13 ER
En aa 27 Br 6 10
a An | 21 8 ‚6 Sa
Summa | 333 | 82 | 69 | 5Y
«Früher, bei der Dressur auf reines Tuberosenblütenöl,
verhielt sich bei einem Gemisch Tuberose + Jasmin — 1:5 die durch-
schnittliche Frequenz des mit dem Gemisch versehenen Kästchens zu der
des Jasminkästchens — 1,43 : 1, zu der des duftlosen Kästchens — 1,05:1.
Bei der Dressur auf das Gemisch Tuberose-+ Jasmin
— 1:1 erhalten wir annähernd entsprechende Relationen, nämlich 1,18: 1
resp. 1,25: 1, erst mit dem Gemisch Tuberose + Jasmin — 1:24.
Diese Beobachtungen scheinen mir dafür zu
sprechen, daß die Bienen den Tuberosenduft nochin
beträchtlich weitergehender Verdünnune in dem Duft-
semisch zu erkennen vermögen, als aus den ersten
Versuchen zu entnehmen war. Doch ist die Zahl der Ex-
perimente zu gering und die ganze Frage zu verwickelt, als daß
ich auf Grund des vorliegenden Materials eine bestimmte Behaup-
tung statthaft fände.
Für die biologische Verwertung der Resultate kann es uns
eleichgiltig sein, aus welchen Gründen die Bienen den Dressur-
Über den Gernchsinn der Bienen. 147
duft, sobald er mit einer gewissen Menge eines anderen Duftes ver-
mischt ist, nicht mehr beachten. Hingegen wäre es wichtig, zu
wissen, ob die beiden Düfte, die bei den Versuchen verwendet
wurden, auch für die Bienen angenähert gleich stark duften oder
ob vielleicht der Tuberosenduft für sie viel schwächer riecht als
das Jasminöl und deshalb von relativ kleinen Mengen des letzteren
unterdrückt wurde. Die Annahme, daß die Intensität der beiden
Düfte für die Bienen wesentlich verschieden sei, läßt sich durch
nichts motivieren, es ließe sich vielmehr manches anführen, was da-
gegen spricht (so z. B. daß bei einer Mischung mit Resedaduft statt
mit Jasminduft die gleichen Resultate erzielt wurden, vgl. S. 144).
Eine sichere Entscheidung aber wäre nur von einem Gegenver-
such zu erwarten gewesen. Man hätte die Bienen, nachdem die
Dressur auf den Tuberosenduft gänzlich aus ihrem Gedächtnis ge-
schwunden war, nunmehr auf Jasminduft dressieren müssen, um
zu untersuchen, bei welchem Mischungsverhältnis mit dem Tuberosen-
blütenöl das Jasminblütenöl seine Anziehungskraft verliert. Wäre
dies bei dem gleichen Mischungsverhältnis eingetreten, welches wir
früher für den Tuberosenduft als Grenzwert gefunden haben, so
wäre bewiesen, daß in der Mischung keiner der beiden Düfte für
die Bienen vorschlägt.
Ich habe diesen Gegenversuch unterlassen, weil damals für
mich andere Fragen im Vordergrund standen und weil mir hernach
die Kartonkästchen ausgingen. Doch habe ich später einen ent-
sprechenden Versuch und Gegenversuch mit anderen Riechstoffen
durchgeführt. Ich verwendete hierbei Steingutkästchen, da bei der-
artigen Experimenten der Kartongeruch das Resultat beeinträchtigen
konnte. Ich wählte als Duftpaar Bromstyrol (vgl. S. 126) und
Methylheptenon (vgl. S. 132), um mit chemisch einheitlichen,
wohldefinierten Riechstoffen zu arbeiten und so eine Nachprüfung zu |
ermöglichen. Bei der Wahl dieser beiden Riechstoffe war be- |
stimmend, daß es zwei miteinander gut mischbare Flüssigkeiten sind,
die sich in der Mischung gegenseitig — wenigstens innerhalb der
hier in Betracht kommenden Zeit’) — chemisch nicht verändern
und die (für unsere Nase) angenähert gleich stark riechen und sich
1) Die Mischung wurde für jeden Versuch knapp vor Versuchsbeginn
. frisch hergestellt, so daß von der Mischung bis zum Versuchsbeginn
höchstens 8 Minuten verstrichen (die Kästchen wurden stets 5 Minuten
vor Versuchsbeginn mit den Riechstoffen beschickt).
| 10*
148 Karu v. Frisch,
auch angenähert gleich rasch verflüchtigen. Bis zu welcher Ver-
dünnung sie von den Bienen wahrgenommen werden, ist uns aus
Kapitel VII bereits bekannt.
Die Bienen wurden zunächst auf Bromstyrol dressiert. Es waren
hierbei 7 Steingutkästchen (Anordnung s. Fig. H, S. 27) aufgestellt. Bei
den Versuchen wurden sie durch 7 reine Kästchen ersetzt, von denen 5
mit je 6 Tropfen Methylheptenon (also mit einem vom Dressurduft ab-
weichenden Geruch), 2 mit je 6 Tropfen einer Mischung. von Bromstyrol
und Methylheptenon versehen waren. Kästchen, die mit einem Gemisch
Bromstyrol + Methylheptenon — 1:5 beschickt waren, wurden von den
Bienen nur unter großem Zögern besucht, aber doch vor den Kästchen
mit reinem Methylheptenon deutlich bevorzugt (Tabelle 154—156).
Tabelle 154.1)
Wolkenlos, 24° C.
*
O°
©
a]
(e= 74
Qu
ge
Eas Ste alae. 3).
Beobachtungszeit Sesaolesao|/ Be] Ba | Re] Be | BS
| 2283| 023.152 133 122 152 7 HE
An enone ee ee en er
= = 2+= As [ré ee ee |T<
= =
18./8. 1917 405—10 6 6 0 1 0 0 0
4 3 1 0 0 0 0
8 8 0 0 0 0 2
8 7 1 0 3 1 0
7 4 0 1 0 0 0
Summa | 33 | 28 | 2 | 2 | 3 Bi | 2
Tabelle 155.
Wie bei Tabelle 154.
a f b C d e g
S. eo
en] at — | =; = = 1.: are
Beobachtungszeit BE So Soeaol me | hel be] Se
ao > (208-1 Ss | 32 | 22 | See
ese | 2eo 125/35 RENE
Ser A = As |S 5 |S tes
= =
18./8. 1917 428—33 3 1 0 0 0 3 0
18 0 0 0 0 0 0
19 1 0 0 0 0 0
19 1 0 0 0 0 0
29 2 0 0 0 0 0
SE Summa | 8 | 5 | 0. |: 07] OST Eee
1) Die Anordnung der Kästchen beim Versuch ist aus den beigefügten
Buchstaben zu ersehen, die sich auf die entsprechenden Buchstaben der
Fig. H, S. 27 beziehen.
Über den Geruchsinn der Bienen. 149
Tabelle 156.
Wolkenlos, 16° ©.
b g a C d & f
ri ! = 1
ue Asse mewn es Ba | ef ee
Beobachtungszeit Ba eo [m9 some | Ba | BS | B21 BE
ET aaa Soe ao | ae | ao |] ao
ga e-|226-| 2/22/22 |32| 22
Sane ete Aa |r2|#s|AS |Aa£
(== ==)
19.8. 1917 80-5 14 11 EAU 0 10
13 11 0 1 0 0 0
14 13 0 0 0 0 3
8 8 0 0 0 0 1
12 11 0 1 3 0 2
Summa | 61 | 54 | 0 | 2 | 3 | 0) | 6
Auch bei einem Gemisch Bromstyrol + Methylheptenon — 1 : 9 war
die Bevorzugung des Gemisches vor dem reinen Methylheptenon noch
deutlich, doch war das Zögern noch auffälliger (Tabelle 157).
Tabelle 157.
Wie bei Tabelle 156.
*
oO
©œ
ES
=
Q
Hh
ge
(smal u nl
Se Meee PA ee | Me OR QU
Beobachtungszeit SS2zalPSen|] Bs] Be) es | BS] BE
ao - | à À -- ro PS aD B= © ao Se eb)
sser |ssan| sa] sea] ee] sea] se
os er ra|lr2|r2|>23|>3
pl =
19./8. 1917 900—05 4 a 0 0 0 0 1
8 9 i 0 0 0 4
15 6 1 0 Kol 0 JL
14 3 0 0 1 0 0
12 8 0 0 0 0 0
Summa | Do | 31 2 | 0 | 2 | 0 | 6
Erst bei einem Mischungsverhältnis Bromstyrol — Methylheptenon —
1:24 sind wir nahe an der Grenze. Die Bienen flogen bei diesen Ver-
suchen anscheinend völlig ziellos vor den Kästchen herum. Zwar wurden
durchschnittlich die mit dem Gemisch versehenen Kästchen immer noch
etwas stärker besucht als die mit Methylheptenon beschickten Kästchen
(Tabelle 158, 159), doch waren es in Anbetracht der sehr zahlreich an-
wesenden Tiere nur ganz vereinzelte Individuen, die das Bromstyrol in
diesem Mischungsverhältnis noch beachteten.
150 Karr v. Frisch,
Tabelle 158.
Wolkenlos, ca. 17° C.
b d a : e f g
= =
a € ao a a & 1 - a. ur omnes
Beobachtungszeit Fe à x SE = oe > = > ai » = > = > =
x ES = aS a4 SEal/SEa/SEB] oa] Se.
eae lois [AS ES | SSSR
= =
19,/8. 1917 925—30 5 1 0 1. 0 | 0 0
6 2 2 5 0 0 0
13 1 0 3 0 0 0
12 2 0 3 2 0 0
5 5 1 3 0 if 0
Summa | Ay | 11 | 3 | Cet] 2 | 17 0
Tabelle 159.
Wie bei Tabelle 158.
C e a b d f g
S : an es
Böobachtängzeit | |eoex lezen] Be] ee | Be es
oct | eee | Pee 25 |EE|Es| Se) 25
= oa, {eb} 9 o ©
oie za la: | 22 le
= po !
19 /8. 1917 1000—05 0 1 | 2 4 0 | t 0
4 2 2 0 1 0 0
: 4 4 1 0 1 0 1
2 7 0 0 0 0 0
9 1 0 2 1 0 1
Summa | 19 | 15 | 5 | 6 | 3 | 1 | 2
_ Wurden aber den Bienen neben den Gemischen auch Kästchen mit
dem reinen Dressurduft geboten, so wurde schon ein Gemisch von Brom-
styrol und Methylheptenon zu gleichen Teilen (Tabelle 160, 161), ja sogar
ein Gemisch von 5 Teilen Bromstyrol und 1 Teil Methylheptenon (Tabelle 162
bis 164) erheblich weniger frequentiert als das reine Bromstyrol.
151
Über den Geruchsinn der Bienen.
Tabelle 160.
Wolkenlos, ca. 22° C.
©
uous dey
-[Aq99 10
uouoyday
“AN
uouajdoq
143210
[014]swoAag
10113801
(Pa
uousyday
LAN +
1044380414
Li 6
uoueydoy
LATIN +
[OAL SMUO.T
Beobachtungszeit
© rm © ©
=O OO 4
1 QI QI M ©
am CI OO +
45
140
19./8. 1917
2
| 156 | 192 |
Tabelle 161.
Wie bei Tabelle 160.
Samma |
uouayday
TON
uou93doq
-[£y9oM
o
uousyday
“LUI
ke)
rs J0.1X)swo.g
© OIA SMOG
Tosa
uouajdou
“LAW +
To1Ajswoag
an
eat
uou9}daq
. lAypw +
T014yswoag
Ss
Beobachtungszeit
AOOS OS
15
21
22
18
20
29
49
47
45
54
Horn
nm n x
19./8. 1917 42530
| 224 | 96 |
5
Tabelle 162.
Wie bei Tabelle 160.
27
Summa |
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“m am
uous dey
EN
D
uousyday
“AON
2
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AT +
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Beobachtungszeit
19./8. 1917 210—15
152 Karu v. Frisch,
Tabelle 163.
Wie bei Tabelle 160.
- —
b f a g c d e
Beobachtungszeit sales) & & [Bal = CE
an U oo. an mM = = oa
ES a a= Bo = = 183% |18>|3=
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= = pe =
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9 5 30 31 0 0 0
6 8 26 41 1 0 0
11 ih 33 58 1 0 0
9 16 21 56 0 0 0
Summa | a 31 | 143 | 208 | 2 | 0 | 0
Tabelle 164.
PA bop Mets Oy Wieser Tabelle 1608 bei Tabelle 160.
a
c d a b ë g
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6 3 45 22 0 0 1
6 a 42 24 1 0 0
5 5 22 13 0 0 1
Summa | 25 | 17 | 218 | 100 | 1 | 1 Summa | 25 1,27 1.2181 100]: 1 (INT 2
Bei der Dressur auf Tuberosenduft war schon ein Gemisch
von 1 Teil Tuberosenblütenöl auf 5 Teile Jasminblütenöl vor reinem
Jasminblütenöl nicht mehr bevorzugt worden. Bei der Dressur auf
Bromstyrol kommen wir erst mit einem Gemisch von 1 Teil
Bromstyrol auf 24 Teile Methylheptenon an die Grenze. Es war
nun festzustellen, ob sich in den Mischungen von Bromstyrol und
Methylheptenon für den Geruchsinn der Bienen das Bromstyrol nicht
stärker geltend macht als das Methylheptenon, ob für sie das Brom-
styrol nicht vorschlägt. Dies läßt sich durch einen entsprechenden
Gegenversuch prüfen.
Über den Geruchsinn der Bienen. 153
Zu diesem Zwecke dressierte ich einige Wochen später, nachdem
ich mich überzeugt hatte, daß sich die Bienen an die Dressur auf
Bromstyrol nicht mehr erinnerten, auf Methylheptenon. Die
Versuchsanordnung war dieselbe wie bei der Dressur auf Bromstyrol.
Das Ergebnis ist aus Tabelle 165—172 ersichtlich.
Tabelle 165.
Teilweise bewölkt, 19° C.
a f b d e g
Pee eet erie jis Far:
Beobachtungszeit Bs mo|Eaaol! > = = = =
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Bon |=85 a pose ce | he
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8 20 0 0 3 1 0
1 10 0 2 i | 0
0 4 0 3 0 1 0
5 5 0 0 0 3 0
Summa | 19 | 45 | 0 | 6 | 5 | 7 | 0
Tabelle 166.
Teilweise bewölkt, 17° C.
ee ee code Ve x
a f b C d e
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a = = a =
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6 7 5 1 0 5 0
8 6 4 > 0 6 3
Summa | 27 | 22 | 15 | ah 8
bd
Li
—
Karu v. FRISCH,
154
Tabelle 167.
Teilweise bewölkt, 19° C.
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3./9. 1917 1235-40
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Tabelle 168.
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uousyday
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Beobachtungszeit
oOOO0O00O0
Hmmm
HH SO OD OD
3./9. 1917 230-85
| 168 | 100 | 4
28
Tabelle 169.
Wie bei Tabelle 167.
20
Summa F
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* D
2
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3
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©
10143SW01g
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Tr:
j0149swoıg—+
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-[ÄypW
Beobachtungszeit
rt 90 00 O10
—
3./9. 1917 245—50
np)
Summa |
Tabelle 170.
Über den Geruchsinn der Bienen.
Wolkenlos, 15° C.
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wousydoy _, uousydoy No Al uo0ne dey Se
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156 Kart v. Friscu,
Wahrend also die auf Methylheptenon dressierten Bienen ein
Gemisch von 1 Teil Methylheptenon auf 10 Teile Brom-
styrol vor reinem Bromstyrol im allgemeinen nicht mehr bevor-
zugten, erhielten wir bei den auf Bromstyrol dressierten Bienen
entsprechende Resultate erst bei einem Gemisch von 1 TeilBrom-
styrol auf 24 Teile Methylheptenon (die relative Frequenz
war sogar bei der letzteren Mischung noch etwas größer als bei der
erstgenannten). Und wenn den Bienen neben dem Gemisch gleich-
zeitig der reine Dressurduft geboten ward, wurde von den auf
Methylheptenon dressierten Bienen ein Gemisch von 9 Teilen
Methylheptenon und 1 Teil Bromstyrol gegenüber reinem
Methylheptenon stärker vernachlässigt, als von den auf Bromstyrol
dressierten Bienen ein Gemisch von 5 Teilen Bromstyrol und
1 Teil Methylheptenon gegenüber reinem ls vernach-
lässigt wurde.
Die Bienen benehmen sich demnach so, wie es zu erwarten ist,
wenn für sie in einem Gemisch von Bromstyrol und Methylheptenon
zu gleichen Teilen das Bromstyrol etwas vorschlägt (für das mensch-
liche Geruchsorgan schlägt im Gegenteil das Methylheptenon vor,
soweit meine Erfahrungen reichen).t)
Dieses Überwiegen des Bromstyrolduftes ist nicht so stark, daß man
hierdurch allein die Differenz zwischen den Resultaten bei Dressur auf
Bromstyrol und bei Dressur auf Tuberosenduft erklären könnte. Wurde
doch auch beim Gegenversuch (Dressur auf Methylheptenon) erst ein Gemisch
von 1 Teil Methylheptenon auf 10 Teile Bromstyrol vor reinem’ Bromstyrol
nicht mehr bevorzugt, während bei der Tuberosendressur schon ein Gemisch
von 1 Teil Tuberosenblütenöl auf 5 Teile Jasminblütenöl nicht mehr be-
achtet wurde als der reine Jasminduft. Dieser Unterschied kann, wie mir
scheint, durch folgende Umstände bedingt sein. Erstens sind Bromstyrol und
Methylheptenon geruchlich voneinander stärker verschieden als Tuberosen-
blütenöl und Jasminblütenöl, die ja sogar einige für den Geruch bedeut-
same Komponenten gemeinsam haben (vgl. S. 42 u. 39). Zweitens war
wobl in den geruchlosen Steingutkästchen das Erfassen einer geringen Bei-
mischung des Dressurduftes zum fremden Duft eher möglich als in den
bei den Tuberosenversuchen gebrauchten Kartonkästchen, deren Eigen-
1) Für M. F. und für mich roch ein Gemisch von Bromstyrol und
Methylheptenon zu gleichen Teilen mehr nach Methylheptenon als nach
Bromstyrol; in dem Gemisch Bromstyrol +- Methylheptenon — 1:5 (unter
den gleichen Bedingungen, wie es den Bienen dargeboten wurde) war für
uns das Bromstyrol nicht mehr erkennbar, während in einem Gemisch
Bromstyrol + Methylheptenon — 10:1 das Methylheptenon eben noch
herauszuriechen war.
Über den Geruchsinn der Bienen. 157
geruch störend sein konnte. Schließlich wurde schon auf die Möglichkeit
hingewiesen, daß für die Bienen in einem Jasmin-Tuberosengemisch (zu
gleichen Teilen) der Jasminduft vorschlägt.
In Analogie zu den Erfahrungen, die wir bei der Dressur
auf ein Gemisch von Tuberosenblütenöl und Jasminblütenöl
gemacht haben, ist wohl anzunehmen, daß die Bienen nach Dressur
auf Methylheptenon resp. Bromstyrol durch die Beimischung des
fremden Duftes vom Besuch des mit dem Gemisch beschickten
Kästchens abgehalten wurden, bei einem Mischungsverhältnis, bei
welchem sie den Dressurduft sehr wohl noch wahrgenommen haben;
und es ist anzunehmen, daß sie noch geringere Mengen von Brom-
styrol resp. Methylheptenon in einem Gemisch beider Stoffe wahr-
nehmen können, als es jenem Mischungsverhältnis entspricht, bei
welchem wir in den vorliegenden Versuchen bereits negative Resul-
tate erhielten.
Es scheint also, daß die Bienen in recht beträcht-
lichem Maße die Fähigkeit haben, geringe Anteile des
Dressurduftes aus einem Duftgemisch herauszuriechen.
Sie übertreffen hierin wohl den Durchschnittsmenschen, ob aber nicht
ein geübter Parfümeur zu ähnlichen Leistungen befähigt ist, bleibe
dahingestellt.
Es ist vielfach die Ansicht verbreitet, daß die Bienen, die eine
bestimmte Blütenart besuchen, sich auf dem Wege zu diesen Blüten
schon aus einiger Entfernung durch den Geruchsinn leiten lassen.
Wir haben schon einige Erfahrungen gemacht, die mit einer allge-
meinen Gültigkeit dieses Satzes nicht vereinbar sind, und können
diesen nun im selben Sinne eine neue Tatsache hinzufügen. Denn
wo es sich nicht um ein Blütenmeer von gleichartig duftenden
Blumen, sondern um zerstreut wachsende Pflänzchen handelt, hat
diese Annahme zur stillschweigenden Voraussetzung, daß der Duft
der von den Bienen gesuchten Blüten seine Anziehungskraft nicht
verliert, wenn er sich mit andersartigen Düften mischt. Es ist ja
gar nicht möglich, daß der Geruch auch einer stark duftenden
Wiesenblume schon in geringer Entfernung von ihr noch einiger-
maßen rein zur Geltung kommt. Der Duft anderer Blüten und
vielerlei sonstige Gerüche werden sich ihm beimengen, und die Zu-
sammensetzung dieses Duftgemisches wird nicht nur durch das Ent-
stehen neuer Duftquellen, sondern auch je nach der Windrichtung
einem ständigen Wechsel unterworfen sein. Wenn wir nun sehen,
158 Karu v. Frisch,
welch geringe Beimischung von fremden Düften zum Dressurduft
genügt, um die anlockende Wirkung des letzteren ganz erheblich
zu beeinträchtigen, wenn ich ferner vorgreifend erwähnen kann,
daß nicht nur ein fremder Blütenduft, sondern anscheinend ein
jeder wahrnehmbare Duft, auch ein Fäulnisgestank, die Wir-
kung des Dressurduftes in gleicher Weise schmälert, so muß für die
Bienen. eine erfolgreiche Leitung durch den Blütenduft schon in
kleiner Entfernung von den Blumen illusorisch werden.
IX. Die biologische Bedeutung des Blütenduftes.
In den Lehrbüchern wird die Ansicht vertreten, der Blütenduft
diene zur Anlockung der blütenbesuchenden Tiere. An dieser Auf-
fassung ist, soweit ich sehe, von keiner Seite gerüttelt worden. Sie
ist auch richtig, aber erschöpfend ist sie nicht. |
Wenn Kerner beobachtete, daß an einer Stelle, wo im Um-
kreise von mehreren hundert Schritten weder eine Düngerstätte
noch ein in Fäulnis übergegangener tierischer Körper, weder Aasfliegen
noch Aaskäfer zu finden waren, zu der Aroidee Dracunculus creticus
sofort nach ihrem Erblühen von allen Seiten zahllose Aasfliegen
und Aaskäfer angeflogen kamen (58, Vol. 2, p. 203), so unterliegt es
keinem Zweifel, daß diese Tiere durch den Aasgeruch der Blüte an-
gelockt worden sind. Ähnliche Beobachtungen ließen sich von
anderen Aroideen und vielen sonstigen Gewächsen berichten, die
Fliegen und Käfer durch die Entwicklung von ihnen zusagenden
Düften anlocken und dann durch sie bestäubt werden. Auch für
manche Schmetterlinge und gewisse Hymenopteren dürfte
die Bedeutung des Blütenduftes durch den oben erwähnten Satz
richtig erfaßt sein.
Nicht so einfach liegen die Verhältnisse bei den bestangepalten
Blütengästen, den Honigbienen, deren überwiegende Bedeutung
für die Bestäubung der Blüten, wenigstens in unseren Ländern,
wegen ihrer Häufigkeit, ihrer Blumenstetigkeit und ihres Sammel-
eifers allgemein anerkannt ist. Ebendeshalb läßt sich die biologische
Bedeutung des Blütenduftes nicht wohl beurteilen, ohne daß wir in
erster Linie das Verhalten der Bienen berücksichtigen.
Doch sind in dieser Beziehung nicht alle Bienen einander gleich-
zusetzen. Die weitgehende Arbeitsteilung im Bienenstaate bringt
es mit sich, daß auch die Aufgabe der Nahrungsversorgung noch in
Teilaufgaben zerlegt ist. Die meisten mit dieser Arbeit beschäftigten
Tiere haben nur die schon erschlossenen Futterschätze auszubeuten.
\
Über den Geruchsinn der Bienen. 159
Anderen aber, geringer an Zahl, obliegt es, neue Nahrungsquellen auf-
zuspüren. „Sammler“ und „Sucher“ sind treffende Bezeichnungen
für diese beiden Gruppen von Arbeitsbienen.
Daß für die Sucher der Blütenduft ein Lockmittel ist,
welches ihnen das Auffinden einer neu erblühten Pflanzenart oder
eines bislang nicht entdeckten Standortes von schon beflogenen
Bliitenpflanzen erleichtert, ist nicht nachgewiesen, aber sehr wahr-
scheinlich.!) Nur muß man sich, um die Bedeutung des Blütenduftes
in diesem Punkte nicht zu überschätzen, unsere früher mitgeteilten
Erfahrungen gegenwärtig halten. Wir haben gesehen, daß die Riech-
schärfe der Biene die eines normalen menschlichen Geruchsorganes
nicht wesentlich übertrifft. Wir haben ferner gesehen, daß Düfte,
die sowohl in bezug auf ihre Qualität als auch in bezug auf ihre
Intensität dem Geruch von stark duftenden Blumen oder Blütenständen
gleichzusetzen waren, erst dann von den Bienen bemerkt wurden,
wenn diese sich der Duftquelle auf wenige Zentimeter genähert
hatten. So wird ihnen auch im allgemeinen beim Auf-
spüren der Blumen deren Duft erst dann zu Hilfe
kommen, wenn sie bereits an sie herangeflogen sind.
Können sie sich demnach in der Schärfe ihres Geruchsinnes mit
Fliegen, Käfern und Schmetterlingen nicht messen, so wird der
Nachteil, der ihnen hieraus erwächst, durch ihr ausdauerndes Suchen
wettgemacht.
Im allgemeinen, sagte ich, wird ihnen der Blütenduft erst
in nächster Nähe zustatten kommen. Denn ich will durchaus nicht
bestreiten, daß sie in manchen Fällen, wo auch für uns Menschen
der Duft auf große Distanz bemerkbar ist, durch diesen von weit
her zu den .Blüten gelockt werden können; so, wenn ein Lindenhain
in voller Blüte steht oder wenn mit Weinreben bepflanzte Hügel
ein ganzes Tal mit ihrem Duft erfüllen (58, Vol. 2, p. 202) oder
wenn die Duftwolken, die von blühenden Rapsfeldern ausgehen, selbst
für die Nase des Menschen stundenweit zu riechen sind (5, p. 177).
Hat eine suchende Biene eine neue Nahrungsquelle entdeckt, so
beginnt sie dieselbe auszubeuten und wird damit zum Sammler.?’)
Ihr folgen nun andere Bienen ihres Stockes — je nach der Er-
giebigkeit des entdeckten Bestandes in größerer oder geringerer
1) Anm. bei der Korrektur: Vgl. Anm. S. 164.
2) Die Ausdrücke „Sucher* und „Sammler“ sollen also nicht etwa
verschiedene Klassen von Individuen, sondern nur die derzeitige Aufgabe
der Individuen kennzeichnen,
160 Karu v. Frisch,
Zahl — nach, die von vornherein nicht als Sucher, sondern als
Sammler anzusprechen sind. Für diese ist der vonden Blüten
ausgehende Duft kein Lockmittel. Nicht durch ihn, sondern
durch Stockgenossen werden sie zu diesen Blüten geführt. Wohl
aber wird der Duft den Sammelbienen das Wiederfinden der
Blumen und ihre Unterscheidung von anderen Blüten er-
leichtern. Hier gilt vom Duft der gleiche Satz, den Foren (36, p. 194)
für die Farbe ausgesprochen hat: Er „bildet ein Merkzeichen, aber
keine Anziehung an und für sich für das Insekt“.*)
1) Doch dürfte dieser Satz auch für die Farbe nicht in so allgemeiner
Form gelten, wie ihn FOREL ausgesprochen hat. Auch in bezug auf die
Blumenfarben werden sich Sucher und Sammler wohl verschieden ver-
halten. | |
Über das Benehmen von Suchern und Sammlern sowie über die
Korrelation zwischen der Ergiebigkeit der Nahrungsquelle und der Zahl
der sammelnden Bienen liegen Beobachtungen G. BONNIER’s (9) vor; ein
besonders lehrreicher Versuch sei hier referiert, da diese Verhältnisse im
allgemeinen wenig bekannt sind.
BONNIER schnitt von einem blühenden, von Bienen besuchten Strauch
von Lyeium barbarum 6 Blütenzweige ab und steckte sie in Wasserflaschen.
Er beobachtete diese zunächst am Standort des Gewächses und überzeugte
sich, daß die Blüten an den abgeschnittenen Zweigen von den Bienen
eben so gut besucht wurden wie an den unberührten Zweigen der Pflanze.
Nun trug er die abgeschnittenen Blütenzweige in einen Obstgarten, wo
keine honigenden Blumen waren. An diesem Tage kam keine Biene zu
den Blüten. Am nächsten Tage entdeckte sie eine Suchbiene (Sucher und
Sammler sind an der Art des Fluges zu unterscheiden), inspizierte alle
Zweige und nahm etwas Nektar und etwas Pollen. Sie wurde markiert
(A). Nach 3 Minuten flog sie zum Bienenstand zurück und kehrte nach
5 Minuten wieder, von einer zweiten Biene begleitet; auch diese wurde markiert
und wird im Folgenden mit B bezeichnet. Es sammelte nun A (von einer
Suchbiene zur Sammelbiene geworden) nur Nektar, B nur Pollen. Nach
10 Minuten hatte sich eine dritte (C) zu ihnen gesellt, die so wie A nur
Nektar sammelte. BONNIER überzeugte sich, daß alle 3 Bienen aus dem-
selben Stocke stammten. Dieselben 3 Bienen besuchten nun den ganzen
Tag diese Blütenzweige.
Indem BoNNIER ununterbrochen beobachtete, sah er an diesem Tage
mehrmals Suchbienen gegen die Zweige anfliegen; jede von diesen benahm
sich auf dieselbe Art; „sie beobachtete mit der größten Sorgfalt die
Sammler, ihre Zahl, ihre Betätigung, dann, nach 2—4 Minuten währender
Beobachtung, flog sie fort und ließ sich nicht mehr blicken. Es scheint,
dass diese’ Bienen, als sie den Platz besetzt und die Zahl der Sammler
für diese kleine Ernte ausreichend fanden, anderwärts auf die Suche gingen.“
Am folgendeu Tage sammelten dieselben 3 Bienen in gleicher Weise
an den Blüten. Nun verdoppelte BONNIER die Blütenzweige. Nach
Über den Geruchsinn der Bienen. 161
Wo es sich um zerstreut wachsende Pflanzen handelt, mag der
Blütenduft den sammelnden Bienen häufig auch das Auffinden und
Erkennen weiterer, bisher übersehener oder später aufgeblühter Ge-
‚wächse der gleichen Art erleichtern; dann sind die Sammler in ge-
wissem Sinne auch Sucher; doch suchen und finden sie nichts Neu-
artiges, sondern schon Bekanntes. Auch hierbei wird die relativ
geringe Riechschärfe der Biene und die Störung, die von der Bei-
mischung andersartiger Düfte aus der Umgebung zu erwarten ist
(vgl. S. 157, 158) der Wirksamkeit des Duftes enge Schranken
setzen.
Um die Bedeutung desBlütenduftesals Merkzeichen
für die Bienen ins rechte Licht zu setzen, muß ich an Dinge er-
innern, die ich bereits an anderer Stelle (39, p. 58f.) gesagt habe.
So manche Blütengäste, vor allem viele Fliegen und Käfer,
lassen sich wahllos bald auf diesen, bald auf jenen Blumen nieder,
und es gehört ein gut Teil Zufall dazu, daß sie beim Blütenbesuch
Kreuzbefruchtung herbeiführen. Bei manchen Fliegen und bei den
Hymenopteren geht mit der morphologischen Anpassung an den
Blumenbesuch, : die eine bessere Ausnutzung der Blüten ermöglicht,
eine größere Blumenstetigkeit Hand in Hand, um bei den Sphingiden
und bei den langrüsseligen Bienen (Hummeln, gewissen solitären Bienen
und Apis mellifica) den höchsten Grad zu erreichen.!) Vor allem
die sammelnde Honigbiene ist sehr blumenstet, d.h. in
der Regel besucht jedes Individuum bei seinen Ausflügen längere
Zeit hindurch (Stunden und Tage lang) nur Blüten der gleichen
Pflanzenart.?) Dies ist für beide Teile von Vorteil: die Biene,
welche nur Blumen der gleichen Art befliegt, trifft überall auf die
gleiche Blüteneinrichtung, mit der sie schon vertraut ist, und wird
20 Minuten kamen zwei neue, nach weiteren 10 Minuten abermals zwei neue
Bienen, die auch sämtlich markiert wurden. Drei von den neuen sammelten
Nektar, eine Blütenstaub. Weiterhin nahm ihre Zahl nicht mehr zu,
sondern auch am nächsten Tage sammelten nur diese sieben Bienen an den
Zweigen. Auch jetzt kam ab und zu eine Suchbiene, die aber stets
wieder davonflog, als sie den Platz genügend ausgebeutet fand.
1) Vgl. Knuta (63), Vol. 1, p. 229, 230.
2) Ausnahmen kommen vor, besonders bei spärlicher Tracht. Belege
für die Blumenstetigkeit findet man bei BENNETT (4), BERLEPSCH (5, p. 86),
Curisty (22), DALLA-ToRRE (24), DETTO (28), Knuta (63, Vol. 1,
p. 197), KRANICHFELD (64a), KRONFELD (65), MÜLLER (73), NEGER
(74, p. 635), PÉREZ (76) u. A.
Ausnahmen konstatieren BULMAN (11—13) und PLATEAU (86).
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. ai
162 Karu v. Frisch,
daher meist in der gleichen Zeit eine größere Ausbeute machen, als
wenn sie wahllos an verschiedene Pflanzen Hoge. fiir die Blite ist
so die Kreuzbefruchtung gesichert. '
Die Blumenstetigkeit der Biene hat zur Voraussetzung, dab
diese die zusammengehörigen Blumen als solche erkennt und nicht
mit Blüten anderer Pflanzenarten verwechselt. Tatsächlich kann
man sich leicht davon überzeugen, daß die Biene auch auf blumen-
reichen Wiesen die Blüten jener Art, an der sie sammelt, mit Sicher-
heit herausfindet. Daß sie sich hierbei vor allem nach der Blüten-
farbe orientiere, war eine naheliegende Annahme, solange man bei
der Biene einen Farbensinn voraussetzte, der dem unseren an Voll-
kommenheit nicht nachstünde. Nun wissen wir aber, daß das Bienen-
auge „rotgrünblind“ ist (39) und im Unterscheidungsvermögen für
Farbennuancen dem normalen, farbentüchtigen Menschenauge weit
nachsteht. So wenig Bienen, die auf „Blau“ dressiert sind, diese
Farbe von Violett und Purpurrot, so wenig ,,Gelb“-dressierte Bienen
das Gelb von einem gelblichen Grün und von Orangerot unterscheiden
lernen), so wenig werden sie beim Blumenbesuch solche Farben
auseinanderhalten können. Wenn sie nun da, wo für uns eine Fülle
von Farbennuancen besteht, nur „blaue“, ,eelbe“ und „weiße“ Blumen
? 2 ? Meo) 22 ’
sehen, dann kommen wir mit der Bliitenfarbe allein zur Erklarung
der Blumenstetigkeit bei weitem nicht aus. Als andere Merkmale
zur Unterscheidung der Blumen kommt deren verschiedene Form
und — bei mehrfarbigen Blüten — die Anordnung der Farben
in der Blüte (z. B. als ,Saftmale“) in Frage. Tatsächlich werden
von der Biene die genannten Merkmale beachtet.?) Es bleibt noch
als weiteres Unterscheidungsmerkmal die enorme Mannigfaltigkeit
der Düfte. Und.da wir nun feststellen konnten, daß der Blüten-
duft wirklich als Merkzeichen von den Bienen verwertet wird, dab
diese, so wie wir, eine große Zahl verschiedener Blumendüfte zu
unterscheiden vermögen und daß sich dieselben ihrem Gedächtnis
vorzüglich einprägen, so dürfen wir im Duft der Blüte ein zuverlässiges,
vielleieht ihr wichtigstes Merkzeichen für die Biene erblicken.
Eine Fernwirkung des Duftes kommt für jene Bienen, die zu |
schon früher beflogenen Blüten wiederkehren, noch weniger in
Betracht als für die Sucher. Denn auch in jenen Fällen, wo für
sie z. B. der Duft einer blühenden Linde auf beträchtliche Ent-
1) Vgl. v. FrıscH (39), p. 30—43.
2) Vgl. ibid., p. 58— 73.
Über den Geruchsinn der Bienen. VERS
fernung wahrnehmbar ist, werden sie bei wiederholtem Besuch die
Örtlichkeit gewiß vorwiegend oder ausschließlich mit Hilfe des
Gesichtssinnes aufsuchen. Wissen wir doch, wie sicher die Biene
einen Ort, den sie sich eingeprägt hat, auf Grund der optischen Er-
innerungsbilder wiederfindet. Der Duft aber versagt als Führer
mit dem Umschlagen des Windes. Dagegen werden auch Düfte,
_ die so schwach sind, daß sie als ,Lockmittel“ für die suchende
Biene keine Bedeutung haben können, in der Nähe für das Wieder-
erkennen der Blüten und für ihre Unterscheidung von anderen,
ähnlich aussehenden Blumen wesentlich sein; denn auch recht
schwache Gerüche werden zur Geltung kommen, wenn die Biene
beim Anfliegen ihre Riechwerkzeuge in die duftende Blüte förmlich
hineintaucht. Daß Bienen, die z. B. an einer gelb blühenden
Pflanzenart sammeln, häufig, offenbar durch die Farbe getäuscht,
auch gegen gelbe, duftende Blumen anderer Pflanzenarten anfliegen
und erst in nächster Nähe ihren Irrtum bemerken und ab-
schwenken, ist wiederholt beobachtet worden [vgl. z.B. Drrro (28),
Focxe (35), Kxozz (62a)].
Die Schlüsse, zu denen wir im Vorstehenden in bezug auf das
Verhalten von ,Sammlern“ und „Suchern“ gekommen sind, lassen sich
zum Teil leicht experimentell bekräftigen. So sei zum Beweise, daß für
die sammelnden Bienen — also für solche, die damit besehäftigt sind,
eine bestimmte, von Suchern entdeckte Futterquelle auszubeuten —
ein beliebiger Blütenduft an sich kein Lockmittel darstellt, der folgende
Versuch angeführt. Als ich im Jahre 1916 mit neuen Dressurversuchen
beginnen wollte, legte ich früh morgens einen mit Honig bestrichenen
Papierbogen aus, der gegen 11 Uhr vormittags von einer Biene entdeckt
wurde. Gegen 12 Uhr war die Zahl der Bienen auf 2—3 Dutzend an-
gewachsen, und ich ging nun zur Fütterung mit Zuckerwasser über, das
in einem frei auf dem Tische stehenden Uhrschälchen geboten wurde. Um
2 Uhr stellte ich auf einem anderen Tische 4 reine Kartonkästchen auf,
von denen eines mit dem wohlriechenden Ole „Jasminblüten“ beschickt wurde,
während ein zweites mit dem ätherischen Ole „Pomeranzen Messina“ versehen
wurde und die beiden anderen ohne Riechstoff blieben. Nun entfernte
ich das Zuckerwasser mitsamt dem Tisch, auf welchem die Bienen bisher
gefüttert worden waren, und setzte den anderen Tisch mit den Karton-
kästchen an seine Stelle. Die Bienen schwärmten, nach dem Futter
suchend, an dem gewohnten Platze herum und näherten sich hierbei auch
häufig den Fluglöchern der duftenden Kästchen so sehr, daß sie den Duft
wahrnehmen mußten. Aber keine schlüpfte in ein Kästchen hinein oder
ließ sich am Flugloch nieder, ja keine stutzte auch nur einen Augenblick.
Das gleiche zeigt der auf S. 80, 81 (Tabelle 65) besprochene Versuch mit
Tuberosenduft, wobei die Bienen an den Besuch der Kästchen schon ge-
wöhnt waren. Es wäre ja auch höchst unzweckmäßig, wenn sich Bienen,
ale
164 Karu v. Frisch,
die z. B. an duftlosen Blüten sammeln, durch jeden beliebigen, auf sie
einwirkenden Blumenduft von ihrer Aufgabe abziehen ließen.
Wie sehr hingegen von den sammelnden Bienen, die eine Nahrungs-
quelle wiederfinden wollen, ein dem Futter beigegebener Duft als Merk-
zeichen und als Unterscheidungsmerkmal — allerdings erst aus
nächster Nähe — verwertet wird, brauche ich hier nicht besonders durch
Beispiele zu belegen, denn fast alle in dieser Arbeit angeführten Versuche
wären als Beweise heranzuziehen.
Viel schwieriger ist es, die „Sucher“ zu beobachten und fest-
zustellen, ob sich diese — wie ich angenommen habe — durch Blumen-
düfte anlocken lassen. Ich habe nur einen, leider erfolglosen Versuch
in dieser Richtung unternommen. Dies geschah, bevor ich im Sommer
1917 mit den Dressuren begann, an einem wolkenlosen, warmen Tage bei
spärlicher Tracht. Ich legte anf einige Glasschälchen je ein Watte-
-bauschchen, von denen eines mit Tuberosenblütenöl (wohlriechendes Öl),
eines mit „Essence de Basilicum“ und eines mit Rosmarinöl getränkt war.
Ein viertes Schälchen wurde mit ca. 5 cm? Honig versehen. Sie wurden unweit
von meinem Bienenstande in einer Wiese aufgestellt. Von '/,10—1/,12 Uhr
. standen sie im Schatten, von 1/,12—1 Uhr in voller Sonne. In der un-
mittelbaren Umgebung sammelten an blühenden Brunellen (Brunella vulgaris)
vereinzelte Bienen. Solche flogen des öfteren über die Duftschälchen weg,
ohne sich im geringsten um sie zu kümmern; dies ist nur eine Bestätigung
dafür, daß sich sammelnde Bienen durch Blumendüfte nicht ablenken
lassen. Eine Biene aber, die nicht an Brunellen gesammelt hätte, eine
Sucherin, bekam ich während der ganzen, fast 4stündigen Beobachtungs-
zeit nicht zu Gesicht. !)
1) Anmerkung bei der Korrektur:
Inzwischen konnte ich den Versuch mit besserem Erfolg wieder-
holen. Der 15. September 1918 war ein strahlend schöner, warmer Tag
nach einer längeren, kalten und stürmischen Regenperiode. Am Nach-
mittage bemerkte ich auf einer Wiese nicht weit von meinem Bienenstande
vereinzelte Bienen, die knapp über dem Grase wie suchend herumflogen.
Die Art ihres Fluges ließ erkennen, daß sie nicht auf ein bestimmtes Ziel
losstrebten, sondern offenbar auf der Futtersuche waren — wohl vergeblich,
denn die Tracht war vorbei.
Es bot sich da Gelegenheit, zu prüfen, ob Blumendüfte die Aufmerk-
samkeit der Suchbienen auf sich lenken.
Ich legte auf einem Wiesenstreifen, der durch zwei Bauminseln eingeengt
war und daselbst von relativ vielen Bienen passiert wurde, vier graue Papiere
ins Gras; von diesen wurde eines reichlich mit Pfefferminzöl (vgl. S. 41)
betropft, ein zweites mit Geraniumül (GRASSE, vgl. S. 39), das dritte
mit Patchouliöl (vgl. S. 41) und das vierte mit Wasser. Die vier
Papiere hatten das gleiche Aussehen. Der intensive, nicht im geringsten
blumenartige Patchouliduft und das duftlose, mit Wasser benetzte Papier
sollten zur Kontrolle dienen, und ich war nun gespannt, ob die Bienen
durch den starken Geruch des Pfefferminzöles und das nach Rosen duftende
Geraniumöl angezogen würden. Es war tatsächlich der Fall. Die
Über den Geruchsinn der Bienen. 165
Wenn wir im spezifischen Blütenduft einen Faktor sehen, der
den Besuchern die Unterscheidung ähnlicher Blumen ermöglicht,
erhält eine den Botanikern schon lange bekannte Erscheinung be-
sondere Bedeutung: „Sehr beachtenswert ist die Tatsache, dass
nahe verwandte, äusserlich ähnliche Arten häufig ver-
schiedene Düfte besitzen. Mehrere Beispiele sind bereits in
den obigen Verzeichnissen eingeschaltet, unter andern, dass Gymnadenia
conopea Nelkenduft, die ihr ungemein ähnliche Gymnadenia odoratissima
dagegen Vanilleduft besitzt. Von den Arten der Gattung Seidelbast
(Daphne) hat Daphne alpina Vanilleduft, Daphne striata Fliederduft,
Daphne Philippi Veilchenduft und Daphne Blagayana Nelkenduft.
Die so nahe verwandten Orchis fragrans und coriophora sind gleich-
falls an ihrem verschiedenen Blütendufte augenblicklich zu erkennen.
Mit Leichtigkeit unterscheidet man auch die Düfte, welche den
verschiedenen Arten von Syringa, Tilia und Sambucus zukommen.
Noch auffallender verhält es sich in dieser Beziehung mit den Rosen.
Wer sich nur einigermaßen mit dieser artenreichen Gattung ab-
gegeben hat, wird die Rosa alpina, pimpinellifolia, arvensis, Indica,
moschata, canina, Gallica, cinnamomea, Centifolia und Thea mit ge-
schlossenen Augen sofort am Dufte erkennen. Merkwiirdig ist es
auch, dass von nahe verwandten Arten die Bliiten der einen duften,
die der anderen duftlos sind. Platanthera montana entbehrt des
beiden Papiere, die mit Patchouliöl und mit Wasser be-
tropft waren, blieben unbeachtet. Dagegenumschwärmten
während der nächsten Stunde 6 Bienen das Pfefferminz-
papier, 2 Bienen das Geraniumpapier in auffälliger
Weise, mehrere ließen sich sogar auf diesen Blättern.
nieder und krochen auf und unter ihnen herum. Es währte
bei einer Biene 30 Sekunden, bei vier Bienen 25 Sekunden, bei einer
15 und bei zweien 10 Sekunden, bis sie sich von der Fruchtlosigkeit ihrer
Bemühungen „überzeugt“ hatten und weiterflogen.
Es muß bemerkt werden, daß mindestens ebenso viele Bienen knapp
an den duftenden Papieren vorbeiflogen, ohne sich aufzuhalten. Die
8 oben erwähnten Tiere wurden, soweit sich dies beurteilen läßt, nicht
aus größerer Entfernung angelockt, sondern wurden auf die Düfte erst
aufmerksam, als sie ihr Weg (knapp über dem Boden) direkt in die von
den Papieren aufsteigenden Duftwolken brachte. Bienen, die ihr Weg
auch nur in geringer Entfernung seitlich an den Papieren vorbeiführte,
wurden nicht abgelenkt.
So wie bei diesem Experiment, werden auch unter natürlichen Be-
dingungen Blumendüfte die Aufmerksamkeit der Suchbienen auf sich
lenken können,
166 Karz v. Friscu,
Duftes, während Platanthera bifolia einen starken Nelkenduft aus-
haucht. Viola tricolor ist duftlos, Viola polychroma entwickelt starken
Veilchenduft. Die Blüten der Primula Lehmanni sind ohne Duft, jene
der zum Verwechseln ähnlichen und durch wenig in die Augen
fallende Merkmale der Gestalt unterscheidbaren Primula Auricula
entbiuden starken Aurikelduft. Diese Tatsachen sind als Belege
für die Theorie der spezifischen Konstitution des Protoplasmas...
nicht ohne Bedeutung.“ [Kerner (58), Vol. 2, p. 199] Es ist klar,
daß diese Umstände dann, wenn die ähnlich blühenden Arten am
gleichen Standort vorkommen, zur Ermöglichung der Blumenstetig-
keit ihrer Besucher und somit zur Herbeiführung der regelrechten
Kreuzbefruchtung von größter Wichtigkeit sind. Und zwar gilt dies
' nicht nur für jene Fälle, wo jede der beiden ähnlichen Arten duftet,
sondern auch da, wo den einen Blüten ein Duft zukommt, während
die anderen, ihnen äußerlich ähnlichen Blüten duftlos sind. Denn
wir haben ja bei den Versuchen gesehen, daß die Bienen, die auf
ein mit bestimmter Farbe und bestimmtem Duft versehenes Kästchen
dressiert waren, sich vom Besuche eines anderen, nur mit der
Dressurfarbe versehenen Kästchens schon allein durch das Fehlen
des vertrauten Dressurduftes ebensosehr abhalten ließen wie durch
das Anbringen eines abweichenden Duftes (vgl. S. 67).
Ein Gegenstück zu dieser Erscheinung bildet die Tatsache, daß
die Bienen da, wo verschiedenfarbige Varietäten der-
selben Pflanzenart nebeneinander stehen, nicht selten die
Blumen dieser Pflanzenart ohne Unterschied der Farbe besuchen
[Bennett (4), Bupman (11), Curisty (22), Fockz (34), PLATEAU (80, 84)].
‚Es wurde dies von manchen Autoren als Argument vorgebracht,
um zu beweisen, daß sich die Bienen beim Blumenbesuch nicht nach
der Farbe der Blüten orientieren. Es beweist aber tatsächlich nur,
daß die Farbe nicht das einzige Kennzeichen ist, nach welchem sich
die blütenbesuchende Biene richtet — was von niemandem behauptet
wurde. Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß in
diesen Fällen meist ein sehr ähnlicher oder identischer Blütenduft
das Merkmal ist, durch’ welches die Zusammengehörigkeit der ver-
schiedenfarbigen Blumen von den Bienen erkannt wird.
Wenn ich dem Duft der Blüten als Merkzeichen große Wichtig-
keit beimesse, möchte ich damit die Bedeutung der Blumenfarben
nicht schmälern. Sahen wir doch, daß in jenen Versuchen, wo wir
Duft und Farbe in Konkurrenz setzten, der Anflug der Bienen aus
beträchtlicher Entfernung stets gegen die Farbe gerichtet war. So
Über den Geruchsinn der Bienen. 167
wird auch für die an Blumen sammelnden Bienen die Blütenfarbe
meist auf viel größere Entfernung erkennbar sein als ihr Duft und
manche Blüte davor bewahren, daß sie übergangen wird. Wenn so
für die Biene, was die Weite des Wirkungskreises betrifft, der
Blütenduft der Farbe nachsteht, so ist er als Merkzeichen der Farbe
überlegen durch seine Fülle unterscheidbarer Varianten je nach den
Blütenarten. Duft und Farbe ergänzen sich somit in
wirksamer Weise, und am besten ist die Blume ausgerüstet, die
über beides verfügt. 7
Was in diesem Kapitel von der Biene gesagt wurde, diirfte in
- ähnlicher Weise auch für die Hummeln und für die übrigen blumen-
steten Hymenopteren Geltung haben.
Ob die biologische Bedeutung des Blütenduftes nicht auch noch
in anderer Richtung zu suchen ist, das weiß ich nicht. So wäre es
denkbar — und ich Könnte einige Beobachtungen zugunsten dieser
Annahme vorbringen —, daß einer Biene, die nektarführende, duftende
Blüten entdeckt hat, bei ihrer Heimkehr in den Stock noch so viel
von dem Blütenduft anhaftet, daß dieser für die Stockgenossen, denen
sie sich nähert, bemerkbar ist und daß sie infolge dieses Umstandes
bei ihren nächsten Flügen schneller eine größere Zahl von Be-
gleitern und Helfern findet, als es bei der Entdeckung duftloser
Blüten der Fall ist. Sicheres kann ich hierüber nicht angeben.
Solche Ergänzungen und Erweiterungen unserer Kenntnisse
würden aber kaum etwas ändern an dem hauptsächlichen Ergebnis
dieser Betrachtungen, das ich dahin kurz zusammenfassen möchte:
Als Lockmittel kommt der Blütenduft für Fliegen,
Käfer und andere nieder organisierte Blumengäste
sowie für manche Schmetterlinge in Betracht. Ein
Lockmittel kann er für jene Bienen sein, die auf die
Suche gehen, um neue Nahrungsquellen aufzuspüren,
aber er kann sie nur selten aus beträchtlicher Ent-
fernung, meist erst in nächster Nähe auf die Blüten
aufmerksam machen. Seine wesentliche Bedeutung
liegt darin, daß durch die Fülle verschiedenartiger,
für die Pflanzenarten charakteristischer Düfte den
Bienen und anderen blumensteten Insecten die Unter-
scheidung der gesuchten Blumen von den Blüten
anderer Arten und das sichere Erkennen der gleich-
artigen Blüten erleichtert, ja manchmal erst ermög-
licht wird. Der Blütenduft ist ein Merkzeichen für
168 Karu v. Frisch,
die Biene und vielleicht das wichtigste Merkzeichen,
welches die Blüte besitzt.
X. Versuche mit Riechstoffen, die bei chemisch verschiedener
Zusammensetzung ähnlich duften.
Zur Begründung der Versuchsreihen, welche hier zu besprechen
sind, muß ich an die im 2. Kapitel mitgeteilten Experimente an-
knüpfen. Wir haben dort erfahren, daß die auf Pomeranzenschalenöl
(Messina) dressierten Bienen diesen Dressurduft unter 46 anderen
dargebotenen Düften mit bemerkenswerter Sicherheit herausfanden,
jedoch vom Duft dreier ätherischer Öle (Pomeranzenschalenöl
spanischer Herkunft, Bergamottöl und Cedratöl) nur mangelhaft
unterschieden und daß gerade diese drei Düfte, welche von den Bienen
mit dem Dressurduft verwechselt wurden, auch für das menschliche
Geruchsorgan von allen angewandten Riechstoffen dem Messina-
Pomeranzenschalenöl am nächsten standen. Man könnte sich ver-
anlaßt sehen, hieraus für die Physiologie des Geruchsinnes der Biene
eine weitgehende Übereinstimmung mit der Physiologie des mensch-
lichen Geruchsinnes zu folgern. Dies geht aber nicht an. Denn die
genannten vier ätherischen Öle sind aus einem sehr ähnlichen Material
nach der gleichen Methode gewonnen und haben einige für den
Geruch bedeutungsvolle Komponenten gemeinsam (S. 45, 46);, unter
diesen Umständen kann man daraus, daß sie sowohl auf das Geruchs-
organ der Biene als auch auf das des Menschen untereinander ähnlich
wirken, keine weittragenden Schlüsse ziehen. Man kann es um so
weniger, als wir über die Zusammensetzung dieser komplizierten
ätherischen Öle nicht völlig im Klaren sind.
Nun gibt es aber auch Riechstoffe, deren Konstitution genau
bekannt ist und die, obwohl sie in ihrer chemischen Zusammen-
setzung voneinander wesentlich abweichen, für das Geruchsorgan
des Menschen sehr ähnlich duften. Sollte sich zeigen, daß solche
Körperpaare trotz ihrer verschiedenen Zusammensetzung auch für
die Bienen ähnlich duften, so würde dies auf eine Übereinstimmung
zwischen Mensch und Biene hinsichtlich der physiologischen Grund-
lagen der Geruchswahrnehmungen hindeuten, wie sie in Anbetracht
des abweichenden anatomischen Baues der Geruchsorgane von vorn-
herein nicht erwartet werden kann. Sollte sich aber herausstellen,
daß solche Körperpaare von den Bienen mit Sicherheit unterschieden
werden, so wäre daraus zu schließen, daß die physiologischen Grund-
Über den Geruchsinn der Bienen. 169
lagen der Geruchswahrnehmungen bei Menschen und Bienen zum
mindesten nicht identisch sind.
Unsere Schlüsse wären besser fundiert, wenn wir über die für
den Menschen gültigen Beziehungen zwischen chemischer Konstitution
der Riechstoffe und Qualität des Geruchs genau unterrichtet wären.
Dies ist nun leider nicht der Fall. Soviel aber scheint festzustehen
In den Molekülen der Riechstoffe sind gewisse „osmophore“
Atomgruppen als Urheber des Geruchs anzusehen; hierher gehören
die Gruppen —OH, —O—, —CHO, —OCH,, —NO,, — CN, —N,.!)
Diese osmophoren Atomgruppen sind aber nicht allein maßgebend
für die Geruchsqualität eines Körpers. Denn es kann eine osmophore
Gruppe durch eine andere ersetzt werden, ohne daß sich der Geruch
wesentlich ändert. Andrerseits kann ein und dieselbe osmophore
Gruppe je nach der Art, wie sie an den Kern des Riechstoffmoleküls
eebunden ist, einen verschiedenen Geruch bedingen. Diese und
andere Tatsachen lassen es als sicher erscheinen, daß die inner-
molekulare Bindungsart der osmophoren Gruppen, wie sie in den
Konstitutionsformeln zum Ausdrucke kommt, für die Qualität des
Geruches von wesentlicher Bedeutung ist.?)
Es ist nun die Frage, ob die osmophoren ‚Gruppen und die Art
ihrer Bindung für die Bienen in gleicher Weise geruchbestimmend
sind wie für die Menschen. Hierüber können wir am ehesten eine
Aufklärung erhoffen, wenn wir das Verhalten der Bienen gegenüber
Riechstoffpaaren untersuchen, die bei chemisch verschiedenem Bau
für den Menschen ähnlich oder gleich duften.?)
a) Mirbanöl und Bittermandelöl
(Nitrobenzol C,H,NO,) (Benzaldehyd C,H,CHO—
Blausäure HCN).
C—H C—H
Hof) CH pe
a a al si
H a Je H H EL H
C_NO, C—CHO
1) Vgl. z. B. RupE u. MasEwskI (95).
2) Man findet Näheres hierüber bei HENNING (45), p. 281 ff.
3) Daß die im Folgenden besprochenen Riechstoffe paarweise ähnlich
duften, ist nicht etwa eine Angabe, die sich nur auf meine Empfindungen
stützt, sondern ist allgemein bekannt.
170 Karu v. Frisch,
Der bittermandelartige Geruch des Mirbanöles, das zum Schutze
von Sammlungskästen gegen Insectenfraß häufig benutzt wird und
daher vielen Entomologen bekannt sein dürfte, gab mir den ersten
Anlaß zu diesen vergleichenden Versuchen. |
Das Mirbanöl war von der Firma WINKLER & WAGNER (Wien) be-
zogen; es war ursprünglich nicht für wissenschaftliche Zwecke bestimmt,
und ich hatte keine Gewähr für seine Reinbeit. Herr Hofrat Hans ,
Horst MEYER (pharmakologisches Institut der Universität Wien) war
darum so freundlich, es nachträglich zu prüfen; es erwies sich als frei
von Verunreinigungen. Die „Essence de Bittermandel echt“ stammte von
SCHMOLLER & BOMPARD in Grasse. Das Bittermandelöl wird manchmal
mit Mirbanöl verfälscht. Wenn auch an der Echtheit des von SCHMOLLER
& Bomparp bezogenen Oles nicht zu zweifeln war, so wurde es doch,
um völlig sicher zu gehen, nachträglich in dem genannten Institute unter-
sucht und frei von Nitrobenzol befunden.
Die beiden Öle hatten. für das menschliche Geruchsorgan eine
unverkennbare Ähnlichkeit, waren aber doch geruchlich sicher und
deutlich voneinander zu unterscheiden.
Ich dressierte auf Mirbanöl. Es waren in zwei Reihen
übereinander 24 Kartonkästchen aufgestellt, von denen eines mit Mir-
banöl .und Zuckerwasser versehen, die übrigen duftlos und leer
waren. Vor den Versuchen wurde stets, wie schon des öfteren be-
schrieben ist, an einem zentral gelegenen Platze der oberen oder
unteren Reihe gefüttert; die reinen Kästchen, deren Frequenz be-
obachtet werden sollte, wurden an seitlichen, zum Platze des Dressur-
kästchens symmetrisch gelegenen Orten aufgestellt, hierauf wurde
das Dressurkästchen entfernt und der Besuch der Kästchen beob-
achtet. Es wurde insbesondere strenge darauf geachtet, daß die
beiden mit den „Verwechslungsdüften“ versehenen Kästchen sym-
metrisch zum letzten Dressurplatze gruppiert waren, und wenn 7. B.
bei einem Versuche das Mirbanölkästchen links, das Bittermandeläl-
kästchen in gleicher Entfernung rechts vom letzten Platz des Dressur-
kästchens zu stehen kam, so wurde beim nächsten Versuche das
Bittermandelölkästchen links, das Mirbanölkästchen rechts aufgestellt,
um so etwaige durch die Windrichtung oder andere äußere Umstände
bedingte Differenzen auszugleichen. Ich glaube auf eine ausführ-
liche Wiedergabe der 14 Versuche verzichten zu können und trage
die Resultate summarisch in Übersichtstabellen ein.
An der relativ schwachen Frequenz der Kästchen in den ersten
Versuchen (Tabelle 173 und die 2 ersten Versuche von Tabelle 174)
ist nicht etwa mangelhafte Dressur Schuld. Die Bienen erwiesen
La
Über den Geruchsinn der Bienen. 171
sich schon 2 Stunden nach Dressurbeginn als gut dressiert. Viel-
mehr nahm 2—3 Stunden nach dem Beginn der Dressur die Zahl der
Bienen in auffälliger Weise ab, so dab während des ganzen ersten
Nachmittages nur sehr wenige Tiere an den Versuchen beteiligt
waren.
Diese Abnahme der Bienenzahl dürfte folgendermaßen zu erklären
sein. Es fiel mir auf, daß bei der Dressur auf Mirbanöl sehr häufig ein
ausdauerndes gegenseitiges Ablecken der Tiere zu beobachten war, wie
man es zu sehen gewohnt ist, wenn sich Bienen mit Honig beschmiert
haben. Das Mirbanöl hat einen intensiv süßen Geschmack, und zwar an-
scheinend auch für die Bienen, von denen einige offenbar mit dem Mirbanöl,
das anfangs reichlich auf das Duftbänkchen aufgetropft wurde, in Be-
rührung gekommen waren. Das Mirbanöl ist sehr giftig, und so mögen
viele Tiere daran zugrunde gegangen sein. Als am folgenden Tage weniger
Öl aufgetropft und dieses vollständig vom Duftbänkchen aufgesogen wurde,
kamen andauernd reichlich Bienen. Bei der Wiederholung der Versuche
im nächsten Jahre war keine Abnahme der Bienenzahl zu bemerken, als
in Steingutkästchen dressiert wurde, in welchen die Duftträger (vgl. Fig. D,
S. 13) vor dem direkten Kontakt mit den Bienen gesichert waren. Hin-
gegen nahm die Zahl der Tiere wieder kontinuierlich ab, als das Mirbanöl
auf den Duftbänkchen der Kartonkästchen reichlich offen dargeboten wurde.
Beginn der Dressur auf Mirbanöl 11./9. 1916, 9*°.
Tabelle 173.
Letzter Platz des Dressurkästchens s. Plätze der Versuchskästchen | & 5,0, Ww
(vols Hise J, 8. seal
Beobachtungszeit | Mirbanöl Bittermandel| duftlos duftlos
11./9. 1916 115-20 22 8 0 0
CON NES TS 3 2 0
” „ ae 4 8 0 0
2 3 200 —05 7 i! 0 0
Summa | 39 | 20 | 2 nil 0
In einer zweiten .Versuchsreihe wurden 2 weitere reine Käst-
chen aufgestellt und beobachtet, die mit beliebig gewählten ätheri-
schen Olen beschickt waren.)
1) Über die Herkunft und Zusammensetzung sämtlicher in diesem
Kapitel erwähnten ätherischen Öle findet man Näheres in dem alphabeti-
schen Verzeichnisse auf S. 37 ff.
172 Karu v. Frisch,
Tabelle 174.
Letzter Platz des Dressurkästchens s. Plätze der Versuchskästchen c, i, 0, "p, ¥, w.
Beobachtungszeit | Mirbanöl à [ittermandel un kun duftlos|duftlos
11. 9.1916 402—07 12 | 0 0 | 0 0
OER Sela a. 3 RER MATE PL
12.9. 1916 915—20| 100 7 0 10.778
Noles 75080 SO OP SS EL D
a) ee per 3 3 0 a Fo
B , 1000—05| ' ED ie 35 2 Lai 0 2 7
Summa | 231 | 133 RIM TA 1 I BON D ee a
In einer dritten Versuchsreihe nahm ich statt des echten Bitter-
mandelöles ein künstliches Bittermandelöl, welches ich
gleichfalls von SCHMOLLER & Bomparp in Grasse erhalten hatte.
Es bestand aus künstlichem Benzaldehyd, dem, um den Geruch mit
dem natürlichen Produkt übereinstimmend zu machen, Blausäure
zugesetzt war. Mirbanöl war auch in diesem künstlichen Bitter-
mandelöl, laut einer im Wiener pharmakologischen Institute durch-
geführten Untersuchung, nicht enthalten. Der Duft des echten und
des künstlichen Bittermandelöles waren — für mich wenigstens —
gleich.
Für feinere,Nasen gilt auch das beste künstliche Bittermandelöl
gegenüber dem echten als minderwertig. Man konnte daher annehmen,
daß in letzterem noch ein bis dahin unbekannter Bestandteil vorkomme.
Tatsächlich gelang es in neuerer Zeit, aus dem echten Bittermandelöl
Spuren einer Substanz von angenehmem, charakteristischem Geruch zu
isolieren: es konnte aber dieser Körper noch nicht näher identifiziert
werden [vgl. GILDEMEISTER u. HOFFMANN (40, p. 605)|.
Statt Bitterfenchelöl und Wachholderbeeröl wählte ich als Ver-
gleichsdüfte Nelkenöl und Spiköl (Lavendel-Spik).
Über den Geruchsiun der Bienen. 173
Tabelle 175.
Wie bei Tabelle 174.
Lavendel
Beobachtungszeit Mirbanöl erben 5 Nelkenöl Spik duftlos|duftlos
13./9. 1916 843—48 27 30 0 1 0 11
Sm 83055 14 8 1 0 0 1
TE US Be EUR TER RTE 0 ur LC 8
5 „ 9285-30 10 11 0 0 0 oR
Summa | 93 | 51° | 1 | 2 20 "1" 12
Die auf Mirbanöl dressierten Bienen besuchten also auch ein
mit echtem oder mit künstlichem Bittermandelöl beschicktes Kästchen
sehr reichlich. Es wurde das Mirbanölkästchen durchschnittlich
1,76mal so stark besucht wie das Kästchen mit echtem Bitter-
mandelöl, 1,82mal so stark wie jenes mit künstlichem Bittermandelöl,
hingegen 23mal so stark wie ein anders duftendes oder duftloses
Kästchen.
Somit ist nichtnurfüruns Menschen, sondern auch
für dieBienen der Duft des Mirbanöles dem desBitter-
mandelöles ähnlich, trotz der Verschiedenheiten in
derchemischen Zusammensetzung dieser beiden Riech-
stoffe.
Ich will nicht verhehlen, daB eine Wiederholung dieser Versuche im
folgenden Jahre ein wesentlich anderes Ergebnis hatte. Ich wollte sehen,
ob die Bienen diese beiden Riechstoffe vielleicht besser unterscheiden
lernten, wenn sie in den geruchlosen Steingutkästchen statt in Karton-
kästchen dargeboten würden, und dressierte deshalb 1917 nochmals auf
Mirbanöl. Dieses nahm ich aus dem gleichen Fläschehen wie im Vor-
jahre, ebenso das echte Bittermandelöl. Tatsächlich fanden nun die Bienen
das Mirbanöl mit großer Sicherheit heraus und beachteten das Bitter-
mandelöl sehr wenig. Die Ursache lag aber nicht in den Steingutkästchen,
denn das Gleiche geschah, als ich nun die Versuche mit Kartonkästchen
wiederholte. Zwar wurde das mit dem Bittermandelöl beschickte Kästchen
auch jetzt durchschnittlich etwas stärker besucht als die zum Vergleiche
aufgestellten mit anderen ätherischen Olen (Fenchel süß und bitter,
Wacholderbeeren, Pomeranzen spanisch) versehenen Kästchen, aber es
verhielt sich die aus allen 10 Versuchen berechnete durchschnittliche
Frequenz des Bittermandelölkästchens zu der des Mirbanölkästchens wie
1:22, gegenüber 1:1,76 im Vorjahre.
Meine None daß mit den Riechstoffen seit dem Vorjahre eine
chemische Veränderung vor sich gegangen sei, wurde durch die im Herbst
1917 im Wiener pharmakologischen Institut durchgeführte Untersuchung
174 Karu v. Frisch,
bestätigt. Herr Hofrat H. H. Meyer, dem ich auch an dieser Stelle für
seine Bemühung herzlich danken möchte, teilte mir mit, daß das Nitro-
benzol (Mirbanöl) unverändert normal sei, während das Bittermandelöl jetzt
etwas Benzoesäure enthalte, was bei der ersten Untersuchung nicht der
Fall war. Das Fläschchen mit dem Bittermandelöl war bei den vorjährigen
Versuchen zur Hälfte geleert worden, und in dem halb mit Luft gefüllten
Fläschchen war der Benzaldehyd teilweise zu Benzoesäure oxydiert worden.
Nach einer brieflichen Mitteilung der Firma SCHIMMEL & Co. ist es
wahrscheinlich, daß auch die Blausäure eine teilweise Zersetzung erlitten
hat. Man darf wohl ruhig das veränderte Verhalten der Bienen auf diese
chemischen Veränderungen zurückführen.
Ob und in welchem Maße auch für das menschliche Geruchsorgan der
Duft des Bittermandelöles gegen früher verändert nee konnte ich aus
dem Gedächtnis nicht mehr feststellen.
b) Anthranilsäuremethyle ster und Nerolin II.)
(Orthoamidobenzoesäuremethylester) (ß-Naphtholmethyläther)
C,H,(NH,)CO-OCH, C,H, -OCH,
OE C—H C—H
H—C a NOUR ava H-C7 NA N ‚0—OCH,
N
Be C= Ne | C
C-COOCH, CHCH
Der Geruch des Anthranilsäuremethylesters erinnert an den
Duft von Orangenbliiten; dieser Ester bildet ja auch einen wesent-
lichen Bestandteil des Orangenblütenöles und ist außerdem in. vielen
anderen ätherischen Ölen nachgewiesen. Sehr ähnlich duftet Ne-
rolin II („altes Produkt“), dessen Vorkommen aus der Natur nicht
bekannt ist.
Ich stellte in zwei Reihen Höre winder 7 Steingutkästchen auf
(vgl. Fig. H, S. 27) und dressierte in der gewohnten Weise auf
-Anthranilsäuremethylester. Bei den Versuchen wurden je
7 reine Steingutkästchen aufgestellt, von denen eines mit dem Dressur-
duft, eines mit Nerolin, die 5 übrigen mit anderen Riechstoffen be-
1) Ich erhielt diese sowie alle weiteren in diesem Kapitel besprochenen
Riechstoffpaare von SCHIMMEL & Co. in Miltitz bei Leipzig, wofür ich
dieser Firma auch hier meinen besten Dank ausspreche.
Über den Geruchsinn der Bienen. 175
schickt waren. Da für die Beurteilung der Resultate ein Einblick
in die Verteilung der Besuche anf die einzelnen Minuten nicht un-
wesentlich ist, bringe ich die Tabellen unverkürzt. Die jeweilige
Anordnung der Kästchen ist aus den beigefügten Buchstaben, die
sich auf die entsprechenden Buchstaben der Fig. H (S. 27) be-
ziehen, ersichtlich. |
Beginn der Dressur auf Anthranilsäuremethylester am 7./8. 1917, 34°.
Tabelle 176.
C a e b h g d
= | un =
= =) = x , © = Sa =
Beobachtungszeit = > $ = = er. E= 3.2 =
SEE |: | 8 | S238 |28|83|$
< = Ay
8./8. 1917 840-45 19 3 0 0 0 3 1
25 5 1 0 0 3 0
25 8 0 0 0 0 0
23 0 0 0 0 0 1
11 5 0 0 0 0 >
Summa | 103 | 21 | 1 | 0 | 0 | 6 | 4
Tabelle 177.
e f b € d a g
= 5 = = © ! eS = 2 =
Beobachtungszeit EEE = N a A ed ae =
SEX | à Ras sıerlss5| <
Pe cig | aie a icons RES ES
iur FA À, eG
8/8. 1917. 857—902. . |. 25 0 0 0 0 5 0
24 6 0 0 0 0 à
30 3 0 0 0 1 0
15 2 2 0 0 0 0
15 6 0 0 0 2 1
Summa | 109 | 17 2 | 0 0 | 8 | 3
Karu v. FRISCH.
Tabelle 178.
x2 [OVUAGIIA
©
yostueds
WaZUBIIWOg
PILE
uvıolew
pÄqyape
-199%
-[Äuayg
j0144swoag
UITOI9N
49S9r{qqou
-IINRBS
-narayyuy
Beobachtungszeit
ONOOOIN
O mO m1 -
ee)
Sa
oOOOsıoO
29
36
22
11
11
22
33
29
25
24
8./8. 1917 935—40
Tabelle 179.
op
#2
c
e
jovusqiaA
yasıueds
U9ZUBIIUO4
PIE
ueıoley
pfyapre
-1]199%
-[Kuoyq
1024}SW014
UI[OI9N
19489] kypuı
-AALNES
-JIugigyuy
Beobachtungszeit
© © © © ©
mie
SOOOO
OO NO
OD Om
+
8/8: 1910, 510%
waren während dieses
Es
NB.
Gründen sehr wenig Bienen anwesend. Bald nachher flogen sie wieder
reichlich.
mir unbekannten.
Versuches aus
Tabelle 180.
= [9ruaqıaA
ep JStueds
. U9ZUVIAWOY
ee PTA
ueıolew
pAqapye
2 -]99%
-[Äuayg
8 [0143SW01g
oH UITOIIN
19}Sa[ {your
© -B.IUVBS
-Tragıyyjuy
Beobachtungszeit
wt SMe
ONNAO
© M © D 4
OA 1
M NI NI I
8.18. 1917 105—10
Über den Geruchsinn der Bienen. 177
Tabelle 181.
c a g e f b d
ER TS Se =
= y ~ u "TT = :
Beobachtungszeit a2 > = 2 re = 2 | à
==, S = D 9 © DE vs Ss
=| © = A ST es = 2s =
= Ro Z = Be = =| = ©
D fe} © >
«35 F4
8.8. 1917 130—35 49 5 2 0 0 0 1
53 31 2 0 0 t 0
47 30 3 1 0 1 3
34 28 1 i 2 3 8
31 26 2 1 2 2 1
Summa | 214 | 120 | 10 | 3 | 4 | 7 | 13
Zu Tabelle 180 und 181 ist zu bemerken, daß um die Mittagsstunden
die Zahl der zum Versuchsplatze kommenden Bienen bedeutend zunahm.
Das Gleiche geschah am nächsten Tage um die Mittagszeit (Tabelle 184).
Der relativ starke Besuch des Verbenaöles und anderer vom Dressurduft
abweichender Gerüche dürfte daher durch eine Anzahl von mangelhaft
dressierten Neulingen bedingt sein. Die schubweise Frequenz (vgl. Käst-
chen g, Tabelle 184, Kästchen d in Tabelle 180 u. 181) spricht schon
gegen eine durch den Duft bewirkte Anlockung und deutet auf Zufalls-
besuche hin. |
Bei den bisher mitgeteilten Versuchen roch (für mich) das Nerolin-
kästehen deutlich intensiver als das mit Anthranilsäuremethylester be-
schickte Kästchen. Bei den folgenden Versuchen nahm ich weniger Nerolin,
so daß das betreffende Kästchen für mich schwächer duftete als das mit
Anthranilsäuremethylester beschickte Kästchen.
Tabelle 182.
g d a e e b
= E É =
ı = - po Er "ay
Beobachtungszeit 292 = > mi à s | 8% =
= = © 7 A 2 =| © = e
| Sal 5 VE | aes | à | Se] 3
ses |A |£S [as] 5 le" | s
= = ise) fa} M
9./8. 1917 905—10 35 5 1 0 0 1 0
26 0 0 0 1 0 0
28 7 0 0 Bee iO 0
26 4 0 0 0 0 0
17 5 0° 1 1 1 0
Summa | 132 | 21 | 1 | 1 u 2 0
+ Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 12
2%
178 - Kary v. Frisch,
Tabelle 183.
}
|
|
|
=
us}
lar)
| b a e c
| Zei | = |) 2
Beobachtungszeit 5 23 = = er 2 a F =
Sas | © | 3 | 288 | & | Se] 3
Bee | = | 2 le | flee
UE FA FA 172)
9./8. 1917 925—30 20 19 0 0 1 3 0
: 25 18 0 1 1 4 ‘
25 19 if 0 1 ee | 0
26 10 0 0 1 1 U
22 14 0 0 1 3 0
Simma, | 118 “80 | 1.7 1 Fo 1.
Tabelle 184.
Cc | a | 2 b d g
a al
r= S 3 =
a =| ~ 0 oO as = ‘©
Beobachtungszeit = oo = > | Ss» | Su ae 3
Pt © un A vd om a ©
SEX | 5 | = | 323 135 |38| 4
ss | Allee |S (ee
= " | 2 a
-9./8. 1917 145—50 39 | | 12 0 3 0 0 3
42 127.650 0 1 2 0
55 8 0 F 0 0 2
60 18 0 0 1 0 0
27 11 2 1 0 0 11
Summa | 225° ] 62: .[ 22°. | 5 1. 2: Foro
Für mich duftete ein Steingutkästchen, das mit Anthranilsäure-
methylester, und eines, das mit Nerolin beschickt war, so ähnlich,
daß ich die beiden in unwissentlichen Versuchen nicht mit Sicher-
heit zu unterscheiden vermochte. Die Bienen haben.in allen
9 Versuchen das mit dem Dressurduft versehene Käst-
chen stärker frequentiert als das Nerolinkästchen.
Jedoch besteht auch für sieeine Ähnlichkeit zwischen
beiden Düften, wie ein Blick auf die Tabellen lehrt. Das
Kästchen mit Anthranilsäuremethylester wurde durchschnittlich
2,36mal so stark besucht wie das Nerolinkästchen, hingegen 34,2mal
so stark wie die übrigen Kästchen.
Über den Geruchsinn der Bienen | 179
c) Amylacetat und Methylheptenon
. (CH; —COO0—C;H;;) (0,H, ,O)
CH, -C00-CH,-CH,-CHX | © DC=CH-CH, -CH,-CO_CH,
| CH CH,
Beide Stoffe duften nach menschlichen Begriffen sehr ähnlich.
Sie haben einen intensiven Fruchtgeruch.
Ich dressierte auf Amylacetat. Es waren 7 Steingut-
kästchen aufgestellt wie bei der vorigen Versuchsreihe. Nachdem
ich mich überzeugt hatte, daß die Bienen gut dressiert waren (vgl.
Tabelle 185), wurde eine Reihe von Versuchen durchgeführt, bei
welchen ihnen ein Kästchen mit dem Dressurduft und eines mit
Methylheptenon dargeboten wurde; von den übrigen Kästchen war
eines duftlos, 4 waren mit abweichenden Düften versehen (vgl.
Tabelle 186—191). Beginn der Dressur 31./7. 1917 10°°.
Tabelle 185.
= Zur
un ge else hd : NER
nnd Amyl- | duft- | auft- | duft-| duft- | duft- | dutt-
acetat los los los los los | los
31./7. 1917 40005 27. 0 0 0 0 0 0
| 31 0 OF FENG 0 0 0
30. 0 0 0 0 0 0
35 0 0 0 0 0 0
| 33° 0 Le 0 0 0 0
Sano Or ty lak Ron: 007,0
Tabelle 186.
a c d b & f e
—_ a ca =
= = 1 = = t NZ = NS = un
Beobachtungszeit S Er 3 52 = = 32 &:
= re hese SS | 3
NES NE | Gee | 2 | ee | 3
< zu fe [A
31./7. 1917 425-350 TA DOME 08 ER 0 ol wo
25 2 Jeg 0) 0 0 f
14 +. à 0 0 0 0 0
25 i 0 0 0 0 0
31 3 0 0 0 0 0
Summa.
= 5 ua ES | = À Dar
= Oo © = ms a > De =
D De Pons |B).
= FA m | a
8.1917 91015 23 | 3 0 0 0 0 | 0
21 1 0 0 0 0 0
26 0 0 0 0 0 1
22 0 1 0 0 0 0
27 0 1 0 END 0
Summa. 1,119 122: 173202] 0 TAN CAC a
Tabelle,191.
g e C b ? d a
Beobachtungszeit Es >= = os a ro Se a
= Sele | 232) 8 [32] &
ce D 2 = = Sa =
epee a) es oe) | ee |.
= co By m
3./8. 1917 925—30 22 3 0 0 0 0 0
26 Le al! 0 0 2° 0
24 0 0 0 0 0 10
22 0 0 0 0 0 0
17 0 0 0 0 0 6
DiMA erp he sat 12,10 770 ee | 16
Die Bienen haben also das Amylacetat in allen
Versuchen herausgefunden und mit dem Methyl-
heptenon nicht verwechselt. Immerhin scheinen fiir sie diese
beiden Düfte eine gewisse Ähnlichkeit zu haben. Wenigstens
wurde in den Versuchen vom 31./7. und 1./8. (also nach !/,—1tägiger
Dressur) das Methylheptenonkästchen meist etwas stärker besucht
als die übrigen, nicht amylacetatartig duftenden Kästchen; auch
war bei den Bienen, die sich dem Flugloche des Methylheptenon-
kästchens näherten, ein gewisses Zögern und Verweilen zu erkennen,
während sie von anders duftenden Kästchen nach kurzem „Hinein-
riechen“ rasch abzustreichen pfiegten. Bei den Versuchen am 3./8.
182 Karu v. Frisch, .
war keinerlei Bevorzugung des Methylheptenons mehr bemerkbar,
vielleicht weil die Tiere inzwischen durch die länger währende
Dressur den Duft des Amylacetats noch besser erfaßt hatten.
Ich dachte, daß eine etwa für die Bienen bestehende Ähnlichkeit der
beiden Düfte vielleicht besser zum Ausdrucke käme, wenn man bei den Ver-
suchen kein Amylacetat darbieten würde. Man könnte erwarten, daß die
Bienen mit einem ähnlichen Duft eher vorlieb nehmen würden, wenn sie
vergeblich nach dem Dressurduft suchten. Ein Experiment am 1./8.
(Tabelle 192) ergab aber, obwohl zahlreiche Bienen anwesend waren,
keine wesentlich stärkere Frequenz des Methylheptenonkästchens als die
übrigen nach !/,—1tägiger Dressur unternommenen Versuche.
Tabelle 192.
f c a Ts late d e g
Beobachtungszeit CE =: bou die ee
“boss | 2 | S82 ES Ré
a8 | 3 |S35 | 3 |s2| = | =
FA = | a
1/8. 1917 1020-25 | 3 0 0 “To lo |
0 1 1 0 0 0 0
4 1 0 0 0 0 1
(oe 0 1 D. 1.00) Soe
1 0 3 0 0 0 0
Summa | I 1271 5 10707 Gera
Ich selbst und eine andere Versuchsperson Konnten in oftmals
wiederholten, unwissentlichen Versuchen das Amylacetat (in Stein-
gutkästchen exponiert) stets mit Sicherheit erkennen und vom
Methylheptenon unterscheiden. Doch schienen mir diese Düfte unter-
einander mehr Ähnlichkeit zu haben als Mirbanöl und Bittermandelöl,
oder als Pomeranzenschalen-, Bergamott- und Cedratél, und doch
waren die letzteren Düfte von den Bienen hochgradig miteinander
verwechselt worden (vgl. S. 169 ff. und S. 43ff.), während sie das
Amylacetat vom Methylheptenon mit großer Sicherheit unterschieden.
Sie besuchten durchschnittlich das Amylacetatkästchen 29,3mal so
stark wie das Methylheptenonkästchen, 108mal so stark wie die
übrigen Kästchen.
Uber den Geruchsinn der Bienen. 183
d) w-Bromstyrol und Phenylacetaldehyd')
C,H,—CH-—-CHBr C,H.—CH, —CHO
ie eg
Ho” \cH 07 CoH
M clés Hal x
RATE Re
C—CH—CHEr eC = 0 » | ms > = 2s = 5 = as
7 a = EN = 27 ==
= set B © à a |=-|34
© | & ‘es = Ze u = =
im > u | © ©
en - < ja} ru
18./8. 1917 138-43 65 1 0 2 0 0 0
. 1 A 0 0 0 0 1
61 1 0 0 0 0 0
oo 2 0 2 0 0 0
38 1 0 0 0 1 1
Summa | 275 | 6 Bee + ADS a aS E
1) In Benzylalkohol.
184 Karu v. Friscu,
*
Tabelle 194.
a een ae f b 5 g c d
= = ' = 5 =~
Beobachtungszeit = mas © Be = pe = ©
: 18513 | 28 | 2 | san
= aes = 8 a | SF] SS.
= Ay & = 2 2 = = one
as < pe) =
18./8. 1917 151—56 42 nun [els 1 | 0 0 0 2 0
47 1 0 0 0 0 0
47 il () 1 0 0 0
23 0 0 4 2 0 0
35 1 0 4 0 = 0
Summa | 194 | 4 atk (eR 9 | 2 aes
m abelle 19.
f b d g c Mewes es e
ri +> = =
Beobacht Else) 2 | Es |S oo
eobachtungszeit = 5 34 S Se = oe :
= Act = oS o | SF] Ee
= Boe = a es = © 4
En = pA ow
18./8. 1917 ca. 220—25 27 0 0 0 0 I 0
26 2 0 0 0 0 1
26 1 0 0 1 1 0
23 3 0 0 1 3 0
25 1 0 0 1 0 0
Summa Summa [127 | 017 ‘| 0} -0 | 2. Foo 127 | fl | 0 | 0 | 13 | 5 1
Beim letzten Versuch hatte ich das Phenylacetaldehydkästchen mit
besonders viel, das Bromstyrolkästchen mit wenig Riechstoff beschickt.
Trotz der relativ kurzen Dressurdauer unterschieden also
die Bienen dasBromstyrol vom Phenylacetaldehyd mit
großer Sicherheit. Durchschnittlich besuchten sie das Brom-
styrolkästchen 35,3mal so stark wie das Kästchen mit Phenyl-
acetaldehyd und 93,6mal so stark wie die anderen Kästchen.
Für mich sind die beiden Düfte zwar ähnlich, aber nicht schwer
zu unterscheiden.
Über den Geruchsinn der Bienen. 185
e) Isobutylbenzoat und Salicylsäureamylester
CH —COU CEE €,4,(OH)—C00—C:H,,
i a
Hof No Hof :
|
Le | )
He er = oS con
N, „CH, „CB,
C-C00-CH,-CHX à a CH,-CH,-CHX
CH, ‘CH,
Diese Substanzen haben einen aromatischen Geruch, der an
Blumen, die von Bienen beflogen werden, meines Wissens nicht vor-
kommt.!) Vielleicht ist es hierauf zurückzuführen, daß die Dressur
auf Isobutylbenzoat nur in unvollkommener Weise gelungen
ist. Wir werden diese Frage im nächsten Kapitel zu behandeln
haben.
Obwohl alle mit abweichenden Düften versehenen Kästchen
andauernd relativ stark besucht wurden, kann doch ein gewisser
Dressurerfolg nicht in Abrede gestellt werden, denn mit einer
einzigen Ausnahme hat in den 21 Versuchen das Isobutylbenzoat
jedesmal den stärksten Besuch zu verzeichnen. Die durchschnittliche
Frequenz dieses Kästchens war 11mal so stark wie die durchschnitt-
liche Frequenz der anderen Kästchen. Der Unterschied ist groß genug,
um beurteilen zu können, ob der Dressurduft mit dem Duft des
Salicylsäureamylesters verwechselt wird.
Es waren wieder 7 Steingutkästchen aufgestellt. Beim ersten Versuch
(Tabelle 196) wurde neben den mit Riechstoffen beschickten Kästchen
auch ein duftloses dargeboten, welches fast eben so stark besücht wurde
wie das Dressurduftkästchen. Die Bienen waren allerdings erst seit
2 Stunden auf Isobutylbenzoat dressiert worden, und in Anbetracht der
Schwierigkeit, welche ihnen das Erfassen dieses Duftes zu bereiten scheint,
war diese Frist vielleicht etwas kurz. Um so bemerkenswerter ist es, daß
sie schon bei diesem und bei dem folgenden, kurz darauf unternommenen
1) Es ist auch bisher weder Salicylsäureamylester (vgl. GILDEMEISTER
u. HOFFMANN (40), Vol. 1, p. 528) noch Isobutylbenzoat (schriftliche
Mitteilung von SCHIMMEL & Co.) in ätherischen Olen aufgefunden worden.
Nach GILDEMEISTER u. HOFFMANN (1. c.) soll der Geruch des Salicyl-
' säureamylesters an den Duft mancher Orchideen erinnern.
186 : Karu v. Frisch,
Versuch (Tabelle 197) das Kästchen mit dem Salicylsäureamylester trotz
der großen Ahnlichkeit dieses Duftes mit dem Dressurduft, nicht mehr
beachteten als manche andere, mit völlig abweichenden Düften versehene
Kästchen.
Tabelle 196.
+ nd
d g a c e b f
= + ' D> 2 ı = = tS =
Beobachtungszeit ES Fée > [Bel Ss = 2
25 [252 | 2 [22|2|23 |=
© = =
Se |A 8) & |a2 1S Jene
4/8. 1917 110—15 28 5 0 6 | 3 5 25
40 11 0 3 0 10 33
31 12 0 1 0 5 21
24 1 0 1 0 6 31
26 1 0 0. 0 4 16
Summa..|-.. 149° 7 780,710 OT 717. SO
Ta RE NN N ee EET a elle 197.
g d = f c e a
ni ' © 2 1 8 a 6 ¥ =
Beobachtungszeit ms Boe 2 > 1523|: = 8
23 | 222 | 2 [S21$) 2 [ee
© © S = a ~ az
22 oh = PU ON CAES Le le = = =
4.8. 1917 1355 EE 8 0 1 0 3 0
29 2 0 4 0 3 0
25 3 0 7 0 4 0
35 7 0 +9 0 7 0
39 7 0 a 0 12 1
Summa'.] 147. | 27.0] .0 | 26 | 0 [ 23
Das Methylheptenon ersetzte ich bei den weiteren Versuchen durch
einen anderen Riechstoff, weil die Bienen erst kürzlich auf das (fiir uns)
ähnlich duftende Amylacetat dressiert worden waren.
Die Ergebnisse der folgenden 19 Versuche habe ich summarisch in
2 Ubersichtstabellen (Tabelle 198 u. 199) zusammengestellt, um mit Riick-
sicht auf die relativ.starke Frequenz aller Kästchen den Überblick über
die Resultate zu erleichtern.
Uber den Geruchsinn der Bienen. 187
Tabelle 198.
1 = = + = a
Beobachtungszeit 2 à = aS = mo DE 55 8
| n= ans 2 sels aS 2
| pl | od aa) | os à | r
5./8. 1917 225—30 224 | 18 1 2 1 7 1
& en 169 32 1 1 11 19 18
i „ 30510 58 9 13 1 foe rob 10.
2 . 403—08 73 ST 12 5 Cet CRT 6
5 420-% ai. 28 10 3 2 14 | 34
6./8. 1917 1053—58 73 16 1 0 3 1 11
ED 91 11 1 2 12 FE I
+ » 120-25 92 6 5 2 0 2 21
Be 5 = 4 14 Er | 7 21
Summa | [oa 26 01020 7.2310 |: 123
Hierzu ist noch zu bemerken, daß bei den 5 Versuchen. am 5./8. das
Isobutylbenzoatkästchen für mich etwas intensiver duftete als das Salicyl-
säureamylesterkästchen. Am 6./8. nahm ich bei allen Versuchen mehr
Salicylsäureamylester, so daß das betreffende Kästchen für mich ebenso
stark oder stärker duftete als das Dr essurduftkästchen ; es wurde auch
unter diesen Umständen nicht stärker besucht.
Vom 7./8. an dressierte ich auf einen anderen Duft
(Anthranilsäuremethylester), wiederholte aber im Laufe der folgenden 6 Tage
die eben beschriebenen Versuche noch oftmals, weil ich dachte, daß die
Bienen die beiden Düfte vielleicht eher verwechseln
würden, wenn sie den Dressurduft nicht mehr so genau im
Gedächtnis hätten. Wenn für sie die beiden Düfte etwa doch ähn-
lich waren, hätte dies eventuell bei solchen „Gedächtnisversuchen“ zum
Ausdrucke kommen können. Die Resultate sind summarisch in Tabelle 199
zusammengestellt. Ein am 16./8. (9 Tage nach Abschluß der Dressur auf
Isobutylbenzoat) durchgeführter Versuch ist in die Tabelle nicht mehr auf-
genommen, da nun das Isobutylbenzoat vor den übrigen Düften nicht
mehr bevorzugt wurde.
188 Karu v. Frisch,
Tabelle 199.
. = = = 5 =
Beobachtungszeit 3 = = SE : = = SE 5 à 2
| N ae So = PS = fas} | = 2 un =
8/8. 1917 (1 Tag nach |
Ende d. Dressur) 215—20 209 19 0 0 2 1 3
À 235—40 |. 139 | 22 | 6 5 0 1 11
, 25-30 | 143. 56 5 1 | 12 NO
9.8. 1917 (2 Tage nach ns]
Ended. Dressur) 1002—07 126 4. 6 3 2 3 9
NUS a 1020—25 7-66 MTS 21.04.58 TO
E 10005 | 109 © 1574230752 11 | a
Op Nr 66 5 8,1 2:1. 98 (ee
10./8. 1917 (3 Tage nach EN :
Ended. Dressur) 520—25 22 0 0 0 0 0° 1
à 535—40 8 0 0 0 1 ee
13./8. 1917 (6 Tage nach ;
Ended. Dressur) 905—10 40 9 3 2 0 1 0
Summa | 9238 | 147 | 55 | 15 | 46 | 32 | 88
Ein wesentlich anderes Resultat war demnach auch
auf diese Weise nicht zu erzielen.
Ob fiir die Bienen der Duft des Salicylsiureamylesters mit dem
Dressurduft (Isobutylbenzoat) eine gewisse Ahnlichkeit hat, ist auf
Grund dieser Versuche nicht sicher zu sagen. Zwar wurde der
Salicylsäureamylester durchschnittlich etwas stärker besucht als alle
anderen, vom Dressurduft abweichenden Düfte, aber der Unterschied
ist so gering, daB er auch auf Zufälligkeiten beruhen könnte. Es
wurde das Kästchen mit dem Dressurduft durchschnittlich 6,5mal
so stark besucht wie das Kästchen mit Salicylsäureamylester, 12,8mal
so stark wie die übrigen Kästchen.
Von einer Verwechslung der beiden Düfte kann
keine Rede sein, die Bienen unterscheiden vielmehr den Salieyl-
säureamylester vom Isobutylbenzoat fast ebenso sicher wie das ganz
anders duftende Pomeranzenschalen- oder Verbenaöl. Bei keinem
Versuch wurde das Kästchen mit Salicylsäureamylester angenähert
so stark besucht wie das Kästchen mit Isobutylbenzoat.
Hingegen war ich in unwissentlichen Versuchen
nicht imstande, ein mit Salicylsäureamylester ver-
sehenes Kästchen von einem mit Isobutylbenzoat be-
Über den Geruchsinn der Bienen. 189
schickten geruchlich zu unterscheiden. Ebensowenig
vermochten es drei andere Versuchspersonen.
f) Para-Kresolmethyläther und Meta-Kresolmethyläther
C,H,(CH,)OCH,
CC | C—CH,
rear @ à C.F Hof ga 2:
Be
H—C! CH H—C! C—OCH
INT N ;
COCHE, CE
Bisher hatten wir es mit Riechstoffen zu tun, die paarweise
ähnlich oder gleich dufteten trotz chemischer Verschiedenheit. Nun
haben wir zwei Körper zu besprechen, die sich nicht durch ihre che-
mische Zusammensetzung, sondern lediglich durch eine ver-
schiedene Anordnung der Atomgruppen in den Mole-
külen voneinander unterscheiden. Diese verschiedene
Gruppierung der Atome bedingt für uns Menschen einen nicht sehr
großen, aber doch deutlichen Unterschied in der Qualität des Duftes.
Es ist von Interesse, ob für die Bienen das gleiche gilt.
Ich stellte 7 Steingutkästchen auf und dressierte, in der
üblichen Weise, auf Parakresolmethyläther.
Das Kästchen, welches mit Parakresolmethyläther versehen war, duftete
für mich in allen Versuchen angenähert gleich intensiv wie jenes mit Meta-
kresolmethyläther. Der erste Versuch wurde nach 4stündiger Dressur an-
gestellt.
Tabelle rer ne
a c g d î
= S | — |+ =
= = = = = 5 T5 a
Beebachtungszeit 2e: 338 & = Bl ae len
SE [Sie | 4 || 5 | 22 |
LE ze | Se) 2 leo |S
10./8. 1917 350—85 ce 6 0 0 0 0 0
3 0 0 0 1 1
2 0 0 0 0 0
= 2 0 0 0 0 0
0 A Eee 0 | 0 70 4 0% 0 0 0
Summa | FR Pak CO" EE 0: | - 1 Scham EU | Oo | 0 | 1 | 1:
190
Kari v. Frisch,
Tabelle 201.
= PIIM
uesolew
x 197779
| aqoua,y
20 [OYyowesıag
e _—~PAYapye
-yoov [ATO 4
x [o149swoIg
Jayye[Aqjou
ce -[0S91X
-219W
aoyyepiuyou
© "[0S91Y
“BIBT
Beobachtungszeit
© © © © ©
10.8. 1917 415—20
Summa
Tabelle 202.
PIIM
% wer0 lex
IOnNO ao I
19441
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Beobachtungszeit
10/8. 1917 433—38
Tabelle 203.
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Beobachtungszeit
Summa
1) Dieser Besuch war sichtlich durch eine im Flugloche sitzende
Biene veranlaßt.
Über den Geruchsinn der Bienen. 191
Tabelle 204.
f e b a Cc o d
a Le | =
. Li = 1 = = 2. = =, =
Beobachtungszeit soe | 2353 ee er lents
se | ese] 2 [es | = | 2] Se
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11./8. 1917 93540 23 0 0 0 0 | 0 0
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Tabelle 205.
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Aus den Versuchen geht hervor, daß der Duft des Parakresol-
methyläthers so wie für uns. auch für die Bienen mit dem Duft
des Metakresolmethyläthers eine gewisse Ähnlichkeit hat. Denn das
Kästchen mit Metakresolmethyläther wurde nächst dem Dressurduft-
kästchen weitaus am stärksten besucht. Aber so wie für uns be-
wirkt auch für die Bienen der Unterschied zwisehen
Para- und Meta-Stellung eine Verschiedenheit des
Geruchs. Denn das Kästchen mit dem Dressurduft (Parakresol-
methyläther) wurde durchschnittlich 7,2mal so stark besucht wie das
Kästchen mit Metakresolmethyläther (86,9mal so stark wie die.
anderen Kästchen). Es ist bemerkenswert, daß die Bienen die beiden
192 K. v. Frisch,
Düfte gegen Ende der Versuchsreihe, also nach längerer Dressur-
dauer, besser unterschieden haben als zu Beginn.
Ich konnte die beiden Düfte in unwissentlichen Versuchen mit
Sicherheit erkennen und voneinander unterscheiden.
Ein Überblick über sämtliche Versuchsreihen lehrt uns:
1. So wie für uns können auch für die Bienen Riech-
stoffpaare trotz gänzlich verschiedener chemischer
Zusammensetzung sehr ähnlich duften; vermutlich ist in
beiden Fällen die Ähnlichkeit des Geruchs durch übereinstimmende
innermolekulare Bindungsart der Atomgruppen bedingt (Mirbanöl
und Bittermandelöl, Anthranilsäuremethylester und Nerolin).
2. So wie für uns können auch für die Biene Zwei
Stoffe von gleicher chemischer Zusammensetzung ver-
schieden duften. Die Verschiedenheit des Geruchs kann nur
auf die verschiedene innermolekulare Bindungsart der Atomgruppen
zurückgeführt werden (Parakresolmethyläther und Metakresolmethyl-
äther).
3. Bei allen untersuchten Riechstoffpaaren, die
für uns trotz ihrer verschiedenen Konstitution ähnlich
duften, scheint auch für die Biene eine gewisse Ähn-
lichkeit des Geruchs zu bestehen. Denn in allen Fällen
wurde nächst dem Dressurduft der entsprechende „Verwechslungs-
duft“ durchschnittlich am stärksten beflogen. Es deutet dies
darauf hin, daß die physiologischen Grundlagen des
Geruchsinnes beim Menschen und bei der Biene mehr
Gemeinsames haben, als man bei derart verschieden
organisierten Sinnesorganen annehmen Sollte.
Doch lassen sich in dieser Beziehung auch wesent-
liche Differenzen zwischen Mensch und Biene fest-
stellen. Manche Riechstoffe, die für unser Geruchs-
organ zwar ähnlich, aber doch leicht voneinander zu
unterscheiden waren, wurden von den Bienen in hohem
Maße miteinander verwechselt (Mirbanöl und Bittermandelöl),
andere hingegen, die für menschliche Geruchsorgane
nicht voneinander unterscheidbar waren, wurden von
den Bienen mit großer Sicherheit unterschieden (Iso-
butylbenzoat und Salicylsiureamylester). Solche Erfahrungen
müssen davor warnen, die Physiologie des Geruch-
sinnes der Biene für allzu menschenähnlich zu halten.
Über den Geruchsinn der Bienen. 193
XI. Dressur auf Lysol, Schwefelkohlenstoff,
Skatol und Patchouliöl.
Ein Beitrag zur Psychologie der Biene.
Zu den bisher besprochenen Dressurversuchen dienten fast aus-
schließlich Blumendüfte oder doch Substanzen, deren Geruch den
Blumendüften nahesteht. Wie aber verhalten sich die Bienen, wenn
man ihnen zumutet, Gerüche, die mit Blumendüften keine Ähnlich-
keit haben oder die sogar erfahrungsgemäß eine abstoßende
Wirkung auf sie ausüben, als Wegweiser beim Aufsuchen des
Zuckerwassers zu benützen?
Eine Substanz, die von Imkern angewendet wird, wenn sie den
Bienen einen Platz verleiden wollen, ist das Lysol.!) Ich versuchte
nun, auf Lysol zu dressieren, indem ich nebeneinander 4 Karton-
kästchen aufstellte und in einem derselben, welches mit einigen
Tropfen Lysol versehen wurde, in der gewohnten Weise mit Zucker-
wasser fütterte.
Die Bienen ließen deutlich erkennen, daß ihnen der Duft widerlich
war. Während bei der Dressur auf einen Blumenduft alle vom
Stocke her anfliegenden Tiere in das Futterkästchen eilten, so rasch,
als sie es nur auffinden konnten, so daß sich in diesem andauernd
etwa 20—30 Bienen um das Futterglas drängten und zum Näpfchen
zu gelangen suchten, hielten sich nun stets nur wenige Bienen im
Inneren des Kästchens auf, zahlreiche belagerten seine Außenwände
oder schwärmten in seiner Umgebung umher, viele besuchten auch
die danebenstehenden leeren Kästchen und trieben sich in diesen
_ herum. Bei näherem Zusehen wurde man bald gewahr, wie dies
ungewohnte Bild zustande kam. Die Tiere hielten es nicht lange
im Inneren des Lysolkästchens aus. Bevor sie noch vollgesogen waren,
kamen sie wieder heraus und krochen entweder an der Außenseite
des Kästchens herum, um alsbald sitzen zu bleiben und ihren Körper
ausdauernd zu putzen, oder sie flogen ab und schwärmten, wie um
sich auszulüften, in Kreistouren und Zickzackfligen um den Dressur-
platz. Dann schlüpften sie von Neuem in das Futterkästchen und setzten
1) Lysol ist ein Gemenge von Kresolen (hauptsächlich p-Kresol und
m-Kresol), welches zwecks besserer Wasserlöslichkeit mit gleichen Teilen
Seife versetzt ist.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. i
194 Karu v. Frisch,
ihr Saugwerk fort. Sehr oft sah man auch, wie Tiere, die sichtlich in
das Kästchen wollten, am Flugloche zögerten, wiederholt den Kopf
beim Loche hineinsteckten und dann wieder abflogen, um nach
einiger Zeit wiederzukehren und schließlich zögernd und mit „Über-
windung“ hineinzuschlüpfen.
In der Tabelle 206 sind die Resultate der ersten 4 Zählversuche
(nach 4stündiger bis ltägiger Dressur unternommen) summarisch
zusammengestellt. Die jeweilige Anordnung der Kästchen ist aus
der Tabelle nicht ersichtlich; es genügt der Hinweis, daß das Lysol-
kästchen jedesmal an Stelle eines ‚beliebigen Kästchens kam, in
welchem zuletzt nicht gefüttert worden war.
Tabelle 206.
Beobachtungszeit | Lysol | duftlos duftlos | duftlos
7./8. 1914 215—20 48 | 22 38 1
à 315—20 DRE 13 14 24
N 325—30 35 5 ae 9
8./8. 1914 1025-30 0 63 40 38 32
Das Lysolkästchen wurde in allen Fällen stärker besucht als
die duftlosen Kästchen. Aber auch diese wurden recht stark besucht,
und die Frequenzziffern des Lysolkästchens sind in Anbetracht der .
in großen Mengen anwesenden Bienen relativ niedrig. Nichts-
destoweniger hatte man den Eindruck, daß die Dressur gut gelungen
war. Denn sobald das Lysolkästchen aufgestellt war, wurde es sehr
lebhaft umschwärmt und von außen belagert; da aber die Bienen
nur widerstrebend hineinschlüpften, kam es zu keinen hohen Frequenz-
zahlen; wie bei der Dressur, kamen sie auch bei den Versuchen
aus dem Lysolkästchen bald wieder heraus und trieben sich in der
Umgebung herum, wobei sie dann häufig auch die duftlosen Kästchen
besuchten. Hielt man ein Fläschchen mit Lysol geöffnet unter die
Bienenschar, so wurde auch dieses lebhaft umschwärmt. Ja einmal
fand ich das Fläschchen, dessen Hals zwar verstoppelt, aber mit
Lysol benetzt war und daher stark nach Lysol roch, an einem
Fenster, das ca. 30 Schritt vom Dressurplatze entfernt. war, von
etwa 8 Bienen belagert.!) Einige von ihnen wurden markiert und
bald darauf am Dressurplatze wiedergesehen.
1) Man darf daraus nicht schließen, daß das Lysol aus so großer
Über den Geruchsinn der Bienen. ; 195
Bei einigen weiteren Versuchen stellte ich nur 2 Kästchen auf
(eines mit Lysol beschickt, das andere duftlos), und zwar in bedeutend
größeren Abständen als bisher, nämlich 11}, m voneinander entfernt;
Ich erwartete, daß das duftlose Kästchen weniger stark von den
_herumschwarmenden Bienen besucht werden würde, wenn es vom
Lysolkästchen weiter entfernt wäre. Die Resultate waren aber nicht
wesentlich anders. Ä
Wenn ich jedoch das Lysolkästchen statt mit mehreren Tropfen
nur mit einem einzigen Tropfen Lysol beschickte, so daß es, ent-
sprechend der geringeren Intensität des Lysolgeruches, den Bienen
weniger widerlich war, dann änderte sich das Verhältnis der Frequenz-
zahlen erheblich zugunsten des Lysolkästchens (Tabelle 207).
Der letzte Dressurplatz lag jedesmal zwischen den beiden Plätzen,
an welchen das reine Lysolkästchen und das reine duftlose Kästchen auf-
gestellt wurden.
Tabelle 207.
Beobachtungszeit _ Lysol | duftlos
9./8. 1914 235—40 | A0 : 1
ï 250—55 102772172200
= 340—45 AQ 1
As0=05 9 116 23
”
Es muß betont werden, daß bei allen Versuchen, auch wenn
das Duftkästchen reichlich mit Lysol versehen war und die Bienen
infolgedessen nur sehr widerstrebend hineinschlüpften, die Frequenz-
zahl des Lysolkästchens höher war als die des duftlosen Kästchens.
Die Bienen richten sich also in diesem Falle nach
einem Duft, der ihnen nicht zusagt, nachdem sie die
Erfahrung gemacht haben, daß dieser Duft die Gegen-
wart von Zuckerwasser bedeutet. Sie werden dann — so
‘paradox es klingt — durch einen Duft angelockt, der sie ab-
stößt! Der Duft ist eben ein Merkzeichen für die sammelnde
Biene, aber nicht an und für sich ein Lockmittel.
Entfernung gewittert wurde. Die Bienen, die durch den Lysolgeruch
zeitweilig vom Besuch des Dressurkästchens abgehalten wurden, pflegten,
wie schon erwähnt, in der Umgebung herumzufliegen, und dabei kanıen
offenbar zufällig einige Tiere dem Fläschchen in die Nähe.
13*
196 . Kart v. Frisch,
Im September 1916 versuchte ich eine Dressur auf den fauligen
Duft von Schwefelkohlenstoff.
Es waren in zwei Reihen übereinander 24 Kartonkästchen aufgestellt
(Fig. J, S. 43); 23 waren duftlos und ohne Zuckerwasser; in einem
Kästehen, welches mit Schwefelkohlenstoff versehen war, wurden die Bienen
gefüttert. Der Platz des Dressurkästchens wurde häufig gewechselt, vor
Versuchen aber stand es immer in der Mitte der oberen oder unteren
Reihe, und die reinen Kästchen, die beim Versuch beobachtet werden
sollten, wurden symmetrisch um diesen Platz gruppiert, wie es schon
wiederholt beschrieben wurde.
Da Schwefelkohlenstoffdämpfe für Insecten ein heftiges Gift
sind, war eine zu hohe Konzentration derselben im Kästchen zu
vermeiden. Ich tropfte deshalb den Schwefelkohlenstoff nicht auf das
Duftbänkchen auf, sondern versah dieses mit einem kleinen, zylin-
drischen, oben offenen Glase (4'/, cm hoch, 1 cm Durchmesser), das
etwa zur Hälfte mit Schwefelkohlenstoff gefüllt war. Dies war
hinreichend, damit das Innere des Kästchens (für uns) schwach, aber
deutlich nach Schwefelkohlenstoff roch.
Da sich aus dem Glase immerfort Schwefelkohlenstoffdämpfe
verfliichtigten und das Innere des Kästchens nur durch das kleine
Flugloch mit der umgebenden Luft in Verbindung stand, hätte man
eine allmähliche Zunahme der Duftkonzentration im Kästchen mit
ihren gefährlichen Folgen erwarten können. Dies verhinderten
die Bienen selbst, indem sie das Kästchen regelrecht
ventilierten. Alle paar Minuten blieb eine der vom Stocke her
ankommenden Bienen im Flugloche des Kästchens sitzen, statt zum
Futterglase zu eilen, und während sie sich mit ihrem Vorderkörper
im Inneren des Kästchens befand, sah man im Flugloche selbst
ihren hochaufgerichteten Hinterleib und die Hinterbeine, mit denen
sie sich rechts und links vom Eingang am Lochrande festklammerte.
In dieser Stellung trieb sie durch lebhaftes Fächeln mit den Flügeln,
was einen eigenartigen, laut summenden Ton erzeugte, ca. 10 Sekunden
lang Luft aus dem Kästchen heraus und lief dann weiter zum
Futterglase. 1
Es ist allgemein bekannt, dab uch. die Bienen im Bienen-
stocke so benehmen, „wenn der Stock ventiliert werden soll,
‘sei es um den Nectar in den Zellen zu kondensieren ... oder aber
um etwaige starke Hitze zu mindern, sowie um schlechte Gerüche
zu vertreiben“ [v. BurteL-ReEEpen (15), p. 39]. Im Stocke ventilieren
viele Tiere gleichzeitig, indem sie sich gegenseitig unterstützen.
Über den Geruchsinn der Bienen. 197
„Die fächelnden Bienen sitzen die ganzen Wände und seitlichen
Tafeln entlang, auf dem Bodenbrette und bis zum Flugloch hinaus,
sich die verdorbene Luft von oben nach unten gleichsam zuwerfend“
[v. BERLEPScH (5), p. 182]. Bei meinen Kästchen wurde, entsprechend
dem kleinen Luftraum, das Ventilieren stets nur von einer Biene
besorgt und, nachdem es geschehen war, erst nach einigen Minuten
von einer anderen ankommenden Biene wiederholt.
Ich bezweifle, daß dieses Benehmen allein durch die Giftigkeit
des Schwefelkohlenstoffes bedingt war, glaube vielmehr, daß es in
erster Linie auf seinen fauligen Geruch zurückzuführen ist. Denn
ich habe ein regelmäßiges Ventilieren der Kästchen nur noch bei
einem anderen Duft beobachtet, und zwar bei Skatol, das ebenfalls
faulig riecht, aber unschädlich ist. Im übrigen sah ich nur bei der
Dressur auf Geraniumöl ein einziges Mal eine Biene, die kurze
Zeit fächelte; obwohl ich darauf achtete, sah ich es weder beim
Geraniumöl jemals wieder noch bei irgendeinem anderen Dressur-
duft. Schwefelkohlenstoff und Skatol sind die beiden einzigen fauligen
Gerüche, auf welche ich zu dressieren versuchte.
Infolge des fortgesetzten Ventilierens roch das Dressurkästchen an-
‘ dauernd sehr schwach nach Schwefelkohlenstof. Als nun kein deutlicher
_ Dressurerfolg zu erzielen war, steckte ich ein kleines Wattebäuschchen
in das Schwefelkohlenstoffglas, um die Verdunstungsfläche größer zu machen.
Dies Unternehmen hatte ein trauriges Ende. Zunächst stauten sich die
Bienen vor dem Flugloche des Kästchens, und keine ging hinein. Ich
hatte anderwärts zu tun, und als ich nach !/, Stunde wieder nachsah,
waren 25 verendete Bienen im Kästchen und keine lebende. Daraufhin
dressierte ich wieder in der früher geschilderten Weise.
Am zweiten Dressurtage unternahm ich 13 Versuche, deren Resul-
tate ich in einer Übersichtstabelle (Tabelle 208) summarisch zusammen-
gestellt habe. Die jeweilige Anordnung der Kästchen ist, um die
Darstellung zu vereinfachen, in der Tabelle 208 nicht berück-
sichtigt.
Durchschnittlich wurde das Schwefelkohlenstoffkästchen doppelt
so stark besucht als die duftlosen Kästchen. Ein gewisser Dressur-
erfolg schien also erreicht zu sein, aber der Ausgang jedes einzelnen
Versuches blieb unsicher. Oft wurde das Schwefelkohlenstoffkästchen
weniger frequentiert als ein duftloses, stets hatten auch die duft-
losen Kästchen einen relativ zahlreichen Besuch zu verzeichnen.
Zum Teil kann die schwache Frequenz des Schwefelkohlenstott-
kästchens in manchen Versuchen darauf zurückgeführt werden, dab
dasselbe zu intensiv nach Schwefelkohlenstoff roch. Ich habe schon
198 Karu v. Frisch,
Tabelle’ 208.
Beobachtungszeit nn duftlos duftlos centr | aos | anti duftlos
9./9. 1916 1022—27 | ‘cae Bs ae 19 a;
, . 1048-48 36 18 era 19
RETRO 45 13 2 15
4 225—30 58 8 26 “He
R 24247 31 5% 29 at
pe ¢ 250—55 88 13° 21 ET RENE
305—10 28 15°. 14 16
ur : 346—51 2 58 Da 5
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14 % 415—20 21 Ro ee 22 1
à 430-35 22 12 12 5
ws R 440—45 37 12 16 9
= 457 we | 0 13 a
Summa | 392 i “Summa | 392 1.190. |. 206 Ve
erwähnt, daß sich dann die Bienen vor dem Flugloche stauen und
nicht hineingehen. Es war nun schwer, bei der Vorbereitung des
Versuches stets die richtige Konzentration zu treffen. Denn wenn
das Kästchen allzuschwach duftete, war natürlich auch kein positives
Resultat zu erwarten. Im Futterkästchen erhielten die Bienen
selbst durch die Ventilation den Geruch auf dem für sie er-
träglichen Maße. Allerdings roch es infolgedessen andauernd recht
schwach, was auch vermutlich der Dressur nicht förderlich war.
Ob die genannten. Umstände allein zur Erklärung des schlechten
Dressurerfolges ausreichen oder ob eine. Ursache hierfür in anderer
Richtung zu suchen ist, war nicht zu entscheiden. Darum versuchte
ich im folgenden Jahre eine Dressur mit einem anderen fauligen
Duft, bei welchem keine derartigen Störungen zu erwarten waren,
wie bei dem höchst giftigen Schwefelkohlenstoff.
Ich wählte zu diesem Zwecke Skatol (6-Methylindol):
Über den Geruchsinn der Bienen. 199
Es hat starken Fäkalgeruch. Ich dressierte zunächst in Stein-
gutkästchen. Es waren 7 Kästchen in zwei Reihen übereinander
aufgestellt (Anordnung vgl. Fig. H, S.27). Auf einen Duftträger gab
ich ein kleines Häufchen von Skatolblättchen und bedeckte sie mit
dem durchlochten Schutzdache (Fig. D. S. 13). In diesem Kästchen
wurde gefüttert, die 6 anderen Kästchen waren leer. Daß die
Bienen das Dressurkästchen häufig ventilierten, wurde schon erwähnt.
Im übrigen war kein Anzeichen zu bemerken, daß ihnen der Geruch
widerlich wäre Obwohl das Skatolkästchen. für uns sehr viel
intensiver roch als in den früheren Versuchen das Schwefelkohlen-
stoffkästchen, wurde es von den Bienen ohne Zögern besucht.
.Den ersten Versuch machte ich nach 2stündiger Dressur, drei
weitere Versuche nach ltägiger, einen Versuch nach 2tägiger Dressur.
Stets wurden 7 reine Steingutkästchen aufgestellt, von denen eines
mit Skatol beschickt, die übrigen leer waren. Die Resultate sind
in einer Übersichtstabelle (Tab. 209) zusammengestellt.
Tabelle 209.
Beobachtungszeit Skatol | duftlos ru ae ie qi
11/8. 1917 1235—40 38 TONI 15 | 86 | 13 18.1218
12./8. 1917 355—400 139 Par EME ON 168 Je CES:
5 410—15 99 52 0 u ur a 49
„ ca. 430—35 | OT QAR 42 eo ee TE SET
13./8. 1917 7350-55 26 59 113 0 5 IG 23
Summa | 305 | 237 | 161 | 103 | 66 | 288 | 305
Die Bienen flogen stets zunächst völlig ziellos vor den Kästchen
herum, und die hohe Frequenz mancher Kästchen machte ganz den
Eindruck des Zufälligen; einige wenige Tiere, die in ein beliebiges
Kästchen hineinschlüpften, veranlaßten dadurch zahlreiche andere
Bienen zum Nachfolgen (vgl. S.30, 31). Durchschnittlich wurde das
Skatolkästchen ca. ana so stark besucht wie die duftlosen
Kästchen.
Bei anderen Versuchen stellte ich außer dem Skatolkästchen
und 2 duftlosen Kästchen 4 Steingutkästchen auf, die mit abweichenden
Düften versehen waren. Die Resultate einer solchen Versuchsreihe
sind in Tabelle 210 snmmarisch zusammengestellt.
200 Karu v. Frisch,
Tabelle 210.
2 ' > = & -
> s > Po Bre = zZ
Beobachtungszeit Skatol | = = 2 3 = Sia | 58
=} = = 4.45 SF =o
= > = As le a
| 7 - =
12.8. 1917 1020-5 15 75 | vs eae | 2 11 | 3
i SS es Be 3 I ei,
i 1105—10 25 35 2 4 2 0 6
: ete En, 106 24.429 1.12 0 0 Tae
13.8. 1917 820-25 65 | 144 | ‘0 | 0 0 | “OT Pa
a ice . 81550 34 144 | 80 3 3 0 2
Summa | 268 "1.889 | 251 ] 22 [ 710 Te
War früher das Skatolkästchen 1!/,mal so stark besucht worden
wie die duftlosen- Kästchen, so wurden in dieser Versuchsreihe nun
die duftlosen Kästchen durchschnittlich ca. 17/,mal so stark besucht
wie das Skatolkästchen. In jene Kästchen aber, die mit einem
anderen Duft versehen waren, schlüpften nur wenige oder keine
Bienen hinein. Es macht den Eindruck, als bestünde für die Bienen
kein Unterschied zwischen dem Skatolkästchen und einem duftlosen
Kästchen, als würden sie den Skatolduft gar nicht wahrnehmen.
Wie wäre aber dann das „ventilieren“ zu verstehen ?
Bevor ich auf die Frage nach der Wahrnehmbarkeit des Skatol-
geruches für die Bienen näher eingehe, habe ich noch zu sagen,
daß ich einige Wochen später die Dressur auf Skatol nochmals ver-
suchte, diesmal in Kartonkästchen und mit etwas besserem Erfolge.
Es waren nur 4 Kartonkästchen (in einer Reihe) aufgestellt, von
denen eines mit Skatol und Zuckerwasser versehen war. Der
erste Versuch wurde nach 5stündiger Dressur unternommen. Die
Resultate aller 10 Versuche, bei welchen stets 3 duftlose und ein
mit Skatol versehenes Kartonkästchen (natürlich alle rein und ohne
Zuckerwasser) aufgestellt wurden, sind in der Übersichtstabelle 211
summarisch zusammengestellt.
Das Skatolkästchen wurde durchschnittlich ca. 4mal so stark
besucht wie die duftlosen Kästchen. Dies ist ein positives Ergebnis,
welches kaum als Zufallsresultat gedeutet werden kann. Doch
blieb auch bei dieser Versuchsreihe der Dressurerfolg höchst un-
zuverlässig. Bei manchen Versuchen wurden ein oder mehrere duft-
lose Kästehen stärker besucht als das Skatolkästchen, andauernd
Über deu Geruchsinn der Bienen. 201
spielten Zufallsbesuche eine große Rolle und konnten einen plötz-
lichen starken Andrang zu einem beliebigen Kästchen bewirken.
Die Unsicherheit der Bienen beim Aufsuchen des Skatolkästchens
war offenkundig.!)
Tabelle 211.
Beobachtungszeit | Skatol | duftlos duftlos duftlos
128.8. 19144 ,310-15 226 | 93 8 D 5
NEA 330—35 88 17 43 5
> 515—20 187 4 18 4
aes 525—30 4 ; 2 5 4
i 540—45 32.7 2 30 13
‚398.197, . 10-157 "26 5 56 38
: 130—35 47 11 53 15
30.78. 1917 1220-25 117 23 32 25
3 TEST Sora: 65 Sa ae 36
ae B 150—55 15 - 6 | 8
Samia. W0f 07228 71 | = | 153
Man würde mit der Annahme, daß das Skatol für die Bienen
einen außerordentlich schwachen, eben wahrnehmbaren Geruch hat,
den bisher erwähnten Tatsachen vielleicht gerecht werden können
Der unterschiedliche Ausfall der beiden Versuchsreihen (kein Erfolg
mit Steingutkästchen, schwacher Erfolg mit Kartonkästchen), könnte
dadurch erklärt werden, daß das mit Skatol beschickte Karton-
_kastchen (für uns wenigstens) einen stärkeren Skatolgeruch erkennen
ließ als ein mit Skatol versehenes Steingutkästchen und daß die
Bienen das Skatolkästchen bei der ersten- Versuchsreihe aus 7, bei
der zweiten nur unter 4 Kästchen herauszufinden hatten.
Es läßt sich aber nachweisen, daß das Skatol für
die Bienen einen deutlichen Geruch hat.
Ich erinnere daran, daß sich Bienen, die auf einen bestimmten
Duft dressiert sind, vom Besuche eines mit dem Dressurduft be-
schickten Kästchens durch die Beimischung eines fremden Duftes
abhalten lassen (vgl. Kap. VIII. Wenn nun das Skatol für die
Bienen kaum wahrnehmbar duftet, dürften sie sich, auf einen be-
1) Es sei nn daß gleichzeitig an einem zweiten Versuchs-
platze die Dressur auf ein ätherisches Öl (Fenchel süß) glänzenden Erfolg
hatte. Es können also nicht etwa Witterungsverhältnisse für den Ausfall
dieser Versuche verantwortlich gemacht werden.
202 Karu v. Frisch,
liebigen Duft dressiert, durch eine Beimischung von Skatol zum
Dressurduft vom Besuche des entsprechenden Kästchens nicht wesent-
lich abschrecken lassen. Hatte aber das Skatol für sie einen deut-
lichen Geruch, so war es denkbar, daß eine Beimischung von Skatol
die Frequenz des Dressurduftkästchens einschränkte. Mit Sicherheit
konnte hierauf nicht gerechnet werden, da aus den mißlungenen
Dressurversuchen mit Skatol hervorgeht, daß dieses auf die Bienen,
auch wenn sie es deutlich riechen, wenig Eindruck macht. Ein
negatives Resultat des geplanten Versuches wäre also nicht ver-
wertbar gewesen, um so höhere Beweiskraft hat aber ein positives
Ergebnis.
Die Versuche wurden mit Steingutkästchen durchgeführt, bei
der gleichen Anordnung, bei welcher die Dressur auf Skatol gar
keinen Erfolg gehabt hatte. 12 Tage nach dem Abschlusse jener
mißlungenen Dressurversuche dressierte ich am gleichen Versuchs-
platze auf Orangenblütenöl (wohlriechendes Öl). Bei den Ver-
suchen wurden stets 7 reine Steingutkästchen aufgestellt, 5 von
ihnen waren duftlos oder (in wenigen Fällen) mit verschiedenen
ätherischen Ölen beschickt; diese Kästchen interessieren uns hier
nicht; von den beiden übrigen Kästchen enthielt eines einen Duft-
träger, der mit einer bestimmten Menge Orangenblütenöles beschickt
war, das andere einen Duftträger mit der gleichen Menge Orangen-
blütenöl und daneben einen Duftträger mit etwas Skatol. Diese
zwei Kästchen wurden an symmetrischen Plätzen (in bezug auf sämt-
liche Kästchen wie auch in bezug auf den letzten Dressurplatz)
aufgestellt.) Die Frequenz dieser Kästchen bei allen 12 Versuchen
ist in Tabelle 212 summarisch wiedergegeben.
Es wurde das Kästchen, welches nur mit Orangen-
blütenöl versehen war, von den auf Orangenblüten-
duft dressierten Bienen in allen Fällen stärker
(durchschnittlich 3,6mal so stark) besucht als jenes
Kästchen, in welchem sich neben der gleichen Menge
Orangenblütenöl auch noch Skatol befand. Es war
auch deutlich zu bemerken, daß die Bienen am Flug-
loche des letzteren Kästchens zögerten. |
1) Es wurde fast immer vor den Versuchen bei b gefüttert (vgl.
Fig. H, S. 27), die2 Kästchen wurden dann bei d und g oder bei e und
f aufgestellt und zwar einmal Orangenblüten links, Skatol + Orangenbliiten
rechts, das nächste Mal umgekehrt.
Uber den Geruchsinn der Bienen. | 203
Tabelle 212.
Orangen-
Beobachtungszeit. et Sag blüte —
; Skatol
25./8. 1917 215—20 i 97 45
i 233—38 77 PIE
: 25300 | 72 7
i 31015 76 38
26.18. 1917 920-25 54 31
a 19 72 51 1
Se Sa 1000-05 - 29 3
3 1018-23 49 16
2 _ 103—40 19 win
ga i 100 -05 59 | BR
‘ 118—23 106 4
x 140—45 ape ig ag Due CNRS ene eee 44 | 5
Summa NIT 133 | 204
Im Anschlusse daran führte ich noch eine Versuchsreihe durch, bei
welcher die Bienen auf das sehr intensiv duftende Verbenaöl dressiert
waren. Bei den Versuchen wurden stets 5 duftlose Kästchen, 1 Verbena-
kästchen und eins mit der gleichen Menge Verbenaöl und mit Skatol
aufgestellt. Die Anordnung bei der Dressur und bei den Versuchen war
genau so wie bei der eben besprochenen Versuchsreihe. Der erste Ver-
such wurde 21}, Stunden nach Beginn der Dressur auf Verbenaöl unter-
nommen. Es waren mehr Bienen da als bei der Dressur auf Orangen-
blütenöl. |
Tabelle 213.
Verbenaöl
Verbenaöl + Skatol
Beobachtungszeit
118—23 224 27
37—42 169 10
150—55 12
235—40 211
250 —55 197
Summa 950
7.28.18. 1917 102-07 rt 207 FE 11
a Ba Ger
ES 7 | 231
Is wurde also das Kästchen, welches nur mit Verbenaöl
beschickt war, von den auf Verbena dressierten Bienen
durchschnittlich 4mal so stark besucht wie jenes Käst-
chen, in welchem sich außer der gleichen Menge Verbenaöl
204 Kar v. Frisch,
auch noch Skatol befand. Es wird auffallen, daß bei den 6 Ver-
suchen in 5 Fällen das Verbenakästchen bedeutend stärker frequentiert
wurde als das andere Kästchen, welches auch Skatol enthielt, daß aber
in einem Falle genau das Gegenteil eintrat. Ich vermag diesen Ausnahme-
fall nicht genau zu analysieren. Nur so viel kann ich mit Bestimmtheit
sagen, daß sich dem Verbenakästchen während des ganzen Versuches nur
ganz vereinzelte Bienen so weit näherten, daß sie den Duft wahrnehmen
konnten. Die Bienen schwärmten teils um die mittleren, hauptsächlich um
die rechts stehenden Kästchen, während sich am linken Ende der Kästchen-
reihe (das Verbenaölkästchen stand bei d) fast keine blicken ließen.
Zusammenfassend können wir sagen, daß bei den 18, mit
zweierlei Dressurdüften durchgeführten Versuchen 17mal der reine
Dressurduft stärker frequentiert wurde als ein mit Skatolduft ge-
mischter Dressurduft von gleicher Intensität und daß durchschnitt-
lich der reine Dressurduft 31/,—4mal so stark frequentiert wurde
. als das Gemisch — und dies bei der gleichen Anordnung, bei welcher
die Dressur auf Skatol ein gänzlich negatives Resultat gezeitigt
hatte. Die Ursache für das Mißlingen der Skatoldressur
kann also nicht darin gesucht werden, daß die Bienen
den Skatolgeruch nicht oder nur sehr schwach wahr-
nehmen. |
Ich muß nun noch kurz auf die Versuche zurückkommen, deren Er-
gebnisse in Tabelle 210 (S. 200) zusammengestellt sind. Sie hätten ihre
einfachste Erklärung in der Annahme gefunden, daß die Bienen den
Skatolgeruch nicht wahrnehmen. Sie sind aber auch ohne weiteres ver-
ständlich, wenn die Bienen das Skatol riechen, aber sich auf diesen Duft
nicht dressieren lassen. Die abstoßende Wirkung des Skatolduftes, die
wir in den zuletzt besprochenen Versuchsreihen kennen gelernt haben, geht
naturgemäß verloren, wenn die Bienen in skatolduftenden Kästchen ge-
fiittert werden. Und so wurde das Skatolkästchen bei den Versuchen
ebensogut besucht wie duftlose Kästchen, während andersartige Düfte die
Bienen vom Besuch der betreffenden Kästchen abhielten.
Bevor ich in die Diskussion dieser merkwürdigen Resultate ein-
gehe, will ich einige weitere Versuche mitteilen, bei welchen
Patchouliöl der Dressurduft war. Patchouliöl wird aus den
getrockneten Blättern von Pogostemon Patchouli Per. destilliert und
hat einen an Kampfer erinnernden Geruch.
Bei der Dressur waren 6 leere, duftlose und ein mit Patchouliöl
und Zuckerwasser versehenes Steingutkästchen aufgestellt (Anord-
nung wie Fig. H, S. 27). Bei 4 Versuchen hatten die Bienen die
Aufgabe, ein oder zwei mit Patchouliöl beschickte Kästchen unter duft-
Über den Geruchsinn der Bienen. | 205
losen Kästchen herauszufinden. Die zwei ersten Versuche wurden nach
2- und 2',stündiger Dressur, der 3. und 4. Versuch nach 1tägiger
Dressur unternommen. Die Resultate sind in der Übersichtstabelle 214
summarisch zusammengestellt.
Tabelle 214. .
oS)
Beobachtungszeit = = = = 5S = =
© = = = = = =
= Ss rs eS rS SS =
A:
31./8. 1917 150—55 | 43 | 52 | 9 | 49 | 1 | 48 | 50
= is
E ome er premier bte
= vie Fo re
_ m
31.8. 1917 135—40 = 163 4 0 0 0 0
Oot ae Rire 10 7 6 D 4 1
1255100 132 719% AR 6 6 8 31
”
Man sieht, daß bei einem Versuch das Resultat völlig negativ
war: in diesem Falle wurden, nach 2!/,stündiger Dressur,. 4 von
den 6 duftlosen Kästchen stärker besucht als das Patchoulikästchen.
Bei einem anderen Versuch (nach 2stündiger Dressur) wurde eines
der beiden Patchoulikästchen stark besucht, das andere aber vor
den duftlosen Kästchen so gut wie nicht bevorzugt, und das Gleiche
war beim 3. Versuch der Fall. Ein solches Verhalten der Bienen
haben wir bisher nur dann erlebt, wenn ein Duft, auf den sie sich
gut dressieren ließen, in einer Verdünnung geboten wurde, die für
sie nahe an der Grenze der Wahrnehmbarkeit lag (vgl. S.129, 134). Bei
allen Versuchen, auch beim vierten, wo beide Patchoulikästchen
recht stark besucht wurden, war für den Beobachter eine
gewisse Unsicherheit im Benehmen der Bienen unver-
kennbar. Bei Versuchen nach einer wohlgelungenen Dressur gehen
von Anfang an alle Bienen, die sich dem Flugloche eines mit Dressur-
duft beschickten Kästchens nähern, ohne Zögern hinein und wenden
sich von duftlosen Kästchen mit Entschiedenheit ab. Ein Patchouli-
kästchen wurde niemals schon in der ersten Minute stärker besucht.
Erst in der zweiten oder in der dritten Minute schlüpfte manch-
206 Kaku v. Frisch,
mal — nicht immer — eine größere Anzahl von Bienen hinein,
und diese zogen dann viele andere, ziellos herumschwärmende
Tiere nach sich, so daß es zu beträchtlichen Frequenzzahlen
kommen konnte. !) | | |
Bei zwei weiteren Versuchen (nach 1tägiger Dressur) wurden alle
7 Steingutkästchen mit ätherischen Ölen versehen.?) Das Ergebnis
ist in Tabelle 215 eingetragen.
Tabelle 215.
|
|
= = «a m = 5 pe
= = © ® = = & =
Beobachtungszeit = nt as = = ss: |33
= un =
1./9. 1917. 122—27 7 71 1 3 13 21 ss
a 145—50 07% 57 1 7 13 3 0
Das Kästchen mit dem Dressurduft wurde nicht herausgefunden.
In beiden Versuchen hat das Cajeputöl die stärkste Frequenz auf-
zuweisen. Dieses riecht sehr ähnlich wie Patchouliöl; es verflüchtigt
sich rascher und duftete intensiver. Aber auch das Cajeputkästchen
- wurde in Anbetracht der sehr zahlreich vorhandenen Bienen nicht
stark, in den ersten Minuten nur von vereinzelten Tieren besucht.
Die meisten schwärmten vor den Kästchen herum und „berochen“
alle Fluglöcher, ohne in eines hineinzuschlüpfen.
Auch hier wäre die nächstliegende Erklärung für das schlechte
Gelingen der Dressur, daß das Patchouliöl für die Bienen
nur außerordentlich schwach duftet. Auch hier hält aber
dieser Erklärungsversuch einer näheren Prüfung
nicht stand.
Ich dressierte Bienen auf Sternanisöl.”) Die Dressur gelang mit
Leichtigkeit. Ich prüfte nun ihr Verhalten gegenüber zwei Kästchen,,
von denen jedes einen Duftträger mit je 6 Tropfen Stern-
anisöl, und von denen außerdem das eine einen Duftträger
mit 3 Tropfen Patchouliöl, das andere einen solchen mit
1) Zur gleichen Zeit (am 1./9.) dressierte ich an einem anderen Ver-
suchsplatze auf einen blumigen Duft. Die Dressur war nach 2 Stunden
einwandfrei gelungen.
.2) Uber ihre Herkunft und Zusammensetzung findet man Näheres
auf S. 38 ff. |
3) Anisartiger Geruch. Herkunft und Zusammensetzung s. S. 42.
Über den Geruchsinn der Bienen. 207
3 Tropfen Geraniumöl!) enthielt. Auf den Duft des Geraniumöles
hatten sich die Bienen in früheren Versuchen gut und rasch dressieren
lassen. Es mußte also für sie einen deutlichen Geruch haben. An
jenem Dressurplatze, an welchem dieser Versuch durchgeführt wurde,
waren die Bienen weder je auf Geraniumöl noch auf Patchouliöl
dréssiert worden. Beides waren für sie „fremde“ Düfte. Ein fremder
Duft, dem Dressurduft beigemischt, hält die Bienen vom Besuch um
so mehr zurück, je größer seine Intensität im Vergleich zum Dressur-
duft ist (Kapitel VIII). Wenn also die Tatsache, daß die Dressur
auf Patchouliöl weit schlechter gelungen war als die Dressur auf
Geraniumöl, so zu erklären ist; daß das erstere für die Bienen
weit schwächer riecht als das letztere, dann mußten auch 3 Tropfen
Patchouliöl, zum Dressurduft hinzugefügt, die Bienen vom Besuch
des betreffenden Kästchens weit weniger abschrecken als 3 Tropfen
Geraniumôl.?)
Bei der Dressur und bei den Versehen waren 7 Steingutkästchen
in der üblichen Weise aufgestellt. Die Bienen wurden von 11 Uhr an
auf Sternanisöl dressiert. Bei den zwei ersten Versuchen waren außer den
beiden mit Sternanis + Patchouli, resp. Sternanis + Geranium beschickten
Kästchen nur duftlose Kästchen aufgestellt. Die mit den Duftgemischen
versehenen Kästchen wurden daher in diesen Fällen stärker frequentiert
als bei den zwei weiteren Versuchen, bei welchen außerdem ein Kästchen
mit Sternanisöl ohne Beifügung eines fremden Duftes dargeboten wurde
(vgl. Kapitel VIII). Gefüttert wurde vor allen Versuchen stets bei b.
(Fig. H, 8.27), die zwei Duftgemischkastchen waren stets bei e und f auf-
gestellt, und zwar beim 1. und 3. Versuch das Sternanis-Patchoulikästchen
bei e, das Sternanis-Geraniumkästchen bei f, beim 2. und 4. Versuch um-
gekehrt. Das Sternaniskästchen stand bei c.
Die. Frequenzen der uns interessierenden Kästchen sind in Tabelle 216.
zusammengestellt.
Tabelle 216.
Sternanis
Beobachtungszeit pool Ny ieee on Sternanis
5.19: 1917, 128-33: 181 82 Zn
A 145—50 TORS ER ST TION PATE
N 205—10 21 55 101
5 2410-45 US TA 13 144
Summa 246 222 —
1) „Essence de Geranium GRASSE“, rosenartiger Geruch. Herkunft
und Zusammensetzung s. S. 39.
2) Bei den Versuchen mit reinem Patchouliduft und reinem Geranium-
duft waren die Kästchen auch mit der gleichen Menge, nämlich mit
je 6 Tropfen der Öle beschickt worden.
208 Karu v. Frisch,
Es wurde also in zwei Fällen das Sternanis-Patchoulikästchen
stärker besucht als das Sternanis-Geraniumkästchen, in zwei Fällen
war es umgekehrt. Durchschnittlich wurde das Kästchen mit Stern-
anis-Patchouli 1,108mal so stark besucht wie jenes mit Sternanis-
Geranium. Mit anderen Worten: Die Bienen wurden vom Be-
fliegen des Dressurduftes durch Hinzufügen von
Patchouliöl angenähert ebenso stark abgehalten wie
durch Hinzufügen der gleichen Menge Geraniumöl, es
wird aiso für sie das Patchouliöl angenähert ebenso
starkriechen wiedas@Geraniumölundkeinesfallseinen
kaum wahrnehmbaren Duft haben.
Es ist nun die Frage, wie es zu verstehen ist, daß die Dressur
auf manche Riechstoffe einen so schlechten Erfolg hat oder auch
völlig mißlingt. Die Annahme, daß die Bienen die betreffenden
Düfte nicht oder kaum wahrnehmen, konnte durch entsprechende
Versuche widerlegt werden. Wir können auch nicht darin eine Er-
klärung suchen, daß diese Düfte den Bienen widerlich seien. Denn
erstens war keinerlei Anzeichen einer abstoßenden Wirkung er-
kennbar; die Bienen beflogen das Futterkästchen während der
Dressur ohne das geringste Zögern.) Und zweitens haben wir ja
bei der Dressur auf Lysol gesehen, daß sie sich auch auf einen
Duft dressieren lassen, der ihnen widerlich ist. Wir stehen also
vor der Tatsache, daß sich die Biene auf manche Düfte, die sie
deutlich wahrnimmt, nicht oder doch nur unvollkommen dressieren
läßt; sie lernt es nicht, diese Düfte beim Sammeln als Merkzeichen
zu verwerten. Es sind dies Düfte, welche ihr von Natur aus fremd
sind, während die Dressur auf blumenhafte Düfte ausnahmslos ge-
lungen ist.
Es wäre höchst unzweckmäßig und biologisch nicht verständlich,
wenn das Lernvermögen der Biene strenge auf jene Blumendüfte
beschränkt wäre, die sie sozusagen aus persönlicher Erfahrung in
ihrem Flugbereich kennt. Für einen Bienenschwarm, der sich einige
Kilometer von seinem Mutterstocke entfernt niederläßt, können z. B.
1) Das Futterkästchen unterscheidet sich durch den ihm anhaften-
den Bienengeruch bald so deutlich von den leeren Kästchen, daß es die
Tiere auch in diesen Fällen herausfinden, ohne lange suchen zu müssen.
Erst wenn bei den Versuchen reine, von Bienengeruch freie Kästchen auf-
gestellt werden, zeigt sich, ob die Dressur auf den betreffenden Duft ge-
lungen ist oder nicht.
Uber den Geruchsinn der Bienen. 209
leicht manche Pflanzenarten zu einer wichtigen Nahrungsquelle
werden, die in seinem früheren Sammelgebiete fehlten. Auch lernt
ja die einzelne Biene bei der Stetigkeit, mit der sie an bestimmten
Blütenarten festhält, und bei ihrer Kurzlebigkeit nur eine ganz be-
schränkte Zahl von Blumendüften kennen. Es kann also nicht er-
wartet werden, daß das Lernvermögen auf bestimmte Varianten
blumenhafter Düfte festgelegt ist, sondern nur die Kategorie des Duftes
kann in Betracht kommen.
Von diesem Standpunkt aus scheint mir das Verhalten der
Bienen verständlich zu sein. Sie vermögen Düfte zu erfassen
und zu verwerten, welche als natürliche Blumendüfte
vorkommen oder solchen nahestehen. Das sind die
„würzigen“, „blumigen“ -und ,fruchtigen“ Gerüche.)
Bei Düften aber, welche mit jenen Gerüchen, die für
die samm.elnden Bienen seit ungezählten Generationen
von Bedeutung waren, nicht diegeringste Ähnlichkeit
haben, kann ihr Lernvermögen versagen.
Wir hätten hier auf dem Gebiete des Geruchsinnes ein Analogon
zu einer überraschenden Erfahrung, die wir an dem gleichen Ver-
-suchstier auf dem Gebiete des Gesichtssinnes gemacht haben. Die
Bienen lernten es leicht und sicher, Formen voneinander zu unter-
scheiden und als Merkzeichen zu verwerten, die mit Blumenformen
eine gewisse Ähnlichkeit hatten. Sie versagten aber vollständig,
als sie geometrische Figuren, als sie ein Quadrat von einem Dreieck,
einem Kreis oder einer Ellipse unterscheiden lernen sollten.?)
Nur solange bekunden die Bienen eine scheinbar
hohe Intelligenz und ein vortreffliches Lernvermögen,
als die gestellten Forderungen in denengen Rahmen
passen, der das Gewohnte und durch Generationen
Vererbte umschließt.)
Um es dem Leser zu erleichtern, sich in descr Frage ein
eigenes Urteil zu bilden, führe ich hier sämtliche Riechstoffe an,
1) Es ist anzunehmen, daß auch der von Blättern entwickelte Duft,
der vom Geruch der Blüte manchmal recht verschieden ist, in manchen
Fällen von den Bienen ar Aufsuchen und Erkennen der Pflanzen ver-
wertet wird.
2) Vgl. v. FRISCH (39), p. 76—79.. |
3) Daß die Arbeitsbienen steril sind, ist kein stichhaltiger Einwand
gegen diese Auffassung. Auch wenn ihre Eigenschaft, speziell auf blumen-
hafte Düfte zu reagieren, erst zu einer Zeit erworben worden ist, als die
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 14
210
Karu v. Frisch,
mit welchen ich Dressurversuche gemacht habe. Die Düfte, bei
welchen die Dressur
waren:
a) Lebende Blüten:
1. Blüten von Phlox paniculata (S. 94 ff.).
2. A „ Reseda odorata (S. 95 ff.).
A , Narcissus poeticus (S. 102).
CON © OF BR
GE
10.
14;
12.
IE
14.
15,
. Majoranöl, wild.')
A Pfeitfermimzol').:
. Pomeranzenschalenöl (S. 42—52).
. Sternanisöl (8. 28).
. Verbenaöl (S. 29).
b) „Wohlriechende Öle*:
. Cassieblüten (S. 25, 35).
. Jasminblüten (S. 24ff.).
. Orangenblüten (S. 26ff,).
. Resedablüten (S. 56ff).
: Tuberosenblüten (S. 81. 1195.)
c) Ätherische Ole:
Cedratöl.))
Citronellöl.!)
Fenchelöl, bitter.’)
Fenchelöl, siß (8.691.
Geraniumöl, Grasse (S. 28, 29).
Geraniumöl, Réunion. *)
Lavendeldél.?)
rasch und gut
gelungen ist,
Arbeitsteilung zwischen der fruchtbaren Königin und den unfruchtbaren
Arbeiterinnen bereits bestand, würde dies dem Verständnis keine größere
Schwierigkeit bereiten, als das Vorhandensein einer Reihe von anderen
Instinkten der Arbeitsbienen, die mit dem sozialen Leben zusammenhängen,
bei den Drohnen und der Königin vermißt und: doch nur durch diese ver-
erbt werden.
1) Die betreffenden Versuche habe ich nicht mitgeteilt; die Einzel-
heiten würden nichts Neues lehren.
Über den Geruchsinn der Bienen. 911
d) Isolierte Riechstoffe:
21. Amylacetat (Fruchtgeruch; S. 179 ff.).
22. Anthranilsäuremethylester (am Duft vieler Blüten
wesentlich beteiligt +); S. 174 ff).
23. w-Bromstyrol (hyazinthenartiger Duft; S. 126ff., 183f.).
24. Lysol (vgl. unten S. 213; Versuche S. 193 ff.).
25. Methylheptenon (Fruchtgeruch; in einer Reihe von
ätherischen Ölen nachgewiesen 2); S. 132 ff).
26. Mirbanöl (riecht nach Bittermandelöl; vgl. unten S. 213;
Versuche S. 169 ff.).
27. Nerolin?) (riecht ähnlich wie Orangenblüten).
28. Parakresolmethyläther (wesentlicher Bestandteil des
blumig duftenden Ylang-Ylangöles *); S. 189 ff.).
Den guten Erfolgen mit diesen 28 Düften stehen
schlechte Dressurerfolge mit 4 Riechstoffen gegen-
über:
29. Isobutylbenzoat. Diese Substanz ist in ätherischen
Ölen bisher nicht aufgefunden, und ihr Duft hat nichts blumenhaftes
an sich. Die Bienen ließen sich zwar auf diesen Duft dressieren,
doch fanden sie ihn unter anderen Düften bei weitem nicht mit
jener Sicherheit heraus, mit der sie einen Blumengeruch von anderen
blumigen Düften zu unterscheiden pflegen (vgl. S. 185 ff.).
30. Patchouliöl. Es wird aus den getrockneten Blättern von
Pogostemon Patchouli Put. durch Destillation gewonnen?°). Der
Duft erinnert an Kampfergeruch. Die Dressur gelingt sehr mangel-
haft, die Unterscheidung von anderen Düften erfolgt mit der größten
Unsicherheit (S. 204ff.). An den Geruch von Patchouliöl soll einiger-
maßen der Blütenduft von Asarum erinnern.*) Die Blüten dieser
Pflanzen sind durch ihre Beschaffenheit als Fliegenblumen charak-
terisiert, und es sind auch an ihnen keine anderen Besucher als
1) Vgl. GILDEMEISTER u. HOFFMANN (40), Vol. 1, p. 560.
2) Vgl. ibid., p. 453.
3) Vgl. Anm. 1 auf S. 210.
4) Vgl. GILDEMEISTER u. HOFFMANN (40), Vol. 1, p. 415.
5) Wie mir Herr Hofrat v. WETTSTEIN mitteilt, lassen auch die
frischen Blätter von Pogostemon Patchouli, wenn man sie zwischen den
Fingern reibt, den charakteristischen Patchouligeruch erkennen, wogegen
die Blüten dieser Pflanze seines Erinnerns ganz anders duften.
6) Ich komnte allerdings an den Blüten von Asarum europaeum L.
(von verschiedenen Standorten) keinen Duft wahrnehmen.
14*
212 | Karu v. Frisch,
Fliegen beobachtet worden [Kxurx (63), Vol. II, 2, p. 372]. Andere
Blüten, deren Duft auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit dem
Patchouligeruch hätte, sind mir. nicht bekannt geworden.
31. Skatol. Fäkalgeruch. Die Dressur istin zwei Versuchsreihen
ganz mißlungen, in einer Versuchsreihe nur sehr unvollkommen ge-
lungen (S. 198— 204). Es gibt eine beträchtliche Zahl von Blüten, die
einen mehr oder weniger ähnlichen Geruch entwickeln. Dies sind
aber ausschließlich Blüten, die gemäß ihrem Bau und ihrer sonstigen
Beschaffenheit als Fliegenblumen zu bezeichnen sind und an welchen
auch niemals Honigbienen, sondern fast ausschließlich Fliegen und
Aaskäfer als Blütengäste beobachtet wurden.
Hierher gehören:
Aroideen. Die Arten der Gattung Arum L. (Vol. 2, 2%), p. 416
bis 425), welche als „Kesselfallenblumen“ (Vol.2, 2, p. 416) nur von sehr
kleinen Dipteren besucht werden können (Vol. 1, p. 153). Ferner die
in Sumatra heimische Riesenblume Amorphophallus Tilanum BECC., deren
Geruch an faulende Fische erinnert und an welcher nur Aasfliegen als
Blütengäste beobachtet wurden (Vol. 2, 2, p. 424; Vol. 3, 1, p. 87);
Arisaema japonicum Bu., deren Blüten einen intensiven fauligen Geruch
entwickeln und von winzigen Fliegen besucht werden (Vol. 3, 1, p. 95);
Arisaema filiforme BL. mit „urinös-mäuseartigem“ Geruch und winzigen
Fliegen als Besuchern (Vol. 3, 1, p. 95—97) u. a.
Asklepiadeen. Die Arten der Gattung Siapela L.: „Nach Aas
stinkende Klemmfallenblumen, welche Fäulnis liebende Fliegen anlocken,
die durch ihren Rüssel die Fremdbestäubung vollziehen“ (Vol. 2, 2, p. 67).
Balanophoreen. Nach KERNER (58, Vol. 2, p. 195) entwickeln
die Blüten einen „indoloiden“ Duft. Bei Balanophora elongata BL. wurden
fast ausschließlich kleine Fliegen (Vol. 3, 1, p. 261—263), an einer
„mäuseartig“ riechenden Balanophora spec. nur kleine Fliegen (Vol. 3, 1,
p. 263—265) als Blütengäste beobachtet.
Rafflesiaceen. Der Blütenduft mehrerer Arten der Gattung
Rafflesia R. BR. erinnert an rohes, faulendes Fleisch; nach dem Bau der
Blüte und ihrer sonstigen Beschaffenheit nimmt man größere Aasinsecten
als Bestäuber an, es liegen aber keine Beobachtungen über den Blüten-
besuch vor (Vol. 3, 1, p. 269, 270). Eine stark nach faulem Fleisch
riechende Blüte von Brugmansia sp. wurde von zahlreichen Fliegen
sowie auch Ameisen belagert gefunden (Vol. 3, 2, p. 329).
Hydnoreen. Die nach Kot riechenden Blüten der abessinischen
Hydnora Johannis BECC. hat man von zahlreichen Aaskäfern besucht ge-
funden (Vol. 3, 2, p. 297).
Aristolochineen. Die Blüten der Gattung Aristolochia L. sind
Kesselfallenblumen (Vol. 2, 2, p. 366), welche von kleinen Fliegen be-
1) Alle Zitate, wo nichts anderes angegeben ist, nach KNUTH (63).
Über den Geruchsinn der Bienen. 913
sucht werden. Manche Arten entwickeln einen Aasgeruch (4. gr andiflora
Swz., Vol. 2, 2, p. 372).
| Durée Bulbophyllum Beccarii RcHB. lockt Schmeißfliegen
durch einen Gestank nach faulem Fleisch zu den Blüten (Vol. 2, 2,
p. 432).
32. Schwefelkohlenstoff. Eine gleichfalls faulig riechende
Substanz, deren Giftigkeit die Anwendung einer stärkeren Duft-
konzentration bei der Dressur nicht gestattete. Wir sind darüber
im Zweifel geblieben, ob der schlechte Erfolg der Dressur (S. 196 ff.)
nicht auf Nebenumstände zurückzuführen sei, und dies hat uns ja
eben zu den Versuchen mit Skatol veranlaßt.
Demnach kann man wohl keinen Einspruch erheben, wenn ich
sage, daß die Dressur bei jedem der geprüften Düfte, der dem Duft
von Bienenblumen nahesteht, gut gelungen ist, daß anderseits ein
Mißlingen der Dressur nur bei solchen Düften zu verzeichnen war,
welche mit dem Duft von Bienenblumen keine Ähnlichkeit haben.
Eine Schwierigkeit für meine Auffassung könnte man darin er-
blicken, daß die Dressur auf manche Riechstoffe, die — für uns
wenigstens — mit Blumendüften nichts gemein haben, trotzdem
Erfolg hatte. Dies gilt vom Lysol und vom Mirbanöl.
Zwar ist das Vorkommen von Kresolen in manchen Blüten
(Cassieblütendl 1), Jasminbiütenöl ?)) nachgewiesen, und es wird an-
genommen, daß sie hier trotz ihrer geringen Menge das Aroma be-
einflussen. Doch kann man weder von diesen noch von anderen
Blüten sagen, daß sie lysolartig riechen. Der Duft des Benzaldehyd,
der ja dem Duft des Mirbanöles gleicht, ist für den Geruch ver-
. - schiedener ätherischer Ole bestimmend.*) Doch entwickelt er sich
meines Wissens niemals in lebenden Blüten.
Wenn ich dennoch an meiner Ansicht festhalte, en es
aus folgenden Gründen. Auch beim Isobutylbenzoat und Patchouliöl,
sogar bei Schwefelkohlenstoff und in einer Versuchsreihe auch beim
Skatol war ein gewisser Dressurerfolg zu erzielen, und nur die Un-
sicherheit, mit welcher der Dressurduft aufgefunden wurde, war
offenkundig und verlangt nach einer Deutung. Diese Unsicherheit
machte sich in besonderem Maße bemerkbar, wenn die Bienen das
Dressurduftkästchen unter einer größeren Zahl von duftlosen Kästchen
herausfinden oder von andersartigen Düften unterscheiden sollten.
1) GILDEMEISTER u. HOFFMANN (40), Vol. 2, p. 613.
2) Ibid., Vol. 3, p. 427.
3) GILDEMEISTER u. HOFFMANN (40), Vol. 1, p. 438.
214 Karu v. Frisch,
Gerade bei den Versuchen mit Lysol waren nur wenige (bei den
am besten gelungenen Versuchen nur zwei) Kästchen aufgestellt; wie
weit die Bienen den Lysolduft von anderen Düften zu unterscheiden
vermögen, wurde gar nicht geprüft. Es wäre denkbar, daß sich
auch hier eine gewisse Unsicherheit bemerkbar gemacht hätte. Im
übrigen ist es müßig, darüber zu diskutieren, ob der Lysolgeruch,
der Bittermandelgeruch oder der Duft des Patchouliöles für die
Biene mehr Ähnlichkeit mit Blumengerüchen aufweist. Sahen wir
doch, daß menschliche Erfahrungen über Ähnlichkeit und Ver-
schiedenheit zweier Düfte nicht immer für die Bienen gelten
(Kapitel X).
Die Ansicht, daß die Biene solche Düfte, die ihr von Natur
aus völlig fremd sind, nicht gut erfaßt und daß durch diesen
Umstand der schlechte Dressurerfolg bei gewissen Riechstoffen zu
_ erklären sei, läßt sich also, wie mir scheint, trotz der besprochenen
Schwierigkeiten verteidigen. Ich werde aber meinen Standpunkt
in dieser Frage gerne aufgeben, wenn jemand die Tatsachen besser
zu erklären vermag.
Rückblick.
Unbewiesene Annahmen und Beobachtungen in freier Natur
bildeten das Fundament, auf welchem unsere bisherigen Anschauungen
über die biologische Bedeutung des Blütenduftes aufgebaut waren.
Hypothesen sind aber eine schlechte Grundlage für eine Theorie;
und in der freien Natur wirken auf die blumenbesuchenden Tiere
so viele Faktoren gleichzeitig ein, daß sich auch durch ausgedehnte
vergleichende Beobachtungen die. Wirksamkeit eines einzelnen
Faktors nicht sicher beurteilen läßt. Der Zweck der vorliegenden
Untersuchung war, durch experimentelle Studien über die Physiologie
des Geruchsinnes unserer wichtigsten Blütenbesucherin, der Honig-
biene, einen tieferen Einblick in die biologische Bedeutung des
Blütenduftes zu gewinnen und zugleich einen Beitrag zur Sinnes-
physiologie der Insecten zu liefern.
Die ersten Fragen, die entschieden werden mußten, waren die:
ob die Biene die Blumendüfte wahrnimmt und ob sie sich beim
Sammeln durch Duftwahrnehmungen leiten läßt. Diese Fragen sind
zu bejahen, denn die „Dressur“ auf Blumendüfte hatte. stets vollen
Erfolg.
Aber nicht nur der Duft an sich, auch die Qualität des
Duftes wird in hohem Maße beachtet. Bienen, die auf Akazienduft
Über den Geruchsinn der Bienen. 215
dressiert sind, suchen nur diesen und werden durch Rosenduft oder
Lavendelduft nicht im geringsten angelockt. Bienen, die auf den
Duft von Pomeranzenschalenöl dressiert waren, unterschieden dieses
Öl geruchlich von 43 anderen ätherischen Ölen mit voller Sicherheit
und wurden außer vom Dressurduft nur noch von einem Pomeranzen- .
schalenöl anderer Herkunft, von Bergamottöl und von Cedratöl stark
angelockt. Die genannten 3 ätherischen Öle waren die einzigen von
allen dargebotenen Duftstoffen, die auch für das menschliche Geruchs-
organ dem Dressurduft ähnlich waren; es sind auch die einzigen,
die, so wie der Dressurduft, aus den Früchten von Citrus-Arten ge-
wonnen waren, und sie haben einige für den Geruch bedeutungs-
volle chemische Komponenten mit dem Dressurduft gemeinsam. Die
Sicherheit, mit welcher die Bienen den Dressurduft und die ihm
nahestehenden Düfte aus der großen Zahl der dargebotenen Riech-
‘stoffe herauszufinden vermochten, berechtigt zu dem Schlusse, daß
sie auch beim Blütenbesuch die verschiedenartigen Blumendüfte mit
großer Bestimmtheit voneinander unterscheiden. Andererseits mub
betont werden, daß sie den Dressurduft mit den genannten anderen
Düften, die für das menschliche Geruchsorgan zwar jenem ähnlich,
aber doch mit Sicherheit von ihm unterscheidbar waren, in hohem
Grade verwechselt haben. .Ihre Leistungen in der Unterscheidung
ähnlicher Düfte haben also die Leistungen eines Durchschnitts-
menschen nicht übertroffen.
Daß gerade diejenigen ätherischen Öle, die auch für den mensch-
lichen Geruchsinn einander ähnlich waren, von den Bienen ver-
wechselt wurden, ist deshalb nicht besonders merkwürdig, weil die
betreffenden Öle nach Herkunft und chemischer Zusammensetzung
einander nahestanden. Nun gibt es aber auch Riechstoff-
paare, die für den. Menschen ähnlich oder gleich
duften, obwohl sie in ihrer chemischen Zusammen-
setzung stark voneinander abweichen. Eingehende
Versuche mit solchen Riechstoffpaaren haben gelehrt, daß manche
von ihnen trotz ihrer chemischen Verschiedenheit auch von
den Bienen miteinander verwechselt werden und daß ein gewisser
Grad von Ähnlichkeit auch für die Bienen bei all diesen Riechstoff-
paaren zu bestehen scheint. Dies deutet darauf hin, daß die
physiologischen Grundlagen des Geruchsinnes beim Menschen und
bei der Biene mehr Gemeinsames haben, als man bei Sinnesorganen,
die anatomisch derart verschieden sind, von vornherein annehmen '
möchte. Doch darf man den Geruchsinn der Biene nicht für allzu
216 Karu. v. Frisch,
menschenähnlich halten, denn im einzelnen ergeben sich beträcht-
liche Abweichungen. Manche Riechstoffe, die für unser Geruchsorgan
zwar ähnlich, aber doch leicht voneinander zu unterscheiden waren,
wurden von Bienen miteinander verwechselt, andere hingegen, die
für menschliche Geruchsorgane nicht voneinander unterscheidbar
waren, wurden von den Bienen mit großer Sicherheit unterschieden.
Die Annahme, daß die geruchliche Ähnlichkeit jener Riechstoffpaare
für.die Biene ebenso wie für den Menschen in der übereinstimmenden
innermolekularen Bindungsart der Atomgruppen begründet ist, findet
eine starke Stütze durch die Tatsache, daß Riechstoffe, bei welchen
die chemische Zusammensetzung gleich,. die innermolekulare
Bindungsart der Atomgruppen aber verschieden ist (Para- und
Metakresolmethyläther), nicht nur für den Menschen, sondern auch
für die Biene verschieden duften. |
Die guten Erfolge mit der Dressur auf Düfte, andererseits die :
von früher bekannten guten Erfolge mit der Dressur auf Farben
forderten zu vergleichenden Versuchen über die Wirk-
samkeit von Duft und Farbe heraus. Die Bienen wurden
auf Farbe und Duft zugleich dressiert, dann wurde ihnen Farbe
und Duft getrennt geboten. Die Anordnung wurde vielfach variiert.
Ohne auf die Einzelheiten zurückzukommen, erinnere ich nur an
das gesicherte, allen Versuchen gemeinsame Ergebnis, daß die Farbe
aus beträchtlicher Entfernung, der Duft erst in nächster Nähe
wahrgenommen wird, auch dann, wenn intensive Düfte verwendet
werden und wenn ein sanfter Wind den anfliegenden Bienen den
Duftstoff direkt entgegenträgt.
Diese und andere Beobachtungen legen die Vermutung nahe,
daß der Geruchsinn der Biene nicht wesentlich
schärfer ist als der desMenschen. Spezielle Versuche haben
dies bestätigt. Es wurde bei einer Reihe von Riechstoffen eine recht
genaue Übereinstimmung des Schwellenwertes für Mensch und Biene
gefunden. Die Erkennungsschwelle für die Bienen wurde bei jener
Verdünnung des Dressurduftes angenommen, die auf die Tiere nicht
mehr anlockend wirkte. Der Beweis für die Korrektheit dieses Ver-
fahrens ließ sich durch besondere Versuche erbringen.
Es wäre denkbar, daß der Geruchsinn der Biene für die Wahr-
nehmung gewisser Stoffe, die für ihr Leben von besonderer Be-
deutung sind, erheblich geschärft sei. So wurde angenommen, daß
- Nektarduft und Honigduft auf große Entfernung wirksam sei.
Dies ließ sich durch meine Versuche nicht bestätigen. Mit Honig,
Über den Geruchsinn der Bienen. OTe
der fiir das menschliche Geruchsorgan nicht oder kaum wahrnehmbar
duftet, ließen sich auch an Bienen keine positiven Resultate er-
reichen. Mit stärker duftendem Honig wurde ein Dressurerfolg
erzielt, der aber nicht entfernt an den Erfolg einer Dressur auf
Blumenduft heranreicht, wie denn auch für uns die Intensität des
Honigduftes bei diesen Versuchen erheblich hinter der Intensitit
der sonst verwendeten Blumendiifte zuriickblieb. Die Beobachtungen
der Autoren, aus welchen auf eine Fernwirkung des Honigduftes
geschlossen wurde, lassen sich auf andere Weise erklären.
Der Honigduft ist wahrscheinlich im wesentlichen nichts anderes
als vom Nektar absorbierter Bliitenduft, und so ist es durchaus
verständlich, daß er auf die Bienen nicht anders wirkt als ein ent-
sprechend schwacher Blumenduft.
Nach Erfahrungen, die man an gewissen anderen Insecten gemacht
hat, stünde der Annahme nichts im Wege, daß manche Blüten, die
uns duftlos erscheinen, für die Bienen stark riechen. Dies wurde
insbesondere für die unscheinbaren .Blüten des wilden Weines
postuliert. Es ließ sich aber nachweisen, daß diese Blüten für die
Bienen ebenso wenig wie für uns einen deutlichen Geruch ent-
wickeln. Dasselbe Ergebnis hatten Versuche mit Heidelbeerblüten
und mit. den Blüten der roten Johannisbeere. Außer den genannten.
3 Pflanzenarten gibt es nur noch wenige, deren Blüten zugleich
unscheinbar und duftlos sind und doch von Bienen besucht werden.
In diesen Fällen handelt es sich um Bäume oder Sträucher oder
um Pflanzen, die in ausgedehnten, geschlossenen Beständen wachsen,
wodurch den Bienen das Auffinden der Blüten sehr erleichtert ist.
Haben die Bienen die Fähigkeit, einen Duft, auf den sie
dressiert sind, von andersartigen, daneben dargebotenen Düften
sicher zu unterscheiden, so war nun auch die Frage von Interesse,
inwieweit sie imstande seien, den Dressurduft aus einem Gemisch
von Düften herauszuriechen. Es scheint, daß sie hierin den Durch-
schnittsmenschen übertreffen. Doch bedarf es besonderer Versuchs-
anordnungen, damit dies zum Ausdrucke kommt. Bietet man einfach
den auf einen bestimmten Duft dressierten Bienen ein Gemisch des
Dressurduftes mit einem fremden Duft dar, so genügt schon eine
recht geringfügige Beimengung des fremden Duftes, den sie von der
Dressur her nicht gewöhnt sind, um die anlockende Wirkung des
Dressurduftes wesentlich zu beeinträchtigen. Dies ist bei Betrach-
tungen über die biologische Bedeutung des Blütenduftes nicht außer
acht zu lassen. Denn der Duft zerstreut stehender Blumen wird,
218 Karu v. Frisch,
auch wenn er intensiv ist, nur in der nächsten Umgebung der Blüte
rein und unvermischt zur Geltung kommen.
Man hat die biologische Bedeutung des Blütenduftes
bisher darin erblickt, daß er ein Lockmittel für die Blütengäste sei.
Dies ist nur zum Teil richtig, und vor allem ist seine Bedeutung hiermit
nicht erschöpfend charakterisiert. Als Lockmittel kommt der Blüten-
duft für Fliegen, Käfer und andere nieder organisierte Blumengäste
sowie für manche Schmetterlinge in Betracht. Ein Lockmittel kann
er für jene Bienen sein, die auf die Suche gehen, um neue Nahrungs-
quellen aufzuspüren, aber er kann sie nach all unseren Erfahrungen
nur selten aus beträchtlicher Entfernung, meist erst in nächster
Nähe auf die Blüten aufmerksam machen. Hat eine Biene in den
Blüten einer bestimmten Pflanzenart eine ergiebige Nahrungsquelle
gefunden, so holt sie andere Tiere ihres Stockes herbei, und diese
besuchen nun sehr stetig andauernd die Blüten der gleichen Pflanzen-
art, die sie von anderen Blüten mit großer Sicherheit unterscheiden.
Indem sie da, wo wir eine Fülle von Farbennuancen erkennen, nur
„gelbe“, „blaue“ und weiße Blumen sehen, bedürfen sie in besonderem
Maße noch anderer Merkmale, um die verschiedenen Blüten aus-
einanderhalten zu können. Und darin liegt eine wesentliche Be-
deutung des Blumenduftes: daß durch die Fülle verschiedenartiger,
für die Pflanzenarten charakteristischer Düfte den Bienen und anderen
blumensteten Insecten die Unterscheidung der gesuchten Blumen
von den Blüten anderer Arten und das sichere Erkennen der gleich-
artigen Blüten erleichtert, ja manchmal erst ermöglicht wird. Der
Blütenduft ist ein Merkzeichen für die Bienen, und vielleicht das
wichtigste Merkzeichen, welches die Blüte besitzt.
Wenn wir dies bedenken, wird es verständlich, daß die Bienen
einen Duft, auf den sie nur kurze Zeit dressiert worden sind, viele
Tage, ja sogar Wochen lang im Gedächtnis behalten können.
Es scheint mir für die psychischen Vorgänge in diesen hoch-
organisierten, zu den kompliziertesten Instinkthandlungen befähigten
Insecten bezeichnend zu sein, daß sie Blumendüfte so rasch zu er-
fassen und zu verwerten vermögen, daß sie hingegen bei Dressur-
versuchen mit faulig riechenden Substanzen fast völlig
versagten. Auch mit gewissen anderen Riechstoffen ließen sich nur
schlechte Dressurerfolge erzielen. Durch besondere Versuche ließ sich
zeigen, dab diese Stoffe für die Bienen nicht etwa geruchlos waren
oder nur schwach dufteten. Ich sehe keine andere Erklärung, als dab
es Gerüche sind, die für die Bienen seit ungezählten Generationen be-
Über den Geruchsinn der Bienen. 219
deutungslos waren und auf die zu achten sie nicht gewohnt sind.
Ebenso hatten sie Formen, die an Blütenformen erinnerten, leicht
unterscheiden gelernt, wogegen die Dressur auf geometrische Figuren
“ zu einem völligen Mißerfolg führte.
Im ganzen finden wir für den Geruchsinn der Bienen eine so
weitgehende Übereinstimmung mit dem Geruchsinn des Menschen,
wie ich es nie erwartet hätte. Alle 32 Riechstoffe, auf welche die
Bienen dressiert wurden, durften nicht nur für uns, sondern auch für
sie. Alle geprüften Stoffe, die für uns duftlos sind (Paraffinöl, Wasser,
Blüten und Blätter des wilden Weines, Blüten der Heidelbeere, der
roten Johannisbeere), sind auch für die Bienen duftlos. Für uns stark
riechende Substanzen duften auch für die Bienen stark und um-
gekehrt, ja wir haben für die Riechschärfe beider, Lebewesen bei
einer Reihe von Düften angenähert die gleichen Werte gefunden.
Düfte, die für uns ähnlich sind, wurden auch von den Bienen mit-
einander verwechselt, ja dies gilt in gewissem Maße sogar für
Riechstoffpaare, die für uns trotz beträchtlicher Ver-
schiedenheit in ihrer chemischen Zusammensetzung
‚ ähnlich duften. Auch die Versuche mit Mischgerüchen haben keine
wesentlichen Differenzen aufgedeckt. So können wir denn die
biologische Bedeutung des Blütenduftes weit sicherer beurteilen, als
es bisher möglich war.
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SPRENGEL, CHRISTIAN KONRAD, Das entdeckte Geheimniss der
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1793: |
THOMÉ, Flora von: Deutschland, 2. Aufl.
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WERY, JOSEPHINE, Quelques expériences sur l’attraction des
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ZANDER, E., Das Geruchsvermögen der Bienen, in: Biol. Ctrbl.,
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—, Geruch und Geschmack, in: TIGERSTEDT, Handb. physiol.
Methodik, Vol. 3, Abt. 1, p. 46—108.
226 | Karu v. Frison,
Autorenregister.
ANDREAE 6, 7
BENNETT 161, 166
V. BERLEPSCH 21, 161, 197
BETHE 6
BONNIER 3, 103, 160
BOULGER 6
BuLMAN 161, 166
v. BuUTTEL-REEPEN 6, 7, 74, 107,
109, 196
Curisty 161, 166
DazLaA-TORRE 161
DARWIN 2
DETTO 6,7, 161,163
v. DOBKIEWICZ 7
DONHOFF 8
DOFLEIN 87
EXNER 24
FABRE 87
FockeE 6, 163, 166
Foren 6, 7,87, 108, 109, 160
v. Frisch 3, 30, 53, 98, 162, 209
GILDEMEISTER 37, 172, 185, 211,
213
GILTAY 7, 109
“HEINE u. Co. 37
HENNING 118, 169
HERING 56, 80, 98
v. Hess 3, 53, 54
HESSE, A. 17
HESSE, 087)
HOFFMANN 37, 172, 185, 211, 213
KERNERA, 5, 85, 86, 92, 96, 98,
102, 103, 158, 166, 272
KIENITZ-GERLOFF 7
KIRCHNER 104
KNOLL 163
KNUTH 6, 96, 98, 103, 104, 105,
106, 161, 212
KOLREUTER 2
KRANICHFELD 161
KRONFELD 161
LoveEun 7
LuBBock 8, 109
MasEwsk1 169
McInpoo 8
Mryer, H. H. 170, 174
MULLER, HERMANN 5, 54, 55, 161
NEGER 161
PEREZ 161
PLATEAU 3, 6, 7, 8, 103, 104,
105, 107, 109, 161, 166
Über den Geruchsinn der Bienen. 997
REEKER 7 | | SPRENGEL 2, 3, 6, 8, 106
RICHARDT 37 STANDFUSS 87
RIETZSCHEL 56
RuPE 169 | TIGERSTEDT 14
ScHENK 6 Wier 6, 7
SCHIMMEL & Co. 9, 19, 126, 174, | V: WETTSTEIN 105, 211
185 WINKLER & WAGNER 170
SCHMOLLER & BoMPARD 9, 18, 37,
46, 170, 172 ZANDER 6, 7, 86, 108, 109
SCHRÖDER 6 ZWAARDEMAKER 65, 118, 119, 125
15*
228 Karu’ v. Frisch
Sachregister.
Aasfliegen als Blütengäste 5, 158, 212
Aasgeruch bei Bliiten 5, 158, 212
Aaskäfer als Blütengäste 5, 158,
212
Acacia 25
— Cavenia 18, 38
— Farnesiana 18, 38
Acer campestre 104
— platanoides 104, 105
— Pseudoplatanus 104, 105
Adonis aestivaiis 85
— flammea 85
Ähnlichkeit von Amylacetat mit
Methylheptenon 181, 182
Se Nolan und
Nerolin 174ff., 192
— Bromstyrol und Phenylacet-
aldehyd 184
— Isobutylbenzoat und Salicylsäure-
amylester 188, 192
— Mirbanol und Bittermandelôl
169#., 182, 192
— Para- und Meta-Kresolmethyl-
äther 189—192
— Pomeranzenschalen-, Cedrat- und
_ Bergamottöl 45, 52, 168, 182
ätherische Ole 17, 19
Ahornblüten 104, 106
Akazienduft als Dressurduft 25, 26,
35, 36, 82
Alkohol-Extrakte 38
Allyleyanid, in Senföl 42
Allylsenföl, in Senföl 42
Alraun 104
Amaryllis 85
Ameisen als Blütengäste 212
Amorphophallus Titanum 212
Ampelopsis quinquefolia 86 ff., 104,
105
Amygdalin 38
Amylacetat 53, 132, 179, 211
—, Ahnlichkeit mit Methylheptenon
181, 182
— als Dressurduft 179—182
— als Vergleichsduft 183, 184
Anethol 37, 39, 42
Anisduft 28, 39, 42, 206
Anlockung von Bienen durch Blüten-
duft 159, 163, 164
— durch Honig 19
Anlockung von Schmetterlings-
männchen durch Duft der Weib-
chen 87
Anthocyan 98
Anthranilsäuremethylester 53, 174,
211
—, Ähnlichkeit mit Nerolin 174 ff.
192
— als Dressurduft 174—178
—, in Jasminblütenöl 39
Über den Geruchsinn der Bienen. 229
Anthranilsäuremethylester, in
Orangenblütenôl 41
— , in Pomeranzenschalenöl 41
—, in Tuberosenblütenöl 42
Anzahl der Bienen am Futterglase
20°21,.193
— am Futterplatz 20, 21
Apis mellifica 10
Apium graveolens 41
Aprikosenkerne 38
Arisaema filiforme 212
— japonicum 212
Aristolochia grandiflora 213
Aristolochineen 212
Aroideen 5, 158, 212
Artemisia Dracunculus 39
Arum 212 ©
Asarum 211
— europaeum 211
Asklepiadeen 212
Asparagus amarus 104
— officinalis 104
Asperula capitata 4
Atomgruppen, osmophore 169
Axalea Indica 85
Balanophora elongata 212
Balanophoreen 212
Basilicumél 37, 164
— als Vergleichsduft 44, 45,
179—182
Beinbrech 104
Beine, Haltung im Fluge 21, 22
Benzaldehyd 169, 172, 174, 213
—, in Bittermandelöl 38
—, in Kirschlorbeeröl 40
Benzoesäure 174
Benzylacetat, in Jasminblütenöl 39
Benzylalkohol, in Jasminblütenöl 39
—, in Tuberosenblütenöl 42
Benzylbenzoat, in Tuberosenblütenöl
42
. Bergamottöl 37, 47, 52, 168, 182
— als Vergleichsduft 43, 44, 49 —52,
177, 178, 183, 184, 189 —191
Besenstrauch 4
Bienengeruch (Eigengeruch der B.)
12, 14, 15, 34, 88, 208
Bienengeruch (Eigengeruch der B.)
als Fehlerquelle 31
— —, Dressur auf 31 ff.
— — Wahrnehmbarkeit für den
Menschen 33
biologische Bedeutung des Blüten-
duftes 158 ff.
Bitterfenchelöl 39 |
Bittermandelöl, Ahnlichkeit mit
Mirbanöl 169 f., 182, 192
—, echt 37, 169
—, — als Vergleichsduft 44, 45,
221,172
, künstlich 172
—, — als Vergleichsduft 173,
179182
Blatter des wilden Weines 96, 97
—, Duft als Lockmittel 96, 209
Blau als Dressurfarbe 56—67, 81 ff.
Blausäure 169, 172, 174
—, in Bittermandelöl 38
—, in Kirschlorbeeröl 40
Blütenduft als Lockmittel 158, 159,
163, 164
— als Merkzeichen 160, 161, 162,
164, 195
—, Beziehung zur Flugzeit der
Insecten 4
—, biologische Bedeutung 158 ff.
—, Produktion durch d. Blumen-
blätter 106, 107
—, Schwängerung von Paraffinöl
mit 18
—, Stellvertretung durch Farbe 85,
86
— und Blütenfarbe, Vergleich der
Wirksamkeit 5, 6, 53 ff., 166, 167
— und Nektarduft 107—109
—, Veränderung nach dem Pflücken
der Bliiten 17
—, verschiedene Qualität je nach
den Besuchern 4, 5, 212
— , Verschiedenheit bei ähnlichen
Arten 165 «
—, Wahrnehmung aus der Ferne
5, 6, 23, vgl. 56—78, 86, 107,
192..159, 162
Blütenfarben 3, 162, 163, 166
230 Karu v. Frisch,
Blütenfarben und Blütenduft, Ver-
gleich der Wirksamkeit 5, 6, 53 ff.,
166, 167
Blüten-Pomaden 38
Blumenduft s. Blütenduft
Blumenfarben 3, 162, 163, 166
— und Blumenduft, Vergleich der
Wirksamkeit 5, 6, 53f., 166,
167
Blumen-Pomaden 38
Blumenstetigkeit 161, 162, 166, 209
l-Borneol, in Citronellöl 38
Borneol, in Rosmarinöl 41
Brassica juncea 42
— mgra 42
Bromstyrol 53, 183, 211
—, PTE ae Phenylacct-
aldehyd 184
— als Dressurduft 79; 126—131,
148—152, 183, 184
— als Vergleichsduft 153—155,
175-178, 186—191, 200
—, minimum perceptibile (Biene)
131
—, — — (Mensch) 131 |
—, Mischung mit Methylheptenon
147 ff.
Brugmansia 212
Brunella vulgaris 164
Bulbophyllum Beccarii 213
Cadinen, in Wacholderbeeröl 42
Cajeputöl 38, 206
— als Vergleichsduft 43, 44, 206
Camellia Japonica 85
Camphen, in Citronellöl 39
—, in Orangenblütenöl 41
—, in Rosmarinöl 41
—, in Cypressenöl 39
—, in Wacholderbeeröl 42
Campher, in Lavendelél 40
—, in’Rosmarinöl 41
Carvacrol, in Thymianöl 42
Cassiaöl 42
Cassieblütenöl 18, 38, 210, 213
— als Dressurduft 25, 26, 35, 36, 82
— als Vergleichsduft 44, 45
Cassie-Pomade 38
Cedratöl 38, 46,47,52,168, 182,210
— als Vergleichsduft 43, 44,
49 —52
Centaurea cyanus 85
Chassis 18, 38
chemische Konstitution der Riech-
stoffe 169
Cireol, in Cajeputöl 38
—, in Eucalyptusöl 39
—, in Myrtenöl 40
—, in Pfefferminzöl 41
—, in Rosmarinöl 41
Cinnamomum Cassia 42
Citral, in Cedratöl 38
—, in Verbenaöl 42
Citronellal, in Citronellöl 38
Citronellerad 38
Citronellöl 38, 210
— als De 44, 45
Citrenellol, in Geraniumöl 39
Citrus Auranlium 18, 37, 41, 46
— Bigaradia 40
— medica 38, 46
Convolvulus arvensis 5
— sepium 5
Cruciferen 6 |
Cumarin, Erkennungsschwelle 125
—, in Lavendelöl 40
Cupressus sempervirens 39
Cymbopogon Nardus 38 -
Cypressenöl 39
— als Vergleichsduft 44, 45
Dahlienblüten, FOREL’s
ment 7
Daphne alpina 165
— Blagayana 165
— Philippi 4, 165
— striata 165
Darbieten des Zuckerwassers 15, 16
Darstellung der Riechstoffe 17 ff.
Dauer der Dressur 25
—, Einfluß auf Sicherheit der Duft-
‚unterscheidung 52
n-Decylaldehyd, in Pomeranzen-
schalenöl 41
Diffusionsgeschwindigkeit der Düfte
64, 65
Experi-
Über den Geruchsinn der Bienen.
Dipenten, in Citronellöl 39
—, in Myrtenöl 40
—, in Orangenblütenöl 41
Distanz der Duftwirkung 5, 6, 23,
56—78, 86, 87, 107-109, 117,
157, 159, 162, 165, 194, 195
— nn Bob Be 78
Dracunculus Creticus 5, 158
Dressur an mehreren Plätzen gleich-
zeitig 21
— auf Akazienduft 25, 26, 35, 36, 82
— Amylacetat 179—182
— Anthranilsäuremethylester 174
bis 178 |
— Bienengeruch 31 ff.
— Blatter des wilden Weines 96, 97
— Blau 56—67 |
Blüten des wildenW eines 88—95
Bromstyrol 79, 126—131, 148
bis 152, 183, 184
Cassieblütenöl 25, 26, 35, 36
Fenchelöl (süß) 67, 69—71
— Gelb 68—77
— Geraniumöl 28, 29
Heidelbeerblüten 98—101
Honigduft 109—117
Jasminblütenöl 20—25, 37,
bis 67
— J didadisieosilaten 101
— Isobutylbenzoat 79, 185—188
— Lysol 193—195
— Methylheptenon 132—138, 153
bis 157
— Mirbanöl 170—173
— Narzissenbliiten 102
— Orangenblütenôl 26—28,
- bis 69, 73—78, 202, 203
— Paraffinöl 34
— Para-Kresolmethyläther 189 bis
192
— Patchouliöl 204—206; vgl. auch
S. 206—208
— Phlox-Bliiten 94, 95
— Pomeranzenschalenöl (Messina)
42—52
— Resedabliiten 95, 96
— Resedablütenöl 55—58
— Schwefelkohlenstoff 196—198
59
67
231
Dressur auf Skatol 198 — 202; vel.
auch S. 202—204
— Sternanisöl 28, 206f.
— Tuberosenblütenöl 71, 72, 81
bis 83, 119—125, 140—-144
— Be Jasmin- Gemisch 145,
146
- — Verbenaöl 29, 203
— Weinblätter 96, 97
— Weinbliiten 88—93
— Zuckerwassergeruch 31
Dressurdauer 25.
—, Einfluß auf Sicherheit der Duft-
unterscheidung 52
Dressurdiifte, Ubersicht 210— 213.
Dressurfarbe im Innern der Käst-
chen 72 ff.
Dressurmethode 10, 15
Drohnen, Riechscharfe 139
Duft der Blüten s. Blütenduft
Duftbänkchen 10
Duftintensität, Einfluß auf die Fre-
quenz 57, 67, 78 |
duftlose Blüten 3, 55, 86, 93, 96
bis 101, 102—106, 217
— —, Augenfälligkeit 85, 86
Duftmischung 139 ff.
Duftstoffe, zur Dressur verwendete
178.
Duftträger 13, 23
—, Reinigung 15
Eau de Cologne 8
Eichenspinner 87
Eigengeruch der Bienen 12, 14, 15,
34, 88, 208
— — als Fehlerquelle 31
—, Dressur auf 31 ff.
— —, Wahrnehmbarkeit fiir d.
Menschen 33
— der Kartonkästchen 12
Elaeagnus angustifolia 85
Enfleurage & chaud 18
Enfleurage à froid 17, 18
Entfernung, aus welcher der Duft
wahrgenommen wird 5, 6, 23,
56—78, 86, 87, 107—109, 117,
157, 159, 162, 165, 194, 195
232
Epheu 85
Erinnerungsvermögen an Düfte 79,
80, 187, 188
— an Farben 78
—, vergleichende Versuche mit Duft
u. Farbe 80—85
Erkennungsschwelle für die Biene,
Bromstyrol 131
—, Methylheptenon 134—138
—, Tuberosenduft 125
Erkennungsschwelle f. d. Menschen,
Bromstyrol 131
—, Methylheptenon 139
—, Tuberosenduft 125
Ermiidung des Geruchsinnes 115,
117
Estragonöl 39
— als Vergleichsduft 44, 45
Hucalyptus Globulus 39 .
Eucalyptusöl 39
— als Vergleichsduft 44, 45
Eugenia caryophyllata 40
Eugenol, in Nelkenöl 40
Euphorbia amygdaloides 104
— virgata 104
Extraits 38
Fäulnisgeruch als Dressurduft 196ff.,
198 ff.
— bei Blüten 5, 158, 212
Farben, Darbietung im Innern der
Kästchen 72 ff.
— der Blumen 3, 162, 163, 166
— und Duft der Blumen, Vergleich
der Wirksamkeit 5, 6, 53 ff.
. —, Wahrnehmung aus der Ferne
56—78
Farbenserie 56
Farbensinn der Biene 53, 56, 84,
162
Faulbaum 105, 106
Fayancekästchen 12, 13
Fehlerquellen 20, 30, 31, 45, 85
Feinheit des Geruchsinnes der Biene
35, 37, 46, 47, 145, 146, 157
Fenchel 39
Fenchelöl, bitter 39, 210
Kare v. Frisch,
Fenchelöl, bitter als Vergleichsduft
44, 45, 172,178, I77 cas
189—191
—, süß 39, 201, 210
—, — als Dressurduft 67, 69-71
—, — als Vergleichsduft 43, 44,
49, 50, 173, 179—182
Fernwahrnehmung der Farben 56.
bis 78
— des Duftes 5, 6, 23, 56—78,
86, 87, 107—109, APE
159, 162, 165, 194, 195
Flasche fiir Zuckerwasser 16
Fliegen, Bliitenbesuch 5, 103, 104,
106, 158, 161 21), az
—, Riechschärfe 6
Fliegenblumen 211—213
Foeniculum vulgare 39
Form der Blüten 162
Formensinn 209
Frequenz der Kästchen, Abhängig-
keit von Duftintensität 57, 67, 78
Fruchtgeruch 179
Fühler als Sitz des Geruchsinnes 8
Futter, Darbietung 15, 16
Futterglas 16
Gamander 104
Gedächtnis für Düfte 79, 80, 187,
188
— für Farben 78
—, vergleichende Versuche mit Duft
und Farbe 80—85
Geißblatt 4
Gelb als Dressurfarbe 68—77
Gemisch Tuberose - Jasmin als
Dressurduft 145, 146
Gentiana acaulis 85
— Bavarica 85
— verna 85
Geraniol, in Citronellél 38
—,,in Geraniumöl 39
—, in Lavendelöl 40
—, in Rosenblütenöl 41
Geraniumöl als Dressurduft 28, 29
—, Grasse 39, 164, 165, 197, 207,
208, 210
—, — als Vergleichsduft 44, 45
Uber den Geruchsinn der Bienen.
Geraniumöl, Reunion 39, 210
—, — als Vergleichsduft 44, 45
geruchlose Blüten 3, 55, 86, 93,
96—101, 102—106
Geruchsinn, Schärfe 6, 86, 87,
107—109, 117, 118, 139, 159
=, Sıtz 8
Geruchsmischung 139 ff.
Giftigkeit des Mirbanöls 171
— Schwefelkohlenstoffs 196, 197
Glasgefäß zur Bienenfütterung 16
Gleditschia triacanthos 85, 104
Gurkenöl 39 . |
— als Vergleichsduft 44, 45, 206
Gymmadenia conopea 165
— odoratissima 165
Hedera Helix 85
Heidehonig 115—117
Heidelbeerbliiten, Dressur auf 98
bis TO
Heidelbeere 97, 98, 103, 104, 106
—, Bliitenbesuch 98
Helleborus viridis 104
Hemerocallis 85
Hesperis matronalis 4
— tristis 4, 85
Honig 107 _
—, angeblich gutes Witterungs-
vermögen für 107—109, 117
—, Anlockung der Bienen mit 19,
109
—, Findigkeit im Aufspüren von 7
Honigblase, Einfluß der Füllung
auf die Beinhaltung 21, 22
Honigduft 108, 117, 118, 164
—, Dressur auf 109—117
Honigmenge, Einfluß auf Insecten-
besuch 55, 107, 160, 161
Hydnora Johannis 212
Hydnoreen 212
Tilicium 28, 42
Individuelle Unterschiede der psy-
chischen Fähigkeiten 74
— — der Riechschärfe 125, 131
Indol, in Jasminblütenöl 39
Insectenblüter 2
233
Intensität des Duftes, Einfluß auf
die Frequenz 57, 67, 78
Iris 40
Irisine 40
— als Vergleichsduft 44, 45
Irisöl 40
— als Vergleichsduft 43, 44
Iron, in Irisöl 40
Isoamylalkohol, in Pfefferminzöl 41
Isobutylbenzoat 185, 211, 213
—, Ahnlichkeit mit Salicylsäure-
amylester 188, 192
— als Dressurduft 79, 185—188
— als Vergleichsduft 183, 184
Isothiocyanallyl, in Senföl 42
Isovaleraldehyd, in Pfefferminzöl 41
Jasmin-Tuberosegemisch alsDressur-
duft 145, 146
Jasminblütenöl 18, 39, 147, 152,
156, 157, 163, 210, 213
— als Dressurduft 20—25,
59—67
— als Vergleichsduft 44, 45, 120
bis 124, 140—147
Jasminum grandiflorum 18, 39
Jasmon, in Jasminblütenöl 39
Johannisbeerblüten, Dressur auf 101
Johannisbeere 97, 104, 106
Jonquille 39
Jonquilleextrakt als Vergleichsduft
44, 45
Juniperus 41
— communis 42
37,
Käfer, Blütenbesuch 5, 158, 161,
212
Kästchen aus Karton 10, 15
— aus Steingut 12, 13, 15
Kamelie 85
Kampferlösung, Erkennungsschwelle
125
Kartongeruch 12
Kartonkästchen 10, 15
—, Eigengeruch 12
Kesselfallenblumen 212
Ketone, in Cassieblütenöl 38
Kirschlorbeer 40
_
234 | Kary v. Friscu,
Kirschlorbeeröl 40
— als Vergleichsduft 44, 45
Klee 4
Klemmfallenblumen 212
Kôniginnenduft 139
Konkurrenz zwischen Farbe und
Duft 55ff., 81 ff. |
Konstitution der Riechstoffe 169
. Kornblume 85
Korrelation zwischen Nahrungs-
menge und Insectenbesuch 15,
55, 107,. 160, 161
Kresol 193, 213
—, in Cassieblütenöl 38, 213
Läusekraut 85
Lasiocampa quercus 87
Laub, Geruch als Lockmittel 96
Tavanduls Spica 40
— vera 40
Lavendel 40, 96
Lavendelessenz 8
Lavendelöl 40, 210
— als Vergleichsduft 35, 36, 43,
44, 49, 50, 173.
ende aye 6
Lernvermégen der Biene 73, 74,
208, 209
ee: 46
— , in Bergamottöl 37
—, in Cedratôl 38
—, in Citronellöl 39
—, in Pomeranzenschalenöl 41
Linalool 46
—, in Basilicumöl 37
in Bergamottöl 37
in Jasminblütenöl 39
in -Lavendelöl 40
in Orangenblütenöl 41
in Pomeranzenschalenöl 41
I-Liralylacetat in Bergamottöl 37
—, in Jasminblütenöl 39
—, in Lavendelöl 40
—, in Orangenblütenöl 41
Lindenduft 104, 159, 162
Lippia eitriodora 29, 42
Lockmittel, Blütenduft als 158, 159,
163, 164
Lonicera caprifolium 4
— Elrusca 4
— grata 4
— Periclymenum 4
Lycium barbarum 160
Lysol 193, 208, 211, 213, 214
— als Dressurduft 193—195
Majoran 96
Majorana hortensis 40
Majoranöl 40, 210
—, cult., als Vergleichsduft 43, 44
—, wild, als Vergleichsduft 44, 45,
175—178, 183, 184, 186—191,
200
Mandragora vernalis 104
Mannigfaltigkeit der Blütendüfte 162 —
Markierung der Bienen 21, 74
Melaleuca 38
Mentha, Geruch der Blatter 96
— piperila 41
‘ Menthol, in Pfefferminzöl 4i
l-Menthon, in Majoranöl 40
Menthon, in Pfefferminzöl 41.
Merkzeichen, Blütenduft als 160,
161, 162, 164, 195
Meta-Kresolmethyläther 189
— als Vergleichsduft 189—191
—, Verwechslung mit Para-Kresol-
methyläther 189—192
Methode, allgem. 10ff., 19 ff.
p-Methoxyallylphenol, in Basilicumöl
37
—, in Estragonöl 39
Methylchavicol, in Basilicumöl 37
—, in Estragonöl 39
Methyleugenol, in Citronellöl 39
Methylheptenon 179, 211
—, Ahnlichkeit mit Amylacetat
181, 182
— als Dressurduft 132—138, 153
bis 157
— als Vergleichsduft 148—152,
179—182, 186
—, in Citronellöl 39
—, minimum perceptibile (Biene)
134—138
—, — — (Mensch) 139
Über den Geruchsinn der Bienen. 235
Methylheptenon, Mischung mit
Bromstyrol 147 ff.
ß-Methylindol 198
Minimum perceptibile 118, 131,
132, 138
Mirbanöl 53, 169, 211, 213
—, Ahnlichkeit mit Bittermandelöl
109%, 182,192
— als Dressurduft 170 — 173
—, Giftigkeit 171
Mischgerüche 139 ff.
Mistel 104
Molekularbau der Riechstoffe 169
Myrtenöl 40
— als Vergleichsduft 43, 44
Myrtenol, in Myrtenöl 40
Myrtus communis 40
Nachahmungstrieb als Fehlerquelle
30
Nachtpfauenaugen 87
Nachtviole 4
Nahrungsmenge, Einfluß aufInsecten-
besuch 15, 55, 107, 160, 161
B-Naphtholmethyläther 174
Narcissus Jonquilla 39
— poeticus 210
— —, Dressur 102
Narthecium ossifragun 104
Narzissenduft, Dressur 102
Nektar als Lockmittel der Bliiten 2
—, angeblich gutes . Witterungs-
vermögen für 107—109, 117
—, Beziehung zum Blütenduft 106,
FORT LES
Nektarduft 106—109, 117
Nektarmenge, Einfluß auf Insecten-
besuch 55, 107, 160, 161
Nelkenbaum 40
Nelkenöl 40 ©
— als Vergleichsduft 44, 45, 173,
206 | |
Nerol, in Lavendelöl 40
Nerolin 174, 211
—, Ahnlichkeit mit Anthranilsäure-
methylester 174 ff., 192
Nieswurz 104
Nitrobenzol 169, 170, 174
Nonylaldehyd, in Rosenblütenöl 41
n-Nonylalkohol, in Pomeranzen-
schalenöl 41 ’
Norm der Geruchsschirfe 119
Ocimum Basilicum 37
Öle, ätherische 17, 19
—, Gewinnung der wohlriechenden
18
—, wohlriechende 25
Oleaster 85
Orangenbliitenextrakt als Vergleichs-
duft 43, 44, 50—52
Orangenbliitenédl 18, 40, 174, 210
— als Dressurduft 26— 28, 67 —69,
73 —78, 202, 203
— als Vergleichsduft 44, 45
Orchideen 185, 213
Orchis coriophora 165
— fragans 165
Ornithogalum pyrenaicum 105
Orthoamidobenzoesäuremethylester
174 , |
osmophore Gruppen 169
Paraffinôl, Dressur auf reines 34
—, z. Gewinnung wohlr. Öle 18
— zur Verdünnung von Riech-
stoffen 119 ff.
Para-Kresolmethyläther 53, 189, 211
— als Dressurduft 189—191
—, Verwechslung mit Meta-Kresol-
methyläther 189—192
Parnassia palustris 4
Patchouliöl 41, 164, 165, 211, 213,
214
— als Dressurduft 204—206; vgl.
auch S. 206— 208
— als Vergleichsduft 44, 45
— , Nachweis der Wahrnehmbarkeit
206--208
Pausen zwischen den Versuchen 26
Pedicularis incarnata 85
— rostrata 85
Pelargonium atrum 4, 85
— capitatum 39
— odoratissimum 28, 39
— triste 4, 85
236 Karu v. Frisch,
Pelargoniumöl 39
Perückenstrauch 105, 106
Petunia violacea 4
— viscosa 4
Pfefferminzöl 8, 41, 164, 165, 210
— als Vergleichsduft 44, 45
d-a-Phellandren, in Bitterfenchelöl
39
Phenylacetaldehyd 183
—, Ahnlichkeit mit Bromstyrol 184
— als Vergleichsduft 175—178,
' 183, 184, 186—191, 200
Phenyläthylalkohol, in Geraniumöl
ea
—, in Rosenblütenöl 41
Phenyläthylen 126
Phlox paniculata 210
— —, Dressur 94, 95
Pinen, in Myrtenöl 40
—, in Orangenblütenöl 41
—, in Pfefferminzöl 41
—, in Rosmarinöl 41
—, in Wacholderbeeröl 42
Pipetten 23
Platanthera bifolia 4, 165
— montana 165
Platzwechsel des Dressurkästchens
22
Pogostemon Patchouli 41, 204, 211
Polianthes tuberosa 18, 42
Pomaden 38 1
Pomeranzenschalenöl, Ahnlichkeit
mit Cedrat- und Bergamottöl 45,
52, 168, 182
— (Messina) 37, 41, 163, 168, 210
— — als Dressurduft 42 — 52
— (spanisch) als Vergleichsduft 43,
44, 48, 5], 52, 173, 175—184,
187, 188, 200
Primula Auricula 166
— Lehmanni 166
Prulaurasin 40
Prunus Armeniaca 38
— Laurocerasus 40
Psychologie der Biene 73, 74,
193 ff., 218
Pulegon, in Majoranöl 40
Qualität des Blütenduftes, Änderung
nach dem Pflücken 17
—, Beziehung zu den Besuchern 4, 5 .
Rafflesia 212
Rafflesiaceen 212
Rapsfelder 107, 159
Raubbienen 21
Reflexmaschine 74
Reinigung der Duftträger 15
— der Steingutkästchen 14, 15
Reizschwellenbestimmung am Men-
schen 125
Reseda odorata 18, 85, 210
— —, Dressur auf die Blüten 95, 96
Resedablütenöl 18, 147, 210
— als Dressurduft 55—58
— als Vergleichsduft 37, 66, 67, 144
Resedaextrakt 41
— als Vergleichsduft 44, 45, 48
Rhamnus Frangula 105
Rhus Cotinus 105
Ribes grossularia 104
— nigrum 104
— rubrum 97, 101, 104
Riechmesser 125
Riechschirfe 6, 86, 87, 107—109,
117, 11S; 139-159
Riechstoffe, chemische Konstitution
169
—, Übersicht der zur Dressur ver-
wendeten 210—213
Riechstoffgewinnung 17 ff.
Rosa alpina 165
— arvensis 165
— canina 165
— centifolia 18, 165
— cinnamomea 165
— (Gallica 165
— Indica 165
— moschata 165
— pimpinellifolia 165
— Thea 165
Rosenblütenöl 18
— als Vergleichsduft 35, 36
Rosenextrakt 41
— als Vergleichsduft 44, 45
Rosenwasser 8
Über den Geruchsinn der Bienen. 23
Rosmarinöl 41, 164
— als Vergleichsduft 44, 45
Rosmarinus officinalıs 41.
Ruta graveolens 96
Sabinol, in Sadebaumöl 41
Sadebaumöl 41 |
— als Vergleichsduft 44, 45, 177,
178, 206
Saftmal 6, 162
Salbeiessenz 8
nn hayiedien 189...
—, Ähnlichkeit mit Isobutylbenzoat
188, 192
— als Vergleichsduft 185—188
Salicylsäuremethylester, in Cassie- _
blütenöl 38
—, in Tuberosenblütenöl 49
Sambucus 165
Sammler 159, 160, 161, 163
Sandelholzöl 41
— als Vergleichsduft 44, 45
Santalol, in Sandelholzöl 41
Santalum album 41
Satureia Calamintha 40
_ Saturnia carpint 87
— pavonia 87
Schärfe des Geruchsinnes 6, 86, 87,
107—109, 117, 118, 139, 159
Schmetterlinge, Duft derWeibchen87
Schwefelkohlenstoff 213
— als Dressurduft 196—198
—, in Senföl 42 °
Schwellenwert siehe Erkennungs-
schwelle
Schwerpunkt des Bienenkörpers,
Verlagerung durch Füllung der |
Honigblase 21, 22:
Scrofularıa nodosa 105
Sedanolid, in Sellerieöl 41
Sedanonsäureanhydrid,inSellerieöl41
Seidelbast 4, 165
Sellerieöl 41
— als Vergleichsduft 44, 45
Senföl 42 E
— als Vergleichsduft 44, 45
Silene longiflora 4
— nutans 4
=]
Silene viridiflora 4
Sitz des Geruchsinnes 8
Skatol 197, 198, 212, 213
— als Dressurduft 198—202; vgl.
auch S. 202—204
—, Nachweis der Wahrnehmbarkeit
202 —204
Spargel 104
Spartium scoparium 4
Stachelbeere 104
Stapelia 212
Statistik des Blütenbesuches 5
Steingutkästchen 12, 13, 15
—, Reinigung 14, 15
Stellvertretung von Duft und Farbe
85, 86 -
Stengel, Geruch als Lockmittel 96
Sterilität der Arbeitsbienen 209
Sternanisöl 42, 210
— als Dressurduft 28, 206—208
— als Vergleichsduft 44, 45
Stetigkeit 161, 162, 166, 209
Stiefmiitterchen 5
Studentenröschen 4
Sucher 159, 160, 161, 162, 163,
164
Syringa 165
Tabaksjauche 8
Tamus communis 105
Tausendschén 85
Technik, Allgemeines 10ff., 19 ff.
Terpinen, in Majoranöl 40
Terpinenol, in Wacholderbeeröl 42
Terpineol, in Cajeputöl 38
—, in Majoranöl 40
—, in Pomeranzenschalenél 41
Teucrium Scorodonia 104
Thymianöl 8, 42
— als Vergleichsduft 43, 44
Thymol, in Lavendelöl 40
—, in Thymianöl 42
Thymus vulgaris 42
Tika 165
— platyphyllos 104
— ulmifoha 104
Trauerviole 4, 85
Trifolium Pasupmatum 4
238
Trigona emerina 74
Trinkglas fiir Zuckerwasser 16
Tuberose-J asmingemisch alsDressur-
duft 145, 146
Tuberosenblütenöl 18, 42, 152, 156,
157, 163, 164, 210
'— als Dressurduft 71, 72, 8188,
119—125, 140—144
— als Vereleickrdaft 44, 45
—, minimum perceptibile (Biene)
125
—, — (Mensch) 125
Tuberosenextrakt als Vergleichsauft
44, 45
Unscheinbare Bliiten 3, 55, 86, 97,
98, 102—106, 217
Unterscheidungsvermégen f. Düfte
35, 37, 42—53, 145, 146, 157,
162
Vaccinium Myrtillus 97, 104
Veilchen 5 °
Ventilieren 196, 197, 199
Verbenaöl 42, 210
— als De 29, 203
— als Vergleichsduft 44, 45, 50
bis 52, 175—178, 186—188
oo von Riechstoffen mit
Paraffinöl 119 ff.
Versuchstechnik, allgemeine 10
Verwechslung von Amylacetat mit
Methylheptenon 181, 182
— Anthranilsäuremethylester
Nerolin 174ff., 192
Bromstyrol mit Phenylacet-
aldehyd 184
— Isobutylbenzoat mit Salicylsäure-
amylester 188, 192
Mirbanöl mit Bittermandelöl
169 #., 182, 192
— Para- und Meta-Kresolmethyl-
äther 189—192
— Pomeranzenschalenöl mit Cedrat-
und Bergamottöl 42—52, 168,
182
mit
Kari v. Frisch, Uber den Geruchsinn der Bienen.
Vikariieren von Duft und Farbe
85, 86
Vinylbenzol 126
Viola polychroma 166
— tricolor 166
Viscum. album 104
Vitis vinifera 85, 104.
Vorratsflasche für Zuckerwasser 16
Wacholderbeeröl 42
-— als Vergleichsduft 44, 45, 172,
173, 206
Wahrnehmungsschwelle siehe Er-
kennungsschwelle
Waldmeister 4
Wasser, Witterungsvermögen für 31
Wein, wilder 86, 93, 102, 103,
104, 105 .
Weinblätter, Dressür auf 96, 97
Weinblüten, Dressur auf 88—93 .
Weinrebe 85, 86, 104, 159
Weisellosigkeit 7
Wettstreit der Düfte 139
wilder Wein, Bienenbesuch 86, 93,
103, 104, 105
Windblüter 2
— mit bunten Blüten 3
Wintergrünöl 8
Witterungseinfluß 34
wohlriechende Ole 25
—, Gewinnung 18
Wolfsmilch 104, 106
Ylang-Ylangöl 211
Zählen der Bienen 10, 24
Jıahl der Bienen am Futterglas. 20,
21. 193
— —, an der Dressur beteiligt 21
Zeitdauer der Dressur 25
Zimtaldehyd, in Zimtöl 42
Zimtöl 42
— als Vergleichsduft 44, 45, 206
Zuckerwasser, Dressurmethode 15,16
—, Geruchlosigkeit 31
, Vorratsflasche 16
G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. 8.
x Die > Geradflügler D Deutschlands "4 ee
__ zeichnis der im Gebiete des Deutschen Reiches bisher aı fgefu, denen Orne x
= Arten (Dermaptera, Oothecaria, Saltatoria). Von Dr. Friedrich A
- ständigem Mitarbeiter an der Biologischen Anstalt für La
Mit einer re Abe à |
betrieben eres oe mr: es “doch A CA rerweise h
*. der in Deutschland vorkommenden Geradflüglerarten. Gi ese |
schaftlichen Literatur füllt das vorliegende Werk um so feo
_ Anfiihrung aller Synonyma aus. Die e Einteilung. ro :
- Fragen (darthegiit usw.) zur Erörterung, faßt die geographischen
- Bearbeitung der deutschen Geradflüglerfauna übersichtlich zusammen
- die Beziehungen dieser Tiere zu den Panel
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14% er Schoenichen. Mit 201 Abbild Am
" Inhalt: Aleanıg - iR Schmetterlinge
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… Die Kaumägen der Geradflügler. Die Stinkdrüsen der ‘Schaben, € Die ir
~ Gehôrorgane der Feld- und, Laubheuschrecken und der Grillen. - = 8. Lihelle
Se ae Die Nymphenform. — Literatur. Sachregis
De” Das Werk ist eine Einführt au „Sie Inscktenbicl > auf der.
_ praktischer mikroskopischer Untersu Es behandelt in erst
Erscheinungen, die für den naturgeschic lichen Al der Schul:
= ae ist daher für die Lehrerschaft ein außerordentlich weı
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= "Zoologie, 'höhere Lehranstalten, Mitgelschull
_ Entomologen und Bienenzüchter.
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zur Theorie der Mneme, Von Dr. = sa poe run.
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Sichtigung der in den deutschen iste ue rankheit
Von Dr. Karl Grünberg, Assistent am zoolog. Museum
127 Abbildungen im Text.. (VI, 188 8. gr. 8°) 1907. Pr
© Inhalt: Allgemeiner Teil: — a, pene er ;
- Ehironomidae.. Simuliidae. Tabanidae. tididae. ee
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Er sete an der Universität Fr Freibur DA Br. | al 10 T “4
ae im Text. (VI, 188 8. gr. 8%.) 18 Æ
. I. Vorkommen des Ameisenlöwen. - — 2. ‘Bau es An
aor rede ‚Färbung und Zeichnung. — 3. Das Verhalten bet
atur. — 4. Das Verhalten des ee ur experimentellen
n. Die pa AD MC rs hreaktion. | Die
We Das Einbohren in den Sand. De Bau r Sandtrichter. DerA
— 5. Sinnesorgane und Sinnesreaktionen des. Ameisenlüwen. - Bauh al nd F
ugen. Die Lichtsinnesreaktionen. ae k
„von Phototaxis und Thermotaxis. Der un
e der Pe sina a Erscheinungen |
hemische Sinne. — 6. Die wichtigsten Reflexe des
des Ameisenlöwen. — 8. Abriß der re ang
a se — = Litepatnrverseichnie.
nach dose, Schwerin L 10 M
E fenntnisse. À Taten, Le Kine mn a (bdr. aout L Sch
Zoologische und anthropologis Bere: Fe es ser
= u und zentraler Side frika, ausgeführt in den Jahren 1 903-1905 m
as | Bischen Aka en te er Wissenschaften zu Er
ndschau Tom. 17. NOR 1910: F
Ta wenn man ein Werk à vor Asien legen |
a Afrikas. Herr Friese hat die Bearbeitu
nt gsreise in Südafrika mitgebrachten E
rohe geradezu musterhaften Bea
ufgenommen sind die Arten der rite
_ Es sind nicht bloß. saurlion le.
übrlich beschrieben, größtente
| Le \dern es sind auch Betrachtungen fiber! V
r Formen, Einwanderungsstraßen, Einfluß von I im
an artenskizzen und 2 Tafeln in
Werk zeig uns, Reed are ie. die : L e- ae
a nehmen. er ae. "Beschreikiie en ‚der. :
; fast stets sind Bsstimmungstabellen, -oft nach di Fa
ri tzteren orausgestellt. Bei Arten, welche dem Verf. nicht
| ka: Idiagnos Pris Re mea ert, seltener im Auszug,
‚Schließlich sei noch hervorgehoben, daß die beiden Tafeln wahre
deutscher Kunst sin an (A. Oiltsch Jenni 28 otal ans Warde ae Tat +.
ordentlich lchtige "Leistung in Wort und Bild vorliegt, zu eu ;
Verse auf das herzlichste be De sic + VEN
K. W. v, Dalla orre (Innsbruck). | HER
s und einige r
Staatl, ‚ Baktericlog. Instit
| Herausgegeben von Prof,
RE te it 3 farbigen Tafeln. ©
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Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten,
Versuche über den Einfluß farbigen Lichtes auf die
Entwicklung und Veränderung der Pigmente bei den
Fischen.
Von |
Friedrich Kurz. *)
Wit Tafel 1-3 und 2 Abbildungen im Text.
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung und Fragestellung.
I. Anordnung der Versuche und Material.
II. Verlauf der Versuche.
III. Zusammenfassung der Versuchsergebnisse.
IV. Theoretische Wertung der Versuchsergebnisse.
Einleitung und Fragestellung.
Der Farbenwechsel und die Farbanpassung der Fische sind
schon seit langer Zeit Gegenstand zahlreicher Untersuchungen ge-
wesen. Der histologischen Grundlage des Vorganges, den Chromato-
phoren, ihren Bewegungserscheinungen und ihrer Abhängigkeit vom
Nervensystem, ferner im Anschluß daran der Frage nach dem
Farbensinn der Fische, waren die meisten dieser Arbeiten gewidmet.
Auf Grund dieser Untersuchungen bildeten sich allmählich verschie-
dene Möglichkeiten heraus, die Farbanpassung der Fische zu er- .
klären. Eine dieser Erklärungsmöglichkeiten ist in letzter Zeit
; 1) Auch dieser junge Forscher, auf den ich große Hoffnungen gesetzt
hatte, hat sein Leben für das Vaterland gelassen. Er ist am 22. Sept. 1917
im Luftkampf auf dem westlichen Kriegsschauplatz gefallen. K. BRANDT.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. ‚16
240 FriepricH Kurz,
durch die Arbeiten von SLAvKo SECEROV und Kart v. Frisch Gegen-
stand erhöhten Interesses geworden, nicht zum wenigsten durch den
Widerstreit in den Versuchsergebnissen der beiden Forscher. Da
ihre Arbeiten für die Anlage meiner Versuche richtunggebend waren
und da gleichzeitig die Fragestellung klarer herausgearbeitet wird,
will ich im folgenden kurz die Versuche der beiden Forscher und
ihre entgegengesetzten Ergebnisse darstellen.
SECEROYV stellte zunächst Versuche mit Bartgrundeln (Nema-
chilus barbatula L.) an (SECERov, 1909). Er hielt diese Tiere längere
Zeit unter roten, orangeroten, grünen, blauen und violetten Gläsern
und stellte fest, daß sie „bis zu einem gewissen Grade einen farbigen
Ton der betreffenden Farbe“ annehmen (1909, p. 650). Zur Erklä-
rung dieser Anpassung zieht Srderov, „da die längere Zeit, welche
die Anpassung benötigt, ihren physikalischen Ursprung wenig wahr-
scheinlich“ macht (1909, p. 653), das sog. „Wrexer’sche Prinzip der
Farbenphotographie“ (Wiener, 1895) heran, das die Möglichkeit
nachweist, durch farbige Beleuchtung in geeigneten farbenempfäng-
lichen Stoffen der Beleuchtungsfarbe entsprechende (gleichgefärbte)
Körperfarben zu erzeugen. Einen solchen lichtempfindlichen Stoff
sieht Sr@erov in dem schwarzen Pigment, vor allem auch aus dem
Grunde, weil „die schwarzen Pigmente überall vorhanden sind,
während die gefärbten an verschiedenen Stellen in der Farbe
variieren“ (1909, p. 654). Aus dem schwarzen Pigment sollen nun
durch Zersetzung unter Einfluß des Lichtes die farbigen Pigmente
entstehen. Demnach wäre also „die Entstehung der farbigen An-
passung mit der Frage nach der Entstehung der Pigment-Eigen-
farben identisch“ (1909, p. 654).
Eine solche photosynthetische Funktion der Pig-
mente haben früher schon GAMBLE u. KEEBLE (1900) bei Hippolyte
varians angenommen und zwar auch unter Berufung auf das
„WıEner’sche Prinzip“. G. van RynBERK (1906, p. 414) sagt in seiner
zusammenfassenden Arbeit über den Farbenwechsel bei Tieren dar-
über: „Was die Entstehung der angepaßten Farbe betrifft, ist auch
die Hypothese KrEBLE u. GAMBLE’s anregend, obwohl vorläufig kaum
mehr als phantastisch. Angenommen, es gab bei Hippolyte ursprüng-
lich eine zusammengesetzte Grundsubstanz, eine Art Mutterpigment,
welches so sensitiv wäre, daß durch die Einwirkung von einem
Schatten nebst Licht von einer bestimmten Farbe in der Ausbrei-
tung des Schattens ein dem Licht gleichfarbiges Pigment aus ihr
entstünde, so wäre auch die Farbanpassung aufs einfachste erklärt.
ee hae
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 241
Die englischen Autoren stützen diese Meinung auf Wrener’s Aus-
einandersetzungen über Farbenphotographie.“
Diese Anschauung führte SECEROY zu Versuchen mit aus-
geschnittenen Hautstücken. Er ging dabei von der Ansicht
aus, daß, wenn die Entstehung der farbigen Pigmente aus dem
schwarzen möglich ist unter der Voraussetzung, dab die Chromato-
phoren durch Licht direkt erregbar sind, die Beobachtung am
lebenden Tiere nicht nötig sei. Hautstücke der Bartgrundel wurden
nach Auslösung der farbigen Pigmente durch Alkohol von 75 und
95°, in wassergefüllte Glasdosen gelegt, die außen mit farbigem
Papier umklebt waren. Nach 3 Tagen wird Beginn der Färbung,
nach 12 Tagen ausgesprochene Färbung, nach 16 Tagen Zerfall der
Haut und der Pigmente festgestellte. Andere Hautstücke, an
denen einige Stellen markiert waren, wurden mit allen Pigmenten
in Glycerin eingeschlossen und auf farbigem Untergrund aufgestellt.
Nach 8 Tagen wird entsprechende Färbung festgestellt. Eine ein-
‘gehendere mikroskopische Untersuchung der verfärbten Pigmente hat
SECEROV nicht beschrieben.
Schließlich hat Sscerov (1909, 1912) auch noch Versuche mit
beiderseits geblendeten Bartgrundeln angestellt. Durch die
Blendung wurde die durch Gesichtswahrnehmungen vermittelte ner-
vöse Beeinflussung der Chromatophoren ausgeschaltet. Der Einfluß
des Lichtes auf die Pigmentbildung mußte sich dann notwendiger-
weise herausstellen. Zunächst wurde eine Anpassung der geblen-
deten Tiere an den farbigen Untergrund festgestellt, eine Wieder-
holung des Versuchs ergab jedoch die Anpassung nicht mehr, die
Tiere nahmen vielmehr alle einen gleichen rötlich-braunen Ton an.
Secerov erklärt diese abweichenden Ergebnisse damit, daß bei dem
ersten Versuche die Tiere sofort nach Ausführung verwandt wurden,
weshalb bei diesen die Anpassung durch den bloßgelegten Nervus
opticus erfolgt sei, bei dem zweiten Versuch aber erst längere Zeit
nach der Operation, so daß inzwischen der Opticusstumpf von Haut
überwachsen war. |
K. v. Friscx (1912a, 1912b) untersuchte die Farbanpassung
von Pfrillen (Phoxinus laevis L.) und verschiedenen Arten von
- Crenilabrus bei dauernder Haltung in monochromatischem
Licht. Er verwandte sehende und geblendete Tiere. Die
sehenden Pfrillen reagieren mit Expansion der gelben und roten
Chromatophoren in gelbem und rotem Licht und behalten diese Ex-
pansion auch bei längerer Versuchsdauer bei. Dagegen „an blinden -
16*
242 Frieprich Kurz,
Pfrillen treten in verschiedenfarbigem Lichte keine Unterschiede im
Expansionszustand der bunten Pigmentzellen auf“ (1912a, p. 202).
Bei blinden Labriden blieb im Gegensatz zu sehenden die Reaktion
ebenfalls aus. Einen Einfluß des Lichtes auf die Pigmentbildung
hat v. FrıscH in keinem Falle festgestellt. Eine Wiederholung der Ver-
suche Sucrrov’s an geblendeten Bartgrundeln verlief gleichfalls negativ.
Da v. Frisch auf Grund dieser Versuche an geblendeten Fischen
eine mechanische Farbanpassung nicht für wahrschein-
lich hielt, wiederholte er, um ganz sicher zu gehen, die Versuche
SecERov’s an ausgeschnittenen Hautstücken der Bartgrundel, zunächst
auch in feuchten Kammern mit Umhüllung bunten Papiers, ferner
auch mit Glycerinpräparaten auf farbigem Untergrund und schließ-
lich mit Glycerin- und Wasserpräparaten in monochromatischem Licht.
Das Ergebnis war völlig negativ. Es traten zwar Verfärbungen
ein, doch waren diese meist bei allen Präparaten gleich und auf
Verwesung zurückzuführen. v. Frisch faßt sein Urteil folgender-
maßen zusammen: „Überblickt man diese Resultate, so sind sie nicht
darnach angetan, von der Existenz einer mechanischen Farbanpassung
im Sinne WIENER’s an toten Hautstücken von: Fischen zu überzeugen.
Wir werden vielmehr, solange keine besseren Beweisgründe vorliegen,
auf eine derartige Annahme verzichten müssen“ (1912a, p. 209).
Gegen diese Auffassung wendet sich nun SEéerov (1913a) in
einer längeren polemischen Abhandlung, worin er die Ergebnisse
v. FriscH’s kritisch untersucht und im Sinne seiner Annahme um-
deutet, „wobei es nicht ohne starke Gewaltsamkeiten abgeht“, wie
KOEHLER (1914) in einer Besprechung der Abhandlung sich ausdrückt.
C. Herpst (1913) kommt in einer Abhandlung über Entwick-
lungsmechanik nach Besprechung der verschiedenen Erklärungsmög-
lichkeiten der Farbanpassung auch auf die Versuche Srcrrov’s zu
sprechen: „In neuerer Zeit ist zwar Sedkrov dafür eingetreten, daß
die Farbanpassungen der Bartgrundel nach dem WıEner’schen Prinzip
der Farbenphotographie zustandekommen, doch sind seine wenigen
Angaben über die Farbänderung ausgeschnittener Hautstücke nicht
geeignet, dies zu beweisen, zumal, wenn man beachtet, daß die ge-
blendeten Fische auch auf hellem Grund ihr dunkelrotbraunes Kleid
nicht verändern, sondern dauernd behalten. Sollten die Augen
wirklich nur zur Farbanpassung bei Gegenüberstellung von Hell
und Dunkel, dagegen nicht bei der Gegenüberstellung zweier farbiger
Untergründe nötig sein? Neuerdings hat sich auch v. Friscx gegen
SECEROV ausgesprochen.“
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 243
SeCEROV bezeichnet zwar seine Versuche als „mehr orientierend“
und erklärt, selbst nicht vollständig durch seine Versuche befriedigt
zu sein, glaubt aber andererseits wiederum „die Farbanpassung auf
Grund der Entstehung der farbigen Pigmente ist auf Grund meiner
Versuche aus einer theoretischen Annahme zu einer experimentell
prüfungsfähigen Hypothese geworden“ (1913a). Weitere seine An-
nahme stützende Versuche hat Secerov nicht angestellt. Seine
Annahme baute er jedoch unter Heranziehung zahlreicher Arbeiten
über Farbwechsel bei Tieren, Färbung und Farbänderung bei
Pflanzen, Chemie und Physiologie der Pigmente zu einer Pigment-
theorie aus, „um in den bisher verwirrenden Ansichten eine Ein-
heitlichkeit der Auffassung zur Durchführung zu bringen“ (1913b).
Die Grundzüge seiner Theorie sind etwa folgende:
1. Die Pigmente sind lichtempfindlich; die Lichtempfind-
lichkeit beruht auf einer Bildung oder Zersetzung der
Pigmente. |
2. Die Pigmente zerseten sich auch im lebenden Tier; die
Zersetzung geht mit einer Farbenänderung vor sich.
3. Wirkung der verschiedenen Lichtstrahlen auf schwarzes und
farbiges Pigment:
a) Weißes Licht wirkt auf das schwarze Pie! zer-
setzend. ‘
. b) Farbiges Licht wirkt auf das schwarze Pigment
farbenverändernd in Richtung der Beleuchtungsfarbe.
ec) Weißes Licht wirkt auf farbiges Pigment zersetzend.
d) Farbiges Licht wirkt auf farbiges, gleichgefärbtes
Pigment fixierend; die Fixierung äußert sich in einer Ver-
mehrung der mit dem Licht gleichfarbigen Pigmente.
e) Farbiges Licht wirkt auf farbiges, nicht gleich-
gefarbtes Pigment zerstörend oder die Farbe verändernd
ins Komplementäre. |
4. Das schwarze Pigment ist aus Rot, Gelb und Blau
zusammengesetzt. Das schwarze Pigment funktioniert als
Bildungszentrum für das farbige Pigment.
.5. Die Entstehung des schwarzen Pigments durch
subtraktive Mischung aus Blau, Gelb und Rot und die Ent-
stehung der farbigen Pigmente durch Zersetzung des schwarzen
Pigments ist analog der Entstehung der Farben im Ausbleichs-
verfahren der Farbenphotographie)
1) Diese Methode beruht auf der Fähigkeit bestimmter organischer
244 FRIEDRICH Kurz,
Man bemerkt hierbei, daß Sgcerov für die Farbanpassung nicht
mehr, wie er das in seinen früheren Auseinandersetzungen getan
hatte, das Wırxer’sche Prinzip einer einheitlich schwarzen licht-
empfindlichen Substanz heranzieht, sondern diesen Standpunkt zu-
gunsten des Ausbleichsverfahrens aufgegeben hat oder doch wenigstens
dem Ausbleichsverfahren den Vorzug gibt. |
Zum Schluß führt Sederov aus, daß für den Farbenzustand und
die Farbanpassung eines Tieres viele Faktoren, wie Ernährung,
Nervensystem, Tastempfindungen, psychische Faktoren, Temperatur,
Licht usw., von Einfluß sind. Diese Faktoren können in einer Rich-
tung oder auch in verschiedener Richtung wirken. Eine Farbanpassung
kommt nur zustande, wenn diese Faktoren in ihren Reaktionsbahnen
alle gleich gerichtet sind. Die Wirkung des Lichtes ist dabei eine
verschiedene, entweder vermittelt durch Gesichtsempfindungen oder
unmittelbar auf die Chromatophoren. Die unmittelbare Wirkung kann
wiederum physiologisch (Kontraktion, Expansion) oder chemisch (Zer-
setzung) sein. Die unmittelbare chemische Wirkung des Lichtes auf
die Pigmente glaubt Seéerov hauptsächlich für das Zustandekommen
der Farbenanpassung verantwortlich machen zu können und damit
auch zugleich die Frage der Entstehung der farbigen Pigmente aus
dem schwarzen zu beweisen. Das sind die Grundzüge der Theorie
Secerov’s, die hier in Betracht kommen.
Der Widerstreit in den Ergebnissen v. FrıschH’s und SECEROV's
und die Umdeutungen und kritischen Abhandlungen hatten die Frage
bei den Fischen schließlich immer verworrener gemacht, so daß es
angezeigt erschien, die Frage von neuem durch Versuche zu er-
forschen, die von den hier beschriebenen in ihrer Anlage verschieden
waren und die durch Vermeidung der bisherigen Versuchsfehler
einen einwandfreien Beitrag zur Lösung des Problems liefern konnten.
Die Frage war bisher nur an ausgeschnittenen Hautstücken und
älteren (sehenden und geblendeten) Tieren untersucht worden. Ob
Versuche mit toten Hautstücken geeignet sind zur Lösung der
Frage, dürfte auf vielfachen Zweifel stoßen. Gegen Versuche mit
Farbstoffe, im Licht rasch auszubleichen. Hierbei wirkt nur solches Licht,
das von dem Farbstoff absorbiert wird. Mischt man nun lichtempfindliche
rote, gelbe und blaue Farbstoffe, so erhält man Schwarz. Beleuchtet man
dieses schwarze Gemisch mit rotem Licht, so wird der gelbe und blaue
Farbstoff ausbleichen, da das rote Licht von diesen absorbiert wird, es
bleibt mithin nur der rote Farbstoff übrig. Ebenso bleicht in blauem
Licht Gelb und Rot aus und in gelbem Rot und Blau,
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 245
älteren, schon ausgewachsenen Tieren läßt sich einwenden,
die Tiere hätten bereits Pigment aller Art gebildet und die Ein-
wirkung des Lichtes müßte daher von sehr langer Dauer sein, um
entsprechende Farbveränderungen zu erhalten. Gegen Versuche an
geblendeten Tieren hat Secerov (1913b, p. 59) selbst folgendes
eingewendet: „Nach Blendung tritt eine Expansion der Melano-
phoren bei den meisten Fischen ein; die Expansion bewirkt aber
auch eine Vermehrung des Pigments. Bei solchen dunkelgefärbten
Nieren, z. B. Nemachilus, kann die Farbanpassung nicht erfolgen:
die Lichtmengen müßten proportional der Pigmentmenge erhöht
werden, um eine Farbanpassung zu erhalten. Wir sehen aus diesem
Beispiele, wie ein echt physiologischer Faktor, die Expansion der
Pigmentzellen, durch die Tätigkeit einen Einfluß auf chemische
Vorgänge ausübt und dann weiter die Richtung eines Farbanpassungs-
vorganges ganz verändert. Es sind also die Einwände, die aus der
Nichtanpassung der geblendeten Tiere die Unrichtigkeit der Theorie
folgern, nicht stichhaltig.“
Diese 3 Einwände zeigten die Richtung an, in der neue Ver-
suche angestellt werden müßten. Die Frage ist zu untersuchen an
lebenden, möglichst jungen, sehenden Tieren, die wenig
oder noch gar kein Pigment gebildet haben und sich während
der Dauer der Versuche in lebhaftem Wachstume befinden. Am
geeignetsten erschien es mir, junge Fische aus künstlich
befruchteten Eiern in farbigem Licht aufzuziehen, so
daß das Pigment also schon während der sous von
_ der farbigen Beleuchtung beeinflußt werden konnte.
Ich stellte zunächst Versuche an mit künstlich befruchteten
Eiern von Pleuronecies platessa L., die unmittelbar nach der Be-
fruchtung in die farbige Beleuchtung gebracht wurden, später mit
jungen (von der Befruchtung der Eier an gerechnet, 11 Tage alten)
Larven von Esox lucius L.
Die Untersuchungen. wurden im Zoologischen Institut der Uni-
versität Kiel vom September 1913 bis August 1914 ausgeführt.
Infolge Ausbruchs des Krieges konnte die Arbeit nicht mehr in
dem ursprünglich beabsichtigten Umfange durchgeführt werden. Die
lange Dauer des Krieges bestimmte mich jedoch, die bisherigen Er-
gebnisse in vorliegender Arbeit vorläufig abzuschließen.
Es sei mir gestattet, Herrn Geheimrat Prof. Dr. K. BRANDT
meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das meiner Arbeit ent-
gegengebrachte Interesse und für die mir von ihm gewordene Unter-
246 FRIEDRICH Kurz,
stützung. Mit Dankbarkeit gedenke ich hier auch des in Frankreich
gefallenen Assistenten, Herrn Dr. G. KaurzscH, der mir mit Rat
und nützlichen Winken bei Behandlung der Arbeit zur Seite stand.
I. Anordnung der Versuche und Material.
Die Aufzucht der Versuchstiere erfolgte in 7 Versuchs-
behältern und zwar in 5 Farbbehältern (rot, gelb, grün, blau
und violett), in einem Tageslichtbehälter und in einem Dunkelbe-
hälter. Die Farbbehälter waren ähnlich wie die schon von v. FRISCH
bei seinen Versuchen benutzten. Sie bestanden je aus 2 Glasaquarien,
die so ineinandergestellt werden konnten, daß zwischen den Glas-
wänden nach unten und den Seiten ein Zwischenraum von 2,5 cm
blieb, der mit den unten näher. beschriebenen Strahlenfiltern aus-
gefüllt wurde. Nach oben wurde die Farbfilterflüssigkeit zum Schutze
gegen Verdunstung und, um etwaige nachteilige Wirkung der teil-
weise säurehaltigen Flüssigkeiten auf das Wasser der Behälter zu
verhindern, mit einer 1 cm dicken Schicht Paraffinöl abgeschlossen.
Die Oberseite der Behälter war durch Deckel aus dicker Pappe, die
außen mit schwarzer Leinwand und innen mit weißlackiertem Papier
bezogen waren, abgeschlossen. Die Deckel griffen seitwärts noch
etwa 2cm über den oberen Rand der Farblösung über. In den
Deckeln befanden sich mehrere durch Stöpsel lichtdicht verschlieB-
bare Öffnungen, die zur Einführung von Thermometer und Luft-
zuleitungsröhren dienten. Diese Röhren bestanden aus schwarzem
Hartgummi, waren also lichtundurchlässig.
Die flüssigen Farbfilter waren nach Angabe von NAGEL (1898)
hergestellt und mit einem Spektroskop bei Tageslicht auf ihre Farben-
durchlässigkeit geprüft. Zur Prüfung wurden Präparatengläser von
derselben Glasstärke und Glassorte wie die der Behälter und einer
inneren Weite von 2,5 cm mit der Farblösung gefüllt und unter das
Spektroskop gebracht.
Folgende Tabelle gibt die Zusammensetzung und Far ben-
durchlässigkeit der Strahlenfilter an.
durchgelassener
| | Spektralbezirk
1. Rot (Lithiumkarmin) 680-630 up
2. Gelb (Gesätt. Kaliumbichromatlösung + Essig- | |
säure gekocht mit Kupferacetat) 625—555 uu
3. Grün (Gesätt. Kupferacetatlösung mit wenig
Kaliumbichromat) 590 —505 we
Einfiuß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 247
4. Blau (Kupferacetat + Essigsäure Methylgrün
+ Gentianaviolett) . 520—440 uu
5. Violett (Cuprammoniumsulfat) von 460 uu ab
Folgende Spektralbänder zeigen den von den einzelnen Lösungen
durchgelassenen Spektralbezirk genauer an. Dabei bezeichnet der
ganz schwarz gezeichnete Teil den Bezirk der größten Helligkeit,
der schraffiert gezeichnete den Bezirk geringerer nach den Rändern
zu abnehmender Helligkeit.
A a BC D E b F G h
EVE. t eal | | |
War ices 9 | Wr) In :
A ee 3 | |
g0 7870 65.60. 55 : + 50 | u BO
| RE : | | |
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Gelb BR
| S
Grün |
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wen 65 60 155 1.50. 45 | | 40
PAR RE 2 | | |
Br I Fri | i
AaBe D Eb F G h
vmexthiow A.
Der Tageslichtbehälter war ein einfaches Glasaquarium, das
mit einer Glasscheibe bedeckt war. Der Dunkelbehälter war ein
248 _ FRIEDRICH Kurz,
Glasaquarium, das in einem lichtdichten mit schwarzer Leinwand
bezogenen Kasten eingeschlossen war.
Die Farben- und Hellkulturen waren auf einem langen mit
weißem Filtrierpapier bedeckten Tisch in unmittelbarer Nähe eines
großen Fensters aufgestellt. Die Dunkelkultur war an einer der
direkten Beleuchtung abgekehrten Wand in schwachem Tage
aufgestellt.
Die Temperatur in den verschiedenen Versuchsbehältern
wurde täglich gemessen und war mit ganz geringen Unterschieden
in allen Behältern meist die gleiche.
Sämtliche Behälter waren an eine gut arbeitende Durch-
lüftungsanlage angeschlossen. Die Luft strömte aus kleinen
Holzscheiben in feinen Bläschen in großer Menge aus, so dab das
Wasser stets reich mit Sauerstoff gesättigt war.
Trotz guter Durchlüftung mußte bei den ersten Versuchen das
Seewasser einmal nach dem Ansetzen der Kulturen erneuert werden,
da ein Verderben des Wassers durch abgestorbene, unbefruchtete
Eier zu befürchten war. Dies geschah stets nach Einbruch der
Dunkelheit bei ganz schwacher Lampenbeleuchtung und nahm nur
einige Minuten in Anspruch. In
der folgenden Zeit war eine Er-
neuerung des Wassers dank der
guten Durchlüftung nicht mehr
notwendig.
Um die Eier möglichst alle
en stets mit sauerstoffhaltigem Was-
ee SERB ser in Berührung zu bringen,
ESO IA ARNT RR RR stellte ich aus feinem Tüll, der
auf Rahmen von Glasstäben auf-
gespannt wurde, passende Sieb-
kästen her, die mit den Eiern in
Textfig. B. das Wasser so versenkt wurden,
daß die aus der Durchlüftungs-
scheibe ausströmenden Luftbläschen unter und zwischen den Eiern
vorbeistreichen mußten (Textfigur B).
Für die ersten Versuche verschaffte ich mir aus dem Fischer-
hafen in Kiel laichreife Exemplare von Pleuronectes platessa L. Eier
und Samen wurden noch am gleichen Tage abgestrichen, die Eier
trocken befruchtet und sofort in die Versuchsbehälter gebracht.
Beim Abstreichen der Eier muß vor allem jede Beimischung von
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 949
Harn vermieden werden, was leicht durch Auffangen der Hier mit
einem feinen Sieb aus Roßhaar, durch das der ausgetretene Harn
abfloß, bewerkstelligt wurde. Bei Milchnern muß man versuchen,
vor dem Abstreichen des Samens die Harnblase durch sanftes
Streichen zu entleeren.
Die unbefruchtet gebliebenen Eier, die Trübungen der Keim-
scheibe und des Dotters zeigten, wurden bei Dunkelheit sorgfältig
ausgelesen.
Die Ernährung der ausgeschlüpften Larven stieß nach Re-
sorption des Dottersackes auf große Schwieriekeiten. Nachdem
Vorversuche mit künstlichem Futter schlechte Ergebnisse geliefert
hatten, wurde bei den Versuchen jeden Tag frischgefangenes durch
ein Netz von Müller-Gaze No. 3 gesiebtes Plankton verfiittert. Es
gelang auf diese Weise, die Tiere noch 10—14 Tage nach der Be-
endigung der Dotterresorption zu erhalten. Nach diesem Zeitpunkt
war es jedoch trotz vieler in dieser Richtung hin angestellter Ver-
suche nicht möglich, die Tiere länger am Leben zu erhalten.
Mit Pleuronectes-Eiern und -Larven wurden 3 Versuchsreihen
durchgeführt. Die Gesamtdauer des ersten Versuchs betrug 41.
die des zweiten 31, des dritten 30 Tage. Nach dem ersten Auf-
treten des Pigments standen die Tiere im ersten Versuch 31, im
zweiten 26, im dritten 24 Tage unter dem Einfluß des farbigen
Lichtes. Die kürzere Dauer des zweiten und dritten Versuchs er-
klärt sich durch die in diesen Versuchen im Vergleich zum ersten
etwas höhere Temperatur.
Junge Hechte versuchte ich zunächst ach aus künstlich be-
fruchteten Eiern zu züchten. Mehrere Versuche jedoch mißlangen,
offenbar wegen fehlender Durchspülung der Versuchsbehälter mit
frischem Wasser. Die Durchlüftung genügte vielleicht nicht zur
Frischhaltung der sehr: stark klebenden Eier. Ich entschloß mich
deshalb dazu, ganz junge Tiere zu verwenden. Aus der Fisch-
zuchtanstalt Nortorf in Holstein verschaffte ich mir junge Hechtbrut.
Die Tiere waren, vom Tage der Befruchtung an gerechnet, 11 Tage
alt und waren an demselben Tage, an dem ich sie erhielt, aus-
geschlüpft. Am gleichen Tage setzte ich sie in die Versuchsbehälter
ein. Nach Resorption des Dottersackes wurden die Fischchen mit
Sübwasserplancton gefüttert, sie hielten und entwickelten sich sehr
gut. Der Versuch dauerte insgesamt 90 Tage und mußte wegen
Ausbruch des Krieges abgebrochen worden.
250 FRIEDRICH Kurz,
Mikroskopische Untersuchung.
Zur Untersuchung der Pleuronectes-Kulturen wurden den.einzelnen
Versuchsbehältern täglich 1—2 Tiere entnommen. Als die Tiere
noch nicht ausgeschlüpft waren, wurden die Eier in einem Uhr-
gläschen mit wenig Seewasser unter der Präparierlupe mit 2 Nadeln
vorsichtig von der Eihaut befreit. Die Embryonen und später die
ausgeschlüpften Larven wurden in physiologische Kochsalzlösung
gebracht und zu Präparaten mit gutschließendem Wachsring ver-
arbeitet. Die Präparate hielten sich 12—14 Stunden frisch. Dauer-
präparate mit dem in Alkohol leicht löslichen farbigen Pigment her-
zustellen, gelang mir nicht. Die jungen Hechte wurden, so lange
ihre Größe es zuließ, in der gleichen Weise untersucht. Später, bei
zunehmender Größe, verarbeitete ich hauptsächlich die Schwanzflosse,
die sich wegen ihrer Durchsichtigkeit und der charakteristischen
Pigmentanordnung sehr gut zur Untersuchung eignete, zu Kochsalz-
präparaten. Nach anfänglichen Mißerfolgen gelang es. mir auch,
haltbare Dauerpräparate der Schwanzflosse mit den farbigen Pigmenten
herzustellen. Ich verfuhr dabei folgendermaßen. Das betreffende
Tier wurde zunächst in einer kleinen Schale dekapitiert, dann
wurde die Schwanzflosse abgeschnitten und zwar so, daß möglichst
wenig von den Muskelpartien der hinteren Körperhälfte mitgenommen
wurde. Mit einer feinen Pinzette wurde die Schwanzflosse dann
zwischen 2 Blättchen Filtrierpapier gebracht und vorsichtig, aber
schnell von allem anhaftenden Wasser befreit. Mit der Pinzette
wurde das Präparat dann direkt auf kurze Zeit in absoluten Alkohol,
dann ebenso lange in eine Mischung von Alkohol und Nelkenöl und
schließlich in Nelkenöl und Canadabalsam gebracht. Die Haupt-
schwierigkeit war, die richtige Dauer der Behandlung in absolutem
Alkohol herauszufinden, denn bei zu kurzer Behandlung waren die
Präparate nicht haltbar, bei zu langer die Farben gelöst. Es gelang
mir jedoch mit zunehmender Übung, auf diese Weise Präparate her-
zustellen, die jetzt, nach 2'/, Jahren, alle Farben unverändert zeigen.
Um eine möglichst objektive Darstellung der Farben der Pigmente
zu geben, versuchte ich es, Mikrofarbenphotographien mit LUMIÈRE-
Autochromplatten herzustellen. Nach vielen Versuchen erhielt ich
kurz vor Abbruch die ersten brauchbaren Aufnahmen. Leider sind
mir neue Aufnahmen infolge unterbrochener Einfuhr von Lumibre-
Autochromplatten nicht möglich gewesen, weshalb ich mich damit
beenügen mußte, die Präparate in Aquarellzeichnungen wieder-
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 251
zugeben. Bei Anfertigung dieser Zeichnungen wurden zur Kontrolle
der richtigen Farbenwiedergabe stets dritte unbefangene Personen
mit gutem Farbenunterscheidungsvermögen herangezogen.
Il. Verlauf der Versuche.
1. Versuch mit Schollenlarven.
Es wurden Eier von 2 Rognern und Samen von 2 Milchnern
verwandt. In jede Kultur wurden durchschnittlich 1500 Eier ein-
gesetzt. In den ersten Versuchstagen starben infolge Ausbleibens
der Befruchtung und aus unbekannten Gründen etwa 40 °/, der Eier
ab. Es blieben somit noch durchschnittlich: 900 übrig. Von diesen
gingen bis Ende des Versuchs etwa 300 zugrunde, und 150 wurden
zur Untersuchung verbraucht, so daß bis kurz vor Schluß der Ver-
suche noch etwa 400-500 Larven in jeder Kultur vorhanden waren.
Die Eier entwickelten sich schnell. Am 1. und 2. Versuchstag
wurde das 2—16-Zellenstadium, am 3. das 32-Zellenstadium durch-
laufen, am 4. Versuchstag trat die vielzellige Keimscheibe auf, am 5.
zeigte die Keimscheibe Randwulst und Embryonalanlage, in den folgen-
den Tagen erfolgte die Umwachsung des Dotters und die Anlage der
Hauptorgane. Am 9. Versuchstag war die Dotterumwachsung bei
den meisten Eiern vollendet, und der Embryo hob sich mit seinen
Organen deutlich von dem Dotter ab. Schon die ersten Stadien des
Embryonalschildes wurden täglich auf das genaueste auf Vorhanden-
sein und Auftreten von Pigment geprüft. Das erste Pigment
trat am 9. Versuchstage auf, kurz vor Schluß des Dotterloches.
Das Pigment war schwarz und trat in allen Kulturen zur
. gleichen Zeit und in gleicher Weise auf. Unterschiede in
der Anzahl der Chromatophoren oder im Gehalt an Pigmentkörnern
der Chromatophoren waren in den einzelnen Kulturen nicht zu be-
merken. Das Pigment trat in breiten, drei- bis sechseckigen
Chromatophoren ohne Ausläufer auf. Der Gehalt an Pigmentkörnern
war gering, die Färbung der ganzen Farbzelle daher hellgrau.
Das Pigment war in den Zellen im allgemeinen ziemlich gleich-
mäßig über die ganze Zelle verteilt, einzelne Pigmentkörner. traten
zwar besonders hervor, aber Stellen starker Pigmentanhäufung sind
nicht zu beobachten. Sämtliche aufgetretenen Chromatophoren zeigen
dieseibe durch 3—6 zipfelartige Ecken bestimmte Gestalt. Punkt-
förmige, mehr rundliche Zellen mit dunklerer Färbung sind .nicht
252 FrrepricH Kurz,
aufgetreten. Es scheint also noch keine Fähigkeit der Pigment-
kontraktion vorhanden zu sein (Fig. 1). Die Chromatophoren waren
über den ganzen Embryo verteilt, traten in größerer Zahl haupt-
sächlich in der Mitte des Körpers am Rücken und Seiten, etwas
weniger zahlreich am Kopf und am Schwanzende auf. Eine be-
sondere Anordnung ließ sich nicht feststellen.
Am 10. Versuchstag war das Pigment in den einzelnen Chroma-
tophoren bedeutend vermehrt, das heißt, die Anzahl der Pigment-
körner hatte sich vergrößert. Infolgedessen nahmen die Chroma-
tophoren auch bereits eine mehr dunkelgraue Färbung an, und es
zeigten sich innerhalb der Farbzellen an einer oder mehreren
Stellen bereits Anhäufungen von Pigmentkôrnern. Die Form der
Chromatophoren zeigte eine weitere Ausbildung. Die zipfelartigen
Ecken waren weiter ausgewachsen und stellten sich schon als
richtige Fortsätze dar; bei manchen Fortsätzen war auch schon der
Anfang einer Verzweigung zu beobachten (Fig. 2 bei a). Die
Fähigkeit der Pigmentballung besaßen in gewissem Grade einige
Zellen nunmehr auch schon, die in kontrahiertem Zustande eine
ziemlich dunkle, fast schwarze Färbung zeigten (Fig. 2). In der
Anzahl der Chromatophoren waren bei den einzelnen Kulturen
geringe Unterschiede ‚zu bemerken. Die geringste An-
zahl zeiste die Dunkelkultur. Weniger auffallend und bei
vielen Individuen zweifelhaft war die geringere Anzahl der Chroma-
tophoren bei den Farbkulturen gegenüber der Hellkultur.
Am 11.Versuchstag zeigten die schwarzen Chromatophoren bereits
eine weitgehende Ausbildung von Ausläufern und feineren Ver-
ästelungen. Bei vielen Chromatophoren konnte in der Mitte ein
Zentrum von ballenförmig zusammengezogenem Pigment festgestellt
werden, während noch einzelne Pigmentkôrner in den Ausläufern
zurück geblieben waren. Bei anderen Zellen war das Pigment ent-
weder ballenförmig zusammengedrängt oder fast gleichmäßig über
die ganze Zelle verteilt (Fig. 3). Die Kontraktionsfähigkeit
wäre somit völlig ausgebildet. An demselben Tage wurde das
erste Auftreten von gelbem Pigment beobachtet. Die
meisten gelben Farbzellen zeigten bereits eine ziemlich fort-
geschrittene Ausbildung von Ausläufern. Die geringere Anzahl der
gelben Chromatophoren war mit wenigen oder überhaupt keinen
Ausläufern versehen, so etwa wie die ersten schwarzen Chromato-
phoren, doch fehlten hier die zipfelartigen Ecken (Fig. 6, 7 u. 9)
Der Pigmentreichtum in diesen wenig verästelten war auch bedeutend
Einfiuß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 253
geringer als in den schon verzweigten, so dab sie durch ihre Färbung
in dem sie umgebenden Gewebe wenig auffielen. Dieser letzte
Umstand und das Vorhandensein von reichverzweigten Farbzellen
ließ die Vermutung aufkommen, die gelben Chromatophoren seien
an den vorhergehenden Tagen schon aufgetreten, infolge ihrer
schwachen Färbung aber übersehen worden. Eine zweite Versuchs-
reihe sollte darüber Klarheit bringen. Die Beschaffenheit der
Pigmentkérner war, abgesehen von der Farbe, von der der schwarzen
erheblich verschieden. Zunächst fiel die größere Stärke der
selben Pigmentkörner auf. Sie erschienen fast um die Hälfte
erößer als die schwarzen (Fig. 7). Ferner zeigten die gelben
Pigmentkérner ein ziemlich starkes Lichtbrechungsvermögen.
Die einzelnen Körnchen erschienen bei verschiedener Beleuchtung
gelb, bläulich und grünlich und zwar mit einem krystallartigen
Glanz. In den Figuren ist dieser blausrüne Schimmer, der sich
nur schwer mit Farben wiedergeben läßt, durch einfache graue Um-
randung angedeutet. In kontrahierten Zustande stellten sich die
gelben Chromatophoren als Flecken von rundlicher, etwas unregel-
mäßiger Gestalt dar, in denen die Pigmentkörner zu einer einheitlich
gelb erscheinenden Masse zusammengedrängt waren. In den Hell-
und Farbenkulturen waren keine Unterschiede in der Anzahl
der gelben Pigmentzellen festzustellen. In der Dunkelkultur war
dagegen im Vergleich zu den anderen etwas weniger gelbes
Pigment aufgetreten. Die Farbe und Beschaffenheit des
selben Pigments war jedoch in allen Kulturen vollständig
gleich. |
Unterschiede in der Anzahl der schwarzen Chromatophoren
waren wie am vorhergehenden Tage. Dunkelkultur zeigte die
wenigsten Chromatophoren, die Hellkultur wies gegenüber den
Farbkulturen die am reichsten pigmentierten Eier auf.
Am 12. Versuchstag war in den Hell- und Farbenkulturen eine
bedeutende Vermehrung des gelben Pigments festzustellen.
In der Dunkelkultur war die Anzahl der gelben Pigmentzellen
nicht vermehrt. Ebenso war die Anzahl der schwarzen Chromato-
phoren. am geringsten (Fig. 17 aus Hell, Fig. 18 aus Rot).
Am 13. Versuchstag ließ sich eine weitere Ausbildung der
Form der schwarzen und gelben Farbzellen feststellen. Die Aus-
läufer wurden vor allem bei den schwarzen Chromatophoren immer
feiner, auch bei den gelben wurden die Lappenfortsätze länglicher,
und es traten auch neue Lappen hinzu (Fig. 6). Die Ausläufer der
254 : . Friepricx Kurz,
\
verschiedenen Chromatophoren traten teilweise aneinander heran
und umgaben sich gegenseitig mit ihren äußersten Enden. Auf
diese Weise entstand ein fast ununterbrochenes Netz von Farbzellen.
Hierbei war der schon erwähnte Größenunterschied der schwarzen
und gelben Pigmentkörner deutlich wahrzunehmen (Fig. 5 u. 8).
Eine Änderung in Anzahl und Beschaffenheit der Farbzellen in den
einzelnen Kulturen war nicht festzustellen.
Am 16. Versuchstage zeigte sich das Zurückbleiben des
schwarzen und gelben Pigments in der Dunkelkultur gegen-
über den anderen Kulturen besonders deutlich. Die Bildung von
neuem schwarzen Pigment scheint aufgehört zu haben. Das
gelbe. Pigment zeigt nicht nur keine Vermehrung, sondern bei
vielen Individuen eine beginnende Rückbildung, das heißt, es
waren mehr oder weniger gelbe Pigmentzellen geschwunden.
Am 17. Versuchstage tritt das erste Pigment in den Augen
auf und zwar gleichzeitig in Iris und Retina. In der Iris sind die
Pigmentkérner in kleinen Häufchen angeordnet, in der Netzhaut
dagegen ist das Pigment in regelmäßigen sechseckigen Zellen ent-
halten. In der Dunkelkultur tritt das Pigment in derselben Weise
wie in allen anderen Kulturen auf. Die Verminderung der
Farbzellen in der Dunkelkultur war wie am Vortage deutlich
festzustellen (Fig. 19 aus Dunkel, Fig. 20 aus Hell).
Am 19. Versuchstag. war bedeutende Vermehrung des
Augenpigments in sämtlichen Kulturen gleichmäßig festzustellen.
Ferner schlüpften die ersten Larven aus den Eiern aus und zwar
in Hell- und Farbenkulturen. |
Am 20. Versuchstag zeigte sich in den Hell- und Farbenkulturen
eine Veränderung in der Anzahl der gelben und schwarzen Farb-
zellen, insofern als in diesen Kulturen bei fast allen Individuen das
gelbe Pigment vor dem schwarzen vorherrschte (Fig. 22 aus
Hell). Dieses Vorwalten des gelben Pigments ist makroskopisch
schon deutlich bemerkbar (die Tiere erscheinen dem unbewaffneten
Auge zart gelblich) und tritt unter der Lupe oder bei schwacher
Vergrößerung unter dem Mikroskop auffallend hervor. Dieser Be-
fund stimmt überein mit den natürlichen Entwicklungsverhältnissen
des Pigments. Aus den Untersuchungen und Fängen planctonischer
Fischeier und Larven von EHRENBAUM (1896), HEIncKkE (1900) u. a.
geht hervor, dab. bei älteren Embryonen und bei Larven von
Pleuronectes platessa stets gelbes Pigment vorherrscht. In der Dunkel-
kultur nimmt dagegen die Rückbildung des gelben und das Auf-
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 955
hören der Neubildung von schwarzem Pigment seinen Fortgang.
Die Dunkeltiere erscheinen schon bei Betrachtung mit bloßem
Auge fast farblos, lassen jedenfalls die deutliche Tönung der
anderen Tiere vermissen (Fig. 21). Im übrigen tritt das Pigment,
vor allem schwarzes, auf den Dottersack über. Das Ausschlüpfen
der Larven geht weiter. Die meisten ausgeschlüpften Tiere zeigen
Hell-, Violett- und Blaukultur, am wenigsten von den Farben-
kulturen die Grünkultur, in der Dunkelkultur waren die ersten ver-
einzelten Larven ausgeschlüpft.
Am 23. Versuchstag ist die geringe Pigmentierung der Dunkel-
tiere weiter ausgeprägt, bei allen Individuen tritt das Pigment, fast
ausschließlich schwarzes, auf den Flossensaum über.
Am 25. Versuchstag tritt eine neue Art von farbigem Pigment,
nämlich orangefarbenes, auf. Es warin allen Kulturen, auch
in der Dunkelkultur, festzustellen, hier allerdings in etwas geringerer
Menge als in den anderen, bei denen Gleichheit in der Zahl der
orangefarbenen Farbzellen festzustellen war. Die orangefarbenen
Farbzellen sind meist ziemlich stark verzweigte Zellen, teilweise
aber mit geringem Pigmentgehalt in den Ausläufern (Fig. 23 u. 24).
Am 26. Versuchstag .ergibt eine eingehende Untersuchung der
Kulturen, daß nicht bei allen Individuen orangefarbenes
Pigment gebildet war. In jeder Kultur fanden sich Tiere, denen
dasselbe vollständig fehlte. Irgendwelche sonstige Unterschiede
der Tiere ohne orangefarbenes Pigment von denen mit denselben
waren nicht wahrzunehmen. Die orangefarbenen Zellen erschienen
bei Betrachtung mit der Lupe im Vergleich zu den schwarzen und
gelben bedeutend kleiner, meist von ziemlich regelmäßiger runder
Form. Bei stärkerer Vergrößerung erwies sich diese Punktform
jedoch nur als Zentrum der ganzen Chromatophore, die im übrigen
Ausbildung von außerordentlich feinen Fortsätzen und vielfach ver-
. zweigten Ausläufern zeigte, die bedeutend feiner waren als bei den
schwarzen Chromatophoren. Die Pigmentkörner waren nicht ganz
so groß wie die schwarzen, im Vergleich zu den gelben erschienen
sie sehr klein und zeigten kein stärkeres Lichtbrechungsvermögen
(Fig. 10u.11). Früher schon bemerkte geringe Unterschiede in der
Pigmentierung der Hell- und Farbtiere hatten sich nunmehr deut-
licher herausgebildet. Hellkultur wies dieam reichsten pig-
mentierten Tiere auf, Blau- und Violettkultur zeigten den anderen
Farbkulturen gegenüber etwas reichere Pigmentierung.
Am 32. Versuchstage zeigen die meisten Tiere in der Dunkel-
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 17
256 | FRIEDRICH Kurz,
kultur nur noch schwarzes und wenig orangefarbenes
Pigment, während das gelbe bis auf geringe Reste geschwunden
ist. Die schwarzen Farbzellen sind bei den Dunkeltieren jedoch
auch in weit geringerer Menge vorhanden als bei Hell- und Farb-
tieren.
Am 34. Tage zeigte sich ein weiterer Unterschied bei den Farb-
tieren. Die Grüntiere wiesen von allen Kulturen am meisten
gelbes Pigment auf. Besonders in der hinteren Körperhälfte war —
das gelbe Pigment bei diesen Tieren stark angehäuft, bei manchen
so stark, daß sich die Grenzen der Farbzellen bei der engen Zu-
sammenlagerung kaum noch erkennen ließen. Dieses vor den anderen
Farbtieren noch vorherrschende Überwiegen des gelben Pigments
zeigte der größere Teil der Grüntiere, der kleinere stimmte mit den
anderen Farbtieren überein. Das orangefarbene Pigment hat
sich bei den Tieren, bei denen es überhaupt aufgetreten war, ver-
mehrt, mit Ausnahme der Dunkeltiere, bei denen es eine Riickbildung
erfahren hat. Die orangefarbenen Zellen treten bei Hell- und Farb-
tieren jedoch in weit geringerer Anzahl auf als gelbe und schwarze.
Am 36. Versuchstage zeigen sich die Pigmentierungsunterschiede
bei Hell- und Farbtieren ziemlich deutlich. Hell-, Violett- und
Blautiere weisen die stärkste’ Pigmentierung auf, bei allen
ist gelbes Pigment vorherrschend. Am meisten gelbes Pigment
zeigte der größte Teil der Grüntiere. Gelb-, Rot- und Grün-
tiere (diese jedoch nur in bezug auf das schwarze Pigment) zeigen
den anderen Farb- und Helltieren gegenüber schwächere Pig-
mentierung, auch bei ihnen überwög das gelbe Pigment. Die
Dunkeltiere zeigten nur noch schwarzes Pigment in spärlicher
Menge, das orangefarbene und gelbe Pigment war bis auf wenige
Zellen fast völlig geschwunden.
Die letzten Versuchstage brachten außer der Bestätigung dieser
letzten Beobachtungen nichts Neues. Es sei ausdrücklich erwähnt,
dab die 3 Arten Pigment, schwarzes, ‘gelbes und orangefarbenes,
während der ganzen Dauer des Versuches dieselbe Färbung, die sie
beim Auftreten schon gezeigt hatten, unverändert bis zuletzt bei-
behielten. Bei keinen trat irgendwelche Änderung des Farbentones
ein, auch waren zwischen den einzelnen Farben keinerlei Übergänge
zu bemerken. Der Endzustand der Pigmentierung sei in folgender
Tabelle zur Darstellung gebracht (41. Versuchstag). Als Norm gelten
hierbei die Helltiere.
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 257
Chromato- | Dunkel | Hell Rot | Gelb | Gri Bl Violett
phoren n au iole
schwarze sehr reichlich | etwas wie in wie in wie in Hell
spärlich weniger Rot Rot
reichlich
gelbe Fast |reichlich,| etwas wie in sehr wie in Hell
gänzlich vor weniger Rot reichlich
ge- schwarz | reichlich,
schwun- vor- vor
den herr- | schwarz
schend vor-
herr-.
schend
orange- Fast |reichlich,| etwas wie in | wie in wie in Hell
farbene | gänzlich | weniger | weniger Rot Rot
ge- als. reichlich
schwun- | schwarz
den
Zusammenfassung der Versuchsergebnisse.
1. Auftreten und Beschaffenheit der
Pigmentarten:
a) Schwarzes Pigment: Tritt am 9. Versuchstage zum ersten
Mal auf in Form wenig verzweigter Chromatophoren mit geringem
Pigmentgehalt. Nach einigen Tagen sind Streuzellen mit feinen
Ausläufern ausgebildet. Pigmentkörner klein.
b) Gelbes Pigment: Am 11. Versuchstag zuerst festgestellt.
Fortgeschrittene Form der Chromatophoren weist auf früheres
Auftreten hin. Form der Chromatophoren: lappig, wenig verzweigt.
Pigmentkörner größer als die schwarzen, stark lichtbrechend. Ver-
mehrung stärker als die der schwarzen, so daß gelbes Pigment
vorherrscht.
c) Orangefarbenes Pigment: Tritt am 25. Versuchstag
zuerst auf in Form reichverzweigter Chromatophoren. Pigment-
körner sehr klein, nicht stärker lichtbrechend. Tritt nicht bei
allen Tieren auf.
2. Einfluß desLichtes und der Dunkelheit aufEnt-
stehung, Weiterentwicklung und Veränderung der
Pigmente.
einzelnen
17%
958 Friepricu Kurz,
a) Entstehung der Pigmente: Schwarzes Pigment tritt
in allen Kulturen gleichzeitig auf. Keine Verzögerung der Ent-
stehung in irgendeiner Kultur. Gelbes Pigment ebenso. Orange-
farbenes Pigment tritt nicht bei allen Individuen auf, in allen
Kulturen aber gleichzeitig.
b) Weiterentwicklung der Pigmente: Der Einfluß des
Lichtes zeigt sich erst nach der Entstehung der Pigmente und zwar
in der Weise, daß Hell-, Violett- und Blautiere gegenüber
Gelb- und Rottieren Förderung der Vermehrung des schwarzen,
gelben und orangefarbenen Pigments, Grüntiere Förde-
rung der Vermehrung des gelben und Hemmung der Ver-
mehrung des schwarzen und orangefarbenen Pigments,
Dunkeltiere weitgehende Hemmung der Vermehrung des
schwarzen und fast völlige Rückbildung des gelben- und
orangefarbenen Pigments zeigen.
c) Veränderung der Pigmente: Eine Veränderung der Farbe
der Pigmente ist in keinem Falle beobachtet worden.
2. Versuch mit Schollenlarven.
Um die Zeit des ersten Auftretens des gelben Pigments genauer
festzustellen und die ersten Versuchsergebnisse überhaupt einer
nochmaligen Prüfung zu unterziehen, setzte ich eine zweite Versuchs-
reihe mit Scholleneiern an. Mit der Beschreibung dieses Versuchs
will ich mich ganz kurz fassen und nur die vom ersten Versuch
abweichenden Daten und die Ergebnisse des Versuchs darstellen.
Ich verwandte diesmal Eier und Samen von nur je einem
Rogner und Milchner. In jeder Kultur wurden durchschnittlich
1000 Eier eingesetzt. Die Sterblichkeit war in den ersten Tagen
nicht so groß wie in Versuch I, etwa 30°/,, so daß noch durch-
schnittlich 700 zurückblieben. Von diesen starben bis Ende des
Versuchs etwa 200 ab, 100 wurden zur Untersuchung verbraucht,
so daß kurz vor Schluß des Versuchs noch durchschnittlich 400
Larven vorhanden waren. 5
Die Dauer des Versuchs betrug 31 Tage. Die Entwicklung
wurde infolge der höheren Wassertemperatur um etwa 10 Tage
abgekürzt. Infolgedessen traten auch die Pigmente früher auf und
zwar das schwarze am 6. Versuchstag, das gelbe am gleichen
Tage. Orangefarbenes Pigment trat überhaupt nicht auf.
Das Auftreten des schwarzen Pigments vollzog sich in genau
derselben Weise wie im ersten Versuch. Das gelbe Pigment wurde
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 259
infolge genauerer Beobachtung und darauf gerichteter Aufmerksamkeit
zu einem früheren Zeitpunkt als im ersten Versuch festgestellt und
auf diese Weise die beim ersten Versuch gehegte Vermutung be-
stätigt. Das gelbe Pigment trat gleichzeitig mit dem schwarzen
auf. Die ersten gelben Farbzellen hatten durchweg die auch schon
in Versuch I beobachtete wenig entwickelte Form ohne Ausläufer
(Fig. 9), so daß sie der Beobachtung leicht entgehen konnten. Die
mehr verzweigte Form entwickelte sich erst einige Tage später.
Das orangefarbene Pigment trat bei diesem Versuch in keiner
Kultur und bei keinem Individuum auf.
Der Einfluß des Lichtes war annähernd derselbe wie im
ersten Versuch. Auf die Entstehung des Pigments hatte das
Licht keinerlei Einfluß. Bei der Weiterentwicklung erwiesen
sich Hell, Blau und Violett als fördernd, Rot, Gelb und
Grün als etwas hemmend. Bei Grüntieren trat die in Versuch I
beobachtete Mehrentwicklung von gelbem Pigment nur bei wenigen
Individuen auf und auch nicht in dem Umfange, daß von einer
Förderung der Bildung gelben Pigments gesprochen werden könnte.
Bei Dunkeltieren war Hemmung der Vermehrung des
schwarzen und Rückbildung des gelben Pigments zu be-
obachten. Der Endzustand der Pigmente war mit Ausnahme der
Grüntiere derselbe wie in Versuch I. Mithin ergab der zweite
Versuch im wesentlichen eine Bestätigung der ersten Versuchs-
ergebnisse.
3. Versuch mit Schollenlarven.
Einen dritten Versuch setzte ich an, um über die Bildung des
orangefarbenen Pigments, das im zweiten Versuch überhaupt nicht
aufgetreten war, Klarheit zu bekommen.
Ein Vergleich der Eier mehrerer Tiere ergab das Vorkommen
von zwei verschiedenen Arten von Eiern, nämlich solche mit
fast weißer und solche mit ausgesprochen orangefarbener
Keimscheibe. In dieser Tatsache schien mir eine mögliche Er-
klärung für das Ausbleiben des orangefarbenen Pigments bei vielen
Tieren in Versuch I und das völlige Fehlen in Versuch II zu liegen.
Deshalb. verwandte ich in den sieben Kulturen Eier mit orange-
farbener Keimscheibe, die von einem einzigen Rogner stammten
(Versuch III). Ferner besetzte ich eine besondere Kontrollkultur
unter gewöhnlichen Lichtbedingungen mit Eiern mit weißer Keim-
scheibe, auch von einem einzigen Tiere stammend (Versuch IIla).
260 Frieprich Kurz,
Der Versuch dauerte 30 Tage. Die Temperatur war durch-
schnittlich ebenso hoch und die Anzahl der Eier ungefähr die-
selbe wie in Versuch II. Das schwarze und gelbe Pigment traten
am 6. Versuchstage gleichzeitig auf. Hierbei konnten die Be-
obachtungen über Form der ersten gelben Farbzellen von Versuch II
bestätigt werden. Das erste Auftreten von orangefarbenem
Pigment wurde am 20. Versuchstage in sämtlichen sieben Kulturen
des Versuchs III gleichzeitig festgestellt. Es trat bei sämtlichen
Tieren ohne Ausnahme auf. In der Kontrollkultur Illa waren
orangefarbene Farbzellen nicht zu beobachten und traten auch im
weiteren Verlauf des Versuches bei keinem Tier auf. Die orange-
farbenen Zellen in Versuch III traten fast ohne Ausnahme. sofort
in Form völlig ausgebildeter verzweigter Chromatophoren auf, wie
das schon in Versuch I festgestellt war. Ursprünglichere, weniger
verzweigte Formen waren nicht zu beobachten. Kurz vor dem
Auftreten und auch noch am 1. Tage des Auftretens wurden jedoch
besonders im Flossensaum reichverzweigte, farblose Zellen be-
obachtet, die in ihrer Form durchaus den orangefarbenen Chroma-
tophoren glichen (Fig. 12). Es ist mir nicht unwahrscheinlich, daß
diese Zellen zur Aufnahme des aus dem Ei stammenden orange-
farbenen Farbstoffes präformiert wurden. Eine nähere Unter-
suchung an neuem Material war mir damals wegen Beendigung der
Laichperiode leider nicht möglich.
Im übrigen konnten sämtliche Beobachtungen und Ergebnisse
des zweiten Versuchs bestätigt werden. Das Hauptergebnis dieser
beiden Parallelversuche (III und IIIa) wäre somit der Nachweis,
daß das Auftreten des orangefarbenen Pigments abhängt
von dem Vorhandensein eines orangefarbenen Farbstoffes (Lipo-
chrom) in den unbefruchteten Eiern. |
Nachträglich fand ich in einer Arbeit von WAGxer (1911) die-
selbe Erscheinung bei Forellen beschrieben. Bei Forellen kommen
auch 2 Arten von Eiern vor, solche mit orangerotem und solche mit
hellgelbem Dotteröl. Die orangeroten Zellen sind ausschließlich an
Tieren mit orangerotem Dotteröl zu finden, Tiere mit hellgelbem
Dotteröl weisen ausschließlich hellgelbe Pigmentzellen auf.
Versuch mit Larven und Jungfischen des Hechtes. :
In jede Kultur wurden 150 Larven eingesetzt. Im Laufe des
ganzen Versuches gingen etwa 50 zugrunde, von denen viele von
ihren eigenen Genossen verzehrt wurden, etwa 80 wurden zur
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 261
Untersuchung verbraucht, so daß am Schluß noch etwa 30 vor-
handen waren. Der Versuch dauerte 3 Monate lang, genau 90 Tage.
Die eben ausgeschlüpften Larven zeigten bereits Pigment, und
zwar schwarzes, gelbes und rotes. Makroskopisch haben die Tiere
eine grünlich-graue Färbung mit wenig ausgeprägter Zeichnung.
Was die Beschaffenheit der einzelnen Farbzellen und ihre Ver-
teilung angeht, so fand ich folgende Verhältnisse Die! schwarzen
Chromatophoren sind fast gleichmäßig über den ganzen Körper ver-
teilt mit Ausnahme der Bauchseite, die überhaupt keine Pigmen-
tierung aufweist. Die gelben Chromatophoren fanden sich an Rücken
und Seiten, während die roten vor allem in der Schwanzregion
zahlreich vertreten waren, sich aber auch noch auf die Körperseiten
hin fortsetzten. Besonders charakteristisch war die Anordnung des
Pigments in der Schwanzregion. In der Mitte war größtenteils
rotes Pigment, oberhalb und unterhalb des roten Pigments dem
Rand der Schwanzflosse zu lag je ein größerer Flecken gelben
Pigments. Das schwarze verteilte sich über die ganze Region und
war teilweise in Reihen längs der Flossenstrahlen angeordnet.
Diese Stelle ließ infolge ihrer Durchsichtigkeit auch ohne längere
Präparation, die immer den Nachteil hat, die Farbzellen zu reizen
und dadurch andere Bilder gibt, eine bequeme mikroskopische
Untersuchung zu (Fig. 30—33). +
Die Form der einzelnen Chromatophorenarten zeigte Unter-
sehiede zwischen schwarzen und: farbigen Die
schwarzen Chromatophoren zeigten fast ohne Ausnahme eine
sehr regelmäßige, schön ausgebildete Sternform mit feinen, reich
verzweigten Ausläufern. Die gelben und roten Farbzellen be-
saßen die gleiche Form, nämlich eine mehr unregelmäßige, längliche
mit kurzen, breiten, lappenförmigen Ausläufern ohne Verzweigungen.
Ihre Größe war fast durchweg geringer als die der schwarzen
(Fig. 13, 14, 15). Die Pigmentkörner der schwarzen Chromatophoren
zeigten keine Besonderheiten, die der geiben waren ebenso wie die
der Pleuronecteslarven bedeutend größer als die schwarzen und
stark lichtbrechend mit grünlichem Schimmer. Die roten Pigment-
körner waren ebenso groß wie die gelben und zeigten auch Licht-
_ brechung. Fig. 16 zeigt deutlich den Größenunterschied : zwischen
roten und schwarzen Pigmentkérnern. In auffallendem und durch-
fallendem Licht zeigten die farbigen Chromatophoren einen Unter-
schied der Farben. Im durchfallenden Licht erschienen die gelben
schmutziggelb, die roten dunkelrotbraun, im auffallenden Licht die
262 Frreprica Kurz,
gelben leuchtend gelb, die roten leuchtend rosa (in expandiertem
Zustand) und leuchtend rot (in kontrahiertem Zustand). An den
Stellen, wo rotes und gelbes Pigment zusammenstoßen, tritt eine
sehr schöne Orangefärbung auf. Bei näherer Betrachtung und
Verschiebung der Tubusröhre erwies es sich jedoch, daß an diesen
Stellen gelbe und rote Chromatophoren über- und durcheinander-
lagen. Die Orangefarbe war also nicht Eigenfarbe von orange-
farbenen Chromatophoren, sondern durch Superposition hervorgerufen.
‘Nach .längerem Verweilen in den Kulturen zeigten die Tiere
eine schwache Anpassung an die Beleuchtungsfarbe Die
Dunkeltiere wnrden dabei ganz licht infolge Kontraktion ihrer
Pigmentzellen. Eine genaue Untersuchung ergab bei allen Tieren
das Vorhandensein aller beschriebenen Farbzellen; irgendein Unter-
schied in der Anzahl der verschiedenen Farbzellen bei den einzelnen
Kulturen oder eine Änderung der Pigmentfarben war nicht wahr-
zunehmen. Um diese Farbanpassung noch näher zu prüfen, nahm
ich aus jeder Farbkultur einzelne Tiere heraus und setzte die an
die Beleuchtungsfarbe schwach angepaßten Tiere in breiten Glas-
schalen auf einem mit weißem Filtrierpapier belegten Tisch dem
hellen Tageslicht aus. Nach einiger Zeit war eine allgemein gleiche
Lichtfärbung sämtlicher Tiere eingetreten, alle nahmen eine ganz
lichte, etwas grünliche Färbung an. Später wiederholte ich diesen
Versuch nochmals mit gleichem Erfolg und verwandte dann die
Tiere zu Versuchen mit farbigem Untergrund. Ich verwandte dabei
matte farbige Papiere. Nach mehreren Stunden zeigten die Tiere
eine verschieden deutliche Anpassung an die Untergrundfarbe. Bei
Hell und Schwarz war dieselbe ausgesprochen, bei Rot und Gelb
schwach, aber etwas deutlicher als bei den übrigen Farben, die im
Vergleich zum Helltiere eine etwas dunklere grünliche Färbung
zeigten.
Ein Einfluß des Lichtes aufdie Pigmentbildung zeigte
sich während der dreimonatlichen Dauer des Versuches überhaupt
nicht. Die Figg. 30—33 zeigen die Anordnung und Farbe der
Chromatophoren aus der Schwanzflosse nach zweimonatlicher Versuchs-
dauer nach Dauerpräparaten. Irgendwelche Unterschiede unter den
einzelnen Kulturen bezüglich der Farben und Anzahl der Chroma-
tophoren wird man daraus nicht ersehen können. Auch bei Abbruch
des Versuches waren Farben und Anzahl der Chromatophoren in
allen Kulturen durchaus gleich.
Der Hechtversuch hat also im Ge zu den Schollenver-
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 263
_
suchen keinerlei Einfluß der verschiedenen Lichtstrahlen und der
Dunkelheit auf die Weiterentwicklung des Pigments ergeben. Da
die jungen Hechte bei Beginn des Versuchs bereits Pigment aller
Art gebildet hatten, liegt es nahe, daran zu denken, daß eine solche
Beeinflussung sich vielleicht nur zeigt, wenn das Pigment schon
während der Entstehung unter dem Einfluß des betreffenden Lichtes
steht, daß aber das unter natürlichen Lichtverhältnissen schon ge-
bildete Pigment junger Fische einer Beeinflussung wenig zugänglich
ist. Die Wirksamkeit der beeinflussenden Faktoren wäre vielleicht
also auf eine gewisse Sensibilitätsperiode, in diesem Falle auf die
Zeit der Entstehung der Pigmente, beschränkt. Bevor jedoch eine
solche Sensibilitätsperiode als sicher angenommen werden kann,
müßten Parallelversuche mit Entwicklungsstadien von Fischen mit
und ohne Pigment angestellt werden. Der negative Ausgang des
Versuches zeigt aber, wie recht v. Frisch mit der Ansicht hatte,
dab die Frage des Einflusses des Lichtes auf die Pigmentbildung
nicht an älteren, ausgewachsenen Tieren geprüft werden könne.
Zusammenfassung der Ergebnisse des Hechtversuches.
1. Nach dreimonatlicher Einwirkung verschieden farbigen Lichtes
und völliger Dunkelheit zeigt sich in keiner Kultur irgendwelche
Veränderung der Farbe der einzelnen Pigmente, ebensowenig
wie eine Änderung in der Verteilung und Anzahl der einzelnen
Chromatophorenarten.
2. In einem geringen Grade zeigen die Versuchstiere eine An-
passung an die Beleuchtungsfarbe; dieselbe ist jedoch nicht durch
Zersetzung des Pigments, sondern durch verschiedene Aus-
dehnung der Chromatophoren bedingt.
3. Zwischen schwarzen und farbigen Chromatophoren ist wie
bei Pleuronectes in der Form der Chromatophoren und der
Größe der Pigmentkôrner ein Unterschied zu beobachten.
4. Übergänge zwischen den einzelnen Farben untereinander
und zwischen Farben und Schwarz wurden nirgends beobachtet.
Ill. Zusammenfassung sämtlicher Versuchsergebnisse.
A. Versuche I—IIT mit Schollenlarven.
1. Weißes und farbiges Licht und völlige Dunkelheit haben
keinerlei Einfluß auf die Entstehung des schwarzen
und farbigen Pigments.
264 Frieprıch Kurz,
2. Der Einfluß der verschiedenen Beleuchtungsart zeigt sich
erst bei Weiterentwicklung des Pigments und zwar:
a) Weibes und kurzwelliges Licht (violett und blau)
fördern die Entwicklung von schwarzem und farbigem
Pigment.
b) Langwelliges Licht (rot, gelb, grün) hemmt die Ent-
wicklung des schwarzen und farbigen Pigments etwas.
c) Völliges Dunkel hindert die weitere Entwicklung des
schwarzen Pigments stark, läßt die Entwicklung von
farbigem Pigment völlig aufhören und bewirkt allmählichen
Schwund desselben. |
3. Ein Einfluß des Lichtes im Sinne einer Zersetzung des
schwarzen Pigments zur Beleuchtungsfarbe hin ist nicht
festzustellen. |
4. Die Entstehungsgeschichte der Pigmente ergibt eine vonein-
ander völlige unabhängige, gesonderte Bildung der einzel-
nen Pigmentarten, zeigt vor allem keinerlei Abhängigkeit der
Entstehung der farbigen von den schwarzen.
B. Versuch IV mit LarvenundJungfischen des Hechtes.
Weißes und farbiges Licht und völlige Dunkelheit haben keinerlei
Einfluß auf Weiterentwicklung und Veränderung der einzelnen
Pigmentarten.
C. In beiden Versuchsarten wurde festgestellt:
1. Die farbigen Chromatophoren unterscheiden sich durch ihre
Form und durch die Größe und das Lichtbrechungs-
vermögen ihrer Pigmentkörner erheblich von den
schwarzen.
2. Eine Zusammensetzung des schwarzen Pigments aus
mehreren Farben und Übergänge von schwarzen Chro-
matophoren zu den farbigen und unter den einzelnen farbigen
ist nicht beobachtet worden.
IV. Theoretische Wertung der Versuchsergebnisse.
Die Zusammenfassung der Versuchsergebnisse wies eine Ein-
wirkung des Lichtes nur auf die Weiterentwicklung der
Pigmente nach, jedoch nur bei solchen Fischlarven, die von der Be-
fruchtung der Eier’ an unter dem Einfluß des betreffenden Lichtes
standen. Bei ganz jungen Fischen, bei denen schon Pigment ge-
bildet war, blieb dieselbe völlig aus. Ein Einfluß des farbigen
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 269
Lichtes auf die Pigmentbildung, erstens im Sinne einer Vermehrung
des mit der Beleuchtungsfarbe gleichfarbigen Pigments und zweitens
im Sinne einer Zersetzung des schwarzen Pigments zu farbigem
(der Beleuchtungsfarbe gleichfarbigem), ist nicht festgestellt worden.
Die Versuchsergebnisse machen demnach ein Zustandekommen der
Farbanpassung und eine Entstehung der Pigmente im Sinne der
Theorie SeCERov’s bei Fischen nicht wahrscheinlich.
Im Folgenden will ich versuchen, an Hand der Beobachtungen
vorliesender Versuche und unter Heranziehung einiger allgemeiner
Pigmentverhältnisse bei Fischen, die Wahrscheinlichkeit der Theorie
bei Fischen noch etwas schärfer zu beleuchten.
Über die Wirkung des Lichtes auf die verschiedenen Pigment-
arten hat SECERoV einige Sätze aufgestellt. Zunächst nimmt
Secerov an: das farbige Licht zersetzt dasschwarze Pigment,
so daß mit dem Licht gleichfarbiges Pigment entsteht. Zu
diesem Satz kam S. auf Grund der Versuche MrcuSar’s. an Deca-
poden und seiner eigenen an Nemachilus. Die Ergebnisse MEGUSAR’s
will ich hier, weil nicht an Fischen erhalten, außer acht lassen.
S. hat bei Nemachilus eine gewisse Farbanpassung an die Beleuch-
tungsfarbe beobachtet. In rotem, orangefarbenem und grünem Licht‘
wurden die Tiere rötlich, orangefarbig und grünlich, in blauem und
violettem Licht bekam die anfängliche Farbe einen blauen und
violetten Ton. Da S. nun den Satz aufstellt: „Die jeweilig vor-
handene makroskopische Farbe ist durch die gleichgefärbten mikro-
skopischen Pigmente bedingt“ (1909, p. 652), so müßten demnach
außer den sonst bei Fischen sehr allgemein auftretenden gelben,
orangefarbenen und roten Pigmenten auch bläuliches und violettes
Pigment aufgetreten sein, wobei diese ebenso wie die anderen
farbigen Pigmente nach der Theorie Seéerov's durch Zersetzung des
schwarzen Pigments entstanden gedacht werden müssen. Wir haben
nun gesehen, daß in den Versuchen mit Schollenlarven in den Farb-
kulturen ganz gleicherweise gelbes und orangefarbenes
Pigment entstanden und im weiteren Verlauf der Versuche un-
verändert geblieben ist. Nach dem Wırner’schen Prinzip und dem
Ausbleichsverfahren, denen ja nach S. die Entstehung der farbigen
Pigmente aus dem schwarzen analog ist, hätte also in den einzelnen
Farbkulturen neben schwarzem nur mit der Beleuchtungsfarbe
gleichfarbiges Pigment entstehen müssen, z. B. hätte in Grün nur
schwarzes und grünes Pigment auftreten dürfen, denn nach den
beiden Farbenphotographie-Prinzipien konnten die grünen Strahlen
266 Friepricn Kurz,
doch nur im Sinne einer Zersetzung des schwarzen Pigments zu
erünem wirken. Es trat aber gelbes und orangefarbenes auf, obwohl
selbe und orangefarbene Strahlen überhaupt nicht einwirken konnten.
Natürlich müßten bei einer solchen Zersetzung auch Übergänge
von schwarzem zu farbigem Pigment vorkommen, was aber nicht
beobachtet worden ist. Weiterhin führt nun Sederov aus, daß diese
Wirkung des farbigen Lichtes hauptsächlich in der Fixierung
der gleichfarbigen Pigmente besteht, die sich nach einiger Zeit
in einer Vermehrung der gleichfarbigen Pigmente äußert. Für
die Verhältnisse bei Fischen führt Seczrov als Beweis die Ver-
suche v. FrıscH’s an Phoxinus und Crenilabrus an, deren Ergebnisse
er für seine Annahme als beweisend betrachtet, was jedoch v. FrıscH
bestritten hat. Die Schollenlarvenversuche haben eine Vermeh-
rung des gleichfarbigen Pigments nicht ergeben. Sehr
deutlich hätte sich das unbedingt bei dem gelben und orangefarbenen
Pigment in gelbem und rotem Licht ergeben müssen. Gelb- und
Rottiere zeigten aber- nicht nur gleiche Anzahl gelber und
orangefarbener Farbzellen untereinander, sondern wiesen den
Blau- und Violettieren gegenüber sogar weniger gelbes
und orangefarbenes Pigment auf. Es wirkten also die gleichfarbigen
Strahlen nicht vermehrend, sondern sogar hemmend auf die
Entwicklung der gleichfarbigen Pigmente. Beim Hechtversuch, bei
dem die Einwirkung des Lichtes bedeutend länger dauerte, zeigte
sich auch keine Vermehrung des gleichgefärbten Pigments (Fig.30 —33).
Schließlich versucht Seczrov die Wirkung des farbigen
Lichtes auf farbige, nicht gleichgefärbte Pigmente als
zerstörend oder ins komplementäre verändernd nachzuweisen.
Für die erste Wirkungsweise, die zerstörende, führt Seéerov keine
Versuche mit Fischen an, für die zweite nur die Angabe GAMBLE'S
(1910), daß sich bei Crenilabrus eine komplementäre Reaktion zeigt.
v. Frisch hat diese komplementäre Anpassung bei Labriden bei
seinen Versuchen nicht erhalten können, die Versuchstiere haben
sich vielmehr an die Beleuchtungsfarbe durch Expansion und Kon-
traktion der Chromatophoren angepaßt. Unsere Schollen- und Hecht-
versuche ergaben in keinem Falle eine zerstörende Wirkung
des Lichtes auf nicht gleich gefärbtes Pigment. Es hätten bei einer
solchen Wirkungsart beispielsweise bei den Rottieren die gelben
Pigmente zu rot zersetzt werden müssen, was aber weder bei den
Schollen noch bei den Hechten in einer Vermehrung des roten
Pigmentes sich äußerte, auch treten keine Übergangsfarben zwischen
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 267
den orangefarbenen und roten einerseits, zu gelben andrerseits auf.
Die bei Schollen beobachtete stärkere Vermehrung des gelben
Pigments in Violett kann aber nicht für eine komplementäre
Wirkung gelten, denn diese trat auch bei Blau ein, außerdem hätte
dann das orangefarbene bei Blau sich auch vermehrt entwickeln
müssen, was jedoch nicht der Fall war. Bei den Hechten war im
Gegenteil eine schwache Anpassung an die Beleuchtungsfarbe zu
beobachten, eine komplementäre Reaktion war keineswegs zu be-
obachten. Sehr bemerkenswert ist nun das Verhalten des Pigments
in der Dunkelkultur. Schwarzes und farbiges Pigment entstand
in gleicher Stärke wie in den Hell- und Farbenkulturen. Nach der
Theorie Seéerov's wäre zu erwarten gewesen, daß sich im Dunkeln
überhaupt kein farbiges Pigment bilden würde, denn solches soll ja
aus dem schwarzen unter Einwirkung des Lichtes entstehen. Von
einer Einwirkung des Lichts kann hier natürlich nicht die Rede
sein und demnach auch nicht von einer Entstehung der farbigen
Pigmente aus dem schwarzen. Die spätere Riickbildung der farbigen
und Verminderung des schwarzen Pigments beweist nur die Not-
wendigkeit des Lichtes für die Erhaltung des Pigments.
Aus diesen Darlegungen dürfte klar hervorgehen, daß die Er-
gebnisse vorliegender Versuche über Einfluß des Lichtes auf die
Pigmentbildung in keinem Punkte die Möglichkeit einer Pigment-
theorie im Sinne Seczrov’s wahrscheinlich machen.
. Doch auch schon aus dem Verlauf der normalen Pigment-
entwicklung bei den Schollenlarven läßt sich auf die geringe Wahr-
scheinlichkeit einer derartigen Entstehung bei den Fischen schließen.
Vornehmlich zwei Erscheinungen sind es, die eine vom schwarzen
Pigment unabhängige Bildung der farbigen Pigmente zu beweisen
geeignet sind, nämlich das gleichzeitige Auftreten von
schwarzem und gelbem Pigment und die Entstehung des
orangefarbenen Pigments.
Wenn farbiges Pigment aus dem schwarzen entstände, dann
müßte notwendigerweise das schwarze Pigment bei der Pigment-
bildung allein und zuerst auftreten, das gelbe jedoch erst einige
Zeit später. Beim ersten Schollenversuch wurde das erste gelbe
Pigment zwar erst zwei Tage später als das schwarze beobachtet,
doch ließ die bereits fortgeschrittene Formentwicklung der Chroma-
tophoren auf ein früheres Auftreten schließen, was sich auch bei
den beiden nächsten Versuchen bestätigt hat. Das gelbe Pigment
trat gleichzeitig mit dem schwarzen auf. Bei der schnellen
268 FRIEDRICH Kurz.
Weiterentwicklung des Pigments stellten sich auch keinerlei Über-
gangsfarben zwischen gelb und schwarz ein, vielmehr unterschieden
sich die beiden Pigmentarten sowohl durch die Form der Chromato-
phoren als auch durch die Größe der Pigmentkörner scharf von-
einander. Diese Entstehungsart läßt auf eine vollkommen selb-
ständige und vom schwarzen Pigment unabhängige Bildung
des gelben Pigments schließen.
Die dritte bei Pleuronectes beobachtete Pigmentart, das orange-
farbene Pigment, tritt bedeutend später auf. Man könnte infolge-
dessen zu der Annahme neigen, das orangefarbene Pigment sei aus
dem schwarzen oder gelben Pigment entstanden. Der Verlauf der
Versuche zeigte jedoch, daß die Bildung von orangefarbenem
Pigment überhaupt abhängt von dem Vorhandensein des
selbroten Farbstoffes in den unbefruchteten Eiern. Es tritt
beim Fehlen dieses Farbstoffes in den Eiern im Laufe der späteren
Entwicklung überhaupt nicht auf, ist demnach direkt auf das
Lipochrom der Eier zurückzuführen. Es entsteht also ebenso wie
das gelbe Pigment völlig selbständig. Darauf weist außerdem
das Auftreten der farblosen verästelten Zellen im Flossensaum
hin, die zur Aufnahme des orangefarbenen Pigments vorbereitet zu
sein scheinen. Ihre Bildung wäre nicht verständlich, wenn das
orangefarbene Pigment aus dem schwarzen entstünde, denn dann
wäre eine Präformation dieser Zellen überflüssig. |
Eine eingehendere Berücksichtigung der Histologie der
Farbelemente bei den Fischen kann weitere Aufschlüsse über
die Frage liefern. Vorliegende Untersuchungen ergeben zwischen
den schwarzen und farbigen Chromatophoren nicht unerhebliche
Unterschiede. Das gilt zunächst von der Form. Die schwarzen
Pigmentzellen von Plewronectes und Esox zeigen die am weitesten
fortgeschrittene Form. Sie ist meist eine ziemlich regelmäßige Stern-
form, die zahlreiche mit feinen Verästelungen versehene Ausläufer
aufweist (Fig. 4 u. 13). Scharf durch ihre Form von diesen unter-
schieden sind die gelben von Pleuronectes und die gelben und
roten von Æsox. Im allgemeinen zeigen diese eine weniger ent-
wickelte, mehr unregelmäßige, oft längliche Gestalt mit großen
wenig verzweigten, mehr lappenartigen Fortsätzen. Die letzteren
zeigen nie die feinen, in dünnen Fäden ausgezogenen Verästelungen
der schwarzen Chromatophoren, sondern sind mehr keulenförmig und
breiter (Fig. 6, 7, 14, 15). Diesen Unterschied in der Form der
schwarzen und farbigen Chromatophoren hatte schon v. StEBOLD (1863)
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 269
gemacht, und auch Horer (in: Grorr, Vogr u. Horer, 1909) unter-
scheidet schwarze mehr verästelte und rote mit weniger Veräste-
lungen. Doch findet sich dieser Typus der farbigen Chromatophoren
nicht einheitlich bei den Fischen. Wir haben gesehen, dab das
orangefarbene Pigment bei Plewronectes in Form von außerordentlich
fein ausgebildeten Chromatophoren mit zarten reichverzweigten Aus-
läufern auftritt (Fig. 10). Auch aus den zahlreichen Arbeiten von
Barrowırz (1913—1916) ergibt sich, daß in der Form der farbigen
Chromatophoren eine außerordentliche Mannigfaltigkeit herrscht.
Man kann im allgemeinen für die Fische vielleicht den Satz auf-
stellen: die schwarzen und farbigen Chromatophoren weichen in
ihrer Form erheblich voneinander ab. Die schwarzen treten fast
durchweg in der bekannten Sternform auf, während die farbigen in
ihrer Form eine außerordentliche Mannigfaltigkeit zeigen. Stets
sind aber bei den einzelnen Fischarten die schwarzen und farbigen
durch ihre Form deutlich voneinander geschieden. Dieser Satz trifft
für die von mir untersuchten Arten jedenfalls zu. Nimmt man nun
an, daß die farbigen Pigmente aus dem schwarzen entstehen, dann
müßten die farbigen Chromatophoren bei den einzelnen Fischarten
stets dieselben Formen zeigen wie die schwarzen, denn es ist nicht
einzusehen, aus welchem Grunde mit einer Änderung der Farbe des
Pigments auch gleichzeitig eine Änderung des komplizierten Baues
der Chromatophoren sich vollziehen sollte. Die farbigen Chromato-
phoren zeigen nun aber zum Teil eine viel einfachere Form als die
schwarzen, es müßte dann also bei einer Umwandlung der
Farbe gleichzeitig eine gewisse Rückbildung der Form ein-
treten, was wenig wahrscheinlich sein dürfte.
Weitere Unterschiede zwischen schwarzen und farbigen Chromato-
phoren sind die Größe der Pigmentkörner und ihre
optischen Eigenschaften. Gehen wir zunächst wieder von |
den Befunden bei Plewronectes und Esox aus. Bei Pleuronectes sind
die kleinsten Körner die des orangefarbenen Pigments. In Fig. 4
und 10 erscheinen die schwarzen und orangefarbenen Pigmentkörner
etwa gleich groß, wobei die schwarzen in etwa 500- die orange-
farbenen in 800facher Vergrößerung gezeichnet sind. Die orange-
farbenen sind demnach erheblich kleiner als die schwarzen. Fig. 11
zeigt die Enden der Ausläufer einer gelben und orangefarbenen
Farbzelle. Die orangefarbenen erscheinen kaum halb so groß wie
die gelben Pigmentkörner. Fig.5u.8 zeigen. Ausläufer von gelben
und schwarzen Farbzellen. Die erheblichere Größe der gelben
270 Friedrich Kurz,
Pigmentkörner ist sehr deutlich. Die schwarzen und orangefarbenen
zeigen keinerlei besondere optische Eigenschaften, die gelben da-
gegen sind stark lichtbrechend, erscheinen oft in einem bläulich-
grünen Schimmer und leuchten verschieden hell auf. Einzelne
Körner erscheinen dabei ganz dunkel (Fig. 6 u. 7). Man kann sich
jedoch durch geringes Heben und Senken der Tubusröhre leicht
davon überzeugen, daß diese dunkeln Körner bei verschiedener Ein-
stellung die Helligkeit wechseln und schließlich ganz hell auf-
leuchten. Bei Hsox sind die Unterschiede einfacher. Die kleineren
Körner sind die schwarzen, die roten und gelben sind untereinander
gleichgroß und gut doppelt so groß wie die schwarzen (Fig. 16).
Lichtbrechungsvermögen zeigen die roten und gelben, wobei die
gelben auch einen bläulichen Schimmer aufweisen und beide Arten
verschieden hell erscheinen (Fig. 14 u. 15). Fände eine Umwand-
lung der schwarzen zu farbigen Pigmenten wirklich statt, dann
müßte gleichzeitig auch eine Veränderung der Größe und des
Lichtbrechungsvermögens der Pigmentkürner stattfinden und
es müßten neben den Übergängen in der Farbe auch Übergänge in
der Größe der Körner zu beobachten sein, was aber bei den hier
betrachteten Pigmentarten nicht der Fall ist.
Wenden wir uns nun zu einer mehr allgemeinen Betrachtung
der Farbelemente bei den Fischen, so fällt es auf, daß neben dem
schwarzen nur wenige farbige Pigmente vertreten sind. Die
bei weitem am häufigsten vorkommende Farbe ist die gelbe.
Daneben kommen eigentlich nur noch orangefarbene und braunrote
bis rote vor. Blau kommt nur als diffuser Farbstoff im Gewebe.
z.. B. bei Labriden, vor. Es fehlen hiermit im allgemeinen grüne,
blaue und violette Chromatophoren. Da sich nun aber die Fische
auch an grüne und blaue Umgebung anpassen, so müssen diese An-
passungen auf andere Weise als durch blaue und grüne Chromato-
phoren zustandekommen. Seenadeln z. B. zeigen in grünem Seegras
eine tiefgrüne Färbung, obwohl nur schwarze, gelbe und rote
Chromatophoren vorhanden sind. Der Satz Secerov's, daß dem
Farbzustand der Fische gleichgefärbte Chromatophoren entsprechen,
dürfte mithin keine Gültigkeit besitzen.
Fragen wir nun nach den Beziehungen der verschiedenen
Pigmentarten zueinander, so finden wir bei den Fischen nirgends
irgendwelche Übergänge von schwarzen zu farbigen Pigmenten
oder auch nur Andeutungen solcher. Die schwarzen Pigmente
scheinen also nicht nur hinsichtlich der Form ihrer Chromatophoren,
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 971
sondern auch in chemischer Hinsicht von den farbigen völlig getrennt
zu sein.
Etwas andere Verhältnisse liegen bei farbigen Pigmenten
vor. Wie aus diesen Untersuchungen. hervorgeht, zeigen bei Pleuro-
nectes und Esox die farbigen Pigmente keinerlei Beziehungen zu-
einander. Für die gelben und orangefarbenen bei Pleuronectes ist
die gesonderte Entstehung durch die Versuche einwandfrei bewiesen,
und auch’ bei Esox scheint sie für die gelben und roten auf Grund
der Form- und Größenverhältnisse der Chromatophoren und Pigment-
körner wahrscheinlich. Für viele andere Fischarten trifft eine ge-
sonderte Entstehung der farbigen Pigmente ebenfalls zu. Bei
anderen Arten scheinen jedoch Beziehungen zwischen den farbigen
Farbzellen vorzukommen. Es kommen bei diesen sowohl verschieden-
farbige Pigmentkôrner in einer Chromatophore vor als auch Über-
gangsfarben zwischen den einzelnen Farben. Barrowirz (1913a)
hat bei Gobius minutus gelbe Chromatophoren beschrieben, die im
Innern der Zelle ein Zentrum von rotem Pigment zeigen, und hat
auch gezeigt, daß die roten Chromatophoren durch Vereinigung
mehrerer solcher sogenannter „Erythrome“ entstehen. Das Vor-
kommen verschiedenfarbiger Pigmentkörner in einer Chromatophore
hat BarLLowırz (1915, 1916) bei Hemichromis und Blennius beschrieben,
wo in Rot- und Gelbzellen Pigmentkörner verschiedener Größe und
verschiedener Farbe vorkommen, was auch auf eine genetische Be-
ziehung zwischen diesen verschiedenfarbigen Farbzellen schließen
ließ. Auch bei den von BazzowiTz (1913c) bei Zierfischen ge-
fundenen alkoholbeständigen Erythrophoren scheint die Entstehung
brauner und gelber Pigmentkörner aus einander wahrscheinlich. Wir
sehen also bei den farbigen Farbzellen der Fische eine Mannig-
faltigkeit, die eine einheitliche Deutung der Entstehung der farbigen
Pigmente auseinander nicht zuläßt. Selbst wenn diese bei den
Fischen einheitlich zu beobachten wäre, so Könnte eine solche Tat-
sache noch nicht als Stütze für eine Theorie im Sinne SECEROV'S
gelten, denn es fehlen vor allem Übergänge zwischen schwarzen
und farbigen Chromatophoren. Auch ist bei Fischen nirgends be-
obachtet worden, daß das schwarze Pigment aus verschiedenen
Farben zusammengesetzt ist, wie es das Ausbleichverfahren fordert.
Seczrov kann für die Entstehung der farbigen Pigmente aus dem
schwarzen bei Fischen nur seine eigenen Versuche an ausgeschnittenen
Hautstücken anführen, die ja, wie wir gesehen haben, sehr bestritten
und zweifelhaft sind. Er zieht deshalb bei diesem Punkte auch die
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. alle. Zool. u. Physiol. 18
272 FriepricH Kurz,
Pigmentverhältnisse der Crustaceen zu seiner Beweisführung
heran und stellt dieselben an Hand der ausführlichen Versuche
MeeuSar’s (1912) dar. In der Tat liegen bei den Decapoden,
wie auch aus früheren Untersuchungen hervorgeht, ganz besondere
Verhältnisse vor. Neben einem periodischen Tag- und Nachtfarb-
wechsel ist hier eine wirkliche und vor allem verhältnismäßig
schnelle Umwandlung der Farbe der Pigmentkörner in einer Chro-
matophore zu beobachten, und es kommen infolgedessen auch in der-
selben Chromatophore gleichzeitig schwarze und farbige Pigmente
vor. Für die Crustaceen scheint mir deshalb die Theorie Szézrov’s
nicht so unwahrscheinlich zu sein. Doch ist zu beachten, daß diese
Verhältnisse und Vorgänge bei Crustaceen ganz allein stehen und
ausschließlieh bei Gliederfüßlern vorkommen und daß sich nichts
dergleichen bei anderen Tierklassen findet. Wie bei den Crustaceen,
so finden sich nun aber bei anderen Tierklassen besondere jeweils
verschiedene Verhältnisse in der Histologie und Physiologie der
Chromatophoren und der Farbanpassung. Es sei hier z. B. nur hin-
gewiesen auf die bei den verschiedenen Tierklassen verschiedene
Reaktion der Pigmentbewegung auf Lichtreiz. Jedenfalls läßt sich
eine sämtliche Tiere umfassende Einheitlichkeit in diesen ver-
schiedenen Verhältnissen nicht auffinden. So drängt sich die Frage
auf, ob es angängig ist, diese Anschauung ohne weiteres auf das
Problem der Farbanpassung bei allen Tieren auszudehnen. Eine
Wirksamkeit des Prinzips Secerov’s bei den Fischen glaube ich auf
Grund der von anderen Forschern dargestellten Pigmentverhältnisse
und meiner Versuche verneinen zu müssen. |
. Ganz kurz sei noch darauf hingewiesen, daß eine Theorie der
Entstehung der Farben durch Zusetzung des Melanins sich vor
allem auf eine genaue chemische Kenntnis der Farbstoffe stützen
müßte. Doch hier stehen wir vor einem noch ungelösten Problem.
Unsere Kenntnisse der Chemie der Melanine und Lipochrome und
ihrer Beziehungen zueinander sind sehr lückenhaft. Selbst diese
Kenntnisse vorausgesetzt, entstünde dennoch, wie van RYNBERK
(1906, p. 570) treffend bemerkt, die Frage, „auf welche Weise diese
äußerst stabilen, schwer zu lösenden Stoffe [gemeint sind die Mela-
nine] durch bloße Einwirkung von Licht oder Sauerstoff in der
Haut zerstört... werden sollten.“
Die Entstehung derFarbanpassung beiden Fischen dürfte
daher nicht mit der Entstehung der Pigmenteigenfarben
identisch sein, sondern ist wohl ein von vielen Faktoren abhängiger
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 273
Vorgang, wobei der von Augenvermittlung und Nervensystem ab-
hängigen Funktion der Chromatophoren die Hauptbedeutung
zukommt. PoucHer hat den Vorgang treffend definiert mit dem
Satze: „Die chromatische Funktion muß definiert werden als Kom-
plex von reflektorischen Wirkungen auf die Chromatophoren, deren
Ausgangspunkt von den Gesichtseindrücken gebildet werden kann.“
Es kann sich nun aber die Frage erheben, ob die bei den Fischen
vorhandenen Chromatophoren (außer schwarzen meist nur rote und
gelbe) überhaupt genügen, um die oft außerordentlich weitgehende
Anpassung der Fische an die Farbe der Umgebung zustande zu
bringen. Hier muß nun darauf verwiesen werden, daß bisher in
den meisten Untersuchungen über Farbanpassung der Fische die
Funktion der schwarzen wnd farbigen Chromatophoren fast allein
für das Zustandekommen der Farbanpassung verantwortlich gemacht
worden ist. Hierbei ist eine Tatsache in ihrer Bedeutung verkannt
oder nicht genug gewürdigt worden, nämlich die Funktion der
Iridocyten, der mit feinen, in lebhaften Farben schillernden
- Guaninkörnchen oder -stäbchen angefüllten Chromatophoren. Die
. Erforschung ihrer Tätigkeit steht weit hinter der der anderen Chro-
matophoren zurück. Ins rechte Licht gerückt wurde ihre Bedeutung
für die Farbanpassung erst durch die Forschungen von BALLowITZ
(1913—1916), der die Iridocyten mit Melanophoren und Erythrophoren
in ganz eigentümlicher Weise zu förmliehen chromatischen Organen
vereinigt gefunden hat. Daß durch die verschiedene Zusammen-
wirkung außerordentlich kompliziert zusammengelagerter mannig-
facher Farbelemente, wie sie BatLLowırz beschrieben hat, die ver-
schiedensten Farben und Farbtöne entstehen können, liegt auf der
Hand. Eine Mitwirkung muß z. B. bei der ausgesprochen grünen
Färbung der Seenadeln und dem Auftreten von blauen Flecken bei
Nerophis ophidion stattfinden, da bei diesen Tieren entsprechend ge-
färbte Chromatophoren fehlen. Über die Funktion und die durch
sie hervorgerufenen Farben der Iridocyten liegen bis jetzt noch
keine Untersuchungen vor, da außer BALLowırz bisher kein Forscher
sich näher mit diesen Elementen beschäftigt hat. BALLowırz, der
sich nur vom rein anatomischen Standpunkte mit den Iridocyten
beschäftigt, deutet aber das Zustandekommen verschiedener Fär-
bungen in diesen chromatischen Organen kurz an: „Wie meiner
Ansicht nach unzweifelhaft feststeht, kommt der oft so auffällige
Farbenwechsel der Knochenfische dadurch zustande, dab die Pigment-
körnchen sich innerhalb der... Pigmentzellen durch intracelluläre
18*
274 Friepricn Kurz,
Strömung verschieben. .... Strömen z. B. die dunklen Pigment-
körner in den Melanophoren zentralwärts zu einer kleinen Scheibe
oder einem kleinen Klümpchen zusammen, so erblaßt diese Haut-
stelle und die Farben der übrigen Chromatophoren kommen mehr
zur Geltung. Strömen dagegen die Melaninkörnchen ... in die
Randteile der Zelle, so breitet sich das Pigment in einer größeren
Fläche... aus und macht diese Zelle jetzt in ihrer ganzen Aus-
dehnung sichtbar: infolgedessen verdunkelt sich die betreffende Haut-
stelle, und das ausgebreitete Pigment überdeckt, dämpft und modi-
fiziert die übrigen Farben“ (1913a, p. 473).
Weiterhin ist der durch das Argentium hervorgerufene Silber-
glanz der Fischhaut nicht unwesentlich beim Zustandekommen der
Farbanpassung, in vielen Fällen spielt atich die Färbung der Muskeln
und des Gewebes eine gewisse Rolle, und schließlich gehört die
Fähigkeit vieler Fische, z. B. Gobius (HEıncke, 1875), beim Fehlen
der Beleuchtungsfarbe entsprechender Chromatophoren sich durch-
sichtig zu machen, hierher. Wirken alle Faktoren zusammen, so
kann man sich das Zustandekommen vieler auffallender Farb-
anpassungen leicht vorstellen, ohne Zuhilfenahme der Theorie SEGEROV’s.
Die Erforschung des Zusammenwirkens dieser Faktoren ist aber
vorläufig noch nicht aufgenommen worden, dürfte aber bei ein-
gehender Untersuchung weitere Aufklärung über die Farbanpassung
der Fische bringen.
Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 275
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Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen. 977
Erklärung der Abbildungen.
Tafel 1.
Fig. 1. Schwarze Pigmentzellen von Pleuronectes. Versuch 1. Hell-
kultur 9. Versuchstag. LEITz Ok. 3, hom. Imm. !/,. 840:1. Zeichen-
apparat.
Fig. 2. Schwarze Pigmentzellen von Plewronecies. Versuch I. Gelb-
kultur 10. Versuchstag. LEITZ Ok. 3, hom. Imm. 4/,,. 840:1. Zeichen-
apparat. |
Fig. 3. Schwarze Pigmentzellen von Pleuronectes. Versuch I. Blau-
kultur 11. Versuchstag. SEIBERT Ok. 3. Obj. V.. 600:1. Zeichen-
apparat. |
Fig. 4. Schwarze Pigmentzelle von Pleuronectes. Versuch I. Violett-
kultur 16. Versuchstag. Leitz Ok. 1, hom. Imm. !/,. 525:1. Zeichen-
apparat.
Fig. 5. Ausläufer von schwarzen und gelben Pigmentzellen von
Pleuronecies. Versuch I. Rotkultur. SEIBERT Ok. 3, Obj. V. 600:1.
Zeichenapparat. |
Fig. 6 u. 7. Gelbe Pigmentzellen von Pleuronectes. Versuch I.
Hellkultur 11. (Fig. 7) und 13. (Fig. 6) Versuchstag. SEIBERT Ok. 3,
Obj. V. 600:1. Zeichenapparat.
Fig. 8. Wie Fig. 5. Versuch I. Hellkultur 13. Versuchstag. Ver-
größerung wie in Fig. 5. |
Fig. 9. Gelbe Pigmentzelle ohne Ausbildung von Ausläufern. Pleuro-
nectes. Versuch I. Blaukultur 11. Versuchstag. SEIBERT Ok. 3, Obj. V.
600: 1. Zeichenapparat.
Fig. 10. Orangefarbene Pigmentzelle von Pleuronectes. Versuch I.
Blaukultur 26. Versuchstag. Leitz Ok. 3, hom. Imm. 4/,,. 840:1.
Zeichenapparat. |
278 Frieprice Kurz, Einfluß farbigen Lichtes auf die Pigmente bei den Fischen.
Fig. 11. Ausläufer von gelben und orangefarbenen Pigmentzellen
von Pleuronectes. Versuch I. Dunkelkultur 26. Versuchstag. LEITZ Ok. 5,
hom. Imm. 4/,,. 1260:1. Zeichenapparat.
Fig. 12. Farblose verästelte Zelle aus Flossensaum von Pleuroneetes.
Versuch III. Grünkultur 20. Versuchstag. LEITZ Ok. 3, hom. Imm.
1,9. 840:1. Zeichenapparat.
Fig. 13. Schwarze Pigmentzelle von Esox. LEITZ Ok. 1, hom. Imm.
Us. 525:1. Zeichenapparat.
Fig. 14. Rote Pigmentzelle von ÆEsor. Vergrößerung wie Fig. 13.
Fig. 15. Gelbe Pigmentzelle von Esox. Vergrößerung wie Fig. 13.
Fig. 16. Ausläufer von roten und schwarzen Pigmentzellen von Hsoz-
Vergrößerung wie Fig. 13.
Mattel, 2:
Sämtliche Figuren aus Versuch I. Pleuronectes.
Fig. 17. Dunkelkultur 12. Versuchstag.
Fig. 18. Rotkultur 12. Versuchstag.
Fig. 19. Dunkelkultur 17. Versuchstag.
Fig. 20. Hellkultur 17. Versuchstag.
Fig. 21. Dunkelkultur 20. Versuchstag.
Fig. 22. Hellkultur 20. Versuchstag.
Fig. 23. Dunkelkultur 25. Versuchstag.
Fig. 24. Hellkultur 25. Versuchstag.
Fig. 25. Dunkelkultur 36. Versuchstag.
Fig. 26. Gelbkultur 36. Versuchstag.
Fig. 27. Grünkultur 36. Versuchstag.
Fig. 28. Violettkultur 36. Versuchstag.
Fig. 29. Hellkultur 36. Versuchstag.
Tartel';s.
Pigment in Schwanzflosse von Esox nach zweimonatlicher Versuchsdauer.
Fig. 30. en
Fig. 31. Blaukultur. LEITZ Ok. 1, Obj. 3. 51:1. Zeichen-
Fig. 32. Hellkultur. | apparat. Bei auffallendem Lichte.
Fig. 33. Gelbkultur.
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Ein neuer Nachweis des Großstadt-Melanismus der
Schmetterlinge in Hamburg an Noctuen.
Von
Prof. Dr. med. K. Hasebroek (Hamburg).
Mit Tafel 4.
In einer größeren Abhandlung !) habe ich nachzuweisen versucht,
wie der neuzeitliche Melanismus der Schmetterlinge mit dem Auf-
kommen der Großindustrie entstanden ist und sich letzterem in seiner
Verbreitung angeschlossen hat. Ich habe darlegen können, daß die:
Verhältnisse in Deutschland auf diese Art der Verbreitung hin-
weisen und wie sich speziell die nähere Umgebung von Hamburg
als ein prägnantes Beispiel für den Einfluß der Grobstadtentwicklung
auf die Herausbildung und örtliche Fixierung des Melanismus demon-
strieren läßt. Hierbei handelte es sich besonders um die tiefschwarze
Noctue Cymatophora or F. ab. albingensis W Arn., die wir Hamburger mit
ihren nahestehenden Formen seit einigen Jahren bis zu 90°, und
mehr aus Raupen von einer ganz bestimmten Lokalität im NO der:
Stadt erhalten. Es hat sich als höchstwahrscheinlich, wenn nicht
als sicher herausgestellt, daß diese Lokalität ein kleineres Zentrum
für den Melanismus darstellt, und zwar handelt es sich unter anderem.
auch um die unmittelbare Nähe der großen Hamburger
1) HASEBROEK, Uber die Entstehung des neuzeitlichen Melanismus
der Schmetterlinge und die Bedeutung der Hamburger Formen für dessen.
Ergründung, in: Zool. Jahrb., Vol. 37, Syst., 1914.
280 | K. HASEBROEK,
Müllverbrennungsanlage.!) Dieser Verbrennungsofen, der
nach dem Hochofensystem angelegt ist, entsendet Tag für Tag aus
den hohen Schornsteinen Rauch und Feuerungsgase in die Luft, und
man bemerkt in dieser Gegend stets einen schwach säuerlichen
Geruch. Auch sieht man bei günstigen Verhältnissen einen feinen
Dunst, der die Atmosphäre erfüllt. Die Vegetation läßt vielfach
-eine feine gelbliche Bestäubung erkennen. Die vorhandenen Sträucher
in den sogenannten Knicks sind zum Teil in recht mäßiger Ver-
- fassung, vielfach verkümmert. Die niedere Vegetation gedeiht jedoch
anscheinend trotz alledem normal. Auch die Feldfrüchte auf den
reichlich vorhandenen Parzellen sollen nicht schlechter sein als die-
jenigen von anderen Orten der Umgebung Hamburgs; ob aber die
‘mir von den Besitzern der Schrebergärten in dieser Beziehung ge-
machten Angaben nicht ein wenig durch die Herzensfreude ihrer
-gärtnerischen Betätigung gefärbt sind, lasse ich dahingestellt. Manche
fügen die Einschränkung hinzu: „wenn der Dunst nicht allzugroß
ist“. Im Jahre 1916 war jedenfalls alles besonders schlecht, doch
läßt das überall in unserer Gegend sehr ungünstige Jahr keinen
bindenden Schluß zu.
In der Mai-Sitzung des Entomologischen Vereins von Hamburg-
Altona legte ein Mitglied, Herr Kusav, einige Falter vor, die er
‚aus Raupen von der oben erwähnten Gegend gezogen hatte und von
denen er meinte, daß sie dunkler seien als die gleichen Tiere aus
‚anderer Gegend. Ich persönlich glaubte aus den Faltern nicht zu
viel schließen zu dürfen, habe aber dennoch damals in das Protokoll
eingetragen, daß in der Tat eine Dieranura vinula L. und eine Leu-
cama pallens L. an den Hinterflügeln dunkler als sonst zu sein
scheinen. ?)
Ich habe nun begonnen, in dieser Hinsicht systematisch zu be-
-obachten, um sichrere Belege für den Einfluß der in Frage kommenden
Lokalität zu erhalten. Schon der erste Versuch ist so einwandsfrei
positiv ausgefallen, daß ich trotz der noch geringen Anzahl der Arten
das Resultat schon jetzt mitteile, um sofort für andere ähnliche Orts-
verhältnisse zu gleichen Untersuchungen anzuregen.
- Im Spätherbst 1916 sammelte ich von einem und demselben
-Grabenabhang, der in ca. 200 m Entfernung nordöstlich von
-der großen Müllverbrennungsanlage Hamburgs an einer bereits freien
1) Ibid., p. 583, Skizze des Stadtplanes von Hamburg.
2) Gubener Internation. Ztg., 1916, Vereinsbeilage, p. 134.
Neuer Nachweis des Großstadt-Melanismus an Noctuen. 281
Koppel liegt, an Eulenraupen so viel ein, als ich bei meiner be-
schränkten Zeit deren durch das sogenannte „Kratzen“, d.h. Zu-
sammenscharren der Vegetation und Ausschütteln im Schirm, habhaft
werden konnte. Ich erhielt so aus der erwähnten Lokalität folgende
Arten: Agrotis triangulum Hurn., Rusina umbratica Gorzn, Naenia
typica L., Caradrina morpheus L., Agrotis pronuba L. Die Raupen,
die ca. halb bis dreiviertel erwachsen waren, wurden von mir im
Zimmer im Glashafen in der üblichen Weise mit Weißkohl weiter-
gezogen und lieferten bis Januar 1917 die Falter.
Diese Falter habe ich mit den entsprechenden Arten anderer
Provenienz verglichen. Die Vergleichstiere stammten aus Hamburger
Sammlungen inklussive ‚derjenigen im Museum. Außerdem zog ich
die Abbildungen in den bekannten Werken von SPULER und SEITZ
heran. Der Vergleich ergab bei der Serienbetrachtung
sofort wesentlich dunklere Farbenkleider bei den
Versuchsfaltern. Sowohl der bekannte Schmetterlingsentomologe
Sauger als Herr Prof. L. Rex, beide am Hamburger Zoologischen
Museum, denen ich die Aufstellung der Falter zeigte, waren über-
rascht von dem zweifellosen Resultat, und ich kann diese Herren
daher als Kronzeugen anführen, was mir in diesem Falle nicht ohne |
Bedeutung zu sein scheint, weil es die Sicherheit der Beobachtung
garantiert. — |
Nun im einzelnen zu den Faltern selbst.
1. Agrotis triangulum. 12 Exemplare.
Sämtliche Exemplare sind düsterer als die SpuLer’schen und
Seıtz’schen Bilder.
A. Oberseite: Die Grundfarbe der Vorderflügel zieht
in getrübtes Grau, es fehlt ausnahmslos die gelblich-rote
Tönung der Vergleichstiere (aus der weiteren Umgebung
Hamburgs und sonstigen Gegenden Deutschlands). Die schwarzen
Rhomben zeigen ein tieferes Sammetschwarz. Stets sind die Auben-
felder zwischen innerer Wellenlinie und Saum schärfer gezeichnet.
die äußere Wellenlinie in wesentlich bestimmterer Linienführung
vom Apicalfleck zum Innenrand hinabreichend als bei irgendeinem
der Vergleichsfalter. Die Hinterflügel fallen bei allen Ver-
suchstieren sofort durch ihre dunkel eisengrauen Flächen auf
gegenüber dem mehr Lederbraun der Vergleichstiere. Kopf, Thorax
und Körper sind dunkel braungrau gegenüber dem ausnahms-
losen Hellbraun der Vergleichsfalter. Die Säume und die Saum-
282 K. HASEBROEK,
fransen sind stets dunkler, und niemals findet sich ein bei den Ver-
gleichsfaltern vorkommendes Weißlich-gelb.
B. Unterseite: Hier fällt auf den Vorderflügeln sofort
ein stets vorhandenes nur den Saum und den Costalrand frei-
lassendes dunkles Eisengrau auf, auf dem sich eine noch
stärker schwarze Querbinde von der Costa bis zum Innen-
rand abhebt. Diese fehlt oder ist nur schwach angedeutet bei
sämtlichen Vergleichstieren. Fast noch prägnanter ist der Unter-
schied zugunsten eines Eisengrau an den Hinterflügeln: außer
einer schwarzen atomaren Bestäubung von 4—6 mm Breite entlang
der Costa und vielfach saumwärts schwarz ausgefüllten
Zwischenaderräumen, so daß die Adern selbst helle Radien
bilden, ist eine scharf abgesetzte dunkle Querbinde und
ein ebenso dunkler Mittelmond vorhanden. Diesem gegenüber
sind die Hinterflügel aller Vergleichsfalter ausgesprochen gelbrötlich
mit nur schwach angedeuteten Querlinien und Mittelmonden.
2. Rusina umbratica. 4 Exemplare.
A. Oberseite: Alle Vorderflügel sind zeichnungslos bis
‘ auf Spuren der Costalflecke. Ein Stück ist so dunkel, daß man
es in seinem Tiefschwarz mit einer schwarzen Orrhodia ligula
Esp. ab. polita Hz. verwechseln könnte, um so mehr, weil der Flügel-
schifitt zufällig ein ganz ähnlicher ist. Jede gelbliche Tönung,
wie sie bei den Vergleichsfaltern (Hamburger Umgebung und Rub-
land) und besonders bei den Bildern von SPULER und SEITZ sich
findet, ist verschwunden und durch ein dunkles Eisen-
grau verdrängt. Durch dieses dunkle Eisengrau unterscheiden
sich die Falter auch an den Hinterflügeln von den Vergleichs-
tieren. |
B. Unterseite: Sämtliche Vorder- und Hinterflügel sind
einformig dunkel eisengrau: es fehlt sowohl die bei den Ver-
gleichsfaltern stets vorhandene Aufhellung nach der Flügelmitte wie
auch jede Andeutung der normalen gelblichen Ténung.
3. Naenia typica. 2 Exemplare.
A. Oberseite: Auf den ersten Anblick erscheint das Tier an
den Vorderflügeln normal. Die helle Unterzeichnung ist jedoch
sehr kontrastreich, was für die größere Intensität der schwarzen
Zeichnungselemente sprechen könnte Die Hinterflügel lassen
Neuer Nachweis des Großstadt-Melanismus an Noctuen. 283
ein ausgesprochenes Eisengrau der Färbung erkennen. In dieser
Beziehung zeigt vollends die
B. Unterseite eine so starke Tendenz zur Schwärzung,
daß ein Zweifel an einem stattgehabten melanisierenden Einfluß
gegenüber den Vergleichstieren (sämtlich aus der weiteren Hamburger
Umgebung aus früheren Jahren) nicht bestehen kann: die Vorder-
flügel sind wie durch einen nur die Ränder verschont habenden
Pinselstrich mit tief eisengrauen Wischen versehen, die sich
bei keinem einzigen der Vergleichstiere in solcher Stärke finden,
selbst nicht bei einem meiner Sammlungsfalter, der im übrigen durch
Nigrismus die helle Zeichnung auf der Vorderseite fast verloren
hat. An den Hinterflügeln fällt das ebenso tiefe Eisengrau
der Zwischenaderräume mit der viel stärker als normal angelegten
dunklen Querlinie und einer schwarzen atomaren Sprenkelung auf.
Auch hier fehlt jede normal vorhandene gelbe Tönung.
4. Caradrina morpheus. 4 Exemplare.
A. Oberseite: An den Vorderflügeln ist wenig Unter-
schied zu bemerken außer einer vielleicht etwas dunkleren Tönung,
die an 2 Faltern als scharf durch die äußere Wellenlinie begrenzte
Randbinden gegenüber einer gelblicheren Beimischung bei den Ver-
gleichsfaltern auffällt. An den Hinterflügeln könnte man über
das Vorhandensein einer dunkleren Schattierung mit ausgesproche-
nerer Strahlung der Rippen vielleicht streiten. Unzweifelhaft aber
ist, daß die
B. Unterseite in der Tönung wieder von einem dunkleren
Eisengrau, auf den Vorderflügeln speziell als breiter Keil-
strich, beherrscht wird. Von einer normal vorhandenen gelben
Tönung ist nichts mehr vorhanden.
5. Agrotis pronuba. 1 Exemplar.
A. Oberseite. Kaum ein Unterschied zu bemerken, wenn man
nicht die Randbinde auf dem Gelb der Hinterflügel für tiefer
sammetschwarz ansprechen könnte. Dagegen zeigt die
B. Unterseite einen schlagenden Kontrast mit den Normal-
tieren, indem auf den Vorderflügeln eine tief eisengraue
Wischzeichnung — ähnlich wie bei Naenia typica beschrieben —
in Keilform das ganze Flügelfeld bis auf eine schmale Randpartie
ausfüllt. Bei keinem der Vergleichstiere (sehr vieler und aller
möglichen Provenienzen) findet sich ein so scharf ausgesprochener Wisch,
284 K. HAsEBRoEK
der hier vielfach nur angedeutet ist. Auf den Hinterflügeln
der Versuchsfalter ist freilich die normale gelbe Gesamtfärbung er-
halten, aber es besteht am Vorderrand eine ca. 5 mm breite atomare
Anlage von Schwarz, das bei den Vergleichsfaltern nur in Andeutung
vorhanden ist.
Zur Illustrierung des über die Falter Gesagten gebe ich die
Figg. 1—5 (Taf. 4) und zwar links die Vergleichs- und Kontrolltiere,
rechts die beeinflußten Versuchsfalter. Die Gesamttendenz zur
Schwärzung sieht man ohne weiteres. Die Abbildungen sind wohl
getreu ausgefallen, wenngleich der so wichtige Kontrast hinsichtlich
der zurückgegangenen gelblich-roten Tönung der Vergleichsfalter
in der Photographie nicht zum Ausdruck kommen kann. Da wegen
der optischen Komponente der Schmetterlingsfarben die Photographie
nicht imstande war, die feineren Unterschiede, wie sie die Betrach-
tung der natürlichen Objekte entspricht, wiederzugeben, so mußte
ich an den Versuchsfaltern zeichnerisch auf den Flügeln etwas nach-
helfen. Thorax und Leib sind jedoch frei geblieben von dieser
Korrektur, und sie geben daher unmittelbar die Tatsache ihrer dunk-
leren Färbung gegenüber den Vergleichsfaltern wieder. Das Typen-
material habe ich als Belegexemplare für spätere Versuche in meiner
Faltersammlung sorgfältig aufgehoben.
Ergebnis.
1. Bei allen von der Lokalität der Müllver-
brennungsanlage stammenden Eulenfaltern sind an
der Unterseite ausnahmslos abnorm starke Schwär-
zungen angelegt, die man bei allen Vergleichstieren
rermißt 2
2. An der Oberseite ist das Farbenkleid bei Agr.
triangulum und Rusina unbratica ausnahmslos wesent;
lich, bei Naenia typica, Car. morpheus und Agr. pronube
in geringerem Maße in melanistischer Richtung ver-
ändert, wobei sowohl die normalen Zeichnungs-
elemente als die Grundfarbe betroffen ist.
3. Was die Art der Schwärzung anlangt, so fällt
vor allem dieHinneigung desSchwarz zu einem reinen
Eisengrau auf, das, wie es scheint, besonders durch
den Rückgang der normalen le Farbentöne her-
vorgerufen wird.
Neuer Nachweis des Großstadt-Melanismus an Noctuen. 285-
Überblicken wir unsere Untersuchung, so ist deren positives
Resultat durch den in den Hauptpunkten ausnahmslosen Be-
fund trotz der relativ kleinen Anzahl der Versuchstiere unzweifel-
haft. Wir dürfen unbedingt sagen, daß die untersuchte Lokalität
einen offenbar gesetzmäßig vorhandenen melanisierenden Einfluß auf
Schmetterlinge, deren Raupen in und zwischen der niedrigen Vege-
tation leben, hat. Daß dieser Einfluß bei den untersuchten Eulen
nicht so weit gegangen ist wie bei unserer aus derselben Gegend
stammenden komplet schwarzen Cym. or ab. albingensis, darüber
braucht man sich wohl nicht gerade zu wundern, denn daß irgend-
welche Disposition zum Melanismus überhaupt nötig ist, geht schon
aus dessen Beschränkung auf bestimmte Falter und der großen Ver-
schiedenheit der Art seines Auftretens bei den.einzelnen Falterarten
hervor. Auch können vielleicht Besonderheiten in der Art der
Lebensweise hier eine Rolle spielen: ich erinnere z. B. daran, daß
die Cym. or-Raupe — die unsere schwarze ab. albingensis liefert — den
Tag über fest eingeschlossen zwischen zwei verklebten Blättern lebt,
was möglicherweise von Bedeutung für die Raupenatmung sein kann..
Die vorliegenden Fälle scheinen mir meine kürzlich mikro-
skopisch gewonnenen Schlüsse !) zu bestätigen, daß es sich im Mela-
nismus, soweit er als „industrieller“ in Frage kommt, nur um eine
abnorme Steigerung der physiologischen Vorgänge zur fort-
schreitenden Herausbildung der dunklen Pigmentierung handelt, die
sowohl die dunkle Zeichnungsanlage tiefer schwärzt, ohne sie zu
erweitern, als die gesamte Grundfärbung verdunkelt. Die zeichne-
rische Musterung des Flügelkleides bleibt also an sich erhalten. Auf
diesen Punkt legte bekanntlich Stannruss so viel Gewicht, daß er
in der Erhaltung der zeichnerischen Begrenzung bei sich schwärzen-
der Grundfarbe den Melanismus überhaupt definiert wissen wollte. ?)-
Sicher ist dies praktisch zum großen Teil richtig, denn wir finden
bei vielen selbst komplet und scheinbar einförmig ausgeschwärzten
Melanismen bei genauem Zusehen und z. B. schräger Beleuchtung
die nn erhalten. Ich habe hierauf schon gleich im Anfang
1) ee Die ich Entwicklung des Melanismus der.
Hamburger Eulenform Cymatophora or F. ab. albingensis WERN., in: Zool.
Jahrb., Vol. 36, Phys.; Zur Kenntnis der morphologischen Entwicklung -
der melanistischen Pigmentierung des Schmetterlingsflügels, in: Gubener
Intern. entomol. Ztg., 1917, p. 117.
2) STANDFUSS, Handbuch der palaearktischen Großschmetterlinge,. _
2. Aufl., Jena 1896, p. 202—206.
286 K. HASEBROEK,
unserer Beobachtung der Cym. or ab. albingensis hingewiesen. Die
vorliegenden Versuchsfalter können zum Beweis für die Richtigkeit
der Sranpruss’schen Ansicht dienen: denn die in unseren Fällen
vorhandene Erscheinung des Rückganges der gelben Töne des Ge-
samtkolorits spricht, bei diesen Eulenfaltern wenigstens, für die
initiale Einwirkung - auf die Grundfärbung.
Dieser Rückgang der gelben Tönung ist auch sonst in Hinsicht
auf die Genese des Melanismus nicht ohne Bedeutung, indem er die
bereits mehrfach von mir belegte Auffassung stützt, daß die tiefere
Schwärzung des Pigments ihren Weg über Gelb nimmt.!) Damit
wird zugleich die kürzlich von mir gegebene Anschauung berechtigt,
daß es sich um chemische resp. Katalytische Vorgänge handelt, die
als Kontaktreaktion zwischen den Körpersäften und dem Schuppen-
apparat, zunächst in den Schuppenbälgen und erst von hier aus im
detzten Stadium vor dem Schlüpfen des Falters in die
Schuppen sich fortsetzend, aufzufassen sind. ?)
Damit komme ich auf die Hervorhebung des. dispositionellen
Faktors, von dem ich oben schon sprach und den wir wohl in
dieser chemischen Richtung zu suchen haben. Ein besonderes
Moment kommt hierbei für unsere Versuchsfalter in Betracht, wenn
man den Grad des Melanismus als noch keineswegs komplete Aus-
schwärzung in den Vordergrund rückt, nämlich folgendes.
Ich habe es statistisch wahrscheinlich machen können, daß so-
wohl in England als in Deutschland eine größere Reihe von Jahren
dazu gehört haben muß, bis eine gewisse Summierung der Potenzen
zu dem nachweisbaren Zusammenhang des Melanismus mit den
Industriezentren geführt hat. Es waren ca. 25 Jahre anzusetzen,
nämlich diejenige Zahl der Jahre, um welche der Melanismus in
Deutschland demjenigen Englands nachzuhinken scheint.?) So wird
es naheliegend, anzunehmen, daß auch unsere jetzt untersuchte
Lokalität des Müllverbrennungsofens den Melanismus erst allmählich
in steigendem Maße hervortreten lassen wird, um so mehr als hier
mutmaßlich Vererbung und Isolierung als unterstützende Mo-
mente hinzutreten werden. Die Vererbung des Melanismus steht
wenigstens nach der Praxis der Sammler fest. Für die Bedeutung
der Isolierung möchte ich auf ein Beispiel hinweisen, wie es kaum
schlagender gegeben werden kann: in dem bekannten Melanismus
1) Uber die Entstehung usw., a. a. O., 592 ff.
2) Zur Kenntnis der morpholog. Habe usw., a. a. O.
3) Uber die Entstehung usw., a. a. O.
Neuer Nachweis des Großstadt-Melanismus an Noctuen. 287
von Spilosoma lubricipeda L. ab. zatima Cr. und deschangei Der. von
der Insel Helgoland. Man nimmt an, daß auf Helgoland die bei
weitem meisten Falter — ca. 7, der Fauna — nur dorthin ver-
pflanzt sind oder vorübergehenden Wanderungen entstammen.!)
Die genannten Melanismen von lubricipeda sind Charakterschmetter-
linge fiir die Insel. Sowohl zatima als die noch weiter gediehene
dechangei werden mit Vorliebe aus verschickten Eiern von den
Sammlern mit Erfolg in Inzucht genommen. Zatima war aber vor-
her von der Ostküste Englands bekannt und wird auch jetzt in
Holland angetroffen, so daß ein Zweifel an der Übertragung nach
Helgoland, vielleicht nur durch den Verkehr, kaum bestehen kann.
Es liegt ungemein nahe, für die Erhaltung dieses Melanismus auf
Helgoland nur die Isolierung verantwortlich zu machen, denn von
irgendwelcher industrieller Anlage ist auf Helgoland natürlich nicht
die Rede. Es gibt auch sonst, soviel ich weiß, auf dieser Insel
keinen weiteren Melanismus. Der Einwand, weshalb aber dann
nicht in analoger Weise auch andere Melanismen überpflanzt worden
sind, kann dahin beantwortet werden, daß eben lubricipeda überaus
polyphag ist, wie alle Spinner sofort sich in copula stürzt und die
zahlreiche Nachkommenschaft besonders leicht gedeiht, wie jeder
Züchter weiß.
Um nun auf meine Versuchsfalter zurückzukommen: es kann
ja freilich möglich sein, daß die von mir der Grabenkante ent-
nommenen Eulenraupen bereits seit Generationen dem Einfluß der
beregten Lokalität ausgesetzt waren, aber mit Sicherheit kann man
das bei dem regen Fluge der Eulen nicht sagen. Andrerseits ist
es wohl wenig wahrscheinlich, daß die Umprägung der Körper-
konstitution nach einer einmaligen Brütezeit oder Aufzucht sich
schon so eklatant bemerkbar gemacht haben sollte. Wenigstens
habe ich es mir auf diese Weise zurechtgelegt, daß eine größere
Anzahl des schneeweißen Spinners Stilpnotia salicis L., die ich 1915
als Raupen von einer unmittelbar neben der Müllverbrennungsanlage
stehenden Schwarzpappel eingetragen hatte, sämtlich ihr weißes
Farbenkleid sich erhalten haben.
Übrigens habe ich hierbei etwas Auffallendes beobachtet, nämlich
daß ein Falter, den ich zufällig in frisch geschlüpftem Zustande sah, fast
eitronengelb war. Ich glaubte hier schon ein nach der melanisti-
1) PAGENSTECHER, Die geographische Verbreitung der Schmetter-
linge, Jena 1909, p. 106— 107.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 19
288 K. HASEBROEK,
schen Richtung verändertes Exemplar vor mir zu haben, aber das Gelb
verschwand wieder mit dem Erhärten der Flügel. Die Erkundigung bei
anderen Sammlern ergab, daß man auch sonst diese Erscheinung be-
obachtet hat.
Es entstand nun die wichtige Frage: haben wir in unserer
sicheren Beobachtung der Herausbildung des Melanismus einen
spezifischen Einfluß der Müllverbrennungsanlage vor uns, oder handelt
es sich nur um eine einfache Teilerscheinung der Wirkung der Groß-
stadtniederschläge usw. schlechthin, die ja, wie ich früher für Ham-
burg an der Cym. or ab. albingensis gezeigt habe, mit dem Nordosten
der Stadt als nach der Windrichtung zu tun hat.
Eine Orientierung über die Verhältnisse durch Anfrage bei den
Herrn Technikern ließ schon bedenkliche Zweifel an eine Spezifität
aufkommen. Es ergab sich nämlich das Faktum, daß bei der Müll-
verbrennung überhaupt keine Steinkohle verbrannt wird. sondern
daß der Müll durch forcierte Luftzufuhr in sich selbst verbrennt,
wobei die Bildung von Ruß im gewöhnlichen Sinne ganz ausge-
schlossen ist und die Rauchbildung in hellgelben Sehwaden im
wesentlichen in der feinen Verteilung der Flugasche besteht. Hierauf
ist auch die helle Bestäubung der umliegenden Vegetation, von der
ich oben sprach, zurückzuführen. Ich erwähnte eingangs auch den
säuerlichen Geruch der Atmosphäre. Ich dachte an die schweflige
Säure; diese ist aber nach der Analyse der Flugasche sehr wenig
wahrscheinlich, denn es wurde im Wasserauszug der Flugasche aus
den Rauchkanälen in °/, nur 0,00288 davon gefunden. Die Herrn
Techniker wollten den säuerlichen Geruch der Umgebung überhaupt
nicht mit der Müllverbrennung in Zusammenhang bringen, sondern
mit einer in der Nähe befindlichen Fischkonservenfabrik, die mit
Essigsäure arbeitet. Diese Ansicht mußte aber aufgegeben werden,
da ich auch bei abstehendem Winde den sauren Geruch auf dem
Terrain konstatierte und ganz speziell unmittelbar dort, wo die aus
den Öfen kommenden glühenden Schlacken mit Wasser abgekühlt
wurden und große Mengen Wasserdampf sich in die Luft verbreiteten.
Da aber die Flugaschenanalyse nicht weniger als 0,38%, Chlor im
Wasserauszug aufweist, so war an Chlorwasserstoftsäure zu denken,
und in der Tat konnte ich diese beim Übergießen einer Portion frischer
Flugasche mit Wasser nachweisen. Es liegt also die Möglichkeit
vor, daß diese Potenz für die umliegende Vegetation ebenfalls in
Frage kommt in ihrer Wirkung auf die Pflanzen oder den Stoff-
wechsel der wachsenden Raupen. Wenn es sich wirklich im Mela-
Neuer Nachweis des Großstadt-Melanismus an Noctuen. 289
nismus nm den Ausdruck herabgesetzter und beschränkter Oxydations-
vorgänge handelt, wofür bekanntlich manche direkte Experimente
mit dem Resultat der Anreicherung des schwarzen Pigments am
Falterkleid sprechen, so könnte die Chlorwasserstoffsäure nicht gleich-
eültig sein.
Unter diesen Umständen empfahl es sich, zunächst einmal festzu-
stellen, ob nicht unabhängig von der Müllverbrennungsanlage auch
die weitere Umgebung im Nord-Osten der Stadt die gleichen mela-
nistischen Funde ergab. Zu diesem Zwecke veranlaßte ich im
Frühjahr 1917 unseren erfahrenen Hamburger Schmetterlingsento-
mologen Herrn JAESCHKE, dem ich auch hier bestens danke, zu
einem erneuten Einsammeln von nunmehr überwinterten Eulen-
raupen, zugleich mit Exemplaren aus dem einige Kilometer entfernt
liegenden Eppendorfer Moor an der Stadtgrenze, und es zeigte
sich, daß auch hier in gleicher Weise der Melanismus
an den Erdnoctuen vorhanden ist. So mußte also meine
vorgefaßte Meinung, in der Müllverbrennungsanlage eine spezifische
Einwirkung gefunden zu haben, bis auf weiteres aufgegeben werden.
Ich gebe zum Beleg das Nähere über diese letzten Raupenfunde
wieder, da auch noch einige neue Falterarten in Betracht kommen.
Ich bezeichne die Falter von der Müllverbrennungsanlage mit M
diejenigen aus dem Eppendorfer Moor mit E.
1. Agr. triangulum Hurn.: 7 M und 5 E stimmen überein mit
dem Ansehen meiner früheren Thiere.
2. Naen. typica L.: 13 M und 3 E stimmen überein mit meinen
früheren Faltern.
3. Agr. augur F.: 9 M und 3 E zeigen, verglichen mit anderen
Faltern der weiteren Umgebung Hamburgs, das typische Eisengrau
der Hinterflügel und Zurückgehen der gelblichen Tönung. An der
Unterseite sind die ebenso typischen Schwärzungen des Keilwisches
an den Vorderflügeln und die stark verdunkelten Hinterflügel-Wellen-
linien und Mittelmonde vorhanden.
4, Agr. festiva H8.: 5 M und 1 E: deutliches Eisengrau der
Hinterflügel; an der Unterseite stark abgegrenzte schwarze Keil-
wische und dunkle Wellenlinien. Auffallend ist an der Unterseite
ein dunkles Rotbraun der Grundfärbung.
5. Mam. pisi L.: 1 M fällt auf durch das gleichmäßig über die
ganze Hinterflügelfläche ziehendes Dunkelbraun, während die Ver-
gleichstiere wurzelwärts Aufhellung zeigen. Die Vorderflügel sind
kaum anders als in der Norm. Auffallend ist auf der Unterseite
19*
2
290 K. HaseBroëx,
die fast karminrote Tônung, die auch den Körper, besonders nach
der Afterbehaarung hin, befallen hat.
6. Had. gemina H8.: 1 M, ebenfalls wieder ausgezeichnet durch
das Eisengrau der Oberseite und die schwarzen Keilwische an den
Vorderflügelunterseiten.
Hieraus ergibt sich
1. die volle Bestätigung der an den Herbstraupen-
faltern von mir konstatierten Melanismen durch Falter
von an der Lokalität der Müllverbrennungsanlage
überwinterten Frühjahrsraupen:
2. daß es sich in diesem Melanismus wohl nur um
eine Teilerscheinung des mit der Großstadtnähe
schlechthin verknüpften Melanismus handelt. .
Hinzufügen kann ich noch, daß auch einige weitere von Herrn
JAESCHKE mir aus dem Moorgebiet der Unterelbe — das ich
in meiner früheren Arbeit als ebenfalls melanisierend einwirkend
näher besprochen habe!) — gelieferte durch Zucht Frühjahr 1917
gewonnene Falter: 3 Agr. augur, 1 Agr. festiva und 1 Agr. pronuba
melanistisch verändert erscheinen, doch nicht in dem hohen Grade
wie bei den M- und E-Thieren. Bestärkt werde ich in der letzten
Annahme dadurch, daß ebenfalls aus dem Moore entnommene Mam.
pisi und Had. gemina kaum von Normalfaltern abweichen. Auch
hieraus geht hervor, daß die Stadtnähe wohlin erster Linie
das entscheidende Moment für die Herausbildung des
Melanismus liefert.
Was aber die Frage nach dem eigentlich wirksamen Agens, das
auf die Eulenfalter resp. deren Erdraupen gewirkt hat, anbetrifft,
so muß diese noch eine offne bleiben: speziell ob es sich und um
welche Niederschläge aus der Luft, ob um Kohlenstoffteilchen oder
um die gasförmigen Produkte, zu denen eventuell auch die Chlor-
wasserstoffsäure außer der schwefligen Säure jetzt noch käme, handelt,
ob direkt oder indirekt durch Auslaugung der Flugasche usw.
alles dies kann nur durch das Experiment entschieden werden. Meine
eignen Bemühungen, mit Angriff der schwefligen Säure auf Raupen
und Puppen sind bisher negativ ausgefallen, trotz beträchtlicher
Grade der Einwirkungen bei gut ausgebildeten Faltern. In Betracht
käme hier’ ja freilich noch die Einwirkung auf das Ei oder vielleicht
1) Über die Entstehung usw., p. 587.
Neuer Nachweis des Großstadt-Melanisums an Noctuen. 291
die copulierenden Elterntiere, denn daß schon von früh auf die
Tendenz zum Melanismus mitgebracht wird, dafür spricht ja, daß
meine Herbstraupen zum Teil klein eingetragen und mit Kohl auf-
gefüttert wurden. Andererseits kann man sich nicht der Vermutung
verschließen, daß, zumal auf dem Gebiet der Müllverbrennungs-
anlage, wo die ganze Vegetation mit der feinen Flugasche bestäubt
ist, eine direkte Einwirkung vorhanden ist.
292 K. HassBROEK, Neuer Nachweis des Großstadt-Melanismus an Noctuen.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel 4%
Links Kontrollfalter. — Rechts Versuchsfalter.
Fig.
—
.
ER Oberseite
Agrotis triangulum Hu. | ac
Unterseite
Oberseite
a
eee
Naenia typica L. (5 nu )
Rusina umbratica GOEZE |
Unterseite
Caradrina morpheus L. (Unterseite).
Agrotis pronuba L. (Unterseite).
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Über die ontogenetische Wanderung der Zwillingsflecke
auf den Vorderflügeln von Vanessa urticae L.
Von
Prof. Dr. med. K. Hasebroek.
Mit 3 Abbildungen im Text.
In einer früheren Untersuchung!) war ich durch Vergleich der
V. urticae L. mit deren var. ichnusa Box. zu der Feststellung gekommen,
da die beiden Zwillingsflecke in Zelle ZV!und IV? bei urticae weiter
randwärts und zugleich senkrechter übereinanderstehen, als es an
der bei var. ichnusa oft rudimentär vorkommenden gleichen Flecken-
anlage der Fall ist (s. Fig. Aa u. b).
Fig. A. a Van. urticae L. b var. ichnusa Box.
1) HASEBROEK, Stellung und Lage der Zwillingsflecke und des
Innenrandfleckes auf den Flügeln von V. urticae L. und var. ichnusa B.
als neue Gesichtspunkte für die Bestimmung des phyletischen Alters der
articae-Rassen, in: Zool. Jahrb., Vol. 40, Syst., 1917.
294 | K. HASEBROEK, -
Ich kam dann weiter bei der genauen Ausmessung der Distanz-
verhältnisse der Flecke auf den einerseits ausgebildeten und fertigen,
andrerseits sich in der Puppe entwickelnden Flügeln von urticae —
letzteren nach den Abbildungen von Marta Gräfin v. LiNDEN 1) (s.
Fig. B) — zu der Auffassung, daß es sich bei der distaleren Stellung
Fig. B.
a—d Entwicklung des V. urticae-Flügels in der Puppe in zunehmender Ausbil
der fertigen wrticae-Flecke um eine im Puppenstadium stattgehabte
Abwanderung aus einer ursprünglichen proximaleren 2chnusa-
Stellung handeln müsse. Hiermit glaubte ich einen Wahrschein-
lichkeitsbeweis dafür gefunden zu haben, dab wrticae erdgeschicht-
lich jünger als schnusa und. daß letztere mindestens als gute Art
anzusehen sei, die den ursprünglicheren Typus repräsentiere. Zum
Schluß führte ich noch weitere Argumente aus dem lokalen Vor-
kommen der ichnusa auf Sardinien und Corsica an, indem ich in
diesen Gegenden das urzeitliche Zentrum für den Ausgang der
Vanessa-Arten glaubte erblicken zu dürfen.
Meine Schlüsse sind nun nicht ohne Widerspruch geblieben. In
1) Maria Gräfin v. LINDEN, Untersuchungen über die Entwicklung
der Zeichnung des Schmetterlingsflügels in der Puppe, in: Tübinger zoolog.
Arbeit., Vol. 3, Leipzig 1898, tab, 3.
Wanderung der Zwillingsflecke auf den Vorderflügeln von Van. urticae L. 295:
privater Zuschrift wurde mir von einem geschätzten Lepidoptero-
logen eingewendet:
„daß die beregten Zwillingsflecke auf den Puppenflügeln (s.
Fig. B) sich nicht in schnusa-Stellung befänden, denn sie lägen überall’
parallel zum Rande. Wenn z. B. der untere Fleck im Puppenflügel d
die Zellenlänge ZV!/IV? im Verhältnis 1:2,27 theile, im fertigen Flügel
(Fig. Aa) dagegen im Verhältnis 1:2, so läge dies daran, daß bei
der Streckung des Flügels (dem sogenannten Auswachsen) der innere-
Zellentheil sich stärker strecke als der äußere. Eine Wanderung
fände nicht statt; der Fleck werde einfach durch die Streckung der
Zelle randwärts verschoben. Die Annahme der ursprünglichen ichnusa-
stellung sei ein Irrthum, und damit würden meine Schlüsse hin-
fällig.“ .
Da ich diesen Punkt der passiven Verschiebung sehr wohl in
meiner Arbeit überlegt hatte (a. a. O., p. 596), so schrieb ich dem
Herrn Kritiker folgendes:
1. Die Flecke liegen keineswegs immer parallel, wie man schon.
mit bloßem Augen an den Bildern a—d sieht; in a liegt z. B. der
untere Fleck weiter zurück, in ce näher dem Rande als der obere:
Fleck, und zwar in a der obere Fleck mit 7,5 mm, der untere mit
8 mm, in c der obere dagegen mit 9 mm, der untere mit 7,5 mm.
von den resp. Mittelpunkten der Flecke aus gerechnet.
2. Wenn die Flügelstreckung die Ursache der Verschiebung
wäre, so ist es mindestens recht auffallend, daß bei zchnusa die.
Flecke so weit zurückbleiben, denn der schnusa-Flügel streckt sich.
ebenso.
3. Die Tatsache einer wirklichen Wanderung ist von van BEM-
MELEN an den Apicalflecken direkt nachgewiesen worden, wie ich: °
in meiner Arbeit p. 596 angeführt habe.
4. Auch der Innenrandfleck hat nach den. Puppenbildern, be-
sonders b, c, d — in b und c als helle Anlage — noch zu wandern,.
wenn er die Stellung aın fertigen Flügel (Fig. Aa) einnehmen soll.
Diese Argumente befriedigten meinen Gegner jedoch nicht.
Ohne auf sie näher einzugehen, führte er in einem zweiten Schreiben
weiter an:
„daß der untere Zwillingsfleck genau in der Mitte von Ader 1?
sowohl auf den Puppenflügeln wie auf dem fertigen Flügel läge:
Der Fleck müsse thun, was die Zelle thue, er halte stets die Zellen-
mitte fest und sei in der Zelle „festgenagelt“. Auch schließe die
‘296 K. Hasesrork,
Verbindungslinie der beiden Zwillingsfiecke mit der Ader ZV? sowohl
im Puppenstadium wie im fertigen Flügel einen Winkel von 78° ein.“
Da sich mir bei einer genauen Nachprüfung dieser letzten
Einwände ergab, daß die Innehaltung der Zellenmitte wegen der
Unsicherheit der Festsetzung der Länge der Ader IV? an den Bildern
etwas sehr willkürlich gefunden werden kann und eher nicht vorhanden
als vorhanden ist; daß aber vollends die Angabe über den überall
gleichen Winkel von 78° keineswegs zutrifft, so ging ich auf eine weitere
Polemik nicht ein. Ich gebe jedoch an dieser Stelle das Ergebnis
einer Winkelmessung mit der Bitte um gefällige Nachprüfung wieder,
denn sie ist entscheidend genug, um an sich eine Wanderung dar-
zutun; ich bin meinem Gegner dankbar, daß er mich zu dieser Fest-
stellung angeregt hat. Sticht man nämlich an den Puppenbildern
Fig. Ba, c, d (bist im unteren Flecken nicht genau zu bestimmen) mit
einer feinen Nadel die Fleckenmittelpunkte und die Trennungsader JV?
in ihrer Längsmittellinie an genügend voneinander entfernten Stellen
auf eine Papierunterlage durch, zieht die entsprechenden Verbindungs-
linien und mißt dann die Winkel, so erhält man in 3 verschiedenen
Versuchen folgende Werte (I—III) (in Grad):
Tabelle 1.
Puppenbild | I | Il | II | Mittel -
a 65 65 64 64,7
= e 68 68 68 68
2 d 72 73 71 72
Also von gleichen Winkeln ist gar nicht die Rede und von
einem „Festgenageltsein der Flecke“ ebensowenig. Diese Messung
zeigt aber noch mehr, nämlich daß der Winkel mit zunehmender
Entwicklung von a nach d zunimmt, und zwar ganz dem entsprechend,
wie die Stellung der Flecke zueinander über eine schnusa-Stellung
zu einer wrticae-Stellung sich verschieben müßte. Denn wenn
man in derselben Weise die Winkelmessung an den fertigen Flügeln
Fig. Aa und b vornimmt, so erhält man folgende Werte (in Grad):
Wanderung der Zwillingsflecke auf den Vorderflügeln von Van. urticae L. 9297
Tabelle 2.
links rechts ;
Mittel
I RENT I Te. Von
|
ichnusa (Fig. Ab) 72 68 69 741) | 24 74 72
urticae (Fig. Aa) 79 19 79 19 | ee 76 78
Man sieht, daß der fertige wrticae-Winkel weit überschießt,
während der fertige ichnusa-Winkel zu dem Puppenwinkel von d
stimmt. Die auffallend niedrigen Winkelwerte am Puppenflügel a
und ce aber passen ausgezeichnet zu der Annahme, daß mindestens
in a, dem zeitig frühesten Stadium der Puppenbilder, ein noch
weiteres Zurückstehen des unteren Zwillingsfleckes, also eine noch
stärkere Schrägstellung der Flecke zueinander vorhanden ist. Wir
werden in der folgenden direkten Untersuchung sehen, daß der untere
Zwillingsfleck in seiner überhaupt allerersten Anlage später als der
obere erscheint, und man geht wohl nicht fehl, wenn man auf diesen
‘ Umstand die niedrigsten Winkelwerte zurückführt. Auch dies
spricht für eine prinzipielle Tendenz zur Wanderung auf dem Flügel,
denn die Größe des Flügels ist hier von vornherein fixiert.
Direkter Nachweis der Wanderung.
Ich ging jetzt zur weiteren Sicherstellung der Wanderung an
eine eigene Untersuchung der Puppenflügel heran. Meine Präparate
fertigte ich folgendermaßen an. Nach Abhebung der mit scharfer
Lanzette umschnittenen Flügelscheiden ließ sich der Flügel von der
Wurzel aus herauslösen. Einbettung in Glycerin?) unter Bedeckung
mit Deckglas auf dem Objektträger. Das Deckglas wurde mit er-
härtender Celluloid-Acetonlésung umrandet. So erhält man vorzügliche
Dauerpräparate, an denen man bei auffallendem und durchfallendem
1) Wahrscheinlich zu hoch ausgefallen gegenüber links, weil die von
mir eingezeichnete Ader JV” auf der Photographie von Fig. Ab nicht
klar hervortritt.
‘ 2) In Wasser halten sich die Präparate der ersten Stadien nicht, da
beim Austrocknen eine feine Faltung der Flügelmembran die ersten An-
deutungen der Zwillingsflecke verwischt. In Glycerin erhält sich alles
ausgezeichnet über längere Zeit.
298 K. HasEBRoEK,
â
Licht bequem sowohl das erste Erscheinen der Zwillingsflecke be-
obachten als an den sich entwickelnden Flecken zur genauen Ab-
messung einen feinen Tasterzirkel fest ansetzen kann.
Vorversuche ergaben mir, daß vor dem 5. Tage nach der
Verpuppung der Raupe noch nichts am Flügel außer der Aderanlage
zu beobachten ist. Alsdann erscheint, bei durchfallendem Lichte
für das bloße Auge sichtbar, auf dem durchsichtigen gelblich-weiben,
nach einigen Stunden fleischfarben und rosa sich färbenden Flügel,
auf dem die Adern scharf begrenzt als helle Linie liegen, als aller-
erstes Zeichenelement der obere Zwillingsfleck als heller Längs-
wisch im Gabelwinkel zwischen Ader IV! und Mittel-
zellenader. Diese helle Voranlage ist ca. 1—1'/, mm ausgezogen
und distalwärts leicht verbreitert, um in dieser Verbreiterung sich
zur Bildung des gerundeten eigentlichen Zwillingsfleckens anzu-
schicken.
In genau derselben Weise erscheint etwas später, ebenfalls
als Längswisch, auch der untere Zwillingsfleck in seiner entsprechen-
den Zelle im Gabelwinkel zwischen Ader JV? und der Mittelzellen-
ader. Er liegt stets weiter proximalwärts als der obere
Fleck, wodurch eine Schrägstellung der beiden Flecke
zueinanderentsteht. Ich bezeichne dieses Entwicklungsstadium
als Stadium I (s. Fig. C).
Die Voranlage der Zwillingsflecke als erstes Zeichnungselement des urticae-Flügels.
Dieses Stadium I der hellen Voranlage scheint 1—2 Tage zu
bestehen, denn ich erhielt auffallend viele Präparate. Bemerkens-
wert ist, daßin dieser Zeitnoch jede andere Zeichnungs-
anlage, speziell auch der Innenfleck, fehlt. Es handelt sich also
um eine Zeit, die vor den Puppenstadien Fig. Ba—d der Gräfin
v. Linven liegt. Wenn letztere von diesem Stadium in ihrer Arbeit
nichts erwähnt, so liegt dies wohl daran, daß es noch zu wenige
Zeichnung bringt, auf die es der Untersucherin ankam. Andrerseits
kann man dieses Stadium auch leicht übersehen, wenn man nicht
speziell darauf achtet. An sich ist übrigens diese Tatsache, daß
Wanderung der Zwillingsfecke auf den Vorderflügeln von Van. urticae L. 299
die erste Zeichnungsanlage von urticae in den Zwillingspunkten
ansetzt, vielleicht nicht ohne Interesse für eine eventuell weitere
Untersuchung der Vanessen überhaupt.
Man sieht die Voranlage der Zwillingsflecke am besten mit
Hilfe einer mäßig vergrößernden Lupe bei durchfailendem Licht,
ganz schwach bei auffallendem. Man kann sehr bestimmt die distalen
Enden der Wische als spätere typische Fleckengestaltung umgrenzen
und so den Mittelpunkt des Fleckentypus einschätzen. Unter dem
Mikroskop ist eine Umgrenzung des Längswisches nicht mehr möglich,
da das ganze Zellenfeld so sehr von den regelmäßigen Querzügen
der Schuppenanlagen durchzogen wird, daß jede Unterscheidung der
Grenzen fortfäll. Es ist dies ein Beweis dafür, daß die hellen
Wische nicht etwa einer noch von Schuppen freien Stelle der Flügel-
membran entsprechen, sondern daß hier Interferenzerschei-
nungen vorliegen, die bereits auf lokale Differenzie-
rung der Schuppenanlagen in chemischer Beziehung
hinweisen.
Die weiteren Präparate, dieich jeeins früh vormittags und am Spät-
nachmittage anfertigte. führten zu gleichen Bildern wie die v. LINDEN-
schen figg. 2 a—d: die nächste Entwicklung besteht darin, daß die
rosafarbene Gesamtfläche das definitive urticae-Rot als orangegelbe
Grundierung annimmt, aus der sich nunmehr außer den jetzt scharf
vorhandenen hellen Zwillingsflecken sowohl der Innenrandfleck als
auch die Mittelzellenfiecke als helle Inseln hervorheben. Wir er-
halten die typischen Figg. Ba u.b. Die Zwillingsflecke sind nun-
mehr durch dasOrangegelb proximalwärts abgeschnirt
worden, so daß also die frühere distale Verbreiterung
den Ort der Flecke bestimmt hat. Ich bezeichne diese Zeit
der Entwicklung als das Stadium II.
Im nächsten Stadium werden die bisher hellen Anlagen der
Zwillingsflecke wie auch alle übrigen Fleckenanlagen, über rot-
braun sich entwickelnd, schwarz ausgefüllte Wir erhalten
Bilder, wie sie unseren Figg. Bb (zum Teil), e und d entsprechen.
Zugleich setzt jetzt die allgemeinere Schuppenentwicklung und deren
weitere Farbendifferenzierung ein. Dies gilt auch für die Unterseite.
Die Durchsichtigkeit des Präparats nimmt ab. Das Orangegelb
wird dunkler und karminfarbig. Es entsteht der eigentliche Deck-
farbencharakter, bis in den letzten 1—2mal 24 Stunden vor dem
Schlüpfen immer mehr die fertige wrticae-Färbung und -Zeichnung
vor uns ersteht. Ich bezeichne dieses Stadium von der beginnenden
300 K. HASEBROEK,
schwarzen Ausfüllung der Flecke an bis zur Schlüpfreife als das |
Stadium III. |
Nach dieser Voruntersuchung schritt ich zur systematischen
Anfertigung von Präparaten für die Messung der Distanzverhältnisse
während der Entwicklung.
Mein Untersuchungsmaterial bestand in 20 urticae aus der Um-
sebung Hamburgs, die sich ziemlich gleichzeitig innerhalb eines
Tages, des 25. Juli 1917, verpuppt hatten. Am 31. Juli begann ich
mit der Herstellung der ersten Präparate. Es mußte darauf an-
kommen, die möglichst fortlaufende Entwicklung zu treffen. Dies
ist bei dem notorischen Schwanken der Zeit des Puppenstadiums
nicht immer ganz leicht. Bei unserem I. und II. Stadium — in den
weiter unten mitgeteilten Tabellen 3 und 4 bis zum Präparat No. 8
— und in dem Endstadium der Schlüpfreife kann ein Zweifel über
die fortlaufende Entwicklungsreihe nicht bestehen. Schwieriger
wurde die Sache bei dem Durchgang durch unser Stadium III, denn
ich mußte erfahren, daß bei meiner sukzessiv halbtäglichen Präparat-
anfertigung am 2. August die Puppenflügelbilder sich so bedenklich
rasch dem Schlüpfstadium näherten, daß ich an diesem Tage die
Präparate No. 9—15 (meiner Tabellen) hintereinander erledigen mußte.
Es gibt aber ein Mittel, um mit ziemlicher Sicherheit auch in diesem
Stadium III die Reihenfolge der Entwicklung festzustellen: nämlich
durch eine vergleichende Betrachtung der sich schärfer zeitlich von-
einander abgrenzenden Flügelunterseiten auf die Ausbildung
ihrer einzelnen Zeichnungselemente, besonders in den Randzonen mit
den kleinen Méndchen. Eine weitere gut abstufbare Unterscheidung
nach der Zeit der Entwicklung ergibt die Berücksichtigung der
Transparenz der Flügel und der Tiefe des Karminrots
im Gegensatz zu den kontrastierenden Helligkeitsnuancen der breiten
unteren Mittelzellenader, wenn man die Präparate gegen das Licht
hält. An den dieserart in der Entwicklungsaufeinanderfolge be-
stimmten Präparaten nahm ich die Messung der Distanzverhältnisse
mittelst eines scharf einstellbaren Präzisionszirkels vor. Die Milli-
meterwerte bestimmte ich an einer genauen sogenannten Schubleere
mit Noniusablesung. Folgende Distanzen kamen in Betracht:
in Tabelle 3:
1. der Abstand des oberen Zwillingsflecks vom Ursprung der
Ader IV! im Gabelwinkel mit der Mittelzellenader;
2. die Länge der Ader ZV! an ihrem oberen Rande gemessen;
Wanderung der Zwillingsflecke auf den Vorderflügeln von Van. urticae L. 301
in Tabelle 4: -.
1. der Abstand des unteren Zwillingsfleckes vom Ursprung der
Ader ZV? im Gabelwinkel mit den Mittelzellen oder
2. die Länge der Ader JV? an ihrem oberen Rande gemessen..
Die Zwillingsflecke können mit der Zirkelspitze gut in ihren
Mittelpunkten, die beim Stadium I in die distale Verbreiterung der-
Längswische fallen, genommen werden. Die Adergrenzpunkte lassen
sich ohne weiteres sehr scharf bestimmen. Wegen der Kleinheit
der Dimensionen führte ich 2 Messungsserien und zwar an 2 ver-
schiedenen Tagen aus, um durch Mittelwerte gröbere persönlich
dispositionelle Fehler auszugleichen. Im letzten Stabe der Tabellen:
3 und 4 ist das Verhältnis des Abstandes des Fleckes von der
Abstand „uf die Einheit 100
Ader
umgerechnet. Diese Zahlen entsprechen also direktin
Prozenten der Aufteilung der resp. Ader JV! und IV?
durch deren proximalen Abschnitt.
Mittelzelle zur Aderlänge als Index
Tabelle 3.
Abstand der oberen Zwillings-| Länge der Ader Z V1 von JAbstand:
Präparat |flecke von dem Gabelwinkel | der Mittelzelle bis zum Rande| Ader-
der Ader JV! in mm in mm lange
No.
NE | IE Mittel er nen | Miel | auf 100
|
Stadium I |
i 1,3 1,0 1,15 35 JT" er) 35,0
2 1,3 1,1 1,20 3,5 33 | 340 35,3
3 1.2 1,2 1,20 Ba bi. S60 33,3
4 ah: IH Se 18 br | 680% | ‘340 34,0
Stad. II
5 1,4 1.0 1,20 3.6 3,3 3.45 35.0
6 1,4 11 1,25 3,5 3,4 3,45 36,2
7 1,2 1,2 1,20 3,3 3,0 3,15 38,1
3,8 1.3 1,3 1,30 3,3 3,4 3.35 38,1
- Stad. III
9 1,2 1,4 1,30 3,5 3,4 3,35 38,1
10 £3 13 1,25 3,3 32 3,25 38,5
11 Lt 15-2)” 1,30 3,5 35 |: 350 37,1
12 1,4 13.7 eee Sin teen. |. . 3,80 40.0
13 1,2 14 | 1,30 Poe 292: 2.90 41
14 1,2 13 | 45 3371.88 3,30 38.0
15 PR RS a CARS HOT: 3,75 39,0:
Endstad. | | |
16 16° LATE Se um 40 | 36 3,80 21
17 1,4 | Li ets 3,5 3,6 3,55 43,7
302 K. HASEBROEK,
Tabelle 4.
Abstand der unterenZwillings-] Länge der Ader JV? von jAbstand
Präparat |flecke von dem Gabelwinkel [der Mittelzelle bis zum Rande] Ader-
der Ader JV? in mm in mm lange
No. |
Messung on Mittel ns | u ea Mittel | auf 100
| = |
Stadium I
1 1,8 1.9 1,85 4,4 4,1 4,25 43,5
2 1,7 1,9 1,80 4,5 40 4,25 - 42,4
3 19 16%: 251,85 4,4 4,3 4,35 42,5
4 2,0 1,7 1,85 4,3 4,0 4,15 44,6
‘Stad. IT
5 2,0 24 2,05 4,2 4,2 4,30 47,7
6 1,9 2,0 1,95 4,2 4,2 4,20 46,4
ta 2,0 1,9 1,95 4.1 Ba ti! 3,90 50,0
8 1,8 1,9 °1°24,88 4,2 4,0 4,10 45,1
.Stad. III |
9 2,0 22: 2910 4,1 4,0 4,05 52,0
10 2,0 BAe lc, te 05 4,1 4,2 415 49,4
11 2,1 2,2 2,15 4.4 4,3 4,35 50,0
12 21 2,2 2,15 4,4 4,2 4,30 50,0
13 2,5 2,2 2,39 4,3 4,2 4,25 59,3
14 2,0 1,9 1.95 4,1 4,0 4,05 48,1
15 2,2 2,4 2,30 4,6 4,3 4,45 51,7
‘Endstad.
16 2,5 2,6 2,55 4,8 4,7 4,75 53,7
17 2,1 2,2 2,15 3,9 4,2 4,05 53,0
Das Ergebnis dieser Tabellen 3 und 4 ist klar: schon aus den
‚absoluten Distanzwerten ersieht man ein Abrücken der Zwillings-
flecke von der Mittelzelle mit dem Fortschreiten der
Fligelentwicklung. Noch geregelter erscheint die Zunahme
der Entfernungen in den Prozentwerten der letzten Stäbe, zumal
‘wenn man das Stadium I mit dem Endstadium der letzten Präparate
der Schlüpfreife vergleicht. Die Unterschiede sind so beträchtlich,
‚daß ein Irrtum ausgeschlossen erscheint. Gegenüber diesem sicheren
Resultat verschlägt es nichts, daß in den Zwischenstadien einige
Zahlen aus der Reihe fallen: hier können sehr wohl Fehler in der |
‘Zeitbestimmung der ‘Puppen unterlaufen resp. unvermeidlich ge-
wesen sein. |
Nun ergeben die Zahlen aber noch etwas: nämlich daß die
Anfangsstellung der Zwillingsflecke zur Mittelzelle in der Tat einer
ichnusa-Stellung entspricht und daß aus dieser Stellung gegen Schluß
der Entwicklung eine wrticae-Stellung durch die Wanderung ent-
standen ist. Führe ich nämlich an den fertigen ichnusa- und
Wanderung der Zwillingsflecke auf den Vorderfliigeln von Van. urticae L. 303
urticae-Fligeln der Fig. Ab und a eine gleiche Messung wie an
den Puppenflügeln aus, so erhalte ich folgende Tabelle 5:
Tabelle 5.
mm RR nn nn nn nn nn nn nn nn nn en anne
Abstand von der ce a
Sehr: Länge Auf die
Einmündung der Ps Adorn
BET Einheit 100
Adern in die . ye
Mittelzelle in mm em %
achnusa
Oberer Zwillingsfleck—Ader JV! 3 9 33
Unterer Zwillingsfieck—Ader IV? 5 WE 45,5
urticae
Oberer Zwillingsfleck—Ader IV'" 4 9 44
Unterer Zwillingsfleck—Ader /V? 6 11 54
Vergleicht man mit diesen Prozentwerten die Prozentwerte der
Präparate 1—4 (Stadium I) und 16—17 (Endstadium) der Puppen-
flügel von urticae — also die relativ sicheren Werte der Voranlage
und des Abschlusses der Fleckenentwicklung —, so erhält man:
für den oberen Fleck
in der Voranlage 33,3—35,3
am Abschluß 42,1—43,7
für den unteren Fleck
in der Voranlage 42,4—44,6 -
am Abschluß 53—53,7.
Das ist eine so überraschende Übereinstimmung mit
den Zahlenverhältnissen der fertigen Flügel von resp.
ichnusa und urticae in Tabelle 5, daß ein Zweifel an
der tatsächlichen Entstehung der urticae-Stellung
aus einer 2chnusa-Anlage kaum mehr bestehen kann.
Diese Feststellung scheint mir weittragend genug zu sein, um
trotz der ausgezeichneten neuerdings erschienenen Arbeit des Herrn.
Reuss über das Alter der wrticae-Rassen!), der nach vergleichenden
Studien und geologisch-zoogeographischen Überlegungen dem urticae-
Typus die älteste in Zentral-Asien entstandene Stellung zuweisen
muß und die schnusa als eine früh abgesprengte insulare Relicten-
form betrachtet, bei schnusa die urtümlichste Form zu suchen. Die
Beweiskraft der Ontogenese steht im Rahmen des biogenetischen
1) Reuss, Vanessa f. urticae, f. ichnusa und f. caschmirensis im
Lichte des WALLACE schen Standpunktes der Entwicklung der Falterfacies,
an: Gubener Intern. entomol. Ztg., 1917, No. 8—11.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 20
304 K. Hasesrorx, Wanderung d. Zwillingsflecke auf d. Vorderfl. v. Van. urticae L.
Grundgesetzes doch wohl höher als selbst scharfsinnigste historische
Kombinationen, zumal es in diesem Fall das unsichere Gebiet der
- geologischen Eiszeiten und deren Zwischenepochen betrifft. Schon
die Feststellung der Wanderung der Flecke an sich aus einer Aus-
gangsstellungsanlage weist logisch der letzteren das höhere Alter
zu. Es fehlt ja allerdings noch die Gegenprobe: d.h. ob eventuell
bei der ichnusa im Puppenstadium die Zwillingsfiecke vielleicht
weiter randwärts angelegt sind. Man wird ja überhaupt auch diese
ontogenetische Untersuchung. noch auszuführen haben; vorläufig
erlaubt der Weltkrieg dies ja leider nicht.
Es ist von vornherein wahrscheinlich, daß unser festgestelltes
interessantes Faktum der ontogenetischen Fleckenwanderung bei
urticae gegenüber der nahestehenden zchnusa nicht ohne Analogie bei
anderen Faltern ist. Ich habe mich nach derartigen Verschiebungen
ähnlicher Fleckenelemente bereits näher umgesehen und finde in der
Tat schon bei fliichtiger Durchmusterung der Tagfalter in den vor-
trefflichen Abbildungen bei Serrz, Paläarkten, Anhaltspunkte dafür,
daß hier ein biogenetisches Prinzip vorliegt. Ich bitte z.B. in den
Serrz’schen Tafeln zu verfolgen: |
auf tab. 20 (Pieris-Appias) bei: b krueperi, c dubiosa, à rossi,
e cisseis die weit randwärts verschobenen Flecke in Zelle ZIT?/IIT®
gegenüber den verwandten Arten;
auf tab. 76 (Cigaritis-Chrysophanus) die überhaupt so wechselnd
und verschieden distanzierte Stellung der Flecke sowie die längst
bekannte Strichwanderung der Augenflecke bei g sagittifera.
und auratus, sowie angedeutet bei h hippothoe; |
auf tab. 78 (Lampides-Lycaena) bei: h sephyrus (Unterseite)
gegenüber sephyrinus, k staudingeri gegenüber martini und christophi;
auf tab. 82 (Lycaena) bei: h astraea und charybdis gegenüber
den nahestehenden Arten;
auf tab. 83 (Lycaena) bei: den offenbar phyletisch abklingenden
Vertretern der arion-Gruppe gegenüber den Stammesverwandten, bei
denen die langausgezogenen charakteristischen Augenflecke schon an
sich gar zu sehr an unsere bei urticae konstatierten Längswische
der Zwillingsflecken-Voranlage der Form nach erinnern. Die Ver-
folgung dieser arion-Flecke in der Puppe dürfte eine interessante
Aufgabe sein.
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Über die Entstehung rudimentärer Organe
bei den Tieren.)
4. Die Beeinflussung der Flügelbildung bei Insecten durch
Kälte und Blausäuregas.
Von
J. Dewitz.
Mit Tafel 5 und 3 Abbildungen im Text.
Im Anschluß an die Zusammenfassung meiner früheren Mittei-
Jungen über das Rudimentärwerden gewisser. Körperbestandteile
(Flügel, Auge, Pigment) bei Insecten in: Zool. Jahrb., Vol. 36,
Physiol., p. 231, 1917 möchte ich die dortigen Angaben über die
Beeinflussung der Flügelbildung durch Kälte und Blausäuregas hier
vervollständigen.
18 Einwirkung von Kälte auf ie Flügelbildung bei
Insecten.
Den Bienekinehiein in Frankreich ist es bekannt, daß nach
einer plötzlichen Abkühlung der Brut Bienen mit defekten Flügeln
1) J. Dewirz: 1. Der Apterismus bei Insekten, seine künstliche Er-
zeugung und seine physiologische Erklärung, in: Arch. [Anat. u.] Physiol.,
1902, p. 61—67. — 2. L’apterisme experimental des Insectes, in: CR.
Acad. Sc. Paris, Vol. 154, p. 386, 5 fevrier 1912, — 3. Ueber die Ent-
stehung rudimentärer Organe bei den Tieren. Zusammenfassung meiner
bisherigen Mitteilungen, in: Zool, Jahrb., Vol. 36, Physiol., p. 231— 244,
1917.
20*
306 J. Dewirz,
oder ganz kleinen Fligellappen entstehen kénnen. Mir war diese
Erscheinung im Jahre 1900 gleichfalls durch einen Bienenziichter,
Herrn MArBouD, mitgeteilt worden (vgl. Dewrrz, 1, p. 62). Da mich
damals die experimentelle Beeinflussung der Flügelbildung bei In-
secten interessierte, so fragte ich meinen Gewährsmann, ob bei
Bienen „flügellose“ (d. h. mit mehr oder minder reduzierten Flügeln
versehene) Exemplare vorkämen. Er machte mir daraufhin jene
Angabe und gab mir später als Beleg für seine Aussage ein
Fläschchen mit derartigen Bienen. Diese waren sämtlich Drohnen.
Ob es sich dabei um einen Zufall handelte, weiß ich nicht zu sagen.
In Fig. 1 u. 2, Taf. 5 gebe ich zwei Exemplare von diesen Bienen
im getrockneten Zustand wieder, während Fig. 3 das mikroskopische
Bild des rechten Flügelpaares eines jener Spiritusexemplare dar-
stellt. Die damals erhaltenen apteren Bienen hatten Flügelrudimente,
die teils verkrüppelte (faden- oder lappenförmige) Flügel, teils aber
regelmäßig gefaltete, unentwickelte Flügel, wie sie das Nymphen-
stadium besitzt, darstellten.
IW
A
Big. A:
Polistes gallica. Rudimentäre Flügelbildung infolge von Abkühlung.
Das auch anderen Bienenzüchtern dıe genannte Erscheinung
' bekannt ist, ersah ich später aus einer Mitteilung, die Herr Pro-
fessor Bouvier in Paris aus Kreisen von Bienenzüchtern erhalten hatte
und die er mir freundlichst zur Verfügung stellte. Diese Mitteilung .
bezieht sich darauf, daß CABASSE in seinen Bienenstöcken eine größere
Zahl apterer Bienen beobachtete und daß er diese Erscheinung
durch die plötzliche Abkühlung der Brut infolge einer unvorsichtigen
Besichtigung dieser erklärte (in: Apiculteur, Janv. und Avril 1911;
Abeille de l'Est, Novembre und Décembre 1910, Mars und Avril
Die Entstehung rudimentärer Organe bei den Tieren. + $07
1911). Leider war es mir bisher nicht möglich, die genannten Zeit-
schriften einzusehen. |
Die mir zuteil gewordene Mitteilung über die Entstehung apterer
Bienen unter Einfluß der Kälte veranlaßte mich im Jahre 1901 zu
versuchen, ebensolche Insecten durch das Experiment zu erhalten.
Dies gelang mir (vgl. Dewızz, 1, p. 63) bei der Hymenopterenart
Polistes gallica. Von diesem Insect erhielt ich aus Nestern, die
voriibergehend auf Kis gelegt worden waren, Exemplare mit unent-
wickelten Flügelanhängen, die denen der Nymphe entsprachen. Taf.5
Fig. 4 u. 5 sowie Textfig. A geben derartige Polistes wieder. Wie ich
schon früher erwähnt habe (vgl. Dewrrz, 1, p. 63), konnte sich die
Beeinflussung der Flügelbildung durch Kälte auch darin zu erkennen
geben, daß die entstandenen Wespen zwar durchaus normale Flügel
besaßen, daß sie aber völlig unfähig waren zu fliegen. Auch in der
Literatur findet man bisweilen Angaben, daß Insecten mit normalen
Flügeln diese nicht gebrauchen oder nicht gebrauchen können (vgl.
u. a. H. J. Korse, Einführung in die Kenntnis der Insecten, 1893,
p.: 268—269). Im Jahre 1907 wiederholte ich den Versuch mit
gleichem Erfolg. *)
Sodann ließ ich für den gleichen Zweck auf Fliesenpuppen
(Calliphora erythrocephala) Kälte wirken und erhielt Fliegen mit mehr
oder minder defekten Flügeln, was ich schon früher erwähnt habe
(vel. Dewirz, 2, p. 386). Bei diesen Versuchen wurden die -Puppen
vom 3.—28. Juli in Blechbüchsen verschlossen in den Eisschrank
gestellt. Ein Teil dieser Puppen wurde in das Warme gebracht,
worauf von den ausgekommenen Fliegen nur wenige verkrüppelte
Flügel besaßen. Die meisten von den ausgekommenen Fliegen
konnten jedoch, auf den Tisch gesetzt, trotz ihrer normalen Flügel
nicht auffliegen. Der größte Teil der Puppen wurde aber vom
28. Juli bis zum 25. September in den Eiskeller der Lothringer
Brauerei in Vorbrücken (Metz), der ich auch sonst wegen ihrer be-
reitwilligen Unterstützung bei meinen Arbeiten zu Dank verpflichtet
bin, gebracht. Hier herrschte eine Temperatur von + 2 bis + 4°C.
Die Puppen wurden demnach fast 3 Monate hindurch abgekühlt.
1) Im Spätsommer 1918 erhielt ich von den Herren Dr. ENSLIN und
E. STÖCKHART aus Bayern eine Anzahl von Nestern von Polistes, die ich
wieder auf Eis legte, bis 5 Tage. Ich erhielt eine große Anzahl von
Polistes mit rudimentären Flügeln. Zu Anfang kamen normale, dann
normale und aptere, darauf nur aptere Wespen aus. (Anmerkung beim
Lesen der Korrektur, September 1919.)
308 - J. Dewirz,
Mehr als die Halfte der Puppen war infolge dieser Behandlung ab-
gestorben. Die Nymphen waren in diesem Falle braun und faul.
Ein großer Teil der Nymphen zeigte aber noch die weiße Farbe
und war daher unversehrt. Die meisten befanden sich in einem
Stadium, in dem sich die Augen schon etwas verfärbt hatten. Die
Puppen wurden darauf in einer weiten Schale in feuchten, gesiebten
Sand gelegt, und die Schale wurde in einen mit einem Tuch zuge-
deckten Kasten gestellt. Derartige Vorkehrungen sind bei diesen
Versuchen notwendig, damit die ausgekommenen Insecten sich frei
bewegen und ihren Körper und ihre Körperteile ungehindert ent-
falten können. Die Fliegen kamen hier bald aus. Es erschienen
zuerst gemischt Fliegen mit normalen und Fliegen mit nicht normalen
Flügeln; darauf mehr Exemplare mit nicht normalen Flügeln und
zum Schluß wieder Fliegen mit normalen Flügeln. In Taf.5 Fig. 6
sind Fliegen mit reduzierten Flügeln abgebildet. Die Flügel solcher
Fliegen waren mehr oder minder verkrüppelt.
Ferner wurden Schmetterlingspuppen der Kälte ausgesetzt.
Saturnia pavonia. Die Raupen dieser Art verwandeln sich im
Sommer, und die Puppe gibt den Schmetterling im Frühjahr oder
Anfang Sommer. Eine Anzahl von Puppen wurde Ende April
4 Wochen lang in den Eiskeller der Brauerei gebracht. Es kamen
an normal gebildeten Exemplaren 10¢¢ und 1399 aus, außerdem
292 mit verkrüppelten Flügeln. Im folgenden Frühjahr wurden
Puppen derselben Art während des April und der ersten Hälfte des
Mai, also 6 Wochen lange, in demselben Eiskeller aufbewahrt. Es
kamen darauf neben normalen Exemplaren einige verkrüppelte
Männchen und Weibchen aus. Dann hörte das Auskommen auf, und
die übrig gebliebenen Puppen überlagen bis zum nächsten Frühjahr.
Zu dieser Zeit kamen wieder Schmetterlinge in größerer Zahl aus,
normal gebildete Männchen und Weibchen. Daneben aber erschienen
9 Männchen, deren Hinterflügel in übereinstimmender Weise ver-
krüppelt waren (Taf. 5 Fig. 7).
Leucoma salicis. Die Puppen stammten aus Berlin. Sie wurden
im Eisschrank vom 29./6. bis zum 19./7. gehalten. Was die Verände-
rung angeht, die eine Anzahl der ausgekommenen Schmetterlinge
erlitten hatte, so waren die Beine nur bei zwei Exemplaren in Mit-
leidenschaft gezogen, bei den übrigen Exemplaren aber normal. Die
Flügel hatten aber bei vielen ausgekommenen Stücken starke Ver-
änderungen erlitten. Die Beschuppung konnte gering sein oder ganz
fehlen. Die Flügel konnten dünnhäutig sein und trockneten dann bei
Die Entstehung rudimentärer Organe bei den Tieren. 309
konservierten Exemplaren zusammen. Daran ändert sich nichts, auch
wenn man die Schmetterlinge vor der Abtötung 12—24 Stunden
leben ließ. In den Flügeln (zwischen den beiden Membranen) konnten
sackförmige Auftreibungen vorhanden sein, die mit dem grünlichen
Blut gefüllt waren. Gleichzeitig traten starke Verkrüppelungen
aller vier oder einzelner Flügel auf. Ein großer Teil der Puppen
war infolge der Behandlung gestorben (Taf. 5 Fig. 8 u. 9).
Bei ihren Temperaturexperimenten mit Schmetterlingspuppen
hatten gewisse Autoren schon bemerkt, daß Kälte nicht allein auf
die Zeichnung, sondern auch auf die Gestaltung des Schmetterlings-
flügels von Einfluß sein kann.
M. Sranoruss!) gibt an, daß bei der Kälteform von Vanessa
antiopa der Flügel durch Einwirkung von Kälte an Wachstums-
energie verliert, sein Rand infolgedessen schärfer ausgeschnitten
ist und an mehreren Stellen Spitzen hervorragen. Es wird der
Charakter der Vanessen als „Eckflügler“ in der Natur als eine Folge
lang andauernder Einwirkung niedriger Temperaturgrade der nörd- -
- lichen Faunengebiete zu fassen sein. Bei Vanessa cardui und atalanta,
die wir von tropischen Ahnen ableiten, erfolgt durch experimentell
herbeigeführte, lang dauernde Einwirkung niedriger Temperaturen
eine sehr bedeutende Reduktion der gesamten Flügelgröße. Die
Gestalt des Flügels wird bei diesen Kälteformen dahin geändert, daß
der hintere Flügelteil im Wachstum zurückbleibt.
L. KATHARINER ?) erhielt in einem Frostexperiment mit Vanessa
so der Mehrzahl nach Schmetterlinge mit dünn beschupptem Vorder-
flügel. Zugleich waren die Vorderflügel verkleinert, von normaler
Form und Größe bis zu krüppelhafter Kleinheit. Am Ende der
Reihe stand ein Tier mit ganz kleinen, zeichnungslosen Vorderflügeln
und normal ausgebildeten und gezeichneten Hinterflügeln.
Ferner teilt L. KATHARINER ?) mit, daß er Puppen von Vanessa
urticae, antiopa und io mit der rechten Flügelseite auf ein von Wasser
von 14—16°C durchströmtes Glasrohr legte, während die andere
Flügelseite von der Sonne (30—32°C) beschienen war. Infolge dieser
. 1) M. Stanpruss, Handbuch der poner schen GroBschmetterlinge,
1896, p. 281—283.
2) Er KATHARINER: 1. Versuche über den Einfluß der verschiedenen
Strahlen des Spektrums auf Puppe und Falter von V. urticae L. und
V.io L., in: Illustr. Ztschr. Entomol., Vol. 5, 1900, p. 379.
3) Derselbe, Versuche über die Ursache des „partiellen Albinismus“ bei
Schmetterlingen, ibid., Vol. 5, 1900, p. 321—323.
310 J. Dewrrz,
Behandlung der Puppen fehlten bei einem. Schmetterling von V.
urticae an der betreffenden Stelle die Schuppen. Bei einer V. antiopa
hatte der rechte Vorderflügel nur ?/, der normalen Länge und war
nur einige Millimeter breit. Auch der Hinterflügel war bei anderen
Exemplaren krüppelhaft.
2. Einwirkung von Blausäuregas auf die Ausbildung
der Flügelscheiden der Puppe von Schmetterlingen.
Wie ich schon an anderen Orten (in: Zool. Anz., Vol. 28, 1904;
p. 167; Arch. [Anat. u.] Physiol. 1905, Suppl, p. 401; C. R. Acad.
Se. Paris, Vol. 154, 1912, p. 387; Zool. Anz., Vol. 41, 1913/22332
angegeben habe, entstehen in einer Blausäuregas enthaltenden
Atmosphäre Schmetterlingspuppen, die sich von den normalen durch-
aus unterscheiden. |
Sie sind besonders durch den langgestreckten, zylindrischen
Körper und die starke Verkürzung der Flügelscheiden ausgezeichnet.
Falls die bei der normalen Puppe von den Flügelscheiden bedeckte
Stelle angedeutet ist, wird diese hier von den kurzen Flügelscheiden
ganz und gar nicht bedeckt. In anderen Fällen können die Flügel-
scheiden ganz klein ausfallen.
Fig. B. Fig. C.
E. chrysorrhoea. E.chrysorrhoea. In Blausäuregas entstandene Puppe.
Normale Puppe. Die kleinen Flügelscheiden lassen Segment 6 u. 7 frei.
Die Segmente der zylindrischen Puppe sind abgesetzt, gerundet,
nieht ineinander geschoben. Der Cremaster am Ende der Puppe ist
vorhanden.
Sonst sind solche Puppen sehr weich, und ihre Chitinhaut härtet
sich auch später, nach der Entfernung der entstandenen Puppe aus
der Blausäureatmosphäre, nicht mehr. Die Chitinhaut war nur von
einem zarten Häutchen gebildet. Solange die Puppe dem Blausäuregas
ausgesetzt war, verfärbt sich die Chitinhaut nicht. Die Flügel-
Die Entstehung rudımentärer Organe bei den "Tieren, 311
scheiden waren ganz farblos und durchsichtig. Erst wenn die Puppe-
aus der Blausäureluft entfernt war, verfärbte sie sich im Laufe
einiger Tage.
Was die Verkürzung der Flügelscheiden und die sonstige Gestalt
angeht, so ist eine solche Schmetterlingspuppe der jungen, soeben
der Raupe entschlüpften oder noch unter der Raupenhülle liegenden
Halbpuppe (Semipupa, Propupa) ähnlich.
Die in der Blausäureatmosphäre entstandenen Halbpuppen er-
hielt ich besonders von Raupen von Euproctes chrysorrhoea (Textfig. C,
Taf. 5 Fig. 10, 11 u. 12) und später auch von Raupen von Pieris
brassicae. *) |
Metz, Oktober 1917.
1) Während der Drucklegung der obigen Mitteilung ist eine Arbeit
von ERWIN CHRISTELLER, Die Mißbildungen der Schmetterlinge und Ver-
suche zu ihrer künstlichen Erzeugung, in: Entomol. Mitteilungen (Deutsch.
Entomol. Mus.), Vol. 6, 1917, erschienen, die durch mechanischen Druck
hervorgerufene MiBbildungen bei Schmetterlingen behandelt. Wie aus
meinen eingangs aufgeführten Mitteilungen hervorgeht, reichen diese bis-
1902 zurück. (Anmerkung beim Lesen der Korrektur, September 1919.).
312 J. Dewırz, Die Entstehung rudimentärer Organe bei den Tieren.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel 5.
Fig. 1 u. 2. ‘Bienen mit rudimentären Flügeln. Aus abgekühlten
Stôcken.
Fig. 3. Rechtes Flügelpaar einer solchen Biene. Spiritusexemplar.
Fig. 4 u. 5. Polistes gallica mit rudimentären Flügeln. Durch Ab-
kühlung des Nestes entstanden.
Fig. 6. Calliphora erythrocephala. Die Verkrüppelung der Flügel
durch lange Abkühlung der Puppen herbeigeführt.
Fig. 7. Saturnia pavonia. Unterseite. Männchen mit verkrüppelten
Hinterfliigeln. Die Puppe war 1 Jahr vorher 6 Wochen abgekühlt.
Fig. 8 u. 9. Leucomia salicis. 3 Wochen lange Abkühlung der
Puppen.
Fig. 10—12. Æuproctes ehrysorrhoea. Puppen in einer Blausäuregas
‚enthaltenden Atmosphäre entstanden.
Fig. 13. Euproctes chrysorrhoea. Normale Puppe.
Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Versuch einer Analyse der Lichtreaktionen
der Heliciden.
Von
W. v. Buddenbrock (Heidelberg).
Mit 17 Abbildungen im Text.
Im Jahre 1916 habe ich in den Sitzungsberichten der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften einen kurzen Aufsatz veröffentlicht,
der sich mit dem Lichtsinn der Pulmonaten beschäftigte. Die Schrift
trng durchaus den Charakter. einer vorläufigen Mitteilung; sie sollte
nichts Vollständiges bieten, sondern im wesentlichen nur die Antwort
auf einen Aufsatz von Yune sein, welcher der Weinbergschnecke
schlechthin ein jedes Funktionieren ihres Auges abgestritten, sie
direkt für blind erklärt hatte. Meinen Erwartungen entsprechend
fand ich im Gegensatz zu Yune sehr bald einige wohlumschriebene
optische Reaktionen der Pulmonaten auf, war aber durch die Un-
gunst der spätherbstlichen Witterung sowie durch. die kriegerischen
Umstände verhindert, das Gefundene weiter auszubauen.
_ Unter günstigeren Auspizien habe ich das gleiche Thema jetzt,
im Sommer 1917, wieder aufgenommen. Ich hoffe nunmehr ein
‘wenigstens einigermaßen vollständiges Bild vom Lichtsinn der ein-
heimischen Landschnecken geben zu können und damit einem fühl-
baren Mangel in der Kenntnis dieser Tiere abzuhelfen. Meine Unter-
suchungen erstrecken sich in der Hauptsache auf Helix nemoralis
und arbustorum. Andere Helix-Arten sowie andere Gattungen
wurden nur gelegentlich mit herangezogen.
314 W. v. BUDDENBROCK,
Ich möchte als Zeugnis dafür, wie wenig wir bisher von dem
in Frage stehenden Thema wissen, lediglich Einiges anführen, was
in zusammenfassenden neueren Werken darüber zu finden ist. Machen
wir den Anfang mit G. Karka’s Einführung in die Tierpsychologie
1914, einem sehr ausführlichen Werke, das die Sinnesfunktion der
niederen Tiere in ca. 550 Seiten schildert. Hiervon ist dem Licht-
sinn der Landschnecken eine knappe halbe Seite gewidmet. Wir
erfahren darin im wesentlichen nur, daß nach FRrANDSEN die Nackt-
schnecke Limax je nach der Lichtintensität positiv, indifferent oder
negativ phototrop reagiert, daß aber nach Yune die phototropen
Reaktionen der Landschnecken überhaupt nicht auf einer Licht-,
sondern auf einer Wärmewirkung beruhen. Dies ist alles.
Als zweites Beispiel sei Jon. MEISENHEIMER’'s Monographie
der Weinbergschnecke 1912 erwähnt. Wir finden hier p. 42 zu-
nächst eine halbe Seite dem sogenannten Schattenreflex gewidmet,
bei welchem das Tier bei plötzlicher Beschattung sich mehr oder
weniger heftig zusammenzieht. Es wird darauf hingewiesen, daß
dieser Reflex nicht an das Auge, sondern an den Hautlichtsinn ge-
bunden ist. Über das Auge selbst heißt es dann wörtlich: „Daneben
besitzen unsere Schnecken nun noch ein besonderes spezifisches Seh-
organ in den auf der Spitze der Tentakel gelegenen Augen. Deren
Sehvermögen ist freilich ein recht beschränktes. Trotz ihrer freien
Lage auf der Spitze der beim Kriechen weit ausgestreckten Fühler
vermögen sie im Wege liegende Hindernisse nur auf sehr nahe Ent-
fernungen wahrzunehmen, selbst umfangreiche Gegenstände erst in
der Entfernung von etwa 1 cm. Ein genaueres Sehen ist erst auf
1—2 mm Entfernung möglich, erst dann scheinen sie zur Perception
eines Formbegriffs fähig zu sein. Kaum ausgeprägt ist eine Reak-
tion auf Bewegungen von Fremdkörpern, einen in ihrer Kriechrich-
tung hin und herbewegten Gegenstand ignorieren sie stets völlig.
Es ist eben in erster Linie der Tast- und Geruchsinn, der die Be-
ziehungen der Schnecken zur Außenwelt vermittelt.“
Als dritten und letzten Kronzeugen unserer Unkenntnis auf
diesem Gebiete wollen wir schließlich ©. Hess hören, der sich in
Wiınterstein’s Handbuch der vergleichenden Physiologie folgender-
maBen ausläßt: „GRABER (1884) untersuchte von Schnecken Planorbis
corneus, Limnaeus stagnalis und Helix nemoralis mit seiner Zwei-
kammermethode; erstere fand er ausgesprochen „leukophil“, sie zeigte
ferner geringe Vorliebe für blaugrün gegen rot. Das gleiche war
in noch höherem Grade bei der Schlammschnecke und anscheinend
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 315
auch bei Hela der Fall. Nach Wizrem 1891 dagegen soll Planorbis
und ein Teil der anderen Schnecken wie Limax, Helix aspersa u. a.
leucophob sein, Helix nemoralis und pomatia aber leukophil. Auch
bei geblendeten Pulmonaten glaubte er dermatoptische Wahrneh-
mungen festgestellt zu haben, bei Helix aspersa seien diese ungefähr
halb so lebhaft wie die der normalen Tiere“. . . . Es folgen dann
nur noch Angaben über den Schattenreflex sowie die bereits zitierten
Befunde von Franpsen über Lima.
: Die angeführten Proben mögen genügen, um darzutun, wie außer-
ordentlich spärlich unsere Kenntnisse auf diesem Gebiete noch sind.
Das negative Ergebnis der bisherigen Studien, an denen es nämlich
an Sich keineswegs fehlt, liegt wohl an dem Umstand, daß die Frage-
stellung der meisten Forscher eine unrichtige, zu anthropomorphe
war: man fand, daß die Schnecken nicht in der Weise auf Licht-
reize reagieren, wie man es von den höheren Tieren her gewohnt
ist. Sie suchen mit den Augen weder ihre Nahrung. noch meiden:
sie damit ihre Feinde, und dies genügte, um ein für allemal den Satz
zu prägen, „daß das Sehvermögen der Schnecken ein sehr be-
schränktes sei“. Diesen beschränkten Rest zu untersuchen, mag den
meisten Forschern wenig lobnend erschienen sein, und so blieb denn
der wirkliche Lichtsinn der Pulmonaten durchaus unerforscht — bis
auf die oben zitierte Arbeit von FRANDSEN. Limax, die dieser For-
scher untersuchte, ist aber eine biologisch sehr abweichende Form.
deren Verhalten keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die gehäuse-
tragenden Schnecken zuläßt. Immerhin bildet Franpsen’s Arbeit
einen sehr großen Fortschritt, indem er die Schnecken auf photo-
trope Reaktionen untersuchte, die bei so vielen anderen niederen
Tieren das Wesentliche der Augenfunktion darstellen. Ähnliches
gilt von der Arbeit von G. Bonn über die Meeresschnecke Littorina,
an welche anknüpfend wir unser eigentliches Thema nunmehr be-
ginnen können. |
I. Die Tonusfunktion des Auges.
&
Unter Tonusfunktion des Auges verstehen wir die Tatsache,
daß das Auge vieler Tiere in analoger Weise wie die Statocysten
den Tonus gewisser Muskelgruppen beherrscht. Der längst bekannte
Fundamentalversuch hierüber ist dem Reiche der Insecten ent-
nommen: ein positiv phototropes Insect, dem das eine Auge durch
Überlackieren blind gemacht ist, läuft nicht mehr gerade aus, sondern
x
316 W. v. BUDDENBROCK,
in einem Kreise, derart, daß das intakte Auge dem Mittelpunkte
zugekehrt ist. Die wohl einzig zulässige Erklärung dieses Phä-
nomens ist die folgende. Jedes Auge beeinflußt den Tonus der Beine
der Gegenseite, beim blinden Auge fällt diese Beeinflussung fort,
infolgedessen überwiegt die Tätigkeit derjenigen .Beine, die auf der
Seite des geblendeten Auges liegen, und es resultiert der erwähnte
Kreisgang. Da das geblendete Auge dem Tiere nur eine Dunkelheit
auf der betreffenden Seite vortäuscht, kann man den Versuch natür-
lich auch in der Weise variieren, daß man dem Tiere z. B. einen
schwarzen Schirm vor das eine Auge hält bei gleichzeitiger Be-
leuchtung des anderen. Das positiv phototrope Insect weicht dann
nach der hellen Seite ab.
Bonn hat das unbestrittene Verdienst, das Phänomen der To
funktion auch bei den Mollusken nachgewiesen zu haben. Er findet
das Folgende. Zattorina wird von einem parallel zur Locomotions-
richtung aufgestellten weißen Schirm abgestoßen, von einem schwarzen
angezogen; bei gleichzeitiger Einwirkung mehrerer derartiger opti-
scher Reize fällt die Bewegungsrichtung mit der Resultante aus
allen abstoßenden und anziehenden Kräften des Lichtfeldes zu-
sammen (Resultantengesetz). |
Es ist nun sehr leicht, die entsprechende Feststellung auch bei
den Landpulmonaten zu machen, und damit lernen wir den ersten
wichtigen optischen Faktor kennen, der die Bewegungsrichtung
unserer Tiere beeinflußt. Wenn man einer Helix das eine Auge
amputiert, so kriecht die jetzt einäugige Schnecke im allgemeinen
nicht mehr geradeaus, sondern zeigt das deutliche Bestreben, sich
in einer Kurve zu bewegen, die aber im Gegensatz zu den positiv
phototropen Insecten ins Dunkle führt, wie dies ja auch für Zittorina
eilt; d.h. der amputierte Fühler ist dem Kurvenmittelpunkte zu-
gekehrt (s. Textfig. A). Offenbar bewirkt hier jedes Auge eine
tonische Kontraktion der Längsmuskeln des „Halses“ auf der
Gegenseite.
Die Stärke der FANS ist abhängig von der Lichtstärke,
die das Auge trifft: e
Wirkt auf die einäugige Schnecke lediglich von oben einfallendes
Licht, so bewegt sie sich ungefähr in einem Kreise, da die Tonus-
wirkung in allen Lagen gleich ist — in praxi entsteht daraus
natürlich eine enggewundene Spirale oder eine ähnliche Schleifen-
figur, da kleine Ungleichheiten immer bestehen bleiben. — Die Größe
dieses Kreises ist abhängig von der Lichtstärke und ihr in gewissem
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 317
Sinne umgekehrt proportional: verringere ich sie, so fängt das Tier
sofort einen flacheren Bogen an, verstärke ich sie, so zieht sich die
Spur sofort zu einer engeren Windung zusammen. Durch dieses
sehr .einfache Experiment, das die beigefügte Fig. B erläutert, wird
bewiesen, daß die Tonuswirkung wirklich eine negativ phototropische
Bewegung hervorrufen kann, indem das zweiäugige Tier nach der
dunkleren Seite abweichen muß.
Fig. A. Fig. B. Bewegung einer links:
operierten Helsx arbustorum bei
Oberlicht. 1:2. Von A— B starkes
Licht, in B wird die Gaslampe
ziemlich klein geschraubt, in C
wieder groß. Man sieht die Ab-
hängigkeit des Krümmungsradius-
von der Lichtstärke.
Von der gleichen Tatsache kann man sich freilich nach Bouy-
schem Muster auch ohne Operation überzeugen, indem man der
Schnecke, wenn sie kriecht, einen schwarzen Schirm seitlich vorhalt-
Es läßt sich fast stets eine deutliche Abweichung nach diesem hin
beobachten. Ich wählte als Versuchsanordnung meistenteils die Kom-
bination eines weißen und eines schwarzen Schirmes, die, gegen-
Bewegung in Kurven eines einseitig
geblendeten, positiv phototropen Insects und
einer ebensolchen, negativ phototropen
Schnecke. |
318 = W. v. BUDDENBROCK,
einander einen Winkel von 90° einschließend, in die Bewegungs-
richtung des geradlinig kriechenden Tieres gestellt werden (s.
"Textfig. C). $
Fig. C.
Ablenkung einer Schnecke nach der dunkleren Seite durch die Tonuswirkung
der Augen (Schema).
Befinde ich mich dieser Art in völliger Übereinstimmung mit
-dem vortrefflichen französischen Biologen, soweit die Tatsachen das
Wort haben, so kann ich mich keineswegs mit der theoretischen
Auswertung zufrieden geben, die er seinen Befunden gibt. Box
sieht nämlich in der von ihm entdeckten Tonusfunktion nicht wie
ich einen unter mehreren Faktoren, welche: die Bewegungen der
‚Schnecke beeinflussen, sondern schlechthin das Prinzip, welches die
Bewegungen von Littorina und überhaupt der niederen Tiere durch-
aus beherrscht. So wenigstens muß man, scheint es mir, seine Worte
auffassen, wenn er schreibt: „En un point donné d’un champ lumineux,
la direction du champ n’est que la résultante de toutes les forces
attractives et répulsives exercées par les surfaces éclairantes, sur-
tout par les surfaces les plus étendues (fenêtres, murs)“ _ ‘
Ich will mir nun keineswegs anmafsen, ein Urteil über die mir
nicht näher bekannte Littorina zu fällen; bei den Land-Pulmonaten,
die uns hier angehen, gibt es jedenfalls neben der Tonuswirkung
des Auges noch einige andere optische, richtungsbestimmende Ein-
flüsse, die wir jetzt.kennen lernen wollen. |
Wäre es so, wie Bonn meint, so müßten sich in einem jeden
gegebenen Lichtfeld sämtliche Schnecken nach einer und derselben
durch die objektiven Helligkeitsverhältnisse bestimmten Richtung
bewegen. Ich finde nun zwar, wenn ich meine Versuchstiere auf
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 319
den Tisch lege, der ea. 21}, m vom einzigen Fenster meines Zimmers
entfernt ist, ein deutliches Überwiegen einer bestimmten Richtung.
Die Mehrzahl der Schnecken kriecht, wie es die Tonusfunktion ver-
langt, vom Fenster weg. Es tun dies aber durchaus nicht alle, das
Resultat scheint nach den einzelnen Fundplätzen verschieden zu sein,
stets findet sich eine Anzahl von Tieren, die in beliebiger Richtung
über den Tisch laufen, auf das Fenster zu oder, was das häufigste
ist. quer zu ihm. Auch kommt es sehr häufig vor, daß ein Tier
spontan die Richtung wechselt, was ebenfalls der Borw’schen Auf-
fassung zuwiderläuft. Niemand also wird leugnen können, daß
mindestens noch ein zweiter richtungsbestimmender Faktor im Spiele
ist. Daß dieser optischer Natur ist, zeigt das folgende Experiment.
/
II. Die Kompensationsbewegungen bei Drehung der Unterlage.
Ich fange mir also aus der Zahl der Schnecken, die auf dem
Versuchstische in beliebiger Richtung herumlaufen, eine heraus und
setze sie unter eine auf einer Drehscheibe befindliche Glasglocke.
Gesetzt, das Tier wird durch einen Einfluß optischer Natur ge-
zwungen, seine abweichend von der Tonuswirkung verlaufende
Bahn einzuhalten, so muß es so gut wie ein Insect in gleicher
Situation auf die Drehung der Unterlage mit einer kompensatori-
schen Bewegung reagieren. Dies ist nun auch wirklich der Fall.
Auf plötzliche Drehung der Scheibe um große Winkelbeträge von 90
‚oder 180° reagiert freilich die Schnecke nicht. Dies ist zu beachten.
Sie kann das einmal verloren gegangene Netzhautbild im Gegensatz
za den Insecten nicht wiederfinden. Die Drehung erfolgt daher am
besten ganz langsam, etwa eine in 3 Min. Es gibt zwei gangbare
Methoden.
1. Man notiert sich die anfängliche Kriechrichtung der Schnecke,
‚dreht hierauf die Scheibe um einen größeren Betrag (ca. 360°) und
notiert nun die Schlußrichtung des Tieres. Der Winkel zwischen
beiden Richtungen verglichen mit dem absoluten Drehwinkel der
‘Scheibe gibt einen Anhalt dafür, in welchem Maße das Tier die
Drehung hat kompensieren können. Ich gebe beistehend das Pro-
tokoll einer Versuchsreihe wieder, die mit etlichen Exemplaren von
Helix arbustorum ausgerührt wurde.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. alle. Zool. u. Physiol. 21
320 W. v. BUDDENBROCK,
—— Richtung des Lichteinfalls vom Fenster her.
Winkel
Sinn der | Versuchs- Versuchs- [zwischen An-
Drehung | beginn und | ende und | fangs- und
“der Anfangs- Schluß- Schluß-
Scheibe richtung richtung richtung
Grad
3,01
MR \ a ÿ 120
x N "à
3,13 3,16 30
| oe
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3,21
fier Bre # 10—20
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3,47
3,45 : 50
vB aa ee we
Absoluter
Dreh-
winkel
der
Scheibe
Grad
180:
270
180:
315
360,
360:
270)
Bemerkungen
kriecht nicht weiter
darauf spontane Be-
wegungsänderung
Es geht daraus hervor, daß die Schnecken keineswegs Meister
in dieser Fähigkeit sind, ein jedes Insect würde ganz anders exakt
kompensieren, aber nes ist die Kompensierung so deutlich, dab
sie nicht geleugnet werden kann.
An sich läßt diese Reaktion nun natürlich sehr viele Deutungen
zu. Die Gegendrehung des Tieres könnte wie bei den Wirbeltieren
statischer Natur sein, oder es wäre denkbar, daß die Schnecke einer
Geruchsspur folgt. Beide Möglichkeiten lassen sich experimentell
ausscheiden.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 391
: Hd. Eine Geruchsempfindung könnte der Kompensationsbewegung
nur dann zugrunde liegen, wenn sich das den Geruch ausstrahlende
Objekt außerhalb der Drehscheibe befände. Ein solches Objekt
könnte aber unmöglich Re die Glasglocke hindurch auf die Schnecke
einwirken.
2. Der Einwand, die Reaktion auf der Drehscheibe sei statinolien
Natur, läßt sich durch die Amputation der Augenfühler entkraften,
nach welcher die Kompensationsbewegungen vollständig wegfallen.
Eine statische Funktion können wir aber nach allen unseren anato-
Fig. D.
Kompensationsbewegungen zweier Schnecken auf der Drehscheibe. Bei X in
Fig. a Umkehr der Drehrichtung der Scheibe. 1:5.
. mischen Kenntnissen unmöglich den Fühlerspitzen zuerkennen. Es
bleibt also nichts- übrig, als die un für eine
optische Erscheinung zu halten.
_ Die zweite Methode, diese Reaktionsart zu untersuchen, besteht
darin, daß man die Spur aufzeichnet, welche die Schnecke während
der Drehung zurücklegt. Sie ist natürlich eine zum Sinne der
Scheibendrehung gegenläufige Kurve, da sie aber in Prinzip nichts
Neues lehrt, begnüge ich mich mit einigen Abbildungen (Textfig. D).
Die Möglichkeit, daß die beobachteten Reaktionen auf der Dreh-
scheibe etwa eine Folge der Tonuswirkung der Augen sein könnten,
halte ich, wie bereits erwähnt, für indiskutabel, weil es bei dem ge-
21*
322 W. v. BuDDENBRocCK, |
gebenen Lichtfelde meines Zimmers nur eine Richtung gibt. in der
eine Schnecke gemäß der Tonuswirkung ihrer Augen sich bewegen
könnte: die vom Fenster weg; die untersuchten Exemplare aber
schlagen fast alle eine verschiedene Richtung ein. Immerhin ist es
vielleicht nicht unnütz, noch einen Versuch anzuschließen, der auch
die letzte Spur einer solchen Möglichkeit beseitigt.
III. Die Kompensationsbewegungen der einäugigen Schnecke.
Wenn wir einer Schnecke den einen Augenfühler amputieren,
so läuft das Tier, wie uns bereits bekannt ist, unter dem Einfluß
.
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“senna”
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sn.”
Fig. E.
Kriechspuren zweier rechts geblendeter Schnecken. 1:4.
—— sich selbst überlassen.
4 ER bei Drehung auf der Drehscheibe im Uhrzeigersinne.
der Tonuswirkung des anderen Auges in einer Kurve. Wir haben
auf diese Weise die Tonusfunktion der Augen nicht beseitigt, aber
in bestimmte Bahnen gelenkt, die wir kennen. Das rechts ampu-
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 323
tierte Mollusk kann sich z. B. nur im Uhrzeigersinne herum-
- drehen, da stets die Tonuswirkung des noch vorhandenen linken
Auges überwiegt, ganz gleichgültig wie das Lichtfeld beschaffen ist,
von deren Einzelheiten wir jetzt völlig unabhängig sind. |
Können wir unter diesen Umständen eine Drehung der Schnecke
gegen den Uhrzeiger erzwingen, so ist es ganz klar, daß wir
einen neuen optischen Faktor vor uns haben. Die beigefügten Figuren
(Textfig. E) zeigen das gesuchte Phänomen in einwandfreier Weise.
Die beiden ausgezogenen Linien bedeuten die Kriechspur des in
beiden Fällen rechts operierten Tieres, wenn es sich selbst über-
lassen bleibt. Man sieht das deutliche Überwiegen der gesunden
Seite. No. A reagiert ganz besonders stark, No. B zeigt dagegen
ein. weniger ausgeprägtes Verhalten. Die Tonuswirkung wird ab
und zu überwunden und eine neue Richtung eingeschlagen, aber
immer wieder wird die Schnecke nach rechts hinübergezogen.
Die punktierten Linien zeigen die Spur der gleichen Tiere unter
der Einwirkung einer gleichmäßigen Drehung der Drehscheibe im
‘Uhrzeigersinne. Die Kompensierung ist zwar schwächer als bei
normalen Tieren, aber deutlich genug. Sie erfolgt in einem Sinne,
der der Tonuswirkung des noch vorhandenen linken Auges ent-
eegengesetzt -ist, und damit ist das Vorhandensein eines zweiten
die Bewegungsrichtung beeinflussenden optischen Faktors streng be-
wiesen.!) |
IV. Die Liehtkompaßbewegungen bei den Schnecken.
Wir müssen nunmehr darauf ausgehen, das Wesen dieses zweiten
optischen Faktors näher zu ergründen.
Ich habe unlängst in einer Publikation über den Lichtsinn der
Schmetterlingsraupen darauf hingewiesen, daß es zwei durchaus ver-
schiedene Prinzipien gibt, nach denen ein Tier seine optische Raum-
orientierung bewerkstelligen kann. Das Prinzip des Marschrich-
tungspunktes und dasjenige der Lichtkompaßbewegung.
1) RADL hat genau den gleichen Versuch mit einigen Fliegen bereits
im Jahre 1903 angestellt und ist zu einem durchaus entsprechenden Re-
sultat gekommen, hat aber merkwürdigerweise keinerlei Schlüsse aus seinen
Beobachtungen gezogen. Er schreibt p. 62: „Auf der Drehscheibe reagiert
die (einseitig geblendete, d. V.) Fliege nach rechts wie nach links, nur
nicht gleichschnell nach beiden Seiten; nach derjenigen, nach welcher sie
sonst. kreiselt, reagiert sie viel leichter als nach der entgegengesetzten.“
324 'W. v. BUDDENBROCK, '
Das erste, welches vornehmlich den Menschen und den höheren
Tieren eignet, besteht darin, daß ein bestimmter Punkt der Um-
gebung mit den Augen fixiert wird und daraufhin die Einstellung
des ganzen Körpers nach diesem Punkte hin und eine geradlinige
Bewegung auf ihn zu erfolgt. Wie dies im einzelnen geschieht,
mub hier unerörtert bleiben. |
= Das zweite Prinzip, das der Lichtkompaßbewegung, welches die
hauptsächlichste Reaktionsweise der niederen Tiere sein dürfte, ist
ganz anders geartet. Es besteht darin, daß das Tier seine relative
Lage zur orientierenden Lichtquelle beizubehalten sucht, oder, wie
man auch sagen kann, den Winkel zwischen dem leitenden Licht-
strahl und der Bewegungsrichtung während der Bewegung ungefähr
konstant erhält. Da die orientierende Lichtquelle in der freien
Natur meist die Sonne oder irgend ein ferner reflektierender Licht-
fleck ist, ergibt sich hieraus als das Normale ein geradliniger Lauf
des betreffenden Geschöpfs. Uber die biologische Bedeutung dieser
Einrichtung verweise ich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf
meine letzte Publikation über die Lichtkompaßbewegung der Raupen.
Die Hauptprobe darauf, ob ein Tier in dieser eigentümlichen
Weise auf Licht reagiert, besteht nun in Folgendem.. Man setzt es
‘der Wirkung einer einzigen Lichtquelle aus unter Vermeidung einer
jeglichen Reflektierung von irgend einem Gegenstande der Umgebung,
so daß dem Tiere wirklich nur diese eine Lichtquelle zur Orientierung
verfügbar ist. Bewegt sich das Tier jetzt beispielsweise so, daß
das Licht die linke Körperseite trifft, so muß es, wenn ich die Licht-
quelle plötzlich auf die rechte Seite transportiere, eine Drehung um
180° machen, um: seine ursprüngliche Lage zum Licht wiederzu-
gewinnen. Dieser Versuch gelingt z. B. bei manchen Raupen sehr gut,
bei den Schnecken dagegen versagt er völlig. Da wir aber bereits
wissen, daß sie auch auf der Drehscheibe auf größere plötzliche
Drehungen nicht reagieren, trotzdem sie im ganzen gut kompen-
sieren können, so ist dies natürlich nicht ausschlaggebend.
Bereits einen kleinen Erfolg erhalten wir, wenn wir eine Varia-
tion dieses Versuchs im hellen Tageslicht vornehmen. Das Tier
kriecht etwa parallel dem Fenster, quer zu den einfallenden Strahlen.
Das Licht trifft voll und breit die rechte Körperseite. Jetzt stelle
ich zwischen Fenster und Schnecke einen Schirm, der das Licht ab-
fängt, und werfe gleichzeitig mit Hilfe eines Spiegels das Tages-
licht auf die linke Seite des Tieres. In diesem Falle erfolgt nach
meinen Erfahrungen meist eine Reaktion, gleichgültig ob man Sonnen-
Analyse der Lichtreaktionen der Helieiden. 325°
licht oder diffuses Licht anwendet. Sie ist aber nur wenig ausgeprägt.
Es tritt eine Anderung der Bewegungsrichtung ein, oft nur um
wenige Grad, aber keine Umkehr.
Dagegen führt uns nun eine andere Beobachtung, die uns wieder
in das verdunkelte Zimmer mit einziger schwacher Lichtquelle zu-
rückführt, endlich zum gewünschten Ziel. Ich wiederhole, daß das
Wesen der Lichtkompaßreaktion darin besteht, daß während der Be-
wegung der Richtungswinkel zwischen der orientieren-
den Lichtquelleund der Bewegungsrichtung einiger-
. maßen konstant bleibt. Ein weitentfernter Orientierungspunkt
bedingt folglich eine geradlinige Bahn. Wenn wir nun aber dem
Tiere eine ihm ganz nahe Lichtquelle vorsetzen, so kann es sich
im allgemeinen nicht mehr geradeaus bewegen, sondern nur Kurven
um die Lichtquelle als Mittelpunkt beschreiben, um den Richtungs-
- winkel auf gleicher Größe zu erhalten. Geradlinig kann es sich nur
bewegen, wenn es auf das Licht zukriecht (Richtungswinkel — 0)
oder von ihm weg (R. W.—180°%). An der Hand dieser mathemati-
schen Überlegung, die ich für zu einfach halte, als daß sie einer |
näheren Erläuterung bedürfte, wollen wir nun die Kriechspuren an-
sehen, die die Schnecke unter dem nz einer kleinen Osram-
birne vollführt.
Zur technischen Anordnung des Versuchs ist folgendes zu be-
merken. Eine isolierte Lichtquelle im dunklen Raum erzeugt
meist negativen Phototropismus, wie wir dies noch später sehen
werden. Es ist also nötig, oder mindestens gut, die beherrschende
_ Wirkung des Lichts zu eliminieren, indem wir das Tier in eine
' weiße Arena setzen. Ich baue also um die Lampe im Abstand von
ca. 50 cm eine kreisförmige 30 cm hohe Wand aus weißen Karton-
stücken auf. Außerdem hat es sich als nützlich herausgestellt, wenn
man von oben in die Arena das matte Licht einer klein gestellten
Gaslampe fallen läßt, welches zwar dem Tiere keinen Anhalt zur
Orientierung gibt, wohl aber die diffuse Helligkeit seiner Umgebung
etwas verstärkt.
Betrachten wir nun oe Textfig. Fa u. b, die sich auf Helix
nemoralis beziehen, so fällt uns zunächst das ae verschiedene Ver-
halten der len Individuen auf. Es gibt positiv. und negativ
phototrope und ferner eine Anzahl, die eine Kurve durchmessen
haben. Diese besonders erfordern unsere Aufmerksamkeit. Denn
die Kurven haben durchgehend denjenigen Charakter, welchen der
- Lichtkompaßreaktion eigentümlich ist: sie führen deutlich im Bogen
326 W. v. Buppensrocx,
Fig. Fa u. b. Lichtkompaßbewegung von Helix nemoralis unter Einw
irkung
der Lichtquelle Z. 1:6,
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 327
um das Licht herum. Denken wir uns bei Kurve a Textfigg. Fa
verschiedene Radien von Licht aus gezogen, so ist der Richtungs-
winkel überall nahezu gleich 90°. Das Tier hat also während der
Viertelstunde, die es schätzungsweise zum Zurücklegen seiner Bahn
gebrauchte, seine relative Lage zur orientierenden Lichtquelle kon-
stant erhalten, sich also aufs deutlichste nach den Gesetzen der-
Lichtkompaßreaktion bewegt. Es ergibt sich von selbst, daß noch
einer ganzen Reihe anderer. Spurbilder der Textfigg. Fa u. b die
gleiche Beweiskraft innewohnt, auch wenn sie nur im Halbkreis um
das Licht herumführen. Die positiv und negativ reagierenden In-
dividuen widersprechen, wie wir wissen, ebenfalls keineswegs unserer
Annahme, dab die Schnecken gemäß der Lichtkompaßreaktion sich
bewegen, und wenn wir schließlich einzelne treffen, die eine recht
unregelmäßige Bahn zurückgelegt haben, so müssen wir uns daran
erinnern, dab das ganze hier behandelte Phänomen keine Zwangs-
bewegung darstellt, sondern die Schnecke sehr wohl in der Lage ist,
innerhalb ihrer Bahn eine Änderung ihrer optischen Orientierung
vorzunehmen.
Ist derart die Existenz der Lichtkompaßreaktion bei den
Schnecken in ausreichender Weise bewiesen und sind wir berechtigt,
in derselben den zweiten optischen Faktor zu erkennen, der neben
der Tonuswirkung die Bewegungen dieser Tiere beeinflußt, so müssen
wir uns im Folgenden noch einer bisher unbekannten Modifikation
dieser Erscheinung zuwenden. BIN
Theoretisch läßt sich über das Objekt, welches dem Tiere bei
seiner Lichtkompabbewegung zur Orientierung dient, gar nichts aus-
sagen. Es muß gut sichtbar sein, das ist Alles: Genau so gut wie
ein höheres Tier sich auch auf einen dunklen Gegenstand zu bewegen
kann, muß es a priori als möglich erscheinen, daß auch ein dunkles
Objekt bei den niederen Tieren als optischer Anhaltspunkt Ver-
wendung findet. |
Den Beweis für ein solches Vorkommnis finden wir in den Spur-
bildern der drei Textfigg. Ga—c, die sich auf Helix arbustorum be-
ziehen. Die Versuchsanordnung bleibt durchaus die gleiche, nur
kommt statt der Osramlampe ein Zylinder aus schwarzer Pappe von
‘ea. 10 cm Durchmesser und Höhe in die Mitte der Arena. Wir
sehen nun zunächst in Spur 1 (Textfig. Fa) ein geradezu ideales
Beispiel einer auf den schwarzen Zylinder zu beziehenden Kompab-
reaktion. Auch 2, bei welcher der Richtungswinkel dauernd ein
stumpfer bleibt, ist äußerst klar. Einige andere zeigen in den ersten
(sb
TO
I
W. v. BUDDENBROCK,
Fig. G. a u.c Lichtkompaßbewegung von Helix arbustorum bezogen auf den
schwarzen Pappzylinder in der Mitte. b on cerns der gleichen Tiere nach Weg-
nahme des Zylinders. 1: 6.
: * Projektionspunkt des Oberlichts auf die Ebene des Experimentiertisches.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 329
zwei:Dritteln der Bahn eine Krümmung, die dem schwarzen Orien-
tierungspunkte zugekehrt ist, dann erfolgt eine spontane Änderung
zu ‚positivem bzw. negativem Lauf. Textfig. Ga ist also, so scheint
mir, durchaus beweisend dafür, daß bei der Lichtkompaßbewegung der
Sehnecken auch dunkle Körper als Orientierungspunkt dienen können.
Immerhin bestand bei der gewählten Versuchsanordnung die schwache .
Möglichkeit, daß als Orientierungspunkt überhaupt nicht der schwarze
Zylinder, sondern der 70 cm senkrecht darüber befindliche Glüh-
strumpf der Gaslampe fungiere.
Wir nehmen daher in Textfig. Gb den Pappzylinder fort,
während sonst alles beim Alten bleibt, und überzeugen uns durch
_ die Spurbilder der sieben geprüften Schnecken, daß jetzt bei keinem
_ Individuum ein Kreislauf um den Glühkörper als gedachten Mittel:
Mittelpunkt stattfindet. Die merkwürdigen kleinen Kreise, die vier
Individuen beschreiben, haben zum Licht ersichtlicherweise keine
. Beziehung, da sie ganz exzentrisch liegen. Sie sind eher als des-
orientierte Bewegungen infolge Mangels eines geeigneten optischen
Stützpunktes zu betrachten. |
Sobald wir nun aber den schwarzen Zylinder wieder an seinen
alten Platz zurückstellen, Textfig. Gc, kehrt auch das frühere Bild
zurück: wir sehen mindestens 3 der Versuchstiere ihre Kreisbogen
in gewohnter Art beschreiben. Im übrigen ist bei dieser Figur der
Tisch soweit verschoben, daß die Gaslampe sich völlig exzentrisch
befindet.
Was das Benehmen der einzelnen Schneckenarten anlangt, so
möchte ich mich nur sehr vorsichtig ausdrücken, da bei der großen
Variabilität dieser Tiere ein sehr großes Material zu bindenden
Schlüssen nötig wäre. Im allgemeinen habe ich aber den Eindruck
gewonnen, daß H. nemoralis öfter hellere Objekte, A. arbustorum da-
gegen dunklere als Orientierungspunkte wählt.
| Bei Nacktschnecken (Iimax und Arion) ist es mir mit der hier
angewandten Methodik niemals gelungen, irgendwelche Spuren einer
Lichtkompaßreaktion zu erhalten, höchstwahrscheinlich liegt dies
aber nur an mangelhafter chi.
Bei den Gehäuseschnecken läßt sie sich, wie schließlich
erwähnt sein möge, auch auf die Weise feststellen, daß man durch
Verschieben der Lichtquelle eine Bewegungsänderung des Tieres er-
zwingt. Angenommen, das Licht bescheine die linke Seite der
Schnecke. Ich bewege jetzt das Licht in der Pfeilrichtung, und der
Erfolg ist, daß das Tier im Sinne des gestrichelten Pfeiles abweicht, derart |
330 W. v. BUDDENBROCK,
seine relative Lage zur orientierenden Lichtquelle beibehaltend (Text-
fig. H). Gut reagierende Individuen kann man auf diese Art mit-
unter eine volle Kreisbahn
u beschreiben lassen.
es In meiner ersten Mit-
N teilung über den Lichtsinn
à der Schnecken habe ich
5 hinsichtlich der optischen
A Raumorientierung unserer
- a Tiere einen durchaus ande-
À ren Standpunkt eingenom-
men, den ich jetzt zurück-
nehmen muß Ich nahm
an, die Schnecken liefen
wie die höheren Tiere
einem Marschrichtungs- .
punkt zu. Der hierin ent-
haltene Irrtum dürfte in-
| sofern entschuldbar sein,
Fig. H. Erzwungene Anderung der Bewegungs- als zur Zeit dieses ersten
richtung durch Verschiebung der seitlichen 8%
Lichtquelle (Schema). . Aufsatzes das Prinzip der
Lichtkompaßreaktion über-
haupt noch nicht bekannt war. Sie war — in einer etwas ab-
weichenden Form — nur von den Ameisen beschrieben worden und
mußte vorerst als eine Spezialfähigkeit dieser hochentwickelten
Tiere gelten.
Das allgemeine Vorkommen dieser Reaktionsart wurde erst in
meinem letztjährigen Aufsatz über den Lichtsinn der Raupen wahr-
scheinlich gemacht.
V. Der Mechanismus der phototropischen Reaktionen.
Was wir bisher kennen gelernt haben, bezieht sich auf das Be-
nehmen der Schnecken in einem Lichtfelde, das größere Lichtkon-
traste vermissen läßt. Wir sehen die Schnecke frei beweglich, ge-
bunden nur insoweit, als sie sich bei ihrem Kriechen irgendeines
optisch kenntlichen Anhaltpunktes bedient.
Das Benehmen ändert sich durchaus, sobald das Lichtfeld über-
wiegende einseitige Beleuchtung aufweist, indem die Tiere alsdann
je nach den Umständen positiv oder negativ phototrop reagieren.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliliden. 331
Beim Studium dieser Erscheinungen wollen wir zunächst den
Mechanismus zu erforschen suchen, welcher dem Phototropismus
der Schnecken zugrunde liegt. Als Beispiel wählen wir den nega-
tiven Phototropismus bei starker einseitiger Belichtung.
Ich erreiche ihn am einfachsten dadurch, daß ich das Tier
direkt in den grellen Lichtfleck setze, den mittags die Sonne auf
den Boden meines Zimmers zeichnet. Nach einigen Minuten Aufent-
halts in diesem ihnen wenig zusagenden Medium sehen wir die
Schnecken aller Arten mit und ohne Haus auf dem Marsche vom
Fenster weg, sie sind deutlich negativ phototrop geworden.
Zur Frage nach dem Mechanismus dieser Reaktion müssen wir
uns hier dessen erinnern, was Boun über Littorina gesagt hat. Für
ihn ist der allein wirksame Faktor bei der gesamten Lichtorien-
tierung die Tonuswirkung. Sie zieht, wie wir wissen, eine jede
Schnecke nach dem Dunkeln hin, und so kommt es nach Bouy, daß
Littorina die allgemeine Tendenz hat, in den Schatten der Felsen zu
kriechen.
Für die Landschnecken könnte natürlich dasselbe gelten. Auch
hier liefert anscheinend die Tonuswirkung eine völlig ausreichende
Erklärung für eine jede negativ phototrope Reaktion. So nahe aber
diese Anschauung liegt, so falsch ist sie auch, und wir werden im
Folgenden sehen, daß das so häufig zu beobachtende Bestreben der
Schnecken, ins Dunkle zu kriechen, einesdoppelten Ursprungs
ist, indem neben der Tonuswirkung noch ein zweiter Faktor dabei
seine Wirksamkeit entfaltet, den ich in Folgendem als negativen
Phototropismus in näherem Sinne bezeichnen will.
Y41msnud%
A onuswiry
Fig. J. Gleichzeitiger Einfluß von negativem Phototropismus und Tonuswirkung
auf einseitig operierte Schnecken.
332 W. v. BUDDENBROCK,
Es ist nicht möglich, am intakten Tier den experimentellen Be-
weis für diese Behauptung zu erbringen. Denn bei ihm wirken
beide Faktoren in jeder Lage des Tieres in gleichem Sinne nega-
tivierend ein und verdecken sich gegenseitige. Man muß, um sie zu
trennen, denselben Kunsteriff
anwenden, den wir bereits
bei den Kompensierungs-
bewegungen kennen lernten,
nämlich die einseitige: Blen-
dung der Schnecke. Gesetzt,
wir hätten sie ihres rechten
Fühlers beraubt, so können
wir jetzt zwei verschiedene
Lagen unterscheiden (Text-
i fig: I). e
a) Das Licht kommt
von links. Beide Faktoren
bemühen sich das Tier rechts
herum zu drehen. |
b) Das Licht k Ocal
von rechts. Jetzt dreht
die Tonuswirkung wiederum
Fig. K. Schema der Bahn einer einäugigen, das Tier rechts herum,
links operierten Schnecke unter dem Einfluß also diesmal auf das Licht zu,
der Tonuswirkung. I bei Oberlicht, II bei Wie :
Seitenlicht aus der Pfeilrichtung. der negative Phototropismus:
dagegen links herum, vom
Licht weg. Wir len folglich seine Existenz daran er
können, daß in Lage b, also dann, wenn das Licht die operierte
Seite trifft, die Schnecke gelegentlich unter Überwindung ihrer ein-
seitigen Tonuswirkung nach der intakten Seite, vom Licht weg, ab-
biegt. Daraufhin müssen wir unsere Spurbilder prüfen, und wir
werden sehen, daß sie uns in sehr deutlicher Weise das fesselnde
Schauspiel des Kampfes zweier entgegengesetzter, einander oft die
Wage haltender Kräfte zeigen. :
Um sie richtig zu verstehen,. ist es freilich notwendig, noch
‘einmal auf die Tonuswirkung zuriickzukommen. Wir wissen von
früher her, daß das einseitig operierte Tier bei stärkerem Licht
einen engeren Zirkel beschreibt als bei schwächerem. Daraus folgt,
daß bei Seitenlicht die Bahnkrümmung in den oben besprochenen
Lagen a und b ebenfalls eine verschiedene sein muß, stärker bei a,
D
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 333:
wo das Auge dem einfallenden Licht zugekehrt ist, schwächer bei b,.
wo es abgewendet ist. Wir werden also bei Seitenlicht, lediglich
durch die Tonuswirkung bedingt, eine Kurve bekommen, wie sie
Textfig. K zeigt, die sich natürlich beim links operierten Tier in
ihr Spiegelbild verkehrt.
Der negative Phototropismus wird den charakteristischen Unter-
schied zwischen den beiden Schenkeln dieser Kurve noch bedeutend :
verstärken, da er im Bogen C D A die Tonuswirkung unterstützt,
iA, B C ihr entgegenwirkt. Wir können aber hieraus allein seine:
Existenz nicht ableiten, die vielmehr nur in der oben dargelegten
Weise bewiesen werden kann.
Nach dieser theoretisch gewonnenen Einsicht können wir nun
an das Studium der Spurbilder unserer Textfig. La herantreten.
Sie zeigen ein außerordentlich variables Bild. Bei manchen Indivi-
duen, z. B. 1, 4 u. 5, überwiegt die Tonuswirkung. Nur in der ex-
tremen Kleinheit der lichtzugewandten Schleifen könnte man eine
Mitwirkung des negativen Phototropismus vermuten. No. 3 zeigt
den entgegengesetzten Typus des reinen Vorherrschens dieses letzteren
Faktors mit Unterdrückung der Tonuswirkung. Die übrigen stehen
in der Mitte, doch gerade sie zeigen, was wir zu sehen wünschen.
Ich habe diejenigen Stellen, wo das Tier in der „falschen“, durch
die Tonuswirkung unerklärbaren Richtung vom Lichte abweicht,
die also die Existenz des negativen Phototropismus beweisen, mit
einem Kreuz versehen. Solche Stellen sind besonders in No. 7 u. 6,.
aber auch in 2,5u.9zusehen. Man sieht deutlich, daß kurz vor dem
Kreuz noch die Tonuswirkung vorherrscht, die Schnecke beginnt
gegen das Licht zu kriechen und würde bei Fortsetzung dieses
Tuns eine der charakteristischen kleinen Schleifen beschreiben; aber
im letzten Moment biegt sie der negative Phototropismus mit einer
sehr energischen Bewegung wieder zurück. —
Das nächste Bild, das wir uns betrachten wollen, Textfig. L b, En
im.wesentlichen dasselbe, bezieht sich aber auf einen Versuch, bei wel-
chem die Schnecken auf dem Tisch krochen, also im Schatten, 2*/, m
vom Fenster entfernt. Es scheint mir nicht unnütz, dies hervorzu-
heben, da man auf Grund des Versuches im Sonnenlicht allein viel-
leicht behaupten könnte, der Phototropismus der Schnecken sei über-
haupt keine Lichtreaktion, sondern ein Fliehen vor der Wärme.
Dieser Zweifel wird durch den jetzigen Versuch behoben. Der Effekt
ist hier noch drastischer als in La, weil hier reines Seitenlicht zur
Anwendung gelangt, während das der Sonne recht steil einfiel.
334 W. v. BUDDENBROCK,
Richtung der
einfallenden Lichtstrahlen
Fig. La.
Andrerseits vermißt man die charakteristischen scharfen Umbiege-
stellen, welche die vorige Figur aufwies.
Es handelt sich um 13 Exemplare von Helix arbustorum, einer
Art mit sehr ausgeprägter Lichtscheu. Wir sehen bei mindestens
7 von ihnen ein geradliniges Weglaufen vom Licht, wie es schöner
auch ein zweiäugiges Tier unmöglich zeigen könnte. Bei einem,
rechts oben in der Ecke, ist die Reaktion gemischt, und bei den
übrigen fünf beherrscht die einseitige Tonuswirkung die Lage. Also
wieder die schon vorher beobachtete starke Variabilität.
Wir können nun einiges über das Stärkeverhältnis der beiden
Faktoren aussagen.
Bleiben wir zunächst bei den negativ reagierenden einäugigen
Individuen. Die Tonuswirkung ist bei ihnen natürlich größer
als beim intakten Tiere -— gleiche Lichtverhältnisse vorausgesetzt —,
da ja die Gegenwirkung des anderen Anges völlig wegfällt. Der
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 335
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Fig. Lau. b. Kriechspuren einseitig operierter Schnecken beiseitlichem Lichteinfall. 1:4.
a Helix nemoralis im Sonnenlicht. b Helix arbustorum auf dem Versuchstisch
im Schatten bei Lichteinfall vom Fenster.
L linksseitig, r rechtsseitig operiert.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. alle. Zool. u. Physiol. 22
336 | W. v. BUDDENBROCK,
negative Phototropismus hat dagegen nur die halbe Kraft
wie normalerweise, denn beim zweiäugigen Tier unterstützen sich
beide Augen gegenseitig und wirken zusammen. Folglich können
wir aus der Existenz der negativ reagierenden, einäugigen Schnecken
den Schluß ziehen, daß bei ihnen der negative Phototropismus mehr
als doppelt so stark ist wie die Tonuswirkung. Von den anderen .
fünf, bei denen diese letztere überwiegt, läßt sich nur soviel sagen,
daß die über normal große einseitige Tonuswirkung stärker ist als
der halbe Phototropismus, so daß also auch hier die Möglichkeit vor-
liegt, den Phototropismus für den an sich stärkeren zu halten. Im
ganzen werden wir daher kaum fehlgehen, wenn wir behaupten,
der Phototropismus sei der wesentliche, die Reaktionsweise bestim-
mende Faktor, und wenn wir in der Tonuswirkung nur eine ziem-
lich unwesentliche Begleiterscheinung desselben sehen.
Der hier erbrachte Beweis, daß die Schnecken über zwei ver-
schiedene, völlig getrennte optische Mechanismen verfügen, die beide
an sich das Gleiche, nämlich einen negativen Phototropismus, her
vorrufen, ist nicht ohne theoretisches Interesse.
Zunächst dürfte sich daraus ergeben, daß die Autoren, die sich
bisher mit der optischen Raumorientierung der niederen Tiere be-
schäftigt haben, dle Bedeutung der Tonuswirkung der Augen sehr
überschätzt haben. Denn dies behaupte ich: bisher wurde fast überall
die Tatsache, daß die Tiere bei einseitiger Blendung Manege-
bewegungen ausführen, mit dem gelegentlichen Phototropismus der-
selben ohne weiteres identifiziert, obwohl nach der vorliegenden Unter-
suchung kaum ein Zweifel darüber sein kann, daß auch bei vielen
Würmern und bei den Arthropoden neben der Tonuswirkung noch
ein besonderer phototropischer Faktor tätig ist so gut wie bei den
Schnecken.
Besonders deutlich hat sich Bown in dem obengenannten Sinne
ausgesprochen. Ich finde in Karka’s Tierpsychologie p. 380 folgende
Stelle, die sich auf Boun’s Untersuchung über den Polychäten Hediste
bezieht: „Die tropistische Wirkung des Lichts ist daran zu erkennen,
daß Beleuchtungsunterschiede der Umgebung die Richtung der Loko-
motion bestimmen, indem die Tiere auch auf größere Entfernungen
hin vor heller beleuchteten Stellen zurückweichen, dunkle Wände
und Unterlagen ‚dagegen in beschleunigtem Tempo, meist wieder
durch einen Übergang vom Kriechen zum Schwimmen aufsuchen.
Wird bei Hediste die Beleuchtung; nur auf einer Seite herabgemindert,
so weicht die Progressionsrichtung nach eben dieser Seite hin ab.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 337
Wird daher durch Entfernung des Auges die eine Körperhälfte gleich-
sam in dauernde Dunkelheit versetzt, so treten Manegebewegungen
nach der geblendeten Seite ein.“
Boan’s Ansichten über die Lichtreaktionen von Littorina tragen,
wie wir bereits wissen, den gleichen Stempel. Ich möchte hier nur
noch einiges anführen, was er in seinem sehr bemerkenswerten Auf-
‚satz: „Theorie nouvelle du phototropisme“ über unsere Frage sagt.
„Je considere les actions tropiques de la lumiere comme la consé-
quence d’actions toniques asymetriques: la lumière reçue par l’oeil
a, par l’intermédiaire du système nerveux, une action sur les muscles
du même côté: action excitatrice ou inhibitrice suivant les circon-
stances; tant que l’action dynamogene de la lumiére n’est pas la
même du côté droit et du côté gauche, lanimal tourne en se dé-
plaçant et la rotation s’arréte pour une position dans laquelle les
deux yeux ont sensiblement le même éclairement“ (p. 891).
Was die Insecten anlangt, auf die sich freilich Bonn’s Zitat in
seiner allgemeinen Form mit bezieht, so möchte ich zunächst darauf
hinweisen, daß auch Loxs’s Tropismenlehre, die gerade aus dieser
Gruppe zählreiche Beispiele schöpfte, durchaus auf dem Gedanken
an die Tonuswirkung der Augen basiert. Ungleichmäßige Belich-
tung beider Seiten, folglich ungleichmäßige Bewegung der beider-
seitigen Muskulatur bis zur zwangsweisen Einstellung der Körper-
achse in die Richtung der Lichtstrahlen. — Die Struktur des Auges
ist dabei ganz nebensächlich. —
Am interessantesten ist nun aber die Feststellung, daß von ver-
schiedenen Forschern positiver Phototropismus bei einäugigen Insecten
unter Überwindung der Manegebewegung bereits be-
obachtet worden ist, also genau das Gleiche, was wir für die Schnecken
fanden. Aber wie wurde es gedeutet! Wir lesen bei KArka p. 466:
„Daraus erklärt sich zugleich die mit einer rein mechanistischen
Tropismentheorie nicht wohl vereinbare Tatsache, da8 selbst asso-
ziative Faktoren. das Verhalten der Tiere gegen Lichtreize zu be-
stimmen vermögen. So beobachtete HoLmes bei Ranatra, CARPENTER
bei Drosophila und Ran bei Calliphora, daß die einseitig geblendeten
Tiere nach einiger Zeit ihre Manegebewegungen aufgegeben und
sich dem Lichte in ziemlich gerader Linie annäherten, ja HoLmes
fand, daß sich Ranatra sogar nach der geblendeten Seite zu kehren
pflegte, wenn sie sich zuvor daran gewöhnt hatte, die Wendung
gegen die Lichtquelle in diesem Sinne zu vollführen.“
20%
338 W. v. BUDDENBROCK,
Assoziative Einflüsse !) sollen also gegen den starken Zwang
der einseitigen Tonuswirkung das Insect dem Lichte zukehren, ohne
daß hierfür, wenn ich es recht verstanden habe, eine vorgebildete
Reflexbahn angenommen wird! In eine deutlichere Sprache über-
setzt bedeutet das wohl nichts anderes als die Rückkehr zur anthro-
pozentrischen Anschauung verflossener Jahrhunderte: das Insect
bewegt sich auf das Licht zu, weil es will, weil es ihm Freude
macht usw.
Obgleich ich der Allerletzte bin, derartige psychische Reaktionen
bei Insecten prinzipiell zu leugnen, scheint mir doch gerade der
positive Phototropismus, der in einer steten Wiederkehr bei un-
zähligen Arten die typischste Reaktion der ganzen Gruppe ist, das
ungeeignetste Objekt für eine solche Deutung zu sein. Sicherlich
handelt es sich bei ihm genau wie beiden Schnecken um einen von
der Tonuswirkung unabhängigen gesonderten Reflex.
Kehren wir zu den Schnecken zurück, so ist das Gefundene
nun noch von einem anderen Gesichtspunkte aus interessant. Wenn
man sich näher mit dem Lichtsinn der niederen Tiere beschäftigt,
so wird einem so recht deutlich, daß Physiologie und Morphologie
zwei vollkommen getrennte Wissenszweige sind, die zwar zufällig
dasselbe Objekt bearbeiten, in den Problemstellungen aber meist
gar keine Fühlung miteinander haben.
Ebenso wie manche Physiologen, wie Lors, große Theorien über
die Wirkung des Lichts aufstellen, ohne sich im geringsten um den
Bau der Augen zu kümmern, welche ebendiese Lichtwirkung ver-
mitteln, ebenso läßt der Morphologe die Funktion des Gebildes, das
er im Mikroskop sieht, meistenteils vollkommen unberücksichtigt.
Daher kommt es, daß häufig diejenigen Probleme, die zu ihrer Lösung
notwendigerweise eine Beleuchtung von morphologischer und physio-
logischer Seite zugleich bedürfen, nahezu völlig brach liegen. Ein
solches Problem ist auch die Frage nach der Funktion der Becher-
und Blasenaugen, die ich hiermit in den Mittelpunkt unseres Inter-
esses stelle.
1) RapL selbst hat übrigens keine derartigen voreiligen Schlüsse ge-
zogen, sondern sich damit begnügt, das Beobachtete festzuhalten. Wir
lasen p. 62: „Nicht bei allen Fliegen geschehen die Reactionen in der-
selben leicht verständlichen Art wie bei Dexia. Die Calliphora vomitoria
bewegt sich fast ebenso gerade mit einem geschwärzten Auge, wie wenn
sie auf beiden sieht, und es ist mir nicht leicht, diese Erscheinung zu
erklären; die Nlusca domestica dreht sich in der Art wie Dexia, jedoch
kann sie größere Strecken auch in gerader Richtung durchlaufen.“
Analyse der Liehtreaktionen der Heliciden. 339
Der Typus des Becherauges ist sehr weit verbreitet. Er findet
sich bei zahlreichen Würmern, bei Echinodermen und Mollusken,
und schließlich können wir auch die Ocellen der Insectenlarven und
das Ommatidium des fertigen Insects, das ebenfalls einen Pigment-
becher darstellt, hierher rechnen.
Es besteht im Prinzip aus einem mehr oder weniger tiefen
Becher von Sinneszellen, die meist von Pigment umgeben sind, der-
art, daß das Licht nur durch eine ziemlich enge Offnung in das
Innere des Auges hineingelangen kann (s. Fig. M). Als Gegenstück
betrachten wir den epithelialen Augenfleck, der eine flächenhafte
Ausbreitung von Sinneszellen darstellt.
Wir kennen bei den fraglichen Tieren fast ausschließlich photo-
tropische Reaktionen. Nimmt man an, wie es bisher allgemein ge-
schah, daß diese lediglich auf der Tonuswirkung der beiden Augen
beruhen, so ist in keiner Weise einzusehen, warum Polychäten,
Schnecken und ähnliche Tiere nicht mit dem primitivsten Augen-
fleck auskommen, denn auch ein solcher bietet für jeden Photo-
tropismus eine völlig genügende Grundlage: bei ungleichmäßiger
‚Belichtung notwendigerweise verschiedenes Arbeiten beider Körper-
seiten bis zur Einstellung des Körper» in die Strahlenrichtung bzw.
die Symmetrieachse des Bonn’schen Lichtfeldes.
Klarheit schafft uns nun aber das einseitig operierte Tier.
Ein Becherauge allein ist ein vollständiger physiologischer
Apparat, der eine jede phototrope Bewegung vollständig beherrscht
Dies wurde experimentell von uns nachgewiesen. Das Becherauge
erlaubt die Feststellung der Richtung des orientierenden Lichtstrahles,
welche das Maßgebende für den Sinn der Bewegung ist. Das
Becherauge ist daher die morphologische Voraussetzung für das Vor-
kommen des sogenannten echten Phototropismus. Jedes Auge ist
nervös mit beiden Körperseiten verbunden und kann daher für sich
allein jede beliebige Richtung erzwingen.
Ein Augenfleck allein ist dagegen ein hilfloser Torso, der
nur Manegebewegungen erzeugt. Er vermag die Richtung, aus
welcher das Licht kommt, nicht festzustellen. Maßgebend für die
Bewegung ist nur die Lichtmenge, die das Auge trifft. Der Augen-
fleck ist nervös stets nur mit einer Körperseite verbunden und bildet
die Grundlage für die sogenannte Tonuswirkung des Auges.
Mit dieser Gegenüberstellung scheint mir das Problem von der
Funktion des Becherauges zufriedenstellend .gelöst zu sein. Es
340 W. v. BUDDENBROCK,
ist sehr interessant, daß wir ganz analoge Verhältnisse bei den
Statocysten finden. Auch hier gibt es solche Organe, die nur
beide vereint eine normale Tätigkeit entwickeln, während das
einzelne Zwangsbewegungen auslöst (Pterotrachea, Astacus), und
zweitens solche, die jedes für sich allein zur Aufrechterhaltung
des Gleichgewichts genügen (Palaemon, Mysis). Leider kennen wir
hier die morphologische Grundlage dieses verschiedenen Ver
noch nicht.
= Durch das, was wir hier Neues kennen gelernt haben, fallt ein
großer Teil dessen zusammen, was bisher über den Mechanismus
der phototropischen Reaktionen geschrieben wurde. Denn, nochmals
gesagt, die heute noeh allgemein herrschende Auffassung des Photo-
tropismus ist die, daß die verschiedene oder gleiche Belichtung beider
Augen die Bewegungsrichtung des Tieres bestimmt.
In der ganzen: Literatur dieses Ge-
bietes findet sich nur ein Autor, der so
weit in das Wesen dieser Bewegungen
eingedrungen ist, daß seine früher ver-
öffentlichte Auffassung auch heute noch zu
Recht besteht: E. Rapu. In seinen „Unter-'
suchungen über den Phototropismus der
Tiere“, einem Werk, das sich gleichermaßen
durch die Fülle der gesammelten Beobach-
tungen wie die Klarheit der daraus ge-
zogenen Schlüsse auszeichnet, vertritt RADL
die Auffassung, dab „das Fixieren eines
Punctes durch unser Auge das-
selbe sei wie die phototropische
Orientierung niederer Tiere“ (p.107).
Dies ist in der Hauptsache richtig, davon
abgesehen, daß Rapı die Tonuswirkung ganz
Fig. M. übersieht. Er ist zu seinem Stand-
Gastropodenauge (Schema). punkt auf einem ganz anderen Wege
gekommen als wir; um so erfreulicher ist
es, daß das Resultat in beiden Fällen das gleiche ist. In der Tat,
wenn, wie wir sahen, der Phototropismus bedingt ist durch die
Tätigkeit nur eines Auges allein, ergibt er sich als ein dem Fixieren
völlig gleichwertiges Geschehen. Gesetzt, der orientierende Licht-
strahl treffe die Netzhaut im Punkte A, so muß sich das phototrope
Tier, wie auch der Mensch, wenn sie den Bildpunkt 5 fixieren
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 341
wollen, so bewegen, daß sich die gereizte Netzhautstelle von A nach
.4’ verschiebt. — Hieraus folgt übrigens, daß wir den Wirbellosen
etwas zuerkennen müssen, was unserem Fleck des deutlichsten Sehens
entspricht. — Indem dann der Körper durch geeignete Drehung
die durch die Augenbewegung verloren gegangene Normallage
zwischen ihm und dem Auge wieder herstellt, erfolgt die endgültige
Einstellung des Tieres in die Strahlenrichtung.
Auf Grund dieser Erkenntnis ist es nun möglich, einen weiteren
wichtigen Schluß zu ziehen. Wenn die phototrope Reaktion der
Schnecke auf einem einfachen Fixieren beruht, so tut sie hierbei
michts anderes als der Mensch, der ins Dunkle will: sie stellt
sich so ein, daß ihr Auge ins Dunkle sieht. Dies ist das
ganze Geheimnis des Phototropismus. !)
Wir werden nun im Folgenden zwei Versuche kennen lernen,
welche die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigen, wobei wir
uns wiederum der einäugigen Schnecke bedienen. Wir fangen uns
also einige Schnecken aus unserem Terrarium heraus, die erwiesener-
maßen deutlich negativ reagieren, und setzen sie auf den zunächst
leeren Tisch. Das Tier läuft sofort vom Fenster weg. Nuu nehme
ich zwei große Pappschirme, einen weißen und einen schwarzen,
und stelle sie in eine Entfernung von ca. ',—1 m vor dem Tiere
nebeneinander auf den Tisch. Natürlich ist damit eine erhebliche
Änderung des Lichtfeldes verbunden, und hierauf reagiert die, wie ich
nochmals bemerke, einäugige Schnecke durch deutliches Abweichen
nach dem schwarzen Schirme hin, gleichgültig, ob derselbe links
oder rechts sich befindet (Textfig. Na).
Es ist selbstverständlich, daß dieses Resultat nichts mit der
Tonuswirkung zu tun hat. Es beweist aber, daß es, wie wir im
voraus behaupteten, der Schnecke weniger darauf ankommt, vom
Fenster weg zu kriechen, als vielmehr auf das Dunkle zu.
Bevor wir daran gehen, weitere theoretische Schlußfolgerungen
1) Eine im Prinzip gleiche, also richtige Auffassung, wird von ©. Hess
vertreten. Derselbe schreibt im Rückblick einer Abhandlung über den
Gesichtssinn (in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., p. 107), daß ~
sich seine Versuchstiere in ihren von homogenen Lichtern durchstrahlten
Behältern nicht so bewegten, „als ob sie am Lichtstrahle aufgespießt wären,
sondern so, wie total farbenblinde Menschen sich bewegen würden, die,
unter entsprechende Bedingungen gebracht, stets zu den für sie hell-
sten Stellen im Spectrum strebten.“ Diese Gesamtauffassung ist sicher-
lich richtig. tal |
342 W. v. BUDDENBROCK,
aus diesem Versuche zu ziehen, wollen wir uns sogleich den folgen-
den betrachten, der in mancher Hinsicht noch lehrreicher ist. Ich
wähle eine vollkommene symmetrische Versuchsanordnung, indem ich
auf der dem Fenster abgewandten Seite des Tisches drei Schirme
aufstelle, einen weißen in der Mitte und zu beiden Seiten von ihm
je einen schwarzen. Wie bewegen sich die Schnecken jetzt? Dieser
Versuch hat eine Vorgeschichte, auf die wir ein wenig eingehen
müssen.
Lebewesen niederster Art, z. B. Flagellaten wie Euglena, Chlamy-
domonas, Carteria, Volvox, folgen unter analogen Bedingungen streng
dem Resultantengesetz, stellen sich also z. B. unter der Ein-
wirkung zweier sich kreuzender Lichtbüschel gleicher Intensität
genau in der Winkelhalbierenden ein, wie dies neuerdings J. BUDER
in einer sehr lesenswerten Arbeit festgestellt hat. Genau das Gleiche
dürfte sich wahrscheinlich auch an allerniedersten Tieren und pri-
mitiven Larven höherer Tiere zeigen lassen, kurz an allen Lebe-
wesen, die über keine zu gerichtetem Sehen befähigten Augen ver-
fügen und folglich nicht auf die Richtung der Lichtstrahlen, sondern
auf die Lichtmenge reagieren, welche beide Körperseiten trifft.
Ihnen fehlt, wie früher ausgeführt wurde, notgedrungen der echte
Phototropismus; sie werden durch die Tonusfunktion des Auges be-
herrscht, die eben zum Resultantengesetz führt.
Die Angewohnheit, die wirbellosen Tiere insgesamt als sog.
„niedere“ den „höheren“ Wirbeltieren gegenüberzustellen, hat nun
aber dazu getührt, ganz allgemein für alle Wirbellosen das Resul-
tantengesetz als gültig hinzustellen. Boun bewies es für die Meeres-
schnecke Littorina, die, obgleich negativ phototrop, doch zwischen
zwei schwarzen Schirmen hindurch kriechen soll, und dieser Ver-
such ist der Ausgangspunkt der soeben geschilderten Verallgemeine-
rung geworden.
Demgegenüber habe ich bereits 1916 gezeigt, daß für die Raupe
von Vanessa urticae das Resultantengesetz nicht gilt. Setzt man
derselben zwei Lichter vor, so kriecht sie stets auf das eine zu,
das andere aber wird völlig ignoriert.
Heute füge ich diesem Experiment das Analoge für die Schnecken
bei. Statt der zwei Lichter dienen die beiden schwarzen Schirme
in der bereits besprochenen Anordnung. Das Versuchsergebnis zeigt
die mebenstehende Figur (Nb). Die Schnecken sind alle links
operiert, jedoch benehmen sich zweiäugige genau so, wie ich aus-
drücklich erwähnen möchte. Nur eine einzige hat den Weg zum
343.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden.
«
CROP
—
= ——
Fig. N.
a u. b Kriechspuren negativ reagierender, einäugiger Schnecken unter dem»
gleichzeitigen Einfluß den Tieren vorgestellter weißer und schwarzer Schirme.
344 = W. v. BuppEensrock,
weißen Schirm gefunden. Alle anderen sind entweder auf den linken
oder auf den rechten Schirm zugekrochen, haben also mutatis mutan-
dis ganz wie die Raupe reagiert.
Auch für die Pulmonaten hat folglich das Resultantengesetz keine
Gültigkeit. Ich zweifle nicht, daß eine Prüfung weiterer Gruppen
wirbelloser Tiere ein durchaus analoges Ergebnis haben wird. Das
Resultantengesetz dürfte nur für die niedersten Tierformen wie etwa
Larven und Würmer Gültigkeit besitzen, die eben keine zum Rich-
‘tungsehen befähigten Augen besitzen.
Abgesehen von dieser mir nicht unwichtig erscheinenden Fest-
‚stellung ergibt sich aus unseren in Textfigg. Na u. b. veranschau-
lichten Versuchen das Folgende. Wir sehen in beiden Versuchs-
‚reihen, daß die Schnecken sich nicht parallel zu den Lichtstrahlen
‚bewegen, sondern, ‘dieselben unter einem Winkel schneidend, auf das
‘Schwarze zusteuern, und haben so einen genügenden Beweis für unsere
‚oben anfgestellte Behauptung in Händen: Das phototrope Tier
bewegt sich so, daß esins Helle oderins Dunkle sieht,
anders gesagt, derart, -daß je nach dem Sinne der
Reaktion das Auge ein Minimum oder Maximum von
Licht auffängt. Dieser Satz sagt alles, und das Benehmen der
Tiere in jedem einzelnen Falle läßt sich aus ihm ableiten.
Hält man an dieser Auffassung, die, wie gesagt, auch C. Hess
‘teilt, fest, so ergibt sich schließlich als letzte Konzequenz die völlige
Identität der Handlungsweise eines mit Augen versehenen photo-
tropen Wirbellosen und der zielstrebigen bewußten Bewegung eines
‚höheren Säugers. Hier wie dort fixiert das Tier die Lichtquelle,
behält sie im Auge und bewegt sich darauflos; hier wie dort. ist
nur ein Auge dazu nötig, und beide Tiere wissen bei Vorhandensein
mehrerer Lichtmaxima oder Minima eine Auswahl zu treffen. Im
ganzen: der Leser dieser Arbeit wird nicht imstande sein, einen
prinzipiellen Unterschied anzugeben zwischen dem Benehmen der
negativ phototropen Schnecke und sich selbst, wenn er auf irgend-
einen optisch markierten Punkt zuschreitet.*)
1) Der Mechanismus der Bewegung ist in beiden Fällen genau der-
‚selbe. Der wirklich vorhandene Unterschied liegt auf einem ganz anderen
Gebiet: darin nämlich besteht er, daß das wirbellose Tier unter dem Ein-
flusse gewisser Reize unfehlbar in eine Stimmung gerät, in der es willens
‘ist, das Licht oder die Dunkelheit aufzusuchen, während das höhere Tier
gemäß seinem komplizierteren Wesen fast auf jeden Reiz hin ein ganzes
‚Bündel von Reaktionsmöglichkeiten bereit hält, von denen es eins auswählt.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 345
VI. Die äußeren Bedingungen des Phototropismus.
“Die nächste Aufgabe, die unserer wartet, betrifft die Erforschune
der Bedingungen, unter denen die Heliciden phototrop reagieren.
Sie ist z. T. sehr schwierig zu lösen, und auch nach mehrmonat-
lickem Stadium bin ich nicht imstande, völlig Zufriedenstellendes
darüber zu sagen. Ich begniige mich daher mit einem sehr kurzen
Überblick.
Den eigenen Ergebnissen möchte ich zunächst die Befunde vor-
anstellen, die P. FRANDSEN an Limax maximus gewonnen hat. Er
untersuchte seine Tiere bei künstlichem Lichte und verschiedenen
Lichtstärken und kam durch Massenversuche zu dem Ergebnis, daß
Limax bei starkem Licht negativ, bei schwachem positiv ist. Seine
Untersuchung betrifft also im wesentlichen nur die Feststellung der
Abhängigkeit der Reaktion von der a ke ohne Berücksichtigung
sonstiger Umstände.
Demgegenüber möchte ich betonen, daß nach dem heutigen
Stande unserer Kenntnisse die Auffassung sehr wohl begründet er-
scheint, daß ein jeder Tropismus eine regulatorische Einrichtung ist.
‚Jedes Tier ist phototropisch nur in bestimmten Lebenslagen, das
eine bei Hunger, das andere bei Atemnot, das dritte bei Verfolgung
usw., wir können von einem auslösenden Reiz sprechen.
Der Phototropismus hat dann jedesmal die Wirkung, das durch
den auslösenden Reiz bedingte Bedürfnis zu befriedigen. Also: das
hungernde Tier wird durch ihn zu neuer Nahrung geführt, das an
Atemnot leidende in frisches Wasser, usw.
Wir kennen eine große Zahl dee Fälle, und es erscheint
nicht zu kühn, die an ihnen gewonnene Einsicht zu verallgemeinern.
Der auslösende Reiz kann nun selber ein optischer Reiz sein. Das
Tier kann z. B. bei Dunkelheit positiv phototrop reagieren, bei
Helligkeit negativ. Der biologische Sinn dieser Einrichtung ist
dann der, das Tier in demjenigen Lieht festzuhalten, das seinen
Lebensgewohnheiten entspricht. Hierdurch kann manchmal die
Täuschung entstehen, als sei die phototrope Reaktion überhaupt
keine Regulation, sondern lediglich der Ausdruck einer physikali-
schen Abhängigkeit der Bewegung von der Lichtstärke. Auch bei
Franpsen könnte man zu dieser Vermutung gelangen. Nach diesen
vorbereitenden Bemerkungen können wir nunmehr an die einzelnen
Versuche herantreten.
1: Der positive Phototropismus bei Dunkelheit.
346 W. v. BUDDENBROCK,
Die handlichste Ausführung dieses Versuchs besteht darin, die
Schnecken in die Mitte eines Rubinglaszylinders zu setzen, wie er
für die Dunkelkammerlampen gebräuchlich ist. Das eine Ende wird
mit einem Pappdeckel verschlossen, in das andere scheint das vom
Fenster kommende diffuse Tageslicht oder unsere kleine Osram-
lampe hinein, die man am besten etwas abdämpft. Stets ist jetzt
zu beobachten, daß die Schnecke auf den hellen Ausgang zukriecht.
Dreht man den Zylinder um und läßt das Licht durch das bisher
verschlossene Ende einfallen, so wendet sich auch das Tier in der
Röhre und bewegt sich von neuem auf das Helle zu, kurz, die Schnecke
ist deutlich positiv phototrop.
‘Die Sache liegt nun aber keineswegs so, daß die angewandte
Lichtstärke an sich das Tier anzöge, etwa in FRANDSEN’s Sinne,
der bei Limax positive Reaktion bei schwachem, negative bei
starkem Licht findet. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem leicht
auszuführenden Gegenversuch. Ich nehme das Tier aus dem Zylinder
heraus und setze es auf den Tisch; weder an der Lampe noch an
der Entfernung zwischen ihr und dem Tiere wird etwas geändert.
Jetztreagiert das gleiche Individuum, dasin der Röhre
positiv war, dem gleichen Licht gegeniiber negatiy!
Damit ist der regulatorische Charakter der positiv phototropen
Reaktion klargestellt.
Maßgebend für sie ist nicht die Helligkeit des Lichtes, sondern die
Dunkelheit, welche das Tier fast allseitig umgibt. Diese ist der
auslösende Reiz. Die phototrope Bewegung entfernt das Tier aus
dieser Dunkelheit, die im ganzen als ein schädlicher Faktor anzu-
sprechen ist, und die Reaktion erlischt. Gewöhnlich bleibt die
Schnecke noch in dem Zylinder einige cm vom Ausgang entfernt
sitzen.
Die Reaktion wird keineswegs durch die Enge des Zylinders
verursacht, wie man vielleicht vermuten könnte; sie gelingt ebenso-
gut in jedem größeren dunklen Behälter, sofern man nur dafür sorgt,
daß er den Charakter einer Camera obscura bewahrt und das Licht
nur in einem schmalen Strahle in das Innere hineinfällt.
2. Den negativen Phototropismus, also das der soeben
besprochenen Erscheinung gegensätzliche Phänomen, haben wir
bereits in einem früheren Abschnitte kennen gelernt. Über die Be-
dingungen seines Zustandekommens kann ich leider nichts Ab-
schließendes mitteilen, weil mir hierzu die notwendige Apparatur
fehlte; ich muß mich daher mit wenigen Andeutungen begnügen.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 347
‘Wir sahen den negativen Phototropismus eintreten unter der
Wirkung des Sonnenlichts, ferner auf dem Experimentiertisch als
Reaktion auf das diffuse Tageslicht, das vom Fenster einfiel, und
können jetzt schließlich hinzusetzen, daß er auch auf das schwache
Licht der viervoltigen Osrambirne hin sich einstellt. Zusammen-
fassend läßt sich also wohl behaupten: die Schnecke wird negativ,
sobald das sie umgebende Lichtfeld von einem kräftigen Seitenlicht
beherrscht wird. Die absolute Lichtstärke ist hier ebensowenig das
Maßgebende wie beim positiven Phototropismus.
Dies ergibt sich aus einer ganz einfachen Beobachtung; denn
im dunklen Zimmer reagiert die Schnecke negativ selbst auf das
schwache Licht unserer kleinen Osramlampe, in der freien Natur
dagegen finden wir sie am Morgen oder bei feuchtem Wetter un-
beeinflußt vom Licht umherkriechen, obgleich die das Auge treffende
Lichtmenge in diesem Falle sicherlich hundertmal so groß ist wie
im vorigen.
Maßgebend für den Sinn der Bewegung ist daher wahrschein-
lich der Kontrast innerhalb des Lichtfeldes, und dabei können wir
3 Fälle unterscheiden.
a) Der Kontrast ist gering, das Lichtfeld ringsum von einiger-
maben gleicher Helligkeit: Lichtkompaßreaktion.
b) Der Kontrast ist groß, große Helligkeit auf der einen, geringe
auf der anderen Seite des Lichtfeldes: negativer Phototropis-
mus.
c) Der Kontrast ist noch größer, indem die dunklere Hälfte des
Lichtfeldes unterhalb der Sichtbarkeitsgrenze für die Schnecke liegt,
also als völlige Dunkelheit wirkt: positiver Phototropismus.
Ausdrücklich möchte ich aber hervorheben, daß ich mit diesen
Sätzen keineswegs beanspruche, eine endgültige Lösung dieser sehr
schwierigen Frage zu geben. Ich will damit nur andeuten, in
welcher Richtung diese Lösung gesucht werden könnte.
Die ganze Sachlage wird weiterhin noch dadurch besonders
kompliziert, daß die Schnecken so außerordentlich variabel sind, so
daß man bestimmte Bedingungen eigentlich nur für das einzelne
Individuum, niemals für die ganze Art als maßgebend für die Reak-
tionsweise nachweisen kann.
| ‚Wahrscheinlich ist diese Variabilität der Ausdruck davon, dab
noch allerlei sonstige Lebensbedingungen die Lichtstimmung der
Schnecke mit bestimmen. Positives ist indessen hierüber so gut
wie gar nicht bekannt.
348 | WER BUDDENBROCK,
Vorausstellen kann man bei dem Wenigen, was wir davon wissen,
vielleicht den Satz, daß manche Schnecken, wie Helix nemoralis, auf
Licht gerichtete Bewegungen überhaupt nur dann ausführen, wenn
sie sich auf horizontaler, ebener Fläche befinden. An schrägen oder
senkrechten Wänden herrscht bei dieser Art der Geotropismus vor,
und wenn die Schnecke sonst an einem schmalen Gesims, einer Kante
oder auf einem Zweig umherkriecht, so richtet sie sich nur nach
der Beschaffenheit dieses Substrats, ohne auf das Licht zu achten.
Eine jede einfachste Beobachtung lehrt dies, so daß sich die An-
stellung besonderer Versuche eribrigt.
Schließlich möchte ich in diesem Zusammenhang noch auf einen
Faktor aufmerksam machen, der nach meinen Erfahrungen den nega-
tiven Phototropismus fördert und ihn wachruft unter Umständen
wo er sonst nicht eintritt, nämlich die Wärme. Auf diesen nicht
ganz unwichtigen Befund müssen wir im Folgenden noch etwas ge-
nauer eingehen. Wenngleich meine hierauf bezüglichen Versuche
mangels jeglicher Hilfsmittel sehr plump sind, hoffe ich dennoch,
daß ihnen einige Beweiskraft innewohnt.
Wenn wir das Tier mittags in den Sonnenfleck am Boden setzen
so befindet es sich unter dem Einfluß ziemlich steil einfallender
Strahlen, deren Horizontalkomponente, .die allein richtend wirken
kann, nicht sehr groß ist. Demzufolge ist festzustellen, daß die
Schnecken anfangs meist nicht: negativ reagieren. Sie laufen in
irgendeiner Richtung davon, und zeigen nur eine starke Unruhe,
die sich durch lebhaftes Fühlerspiel kundgibt. Dies dauert eine
gewisse Zeit, und erst nach Ablauf etlicher Minuten sind alle Tiere
deutlich negativ geworden und laufen. vom Fenster weg.
Diese Latenzzeit kann man meines Erachtens unmöglich auf
das Licht beziehen, dessen Wirkung sich sonst immer sofort zeigt,
dagegen wahrscheinlich auf die mit ihm verbundene Wärme
| Hiermit stimmt ein weiterer Versuch überein, der hier angefügt
sein möge. Wenn die Wärme den Phototropismus wachruft, dann
muß es gelingen, durch Vorwärmen der Tiere im Dunkeln die
Latenzzeit, nach welcher die phototrope Reaktion einsetzt, abzu-
kürzen. Hiervon glaube ich mich hinlänglich überzeugt zu haben.
Ich setze die Schnecken in einer lichtdichten Blechschachtel erst
einige Zeit der Sonnenwärme aus, und erst danach kommen sie in
den Lichtfleck am Boden. Bei der Mehrzahl der Individuen tritt
nunmehr die negative Reaktion sofort ein.
Selbstverständlich müßte es mit anderen Mitteln ungleich ge-
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 349:
nauer gelingen, den Einfluß der Wärme und sonstiger Faktoren auf
den Phototropismus Klarzulegen, da ich aber fern von jedem Labo-
ratorium gänzlich auf mich selbst gestellt bin, muß ich mich mit
dieser dürftigen Angabe begnügen.
Mit dem Problem der optischen Raumorientierung der Heliciden
sind wir hier am Ende.
Wir müssen nun zum Schluß dieses Abschnitts einen kleinen
Exkurs in das Gebiet der Biologie unserer Schnecken machen, um
zu einem richtigen Verständnis dieser ganzen Erscheinungen zu
kommen, die wir im Vorhergehenden kennen lernten.
Die Schnecke ist infolge ihrer weichen, feuchten Haut sehr
leicht dem Vertrocknen ausgesetzt. Damit steht in Zusammenhang,
daß diese Tiere, wie allgemein bekannt ist, gemeinhin an schattigen,
kühlen Stellen leben, wo ihnen die nötige Feuchtigkeit zur Ver-.
fügung steht, oder an solchen, wo sie sich während der heißen
Tageszeit einigermaßen verstecken können.
‘Am Tage findet man auch die Gehäuseschnecken nur selten
unterwegs, außer wenn es kühl ist und regnet. Die Zeit, wo sie.
ihre Exkursionen machen, ist der frühe Morgen, wo die Luft noch
frisch, die Pflanzen mit Tau bedeckt und das Licht gering ist,
weniger der Abend, der an sich die Trockenheit des Tages bewahrt.
— Schließlich muß noch erwähnt werden, daß die Schnecken im
allgemeinen Standtiere, keine Wandertiere sind. Sie haben ihren
durch die obengenannten Lebensbedingungen häufig sehr eng be-
grenzten Wohnplatz, zu dem sie vermutlich nach eventuellen Wande--
rungen am Morgen immer wieder zurückkehren. | Ä
Wenn wir uns diese kurze Skizze der Gewohnheiten unserer-
Tiere vor Augen halten, dann ist es nicht schwierig, ihre Reaktionen
auf das Licht als einen nolwendigen Teil ihres a zu.
NORTSUEN,
. Die Gehäuseschnecke ist kein ker. im Dunkeln zieht sie-
a in der Regel ziemlich bald in ihre Schale zuriick. Wenn das
Tageslicht erwacht, findet sie zunächst diejenigen Lichtbedingungen,.
bei denen sie noch keinem Phototropismus unterworfen ist. Sie
kriecht frei umher, diesen oder jenen Orientierungspunkt zu ihrer
ee benutzend, und das Gleiche gilt natürlich
auch für trübe Tage oder den end. Sobald aber die Sonne höher‘
emporsteigt und der Unterschied zwischen Licht und Schatten
- schärfer wird, ändert sich ihr Verhalten. Jetzt tritt der negative:
Phototropismus in den Vordergrund, und vereint mit der richtenden.
"350 W. v. BUDDENBROCK,
Kraft der stets gegenwärtigen Tonuswirkung zwingt er die Schnecke,
ihr planloses Umherkriechen aufzugeben und sich dunkleren Örtlich-
‚keiten zuzuwenden. So findet sie automatisch zu ihrem alten
‚Standort oder einem ähnlich gelegenen zurück.
VII. Das Benehmen der Schnecken im Dunkeln
habe ich bereits in meinem ersten Aufsatz einer ausführlichen Er-
‚örterung unterzogen. Ich kann dem damals Gesagten nur wenig
hinzusetzen. Technisch gibt es zwei Methoden, sich darüber Gewiß-
heit zu verschaffen, wie die Schnecke im Dunkeln sich bewegt,
‚erstens die selbsttätige Aufzeichnung ihrer Kriechspur und zweitens
die direkte Beobachtung im roten. Licht. |
1. Die Kriechspur. Franpsen fand -— vielleicht als wertvollstes
Resultat seiner Arbeit über Lomax —, dab dieses Tier im Dunkeln
hauptsächlich Spiralen und Schleifen beschreibt, wobei die einen
Individuen sich meist links herum drehen, die anderen rechts herum.
Er gibt hiervon eine Reihe sehr charakteristischer Bilder. Ich
prüfte seine Befunde an Heliciden nach und konnte sie mit der
Einschränkung bestätigen, daß die Desorientierung hier nur in einem
gewissen Prozentsatz auftritt und daß sich ein namhafter Teil der
untersuchten Schnecken auch im Dunkeln gut geradeaus zu bewegen
vermag. Die Variabilität des Verhaltens ist so bedeutend, daß es
unmöglich ist, eine Regel aufzustellen. Der Leser mag sich hiervon
-an der Hand der beigefügten Bilder (Textfig. O) überzeugen, die sich
auf H. nemoralis beziehen.
Das eine Tier hat eine ganz richtige Schleife beschrieben, wie
‘sie FRANDSEN angibt, ein anderes hat nach allen Seiten nach Licht
‚gesucht und ist dabei kaum vom Fleck gekommen, ein drittes be-
wegt sich fast ebenso gerade wie im Hellen, und bei den übrigen
läßt sich nur eine charakteristische Unsicherheit konstatieren, die
‚allerdings vom Verhalten des normalen Tieres. sehr erheblich ab-
‚sticht. |
Will man zu einem richtigen Verständnis der ganzen Erschei-
nung kommen, so muß man nun hiermit das Benehmen der geblen-
-deten Schnecke vergleichen, und dabei ergibt sich ein sehr merk-
würdiger Unterschied: die geblendete Gehäuseschnecke
läuft vollkommen geradeaus, nur manche beschreiben eine
ganz leichte Kurve nach der einen Seite.
An sich liegt hier ein ziemlich unlösbares Rätsel vor, wahr-
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 351
: 4.
1
Fig. O. Kriechspuren im Dunkeln von Helix nemoralis.
scheinlich ist der Unterschied durch eine Art Gewöhnung zu er-
klären, die sich bei der blinden Schnecke nach einiger Zeit einstellen
dürfte. Immerhin lehrt uns diese Tatsache etwas sehr Bedeutendes,
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 23
352 W. v. BUDDENBROCK,
daß nämlich die Schnecke des Lichts zum Geradeauslaufen streng
genommen gar nicht bedarf, sie kann es eben auch im Dunkeln.
Ganz anders verhält sich das Insect in dieser Hinsicht, und ein
Vergleich mit ihm wird uns ein Stück weiter in der Erkenntnis
dieses Bewegungsproblems bringen. Das Insect im Dunkeln und
das geblendete Insect verhalten sich völlig gleich, sie laufen im
Kreise entweder dauernd links oder dauernd rechts herum. Der
Grund hiervon ist der, daß der Bewegungsmechanismus des Insects
ohne Steuerung durch das Auge keinen geradlinigen Gang gewähr-
leistet. Bei diesem Mechanismus greifen die Beine beider Seiten an
einem ziemlich langen Hebelarm am Schwerpunkt des Leibes an
und bewegen ihn abwechselnd. Nur eine mathematisch absolute
Gleichheit der beiderseitigen Extremitäten an Länge und Kraft
könnte einen geradlinigen Gang hervorbringen, und eine solche |
Gleichheit kann die Natur nicht erzeugen. Bei jedem bilateralen
Tier überwiegt stets die eine Seite ein wenig, es resultiert der .
Kreisgang, der nun im normalen Leben durch die Lichtkompaßreak-
tion dauernd reguliert und in eine geradlinige Bahn verwandelt wird.
Der Bewegungsmechanismus der Schnecke ist grundverschieden.
Hier gibt es keine links und rechts angreifenden Hebelkräfte, son-
dern die bewegende Kraft, die Peristaltik der Kriechsohle, greift in
der Mittellinie selbst an. Die sicherlich auch hier vorhandene Un-
gleichheit der beiden Körperseiten kommt nicht zur Geltung, weil
der weit ausladende Hebelarm der Extremitäten fehlt, und wir er-
halten im ganzen einen Bewegungsapparat, der auch ohne Steue-
rung fähig zu geradliniger Bewegung ist. |
So erklärt es sich, daß die geblendete Schnecke geradeaus läuft,
was das Insect nicht vermag.
Wie kommen nun aber die merkwürdigen Schnörkel zustande,
welche die unverletzte Schnecke im Dunkeln zurückleet? Hierauf
ist zu antworten, daß das Tier im Dunkeln Suchbewegungen
ausführt und hierdurch von seiner Richtung abkommt. Solche Such-
bewegungen fehlen übrigens auch bei den Insecten nicht, besonders
bei den Raupen sind sie deutlich zu beobachten.
Mittels der zweiten Methode, der Beobachtung im roten
Licht, können wir uns von ihrer Gegenwart ohne weiteres über-
zeugen. |
Ich möchte zunächst einige Worte über diese Methode selbst
sagen. Daß gewisse niedere Tiere die roten Strahlen nicht sehen,
ist schon geraume Zeit bekannt. Besonders GrABER hat es in seinen
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 353
Arbeiten betont, und auch Frisch weist in den seinigen über den
Farbensinn der Bienen darauf hin. Ich selbst habe mich ganz zu-
fällige bei Mysis davon überzeugt, daß selbst die kleinste Spur weißen
Lichts physiologisch viel stärker wirkt als die größte Menge roter
Strahlen. Von den Arthropoden schien mir nun ohne weiteres ein
_ Analogieschluß auf die anderen Wirbellosen erlaubt, und hierin sah
ich mich, was die Schnecken anlangt, nicht getäuscht. Die Prüfung
im roten Licht gewährt den ungeheuren Vorteil, daß wir direkt be-
obachten können, wie das Tier im Dunkeln — denn subjektiv ist
es im Dunkeln — sich benimmt. Keine andere Methode läßt dies
zu. Das Blenden, das bisher allein üblich war, ist ein viel zu grober
‘ Eingriff für viele zarteren Tiere, zudem läßt es den so häufig vor-
handenen Hautlichtsinn unberührt.
Wir setzen also die Schnecke unter einen Sturz aus rotem
photographisch geprüften Rubinglas und beobachten eine Erscheinung,
die ich bereits im ersten Aufsatz ausführlich erörtert und als Auf-
bäumebewegung bezeichnet habe. ‘Zunächst richtet das Tier
seine Fühler, die vordem- schräg nach vorn gerichtet waren, steil
auf, bis sie senkrecht stehen oder nach hinten zeigen. Dann hebt
es langsam seinen vor der Schale befindlichen Vorderleib von der
Unterlage ab, richtet ihn ganz hoch empor und sucht nun durch
Hin- und Herbewegen des Kopfes den ganzen Raum ab. Die
Schnecke sucht das Licht. Alle daraufhin untersuchten Gattungen
zeigen diese charakteristische Bewegung: Helix, Succinea, Clausilia,
Limax und Arion; es handelt sich also zweifellos um eine sämtlichen
Land-Pulmonaten eigentümliche Erscheinung, die zugleich das beste
und einfachste Mittel liefert, sich überhaupt davon zu überzeugen,
daß diese Tiere auf Licht reagieren.
Daß es sich dabei wirklich um eine Reaktion auf die Dunkel-
heit handelt, ist leicht nachweisbar. Einmal bleibt die Aufbäume-
bewegung aus, wenn man das Tier unter eine farblose Glocke setzt.
Ferner läßt sich bei besonders gut reagierenden Individuen der
Anfangseffekt, das Steilstellen der Tentakel, auch dadurch erzielen,
daß man das Tier beschattet.
Das Licht, auf dessen Fehlen hin die Adi vininetiewewois ein-
tritt, wird durch das Auge recipiert, nicht durch den Hautlichtsinn.
Dies erhellt ohne weiteres aus dem Benehmen des gebiendeten Tieres
im Hellen. Dieses zeigt die Reaktion in einem Maße, das zwar bei
den einzelnen Individuen sehr verschieden, mitunter met recht be-
deutend ist. Solche Schnecken richten ech fortwährend in die Höhe
23:
354 W. v. BUDDENBROCK,
suchen herum und wiederholen das Spiel immer wieder von neuem,
wenn sie ein paar Zentimeter gekrochen sind; sie kommen infolgedessen
kaum vom Fleck, und indem sie nach dem Aufbäumen häufig eine
neue Richtung einschlagen, sind sie es, die im Dunkeln die ver-
schnörkelten Kurven beschreiben. Andere sind ruhiger, laufen fole-
lich mehr geradeaus, und nach einiger Zeit pflegt bei den meisten
Individuen eine Gewöhnung an die sie umgebende Dunkelheit ein-
zutreten, so dab die Aufbäumebewegung mehr oder weniger ver-
‚schwindet. |
Dieselbe ist, biologisch betrachtet, eine einfache Suchbewegung,
die lediglich beweist, daß die Schnecke das Licht vermißt, auf das
sie, wenn sie es findet, bekanntlich positiv reagiert. Es ist aber
auffallend, um wieviel stärker das Aufbäumen bei den gehäuse-
tragenden Arten ist als bei den gehäuselosen. Wahrscheinlich hängt
dies damit zusammen, daß das voluminöse Gehäuse dem Tiere das
Gesichtsfeld wesentlich einschränkt, so daß es sich eben, um all-
seitig frei umher sehen zu können, aufrichten muß.
Die Aufbäumebewegung ist keine geotropische Reaktion, mit
Hilfe derer etwa die Schnecke versuchen könnte, an irgendwelchen
über ihr befindlichen Gegenständen emporzukriechen. Sie findet an
den senkrechten Wänden und an der Decke des roten Glassturzes so
gut wie auf dem Boden statt. -
VIII. Das Benehmen gegenüber Hindernissen.
Die soeben besprochene Aufbäumebewegung sowie der negative
Phototropismus bei starker und der positive bei schwacher Beleuch-
tung sind bis zu einem gewissen Grade reflexartige Zwangsbe-
wegungen. Sie treten, gleiche Bedingungen vorausgesetzt, bei
sämtlichen dem Versuche unterworfenen Individuen ein.
Bereits die Lichtkompaßreaktion zeigt uns indessen, dab durch-
aus nicht alle Bewegungsarten der Schnecken diese sehr primitive,
physikalisch anmutende Beziehung zwischen Reiz und Reaktion auf-
weisen. Im Bilde gesprochen: geht z. B. beim negativen Phototro-
pismus von der orientierenden Lichtquelle ein strikter Befehl aus,
sich von derselben zu entfernen, so bekommt das Tier bei der Licht-
kompaßbewegung nur eine ganz allgemeine Anweisung auf den
Weg, und es bleibt allem Anschein nach seiner Wahl überlassen,
unter welchem Winkel es sich zum optischen Orientierungspunkte
einstellen will.
-
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 355
Man könnte diese Handlungsweise, die sich bereits erheblich
den Willkürreaktionen der höheren Lebewesen nähert, vielleicht mit
dem Terminus der Wahlbewegung belegen. Eine ganz analoge,
dabei sehr typische Reaktion werden wir nun noch in Folgendem
kennen lernen, nämlich die sogenannte Ausweichreaktion, die
ich bereits in meiner vorläufigen Mitteilung in ihren wesentlichsten
Zügen beschrieben habe. Nichts ist einfacher als der ihr zugrunde
liegende Versuch. Man läßt das Tier auf dem Experimentiertische
ruhig seinen Weg ziehen, und wenn man sich davon überzeugt hat,
daß es eine feste Richtung innehält und geradeaus läuft, stellt man
ihm plötzlich einen Gegenstand von mehreren cm Kantenlänge in
einer Entfernung von etwa 15 cm quer in den Weg. Die Schnecke
befindet sich also einem Hindernis gegenüber, und sie reagiert nun
darauf in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle in der
Weise, daß sie ihm seitlich ausweicht.
Ich habe mir diesen Versuch seinerzeit lediglich ausgedacht, um
deutlich zu demonstrieren, daß auch die Schnecken auf fernere optische
Merkmale reagieren, dieselben folglich sehen, und in der Tat ist er
in dieser Hinsicht äußerst instruktiv. _
Um alle möglichen Nebenwirkungen auszuschließen und das
Ausweichphänomen als ein rein optisches nachzuweisen, habe ich
seinerzeit die Versuchstiere unter eine Glasglocke gesetzt und,
während sie auf die Wand derselben zukrochen, das Hindernis außer-
halb derselben aufgebaut. Als Hindernis diente mir eine kleine
schwarze Dose, und ich kann nichts Besseres tun, als die mit dieser
Versuchsanordnung gewonnenen Resultate hier nochmals im Bilde
anzuführen samt dem darauf bezüglichen Text.
„Das Hindernis ist schwarz gezeichnet. Der dicke schwarze
Strich ist die Kriechspur der Schnecke, das Kreuz bezeichnet den
Ort, wo der Kopf derselben sich befand, als das Hindernis vor sie
hingesetzt wurde. Mit jedem Tier wurden 4—5 Versuche angestellt,
ind zwar mit dem ersten die Versuche 1—5, mit dem zweiten A—D,
‘dem dritten a—d und dem vierten endlich I—V.
Wir sehen nun deutlich, daß die ersten 3 Tiere, 1—5, A—D,
a—d, stets sicher abgelenkt wurden, und zwar ist der Ablenkungs-
winkel, der zwischen dem abgebogenen Teil der Bahn und der ge-
strichelten Fortsetzung des ursprünglich geradlnigen Weges liegt,
meist recht ansehnlich. . . . — Das vierte Tier dagegen zeigt in
keinem der 5 Versuche I—V eine irgendwie deutliche Reaktion;
es war einige Tage zuvor durch Amputation der Fühler-
356 W. v. BuppENBROCK,
spitzen geblendet worden“. Ich habe mich seither durch zahl-
reiche Versuche von Neuem von der Existenz der Ausweichreak-
tion überzeugt. Abgesehen davon, daß sie zum ersten Mal einen un-
umstößlichen Beweis für das gegenständliche Sehen der Schnecken
liefert, scheint sie mir nun auch vom tierpsychologischen Stand-
punkte aus näheren Interesses wert zu sein, und daraufhin wollen
wir sie jetzt ein wenig betrachten. |
| Textfig. P.
Ablenkung verschiedener Individuen von Helix hortensis von ihrer Bahn durch
u Vorsetzen eines Hindernisses. 1: 4.
Zunächst muß man sich darüber klar sein, daß sie nichts mit
der Tonuswirkung der Augen zu tun hat, denn sie ist von der
Helligkeit des Schirmes durchaus unabhängig, ein schwarzer löst sie
genau so aus wie ein weißer oder ein irgendwie sonst gefärbter.
Stelle ich aber einer Schnecke, die annahmehalber lediglich der
. Tonuswirkung unterworfen sei, einen schwarzen Schirm gegenüber,
so müßte sie ja gerade darauf zulaufen. Es liegt also sicherlich
eine Lichtreaktion sui generis vor.
Ist es etwa eine Art Bewegungssehen, indem das Tier auf das
plötzliche Hinstellen des Schirmes, auf die Veränderung seines Ge-
sichtsfeldes reagiert? Hierauf gibt die beste Antwort der folgende
Versuch, bei welchem die Schnecke in eine allseitig von Hinder-
nissen umgebene Arena gesetzt wird und sich also, bevor sie eine
bestimmte Richtung einschlägt, den Hindernissen gegenüber befindet
(Textfig. Q).
Analyse der Lichtreaktionen der Helieiden. 357
Auch unter diesen Umständen weicht die Schnecke erfahrungs-
semäß den aufgestellten Sthirmen aus und versteht die Zwischen-
räume auch dann zu finden, wenn sie beträchtlich schmaler sind als.
die Schirme selbst. Es ist also kein Bewegungssehen.
Fig. Q.
Bewegungen verschiedener Schnecken in einer von schwarzen Schirmen umstelltem
Arena. Die Tiere wissen in der Mehrzahl der Fälle die Lücken zwischen den
Schirmen zu finden. 1:4.
Alles in allem scheint mir also keine Möglichkeit zu bestehen.
die Ausweichreaktion in eine bestimmte Rubrik physiologischen Ge-
schehens einzuordnen. ‘Die Schnecke sieht in dem vor sie hinge-
stellten Schirm ein „Hindernis“, genau wie jedes höhere Tier,
und hat nun die Wahl, diesem Hindernis seitlich auszuweichen oder —
darüber hinweg zu steigen. Beides kommt vor.
Beim Ausweichen ist es überaus charakteristischh daß der
Winkel, um den die Schnecke von ihrem Wege abweicht, sich ziem-
358 W. v. BUDDENBROCK,
lich genau nach der Größe des Hindernisses richtet. Fast regel-
mäßig bewegt sich das Tier auf die Ecke des Hindernisses zu und
streicht hart an derselben vorbei, was immerhin ein ziemlich exaktes
Formsehen zur Voraussetzung hat. Häufig wird dann der betreffena®
Gegenstand von dieser Ecke aus noch bestiegen.
Beim Besteigen von vorn, welches also den anderen Reaktions-
modus darstellt, ist auch einiges Interessante zu beobachten. Die
Schnecke kriecht nämlich meist nicht bis zum Fußpunkt des Schirmes,
sondern kürzt den Weg häufig in sehr bemerkenswerter Weise ab
(Textfig. R).
Fig. R.
' Schnecke im Begriff an einem Hindernis emporzusteigen.
Oft einen reichlichen cm, bevor sie den Schirm erreicht, richtet
‚sie den Vorderleib hoch und kriecht nun in dieser Haltung mit weit
vorgestrecktem „Halse“ weiter, bis die Berührung in einem ziem-
lich hoch gelegenen Punkte stattfindet, von dem aus sie senkrecht
in die Höhe kriecht.
Die Reaktion des Emporsteigens wird also nicht von der Be-
rührung der senkrechten Fläche augelöst, sondern ersichtlicherweise von
gewissen optischen Reizen. Beim Ausweichen sowohl als auch beim
Besteigen des Hindernisses sind also offenbar assoziative Faktoren
im Spiel, individuelle Erfahrungen, die das Tier im Laufe seines
Lebens gesammelt hat. Auch offenbart sich in diesen Versuchen
ein gewisser Raumsinn der bisher für so stumpfsinnig gehaltenen
Mollusken.
Ein näheres Eingehen auf die hier gestreiften tierpsychologi-
schen Probleme würde den Rahmen dieses Aufsatzes um ein Be-
deutendes überschreiten. Vielleicht können sie zum Gegen
einer späteren Untersuchung gemacht werden.
Jedenfalls möchte ich hier nochmals auf den Unterschied hin-
weisen, der zwischen der bisher angenommenen minimalen Sehtüch-
tigkeit der Pulmonaten und dem hier zutage geförderten Material
besteht.
Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden. 359:
Zusammenfassung.
Das Auge dient den Heliciden in erster Linie, vielleicht aus-
schließlich, zur optischen Raumorientierung.
Es sind hierbei folgende Faktoren zu unterscheiden.
1. Die Tonuswirkung des Auges. Bei ungeichartiger
Belichtung beider Augen weicht die Schnecke nach der dunkleren
Seite ab, weil die von den Augen ausgehende tonussteigernde Be-
einflussung der Halsmuskulatur auf beiden Seiten eine verschiedene
ist. Die Schnecke bekommt hierdurch die allgemeine Tendenz ins
Dunkle zu kriechen. Einäugige Schnecken bewegen sich dement-
sprechend in einer Kurve, deren Mittelpunkt die geblendete Seite.
zugekehrt ist.
Diese stets vorhandene Tonuswirkung ist aber fast immer von
irgendwelchen anderen orientierenden optischen Faktoren überdeckt,.
so daß sie meist nicht klar zum Ausdruck kommt. Zu diesen
Faktoren gehört:
2. Die ro tion Sie tritt ein, sobald das
umgebende Lichtfeld keine starken Kontraste aufweist, sondern
einigermaßen homogen ist, und äußert sich darin, daß die Schnecke-
während ihrer Bewegung ihre relative Lage zu irgendeinem opti-
schen Orientierungspunkt konstant erhält. Dieser orientierende-
Punkt kann heller oder auch dunkler sein als die sonstige Um-
gsebung.
3. Bei einseitiger schwächerer Belichtung und völliger Dunkel--
heit des übrigen Raumes wendet sich die Schnecke unter Über--
windung der Tonuswirkung dem Lichte zu, reagiert also positiv
phototropisch.
4. Sonst, d. h. bei wahrnehmbarer Helligkeit des übrigen Raumes,
reagiert sie auf einseitige Beleuchtung negativ, z. B. auf schräg
einfallende Sonnenstrahlen oder das Licht. einer Glühbirne usw.
Auch hier ist aber nicht die Tonuswirkung das allein Maßgebende,
vielmehr ist derselben ein spezieller negativer Phototro-
pismus superponiert, der nachweislich durch ein Auge allein ge-
leitet werden kann und nicht des Zusammenwirkens beider Augen
bedarf. | |
5. Das Wesen dieses negativen Phototropismus besteht darin,.
daß sich die Schnecke so einstellt, daß ihr Auge ins Dunkle sieht;
er kann unter Umständen durch Wärme wachgerufen bzw. ge-
steigert werden.
360 W. v. BUDDENBROCK, Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden.
6. Im Dunkeln zeigt die Schnecke die sehr charakteristische ©
Aufbäumebewegung, die als ein Suchen nach dem Licht aufzufassen
ist. Ihre Kriechspur im Dunkeln ist häufig eine mehr oder weniger
verschnörkelte Linie, sie kann aber auch ohne Lichtorientierung
‚geradeaus laufen. Blinde Schnecken tun dies in der Regel.
7. Die Schnecke reagiert auf ihr in den Weg gestellte Hinder-
nisse aus einer Entfernung von über 10 cm und weicht ihnen meist
seitlich aus. Seltener steigt sie darüber hinweg.
Baden-Baden, 16. Juli 1917.
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= ~ Text: und 10 Tafeln. (VE 138.8. gr. 8°.) 1916.
Br Inhalt: Einleitung. - I. Vorkommen des Ameisenlüwe
Iôwen. Aeufere Morpho ologie. - Färbung und Zeichnung. — 3.
_ Jöwen in freier Natur. —4. "DaF Verhalten des Ameisenlöwen unter ex|
Das ‘Totstellen. Die Bereitschaftsstellung. Die. Umdrel
tg) _ bewegungen. “Das Einbohren in den Sand. .6. Der Ban der
fang. — 5. Sinnesorgane- und Sinnesreaktionen des Ameise
a der Augen. Die Lichtsinnesreaktionen. een
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a 5 ‚haare der Körperoberfläche. Die Erscheinungen der Tang
u 5 Chemische ‘Sinne. — 6. Die wichtigsten Reflexe des ‚ale ö
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Nachdruck verboten.
Übersetzungsrecht vorbehalten.
Messende Untersuchungen über den Einfluß von
Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex- Larven
bei der Submersion.
Studien an Culiciden E
Von
Privatdozent Dr. Albert Koch,
1. Assistenten am Zoologischen Institut der Universität Münster i. W.
Mit 21 Abbildungen im Text.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Weil.
I. Einleitung . MPN Oe ae nat.
SL, Bi code TR EN sets. 864
1. Bau I Apparatur . . ig ie en or. OO,
2. Anwendung der N ER ER te aa 900
3. Herstellung des Versuchswassers. . . 2. . . . 370
wevocenmmung des Gasgehaltes |. . 2) 6. 2:.0%2.8372
ep moeeukion der Kurven . . Un... one. 376
M une aay ne 0 bee ee ee . 391
SAE eee. ie nt. ee. 393
2. Teil.
LV. Dic) Womipemesemmeverhalinigse . >» 2.02. . . . . 433
DCE ey er hs. lk. 454
DORA IEEE Warmes: 2 Sk. 4G
D AUS MR RENE fs es). kel . :. 439
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 24
362 ALBERT Koch,
V. Die Lageänderungen während der Submersion . . . . . 443
VI. Mechanik der Schwimmbewegung . . . . . . RS
VII. Die Theorien über den Gasaustausch bei der NL 453
VIII.: Besprechung der ae und Kritik der Atmungs-
theorien . . in yi
1. Besprechung der Werke 129 2 a
2. Besprechung der Versuche 23—25 . . . . . . . 466
3. Das Verhalten kiemenloser Larven . . «NT ER
4. Das Verhalten von Larven ohne Dre en u. TEE
IX. Die Reizreaktionen während der Submersion . . . . . 479
X. Die Herztätigkeit während der Submersion . . . . . . 482
XL Ausammenfassumg 1... yee ew Noe cee
Erster Teil.
I. Einleitung.
Über das Problem der Inseetenatmung liegt eine Fülle von
Einzelbeobachtungen vor, und trotzdem findet man bei zusammen-
fassenden Darstellungen (vgl. STEMPELL u. Kocx, 1916, p. 210 ff.)
immer wieder eine einleitende Bemerkung, daß „die Physiologie der:
Atmung dieser Tiere auch heute noch keineswegs in allen Punkten
_ vollkommen geklärt“ sei (DEEGENER, 1913, p. 373).
Angeregt durch die äußerst geschickte Arbeit v. FRANKENBERG'S.
(1915), über „die Schwimmblasen von Corethra“ und anschließend an
Versuche, die für Zwecke des tierphysiologischen Praktikums an-
gestellt wurden, entstand diese Arbeit über das Verhalten von
Larven der gemeinen Stechmücke, Culex pipiens L. (vgl. SCHNEIDER,
1913), bei der Submersion. Sie ist als eine erste Veröffentlichung
von physiologischen und anatomisch-histologischen Studien an Culi-
ciden gedacht, und es sind daher auch nur solche Fragen behandelt,
die streng mit dem Thema dieser Arbeit in Zusammenhang stehen.
Man wird vielleicht deshalb gelegentlich mehr oder weniger nahe-
liegende Hinweise und Untersuchungen vermissen, die zur Klärung
irgendeines Punktes beitragen könnten. In allen diesen Fällen muß:
ich auf zukünftige eingehende Arbeiten verweisen.
Es kann selbstverständlich nicht die Aufgabe einer solchen Ab-
handlung sein, ein gewaltiges Problem, wie es die Mechanik der
Tracheenatmung ist, auch nur in bezug auf eine Tierart er-
schöpfend zu behandeln, auch halte ich es — ebenso wie LÜBBEN
(1907) — von vornherein für durchaus unrichtig, zu den vielen
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 363
bisher aufgestellten Theorien eventuell noch eigene Hypothesen hin-
zuzufügen. In diesen Fehler ist — m. E. zum Nachteile seiner
Arbeit — auch v. FRANKENBERG (1. c.) verfallen. Ich habe deshalb
von vornherein durch die Befunde bei meinen Untersuchungen nur
eine selbständige Stellung den verschiedenen vorhandenen Theorien
gegenüber zu erlangen versucht, um durch ein Für oder Wider
dieser oder jener Anschauung mehr Geltung zu verschaffen, bzw. ihre
Unhaltbarkeit darzulegen. Erst wenn sich durch eine solche ein-
gehende kritische Prüfung des überlieferten Hypothesenmaterials
die Unfruchtbarkeit und Unrichtigkeit dieser Gedankengänge ein-
wandfrei herausstellen sollte, ist die Aufstellung neuer Theorien
berechtigt. —
Aus praktischen Gründen soll die Literatur erst im Zusammen-
hang mit den Ergebnissen der eigenen Versuche besprochen werden,
um dadurch manche sonst notwendig werdenden Wiederholungen zu
vermeiden. Ich beginne deshalb mit einer Beschreibung der eigenen
Versuche; daran werden sich die Versuchsprotokolle anschließen.
Die Apparatur und die Versuchstechnik sollen so genau wie irgend
möglich beschrieben werden; denn nur auf Grund eingehender, ja
übertrieben sorgfältiger Angaben ist eine einwandfreie Nach-
prüfung der von einem anderen gefundenen wissenschaftlichen
Forschungsergebnisse überhaupt möglich. Wie viel aufgewandte
Mühe und welche Fülle falscher Schlüsse und voreiliger Kritiken
hätten bei derartigen Arbeiten schon vermieden werden können,
wenn dieser scheinbaren Nebensächlichkeit der Versuchstechnik bei
der Niederschrift größere Aufmerksamkeit gewidmet worden wäre!
Schließlich möchte ich auch an dieser Stelle allen denen herz-
lich danken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.
Mein hochverehrter Lehrer und Direktor, Herr Prof. Dr. W. STEMPELL,
hat auch diese Studien, sowie alle meine Arbeiten, durch seine wert-
vollen Ratschläge und seine liebenswürdige Kritik außerordentlich
gefördert, und ich möchte nicht verfehlen, ihm meinen aufrichtigen
Dank auszusprechen für das Interesse, das er jederzeit meiner
wissenschaftlichen Tätigkeit entgegengebracht hat. Meinem Freunde
und Kollegen C. Lowartz, ebenso Fräulein B. VockErAprT danke ich
herzlichst für ihre treue und selbstlose Hilfe bei Ausführung der oft
sehr langwierigen Versuche und für Nachprüfung verschiedener Be-
rechnungen. Herrn Privatdozenten Prof. Dr. THIENEMANN verdanke
ich einige Literaturhinweise. —
24*
364 ALBERT Koch,
1. Untersuchungsmethode.
1. Bau der Apparatur.
Die für die Versuche verwandte Apparatur ist in Fig. A
schematisch wiedergegeben. Dick schwarz gezeichnet sind das
Holzgestell und die Eisenflasche („Gas“flasche) für Sauerstoff bzw.
Kohlensäure. Glasröhren und Gummischläuche sind durch dünne,
die Stellen, an denen Glasröhren und Gummischläuche übereinander
ereifen, und ebenso die durchbohrten Gummistopfen der Glasflaschen
durch dickere Doppellinien dargestellt. |
An einem etwa 2,40 m hohen und etwa 1,70 m breiten, sehr
festen und stabilen Holzgerüst sind vier dünnwandige Glasröhren
(Glas für Reagenzgläser) (a, 6, c, d) genau senkrecht befestigt,
von denen jede etwa 1,70 m lang ist und einen äußeren Durch-
messer von 1cm hat. a und d, ebenso ¢ und d sind in horizontaler
Richtung etwa 4 cm, 5 und c etwa 35 cm voneinander entfernt. An .
ihren unteren Enden sind diese Röhren durch Gummischläuche mit-
einander verbunden, und zwar a mit ce und b mit d. Zwischen den
Röhren a und 5 sowie c und d ist je ein Maßstab von 2 m
Länge so angebracht, daß er möglichst dicht an die benachbarten
Röhren angrenzt. Der Nullpunkt der Maßstäbe befindet sich am
Boden der Apparatur; die Stelle, an der die Glasröhren mit ihren
unteren Enden in die Gummischläuche eintreten, entspricht dem
Punkt 40 des Maßstabes.!) An ihren oberen Enden (Punkt 195 der
Maßstäbe) sind 6 und ¢ durch einen Gummischlauch verbunden;
d steht durch einen Schlauch in Verbindung mit einer rechtwinklig
gebogenen, an dem Holzgestell in vertikaler Richtung verschieb-
bar angebrachten Glasröhre e, deren untere Öffnung in das — auf
einem Brette des Gerüstes stehende —- Becherglas f hineinragt. Das
obere Ende der Röhre a ist durch einen kurzen Schlauch mit einem
T-Glasrohr verbunden, dessen zweiter, in der Richtung der Röhre a
liegender Schenkel ein durch einen Quetschhahn q abzuklemmendes
Schlauchstückchen trägt. Der dritte, zu den beiden anderen senk-
recht stehende Schenkel des T-Rohres führt durch eine Schlauch-
1) Die Maßstäbe waren allerdings nicht in allen Versuchen genau in
der hier angegebenen Weise befestigt, z. B. entsprach in Versuch 1 (vgl.
Protokolle) .das obere Röhrenende der Zahl 200 (anstatt wie hier an-
. gegeben: 7/95).
365
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven.
:21.
1
Erklärung der Buchstaben im Text.
Schema der Apparatur.
Fig. A.
366 ALBERT Koch.
verbindung zu einer mit einem eingeschliffenen Glas,hahn“ ver-
sehenen Röhre.
Auf dem Kopfbrett des Holzgerüstes steht eine als „Reservoir“
bezeichnete, etwa 45 cm hohe und 30 cm breite Flasche, die möglichst
nahe ihrem Boden eine zweite Ausflußöffnung hat. Dieser Tubus
ist durch einen Gummistopfen verschlossen, der von einer — im
Innern der Flasche etwas nach unten gebogenen — Glasröhre
durchbohrt wird. Ein Schlauch stellt die Verbindung dieser
Röhre mit der oben erwähnten Glasröhre mit „Hahn“ her. Den
Flaschenhals dieses „Reservoirs“ verschließt ein Gummistopfen, der
zwei Durchbohrungen von 1 und 2cm Weite besitzt. Durch die
größere Öftnung führt ein diekwandiger Gummischlauch von
etwa 2cm äußerem Durchmesser, der von dem Druckregulierventil
einer O, — bzw. CO, — enthaltenden „Gas“flasche herkommt,
fast bis zum Boden des Reservoirs und ist hier durch ein luftdicht
eingebundes, 1 cm langes Stückchen Buchsbaumholzes geschlossen.
Dieser Gaszuführungsschlauch ist an der Stelle g durch ein ent-
sprechend weites, dickwandiges Glasstück unterbrochen. Außer
diesem Schlauche führt ein rechtwinklig gebogenes Glasrohr durch
die zweite, kleinere Durchbohrung des Gummistopfens in das Innere
der Flasche; es endigt aber schon etwa 8 cm unterhalb des Stopfens.
Der freie Schenkel dieses Rohres ist durch ein Gummistück mit
einem T-Glasrohr verbunden, das an den anderen freien Schenkeln
Schlauchstückchen trägt, die durch die Quetschhähne g, und 9, zu
verschließen sind. Durch den den Quetschhahn 9, tragenden Schlauch
steht das T-Rohr in Verbindung mit drei je etwa 25 cm hohen
Kolben (r, s, ¢), die durch U-förmig gebogene Glasröhren nach Art
der Spritzflaschen hintereinander geschaltet sind. In dem „Reservoir“
sowie in dem Becherglas f hängt schließlich noch je ein in Zehntel-
orade eingeteiltes Quecksilberthermometer.
2. Anwendung der Apparatur.
Zur Benutzung dieses Apparats wird — nach Schließung des
Glashahnes (in der Figur mit „Hahn“ bezeichnet) — das , Reservoir“
bis nahe an das untere Ende der in den Flaschenhals führenden
Glasröhre (auf die weiter unten zu besprechende Weise) mit Wasser
von einem bestimmten Gasgehalt gefüllt. In den Kolben r kommt
eine 40°/,ige Kalilauge („dargestellt aus 2 Teilen festem Kalihydrat
und 3 Teilen destillierten Wassers“ [Prycussonn, 1912, p. 104]), so
daß die Flüssigkeit etwa 4—5 cm hoch steht; in s gießt man eine
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 367
20°/,ige Pyrogallussäure (Pyrogallollösung in Aq. dest.) und in ¢ eine
„alkalische Pyrogallollösung (30°, Alkali, 10°, Pyrogallol)“ [Deıse,
1910, p. 28]. Alle Gummistopfen werden nach dem Aufsetzen mit
heißem, flüssigem Paraffin gedichtet, die Verbindungen zwischen Glas
und Gummischläuchen auf absolute Dichtigkeit geprüft. Dann werden
die Quetschhähne q und g, geschlossen, g, geöffnet. Wird jetzt auch
der „Hahn“ geöffnet, so fließt das Wasser aus dem unteren Tubus
des „Reservoirs“ in das Röhrensystem, und zwar (wie die Richtung
der eingezeichneten Pfeile angibt) durch a von oben nach unten,
dann durch e von unten nach oben, durch 6 wieder abwärts und
schließlich durch d in die Röhre e und von da in das Sammelgefäß f.
In a und 5 und ebenso in c und d strömt das Wasser also in gleicher
Richtung; die ersteren sind in der Figur als „positive“, die letzteren
als „negative“ Röhren bezeichnet.
Diese Röhren stellen natürlich den zur Beobachtung der Culex-
Larven dienenden Teil des Apparats dar. Die Tiere werden auf
folgende Weise in die Röhren eingeführt. Nach Schließung des
„Hahnes“ wird der Quetschhahn g geöffnet und das Rohr e in verti-
kaler Richtung so verschoben, daß es mit seinem horizontalen
Schenkel der Höhe des oberen Endes des den Quetschhahn g tragenden
Schlauchstückes entspricht (diese Lage ist durch die mit I be-
zeichnete -gestrichelte Linie in der Figur angegeben). Das Wasser
steigt dann in der Röhre a bis an das offene Schlauchende. (Even-
tuell muß durch sehr vorsichtiges Öffnen des „Hahnes“ etwas mehr
Wasser zugeleitet werden). Ist dieser Wasserstand erreicht, so wird
das in einer Glaspipette bereit gehaltene Tier — die Versuche
werden immer nur mit einer Larve angestellt — aus der Pipette
in das im Schlauchende stehende Wasser überführt. Nun wird
das Rohr e in die durch die Linie JJZ bezeichnete Lage nach unten ©
verschoben: das Wasser — und mit ihm das Versuchstier — fällt
dann in dem der Röhre a aufsitzenden T-Rohr bis zur Ansatzstelle
des vertikalen Schenkels. Jetzt erst wird der Quetschhahn q ge-
schlossen und durch Öffnen des „Hahnes“ so viel Wasser zuge-
lassen, daß die Larve durch den Wasserstrom an eine beliebige, für
die Beobachtung gerade geeignete und durch die Maßstäbe zu be-
stimmende Stelle des Röhrensystems gespült wird. Schließlich wird
das Rohr e noch in die durch die Linie JJ angegebene (in der Zeich-
nung dargestellte) Lage gebracht. Während oder kurz nach dieser
Verschiebung muß natürlich der Quetschhahn 9 etwas geöffnet werden,
damit die im oberen Schenkel des T-Rohres und in dem ihm auf-
368 ALBERT Koch,
sitzenden Schlauchende vorhandene Luft entweichen kann. Die Ver-
schiebung des Rohres e aus Lage J in Lage III hat den Zweck,
das Tier in den Gang der aus dem horizontalen Schenkel des
T-Rohres kommenden Strömung zu bringen; die Einstellung in
Lage JZ dient zur Entfernung der bei Einführung des Tieres ein-
getretenen Luft. 3
Diese Apparatur erlaubt, das Verhalten von Versuchstieren
(die bei diesem Röhrendurchmesser nicht ganz 1 cm lang sein dürfen)
bei der „Submersion“ einwandfrei zu untersuchen. Das die
Versuchsobjekte umgebende Medium behält, soweit dies technisch
überhaupt zu ermöglichen ist, in bezug auf O, und CO, stets die-
selbe Gaskonzentration. Denn aus der Luftmenge, die in gleichem
Maße, wie das Wasser aus dem „Reservoir“ ausflieBt, in diese Flasche
eintreten muß, wird durch die dem „Reservoir“ vorgeschalteten
Gasabsorptionsflaschen aller Sauerstoff und jede Kohlensäure entfernt.
Es kann also nur Stickstoff in die Flasche gelangen. Daß diese
theoretisch natürlich möglichen Verhältnisse — bei Anwendung aller
Vorsichtsmaßregeln — mit ausreichender Genauigkeit in die Praxis
umgesetzt werden können, ergibt sich daraus, daß Wassermengen,
die vor und nach den Versuchen an dem Ausflußrohr e in O,- bzw.
CO,-Bestimmungsflaschen entnommen wurden (s. u.), sich bei der
Titration in bezug auf den Gasgehalt kaum merklich unterschieden.
Das das Versuchstier umgebende Wasser kann infolge der fort-
gesetzten Erneuerung auch nicht durch Stoffwechselendprodukte der
Larve in seiner Konzentration geändert werden, eine Tatsache, die
natürlich bei Untersuchung in ein und demselben Wassertropfen zu
einer unmöglich zu vernachlässigenden Fehlerquelle werden kann.
Die Länge der Röhren, die bei meinen Versuchen den Culex-
Larven zur Verfügung standen, betrug 195 — 40 =155 cm. In diesem
Intervall durfte sich die Larve frei bewegen. Dabei konnte ihr
Verhalten (Schwimmbewegungen, Lageänderungen, Erstickungs-
erscheinungen usw.) mit der Lupe genau beobachtet und die Wege-
strecke am Maßstabe abgelesen werden, die durch aktives oder
passives Schwimmen während eines bestimmten, mit der Stechuhr
festgestellten Zeitabschnitts zurückgelegt wurde. Stieg die Larve
aber infolge wirksamer Schwimmbewegungen, also aktiv, oder passiv,
d.h. ohne Bewegungen und nur infolge ihres geringen spezifischen
Gewichtes („Überkompensation“) nach dem oberen Ende der
Röhre zu, so wurde spätestens in dem Augenblick, in dem vom Ver-
suchstier der Punkt 195 oder auch eine niedriger gelegene Stelle
Eintiuf von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 369:
erreicht war, die Wasserströmung durch Öffnen des ,Hahnes“ an-
gelassen, die die Larve (bei voller Strömung in 5 Sec.) bis an das-
untere Ende der Röhre (Punkt 40 des Maßstabes) oder zu einer
anderen, beliebige zu bestimmenden Stelle spülte. Hatte die Larve
das Bestreben, dauernd nach unten zu schwimmen (was bei meinen:
Versuchen allerdings nie vorkam), oder hatte sie, bei einem spezifi-.
schen Gewicht, das größer war als das des Wassers („Unterkom-
pensation“), nicht mehr genug Energie, um durch dauerndes ak-
tives Nachobenschwimmen diese passive Sinkgeschwindigkeit aus--
zugleichen, so wurde sie aus der „positiven“ Röhre, in der sie sich
anfänglich befand, in die „negative“ Röhre gespült, also z. B. von
ainc. Sank sie dann darin’ bis höchstens zum Punkte 40, so wurde:
durch die in diesem Augenblick angelassene Strömung das Tier
wieder zu einer höher gelegenen Stelle dieser Röhre gehoben. Die
„positiven“ Röhren dienen also dazu, Tiere mit einem (aktiven oder
passiven) „Auftrieb“ zu beobachten, während in den „negativen“
Röhren „unterkompensierte“ Tiere untersucht werden, bei denen nur:
selten ein kurz anhaltendes aktives Aufwärtsschwimmen:
einsetzt. ue |
Eine zweite „positive“ Röhre (b) und entsprechend auch ein
zweites negatives Rohr (d) wurden angebracht für den Fall, daß die-
„Unterkompensation“ in „Überkompensation“ übergeht oder daß bei
einem in einer „negativen“ Röhre befindlichen Tiere plötzlich starkes,.
anhaltendes Aufwärtsschwimmen einsetzt. Denn in diesem Falle-
wird die Zurückführung in eine positive Röhre nötig. Immerhin
waren diese Fälle bei meinen Versuchen verhältnismäßig selten..
Und gar die Erscheinung, daß eine schon in der Röhre d be-
findliche, bereits stark geschwächte und deutlieh unterkompensierte
Larve nochmals andauernd aktiv aufwärts schwamm, ist bei allen
Untersuchungen nur ein einziges Mal vorgekommen. Ich habe mir
dann dadurch geholfen, daß ich an die Röhre e noch 2 vorher für:
alle Fälle bereit gestellte Ersatzröhren mit Maßstab und einem
neuen Ausleitungsrohr anschloß. |
Bei allen Versuchen wurden die Larven also im stehenden.
(nichtflieBenden) Medium untersucht und die Strömung nur dazu
verwandt, um möglichst schnell das Versuchstier wieder an eine
solche Stelle des Röhrensystems zu bringen, von der aus es seine
Bewegung nach oben oder unten ungehindert fortsetzen konnte. Die
Strömung selbst war bei meinen Versuchen also nur ein. Mittel, um:
370 | ALBERT Koch,
mit den für diese Art von Untersuchungen immer noch sehr kurzen
Röhren arbeiten zu können.
Die Apparatur ermöglicht es aber natürlich auch, Versuche
mit Tieren in fließendem Wasser anzustellen. Die Geschwindig-
keit der Strömung kann dann — nach Feststellung des inneren Durch-
. messers der Röhren — durch Messung der Zeit ermittelt werden, in
der ein an Stelle des Sammelgefäßes f stehender Meßzylinder eine
bestimmte Wassermenge aufnimmt. Bei diesen Untersuchungen ist es
auch eventuell möglich, das zuströmende Wasser auf eine bestimmte
Temperatur zu erwärmen, indem man zwischen Glasröhre mit „Hahn“
und dem der Röhre a aufsitzenden T-Rohr eine schwer schmelzbare
‘Glasröhre oder auch eine kleine Kochflasche einschaltet, die während
des Wasserdurchtrittes durch eine Flamme erwärmt wird.
In allen Fällen kann man auch nacheinander verschiedene
Medien auf das Versuchstier einwirken lassen: es sind dann nur
mehrere „Reservoire“ mit entsprechenden Gasabsorptionsflaschen auf
dem Kopfbrett des Gerüstes aufzustellen, um im bestimmten Augen-
blick die Zuleitung umschalten zu können.
3. Herstellung des Versuchswassers.
Untersucht wurde die Einwirkung von O,- und CO,-haltigem
Wasser, und zwar wurde der Sauerstoff- wie der Kohlensäuregehalt
in möglichst weiten Grenzen variiert (vgl. Tabelle 9).
In allen Fällen wurde bei Herstellung des Wassers so verfahren
daß zunächst Aqua destillata in der beim Versuch als „Reservoir“
dienenden Flasche tüchtig ausgekocht wurde. Zu diesem Zwecke
wurde zunächst der mit dem unteren Tubus des „Reservoirs“ in
Verbindung stehende. Schlauch abgenommen und die Glasröhre durch
einen kleinen Gummistopfen fest verschlossen. Darauf wurde, nach
Schließung der Quetschhähne g, und q,, die aus dem oberen Tubus
der Flasche herausführende Glasröhre anstatt an das T-Rohr an ein
mit dem Schlauch einer Kapsel-Wasserstrahl-Luftpumpe in Verbin-
dung stehendes Glasröhrenstück angeschlossen. Der in das „Reservoir“
führende Gaszuleitungsschlauch wurde sodann an dem Glaszwischen-
stück g unterbrochen und an dieser Stelle durch ein passendes Stück
eines Glasstabes luftdicht verschlossen. So vorbereitet kam die mit
destilliertem Wasser gefüllte Flasche auf einer Korkringunterlage
‘in einen 50 cm hohen und im Durchmesser etwa 40 cm messenden
Kessel; dieser wurde bis zum oberen Rand mit Wasser gefüllt, die
Wasserstrahl-Luftpumpe in Tätigkeit gesetzt und unter dem Kessel
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 371
eine Flamme. entzündet. Das Auspumpen der Luft geschah deshalb,
weil die Flasche, um ein Springen derselben möglichst zu verhüten,
nur soviel wie unbedingt nötig erhitzt werden sollte.
Nachdem das Wasser im Innern der Flasche !/, Stunde lang
gekocht hatte, wurde sofort nach dem Abstellen der Feuerung und
der Luftpumpe die zu dieser führende Leitung — nach voraus-
gegangener Abklemmung — entfernt, das T-Rohr mit den damit
verbundenen drei Gasabsorptionsflaschen in der ursprünglichen Weise
wieder angeschlossen und der Quetschhahn g, geöffnet. Bei Kon-
densation des Wasserdampfes im Innern der Flasche durfte jetzt
— wenigstens theoretisch — von außen her nur Stickstoff ins
Flascheninnere gelangen. Nachdem die Flasche aus dem Kessel
herausgenommen und ihr Inhalt erkaltet war, konnte das „Reservoir“
nebst den Gasabsorptionsflaschen in auf das Kopfbrett des Ge-
rüstes gestellt werden.
Sollten die Larven in einem möglichst CO,- und O,-freien
Medium untersucht werden, so war die Vorbereitung des Wassers
damit beendet. Nach Entfernung des die Röhre im unteren Flaschen-
tubus verschließenden Stopfens wurde der zum Glasrohr mit „Hahn“
führende Schlauch wieder angeschlossenundmitden Versuchen begonnen.
Trotz aller aufgewandten Vorsicht und Mühe ist es mir aber bei
wiederholten Versuchen leider niemals gelungen, auf diese Weise
ein völlig CO,- und O,-freies Wasser herzustellen. Im günstigsten
Fall enthielt das Wasser immer noch im Liter 1,8 mg O, und 5,9 mg CO,;
mit diesem Wasser mußte ich daher auch die entsprechenden Ver-
suche anstellen.
Sollte das Wasser CO,- oder O,-reich sein, so wurde zunächst
die Verbindung nach der das betreffende Gas enthaltenden „Gas“-
*flasche wieder hergestellt; sodann wurde an das den Quetschhahn g,
tragende Schlauchstück eine auf dem Kopfbrett des Gerüstes mon-
tierte U-Röhre (vgl. « in Fig. A) angeschlossen, die in der Mitte
eines jeden Schenkels eine kugelige Erweiterung, am einen Ende
außerdem einen trichterförmigen Ansatz trug und im unteren Teile
— ebenso wie ¢ — mit alkalischer Pyrogallollösung gefüllt war.
Wurde nun g, geöffnet, q, geschlossen, so trat in dem Maße, wie
aus der Glasflasche O, bzw. CO, in das Wasser des „Reservoirs“
eingeleitet wurde, durch die U-Röhre Gas aus dem Flascheninnern
aus. Die Füllung der Röhre mit alkalischer Pyrogallollösung hatte
natürlich den Zweck, eventuell von außen wieder in das Flaschen-
innere zurückströmendes Gas O,- und CO,-frei zu machen.
372 = | ALBERT Koch,
Handelte es sich darum, ein O,- und CO,-reiches Wasser
zu gewinnen, so wurde zuerst tüchtig Kohlensäure, dann etwa
5 Minuten lang Sauerstoff durch das gleiche Wasser geleitet.
Außerdem wurden noch Versuche mit „natürlichem Schmutz-
wasser“ gemacht, das dadurch gewonnen wurde, daß Boden-
schlamm eines stark verschmutzten Abwassers, der reichlich Tubifi-
ciden und Chironomus-Larven enthielt, in ein Wasser enthaltendes
„Reservoir“ gebracht und darin ünter häufigem Aufschütteln mehrere
Tage lang fest verschlossen stehen gelassen wurde.
Für die Herstellung eines CO,-freien Wassers sei hier noch
das Verfahren erwähnt, das nach J. Tızımans u. O. Heuser (1910,
p. 624) zuerst von WEHNER (1904) in die Wasserwerkspraxis ein-
geführt worden ist. Ich hielt mich für meine Zwecke an folgende
Angaben der zuerst genannten Verfasser über die Anwendung der
sogenannten „Regenmethode“: „Der Hals einer Porzellannutsche
wurde durch Gummischlauch mit einem großen Trichter verbunden,
so daß der Nutschenboden mit seinen feinen Löchern nach abwärts.
gerichtet war. In den Trichter wurde nun das Wasser, das von
freier Kohlensäure befreit werden sollte, eingegossen. Es tropfte
dann in feinen Strahlen in das am Boden etwa 1 m tiefer stehende
Aufnahmegefäß. Ein viermaliges Regnen aus 1m Höhe genügte
immer, ein Wasser von ungefähr 300 mg freier Kohlensäure von
seiner freien Kohlensäure zu befreien“ (Tırumax u. HEUBLEIN, 1. C.).
4. Bestimmung des Gasgehaltes.
Die zur Untersuchung auf ihren Gasgehalt benutzten Wasser-
mengen wurden, bei geöffnetem „Hahn“, am Ende des Ausflußrohres e
in die Gasbestimmungsflaschen gefüllt. Es wurde also stets solches
Wasser analysiert, das vorher die gesamte Apparatur durchflossen
hatte. Jede zur Gasbestimmung verwandte Flasche wurde zuerst
2mal mit dem durch das Röhrensystem geflossenen Wasser ausgespült,
und erst die 3. Füllung wurde zur Untersuchung verwandt. Das
Einfüllen des Wassers in die Flaschen geschah stets unter Beob-
achtung der nötigen Vorsichtsmaßregeln (Entlangfließenlassen an
der Flaschenwand usw.), um jede unnötige Berührung des Wassers
mit der atmosphärischen Luft zu vermeiden.
a) Sauerstoffbestimmung.
Die Bestimmung des im Wasser gelösten Sauerstoffes geschah
unter Benutzung von O,-Bestimmungsflaschen (P. Azrmanx-Berlin)
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 373
nach der von L. W. Winker (in: Ber. deutsch. chem. Ges., Jg. 21,
1888, 2, p. 2843; Jg. 22, 1889, p. 1764) angegebenen bequemen und
eleganten Methode. Da dieses Verfahren jetzt wohl ganz allgemein
bei derartigen Versuchen verwandt wird, kann ich hier auf eine
Beschreibung desselben verzichten und — neben der angegebenen
Originalliteratur — auf die ausführliche Darstellung in unserem
Lehrbuch (STEMPELL u. Koch, p. 216, 231—233) verweisen.
‘ Da sich meine Versuche über die Zeit von 3 Monaten eistreckten,
wurde die zur Titration benutzte Natriumthiosulfatlösung 1) ungefähr
alle 8 Tage gegen !/,, Normal-Kaliumbichromatlösung wieder neu ein-
gestellt. (Über die Technik, die bei diesem Verfahren angewandt
wurde, vergleiche die ausführliche Beschreibung bei Prycossonn
I. c., p. 90).
Als Indikator wurde eine Amyloselösung (Bürsomzr, 1903?)
verwandt, die folgendermaßen dargestellt wurde: 1g Weizenstärke
wurde mit wenig Wasser angerieben, auf 100 cem verdünnt, 1}, Stunde
lang gekocht und dann in einem dde so lange stehen gelassen,
bis sich im oberen Teile eine opaleszierende Flüssigkeit (Amylose)
von einem dichteren Bodensatz getrennt hatte.
b) Kohlensäurebestimmung.
Bedeutend größere Schwierigkeiten bereitete es, eine einwand-
freie und leicht ausführbare Methode zur Bestimmung der im Wasser
vorhandenen freien Kohlensäure zu finden. Die ebenfalls von
WINKLER (in: Ztschr. anal. Chem., 1903, Vol. 42, p. 735) angegebene ©
quantitative Methode dient, ebenso wie das in unser Lehrbuch auf-
genommene gewichtsanalytische Verfahren (STEMPELL u. Koch,
p. 233— 235), zur Bestimmung der gesamten im Wasser vor-
handenen Kohlensäure. Ganz unverständlich ist die Kohlen-
säurebestimmungsmethode, die Linpstept (1913, p. 9) seinen „Unter-
suchungen über Respiration und Stoffwechsel von Kaltblütern“ zu
. Grunde legt. Ich habe schließlich, anschließend an die von TILLMANS
u. HEUBLEIN experimentell erwiesene Tatsache, daß „die Bestimmung
der freien Kohlensäure im Wasser durch Titration mit Kalkwasser
und anderen Alkalien unter Verwendung von Phenolphthalein als
Indikator“ „genau die im Wasser vorhandene Menge der freien
1) Hergestellt aus Solutio Natrii thiosulfurici vol. 1/,) norm. (E. MERCK).
2) In: Verh. naturw.-med. Ver. Heidelberg (N. F.), Vol. 7, 1903.
J
374 ALBERT Koch,
Kohlensäure anzeigt“ (TıLLmAns u. HEUBLEIN, |. c., p. 630) zu dem
von diesen Verfassern angegebenen Verfahren gegriffen.
Die der Titration des Wassers (unter Verwendung von Phenol-
phthalein als Indikator) mit Kalkwasser zu Grunde liegende Gleichung
lautet:
Ca(OH), + 2H,C0, = Ca(HCO;), + 2H,0.
Die als Titrierflüssigkeit benutzte Lösung von Kalkhydrat wurde
dadurch gewonnen, daß man in einen ERLENMEYER-Kolben eine beliebige
Menge festen Calciumhydroxyds (Calcium oxydatum causticum [e mar-
more] [E. Merck |) brachte, darin mit destilliertem Wasser übergoß,
aufschüttelte und bis zum völlig klaren Absetzen stehen ließ. Die
Big et;
Kohlensäurebestimmungsflaschen
(vel. Text).
„Uber der Marke des Kölbchens findet sich
eine bauchige Erweiterung des Halses. Diese
Kugel erfüllt einen doppelten Zweck. Bei Ver-
wendung eines gewöhnlichen ... Külbchens kann es
vorkommen, daß man so viel Titrierflüssigkeit zu-
geben muß, daß der Raum des Halses nicht mehr
genügt, um ein Mischen zu ermöglichen. Durch
die Anbringung dieser Kugel hat man deshalb viel
mehr freien Raum zur Verfügung, so daß dieser
Ubelstand wegfällt. Weiter aber sorgt die Kugel
ih auch dafür, daß man, ohne stark umschütteln zu
250 müssen, was wegen des dabei möglichen, nicht
eben erwünschten Entweichens der freien Kohlen-
säure aus dem Wasser in den Luftraum zweck-
mäßig vermieden wird, eine schnelle vollkommene
Mischung des Wassers mit der Titrierflüssigkeit
erreicht“ (TILLMANS u. HEUBLEIN, |. c., p. 627).
a
so entstandene, gesättigte Kalklösung entsprach etwa einer "/,, Normal-
Calciumhydroxydlösung. Ihre genaue Konzentration mußte natürlich
bei jeder CO,-Bestimmung festgestellt werden, und zwar geschah
dies durch Titration mit 4/,, Normalsalzsäure, ebenfalls unter Ver-
wendung von Phenolphthalein (1°/,ige Lösung in 96°/,igem Alkohol)
als Indikator. Die '/,, Normalsalzsäure wurde etwa jede Woche einmal
gegen Natriumkarbonat mit Methylorange als Indikator (wässerige
Lösung 0,05:100) wieder neu eingestellt (über das dabei angewandte
Verfahren siehe bei Röhm, 1912, p. 37—39).
Titriert wurde in besonderen Kohlensäure-Bestimmungsflaschen,
und zwar wurde für Wasser, das relativ wenig freie CO, enthielt,
ein 250 ccm Versuchswasser fassendes Gefäß, für stark gashaltiges
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 3715
Wasser (Mineralwasser) eine entsprechende Flasche verwandt, die-
nur 25 ccm des zu untersuchenden Wassers faßte (vgl. Fig. Ba u. b).
Praktisch nimmt man die Kohlensäurebestimmung am besten
folgendermaßen vor. Nachdem die CO,-Bestimmungsflasche genau
bis zur Marke mit dem Versuchswasser gefüllt ist (eventuell wird
eine Korrektion des Füllungsgrades durch Abhebern notwendig),
werden einige Tropfen des Indikators Phenolphthalein hinzugesetzt,
die Flasche mit einem sauberen, dicht schließenden Gummistopfen
verschlossen und ihr Inhalt einmal durchgeschiittelt. Aus der das
Kalkwasser enthaltenden Bürette läßt man nun — nach Abnahme
des Stopfens — Titrierflüssigkeit in das Kölbchen laufen, verschließt
wieder und schüttelt gut um. Ist Rotfärbung der Flüssigkeit ein-
getreten, so „läßt man einige Zeit ruhig stehen und beobachtet, ob.
die entstandene Färbung bestehen bleibt. Verschwindet sie wieder,
so nimmt man den Stopfen ab, was ruhig geschehen darf, ohne daß:
man Kohlensäureverluste zu befürchten braucht, da etwa im Luft--
raum vorhandene Kohlensäure wegen ihres höheren spezifischen Ge-
wichtes gegenüber dem der Luft ruhig auf der Flüssigkeit lagert.
und nicht aus dem Kölbchen entweichen kann. Man setzt wieder
Titrierflüssigkeit hinzu, verschließt das Kölbchen und schüttelt wieder
durch; dabei kommt die etwa durch das vorige Schütteln in den Luft-
raum gekommene freie Kohlensäure wieder mit der Titrierfliissigkeit
in Berührung, wird absorbiert und so fort.
Die bei dieser Titrierung verbrauchten ccm Titrierflüssigkeit
werden zu einem zweiten schon vorher abgemessenen Kölbchen auf
einmal zugegeben und der Rest von etwa noch vorhandener Kohlen-
säure austitriert. Die bei der zweiten Titrierung erhaltene Zahl.
nimmt man als die richtige an“ (Tırımans u. HEUBLENN, |. c., p. 627).
Angenommen, es seien n ccm Ca(OH), zur Titration von a ccm.
Versuchswassers verbraucht worden.
Nun läßt man aus der Ca(OH), enthaltenden Bürette genau 25 ccm
Flüssigkeit in ein Kölbchen fließen, setzt einige Tropfen Phenol-
phthalein hinzu und titriert diese jetzt rot gefärbte Lösung mit
1, Normalsalzsäure bis zum Verschwinden der roten Farbe.
Sind zu dieser Titration m ccm HCl nötig gewesen, so berechnet
man, da 1 ccm !/, Normalsalzsäure = x ccm Kalkwasser = 4,4 mg
Kohlensäure entspricht, den Kohlensäuregehalt G des Wassers.
nach der Formel: Sees
n-m-1000-4,4
25-a
= mg CO, pro I.
316 ALBERT Koch,
5. Konstruktion der Kurven.!)
In dem die „Anwendung der Apparatur“ behandelnden Abschnitt
ist bereits darauf hingewiesen worden, daß bei Beobachtung der
Larven in den Versuchsröhren zwischen einer aktiven und pas-
siven Bewegung derselben unterschieden wurde. Beide Bewegungs-
arten sind denn auch für die ganze Versuchsdauer rechnerisch fest-
gelegt und nachher graphisch dargestellt worden.
Um die zur Erläuterung der Kurvenkonstruktionen notwendig
‘werdenden Begriffe erklären zu können, geben wir zweckmäßig zuerst
einen kurzen Überblick darüber, wie sich im allgemeinen die
-Culex-Larve während eines Versuches verhielt.
Wir werden in einem weiteren Abschnitt die Kompensations-
verhältnisse unserer Versuchstiere eingehend zu prüfen haben.
Für die jetzige Betrachtung wollen wir annehmen, die Larve sei
unterkompensiert, also schwerer als Wasser;.sie wird deshalb
‘in der Ruhelage — wenn keine Schwimmbewegungen gemacht werden
— nach unten sinken. Diesem passiven Sinken sucht sie durch
'Schwimmbewegungen entgegenzuarbeiten, weil sie natürlich bestrebt
ist, zur Luftatmung den Wasserspiegel zu erreichen. (Man könnte
sie also, wie alle luftatmenden Wasserinsecten, als negativ geo-
ir AR bezeichnen.)
Die bei normalen Individuen sehr lebhaften und wirkungsvollen,
‚das Tier nach oben treibenden Bewegungen setzen gewöhnlich un-
mittelbar nach Einführung der Larve in die Versuchsröhre ein,
spätestens aber nach Ablauf von wenigen Minuten. Diese aktiven
Schwimmbewegungen werden — anfänglich selten und dann
immer nur für kurze Zeiten — unterbrochen durch Ruhepausen, in
‚denen sich das Tier passiv nach unten sinken läßt. Im Anfang des
Versuches erreicht die Larve sehr bald das obere Ende der Röhre,
und auch dann, wenn sie durch die Strömung in einen unteren Teil
der Röhre zurückgespült worden ist, gelangt sie doch ziemlich schnell
‘wieder zu dem höchsten Stand, bis zu dem sie hinaufschwimmen
darf (195 des Maßstabes).
Es ist nun immer der Zeitpunkt, an dem die Strömung einsetzte,
und gleichzeitig am Maßstab die Höhe, in der sich die Larve in
.diesem Augenblick gerade befand, festgestellt worden. Entsprechend
wurde mit der Stechuhr die Zeit, während der das Wasser floß,
1) Vgl. dazu Anm. 1 zu: Konstruktion der Kurven, 8. 391.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 377
gemessen, und diese zusammen mit der Zahl des Maßstabes notiert,
an der sich die Larve bei Strömungsschluß befand. [Diese
Strémungszeiten, die im allgemeinen die Dauer von 5—6 Sek.,
fast nie aber von 10 Sek. iiberschritten, sind bei den Berech-
nungen nicht berücksichtigt. Das durfte geschehen,
ohne die bei dieser Art von Versuchen erlaubte Fehlergrenze zu
überschreiten, weil für die graphischen Eintragungen aus tech-
nischen Gründen die Minute (und nicht die Sekunde) als Einheit
gewählt werden mufte.]
Die auf diese Weise ermittelten, Ort und Zeit bestimmenden
Zahlen geben also Aufschluß über die tatsächliche Bewegung |
der Larve, die sich aus aktivem Emporschwimmen und
passivem Sich-gleiten-lassen zusammensetzt. Sie soll im
folgenden immer: „tatsächliche Bewegung“ genannt werden.
Die diese Bewegung bestimmenden Angaben (Ort und Zeit) er-
lauben natürlich, auch die Geschwindigkeit dieser „tat-
sächlichen Bewegung“ („tatsächliche Bewegungsge-
schwindigkeit“) während der einzelnen Zeitabschnitte festzu-
stellen und daraus schließlich die mittlere Geschwindigkeit der
tatsächlichen Bewegung („mittleretatsächliche Bewegungs-
geschwindigkeit“) zu berechnen.
Neben diesen, die „tatsächliche Bewegung“ betreffenden Be-
bachtungen ist, so oft dies im Anfange des Versuchs überhaupt
möglich war, jedesmal beim passiven Sich-sinken-lassen der Larve
die Geschwindigkeit dieser passiven Bewegung, die so-
genannte „passive Sinkgeschwindigkeit“, festgestellt worden,
indem die Zeit (mit der Stechuhr) gemessen wurde, welche die Larve
brauchte, um die zwischen zwei beliebigen Punkten des Maßstabes
gelegene Wegestrecke passiv zu durchschwimmen.
Die „mittlere passive Sinkgeschwindigkeit“ kann
dann (entsprechend der „mittleren tatsächlichen Bewegungsgeschwin-
digkeit“) aus allen auf diese Weise gefundenen Werten berechnet
werden. —
Allmählich werden im Laufe des Versuchs die aktiven Schwimm-
bewegungen seltener, weniger lang anhaltend und wirkungsloser
(die Larve kann sich oft, trotz heftiger Bewegungen, nur noch an
‘der Stelle halten und nicht mehr emporschwimmen) und die Zeiten
‚entsprechend länger, in denen das Tier passiv sinkt. Die Larve
wird deshalb in diesem Teile des Versuchs anstatt zum oberen allmäh-
lich zum unteren Ende der Röhre gelangen. Sie muß infolge-
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 25
378 ALBERT Koch,
dessen aus der „positiven“ schließlich in die damit verbundene „nega-
tive“ Röhre gespült werden, wo sie dann auch nach einer gewissen
Zeit am tiefsten Punkte angelangt sein wird. Die jetzt zur „Hebung“
des Versuchstieres in dem — Rohr notwendig werdende Strömung
wird in genau der gleichen Weise, wie es für das „Hinunterspülen*
im — Rohr angegeben worden ist, zahlenmäßig bestimmt, und auch
die „passive Sinkgeschwindigkeit“ wird entsprechend beobachtet, nur
ist es dabei jetzt möglich, größere Wegestrecken den a > zu
Grunde zu legen.
Diese Beobachtungen werden so lange fortgesetzt, bis dei Tier
— auch auf äußere Reize hin: mechanische (Erschütterungs-), optische
(Beschattungs-) und akustische Reize (Tonproduktion durch Reiben
der Röhren) — keine Bewegungen mehr ausführt, die von
irgendeinem Einfluß auf die Geschwindigkeit der
passiven Bewegung sein können; d. h. die Larve darf nicht
etwa noch vereinzelte, wenn auch nur schwache Schwimmbewegungen
(eventuell durch Bewegung der Mundgliedmaßen!) ausführen; dagegen
wird z.B. ein langsames Umlegen oder Aufrichten der Atemröhre
von keiner Bedeutung mehr sein.
In diesem letzten Stadium des Versuchs wird also die „tatsäch-
liche Bewegungsgeschwindigkeit“ gleich der „passiven Sinkgeschwin-
digkeit“; denn bei der „tatsächlichen Bewegung“ fehlen jetzt alle
aktiven Momente; sie besteht eben nur noch aus einem passiven
Sinken. Es muß demnach jetzt alle in dem Individuum vorhandene
Energie verbraucht sein. Die Larve reagiert auch nicht mehr auf
Reize: wenn nicht der. Tod, so liegt doch ein am besten als Schein-
tod oder eventuell als Lethargie zu bezeichnender Zustand vor.
Die gesamte in dem Tier vorhandene und durch Spaltungen und
Oxydationen schließlich in mechanische Energie der Bewegung um-
gesetzte potentielle chemische Energie ist bei dieser Versuchsanord-
nung dazu verwandt worden, die Larve langsamer sinken zu lassen,
als dies bei rein passiver Sinkbewegung der Fall gewesen wäre.
Der Unterschied zwischen der „mittleren tatsäch-
lichenBewegungsgeschwindigkeit“ und der „mittleren
passiven Sinkgeschwindigkeit“ unter Berücksichtigung
der Versuchszeit ist also direkt proportional der von
dem Tier produzierten Energie und kann bei den ver-
schiedenen Versuchen als Vergleichszahl benutzt
werden.
Wie im einzelnen die zu diesen Zahlen führenden, oft sehr lang-
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 379
wierigen Messungen und Berechnungen angestellt wurden, sei an
einem möglichst vereinfachten Versuche erläutert.
Beispiel. Tabelle 1.
ESTER
Wee 5 4] 6 | 7
Beobachtungen Berechnungen
Stunden Istana} Dife- eed u—a (berechnet) Er
nuten renzen naten > (gemess.)
3 ON ;2109 0 0
199% 5195 0 0 66° 52‘ — 0 = 66° 52! 67°
109%). F155
1820 75195 +40 +4,0 | 66° 52/ + 26° 34‘ — 93° 26' | 98,50
1802 | 155
3000 | 45+ —110 —7,0 | 66° 52° — 42°31'=24°21' | 24°
3097 | 120—
u BO —130 —20,0 \
36% | 145 66° 52‘ — 66° 30' = 0° 22° 0°
40° | 45 —100 —30,0 A
Tabelle 1 enthalt in den Spalten 1—3 die Beobachtungen, die
über die „tatsächliche Bewegung“ der Larve Aufschluß geben. Nach
der ersten Zeile stand um 3h Omin Osec das Versuchstier — nach-
dem es wenige Sekunden vorher in die Röhre eingeführt worden
war — auf Punkt 195, also genau am oberen Ende des Rohres.
Die 2. Zeile gibt an, daß um 3h 10min Osec das Tier an derselben
Stelle beobachtet worden ist. In der Zwischenzeit hat sich die Larve
(abwechselnd passiv und aktiv) frei in dem positiven Rohre bewegt,
und zwar ohne dem oberen oder unteren Ende der Röhre zu nahe
zu kommen. Es ist nicht etwa anzunehmen, daß während der ganzen
Zeit, die zwischen den beiden Beobachtungen verflossen ist, also
volle 10 Minuten lang, die Larve dauernd an dieser Stelle 195 „ge-
standen“ habe. Die Beobachtung sagt nur, daß um 3h 10min das
Tier zum ersten Male den Versuch machte, über den Punkt 195
hinauszuschwimmen, d. h. in den der Röhre oben aufsitzenden
Gummi einzutreten. Und deshalb war jetzt der Augenblick ge-
kommen, die Strömung anzulassen, welche die Larve an einen Platz
der Röhre spülen mußte, von dem aus sie sich wieder ungehindert
nach beiden Seiten bewegen konnte. Das war im Versuch der
beliebig gewählte Punkt 155, zu dem — wie die 3. Zeile der
Tabelle angibt — die Larve binnen 3 Sekunden hingespült worden
. ist und von dem aus sie sowohl nach oben wie nach unten schwimmen
380 ALBERT Koch,
konnte, ohne sogleich die Beobachtungsgrenze wieder zu über-
schreiten. Die 4. Zeile gibt an, daß um 3h 18min Osec das Ver-
suchstier. erneut das obere Rohrende erreicht hatte, und die 5. Zeile,
daß die in diesem Augenblick angelassene Strömung die Larve
(zufälligerweise wieder) nach Punkt 755 spülte, und zwar dieses
Mal in 2 Sekunden (der „Hahn“ war also das zweite Mal etwas
mehr geöffnet als bei der ersten Strömung). Aus dem in der folgen-
den (6.) Zeile verzeichneten Protokoll ist zu schließen, daß nach
Verlaut der nächsten 12 Minuten die aktive ee der Larve
allmählich ‘bedeutend zurückgegangen sein muß;
denn das Tier war um 3h 10min Osec fast an dem
unteren Rohrende angelangt. Die Strömung brachte
dann während der nächsten sieben Sekunden (vgl.
8. Zeile) das Tier von Punkt 45 des + Rohres zu 180
\ des — Rohres. Nach Verlauf von weiteren 6 Minuten
hatte die Larve sich auch dem unteren Ende der
— Röhre so genähert, daß ein Emporspülen des Tieres
. geboten schien: in 4 Sekunden (vgl. 9. Zeile) war es
bis zum Punkt 145 gehoben. Um 3h 40min Osec
hatte die Larve wieder bald die untere Beobachtungs-
grenze erreicht. Da aber schon ungefähr 10 Minuten
I lang überhaupt keine Bewegungen und während der
letzten Minuten auch keine Reizbeantwortungen mehr
Fig. C. festgestellt werden konnten, so wurde um 3h 40 min
„Wegkurven“ 0 sec der Versuch durch Hinausspülen der Larve aus
a care - dem Röhrensystem beendet.
Ares Die Spalten 4—7 der Tabelle enthalten die auf
Grund der beobachteten Zahlen angestellten Berechnungen. . In der
4. Spalte zunächst ist die Differenz angegeben, die aussagt,
um wieviel Zentimeter die Larve in der Zeit, die zwischen Strö-
mungsschluß und Beginn einer neuen Strömung liegt, gestiegen oder
gesunken ist. |
Wird in den Versuchen die Strömungszeit möglichst klein ge-
macht — und wir haben oben gesehen, dab sie gegenüber den
Zeiten, in denen sich das Versuchstier frei beweet, unberücksichtigt
bleiben darf, daß also die Dauer der Strömung abgerundet mit
Null Minuten angegeben werden kann —, so läßt sich aus den
in der 4. Spalte stehenden Zahlen, im Zusammenhang mit den in der
1. und 2. Spalte eingetragenen Zeiten, ein Bild des Weges, den die
Larve zurückgelegt hat, folgendermaßen konstruieren (vgl. Fig. C):
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 381
In einem Koordinatensystem (mm-Papier) werden auf der
Abszissenachse die Zeiten t abgetragen (1 mm — 1 min), und
zwar mit 3h Omin im Koordinatenanfangspunkt beginnend bis 3h
40min. Ebenso werden auf der Ordinatenachse die Wege-
strecken s eingezeichnet. Dabei sollen jedesmal 10mm der
Ordinatenachse 100cm des Versuchsmaßstabes ent-
sprechen. (Verkleinerung 1: 100.)
Um 3h Omin begann die Larve die Bewegung in der Röhre.
Sie hatte also zu diesem Zeitpunkte die Wegestrecke 0 zurück-
gelegt (vgl. 4. und 5. Spalte, 1. Zeile). Der Koordinatenanfangspunkt
stellt somit den Anfangspunkt der. zu zeichnenden ,Wegkurve
der tatsächlichen Bewegung“ dar. Punkt Z der Kurve (vel.
Fig. C) hat demnach die Koordinaten t, =0; s, — 0.
Um 3h10min befand sich die Larve auch auf 195. Sie war
in diesem Augenblick, bei einem Vergleich mit ihrem Stand zu Ver-
'suchsbeginn, weder gesunken noch gefallen (daher ebenfalls 0 in
Zeile 2, Spalte 4 und 5). t, —10; s, —0 sind somit die Koordi-
naten des Punktes ZI, und der zwischen J und ZI liegende Abschnitt
der Abszissenachse ist das erste Stück der , eh die soge-
nannte ,Wegkomponente“ J ZI.
In den nächsten 3 Sekunden wurde die Larve auf Punkt 155
gespült. Diese rein technisch notwendig werdende Verschiebung der
. Larve kommt — wie bereits auseinandergesetzt — für. die Dar-
stellung des von ihr selbständig zurückgelegten Weges nicht in
Betracht. Für die Konstruktion des nächsten Kurvenpunktes (777)
ist deswegen die Stellung der Larve diesem Punkt 155
gegenüber in Frage zu ziehen.
Um 3h 18min Osec stand sie wieder an der Stelle 795; sie war
also von 155 bis 195 gleich 40 cm in der. Zwischenzeit gestiegen. Der
zuletzt konstruierte JJ. Punkt der „Wegkurve“ hatte die Ordinate
s, = 0: Punkt 1/1 muß deshalb die Ordinate s, — +-4 (4 mm — 40 cm
des Maßstabes) haben; seine Abszisse ist t, = 18. Der so konstruierte
ITI. Punkt der „Wegkurve“ liegt also oberhalb der t-Achse, d.h. die
Kurve steigt vom JZ. zum /7]. Punkt an. Um 3h 30 min war die Larve
- um 110 cm des Maßstabes = 11 mm im Ordinatenmaß gesunken, also
von s, =-+ 4biss, = —7 (vgl. 5. Spalte, 6. Zeile). Punkt IV hat
folglich die Koordinaten t, —30, ss, = —7. Entsprechend findet |
man die Koordinaten von J: ts = 36, s; = — 20 und von VJ: t, = 40,
ii diesen Ausführungen wur de bereits auf die in der 5. Spalte
382 ALBERT Koch,
stehenden Zahlen hingewiesen: sie sind durch Addition der in der
4. Spalte derselben Zeile stehenden, durch 10 dividierten Zahl zu der
in der 5. Spalte der vorhergehenden Zeile stehenden Größe erhalten
worden; sie stellen also die Ordinaten (in mm) zu den in Spalte 1
und 2 derselben Zeile stehenden Abszissen dar.
Die auf diese Weise in das Koordinatensystem eingezeichnete
gebrochene Linie J—VJ gibt natürlich kein wortgetreues, sondern
ein mathematisch vereinfachtes Bild für das Verhalten
der Larve wieder; denn in jedem zwischen zwei benachbarten Punkten
liegenden Zeitabschnitt, der in der Figur durch eine Gerade dar-
gestellt ist, hat die Larve — graphisch ausgedrückt — auch wieder
einen Zickzackweg beschrieben, dessen aufsteigende Teile durch
aktives, dessen absteigende Strecken durch passives Schwimmen zu-
stande gekommen sind. Die in unseren Kurven gezeichneten Geraden
sind nur die jeweiligen Verbindungen des Anfangs- und Endpunktes
einer solchen gebrochenen Linie. Sie stellen also jedesmal eine
Wegestrecke dar, die das Tier bei einer (der tatsächlich aufge-
wandten Energiemenge entsprechenden) mittleren Energieproduk-
tion zurücklegen würde. In diesem Sinne ist die mathematische
Vereinfachung: berechtigt, zumal es technisch unmöglich ist, alle die
kleinsten Wegestrecken, welche die Larve abwechselnd aktiv und
passiv zurücklegt, protokollarisch festzuhalten.
Bekanntlich ist die
Weg (s)
Zeit(t)
Man kann deshalb in der „Wegkurve“ aus den Koordinaten je zweier
benachbarten Punkte die Größe der Geschwindigkeit für die
zwischen diesen Punkten gelegene „Wegkomponente“ berechnen, und
zwar ist die Geschwindigkeit gleich der Tangente des Win-
ey (a), den die betreffende „Wegkomponente“ mit der
-Achse bildet.
i Für die Strecke Z II ist die Geschwindigkeit gleich Null: also
auch a, =0. Die Komponente ZI III bildet mit der t-Achse einen
spitzen Winkel «,. Aus dem rechtwinkligen Dreieck, dessen Hypo-
tenuse die Strecke ZI III, dessen dem Winkel « anliegende Kathete
die Strecke t, —t, und dessen andere Kathete s, —s, =S, ist,
ergibt sich:
Geschwindigkeit —
ROUE DL
tg a, = gene ty = 8 — 0,5.
a, == 26° 34’ (abgerundet).
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 383
Für ZI IV ist: |
ei HN
fide Le. Ome
a, (absol. Größe) — 42° 31‘.
Entsprechend ergibt sich für JV V VI (da diese 3 Punkte, wie man
aus der Konstruktion ersieht, auf einer Geraden liegen):
en — 2,3
a,,; (absol. Größe) — 66° 30‘.
In der Richtung der einzelnen „Wegkomponenten“, die durch‘
a bestimmt wird („Richtungswinkel“), besitzen wir also ein
Maß für die Größe der Geschwindigkeit in den einzelnen
Zeitintervallen, und zwar wird die Geschwindigkeit um so größer,
je größer der Winkel wird, den diese Komponenten mit der t-Achse
bilden, um so kleiner, je mehr sich die Richtung der „Weg-
Eonsonenten“ der Richtung der t-Achse nähert, um gleich Null zu
werden, wenn die Wegkomponente in die Richtung der t-Achse fällt.
a
Tabelle 2. Passive Sinkgeschwindigkeiten.
3 h O min 0,31 3 h 13 min 0,41 3 h 26 min 0,40
0.30 0,42 0,41
OSt 0,48 0,39
0,29 931 0,40
0,28 0,47 0,37
0,29 0,50 0,38
0,28 0,49 0,39
0,29 ot ht24 min 0.50 0,39
3 h 10 min 0.30 0,39
3 h 40 min 0.39
Durehnittliche passive Sinkgeschwindigkeit für die Zeit
3h0Omin—3hll 2 min | 3h 11,5 min—3h 25 min | 3h 25 es h 40 min
0,2 0,47 0,39
Tabelle 2 enthält die während des Versuches beobachteten und
aus diesen Beobachtungen berechneten passiven Sinkgeschwindig-
keiten (in em pro Sek.). Die links von den Geschwindigkeitszahlen
stehenden Angaben bezeichnen den Zeitpunkt, in dem die Beobach-
tung gemacht worden: ist; die nicht mit Zeitangaben versehenen
Bestimmungen sind natürlich in den Zwischenzeiten vorgenommen
‘ worden. Die Tabelle ist so geschrieben, daß die Geschwindig-
keitszahlen (in bezug auf ihre Größe) in drei natürliche Gruppen
zerfallen. Für diese einzelnen, zeitlich hintereinander liegenden
384 ALBERT Koch,
Gruppen sind dann die Werte für die „durchschnittliche
passive Sinkgeschwindigkeit“ in diesen Zeitabschnitten
berechnet. Dabei ist für den Zeitpunkt des Übergangs der einen
GeschwindigkeitsgréBe in die andere das Mittel aus der letzten
Zeitbestimmung in der vorhergehenden und der ersten Zeitbestimmung -
in der nachfolgenden Zahlenspalte angenommen.
Aus den Zahlen für die jeweilige „durchschnittliche pas-
sive Sinkgeschwindigkeit“ innerhalb der drei großen Zeit- -
abschnitte läßt sich nun die Größe der „mittleren passiven
'Sinkgeschwindigkeit“ (für die ganze Versuchsdauer) bereehnen
(vel. Tabelle 3).
Tabelle 3.
SALE er PACE TE RS ee er a
. 4 Durchschn. u—ß
Mi- | Diffe- : Pro- 4
Stunden pass. Sink- u—3 (brechnet) (ge-
t duk MEZ EN,
| nuten jrenzen geschw. ukte messen)
3 0
411.5 2115 0,29 3,335] 66° 52‘ — 60° 7‘ — 6° 45‘ 2e
25 13,5 0,47 6 345 66°52‘ — 70° 29‘ — — 3°37'| —3.5°
40 15.0 0,39 5. 850] 66° 52' — 66° 52' = 0 0
Summe: | 40,0 | = | 15,530]
In der vorstehenden Tabelle enthält Spalte 1 und 2 die Zeit-
angaben, Spalte 3 die Differenz der in derselben Zeile stehenden
Zeit gegen die in der vorhergehenden Zeile; Spalte 4 die für diesen
Zeitabschnitt berechnete „durchschnittliche passive Sink-
geschwindigkeit“, Spalte 5 das Produkt aus den in Spalte
3 und 4 derselben Zeile stehenden Zahlen. Diese in der 5. Spalte
so berechneten Werte sind dann addiert und durch die aus Spalte 3
erhaltene Summe, die die Dauer des Versuchs in Minuten angibt,
dividiert: auf diese Weise ergibt sich der Wert für die in jeder
Minute vorliegende „mittlere passive Sinkgeschwindig-
keit“ während des ganzen Versuchs. M.p.S.— 0,39. In unserem
Beispiel stimmt sie also zufällig mit der für die letzten 15 Ver-
suchsminuten bestimmten „durchschnittlichen passiven Sinkgeschwin-
digkeit“ überein.
Die „durchschnittlichen passiven Sinkpescte dés te für die
einzelnen Versuchsabschnitte und ebenso die ,mittlere passive Sink-
geschwindigkeit“ werden nun auch durch Konstruktion der entspre-
chenden „Wegkurven“ in der Figur (vgl. Fig. C) graphisch dargestellt.
- Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 385:
Die Geschwindigkeit ist 0,29 cm pro Sek. bedeutet: 29 cm werden
in 100 Sek. zurückgelegt, oder 29-6 = 174 cm in 600 Sek. — 10 min.
‘174 cm des Maßstabes entsprechen im Ordinatenmaß 17.4 mm. Also:
erhalte ich ein graphisches Bild. des Weges, den die Larve allein
mit dieser passiven Sinkgeschwindigkeit zurücklegen würde, wenn
ich durch den Koordinatenanfangspunkt (t=0; s—0) und den
Punkt t'— 10; s'—— 17,4 eine Gerade zeichne. Der auf dieser
Geraden liegende Punkt A mit der Abszisse 11,5 hat die Ordinate — 20:
Die Strecke JA stellt also die „Wegkomponente“ dar, die von
der Larve bei rein passiver Bewegung in der Zeit von 3h
Omin-bis 3h 11,5 min zurückgelegt würde.
Entsprechend wird, an diesen Punkt anschließend, nun die
„Wegkomponente“ konstruiert, die der rein passiven Bewegung der
Larve bei einer „durchschnittlichen passiven Sinkgeschwindigkeit“
von 0,47 im Veta bsehnitt dh 11,5 min bis 3h 25min entsprechen
wirde.
0,47 cm pro Sek. = 47 cm in 100 Sek.
oder 47-6 = 282 cm in 10 Min.
Im Maßstab des Koordinatensystems:
28,2 mm in 10 Min.
Punkt A hat die Koordinaten t — 11,5; s = — 20. ee muß also-
durch A und den Punkt: t“=11,5 + 10 — 225; s“— — 20 — 282
= — 48,2 eine Gerade zeichnen, auf welcher der Punkt B mit der
Abszisse 25 den Ordinatenwert —58 besitzt. Somit ist die zweite
Komponente der „Wegkurve der passiven Bewegung“ kon-
struiert. Entsprechend wird der Punkt C (mit der Abszisse 40 und
der Ordinate —93,5) und dadurch die Wegkomponente BC bestimmt.
Der Weg, der bei ,mittlerer passiver Sinkgeschwin-
digkeit“ von der fae zurückgelegt würde, kann auf dieselbe
Weise als Gerade graphisch dargestellt werden. (Ihre Lage ist be-
stimmt durch den Koordinatenanfangspunkt und den Punkt t“—=10; |
s“— — 23.4.) Sie muß die vorher gezeichnete Linie JABC in B
schneiden und natürlich im Abschnitt BC mit ihr zusammenfallen.
Der Winkel yw, der die Richtung von JC, also von der durch
die „mittlere passive Sinkgeschwindigkeit“ bestimmten ,, Wegkurve“
in bezug auf die t-Achse angibt, wird folgendermaßen ermittelt:
23,4
on — 10 er.
u (absol. Größe)— 66°52‘ (abgerundet).
386 ALBERT Koch,
Die absoluten Größen der Winkel, welche entsprechend die Richtung
der Wegkomponenten JA, AB, BC bestimmen, sind:
8, = 60° 7°
8, — 70° 29
By = 66° 524.
Da die Größe der Geschwindigkeit von der Größe des die
„Richtung“ der ,,Wegkomponente“ bestimmenden Winkels abhängt,
so ersieht man aus den Kurvenbildern, daß den Wegkomponenten
[I IT, II III, LIL IV] der „tatsächlichen Bewegung“ viele kleinere
Werte für die Sinkgeschwindigkeit entsprechen als bei den durch
die passiven Sinkgeschwindigkeiten bestimmten „Wegkurven“.. (Der
Richtungswinkel der , Wegkomponente“ JZ III gibt sogar an, dab
für diesen Zeitabschnitt statt Sink geschwindigkeit Steiggeschwin-
digkeit vorliegt.) \
Zeichnet man in der die „Wegkurven“ darstellen-
den Figur eine beliebige Parallele zur s-Achse, die
durch die Abszisse t, bestimmt wird (wobei im Versuchs-
beispiel x die Werte 0 bis 40 annehmen darf). so schneidet diese
sowohl eine Komponente der die „tatsächliche Bewe-
gung“ darstellenden „Wegkurve“, als auch eine Kom-
ponente der Wegkurve, welche durch die ,durchschnitt-
lichen passiven Sinkgeschwindigkeiten“ bestimmt
wird. Die Differenz, die sich ergibt, wenn man den
„Richtungswinkel“ a, der zuerst genannten Strecke
von dem „Richtungswinkel“ %, der an zweiter Stelle
bezeichneten Komponente subtrahiert, ist direkt pro-
portional der zur Zeitt, von der Larve produzierten
Energie.
Die Möglichkeit der Berechnung solcher Vergleichszahlen für
jeden beliebigen Zeitpunkt des Versuchs machte es natürlich wünschens-
wert, die beiden „ Weekur ven“ so umzuzeichnen, daß ein direktes Ablesen
des Rich tungsunterschiedes* (in diesem Fall: Differenz der beiden
oben näher bezeichneten „Richtungswinkel“) möglich wird (vgl. Fig. D).
Zu diesem Zweck wurde von jeder Komponente beider Weg-
kurven der „Richtungsunterschied“ gegen die Gerade JC (Wegkurve
bei mittlerer passiven Sinkgeschwindigkeit) bestimmt. Diese Winkel
a—e (für die Komponenten der , Wegkurve der tatsächlichen Be-
wegung“) und #—P (für die Teilstrecken der durch die „durch-
schnittlichen passiven Sinkgeschwindigkeiten“ bestimmten Wegkurve)
sind in Spalte 6 der Tabelle 1 bzw. der Tabelle 3 auf Grund der
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 387
oben erwähnten trigonometrischen Berechnungen angegeben. Da es
sich (hauptsächlich bei den aus sehr vielen Teilstrecken zusammen-
gesetzten Wegkurven) als einfacher erwiesen hat, diese „Richtungs-
unterschiede“ mit dem Winkelmesser festzustellen (nachdem jeder
zu bestimmende Winkel auf Pauspapier aus der Figur heraus-
gezeichnet war), so sind in den Spalten 7 der Tabellen 1 und 3 die
betreffenden „Richtungsunterschiede“ auch auf Grund solcher
Messungen wiedergegeben. Natürlich kann es sich — wie ja auch
aus einem Vergleich der in den. Spalten 6 und 7 nebeneinander
stehenden Winkelgrößen hervorgelit — nur um angenäherte und
abgerundete Werte handeln, die aber für die Betrachtungen
yon ausreichender Genauigkeit sind. Die unten wieder- .
gegebenen Berechnungen in den Protokollen der eigent- |
lichen Versuche enthalten daher auch nur die ge-
messenen, nicht die berechneten Werte für die „Rich-
tungsunterschiede“.
Die Konstruktion der „Winkelkurven“ (vgl.
Fig. D) ergibt sich nach dem Gesagten nun ohne
weiteres.
Die Abszissenachse wird — genau wie bei den
„Wegkurven“ — wieder zur Zeitachse, die Ordi-
naten aber geben jetzt die Größe der Winkel
(1mm = 1°) an. Für die Strecke J II der „Wegkurve
der tatsächlichen Bewegung“ ist der Richtungsunter-
schied gegen die Gerade 1C: u—a, —67° gemessen
worden. Die Parallele im Abstand y — +67 zu der Fig. D.
t-Achse innerhalb der Abszissenwerte 0 und 10 ent- „Winkelkurven“
spricht also der Wegkomponente J JZ; die Gerade eee
y=-+93.5 innerhalb der Abszissen 10 und 18 der BEN
Strecke II III. Da in der „Wegkurve der tatsächlichen Bewegung“
im Zeitpunkt 3h 10min der „Richtungswinkel“ seine Größe wechselt,
so kann die Größe dieser Veränderung durch die Parallele zur
Ordinatenachse, die den Endpunkt der ersten Strecke mit dem An-
fangspunkt der zweiten verbindet, dargestellt werden. Auf diese
Weise werden beide „Wegkurven“ in „Winkelkurven“ übertragen.
(Es sei bemerkt, daß bei dieser Umzeichnung alle Sekundenangaben
auf halbe Minuten abgerundet wurden.)
Um nunausdensokonstruiertenKurvenVergleichs-
zahlen für die zu jedem Zeitpunkt aufgewandten Energie-
menge zu erhalten, hat man nur für eine bestimmte
388 Auserr Koch,
Abszisset,den Unterschied der zugehörigen Ordinaten
(yx —y‘x) der beiden „Winkelkurven“ zu bilden.
Aus diesen Konstruktionen geht auch deutlicher als aus den
„Wegkurven“ hervor, daß in der Zeit von 3h 30min bis 3h 40min
keine Energie mehr von dem Tier produziert worden ist. Der Ver- -
such ‘ist also tatsächlich um 3h 30 min schon beendet.
Allerdings kann es auch vorkommen, daß der Richtungsunter-
schied der beiden Wegkurven nur vorübergehend Null wird.
Dann ist damit das Ende des Versuchs natürlich noch nicht erreicht. ~
Es empfiehlt sich daher, die Versuche nicht allzuschnell nach dem
Aufhören der aktiven Bewegungen abzubrechen für den Fall, daß
doch vielleicht noch einmal eine Energieproduktion stattfindet. Da
es für die Berechnungen ja nur auf Feststellung des Zeitpunktes
ankommt, von dem ab der Richtungsunterschied Null wird und
Null bleibt, so hat auch eine etwa übermäßig verlängerte Ver-
suchsdauer natürlich keinerlei Einfluß auf die Konstruktion der
Kurven. Man kann also die Versuchsdauer wohlzu kur Z
aber nie zu lang bemessen!
Es handelt sich nun nur noch darum, den Unterschied
zwischen der „mittleren tatsächlichen Bewegungsge-
schwindigkeit“ und der „mittleren passiven Sinkge-
schwindigkeit“ festzustellen. Diese Aufgabe, die mit der Berech-
nung der „mittleren tatsächlichen Bewegungsgeschwindigkeit“ ohne
weiteres gelöst ist, Kann auf verschiedene Arten ausgeführt werden.
Am einfachsten läßt sich die Bestimmung an Hand der „Weg-
kurven“ vornehmen. :Verbindet man in Fig. © Punkt Z und JJ,
so stellt die Strecke Z IV die ,Wegkurve“ dar, die das Tier bei
einer mittleren Energieproduktion zurücklegen würde (vgl. dazu
die Ausführungen auf S. 382). Man braucht also nur den Anfañgs-
punkt der „Wegkurve der tatsächlichen Bewegung“ zu verbinden
mit dem Anfangspunkt derjenigen Komponente derselben, die der in
denselben Zeitabschnitt fallenden Komponente der „Wegkurve der
passiven Bewegung“ parallel wird (unter Berücksichtigung des
oben Gesagten), um die Wegkurve für die „mittlere tatsäch-
liche Bewegung“ zu erhalten.
Diese Konstruktion ist jedoch den Berechnungen nicht zu Grunde
gelegt worden, weil einmal der. „Richtungsunterschied“ dieser ent-
sprechenden Komponenten der Wegkurven nicht in allen Fällen
vollständig Null wird. Es kann nämlich vorkommen, daß die
(weiter unten noch eingehend zu besprechenden) oft häufigen Lage-
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 389
änderungen des Tieres innerhalb eines kurzen Zeitabschnittes es
unmöglich machen, eine ganz genau den gegebenen Verhältnissen
_ entsprechende „durchschnittliche passive Sinkgeschwindigkeit“ für
das betreffende Zeitintervall zu bestimmen. Diese kleinen, aber
manchmal kaum zu vermeidenden Ungenauigkeiten in den Berech-
nungen lassen dann kleine Winkelunterschiede zwischen’ den Schluß-
komponenten beider Wegkurven erkennen. Es ist in diesen Fällen
dann unmöglich, den Punkt in der „Wegkurve der passiven Be-
wegung“ anzugeben, von dem an die , Wegkomponenten“ den ent-
. sprechenden Teilstrecken der „Wegkurve der tatsächlichen Bewegung“
parallel werden müßten. — Außerdem mußte aus technischen Gründen
von einer Veröffentlichung der „Wegkurven“ abgesehen ‚werden, weil
diese in manchen Fällen die Länge eines Meters noch überschreiten
und in der infolgedessen notwendig werdenden Verkleinerung Einzel-
heiten nicht mehr erkennen lassen. Es erschien also auch aus diesem
Grunde wünschenswert. die Berechnungen an den (doch wenigstens
teilweise) der Arbeit beigegebenen „Winkelkurven“ ‘anzustellen.
Mißt man in den , Winkelkurven“ für jede Versuchsminute den
Abstand beider Kurven aus und berechnet dann das Mittel aus diesen
Werten, so gibt die so gefundene Zahl die Größe des „mittleren
Richtungsunterschiedes“ beider Kurven an. Denn trägt man
in Fig. D diesen Mittelwert auf der Ordinatenachse vom Koordinaten-
anfangspunkt aus ab und zieht durch den Endpunkt der so be-
stimmten Strecke die Parallele zur t-Achse innerhalb der Abszissen-
werte 0 und 30, so ist der Inhalt des zwischen dieser Parallelen
und der t-Achse liegenden Rechteckes gleich dem Inhalt der Figur,
die von den beiden ,,Winkelkurven“ und der Ordinatenachse ge-
bildet wird. — | | ERGO
Tabelle 4 gibt die auf diese Weise durchgeführte Berechnung
des „mittleren Richtungsunterschiedes“ für unser Versuchsbei-
spiel an.
Tabelle 4.
Ave do 22 GOO
1,5-(93,5 — 7), — 129,75
6,5-(93,5 + 3,5) = 630.50
7. (2443.5) — 192,50
51 (2020) 120
30 1672,15 : 30 = 55,76
Der „mittlere Richtungsunterschied“ ist also in diesem Fall:
| P= On = 38,93 hb? 48"
390 ALBERT Koch,
Daraus ergibt sich
| Om = 66° 52‘ — 55° 48
GATE
Aus a, kann aber jetzt die „mittlere tatsächliche Be-
wegungsgeschwindigkeit“ berechnet werden. Zu diesem
Zweck müssen wir die oben gegebene Ableitung, bei der aus
der bekannten (durch die Größe der Koordinaten bestimmten) Ge-
schwindigkeit der „Richtungswinkel“ der betreffenden „Wegkompo-
nente“ berechnet wurde, in umgekehrtem Sinne durchführen.
Es ist:
| tea = =
ee
x = 10-tgan (mm)
Gen ACE)
1mm des Ordinatenmaßes entspricht 10cm des Maßstabes.
x mm (Ördinatenmaß) entsprechen 10x cm (Maßstab).
10x (em) _ 10.10.tge„
600. (see)... cn 600
m.t.B.-Geschwindigkeit = !}, tgam.
Die „mittlere tatsächliche Bewegungsgeschwin-
digkeit“ beträgt somit: */,tga, (im Beispiel: */, tg 11°4‘—0,03).
Statt also bei rein passiver Bewegung während der ganzen
Versuchszeit mit einer „mittleren passiven Sinkgeschwindigkeit“ von
0,39 cm pro Sek. sich gleiten zu lassen, sank die Larve — dank ihrer
aktiven Schwimmbewegungen — nur mit einer „mittleren tatsäch-
lichen Bewegungsgeschwindigkeit“ von 0,03cm pro Sek. Die von
ihr während des Versuchs produzierte Energie wurde
also dazu verwandt, die durchschnittliche Sinkge-
schwindigkeit um 0,39—0,03 = 0,36 cm pro Sek. zu ver-
kleinern, und zwar 30Min. lang. Diese „mittlere Ge-
schwindigkeitsänderung“ unter Berücksichtigungder
Versuchsdauer ist direkt proportional der unter den
gegebenen Bedingungen vondem Versuchstier (inForm
mechanischer Energie der Bewegung) produzierten
Energiemenge.
m. t. B.-Geschwindigkeit —
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 391
5. Anmerkungen zu: Konstruktion der Kurven.
1. Leider war es unmöglich zu vermeiden, im vorigen Abschnitt
für das Verhalten der Larve während des Versuchs eine Fülle ab-
strakter Begriffsbestimmungen einzuführen. Ich hoffe, dem Leser
dadurch etwas entgegenzukommen, daß ich in folgender Tabelle 5
eine geordnete Zusammenstellung dieser Begriffe gebe mit Zahlen-
angaben, die die Seite bezeichnen, auf welcher der Ausdruck zum
erstenmal angewandt und ausführlich erklärt ist:
Tabelle 5.
Bewegungen:
tatsächliche Bewegung 377 | passive Bewegung JA
Geschwindigkeiten:
tatsächliche Bewegungsgeschwin- passive Sinkgeschwindigkeit 317
digkeit 377
durchschnittliche passive Sink-
geschwindigkeit (für einzelne
Zeitabschnitte) 384
mittlere tatsächliche Bewegungs- mittlere passive Sinkgeschwindig-
geschwindigkeit 377 keit (für ganzen Versuch) 377, 384 .
mittlere Geschwindigkeitsänderung
(Differenz aus mittlerer passiver Sinkgeschwindigkeit und mittlerer tatsächlicher
Bewegungsgeschwindigkeit) 390:
Wegkurven:
Wegkurve der tatsächlichen Be- Wegkurve der passiven Bewegung 385: —
| wegung 381
Wegkomponenten (Zeitabschnitte) © 381
Richtungswinkel (Winkel, den Wegkomponente mit t-Achse bildet) 383
Richtungsunterschied (Differenz der Richtungswinkel der Komponenten zweier
Wegkurven im selben Zeitabschnitt) 386: —
mittlerer Richtungsunterschied (für ganzen Versuch) Bio
Winkelkurven (S. 339):
Winkelkurve der tatsächlichen Be- Winkelkurve der passiven Be-
wegung 387 ‚werung 387
2. 3/,t¢C. Diese Formel muß ganz allgemein angewandt werden,
um einen in einer , Wegkurve“ gemessenen, bzw. in einer „Winkel-
kurve“ abgelesenen Winkel C in die dazugehörige Geschwindigkeit
umzurechnen.
3. Die Ordinaten in den ,Winkelkurven“ werden in
ihrer Lange, in erster Bimie durch die Größe des:
Winkels # bestimmt. Die Bedeutung dieses Satzes geht am
besten aus einem praktischen Beispiele hervor:
392 ALBERT Koch,
In der Gleichung:
0,10 — 0,05 — 0,05
sei 0,10 die zu einem Zeitpunkte beobachtete „passive Sinkgeschwin-
digkeit“, 0,05 die entsprechende „tatsächliche Bewegungsgeschwindig-
keit“, die Differenz beider Größen also 0,05. Wird diese Gleichung
in ee umgerechnet, so ergibt sich:
u — a == 30° 58' — 16° 42‘ — 14° 16‘ — 14° 3.
Der Unterschied der beiden Richtungswinkel muß somit durch die
Ordinate y=14 dargestellt werden. |
Entsprechend ergibt sich ..aus der Gleichune:
0,85 — 0,80 = 0,05
in der die Differenz der Geschwindigkeiten ebenfalls 0,05 cm pro
sec ist:
pei — a! — 78954! — 780 14° — 00 40° — 09,7.
In diesem Falle beträgt aber die Ordinate nur (abgerundet) y'—=0, 5.
Die Winkelkurven lassen sich also untereinander
nicht direkt vergleichen, sondern erst nach Umrech-
nung der Ordinatenwerte in die dadurch bestimmten
Geschwindigkeiten. Aus dem angeführten Beispiel ersieht man,
daß in den Kurven die die gleichen Geschwindigkeitsunterschiede
anzeigenden Winkel um so kleiner werden, je größer w wird; (diese
Erscheinung erklärt sich natürlich mathematisch aus den Eigen-
schaften der tangens-Funktion).
4. Theoretisch müssen die Ordinaten der „Winkelkurve der tat- ©
sächlichen Bewegung“ größer sein als die zu denselben Abszissen
gehörenden Ordinaten der „Winkelkurve der passiven Bewegung“,
um schließlich am Ende des Versuches mit diesen zusammenzufallen.
Auf 8.388 ist aber auseinandergesetzt worden, warum der Fall ein-
treten kann, daß dieser „Richtungsunterschied“ bei Versuchsschluß
nicht Null wird. Aus denselben Gründen kann es‘auch vorkommen,
daß für kurze Zeitabschnitte die Ordinaten der „Winkelkurve der
‚passiven. Bewegung“ größer sind als die der Kurve für die tatsächlich
Bewegung. Außerdem muß das der Fall sein, wenn die Larve in
diesem Zeitabschnitt einmal aktiv nach unten geschwommen ist
und dabei eine Sinkgeschwindigkeit erreicht hat, diegrößer
ist als die für dieses Zeitintervall beobachtete passive Sink-
geschwindigkeit. Die zuletzt erwähnte Beobachtung "konnte
allerdings nur sehr selten gemacht werden, und auch die Zeit-
intervalle, in denen eine abnorme Lage der beiden Wegkurven zu-
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 393
einander vorhanden ist, sind nur so vereinzelt zu finden, daß dieser
„Konstruktionsfehler“ für die Bewertung der Ergebnisse gleichgültig
erscheinen darf.
III. Protokolle.
Vorbemerkung: Im folgenden sind die Protokolle in der-
selben Reihenfolge wiedergegeben, in der die Versuche angestellt
worden sind. Tabelle a jedes Versuches entspricht Tabelle 1, b
| Fig. E.
„Winkelkurven“ zu den Versuchen 1, 3, 7,8. 1:2.
Die den Kurven beigeschriebenen Zahlen geben Anfangs- und Endpunkt des durch
die Kurve dargestellten Versuches an. IV 55° bedeutet z. B.: 4 Uhr 55 Minuten
0 Sekunde, d. i. Zeit des Peet Shee nies.
Tabelle 3 im vorhergehenden Beispiel; Tabelle 2 und 4 sind — um
Platz zu sparen — nicht wiedergegeben; die aus den Zahlen dieser
Tabellen berechneten Ergebnisse sind natürlich angeführt. Die in
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 26
394 ALBERT Koch,
Spalte 6 von Tabelle 1 und Tabelle 3 des Beispiels stehenden Be-
rechnungen für u—e bzw. u—Pß sind in den entsprechenden Tabellen
a und b der Protokolle nicht ausgeführt, sondern es sind an dieser
Stelle die gemessenen Winkelwerte angegeben. Die in den mit „Be-
merkungen“ überschriebenen Spalten enthaltenen Angaben beziehen
sich meist auf die „Lageänderungen“ der Larven (vel. dazu Ab-
schnitt V).
Versuch 1 (vgl. Fig. E 1).
Tabelle a (tatsächliche Bewegung).
Stunden | Minuten | Stand Differenzen | Ordinaten| 4#—« Bemerkungen
4 | sur 200 0 0 |
56°? 190 —10 —1,0 +33 | V.
560° 92 | 578°: nach H.
5 500 58+ — 34 —4,4 +56 |H.: RL.
DE 120—
7100 55 —65 —10,9 +5
hes 145
oe 50 —95 —20,4
ou 180 0
11% 65 —115 —31,9
Hip IS 185 zuerst V., dann H.
1400 54 —131 —45,0
1402 175
1690 60 —115 —56,5 —2 zuerst V., dann H.
160% 180
1850 45 —135 —70,0
1835 180
213° 52 —128 — 82,8 +2
Tabelle b (passive Bewegung).
durchschn.
Stunden} Minuten | Differenzen passive |Produkte u—8
Sinkgeschw.
die durchschnittl. pass.
4 5500 Sinkgeschwindigkeiten
5 500 10 0,79 7,90 weichen nur sehr wenig
930 4,5 0,75 3,375 von der mittl. pass. Sink-
1850 9 0,77 6,93 geschw. ab; es ist deshalb
2500 6,5 0,75 4,875 nur die letztere als Weg-
| kurve dargestellt.
30,0 — | 23,080
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 395
m.p.S. („mittlere passive Sinkgeschwindigkeit“)
— 3,08:530 0,77, also 4 — 71047".
Aus „Winkelkurven“:
Ku — Om = 20° 18°, 00-06 29%.
m.t.B.G. („mittlere tatsächliche Bewegungsgeschwindigkeit“ — !/,tgan)
| == (1,26,
Wp. == 0,77
mt. BG: == 0,26
m.G.A. („mittlere Geschwindigkeitsände-
rung) = 0,51.
Wersuch 2;
Tabelle a.
Stunden | Minuten Stand À Differenzen |Ordinaten]| #—« | Bemerkungen
— 140 | —14,0 \ H.: RL
+4
48 ere || :
= 30,1 |} : 2
+
—122 493 If :
—129 —55,2 23
— 132 —68,4 +3 V.
—118 —80,2 —6
Tabelle b.
Stunden Minuten Differenzen durchschn. pass. Produkte u—B
Sinkgeschw.
6 030
400 =) 0,83 2,905 +1,5
1330 95 0.85 8,075 ey
1600 25 1.39 3,475 4
180° 2 0,91 1,820 0
17,5 | F-21625 |
26*
396 ALBERT Koch, .
MpS. = 16,2710 14,5 —0,99, ‘also’ u = 796%
Aus „Winkelkurven“:
BR — 0m 1218, also 0, = 18°32!
mb OT tre, = 0,82.
m.p.S. = 0,93
m:t.B.G. = 0,82
m.G.A. = 0,11.
Versuch 3 (vgl. Fig. E35).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—a Bemerkungen
5 om 207
300 195 —12 —1,2 +53 Va
302 124 4%:H.
1030 60+ —64 —1,6 +33,5 | Sinkt stets an-
1056 122— fänglich V.,
1300 54 —68 —14.4 +4 dreht dann nach
13% 175 kurzer Zeit in
1600 68 —107 —25,1 —2 H (ev. R.L.).
16% 193 | |
203° 48 —145 — 39,6 —+0,5
20% 132
2500 104 —28 —42,4 23,5
2508 185
240 52 —133 —55,7 \
2705 185 0
3100 61 —124 EFS ie
51% 191
Tabelle b.
À À durchschn. pass.
Stunden | Minuten | Differenzen Sinkgeschw. | Produkte u—ß
5 | 000
3500 35 0,55 _ =
MS. 0:58) als: u ==75° 8!
Aus „Winkelkurven“:
a — en = 20°42" also: a, — 52926‘
it =! tre Oe,
m.p.8; == 0,55
mi.BG, — 0,22
m.G.À. = 0,33.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 397
Versuch 4.
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen |Ordinaten} u—« | Bemerkungen.
6 200 207 V
702 | 155 5
Loue 88 —67 —6,7 15 H:
10% as F
119 55 —78 —14,5 —2
119% 162
15 40 —122 —26,7 +2,5
13% 178
15320 65 —113 ~ —38,0 +2
15% 180
geo 54 —126 —50,6 0 17°: V. dann
172 183 wieder H.
2020 47 —136 —64,2
2074 184
2 52 —132 — 17,4 3.5
DIE 180
2540 52 —128 —90,2
2543 184 |
2830 56 —128 — 103,0 V.
2854 187 +1,5
3045 5 6 — 122 —115,2
sue 190
ae 48 —142 —129,4 —1,0
333 190
35 4) — 135 —142,9 —3
330 185
3655 52 —133 — 156,2
3000 184 |
3900 46 —138 : —170,0 =)
3904 185
4120 >45 — 140 — 184,0 H.
4125 182
Tabelle b.
Stunden Minuten Differenzen leet ST Produkte u—ß
6 700
90 2,5 1,19. 2,975 —1
2830 19 0,81 15,39 +3
aoe 2,5 1.25 °° 3,125 — 1,5
4000 10 1,42 142 2.5
Summa: | 340 | zu 35,090 |
398 ALBERT Koch,
MD 105, also. u = 80059
Aus „Winkelkurven“:
p—Oy == 254, also a, = 18°%5'
ms team 0,79.
mp. == 1,05
m-t,5.G. — 0,79
m.G.A. = 0,26.
Versuch 5.
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand À Differenzen |Ordinaten] #«—« Bemerkungen
4 47 | 175 ca. 65° gegen V
250° 50-+ . —125 —12,5 +21 2000 : H.
250° 130 —
262° 70 —60 —18,5
2675 180
2990 53 —127 —31,2
“RE 180
Da 63 —117 —42,9
al 180
3412 55 —125 —55,4
3419 175 05
3700 48 _. —127 —68,1 aux
au 180
3930 65 —115 — 79,6
39% 181
4200 58 —123 —91,9
4204 186
4500 48 —138 | — 105,7
4595 188
Tabelle b.
| : : durchschn. pass.
Stunden Minuten | Differenzen Siukgeschw. Produkte u—ß
4 1720
4890 31 0,80 = —
M.pss = 0,80, also u = 78°14"
Aus „Winkelkurven“:
U—Om = 6° 24‘, also am = 71° 50!
MAD .G:=-4/, tea, = Opie
m.p.S. = 0,80
m.t.B.G.— 081
m.G.Ä. = 0,29.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 399
Versuch 6.
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen [Ordinaten]| o«—a Bemerkungen
6 020 | 170
sh 45+- —125 —12,5 42,5 H.
ay 115—
480 41 —14 —19,9
a 175
ae 50 —125 —32,4
ne ‚182
ape 80 —102 —42,6
LE 179
1120 52 —127 — 55,3
le 183 0
1400 62 —121 —67,4
1405 183
1650 60 —123 —19,7
1655 183
1910 54 —129 —92,6
en 180
2200 42 —138 | — 106,4 |
2207 180
Tabelle b. |
Stund Minuten | Differenzen durehschn. pass. Produkte — 8
pater Sinkgeschw. ie
6 go | Die durchschnitt].
300 3 0,69 2.07 pass. Sinkgeschwin-
gu 1,5 0,81 1.215 digkeiten. weichen
0 2,5 0,83 2,075 nur sehr wenig von
Jen 7 0,87 6,09 der mittl. pass. Sink-
LGR? 2,5 0,84 2,100 geschw. ab; es ist
1508 2,5 0,85 2,125 deshalb nur die letz-
2590 6 0,83 4.98 tere als Wegkurve
Summa: | 25 | Le | 20,655 dargestellt.
MpS: — 083. also == 78°39".
Aus , Winkelkurven“:
H— Um = 2°30', also am — 76° 9!
mb.B.6° 1.100, == 0,68.
pis — 0,83
m.t.B.G. = 0.68
m.G.A. = 0,15
400 ALBERT Koon,
Versuch 7 (vgl. Fig. E 7).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen |Ordinaten| #—£ | Bemerkungen
|
9 41% 135 Ve
43900 135 0 0 +60,5
Dive 434- —92 —9,2 +32,5
Ha 172 —
10 400 51 —121 —21,3
495 188 +1,5
1200 51 —137 — 35,0
12% 191
1,1990 331.42 —149 | —499 —3,5
Tabelle b.
Stunden Minuten Differenzen Be Produkte | u—Pp
9 ane
4300 2 0 0 +60,5
; 5100 14 0,22 3,08 +8,5
10 400 7 0,35 2,45 —4
1200 8 0,37 2,96 —b
4990 | it 042 . 2,94 —7,5
Summa: | 38 | Sd re de EA N
M.p.S. = 0,30, also “= 60°57’.
Aus „Winkelkurven“:
H— 0m = 11° 54‘, also am — 49° 3'
TCU ee 0.10:
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 401
Versuch 8 (vgl. Fig. E 8).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen [Ordinaten, #—« Bemerkungen
10 2545 170 Y.
4200 170 0 0 71,5 350: H
5000 ASE 0... 195 24195 1905
50% 132 —
11 000 60 Be. eas Wy a A
003 139
600 48 —91 OBB. EOL
608 167
goo 43 —124 41/2 0
gos. 175
1300 53 122 534: 66
1304 175
1800 75 —100 —634 | +135
1803 145
2030 47 —98 239 | 12
20% 170
2500 62 —108 —84,0 |}
2508 168 +85
2930 5 —118 95,8 |
2934 177 |
3400 52 —125 —108,3
3405 171 | 17
3800 57 = j14 = 1197
3804 165
4200 48 4 — 1314 ||.
4904 175 +6,5
4600 48 DE eut |
4604 180 |
. 4900 45 BE Bl, 0 } fast V.
4908 176 a | |
5230 48. —128 —170,4
ee | 16 | | 45 | tee Vaan
5530 54 198 — 182,6 ea
5583 166 H:RL.
5830 54 119 — 193,8
5835 170 |
12 130 49 a = 2059 |x 12
135 181
500 40 —141 — 220,0
505 17
800 40 —130 — 233,0
gee 174 +05
1100 40 —134 — 246,4
1105 185
. 1400 45 —140 —260,4
1405 178
1700 40 — 138 — 274,2 0 |
1705 186 | V.
1930 43 mr men | 06 ||
1935 185
402 Arsert Koch,
Stunden | Minuten | Stand I Differenzen {Ordinaten| «—~ | Bemerkungen
2280 54 —131 | — 301,6 | |
2235 181 —1
2600 40 Fels |
2605 186
2900 52 —134 — 329,1
290% 188 |
Bau 61 —127 — 341,8 0
3295 180
Sn 40 —140 — 355,8
gar 185
a 54 —131 — 368,9 | Vv.
3704, i eed | —4,5
3000 45 140 | — 3831 |
aout 184
4200 Darm „= 120 —3%,0 0
Tabelle b.
Stunden Minuten | Differenzen [Archschn. pass) py odukte —ß
u Oot mme ae 4
10 200
Ban) 6 0,70 4,20 +1
SE 7 0,77 oo 0
4200 3 0,83 2,49 —1
2020 7 0,73 5.11 0,5
11 wu 11 0,71 7,81 1
4600 46 0.70 0 | +
4900 3 1.22 3,66 —4,5
5230 3,5 0,70 2 45 A
5530. 3 0,91 2,73 a
12 Dre 9,5 0,70 6,65 +1
1700 12 0,76 9,12 0
1930 25 1,25 3,125 5
2900 9,5 0,70 6.65 +1
Da 6 0,73 4,38 0,5
3709 2 1 22 2,44 —4,5
3900 2 1,39 2,78 —6,5
1 ados | 5 ar ee eee 1 128,702 4 RICO
Summa;f 138800 | — | 104935 (ee
Men. Se DNB, also. 8 == 71138)
Aus „Winkelkurven“:
M—- ay = 107 42", also Um = 60° 56!
DB = "ton == 0,00;
mp, == 010
mt.B.G, == '0,30
m.G.A. = 0,46.
Stunden
4
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 403
Versuch 9 (vgl. Fig. F).
Minuten
363°
4515
45 17
4900
4903
630
638
900
904
1230
1235
1430
1437
1730
1735
1939
1935
2915
2919
2430
2435
2700
2704
3000
3004
3300
3304
3625
3631
3920
3924
4945
4950
463°
4634
4900
4905
51 15
5119
5330
5335
5545
5551
5810
Hg15
030
035
Stand
190
190
Tabelle a.
Differenzen |Ordinaten| u—« Bemerkungen
0 0 | +80 V.
+60 +6,0 | +138
—58 +02 | +625
—80 —7,8 |
9,5
a ||
—104 —27,7 +2
—117 —39,4° +5
—128 —52,2 0
21° vorübergehend
—137 —65,9 +3 zu H
— 133 — 79,2 0
26°°—32°°: H.: RL
—123 '—91,5 |
—140 —105,5 +2,5
— 145 — 120,0 |
2191 2431|
3650—_ 5800 H.
—135 — 146,6
+4
—144 —161,0
—146 —175,6
—152 — 190,8
— 150 — 205,8
| 219.9
147 ie 1
—149 — 249,5
— 145 264,0
2 j4n a 9785 |
404 Avsert Koch,
IX 5700 X 2430
10
Fig. F. Fig. G.
„Winkelkurven“ zu Versuch 9. „Wegkurven“ und „Winkelkurven*
1 zu Versuch 10. 1:2.
Tabelle b.
Stunden Minuten | Differenzen acest Produkte u—ß
|
4 3630 |
5 500 28,5 0,90 25,650 +
1430 95 0:99 9,405 0
1930 5,0 1.07 5,350 —0,5
2600 6,5 1.18 7,345 pa
3200 6,0 0.60 3.600 +6
3630 4,5 1,14 5,130 ie
3800 1,5 0,55 0,825 a
3930 1,5 1,09 1,635 LA
5330 14,0 1 14 15,960 —1,5
5700 3,5 1,18 4.130 —1,5
6 a 6 120 | 6,600 —1
SF
œ
Ss
x
So
o
=
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 405
M.p.S. = 0,99, also 80°27’.
Aus „Winkelkurven“:
ey = 20218, also an — 50° 9!
Hoe - +). teo,, == 0,20.
m.p.S. = 0,99
m.t.B.G. = 0,20
m.G.Ä — 0,79
Versuch 10 (vgl. Fig. Gy.
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—a | Bemerkungen
9 | 5700 | 185 |
10 gre 185 0 0 V
1309 185 0 0
1515 185 0 0
1815 185 0 0
2115 185 0 0 geen
244° 185 0 0
2430 185 0 0
2434 103 31°°: H.
3230 50 —53 —53 +36
pa. 133— |
3730 : 50 —83 —136 ||
37% 177 | +8
4430 47 —130 966 |f
4436 178
4950 50 — 128 —39,4
4935 185 | —1
5490. 58 —127 —52,1
5408 183
5850 50 —135 —65,4
| 585 186
11 aro 53 —133 — 18,7
305 190 —2,5
800 43 ar 93,4
825 188 =
13% 43° —145 —107,9 *
13% 190
1909 45 —145 — 122,4 0
406 ALBERT Koch,
Tabelle b.
N : durchschn. pass. 2%
Stunden Minuten | Differenzen Sinkgeschw. Produkte u—ß
gee |
10 rAd 5 0,30 1,50 +8,5
Te 5,5 0,35 1,925 +4,5
1390 5,5 0,42 2,310 40,5
2430 11,5 0,34 3,910 5,5
5130 7 0,55 3,85 —4,5
3 6 0,35 2,10 +4,5
4300 1005 0,40 2,200 +1,5
5400 11 0,46 5,06 —1,5
11 1300 19 0,50 9,50 —3
Summa: | 76,0 | | 32355 |
M.p.S. = 0,43, also u = 68° 49’.
Aus „Winkelkurven“:
U—Om = 28°6', also am — 40° 43’.
m.t.B.G. == te — 0.14.
m.p.S. = 0,43
muB. = 014 N
m.G.A. = 0,29.
Fig. H. „Winkelkurven“ zu den Versuchen 11, 13, 15. 1:2.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven.
407
Versuch .l1 (vel. Fig. H 12).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand À Differenzen | Ordinaten #«—e« | Bemerkungen
4 5200 195 V.
5890 195 0 0
5 100 195 0 0 173,5
aoe 195 0 0
3 124
820 195 +71 +71 +126
828 82
‚Big? 195 . +113 —18,4 —-150
21% 57 |
1430 195 +138 +322 +150
1454 58 15%. H.
1900 48-- —10 —+31,2 +61
BR 109—
PA 55 —54 —25,8 +45
2905 156
3430 46 —110 +14,8 +11
3454 179
4400 47 —132 +1,6 +11
le 184
4.700 40 —144 —12,8 +6
47% 175
5115 43 —132 —26 1e)
510 180
5515 39 —141 —40,1 —2
3920 186
6 0” 48 —138 — 53,9 +3
0% 186
425 41 —145 —68,4 0
429 189 630800 : Y.
820 40 —149 —83,3 —2,5
82 188
12 45 —143 —97,6 0
1275 195
1650 47 —148 —112,4 BS
Tabelle b.
Stunden Minuten Differenzen durchschn. pass. Produkte —f
Sinkgeschw. e
4 5200
5 oon Ki 0,50 5,500 +2
850 5,5 071 3,905 By
3450 26 0,57 14,820 0
4100 6,5 0,55 3,575 +1
6 60 25,5 0.56 14,280 0,5
800 1,5 0,94 1,410 —6
167 8,5 0,59 5,015 —1
Summa: | 84,5 | — | 48,505 |
~
408
M.p.S. = 0,57, also u = 73°42"
Aus „Winkelkurven“:
ALBERT Koch,
U— Om = 41°14, also am = 3241‘
teen — 0,11
m.p.S. = 0,57
m.t.B.G. = 0,11
m.G.A. = 0,46
Versuch 12.
Tabelle a.
Stunden
10
14
Minuten
50°
5430
5434
5600
56°:
5830
583
1 15
20
330
335
69°
6°
900
904
1150
115
1480
1435
1750
1755
2030
205
2380
93 34
9600
2604
2830
2851
31900
3194
33 30
3334
3550
3553
38 15
3819
Stand
Differenzen | Ordinaten
—13,6
—20,3
—32,6
—46 3
—59,7
—72,2
—86,4
—100,9
—114,3
— 129,4
144,4
—157,5
SO
—184,2
—197,9
—212,2
—226,6
— 240,8
— T—
u—ca | Bemerkungen
105
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 409
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten #—c« | Bemerkungen
4050 37 —153 — 256,1
4055 187 |
4315 45 —142 —270,3 +1
43s | 185 | |
45% 45 —140 — 284,3
45° 187
48° 36 —151 — 299,4 0
48% 181
50 47 —134 — 312,8
501? 187 |
5330 40 —147 —327,5 +1
535 | 190 |
5600 43 —147 — 342,2
56% 185
Gee 50 —135 — 355,7
5808 188 0
12 030 43 —145 — 370,2
03 170
aoe 72 —98 —380,0 +6
308 190
600 35 —155 —395,5
605 187
800 72 —115 —407,5
> 182 b
109° 75 —107 —418,2
10° 190
128° 55 —135 —431,7 +1,5
12 170
1430 70 —100 —441,7
1455 193
1645 71 —122 — 453,9
162.35, 182
19% 55 —127 — 466,6
1918 175
Tabelle b.
Stunden Minuten | Differenzen un Produkte —f
Sinkgeschw. &
10 5030 | |
11 430 14 0,98 13,72 +0,5
18% ‘13,5 1,06 14,31 —0,5
3800 20 1,09 21.60 — 1
4300 "5 1,03 5,15 0
12 = 20 0,98 19.60 0,5
ie 16 0,91 14,56 +1,5
Summa | 88,5 j 17789447]
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 27
410
ALBERT Koch,
Mmp.8:== 1.01, also % — 80° 38’.
Aus „Winkelkurven“:
nen = 2°86" also a,, — 78° 30°
m.t.B.G. =4/,tea, — 0,82.
mips. — 1,01
m.t.B.G. = 0,82
+ m.G.A — 0,19.
Versuch 13 (vgl. Fig. H 13).
Tabelle a.
Stunden | Minuten Stand Differenzen | Ordinaten w—a Bemerkungen
10 4400 195
5600 454 0 —150 450 +25
569 165—
11 130 57 —108 968. (145
132 187
630 42 —145 —40,3 +6
634 186
1030 50 —136 —53,9 14
10° 188
1415 42 —146 —685 ||
1420 186 | +15
1800 46 —140 Sa |
1894 190
2145 42 —148 —97,3 44
2149 187
26°° 40 —147 —112,0 +3
26% 190
2930 43 = 147 —126,7 0
2954 187
3330 37 —150 —141,7 +1,5
3335 190
3745 38 2459 —156,9 +25
3750 187
4145 44 —143 —171,2 +2,5
4150 190
4500 52 ==138 —1850 ||
4594 190 Ag
4820 47 —143 193 |)
4825 187
5280 63 —124 — 211,7 +6
5235 184
560° 50 —134 —225,1
5603 184 | |
5900 64 — 120 — 23011 | lie
5903 185 |
12 2.6 54 —131 —250,2
218 184
615 50 —134 —263,6 +3,5
6'8 185
930 52 —133 —276,9
933 182
1245 53 — 129 — 289,8
1248 183 +0,
1609 54 — 129 — 302,7
1693 185
1920 50 —135 —316,2
Einfluß von Sauerstoft und Kohlensäure auf Culex-Larven. 411
Tabelle b.
Stund Minut Differenzen | Aurehschn. pass. Produkt
unden inuten i Z Sinkgeschw. rodukte u—ß
10 4400
11 130 17,5 0,72 12,600 0
18% 16,5 0, 15 12,375 |
2100 3 0, 71 2,130
2600 5 0, 13 3,650
2930 3,5 0,71 2,485 0
3730 8 0, 73 5,840
4830 11 0, 71 7,810
52% 4 0, 67 2,680 +-0,5
5600 3,5 0, 70 2,450 0
12 33 13,5 0,66 8,910 +1
be | 10 | 0.67 | 6.700 | +05
Summa | 95,5 | | 67,650 |
Mp5. = 0,71; also-u =-76°47'.
Aus ,Winkelkurven“: |
H—Gm = 6°18', also am = 70°29‘
MB 6: == 1 te, == OAT.
m.p.S.= 0:71
mt.5:G)== 0:47
m.G.A = 0,24.
Fig. J. „Winkelkurven“ zu Versuch 14. 1:2.
27*
412 AzserT Koch,
Versuch 14 (vgl. Fig. J).
(Unvollendeter Versuch.)
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten “—a | Bemerkungen
4 530° 195
5800 195 0 0 +78,0
5894 63
5 810 434 et) —2,0 +67,5 | 200 350: H.
8 142 — |
1000 44 —98 —11,8 0
10% 160
1330 49 hat — 22,9 +6,5 1150135. H.
1335 173
1630 49 194 — 35,3 +3
163% 173 | H.
1900 49 N 497 0
1905 182
2230 40 142 —61,9 +3
2235 180 H
2525 40 — 140 — 75,9
2529 180
2830 55 — 125 — 88,4 +1,5
2834. 180 |
3130 45 — 155 — 101,9 H.
3134 191
3550 41 — 150 — 116,9 +5
39°4 181 "
3855 39 1420 —131,1 +2
3859 178 39004] 90. H,
4200 47 lon —144,2 0
4204 182
4420 40 — 142 — 158,4 a
4434 189 |
4755 al — 148 —173,2 42,5
4759 193 |
5300 40 — 153 — 188,5 +7
5304 185
5610 40 —145 — 203,0
5614 187
5915 47 —140 —217,0 +1
5919 190
6 210 42 —148 — 231,8
215 164
400 50 —114 — 243,2 —2,5
404 175
700 64 = —254,3 . +4
704 185
1115 51 —134 — 267,7 +6,5
1119 184
1415 52 —132 — 280,9 |
1419 185 +2
1715 55 —130 —2939 |)
La 185
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 413
Stunden | Minuten Differenzen | Ordinaten u—a [Bemerkungen
2100 -—139 —307,8
21% |
9445 | >
as 36 321,4 | +4
2900 —150 —336,4
9905
35 bd — 134 — 349,8 6,5
3304
45 + An! a r
In 135 363,3 +5
4200 —_ 1.9 —3712
ce ae +9
45900 —109 —388, 4
4503
4890 —127 —400,8
48904 |
100 —13 —413,
a 0 413,8 | +2
5250 —126 —426,4
5404
SET —131 —439,5 6,5
5819
7 100 —118 —451,3
. 104
400 —126 —463,9 |
ae 25
700 er 476,6 | a
704
1030 — 151 —489,7
1034 À
400 121 — 501.8
re JU], +5,5
1700 — 126 — 5144
179 À =
2115 —135 —527,9 2
9118
2430 —128 — 540,7 +3
2433
2739 —126 — 553,3 |
Bis +2
3030 —128 —566,1 ||
3024
3425 — 140 —580,1
3429 . ae
3030 —134 — 593,9
3734
4030 —125 — 606,0
4034 42
433% —126 —618,6
4334 x
4700 —128 —631,4
4704
414
Avsert Koch,
Stunden
Stunden
Do
=
I
rey
Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—ß |Benersungen
5080 47 —138 —645,2 N
50% 185
5400 54 —131 —658,3
5404 186
Dun 57 —129 —671,2 +3
57% 185
030 52 —133 —684,5
035 185
400 56 —129 — 697,4
avs 183
iis 56° —127 —710,1 +1
ler 185
1099 59 —126 —722,7 +2,5
10° 185
135° 50 —135 — 736,2 +45
135 183
ii 42 / —141 — 750,3 \
1 170 +2
2030 45 —125 _7628 ||
2035 183
Tabelle %
"Minuten | Differenzen [Aurchschn. pass! progukte —B
ERBEN LEN D Pekin PE MOUSE RES Si
5300
pt 9 1,25 11,250 —3,5
a 1,5 0,76 1,140 +1,5
1339 8 1,38 « 11,040 —4
1339 2 0,78 1,560 +1
a Unie 3 1,06 3,180 —2
10 2,5 0,82 2,050 0
2230 3,5 1,05 3,675 —2,5
2550 3 0,79 2,370 +1
2850 3 1,43 4,290 —5
3600 7,5 0,75 5,625 +1,5
3900 3 1,41 4,230 —4,5
4100 2 0,80 1,600 +1
4430 3,0 1,41 4,935 —4,5
53° 8,5 0,78 6,630 +1
5909 06 0,83 4,980 0
17% 18 0,75 13,500 +1,5
51 90 34 0,73 24,820
4330 52,5 0,72 37,800 | +2
508° 7 0,74 5,180 |
2030 1 0,72 1: 21,600
Summa | _ 171455 |
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 415
MpS. — 0,83, ‘also a == 78°39":
Aus ,, Winkelkurven“ :
nn) — 1 12" als) em — 71°27:
mb — to, — 0,50.
m.p.S. — 0,83
m.t-B.6.— 0,50
m.G.A, = 0,53.
Versuch 15 (vgl. Fig. H 75).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—& | Bemerkungen
10 3 190 V.
tas 190 0 0 +75 15%: W:
155° 87 15
28°° 48 —39 —3,9 7
28°+ | 103
3220 38 —85 —124 185
3225 119 390 : H.
4100 53 —122 24,6 +21
4194 181 :
4700 60 et —36,7 +1
4705 180
5200 64 —116 —48,3 +7,5
520 179
5700 40 2139 — 62,2 445
5708 175
11 120 40 —135 —15,7 \
135 176 13
530 55 —121 ais |
ig 181
930 . 50 el —100,9 |}
> 187 +2 I N
1330 49 138 24T
167 181 re
17429 40 —141 —128,8 —1,5
1 y Ga 188
2000 43 —145 —143,3 —5 He
2094 184
25°° 42 —142 —157,5 +6 Le
2 195
2900 39 —156 1731
2905 185 |
3200 38 —147 221878
32% 198 —4
SU 40 —158 —203,6
55°5 189
38° 38 —151 — 218,7
38% 197
4200 50 —147 —233,4 |]
4906 192 —2,5
4519 48 —144 278 |
416 ALBERT Koch,
Tabelle b.
Stunden Minuten | Differenzen |@Wrchschn. pass.| produkte 6 |
Sinkgeschw. x
10 300 |
13% 10 0,62 6,200 0
11 1139 58,5 0, 51 29, ‚33 +2,55
20% 8,5 0, ‘91 7,735 —5
2530 5,5 * 0, 48 2 '640 +4,5
3850 13 0, 83 10,790 —4,5
4900 10,5 0,71 7,455 957 | O81) 1 774955 Pi
Summa | 106,0 so |... | 6465 0
M.p.S. = 0,61, also u — 74243.
s , Winkelkurven‘ :
2-0, — 10049! also a; = 58° I"
mt.BG. = 4), 1ee, = 027:
m -p.5.= O61
:m.t.B.G = 0,27
m.G.A. = 0,34.
IV 5799
RE =
en
| nb sn V11430
Fig. K. „Winkelkurven“ zu den Versuchen 16, 17, 18 (1:2).
Versuch 16 (vgl. Fig. K 16).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—& | Bemerkungen
5790
915 5
2208
9530
25%
29 30
2955
OUR
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven.
Stunden | Minuten | Stand À Differenzen | Ordinaten
3230; 49 —126 —42,7
3236 179
3950 58 121 —54,8
3534 180
3830 61 = 4) — 66,7
38% 184
4200 45 —139 —80,6
4205 182
4530 55 127 — 93,3
4534 185
4900 43 —142 —107,5
4905 187
5230 53 11 —120,9
5235 183
55:30 52 —1531 —134,1
5535 181
5915 41 — 140 —148,1
5920 182
6 300 44 ——138 —161,9
zunT: 190
700 45 —145 —176,4
705 195
11% 42 —153 —191,7
1199 | 185
1430 59 —126 — 204,3
Tabelle b.
Stunden Minuten Differenzen durchschn. pass.
Sinkgeschw.
4 5799 |
5 1400 17 | 08
1590 1 0,39
1530 0,5 0,42
1700 15 0,46
2090 3 0,56
2130 1,5 0,59
2530 4 0.66
2900 3,5 0,71
2930 0,5 0,76
3530 mG 0,79
3830 3 0,83
4200 3,5 0,75
4530 3,5 0,62
4900 3,5 0,60
5230 3.5 0,66
5530 3 0,62
5900 8,5 0,64
5 700 8 0,61
1430 7.5 0,63
Summa | LED |
H—
—1
Produkte
417
Bemerkungen
418 _ Auserrt Kock,
Mn, 0:57, "also: u — 73142"
Aus „Winkelkurven“:
H— Am == 22° 18', also ay = 51° 24‘
Met... == *)/,teo,, — 21.
mpc. == 0.57
Mito. 021
mG.A: == 0,50
Wersuch 17 (vel. Fie. K 17):
Tabelle a.
Stunden | Minuten Stand À Differenzen | Ordinaten u—0 Bemerkungen
11 gre 185 Vz
. 2600 CEE ANSE CE —13,5 +325 | 253°: H.
26906 170—
3200 48 — 122 25/7 +8,5
329% 178
3600 56 198 —37,9 0
56°! 184
4000 51 —133 = Be zug
40° 188
4430 43 —145 —65,7 —0,5
4434 186
4830 52 — 134 — 79,1 =
4835 191
5300 46 145 — 33,6 —2
5305 186
50 42 —144 —108,0 —2
5735 188
12 200 47 — 441 —122,1
204 190 |
6°° 42 —148 —136,9
6*° 193
1100 50 —143 —151,2
1195 188
1530 42 —146 —165,8
1535 193
200 49 — 144 —180,2
DU 186
2450 36 —150 —195,2
2435 193 1-5
2900 50 —143 — 2095. 4]
2905 188
3330 44 —144 —223,9
3335 190
3800 45 —145 —238,4
gee. 3 193
4280 46 —147 —253,1
4235 194
4700 51 —143 — 267,4
4795 194 |
51°° 52 —142 — 281,6
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 419
19
IX 5900
1
|
‘
PR PE NE = BEER!
di.
Fig. L. „Winkelkurven“ zu Versuch 19. 1:2
Tabelle b.
_Stund Minuten | Dairbreizen Onsehzchat pass. || Produkte | ß
un | Sinkgeschw. EZ
11 gen. 7
15° 6 0,34 2,04 +75
2008 2}; 11 0,38 4,18 | +45
| 4099. 2; 14 0,44 6,16 ‚+25
12 HELE: ej 76 0,54 41,04 —1,5
Summa | 107 | | - 53,42 |
M.p-S.— 0,50, also u — 71°34’.
Aus „ Winkelkurven“ ae un
| BR - 0 09)36, also 0 — 619 58'
m.t.B.G.— 182,0. = 0,31.
"mp.S. = 0,50 :
mb 031 |
m.G.A, = 0,19. |
420 ALBERT Koch,
Versuch 18 (vgl. Fig. K 18).
Tabelle a.
Stunden | Minuten Stand Differenzen | Ordinaten u—0 Bemerkungen
9 2600 185 V. aber sehr
3200 57 + 128 —12,8 +7 bald H.
320: or
3800 41 —146 —27,4 +2
38% 195
4400 45 —150 —42 4 +3
4405 188
5030 55 — 133 —55,7 +7
5035 188
5690 55 —133 — 69.0
56% 186 | +2
10 130 46 — 140 — 83,0
630 56 131 — 96,1 +1
635 196
1290 55 —141 —110,2
1205 192
172 41 —151 — 125,3 +1
1750 196
2520 44 —152 | —1405
Zar 185
2930 48 —137 —154,2 +3
2938 195
3500 48 —147 — 168,9
8596 188
4030 47 — 141 — 183,0
40” 195 : :
46° 49 —146 —197,6
1604 188 de
5130 49 Be ls — 211,5
5135 186
59790 39 — 147 — 226,2
5705 187
11 230 40 = 147 — 240,9
Tabelle b.
Stunden | Minuten [Differenzen durchschn. pass. Produkte —o
f Sinkgeschw. #
9 2600 die durchschnittlichen
3200 6 0,45 2,70 passiven Sinkgeschw.
3800 6 0,45 :9 70 weichen nur sehr
4400 6 0,48 2,88 wenig von der mittl.
10 630 22,5 0,45 10,125 pass. Sinkgeschwin-
3500 28,5 0,46 13.110 digkeit ab; es ist des-
4030 5,5 0,45 2,475 halb nur die letztere
46°° 5,5 0,47 . 2,585 als Wegkurve dar-
11 Lge 16,5 0,45 7,425 gestellt.
Summa | 965 | | 44,000 |
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 421
M.p.S. = 0,46, also u = 7095".
Aus „Winkelkurven“:
| U— Om = 2°12', also om = 67° 53
a6.B.G.— +/_teo,, — 0.41.
m.p.S. — 0,46
m.t.B.G.= 0,41
m.G.A. = 0,05.
Versuch 19 (vel. Pig. 179).
Pabeble a
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—« | Bemerkungen
9 5900 190
10 se 195 +5 +0,5 +74,5
R00 98
To 195 +97 -—+10,2 —147
107 65
16% 199 +130 : +23,2 +138
Gre 57 =
2190 195 138 au,
21% 62 ge = \ +142
2600 195 3 ||
2605 63
Sale 424+ —21 448,2 +58,5
3507 170 —
AN 48 —122 -+36,0 +16,5 | Etwa von 40%
4335 187 ab: L(V,M,H)
4950 42 —145 —+21,5 +5
4955 188
5445 | 40 —148 +6,7 ||
5450 184 - —0,5
5915 40 —144 A)
5920 194
igs ze 40 —154 — 23,1 —3,5
yee 190
zus 50 —140 | —371 |
Mee 188
1030 39 —149 — 52,0
107: 191
1410 43 148 —66,8 5
lab 195
| 1750 54 —141 — 80,9
1925 189
A 39 —150 —95,9
abe 190
2500 50 —140 —109,9
2505 191 |
284° 45 — 146 —124,5 —4,5
2850 193 |
eee 40 —153 —139,8
3235 190
3819 36 . —154 — 155,2 42,5
38*5 197 ;
4330 46 —151 — 170,3 —1,5
499 | ALBERT Koch,
Tabelle b.
Stunden Minuten | Differenzen Ss ee Produkte u—f
9 pou
10 800 9 0,18 1,620 24
ane 19,5 0,34 6,630 7,9
3500; 7,5 0,43 3,225 2,5
4700 12 0,36 4,320 6
56° 9 0,44 3,960 15
11 om 4 0,66 2,640 —5,5
330 3,5 0,41 1.435 2,5
29% 25,5 0,74 18,870 —6
3230 3,5 0.68 2,380 —5,5
4330 11 0,51 5,610 — 1,5
Summa | 104,5 | |: 50,690]
M.p.S. = 0,49, also u = 71° 15" |
Aus , Winkelkurven“: |
u—en = 302.12, also «m = 30° 3:
Mat BG, = 4), te t= 0,12.
m.p.S. = 0,49 : |
m.t.B.G. == 0,12 |
m G.Ä. = 0,37. |
Fig. M. „Winkelkurven“ zu den Versuchen 21, 20. 1:2.
Versuch 20 (vgl. Fig. M 20).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—a | Bemerkungen
11 2515 | 190 | Y.
3830 50 —140 —14,0 +24 3590: ai
3836 173 — 41%." EL
4400 35 —138 —27,8 42.5
4406 190
4900 47 —143 — 421
4905 189
5400 47 —142 — 56,3 —]
5494 193
5910 40 —153 — 11,6
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 493,
Tabelle b.
Stunden Minuten Differenzen Fee Produkte u—B
11 2500
3000 5 0,27 1.35 +11,5
3200 2 0,40 0,80 +95
aoe 1 0,43 0,43 +1
12 400 31 0,50 5,50 —2
“Summa | 39 |. 1808 |
M.p.S. = 0,46, also u = 7095"
Aus ,Winkelkurven“:
—Gm = 9°12', also an = 60°53‘
bb — ete; — 080
m.p.S. = 0,46
m.t.B.G. = 0,30
m.G.Ä. — 0416:
Versuch 21 (vgl. Fig. M22).
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand À Differenzen | Ordinaten u—a | Bemerkungen
|
5 I: 5450 M.
580% 0 H..:
5895
6 600 123,5
604
1400 422
1404
173° +1
1735
2900
2205 | +3
2615
9619
3090
30%
3400
3405
3730
eis 0 |
4130
4135
4530
| 4534
| 4900
494 ALBERT Koch,
Tabelle b.
Stunden Minuten | Differenzen durchschn. pass. Produkte u—ß
Sinkgeschw. Ÿ
5 549
5800 DD 0,58 2,030 +1
6 ane 6,5 0,60 3,900 +0,5
Hin? 46,5 0,63 29,295 0
“Summa | 565 | | 35225 |
Mem: = 0:62; also. u— 74957.
Aus , Winkelkurven“:
i, —— 12° 18', also. tq == 62°39"
MAG. = 1 12 Cn — 032
m.p.8. == 0,62
m:it.B.G. = 0,32
m.G.A. = 0,30.
22
Fig. N. „Winkelkurven“ zu Versuch 22. 1:2.
Die untere „Kurve“ stellt die Fortsetzung der oberen dar.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 425
Versuch 22 (vgl. Fig. N.)
Tabelle a.
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten «—e& | Bemerkungen
11 a | 190 | | Lig
1015 47 —143 —14,3 +3,5
OC a Esse | |
1300 48 —107 —25,0 —4 H: RL:
13% 150 H.
31.0 195 — +45 —20,5 +87
3132 174 |
ane 195 +21 —18,4 \
3219 100 +145
3550. | 198 198 >)
35° 68 |
mare 45+ —23 —10,9 +-21,5
Ste 82—
485° 186— +104 —0,5 +117
488? 120+
#2 a 143. 23 +1,8 +79,5
de 140—
1145 40 —100 —8,2 0
ES 158 |
1709 60 —98 —18,0 +10
1704 150 | |
2350 50 —100 —28,0 |
2334. 164 17
8145 40 —124 —40,4 |
314? 147
‚3700 43 —104 ! —50,8 —10
al 171
4145 44 Shen —63,5 13
4149 171
4900 39 —132 — 76,7 —+11,5
4904 155
5230 41 IM Bl 9
5235. 184 |
q 1a 39 — 145 — 102,6 +17,5
je 171
gee 40 —131 —115,7 +14
au 179
1615 40 —139 —129,6 +9,5
16! 171
9915 41 — 130 — 142,6 +45 |
2220 189
2850 40 —149 —157,5 +8
2836 El | .
a5 48 —123 —169,8 +10,5
Bee 178
4030 61 —117 - —181,5 +6
4055 183
4850 46 —137 —195,2 +14
484 172
Haan Sl —121 — 207,3 42,5
| 53% 161 | |
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol.
28
426 ALBERT Koch.
Stunden | Minuten | Stand f Differenzen | Ordinaten =e |Benerkungen
5950 39 —122 —219,5 +11
ag 170
2 645 43 —127 — 232,2 —12,5
ue 171 |
1210 43 —128 —245,0
1215 178 +6
1800 39 —139 — 258,9
ihe Ye 177
2500 39 —138 — 272,7 +9
2505 173
3900 50 —123 285,0 412.5
3205 184
3630 45 —139 —298,9 0
3634 172
4300 54 16 310,7 4185
4305 174
5025 38 136 324,3 ni |
5030 +178 53%. V,,
600 45: 2455 337,6 16 schließlich
56% 181 aber wieder
3 030 45 —136 —351,2 0 H.
054 173
020 35 —138 — 365,0 +10,5
1 176
1130 48 —128 — 371,8 0
Liss 177
1890 46 —131 —390,9 +11
18% 169
2400 51 118 —402,7 +9
2404 178
2850 43 —135 — 416,2 +2
2835 180
3330 65 —115 —4297,7 46,5
3338 169
3930 43 126 —140,3 |]
3935 174 485
4530 42 132 Bar |
4535 179
5090 57 122 —465,7 | vorüber-
5004 178 +4 gehend V.
5515 45 ir —479,0 |)
Hot? 180
4 200 50 —130 —492,0 —11
Zu 185
830 41 —144 —506,4 +8
ore 179
141° 46 —133 —519,7 +6
1415 176
1950 52 — 124 —532,1 435
190% 176
2630 42 14 —545,5 | +12
2635 177
3130 45 —132 —558,7 +4,5
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 427
Stunden | Minuten | Stand | Differenzen | Ordinaten u—@ | Bemerkungen
DAS 176
3715 50 —126 —571,3 +6,5
30 186
4530 40 —146 —585,9 +12,5
45%5 178
5020 44 —134 —599,3 +2,5
5076 180
5600 39 —141 —613,4 4
56% 180
5 Bee 38 —142 — 627,6 +7,5
280 180
20 41 —139 — 641,5 +11,5
3 184
1500 58 —126 — 654,1 —+-4,5
1908 184
2350 38 —146 | —668,7 +14,5
2:0 184
28°° 46 —138 —682,5 +1,5
28°5 186 |
3430 48 —138 — 696,3 +7
34°5 185
4000 49 —136 — 709,9 +5
4005 180
4500 41 —139 —1238 | +3
4505 182
503° 42 —140 — 737,8 +4,5
5035 14 :
aioe 48 —129 —750,7 +10
5705 181 vorüber-
6 0:5 43 — 138 — 164,5 —35 | gehend V.
pee 185 |
600 41 —144 — 118,9 |
6% 180 3 . +4,5
1150 43 _137 792.6 |)
1135 182
16°° 46 —136 — 806,2 +3,5
1623 . 185
2170 50 —135 —819,7
mee 171 +4,5
21400 45 * —126 — 832,3
2798 182 vorüber-
3102 41 —141 — 846,4 0 gehend V.
ar 179 |
34% 48 _ —131 —859,5 —4,5
3495 183
3830 43 —140 —873,5 +1,5
38°5 181
4330 47 —134 — 886,9
ee a re | | +3,5
48°° 51 —121 —899,0
4895 181 vorüber-
Bist 51 —130 — 912,0 —2,5 gehend V.
nl 180 vorüber-
gehend V.
28*
428 Auzerr Koch,
Stunden | Minuten | Stand il Differenzen | Ordinaten u—& | Bemerkungen
543° 45 —135 — 925,5 —4,5 vorüber-
5435 173 gehend V.
58° 43 —130 —938,5 —1,5
5895 185
7 a DL” —134 — 951,9 —t
a0 183 vorüber-
62° 43 —140 —965,9 —5 gehend V.
0e 182
ih hee 44 —138 —979,7
a 1400 183
pou 40 —143 — 994,0 +2,
1605 180
2050 48 —132 —1007,2
2055 183
2500 60 ._ —123 —1019,5
2504 187°
2980 52 —135 —1033,0 +1
i Pee | a, 185 .
| gue 42 —143 | .—1047,3 |
Tabelle b.
Stunden Minuten Differenzen durchsehn. pass. Produkte —
Sinkgeschw.
tt Dae
4200 wo 0,70 ‚5,25 035
2 5200 219,5 0,54 118,53 0
5690 4 0,88 3,52 —6,5
3 2400 28 0,53 14,84 +0,5
2890 4 0,86 3,44 —6
4800 20 0,51 10,20 +1
5009 2 0,88 1,76 —6,5
5 57° 127 0,50 63,50 —+1,5
6 on 3 0,85 2,55
21% 27 0,50 13,50 +1,5
aoe 4 0,83 3,32 —6
3400 3 0,78 2,34 —5
4800 14 0,49 6,86 +1,5
2409 6. 0,84 5,04 —6
56° 2 0,47 0,94 .. +25
580° 2 0,83 1,66 —6
7 ER 5 0,48 2,40 a2
600 3 0,82 2,46 —5,5
3700 31 0,50 15,50 +41,5
Summa | 512 | 277,61 |
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 429
Nips. —— 0.54, also iu — 72°51’.
Aus „Winkelkurven“: |
Mm = 16°36', also an — 56° 15!
mtb6: to a, — 0,25.
m.p.S. = 0,54
m.t.B.G. = 0,25
m.G.A. = 0,29.
Die Versuche 23—25, die durch die folgenden Protokolle
‚wiedergegeben sind, unterscheiden sich dadurch von den Versuchen
1—22, daß die passive Sinkgeschwindigkeit allmählich in
eine Steiggeschwindigkeit übergeht oder daß die schon bei.
Versuchsbeginn vorhandene Steiggeschwindigkeit während der Sub-
mersion größer wird. Diese Versuche, von denen nur eine Auswahl
hier aufgenommen ist, sind nicht alle in derselben Weise wie die
Versuche 1—22 durchgeführt: von Versuch 24 und 25 sind im
Folgenden nur die Protokolle, die für die passive Bewegung in
Betracht kommen, aufgenommen.
|
23
1908
ER
pis 1022
—ı
à
1
(
I
|
{
I
I
{
I
|
I
J
Fig. O. „Winkelkurven“ zu Versuch 23. 1:2.
450 | Auzerr Koch,
Versuch 23 (vgl. Fig. O).
Tabelle a. 1
Stand . Diffe-
renzen
Minuten
Stunden Ordinaten Bemerkungen
(Vgl. hierzu die Be-
merkungen in Ta-
+97 +9,7 +58 _ belle b).
+93 +19,0 | —+-82,5
+118 +30,8 | -+82,5
+129 +-43,7 +63,5
+70 | <+50,7 | +76
+72 57,9 +61
+135 +71,4 —+68,5
+51 +765 | +41
+60 +82,5 +28
+51 +87,6 \
+61
+84 | +960 |
1950: Luftblase an
+108 | +106,8 | +59 Atemröhre.
50 111,8 | +65,5
oo je Luftblase größer ge-
+113 | +123,1 +70 worden.
2645: Luftblase ab-
. +88 131,9 47 gegeben.
je 9 3800. neue Luftblase
+100 | +141,9 an Atemröhre.
Luftblase wird größer.
+133 | +155,2
+116 | 166,8
+119 | +178,7 +50
Luftblase wird größer.
+124 | +191,1 +63 Luftblase abgegeben.
+112 | +2023 +58 280. Neue Luftblase
an Atemröhre.
+126 | +2149 +52 Luftblase kann ver-
größert und ver-
kleinert werden.
3900: Luftbl. abgegeb.
+123 | +227,2 +56,5 [Neue Luftblase an
Atemröhre.
+108 | +238,0 +60 [Sehr große Luftblase
an Atemröhre.
Neue Luftblase an
+60 Luftblase abgegeben.
| Atemröhre.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 431
In der Tabelle b sind die Sinkgeschwindigkeiten durch vor-
gesetztes minus (—), die Steiggeschwindigkeiten durch plus (+) ge-
kennzeichnet. Wenn die passive Geschwindigkeit als Null angegeben
ist, so wurde ein nichtmeßbares Sinken oder Steigen oder
auch beides in demselben Intervall beobachtet, so daß in beiden
Fällen praktisch ein Schweben an derselben Stelle vor-
gelegen hat.
Tabelle b.
L TL Mie saad LE be 2
E LE |.8 1805| & =
= = ne = Bemerkungen
hehe pees Rs ig
SON Pcie eee enon eee
10 gis
16° | 6,75] —0,29 | —1,9575} —54,5
1830 2,5 | —0,23 | —0,0575 | —49
2199 | 25 | —0,17 | —0,0425} —40,5
rc pee, E —0,31 | —2,48 — 56,5
36° 7 —0,29 | —2,03 —54,5
50° | 14 —0,25 | —350 | —51
11 eo 1-10 —0,12 | —1,20 —30,5
400 | 4 —0,13 | —0,52 —33
goo |" 4 —0,08 | —0,32 —20.5 |
1750 | 95 | —0,05 | —0,475 | —11.5 | Luftblase an Atemröhre
2500 7,5 0 5
2000 2 +0,03 | —0,06 +15,5 | Luftblase abgegeben
3000 | 3 0 5
40° | 10 +0,06 | +0,6 +25,5 | neue Luftblase an Atemröhre
47% 7 +0,12 | 40,84. | +41,5
52300 5 —0,13 | +0,65 +43,5 | Luftblase abgegelen
12 A ale, 0 5 neue. Luftblase an Atemröhre
16011712 —-0,08 | +0,96 +31
2400 8 OF a: +5 Luftblase abgegeben
320 8 140,12 | +0,96 —41,5 | neue Luftblase an Atemröhre
3900 7 —0,07 | +0,49 +28 Luftblase abgegeben
4500 | 4 0 +5
ARTE 0 +5 |
530 | 55 | +0,18 | +0,99 | +53 neue Luftblase an Atemröhre
1 UCR Feeds +0,23 | +1,61 +60
ose 9 +0,29 | +2,61 +66 Luftblase wird dauernd größer
Summa {179,15 | | —2,8125 | |
M.p.S. = —0,016, also u = 5° 29.
Aus „Winkelkurven“:
| fon, — 59° 42°, also om — 54°13!
m.t.B.G. = 4/,tgo, — -+0,231.
m.P.S. —
m.t.B.G =
0,016
on! at
m.G.A.— 0,247 — 0,25.
432 | Arserr Koch,
Versuch 24 (vol. Fig. P 24).
a | g S | 35% = ie
= = 3 2 oS E B 2
= = > aba = | emerkungen
3 = £ CARE 2 I
2 Ta eee
Bop oe?
4 400 7 0,01 0,07 —65
143° | 10,5 0,03 0,315 | —58
39° | 24,5 | -+0,09 2,205 | —40
HIE Bae 0,15 0,30 —26
12 1,5 | —-0,24 0,36 —13
17200029 +0,25 2,25 —12
5 0° | 85] -+0,28 2,38 —9
700 7 —+-0,35 2,45 —4
1320576 0,40 2,40 —1
1900 | 6 10,39 2,34 215
2400 6) 0,47 2,35 +2
2800 4 +0,44 1,76 +1 32°°: Luftblase an Atemröhre
41013 +0,50 6,5 +3,5 ;
56°° | 15,5 | -+0,71 11,005 +8,5 | 49°°: diese Luftblase an Körper-
6 700 | 10,5| +1,11 11,655 13 haare geheftet
2400 7 +1,33 931 +14,5 | viele Luftblasen an Körperhaaren
Summa |157 | | 57,68 | |
- Mp.G. = +0,42.
Versuch 25 (vgl. Fig. P 25).
= : D td
= LE fae eo Rca Cid N
= E © 423 = | Bemerkungen
oS el Sr mi re £
EN D B= CAE = =
i Ce a EU
i opel Ee
20% 6 0 —64
3000 | 10 | 0,05 05. .| —47
3200 | 2 0,1 0,2 — 382.5
36% 4 0,2 0,8 —13,5
3900 3 0,25 0,75 -
4500 6 0,25 ASO tps
50% 5) 0,3 1,0 3
55° 5 0,3 1,5 } Pa Luftblase an Atemrühre
EB RR ge 5 0,4 2 +3
5 5 0,5 2,5 +7
vet Panay 0,6 2,4 | +10 Luftblase größer geworden
120% 3 0,7 2,1 —12
1500 3 0,9 A) | +15 Luftblase noch gré8er geworden
18% 3, 14 3,3 +1
Summa | 64 | I 21,75 |
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 433°
Zweiter Teil.
IV. Die Kompensationsverhältnisse.
Um die oben beschriebenen Versuche anstellen zu können, war
es natürlich von grundlegender Bedeutung, genauen Aufschluß über
die Kompensationsverhältnisse der Culex-Larven zu erhalten,.
d. h. festzustellen, ob dieselben passiv nach oben oder unten
schwimmen. at |
Auf. Grund gelegentlicher Beobachtungen auf Exkursionen oder
an Culex-Larven, die sich oft zufällig in Laboratoriumsaquarien be-
fanden, war es mir nicht möglich, ein endgültiges Urteil darüber
_ Zu bilden, ob die Larven normalerweise über- oder unterkompen-
siert, d. h. leichter oder schwerer als Wasser sind. Es schien mir,
als seien bei weitem die meisten Larven unterkompensiert gewesen..
Dieser Beobachtung widerspricht die Stelle einer kleinen Mitteilung
von WESENBERG-LUND (1908), in der es von den Culezx-Larven heißt:
„Sie sind leichter als das Wasser und steigen, sobald ihre
schlängelnden Bewegungen aufhören, passiv zum Wasserspiegel“
_(Separatum, p. 4). Und eine andere Stelle derselben Veröffentlichung‘
sagt: „Übereinstimmend mit dem Aufenthalt am Wasserspiegel ist
der Körper leichter als das Wasser“ (l. c., p. 6). |
Es wurde also deshalb notwendig, die Kompensationsverhältnisse-
eingehend experimentell zu prüfen. Ich habe zu diesem Zweck im
ganzen 131 Larven einzeln auf ihr Verhalten beim passivem
Schwimmen untersucht. Von diesen 131 Tieren waren:
484 ALBERT Koch,
112 unterkompensiert (also Larven mit passiver Sink geschwindig-
keit), ies |
5 „schwebten“ (d. h. sie hatten keine meßbare passive Ge-
schwindigkeit) und —
14 überkompensiert (also Larven mit passiver Steig geschwindig-
keit).
Es waren somit bei meinen Versuchen:
85,5 v. H. deutlich unterkompensiert,
10,7 v. H. deutlich überkompensiert,
3.8 v. H. weder unter- noch überkompensiert.
Einen Anhaltspunkt für diese Untersuchungen über die passive
Bewegungsgeschwindigkeit gab mir u. a. die Arbeit von WESENBERG-
Lunp (1912), in der er seine „biologischen Studien über Dytisciden“
beschreibt und in der er (p. 63—65) auch auf die Kompensations-
verhältnisse zu sprechen kommt: die Struktur des Körpers,
der Füllungsgrad des Darmes, die Luftmenge der
Tracheen sollen im wesentlichen für die Kompensation der Dy-
tiscus-Larven von bestimmendem Einfluß sein. Ich will — daran an-
schließend — meine Versuche an Culex-Larven auch unter diesen
drei Gesichtspunkten besprechen. Dabei muß man aber von vorn-
‚herein bedenken, daß die Kompensation des Tieres stetsdurch
dasZusammenwirken aller dafür in Betracht kommen-
den Komponenten zustande kommt und daß natürlich nur unter
den ausgesuchtesten Laboratoriumsbedingungen der Fall
-eintreten wird, daß zwei oder gar einer der aufgeführten Punkte
allein fiir Uber- oder Unterkompensation der Larve von aus-
Schlaggebender Bedeutung sein kann.
1. Grébenverhaltnisse.
Uber das Verhalten planctonischer Organismen im Wasser gibt
'bekanntlich die Formel Aufschluß (vgl. Sremrezz u. Koch, p. 332):
© Übergewicht” ag
innere Reibung des Wassers - Formwiderstand.
‚Sinkgeschwindigkeit —
Der Formwiderstand wird bei Culex während der Submersion
-eventuell dadurch stark verändert, daß das Tier aus seiner nor-
malen Vertikallage, die es — am Wasserspiegel hängend — Stets
“einnimmt, schließlich zu einer völligen Horizontalstellung übergeht.
Wir werden auf diese Eigentümlichkeit in einem weiteren Abschnitt
‚Eiufluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 435
ausführlich zurückzukommen haben. Für eine erstmalige Ge-
schwindigkeitsmessung — und nur auf solche Bestimmungen beziehen
sich die oben zusammengestellten Zahlen aus den 131 Versuchen —
kommen diese Lageänderungen nicht in Betracht; denn alle Larven
nehmen bei Versuchsbeginn Vertikalstellung ein; der
Formwiderstand muß also bei allen Tieren im wesentlichen der
gleiche und die passive Geschwindigkeit — bei Verwendung des-
selben Versuchswassers — abhängig vom Gewicht der einzelnen
Larven sein.
Inwiefern dieses Gewicht wiederum zu der Größe der Larven
in Beziehung steht, geht aus Tabelle 6 (S. 436) hervor. [Es sind
immer nur solche Larven miteinander verglichen worden, die vorher
unter denselben Bedingungen gelebt haben (also z. B. nur
Larven aus einem Aquarium, bzw. aus derselben „Hunger-
kultur“ usw.), auch sind die zu einer Versuchsgruppe gehörenden
‘Tiere möglichst zu gleicher Zeit untersucht und immer nach ruhigem
Atmen am Wasserspiegel gefangen worden.| Der Größenbestimmung
einer Larve wurden drei Messungen zu Grunde gelegt, und zwar
wurden festgestellt:
1. die „Gesamtlänge“ (vom Kopf bis zur Spitze der — in
die Längsachse des Körpers gebogenen — Atemröhre),
2. die „Kopfbreite“ (gemessen in der Höhe der Augen),
3. der „Querdurchmesser der Atemröhre“ (gemessen an
der Ansatzstelle derselben).
Messung 1 wurde so vorgenommen, daß die Larve (ohne Wasser)
auf einen Objektträger mit Maßstab (Zeıss) gelegt wurde; 2 und 3
sind unter dem Mikroskop mit dem Okularmikrometer 2 (Leızz) ge- —
messen worden.
Versuch 26 (Tabelle 6) zeigt, dab die Sinkgeschwindig-
keit im großen ganzen den Größenverhältnissen der
Larven proportional abnimmt.
Die in der 3. und 4. Zeile stehenden Zahlen geben Versuche
mit Larven wieder, die in dm Gesamtumfange des Körpers
ungefähr gleich gewesen sind; denn die Larve aus Versuch 3 ist zwar
in der Gesamtlänge etwas kleiner, dafür aber in der Breite ent-
sprechend stärker als Larve 4. Die Übereinstimmung in der Sink-
geschwindigkeit beider Larven dürfte daher vielleicht mehr als
reiner Zufall sein.
436 ALBERT Koch,
Versuch 26.
Tabelle 6.
Larven aus Aquarium mit reichlich Algen, in dem die
Tiere seit 2 Tagen mit fein zerriebenen getrockneten Daphnien ge-
füttert worden waren.
passive Sinkgeschwindigkeit; k Quer-
N 1. Beobachtung nach Einführung Se Kopfbreite ar >
* ‘ | der Larve in die Versuchsröhre; in aa in mm Aie
Wasser aus der Wasserleitung ee
1. —1,25 8 1,5 0,36
2. ~—1,19 ‚8 1,4 0,34
3. —0,66 6 1,4 0,32
4. —0,66 6,25 1,2 0,27
9. —0,31 5 1,3 0,32
2. Füllungsgrad des Darmes.
Ebenso wie die absolute Größe des Tieres muß natürlich auch
das Gewicht des Darminhalts auf die Kompensationsverhält-
nisse einen Einfluß ausüben. Eine Larve (Gesamtlänge: 7 mm,
Querdurchmesser der Atemröhre 0,3 mm), die etwa eine Woche lang
in einem mit Leitungswasser gefüllten, offen stehenden Glasschälchen
ohne Futter gelebt hatte und die vor dieser Zeit deutlich unter-
kompensiert war, zeigte bei der Geschwindigkeitsmessung nach
dieser „Hungerperiode“ keine meßbare passive Bewegung mehr: sie
„schwebte“. Der Darm war mit einer grauschwarzen Masse schwach
angefüllt (es handelte sich wahrscheinlich um Staub- und Schmutz-
partikelchen, die in das Schälchen gefallen und von der Larve ge-
fressen worden waren), und am After hing ein relativ langer Kot-
faden als Zeichen irgendwelcher Verdauungsstörungen.
Diese und ähnliche Beobachtungen veranlaßten mich, syste-
matische Untersuchungen mit Larven in solchen ,,Hungerkulturen“
anzustellen.
Versuch 27.
Am 11/9. wurden dem Wasser einer Regentonne, in der seit
langerer Zeit Larven geziichtet worden waren, 20 Exemplare ent-
nommen und sofort auf ihre Kompensationsverhältnisse untersucht.
Es waren:
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 437
7279. 11°° Uhr. vorm.
11 deutlich unterkompensiert,
5 schwach unterkompensiert,
4 deutlich überkompensiert.
Alle Larven blieben dann 24 Stunden in einem mit destilliertem
' Wasser (von derselben Temperatur wie das der Regentonne) ge-
füllten, oben mit Watte verschlossenen ERLENMEYER-Kolben stehen
und wurden nach dieser Zeit wieder untersucht. Es waren jetzt:
12./9. 113° Uhr vorm.
12 deutlich unterkompensiert,
1 „schwebte“,
5 deutlich überkompensiert,
2 tot.
Die Zahl der (deutlich und schwach) unterkompensierten Tiere
hatte somit binnen 24 Stunden um 4 abgenommen, und statt 4
waren jetzt 5 Tiere deutlich überkompensiert. Das summarische
Ergebnis sprach also für einen Übergang von Unter- in
Überkompensation.
Da mit dieser Anordnung des Versuchs aber kein exakter Be-
weis für das Verhalten der einzelnen Larven erbracht war, so
kam jetzt jedes der noch lebenden 18 Tiere in ein besonderes
Reagenzglas, das mit Aqua destillata gefüllt, mit einem Wattepfropf
lose verschlossen und nummeriert wurde. Nach weiteren 7 Tagen waren
von den ursprünglichen 20 Larven nur noch 2 am Leben (keine
war verpuppt). Täglich wurden (ohne die Tiere aus den Getäben
herauszunehmen) die Kompensationsverhältnisse einer jeden Larve
geprüft. Die dabei gemachten Beobachtungen sind in der Tabelle 7
wiedergegeben.
In der Tabelle 8 ist dann für denselben Versuch das
summarische Ergebnis zusammengestellt. Die in Klammern
stehenden Zahlen geben an, wieviel von den durch die davorstehende
Zahl bezeichneten Larven die en Kompensation nur schwach
zeigten.
Aus Tabelle 7 ersieht man, daß end der Hungerperiode in
keinem einzigen Fall em on in Schwebezustand oder gar
in Unterkompensation zu Lebzeiten des Tieres übergegangen ist.
Hingegen waren von 11 unterkompensierten Larven vor ihrem
Tode 6 leichter als Wasser geworden; auch die „schwebende“ Larve
438 ALBERT Koch,
Tabelle 7.
Die Beobachtungen wurden in der Zeit vom 13.—19./9. jeweils
zwischen 11 und 12 h vormittags angestellt.
+ bedeutet: überkompensiert.
— bedeutet: unterkompensiert.
0 bedeutet: schwebt.
Kompensationsverhältnisse in „Hungerkulturen“.
No. 13./9. 14.9. 15./9. 16./9. | 77.0. 18./9. | 19.9.
1; — — — — — schwaeh | — schwach | — tot
2. = = = = te + T
3. + + —— = + —+ tot — tot
4. eee 2. Ee + a + tot. tee
5. + + + — tot — tot — tot — tot
6. +. + — — tot — tot — tot — tot
u — _ — — — — — tot
8. — — — a — schwach | — schwach | — tot
Be a a + a
10. 0 - os + — tot — tot — tot
11. = == + ne =: — tot — tot
12. |— schwach |+ schwach 2 + — tot — tot — tot
13. + = — tot — tot — tot — tot — tot
14. — 0 + + — tot — tot
15. = = > au —sehrschwach]— sehr schwach] — tot
16. — —— + -|- + — tot — tot
17 + + ae + tot + tot — tot + tot
18. | — — I - | = — | — — tot
Tabelle 8.
Gesamtzahl Zahl der
No. Datum _ 0 - der noch
Toten Lebenden
1, 11/9: 16 (5) = 4 | — 20
2. 12./9. 12 1 5 2 wi
>. 13.9. 11(1) 1 6 2 18
4. 14./9. if 1 10(1) 2 18
5, 15./9. 6 — 11 3 17
6. 16./9. 6 — 8 6 | 14
4, 17.0, 5 (3) -- 7 8 12
8 18.9. 5 (3) a 2 13 | 7
9; 19./9. — ~~ 2 18 2
war schon am nächsten Tag deutlich überkompensiert. Die Ver-
suche zeigen also, in welchem Maße der Füllungsgrad des Darmes
und allgemein der Ernährungszustand der Larve von Einfluß auf
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 439
die Kompensationsverhältnisse ist. In entsprechender Weise, wie
die ursprünglich in den Darm aufgenommene Nahrung verbraucht
wird, nimmt das Gewicht des Tieres ab. Dazu kommen während
der Hungerperiode noch die ebenfalls eine Gewichtsverminderung
bedeutenden Verluste an „lebender Substanz“, die allmählich im
Betriebsstoffwechsel zur Energieproduktion verwandt werden muß:
und nicht wieder ersetzt werden kann.
Noch deutlicher sind vielleicht diese Beziehungen aus Tabelle 8
zu ersehen. Spalte 3 dieser Zusammenstellung zeigt, daß die Zahl
der unterkompensierten Larven stetig abnimmt; in derselben Weise
nimmt die Anzahl der überkompensierten Tiere (Spalte 5) zu. In.
Zeile 5 hat sich das ursprünglich vorhandene Verhältnis von 16 (—):
4(-+-) verschoben nach 6(—):11(+). Von Zeile 6 ab geht die Anzahl
der + Larven schnell zurück, aber nicht etwa deshalb, weil wieder-
Unterkompensation eingetreten wäre, sondern weil die überkompen-
sierten Tiere früher starben als die anderen: Tabelle 7 zeigt, daß 11
Larven im überkompensierten Zustande zugrunde gingen; nur 5-
blieben bis zum Tode leichter als Wasser, und von diesen sind 3 bei
der letzten Untersuchung, also 24 Stunden ehe ihr Tod festgestellt
wurde, auch nur noch „schwach“ resp. „sehr schwach“ unterkompen-
siert gewesen, so daß es fraglich ist, ob sie nicht doch im Laufe-
der letzten Stunden noch leichter als Wasser geworden sind.
Wie experimentell bedingter Hunger, so können natürlich auch
pathologische Zustände, mit denen eine verminderte Nahrungsauf--
nahme oder erhöhter Verbrauch des Körpermaterials verbunden sein
kann, eine Überkompensation der Larven hervorrufen. In der er-
wähnten Regentonne, die als Zuchtbecken benutzt wurde, um die-
Culex-Larven möglichst natürlichen Lebensbedingungen auszusetzen,.
waren stets verhältnismäßig viel mehr Tiere überkompensiert als
in den Schmutzwasser- Aquarien des Laboratoriums, die — bei höherer-
Wassertemperatur als in der Tonne — viel faulende Pflanzen und
reiche Algenflora enthielten; ja, in den Aquarien konnte des öftern,.
auch nach eifrigem Suchen, keine einzige Larve, die leichter als-
Wasser war, gefunden werden.
3. Zustand der Tracheen.
Es bleibt nun noch übrig, die Bedeutung des Zustandes der-
Tracheen in bezug auf den Gasgehalt für die Kompen-
sationsverhältnisse zu beweisen. |
In der für die Kenntnis der Culex-Larve grundlegend ge--
440 ALBERT Koch,
wordenen (heute allerdings ergänzungsbedürftigen) Arbeit von
‘RascHKE (1887) heißt es (p. 136): „Es ist zweifellos, daß die physio-
logische Bedeutung des Sipho mit den in ihm aufsteigenden zwei
starken Tracheenstämmen nicht nur die eines Luftathmungsapparates,
sondern auch die eines hydrostatischen Apparates ist.“ Diese Mei-
aung würde allgemein mit der Ansicht der Forscher in Einklang
‚stehen, welche die Tracheen überhaupt von hydrostatischen Apparaten
‚ableiten und — wie dies PALMÉN (1877) getan hat — speziell in
dem geschlossenen Tracheensystem mehr ein hydrostatisches als ein
respiratorisches Organ sehen wollen. — Anscheinend im Gegensatz
‚dazu sagt WESENBERG-LUND (1908, 1. c., p. 6): „Als hydrostatischer
Apparat hat das Tracheensystem [von Culex| wahrscheinlich geringe
Bedeutung.“ | |
Die Culicidenlarven gehören in bezug auf ihr Tracheensystem
bekanntlich dem metapneustischen Typus (nur das hinterste
Stigmenpaar offen) an. Bei der Submersion fällt aber die Luft-
‚atmung fort, und die Larven besitzen dann ein geschlossenes
'Tracheensystem. Es liegen in diesem Fall für die Culex- |
‘Larven dieselben Bedingungen vor wie für die Larven ihrer nächsten |
‘Verwandten Mochlonyx und Corethra (vel. WESENBERG-LuND, 1908),
‘von denen die ersteren wohl vorwiegend, die letzteren aus-
schließlich ein pelagisches, von der atmosphärischen Luft unab-
'hängig gewordenes Leben führen. Für Corethra ist die hydrosta-
tische Funktion ihres zu isolierten Blasen reduzierten Tracheen-
‚systems längst erwiesen. Das noch völlig ausgebildete, metapneu-
stische Tracheensystem von Mochlonyz hat „im hinteren Teile zweigroße -
Aufschwellungen; weiter vorn im Prothorax liegen zwei große
‘’Tracheenblasen“ (WESENBERG-LUND, 1908, 1. c., p. 4), und „aller Wahr-
scheinlichkeit nach hat es große Bedeutung als hydrostatischer
Apparat“ (1. c., p. 6).
Und bei Culex-Larven ist — allerdings nur unter relativ
komplizierten experimentellen Voraussetzungen, und auch dann
nur in einer mehr indirekten Weise (s. u) — das Tracheen-
system ebenfalls einer hydrostatischen Funktion
fähig.
Insofern haben sowohl Rascake (1887) als auch WESENBERG-
Lunp (1908) recht. Zwar nicht nur der „Sipho“, sondern wohl die
ganzen Hauptstämme des Tracheensystems können bei Culex-
Larven als hydrostatischer Apparat fungieren, diese Funktion wird
aber andrerseits in der Natur, unter normalen Bedingungen, von
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 441
sehr untergeordneter Bedeutung sein, ja vielleicht überhaupt nicht
wesentlich in Betracht kommen. Interessantistnur, dab eine
bei Verwandten von Culez bis zu höchster Vollkommen-
heit ausgebildete Funktion eines Organs im Prinzip
schon in der Organisation der Culex-Larven vorhan-
den ist und experimentell zur Anschauung gebracht
werden kann, eine Tatsache, die übrigensinähnlichen
Fällen schon des öftern beobachtet wurde, und die
nur eine Voraussetzung für die Anpassungsmöglich-
keit an verschiedene Lebensbedingungen ist. —
Die eine der beiden in Versuch 27 überlebenden Larven, die
vom 17.—19./9. deutlich überkompensiert war, wurde am 19./9. in die
Versuchsröhre der Apparatur (Fig. A) eingeführt, die mit stark CO, -
haltigem Wasser gefällt war.
Versuch 28.
durchschnittl.
Stunden _Minuten passive Bemerkungen
Geschwindigkeit
10 5400 +0,10 V.
5990 —0,45 V.
Die Lage des Tieres war während des Versuches dauernd nor-
mal (vertikal); der Grund für den so schnellen Übergang von Über-
in Unterkompensation (Geschwindiekeitsänderung von 0,55 cm pro
Sek. in 5 Minuten!) kann also nur durch Gasabgabe aus dem
Tracheensystem erklärt werden. Damit ist aber schon die
hydrostätische Funktion der Tracheen bei der Sub-
mersion bewiesen.
Auch die meisten der oben wiedergegebenen Protokolle (der
Versuche 1—25) lassen zweifellos auf eine Abhängigkeit der passiven
Bewegung von dem Füllungserad der Tracheen schließen. Mit am
deutlichsten ist dies aus den Versuchen 7 und 16 zu erkennen.
Nach Protokoll 7b (vgl. Fig. E7) geht die anfängliche passive Ge-
schwindigkeit 0 während 38 Minuten Versuchsdauer in eine Sink-
geschwindigkeit von 0,42 cm pro Sek. über. Die Lage des Tieres
bleibt während der ganzen Zeit unverändert vertikal; eine Ände-
rung des Formwiderstandes kommt folglich nicht in Betracht. — In
entsprechender Weise wächst in Versuch 16 die passive Sink-
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 29
442 ALBERT Koch,
geschwindigkeit von 0,26 bis 0,83 cm pro Sek. innerhalb der ersten
40 Versuchsminuten.
Es liegen somit in allen den Fällen, in denen bei gleicher Hal-
tung des Tieres innerhalb eines bestimmten Zeitraumes Ände-
rungen in der passiven Geschwindigkeit auftreten, die Verhältnisse
genau so wie in Versuch 28. Die Geschwindigkeitsänderungen sind
natürlich zahlenmäßig nicht immer so groß wie in den erwähnten
Beispielen; nach Protokoll 1b, 6b, 18b z. B. können während des
ganzen Versuchs diese Änderungen so klein bleiben, daß — wie
oben erwähnt — aus diesem Grunde von einer graphischen Dar-
stellung der durch die durchschnittlichen passiven Geschwindigkeiten
bestimmten Wegkurve abgesehen worden ist. Aber in allen Ver-
suchen sind dauernd kleine Schwankungen in der passiven
Geschwindigkeit beobachtet worden. In dem beliebig heraus-
gegriffenen Versuch, der durch die Protokolle 17a u. b wieder- .
gegeben ist, wurden z. B. in der Zeit von 11h 48°° bis 12h 15°°
folgende Zeiten (in Sek.) für das passive Durchschwimmen der Wege-
strecke von 10 cm beobachtet: 19,2; 18,8; 18,6; 19,2; 18,4; 19,0;
18,8. Diese (wenn auch minimalen) Schwankungen sind nicht durch
Beobachtungsfehler bedingt, auch nicht etwa dadurch, daß bei
Messungen im unteren Teil der Röhre der auf dem Tier lastende
Wasserdruck durch Kompression der in den Tracheen vorhandenen
Gasmenge eine größere Geschwindigkeit der Larve bewirkt hätte
als der Druck der kleineren Wassersäule im oberen Ende des
Versuchsrohrs. Denn bei Versuchen mit kleinen Luftblasen, die
zur Kontrolle ausgeführt wurden, konnten niemals solche Unter-
schiede bei den Sinkgeschwindigkeitszahlen festgestellt werden.
Bei Versuchen (z. B. Protokoll 24), bei denen die passive Ge-
schwindigkeit zeitweise annähernd 0 war, bewirkten ähnliche mini-
male Schwankungen in den Geschwindigkeitszahlen, daß oft inner-
halb der Wegstrecke von 1 cm Über- und Unterkompensation der’
Larve mehrfach miteinander abwechselten.
Die zuletzt erwähnten Zahlen sind außerdem deshalb besonders
beachtenswert, weil sie zeigen, daß nicht nur eine Gewichtsver-
größerung und dadurch eine Sinkgeschwindigkeitszunahme infolge
allmählicher Entleerung der Tracheen stattfinden kann (Versuch 7,
16, 28 u. a.), sondern daß auch umgekehrt eine Gewichtsabnahme,
und zwar durch Vergrößerung des Gasvolumens der Tracheen, mög-
lich ist. Erst nach Feststellung dieser Tatsachen ist es überhaupt
angängig, von einer typischen hydrostatischen Funktion
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 443
der Tracheen zu reden, wenn es auch immerhin noch zweifelhaft
bleiben muß, ob eine willkürliche oder automatische Gas-
resorption und Gassecretion einzig zum Zwecke der Ge-
wichtsregulierung erfolgen kann oder nicht.
Nach meinen Erfahrungen muß ich annehmen, daß
bei: Culex-Larven der jeweilige Füllungsgrad der
Tracheen einzig und allein durch die physikalisch-
chemischen Vorgänge bei der Atmung bestimmt wird
und daß die dabei auftretende Gewichtsverschiebung,
die wiederum eine bestimmte Änderung der passiven
Geschwindigkeit der Larve nach sich zieht, nur eine
FolgedesAtmungsmechanismusist,also keinen Selbst-
zweck hat. Der Füllungsgrad der Tracheen wirkt
zwar mitbestimmend auf die passive Geschwindigkeit
der Culex-Larven während der Submersion, er muß bei
den die Hydrostatik bedingenden Faktoren in Rech-
nung gestellt werden, aber eine automatische Regu-
lation der passiven Sink- und Steiggeschwindigkeit
infolge Gasdiffusion durch die Tracheenwände — wie
es KrocH (1913) und v. FRANKENBERG (1915) für Corethra bewiesen
haben und wie es WESENBERG-LuUND (1908) auch schon für Mochlonyx
anzunehmen scheint — findet bei Culex-Larven nicht statt.
Wir werden auf diese Dinge noch zurückzukommen haben.
V. Die Lageänderungen während der Submersion.
Ebenso wie die Kompensation der Culex-Larven ist — und
zwar in noch höherem Maße — die von dem Tier während der Sub-
mersion eingenommene Lage abhängig von dem jeweiligen Füllungs-
grad der Tracheen mit Gas.
BETHE (1894, 1910) hat auf Grund zahlreicher Versuche über
die Erhaltung des Gleichgewichts bei wasserbewohnenden Everte-
braten zwischen einer passiven und aktiven Gleichgewichts-
erhaltung unterschieden. Baunacke (1912) faßt in seiner Arbeit
über „Statische Sinnesorgane bei den Nepiden“ das Resultat der
. Berue’schen Untersuchungen folgendermaßen zusammen: die ,pas-
sive Orientierung eines Tieres geschieht rein mechanisch, d. h. ohne
daß das Tier selbst irgendwie zur Erhaltung seines Gleichgewichtes
beiträgt. Diese mechanische Erhaltung der Gleichgewichtslage führt
29*
444 ALBERT Koch,
BETHE (1894) bei wirbellosen Schwimmern zurück auf zwei ver-
schiedene Ursachen. Sie beruht bei luftatmenden Schwimmern auf
der Anwesenheit zweier Substanzen von verschiedenem spezifischem
Gewicht, d. h. Luft und Körpersubstanz. Bei solchen Schwimmern
indessen, welche nicht atmosphärische Luft atmen, wird sie bedingt
durch die Körpergestalt, d. h. durch die Verteilung der Massen.
Auf diese Weise erhalten die meisten Wasserinsecten ohne eigenes
Zutun dauernd ihre Gleichgewichtslage. Die aktive Orientierung
eines Tieres aber geht stets so vor sich, daß ein Sinnesorgan (sta-
tisches Organ) das Gleichgewichtsempfinden vermittelt. Bei dieser
Orientierungsweise geschieht die Aufrechterhaltung der Gleich-
gewichtslage, sei es bewußt oder rein reflektorisch, durch aktive
Bewegung.“
Betrachten wir unter diesen Gesichtspunkten die Ode ah ven,
so müssen wir sie zu den Tieren mit passiver Gleiche
gewichtslage rechnen. Im Ruhezustand berührt die Larve be-
kanntlich mit der Spitze ihrer Atemröhre von unten her die Wasser-
oberfläche, um atmosphärische Luft atmen zu können. Die Atem-
röhre ist dabei genau senkrecht gerichtet, der aus Thorax und den
ersten 8 Abdominalgliedern (bis zur Ansatzstelle der Atemröhre)
bestehende, ungefähr geradlinig verlaufende Körperabschnitt bildet
mit der Vertikalen einen spitzen Winkel, der etwa zwischen 10°
und 40° schwanken kann (vel. dazu Fig. Q, die ungefähr den Fall
größter Abweichung der Längsrichtung des Körpers von der Vertikal-
linie darstellt).‘) Der Kopf ändert während dieser „Ruhelage“ oft
seine Stellung, er wird aber meist parallel der Atemröhre senkrecht
nach unten gehalten. Dabei ist das Labrum [Lamrerr (1910) redet
bei dieser Gelegenheit von den „Kiefern“, meint aber wohl auch
die „buschige Oberlippe“ (Rascakz (1887))| fast ununterbrochen in
Bewegung, damit es, „wie schon SwAMmMERAM?) beobachtet hat, die
fein zerteilten, im Wasser suspendierten, festen Substanzen, die dem
- Tiere zur Nahrung dienen, in den trichterförmigen Pharynx hinein-
strudelt“ Na 1887, p. 135). Das letzte, die „Kiemenblättchen“
hain Die Figuren sind Augenblicksbilder, die nach dem lebenden
Objekt (Fig. R—V während der passiven Bewegung. bei der Submersion)
entworfen Kind nachher ausgeführt worden sind. Sie sollen nur die
Haltung des Tieres, aber keine morphologischen Einzelheiten erkennen
lassen. Es sind „physiologische“ Bilder, und es wird deshalb gebeten, keinen
anderen Maßstab anlegen zu wollen.
2) Biblia naturae, Leipzig 1752, p. 144 — 148,
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 445
Fig. U.
Fig. Q—V.
Augenblicksbilder, die (in der angegebenen Reihenfolge) die Lageänderungen
der Culex-Larve während der Submersion zeigen. ca. 8:1.
446 ALBERT Koch,
(RASCHKE) tragende Segment fällt mit seiner Längsachse gewöhn-
lich nicht genau in die Richtung der anderen Abdominalglieder.
sondern bildet mit der:Atemröhre nahezu einen rechten Winkel.
Dieser Haltung, welche die Larve in der „Ruhelage“ am Wasser-
spiegel einnimmt, entspricht bei normalen Tieren immer die Lage
während der passiven Bewegung zu Beginn der Submersion, nur
ist die Atemröhre nicht mehr genau senkrecht nach oben gerichtet,
sondern unter einem Winkel von etwa 20° zur Horizontalen geneigt
(vgl. Fig. R). Ferner ist in der Regel das Abdomen nicht mehr
geradlinig, sondern nach der Seite der Atemröhre zu schwach kon-
kav. Mit fortschreitender Submersion ändert sich im allgemeinen
diese Lage in der Weise, wie es aus den Figg. S—V zu erkennen
ist. Die anfängliche Vertikallage (vgl. das V. in den „Bemerkungen“
der Protokolle), wie sie Fig. R. wiedergibt, geht durch verschiedene
„Mittelstellungen“ (M) (vgl. Fig. Su. T), in denen der Winkel, den
die Längsrichtung des Tieres mit der Vertikalen bildet, immer
größer wird, schließlich zur völligen Horizontallage (H) über, wie
sie in Fig. U dargestellt ist: das Tier schwimmt in „Bauchlage“,
die Atemröhre nach oben und mit ihrer Spitze meist nach dem
Kopf zu gerichtet, während das Analsegment schräg nach hinten-
unten weist. Wenn in den Protokollen nur der Buchstabe H an-
gegeben ist, so soll damit diese Horizontalhaltung, d. h. die
.Bauchlage“ gemeint sein. Ebenso häufig kommt es aber auch
vor, daß die Larve beim Horizontalschwimmen die „Rückenlage“
einnimmt. Sie liegt dann so, wie es in Fig. V gezeichnet ist
Atemröhre senkrecht nach unten, tiefste Stelle des Thorax und
Atemröhrenspitze in derselben Höhe, Kopf und Analsegment nach
vorn- bzw. hinten-oben gerichtet.
Neben diesen Körperhaltungen können natürlich die verschie-
densten Übergangsstadien und auch Abweichungen von den typischen
Stellungen beobachtet werden. Vor allem kann die Haltung von
Kopf und Atemröhre, den am meisten beweglichen Organen, anders
sein, als es hier beschrieben und in den Zeichnungen wiedergegeben
worden ist. Aber selbst wenn man dies alles berücksichtigt, wird
es doch noch möglich sein, eine typische Vertikal-, Mittel- und
Horizontalstellung während der Submersion zu unterscheiden.
Für die passive Bewegung ist die Körperhaltung natürlich von
sehr großer Bedeutung. In der Vertikallage ist der Formwiderstand
viel kleiner als bei Horizontalstellung. Die passive Geschwindigkeit
wird deshalb im ersten Falle bedeutend größer als im zweiten sein.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 447
Es ist bei Besprechung der Kompensationsverhältnisse (S. 434ff.)
auf diese Dinge bereits hingewiesen worden. Wenn man die Proto-
kolle und Kurven für die Versuche 1—22 unter diesem Gesichts-
_ punkte ansieht, so kann man sich leicht zahlenmäßig von der Be-
deutung dieser Lageänderungen überzeugen: nach Protokoll b für
Versuch 14 z. B. sind im ersten Teile des Versuchs die jeweiligen
Differenzen der aufeinander folgenden Zahlen für die „durchschnitt-
lichen passiven Sinkgeschwindigkeiten“:
0.49; 0,62; 0,60; 0,28; 0,24; 0,23; 0,26; 0,64; 0,68; 0.66; 0,61 cm
pro Sek.
Und wenn man in Protokoll a desselben Versuches die Bemer-
kungen über die Lageänderungen für die betreffenden Zeiten in Be-
tracht zieht, so ergibt sich daraus, daß vorwiegend die wechselnde
Körperhaltung des Tieres diese sehr großen Geschwindigkeitsunter-
schiede bedingt haben muß.
Die Erklärung für diese Lageänderungen während der Sub-
mersion, die in der Regel einen Übergang der typischen , Culex-
Stellung“ in die „Anopheles-Lage“ der Larve bewirken, ist am
Anfang dieses Abschnittes bereits angedeutet worden. Da bei der
Atmung am Wasserspiegel sämtliche Inspirations- wie Expirations-
luft die Atemröhre durchströmen muß, so sind die Tracheen des
„Siphos“ ständig mit Luft gefüllt, auch dann, wenn die Larve für
kurze Zeit diese „Ruhestellung“ an der Wasseroberfläche verläßt.
Man kann normalerweise die Gasfüllung der beiden Tracheenstimme
in der Atemröhre an dem starken Silberglanz deutlich erkennen;
zwar sind auch alle den Körper durchziehenden Tracheen — so-
wohl die Hauptstämme als auch die feinsten Verästelungen und
Anastomosen — stets hellglänzend, aber doch meist nicht so intensiv
wie die Atemröhre. Das Ende des „Siphos“ leuchtet gewöhnlich
wie ein kleiner Metallknopf, und manchmal ist am Stigma eine
kleine Luftblase sichtbar, die ihr Volumen in ziemlich weiten Grenzen
ändern kann. (Bei Culex-Larven besteht also unter
Wasser kein vollständiger Stigmenabschluß.) Ähnliche
Beobachtungen sind ja auch an anderen Insecten gemacht worden.
„Schon TREVIRANUS hat gesehen, wie die aus dem thorakalen Stigma
einer im Wasser atmenden Heuschrecke hervorquellende Luftblase
sich synchron mit den ee sunset verkleinerte und vergrößerte“
(BaBdK, 1912, p. 400).
Eine rhythmische Änderung der bei Culex sich gelegentlich
448 ALBERT Koch,
an der Atemröhre zeigenden Luftblase konnte allerdings nie beob-
achtet werden, so daß wohl anzunehmen ist, daß die Volumen-
schwankungen kein Ausdruck etwaiger Atembewe-
gungen sind. Es wurden ja bisher überhaupt noch „keine
speziellen rhythmischen Atembewegungen“ (BABAK, 1913, p. 493) bei
Culex-Larven beobachtet, selbst dann nicht, „wenn das Tier vorher
längere Zeit sein Tracheensystem nicht durchlüften konnte und
infolgedessen bei der endlichen Zulassung zur Atmosphäre förmlich
an der Wasseroberfläche festgenagelt war und sich nicht einmal
durch starke Reizung wegjagen ließ“ (Basix, 1913, p. 493). Die
meist mit dem Atemrohr in Verbindung bleibende Luftbiase kann
schon unter Wasser gelegentlich abgegeben werden, eine Tat-
sache, die bereits seit Reaumur’s Zeiten bekannt ist; denn dieser
Forscher gibt an, „daß bei der Annäherung der Mückenlarven an
die Wasseroberfläche aus den Luftröhren Luftbläschen hervordringen
können“ (zit. nach BaBdx, 1913, p. 493).
Am Boden des Wassers liegen die Larven meist flach auf dem
Untergrund, aber diese Lage ist nur dann möglich, wenn ein Boden-
belag aus kleinen Erde-, Schlamm- oder Pflanzenteilchen vorhanden -
ist, in den sie sich einwühlen oder dem sie sich mit ihren langen
Körperhaaren anheften können. Auf dem Boden eines reinen Glas-
aquariums stehen die Larven in Vertikalhaltung, den Kopf nach
unten, die Atemröhre senkrecht nach oben.
Denn der „Atemsipho“, der nur aus relativ wenig Körper-
substanz (Wand der Tracheen und äußeres Chitinskelet) besteht,
aber dabei eine große Luftmenge einschließt, wird so zum spezifisch
leichtesten Teil des Körpers. Er verhält sich daher physiologisch,
solange er noch genügenden Luftvorrat besitzt, wie eine Art „Gas-
kammer“, und ich. möchte daher von einer ,Schwimmglocken-
Funktion“ des ,Atemsiphos“ reden. Deshalb nimmt normaler-
weise — und folglich auch stets bei Beginn der Submersion — die
Larve beim passiven Schwimmen Vertikallage ein. In dem Maße,
wie der Füllungsgrad der Tracheen wechselt, ändern sich auch für
die Atemröhre die Bedingungen, die ihre ,Schwimmglocken- Funktion"
ermöglichen. Wird der Gasinhalt des „Atemsiphos“ kleiner, weil
eventuell eine Gasverschiebung nach den Körpertracheen nötig wird,
so nimmt das spezifische Gewicht der Atemröhre zu und wird schlief-
lich gleich dem der übrigen Körperteile: die notwendige Folge da-
von aber ist der allmähliche Übergang von der Vertikal- zur
Horizontallage. Die Culez-Larve ist also ein typisches Beispiel für
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 449°
die luftatmenden Wassertiere, bei denen die Verteilung von Luft
und Körpermasse allein ausschlaggebend für die jeweilige Lage des.
Körpers ist, bei denen also eine passive Gleichgewichts-
erhaltung vorliegt.
Sehr schön läßt sich die Richtigkeit dieser Behauptung beweisen
an Tieren, die bereits lange unter Wasser gehalten worden sind.
Die Larven sind dann oft im Jabilen Gleichgewicht (vgl. die-
Bezeichnung L in den Bemerkungen der Protokolle); sie schwim-
men sowohl in Vertikal- wie in Horizontallage und nehmen auch
alle Mittelstellungen ein. Macht aber das in einer beliebigen Lage.
schwimmende Tier eine oder mehrere Zuckungen — und zwar
brauchen das nur unwirksam bleibende Schwimmstöße zu sein —,
so wird nach Aufhören dieser Körperbewegungen gewöhnlich eine
andere Stellung beim passiven Schwimmen eingenommen, weil infolge-
der Muskeltätigkeit die noch in den Tracheen vorhandene Luft und
somit auch der Schwerpunkt des Körpers verlagert worden ist.
Man kann übrigens aus dieser Tatsache auch den Wert der
allgemeinen Körperbewegungen für die Durchmischung
des Gasgehaltes in den geschlossenen Tracheensystemen ersehen,
wie das in gleicher Weise auch für die Atmung mit offenem Tracheen-
system gilt. Die Körperbewegungen haben im ‘ersteren Fall aber-
größere Bedeutung; denn bei Tieren mit geschlossenem Tracheen-
system sind bisher noch keine speziellen Atembewegungen
beobachtet worden, „durch die der Umfang der einzelnen Körper-
segmente geändert“ und „durch die irgendwelche regelmäßige, genau:
gerichtete Strömung der Luft in diesem Tracheensystem hervor-
gebracht würde“ (Basix, 1912, p. 407).
. Da die Larve auf anormale (d. h. nicht-vertikale) Lage während
der Submersion nicht durch Lagekorrektionsversuche reagiert, und
zwar auch dann nicht, wenn alle anderen Reize (durch Berührung,.
Erschütterung, Beschattung usw.) noch normal beantwortet werden,
so muß man der Larve wohl jede aktive Orientierungsfähigkeit
durch besondere statische Organe absprechen. Die mannigfachen,
schon von Hatter (1878) und RascHKe (1887) beschriebenen Haar--
gebilde, die dem Körper aufsitzen, dienen wehl nur zur Perception
mechanischer und chemischer (?) Reize.
Aus den „Bemerkungen“ der Protokolle geht hervor, in welcher
Weise die oben beschriebenen Lageänderungen bei den Versuchen
in den verschiedenen Gewässern vor sich gegangen sind. Eine Zu-
sammenstellung der Ergebnisse findet man außerdem in Tab. 26, Ss At Gel
450 ALBERT Koch,
VI. Mechanik der Schwimmbewegung.
Die „Schwimmglocken-Funktion“ der Atemröhre spielt nicht
nur bei der passiven, sondern auch bei der aktiven Bewegung
der Larve eine große Rolle. Über die Mechanik der Schwimm-
bewegung existieren m. W. überhaupt noch keine exakten Angaben.
Nach Lampert (1910) war es ScHMIDT-SCHWEDT, der den — wohl
„etwas wenig wissenschaftlichen Begriff „Purzeln“ für „die eigen-
artigen Bewegungen, deren Einzelheiten bei der
Raschheit derselben das Auge nicht zu unterscheiden
vermag“(!) (LAmPperr, 1910, p. 146) in die Literatur hineingebracht
hat. „Gleichsam übereinander purzelnd kugeln die
Larven im Wasser umher, um jedoch bald wieder in lang-
samen seitlichen Schlägen des Körpers, das Hinterende voran, an
die Oberfläche zu kommen“ (Lampert, |. c.). LAMPERT hat damit
sicher sehr anschaulich das Verhalten der Culiciden-Larven nach
einer Erschütterung des Wasserspiegels beschrieben, aber mit dieser
Darstellung die physiologischen Vorgänge beim Schwimmen natür-
lich keineswegs analysiert.
In der vergleichenden Physiologie hat man bei der aktiven Be-
wegung in erster Linie zwischen Stoß- und Zugbewegung zu
unterscheiden. Denn „selbständige Fortbewegung des Körpers über-
haupt kann nur dadurch erreicht werden, daß die von den Be- :
wegungsorganen produzierte Energie dazu verwandt wird, auf das
umgebende Medium oder die Unterlage einen Zug oder Stoß aus-
zuüben, der durch die Gegenwirkung den Körper in Bewegung setzt“
.(STEMPELL u. Koch, 1916, p. 295).
Die Schwimmbewegung der Culiciden-Larve ist eine typische
wurmförmige oder schlängelnde Bewegung, die sich als einfache
‚Stoßbewegung auffassen läßt. Die Einzelheiten bei der die Fort-
bewegung verursachenden Muskeltätigkeit lassen sich deutlich er-
kennen in dem der Asphyxie kurz vorhergehenden Stadium bei der
Submersion; denn zu dieser Zeit finden nur gelegentliche, ganz lang-
sam ausgeführte Schwimmbewegungen statt.
Aus anfänglicher Vertikalstellung führt die Larve mit dem
Abdomen einen genau seitlich (d.h. senkrecht zu der durch die
Lage von Atemröhre und letztem Abdominalglied bestimmten Ebene)
gerichteten Schlag aus, beispielsweise nach links, und dreht dadurch
ihren ganzen Körper um etwa 45° gegen die Ausgangsstellung. Der
Drehungsmittelpunkt liegt dabei ungefähr an der Verbindungs-
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 451
stelle zwischen Thoracalsegment und erstem Abdominalglied. Von
dieser Stellung aus schlägt jetzt die Larve mit dem Abdomen nach
der entgegengesetzten Richtung und bringt dadurch ihren Körper
in eine Lage, die um denselben Winkel aus der Vertikalstellung
nach rechts gedreht ist, wie es die vorige nach links war. Dann
folgt wieder eine Drehung nach links, von da aus wieder nach rechts
usw. Die Larve nimmt nun aber bei diesen seitlichen Ausschlägen
nicht eine völlig stockförmige Haltung ein, sondern schlägt mit der
Mitte des Abdomens etwas weiter nach der Seite als mit dem Ende
desselben, so daß eine C-förmige Krümmung bei den Ausschlägen
entsteht.
Diese Krümmung kommt dadurch zustande, daß in der Muskulatur
der einen Seite eine Kontraktionswelle erzeugt wird, die vom Kopf
nach dem Körperende zu über das Abdomen verläuft und welche
die Larve auf dieser Seite einkrümmt. Dabei wird von der anderen,
nicht kontrahierten Seite aus ein Stoß nach außen und nach vorn
(d.h. nach dem Kopf zu) auf das Wasser ausgeübt, der sich mathe-
matisch in eine genau seitwärts und eine nach dem Kopfe zu (also
vertikal nach unten) gerichtete Kraftkomponente zerlegen läßt. Die
letztere treibt den Körper, mit der Atemröhre voran, senkrecht nach
oben, während die seitlich gerichtete Komponente die Larve aus
der Vertikallage herauszudrehen sucht. Wird diese Kontraktion
mehrmals hintereinander auf derselben Seite erzeugt, ohne daß
auch Kontraktionswellen auf der anderen Körperseite gebildet werden,
so dreht die Larve sich dabei völlig um und steht schließlich, mit
dem Kopfe nach oben, wieder senkrecht im Wasser. Eine solche
Drehung muß immer zuerst stattfinden, wenn die
Larve von ihrer Ruhestellung am Wasserspiegel aus
nach unten schwimmen will. Wenn aber die Kontraktionen
auf beiden Seiten regelmäßig miteinander abwechseln und dabei
sehr schnell aufeinander folgen, so wird die Drehwirkung der
seitlich gerichteten Komponenten gegenseitig aufgehoben, und die
Larve schwimmt senkrecht nach oben, wenn der Kopf
nach unten gerichtet ist, und nach unten, wenn der
Kopf nach oben, die Atemröhre nach unten zeigt. Das
Tier wendet sich beim aktiven Schwimmen mit den Augen also immer
der Richtung zu, aus der es zu entkommen sucht und aus der ihm
eventuell Gefahr droht. Den Augenblick, in dem beim Aufwärts-
schwimmen die Berührung mit dem Wasserspiegel erreicht wird,
stellt die Larve mit den sehr empfindlichen Chemoreceptoren der
452 ALBERT Koch,
Atemröhre (siphonalen Receptoren, BABÂK) fest (und nicht etwa mit
den Augen!).
Nimmt die Larve nicht genau Vertikalstellung ein, so schwimmt
sie, unter beiderseits gleich starken Ausschlägen, in schräger
Richtung; liegt sje wagrecht, so schwimmt sie in einer horizon-
talen Ebene, wenn sie sich nicht vorher durch einseitig gerichtete
Schläge in die Vertikalebene zuriickdreht. Beschwert man das
Ende des Körpers, etwa durch Anbinden eines kleinen Fadens an
das letzte Abdominalglied oder die Atemröhre, so gelingt es der
Larve nicht, ihr Körperende so weıt herumzudrehen, daß sie in
Vertikallage kommt. Die Folge davon ist, daß sie nicht mehr
aktiv aufwärts, sondern nur noch in der Horizontalebene
und eventuell abwärts schwimmen kann.
Aus diesem Versuch geht die Bedeutung des spezifischen
Gewichtes der Atemröhre für die aktiven Schwimm-
bewegungen deutlich hervor. |
Eine die Vertikalstellung einnehmende leer kann schon durch
geringe Muskeltätigkeit, und auch dann noch, wenn die Knergie-
produktion im Laufe der Submersionsversuche bereits sehr zurück-
gegangen ist, erfolgreich aufwärtsschwimmen; hingegen gelingt das
einer in der Horizontallage befindlichen Larve unter diesen Voraus-
setzungen wohl kaum oder nur sehr unvollkommen. Die ,Schwimm-
glockenfunktion“ der Atemröhre erleichtert also unter
allen Umständen das aktive Aufwärtsschwimmen der
Culieidenlarven, insofern. sie die Tiere schon rein
passiv in der Lage erhält, in die sich diese sonst erst
durch aktive Muskeltätigkeit bringen müßten.
Wir haben bereits bei Besprechung der Lageänderungen wäh-
rend der Submersion auf die „buschige Oberlippe“ der Culex-Larve
hingewiesen und an dieser Stelle die Ansicht der Forscher zitiert,
die in dem Herbeistrudeln von Nahrungspartikeln den Zweck der
ununterbrochenen Bewegung des Labrums sehen wollten. BABâk
(1913) hält es für möglich, daß durch die schnellen Bewegungen
der „Mundanhänge“ ein beständiger, gegen das Kopfende gerichteter
Wasserstrom erzeugt wird, der für den Gaswechsel der Haut
von Bedeutung sein könnte. Beide Ansichten sind wohl bis zu
gewissem Grade richtig; denn es ist sehr wahrscheinlich, daß durch
den von der Oberlippe erzeugten Wasserwirbel sowohl gelegentlich
kleine Nahrungsteilchen nach dem Mund wie frischer Sauerstoff an
die Körperwand gebracht werden. Direkt beweisen kann man aber,
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 453
daß die Oberlippe (und in der Hauptsache kommt nur dieser Teil
-der „Mundanhänge“ (BaBAr) in Betracht!) als Bewegungsorgan
fungieren kann.
Es war mir verschiedentlich möglich zu beobachten, wie über-
kompensierte Larven, nachdem sie große Strecken hindurch mit
- gleichmäßiger Geschwindigkeit passiv gestiegen waren und dabei
die Oberlippe völlie bewegungslos gehalten hatten, in demselben
Augenblick, in dem die, Bewegung des Labrums einsetzte, mit ziem-
licher Geschwindigkeit nach unten sanken. Die Geschwindigkeits-
änderung bei unveränderter Vertikalstellung war in diesen
Fällen so groß, dab sie unmöglich durch augenblickliche Änderung
des spezifischen Gewichtes veranlaßt sein konnte, zumal die ursprüng-
liche Steiggeschwindigkeit von demselben Augenblick an wieder
vorhanden war, in dem die Bewegung der Oberlippe aufhörte. Bei
einer in Vertikalstellung passiv schwimmenden Larve übt die Ober-
lippe bei ihrer Bewegung eine Kraft aus, die im allgemeinen schräg
nach oben gerichtet ist. Die Larve schwimmt deshalb (wenn sie
sich nur infolge der Tätigkeit der Oberlippe fortbewegt) in Vertikal-
haltung schräg nach unten.
Ob in Horizontallage die Bewegung der Oberlippe von Einfluß
auf die Ortsveränderung des Tieres ist, konnte nicht festgestellt
werden; denn bei den Submersionsversuchen erlaubte der Durch-
messer der Röhren keine Bewegung der Larve in einer Ebene.
Theoretisch ist diese Bewegungsmöglichkeit sehr leicht denkbar,
wenn sie auch für die unter normalen Umständen meist vertikal
schwimmenden Larven wenig praktische Bedeutung haben dürfte.
Daran denken könnte man, daß bei der Drehung.des Tieres um
180°, die dem aktiven Abwärtsschwimmen vorausgehen muß, die
Bewegung der Oberlippe die — durch einseitige Kontraktionen der
Körpermuskulatur bewirkte — Drehbewegung unterstützte Da
aber Larven, denen operativ die ganzen Mundanhänge entfernt
worden waren, ebenso schnell diese Wendung ausführten wie nor-
male Tiere, so ist diese Annahme wohl kaum zu rechtfertigen.
VIL Die ‚Theurien über den Oe ustausch bei der Tracheen-
atmung.
Eine eingehende Darlegung der verschiedenen Ansichten
über „die physikalisch-chemischen Erscheinungen“, sowie über „die
Mechanik und Innervation“ bei der Atmung der Tracheaten kann
454 ALBERT Koch,
im Rahmen einer Spezialuntersuchung, wie es die vorliegende ist,
natürlich nicht gegeben werden. Wir müssen uns im folgenden auf,
eine kurze Charakteristik der wichtigsten Theorien
über den Gasaustausch beschränken und im übrigen verweisen
auf die betreffenden ausführlichen Artikel von WINTERSTEIN (1912)
und Bask (1912—1914) im „Handbuch der vergleichenden Physio-
logie“ (Vol. 1, 2. Hälfte), ferner auf den Abschnitt „Gasaustausch“
im „Handbuch der Entomologie“ (1913) (Kap. 5, p. 373 ff.) und auf
kürzere Zusammenfassungen des hierher gehörenden Stoffes in den
bekannten Lehrbüchern der vergleichenden Physiologie und Zoologie.
LÜBBEN (1907) gibt in einer kurzen, aber sehr prägnanten Zu-
sammenstellung der Theorien über den Gasaustausch an, daß in der
Hauptsache zwei Ansichten in Frage kommen. Wir können heute
aber besser von 3 Theorien sprechen, die im Folgenden kurz skizziert
werden sollen.
Wir wollen bei der an erster und zweiter Stelle zu besprechen-
den Theorie die Verhältnisse bei offenem und geschlossenem Tracheen-
system voneinander getrennt betrachten.
1. Theorie.
a) Offenes Tracheensystem.
Nach PALMÉN (1877) soll an jeder beliebigen Stelle des
Tracheensystems ein Gasaustausch zwischen der in die
Tracheen durch die Stigmata aufgenommenen atmosphärischen Luft
und dem die Tracheen umspülenden Blute durch die Tracheen-
wand hindurch stattfinden, und erst das Blut, als Vehikel
für die Atemgase, soll den Sauerstoff nach den atmenden
Geweben und Zellen hinbefördern und die Kohlensäure
von da nach den Tracheen zurückbringen. Das Blut
würde also danach den Gasaustausch mit den leben-
den Zellen vermitteln, und die Tracheaten würden nur des-
halb eine besondere Stellung im Tierreich einnehmen, weil bei ihnen.
(nach Cuvier) die Atmungsorgane das Blut aufsuchen, anstatt —
wie bei allen anderen Tieren — das Blut die Atmungsorgane.
Diese Anschauung vertritt noch PAckArD (1903) in seinem
Text-Book of Entomology: „These tracheae are everywhere bathed
by the blood, and thus the latter is constantly aérated or kept fresh;
the blood not, as in vertebrates or as in molluscs, seeking the lungs
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 455:
or gills, or any specialized respiratory portion of the body where
the oxygen combines with the haemoglobin, but the respiratory
tubes, so to speak, themselves seek out the blood and the blood-
tissue in every part of the insect body“ (p. 430).
b) Geschlossenes Tracheensystem.
Da in diesem Falle keine direkte Verbindung der Tracheen:
durch Stigmata mit der atmosphärischen Luft vorhanden ist, können
dadurch nach PALMÉN u. a. die Tracheen ihren Hauptzweck,.
die 0,-Versorgung des Blutes, nicht erfüllen. Es findet
deshalb ein Gasaustausch zwischen dem Blute und dem
das Tier umgebenden Medium (Wasser) durch die
Körperwand hindurch statt Das Tracheensystem hat
also keinerlei respiratorische Funktion; es dient höchstens:
als Reservoir für abgeschiedene Kohlensäure („verbrauchte Luft“
[Dewirz, 1890|). als statisches Organ, oder als mechanischer Apparat,.
bestimmt, „die Blutbahnen auszudehnen“ (PALMÉN, zit. nach LÜBBEN,
1907, p. 82.) Nach dieser Theorie findet somit bei geschlosse-
nem Tracheensystem eine allgemeine Hautatmung statt,
die ungefähr der bei Würmern (Anneliden) analog ist. In
diesem Sinne äußert sich denn auch Packarp: „The closed or
apheustic tracheal system is distinguished either by the want of
_ stigmata, or, if present, they are not open, and do not function, so:
that the tracheae cannot communicate with the air. In such cases
the direct oxygenation of the blood: is effected through the delicate
integument, especially over the surface of the body in general“
(l. e., p. 459).
2. Theorie. ;
a) Offenes Tracheensystem.
Die Hauptstämme der Tracheen sind nur Leitungs-
bahnen für die Atemluft und als solche so gut wie ganz gas-
undurchlassig. Der Gasaustausch findet zwischen den
feinsten, in die Gewebe eindringenden Verzweigungen der
Tracheenäste und den lebenden Zellen direkt statt, d.h.
ohne Vermittlung des Blutes. Den Tracheenendzellen
muß also ein wichtiger Anteil an den Erscheinungen des Gaswechsels.
zufallen, und man (WIELOWIEJSKI, 1882) hat „die Tracheenendzeilen
sogar als — den roten Blutkörperchen der Wirbeltiere entsprechende:
— Sauerstoffspeicher, betrachtet“ (WINTERSTEIN, 1912, p. 110)...
-456 ALBERT Koch,
Eine Mitwirkung des Blutes beim Gastransport kommt
nach dieser Theorie somit kaum in Frage, und in diesem Sinne ist
wohl auch die Stelle bei R. Herrwia (1910) zu verstehen, an der
es heißt: „Da die Tracheen mit ihren feinen Verzweigungen die
Gewebe direkt mit Sauerstoff versorgen, ist das Blutgefäßsystem
rudimentär“ (l. c., p. 435).
b) geschlossenes Tracheensystem.
Auch in diesem Falle soll die Mitwirkung des Blutes so
gut wie ganz ausgeschaltet sein. „Im Tracheensystem
ist in solchen Fällen eine Sonderung eingetreten in einen
durch Diffusion aus dem Wasser Sauerstoff aufnehmen-
den undebendahin Kohlensäureabgebenden Abschnitt
(Tracheengeäder der Haut und der Kiemen) und einen an die
Gewebe und Organe herantretenden Abschnitt, welcher
umgekehrt die Kohlensäure der Gewebe gegen Sauerstoff eintauscht*
(Hertwic, 1910, p. 435). |
Bei den Anhängern dieser Theorie findet man aber wieder zwei
‘verschiedene Ansichten: die einen wollen den Gasaustausch in
den Tracheen der Haut und der Kiemen auf rein physikalische
Weise erklären (schon Dutrocuet, 1837), während die anderen
an aktive Vorgänge im Cellularstoffwechsel, d. h. an
eine Gassecretion, denken. („The living wall of the air-tube is
probably an active instrument in the normal ventilation of the
‚trachea“ [BaB4k, 1912/13, p. 90,: Summary |).
3. Theorie,
v. FRANKENBERG (1915) nimmt für beide Arten von Tracheen-
systemen „im Gegensatz zur herrschenden Ansicht an, daß die
gasförmigen Stoffwechselprodukte (Kohlensäure) nicht
wieder in die Tracheen abgeschieden, sondern vom
Blute fortgespült und anderweitig aus dem Körper entfernt
werden“ (l. c, p. 587). Er glaubt, daß die Endigungen der
Tracheen (ob durch Vermittlung von Endzellen ist eine Frage
für sich) Sauerstoff an die Organe abscheiden, ohne da-.
für Kohlensäure einzutauschen“ (l. c., p. 587f.).
Diese Ansicht stimmt mit der an zweiter Stelle besprochenen
Theorie insofern. überein, als es sich um die O,-Zufuhr handelt.
Was die CO,-Ausscheidung betrifft, so «geht v. FRANKENBERG aber
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 457
noch einen Schritt weiter, als dies PALMÉN in der an erster Stelle
besprochenen Theorie getan hat; denn dieser Forscher hält es auch
für wahrscheinlich, daß die in den Zellen gebildete CO, zunächst
vom Blute aufgenommen, aber doch noch an die Tracheen abgegeben
wird, während v. FRANKENBERG an eine „anderweitige Entfernung“
der Kohlensäure (durch den Darm?) aus dem Körper denkt.
Schon vor v. FRANKENBERG ist der Gedanke, daß O,-Zufuhr und
€O;-Abgabe auf verschiedenen Wegen erfolgen könnten, in Erwä-
gung gezogen worden. Denn DEEGENER (1913) spricht auch bereits
von der Möglichkeit, „daß der Sauerstoff von den betreffenden
Zellen direkt den Tracheenenden entnommen, die Kohlensäure da-
gegen an das Blut und erst durch dessen Vermittlung an stärkere
peripherische Tracheen oder (Darmatmer) an die Darmwand ab-
gegeben und so aus dem Körper entfernt werde“ (l. c., p. 373).
VILL. Besprechung der in den Protokollen 1—25
niedergelegten Versuche und Kritik der Theorien über den
Gasaustausch.
Die mechanische Energie, die beim aktiven Schwimmen
der Larve als Energie der Bewegung in Erscheinung tritt, ist
das Ergebnis von Oxydationsvorgängen im Betriebsstoff-
wechsel, zu denen — insofern es keine reinen Gärungsprozesse
sind — von außen her, d.h. durch die Atmung zugeführter Sauer-
stoff notwendig wird. Das im Betriebsstoffwechsel entstehende
Stoffwechselendprodukt Kohlensäure ist — wie alle Stoffwechsel-
endprodukte — ein Körpergift und muß aus dem Organismus ent-
fernt werden, wenn es nicht Giftwirkungen ausüben soll. Zu nor-
maler Lebenstätigkeit gehört also eine ausreichende Zufuhr von
Sauerstoff und eine genügend schnelle Beseitigung der Kohlensäure;
O,-Mangel sowie zu große „CO,-Spannung“, d. h. mit einem Wort:
anormale Atmungsverhältnisse müssen deshalb zur Unter-
bindung der Lebensvorgänge und schließlich zum Tode des Indi-
viduums führen.
Solche unzureichenden Atmungsmöglichkeiten liegen für Culex-
Larven während der Submersion vor; es ist ihnen folglich unmög-
lich, dauernd unter Wasser zu leben, ohne am Wasserspiegel atmo-
sphärische Luft atmen zu können. Wenn Eysezz (1907) angibt, daß
Stechmückenlarven „in dem kühlen, sauerstoffreichen Wasser von
Tümpeln, die durch eine lückenlose Eisdecke absolut von der atmo-
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. alle. Zool. u. Physiol. 30
458 Apert Koch,
Tabelle 9.
Zusammenstellung der Versuche 1—22.
1 2 3 4 5 6 7 8
= De | ou | vee (ee
= a 00 ESR = 328 5 2
= ea] an | 23 Zee | ote | Se
= Charakteristik | = © = ate |S de | 323 E =
a der Larven em Sa o 5 oor | 5.538 ie
© 1, ap SEN, So Fee ate re
2 EU Wer Eu == | 58
= + > a © D .=
& = = a te à 3 >
> + = = a = = on 5
1. | normal 2,5 | 2358.8 0,77 0,26 0,51 26,5
2. | normal 2,5 | 23588 0,93 0,82 0,11 15,5
3. | normal 2.1 |. 21692 0,55 0,22 0,33 23
4. | normal 2,11 -2169.2 1,05 0.79 0,26 34
5. | kiemenlos 0,7 | 2000,0 | - 0,80 0,51 0,29 28
6. | kiemenlos 0,7 | 2000.0 0,83 0,68 0,15 3
7. | normal 09 LEE» 0,30 O19 0,11 38
8. | normal 8,6 22,8 0,76 0,30 0,46 133
9. | normal 0,6 51,2 0.99 0,20 0,79 80,5
10. | kiemenlos 0,7 46,6 0,43 0,14 0,29 76
11. | normal 6,8 1.6 0,57 0,11 0.46 80
12. | Anus zu, kiemenlos | 21,8 14,0 1,01 0,82 0,19 12,5
13. | Anus zu,kiemenlos | 21,8 14,0 0,71 0,47 0.24 85,5.
14. | normal 36,6 |sehr gering} 0,83 — 0,50 0,33 207,5 !}
15. | normal 1,8 59 0,61 0.27 0,34 95,5
16. | kiemenlos 1,8 5,9: 0,57 0,21 0,3 62
17. |1 Tag kiemenlos 1,8 og 0,50 0.31 0.19 48,5
18. | Anus zu, kiemenlos | 1,8 5,9 0,46 0,41 0,05 96,5
19. | 1 Kieme entfernt 29 16,8 0,49 0,12 0,37 99.5
20. | normal 125 782,1 0,46 0,30 0.16 34
21. |1 Tag kiemenlos | 29,4 633,6 0,62 ı 32 (1,30 31,5
22. | normal 36,8 10,1 0,54 0,25 0,29 495,5
~~
Sämtliche Versuche wurden bei einer Wassertemperatur von 18—20° C an-
gestellt. Alle Larven wurden kurz nach der letzten Larvenhäutung untersucht.
sphärischen Luft abgeschlossen sind, viele Tage lang ... ihr Leben
fristen“ (l. e., p. 210) können, so muß vor allen Dingen auf die Tat-
sache hingewiesen werden, die der Beobachter auch selbst angibt,
daß die niedere Temperatur von höchstens + 4° C und die wahr-
scheinlich absolute Ruhe der Tiere während dieser „natürlichen
Submersion“ das O,-Bedürfnis der Larven sehr bedeutend verkleinert
haben werden. Wichtiger erscheint mir aber noch der Einwurf
(BaBdx, 1912—1913, p.87), daß sich unter dem Kise große Luftblasen
bilden, welche die Culex-Larven auf dieselbe Weise zur Atmung be-
1) Bis zum vorzeitigen Abbruch des Versuches vergangene Zeit.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 459
nutzen können (Privzip der Gasdiffusion), ‘wie viele der normaler-
weise im Wasser luftatmenden Tracheaten.
Durch Variation der Gasverhältnisse des Wassers, in dem sich
die Larven während der Submersion befanden, war es möglich, die
Folgen von O,-Mangel und CO,-Reichtum für die Energieproduktion
und Lebensdauer der Versuchstiere festzustellen und daraus Schlüsse
zu ziehen auf die Atmungsverhältnisse unter den verschiedenen Be-
dingungen.
Nach Rascake (1887) müssen wir bei den Culex-Larven nor-
malerweise „eine Stigmenathmung,eineDarmathmung, eine
‚Athmung durch Kiementracheen und schließlich eine solche
durch die äußere Haut, also vierfach verschiedene Arten von
Gasaufnahmen in Betracht ziehen“ (1. c., p. 148). Bei der Submer-
sion kommt von diesen vier Möglichkeiten natürlich nur die Atmung
durch „Kiemenblättchen“, Haut und Enddarm in Betracht.
1. Besprechung der Versuche 1—22.
Ganz allgemein läßt sich zunächst der Einfluß von starkem CO,-
Gehalt des Mediums auf die Versuchsdauer (s. Tab. 9, S. 458) kon-
statieren. Aus Versuch 1—7 (CO, :1511,5—2358,8 mg pro 1) er-
gibt sich für die Versuchsdauer im Mittel 24 Minuten, aus den Ver-
suchen 20 und 21 (CO, : 782,1 bzw. 633,6 mg pro 1) 32,8 Minuten.
Diese Zahlen sind aber nun noch nicht direkt miteinander ver-
gleichbar; denn einmal fällt die in Versuch 6 für die Versuchsdauer
erhaltene Zahl so sehr gegen die entsprechenden Werte bei allen
anderen Versuchen ab, daß man wohl mit einer sehr starken Ab-
normität des betreffenden Versuchstieres rechnen muß. Wahrschein-
lich ist infolge der zur „Kiemen“-Entfernung notwendig gewordenen
Operation die Larve zu sehr entkräftet gewesen. Das Mittel aus
den Versuchen 1—5 und 7 liefert deshalb eine zum Vergleich eher
berechtigte Durchschnittszahl von 28 Minuten Versuchsdauer. Wenn
man nun noch bedenkt, daß der in den Versuchen !—5 und 7 vor-
handene CO,-Gehalt des Mediums im Durchschnitt etwa dreimal so
groß ist wie der in den Versuchen 20 und 21, so kann man die Ver-
suchsdauer in den beiden Gruppen (28 Minuten und 32,8 Minuten)
als nahezu gleich ansehen.
Wir müssen an dieser Stelle bereits darauf hinweisen, daß die
in Tab. 9 zusammengestellten Zahlen nicht aus rein mathe-
matischen, sondern aus physiologischen Messungen,
30*
460 ALBERT Koch,
hervorgegangen sind. Die Objekte, welche die Grundzahlen
geliefert haben zu den Berechnungen, deren Ergebnisse Tab. 9 ent-
hält, sind keine mathematisch miteinander übereinstimmenden
Größen, sondern lebende Tiere, die sich im Ernährungszustand,
in der Größe und in manchen anderen Punkten, kurz: in ihrer
physiologischen Beschaffenheit eventuell stark voneinander unter-
scheiden, wenn auch zu den Versuchen stets nur solche Tiere ver-
wandt worden sind, die vorher unter denselben Bedingungen gelebt
hatten. Man darf also aus diesen Gründen auch keinen mathemati-
schen, sondern einen physiologischen Maßstab bei der Bewertung der
erhaltenen Zahlen anlegen. Man muß die Ergebnisse etwa wie
die bei Wahrscheinlichkeitsrechnungen (z. B. bei Vererbungsver-
suchen) erhaltenen Zahlen bewerten und miteinander vergleichen.
Sie verlieren deshalb doch nichts an ihrem absoluten Werte, gewinnen
aber für die physiologische Betrachtung sehr an Bedeutung.
Kehren wir nach dieser Zwischenbemerkung zu der Besprechung
der Versuche 1—5 und 7 sowie 20 und 21 zurück und vergleichen
wir nun die O,-Verhältnisse des Mediums in diesen beiden
Versuchsgruppen, so finden wir für die ersten Versuche den durch-
schnittlichen Sauerstoffgehalt von 1,8 mg pro |, für Ver-
such 20 und 21 im Durchschnitt 209 mg pro l. Wir können
also das Ergebnis folgendermaßen zusammenstellen:
Tabelle 10.
a ED.
my Os Be me CO; u in Minuten
1,8 2094,6
20,9 707 9 8
|
Durchschnitt ca. 30 Minuten
Das heißt aber: bei (anormal) hohem Partiardruck der Kohlen-
säure im Wasser tritt der Zustand der Lethargie, des Scheintodes, nach
etwa einer halben Stunde auf, unabhängig davon, wie groß
der O,-Gehalt des Mediums ist. Die durchschnittliche Ver-
suchsdauer von etwa 30 Minnten ist kleiner als jede bei den übri-
gen Versuchen gefundene Zahl (s. Spalte 8 Tab. 9), so daß man
also überdies von einer Abkürzung der bis zum Eintritt der
Lethargie verflieBenden Zeit reden kann, die auch durch gleich-
zeitig vorhandenen hohen O,-Gehalt nicht ausgeglichen wird.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 461
Wir erhalten somit als erstes allgemeines Ergebnis:
Während der Submersion sterben in stark kohlen-
säurehaltigem Wasser die Culex-Larven an CO,-Ver-
giftung (und nicht an O,-Mangel) in einer relativ
kurzen Zeit.
| Die Bedeutung des Partiardrucks des Sauerstoffs
im Medium geht aus einem Vergleich der Versuche mit normalem
bzw. kleinem CO,- und verschiedenem O,-Gehalt hervor. Es handelt
. sich um die Versuche 8—13 und 15—-19 einerseits, sowie um 14 und
22 andererseits.
Tabelle 11.
Versuchsdauer
mg 0, | mg 00, | in Minuten
6,5 17,3 84,5
36,7 10,1 495,5 *)
*) 207,5 bis zum vorzeitigen Versuchsabbruch.
In dieser Tabelle (11) sind die Mittelwerte aus den oben ge-
nannten Versuchsgruppen untereinander gestellt. Man sieht, daß bei
mittlerem bzw. geringem Kohlensäuregehalt des Mediums die Lebens-
dauer abhängig ist von der Menge des im Wasser gelösten Sauer-
stoffes.!) |
Während der Submersion sterben im Wasser, das
normalen oder geringen CO,-Gehalt hat, die Larven
an O,-Mangel (und nicht an CO,-Vergiftung) Esdauert
bis zum Eintritt der Lethargie.infolge Sauerstoff-
mangel-Paralyse durchschnittlich mindestens drei-
mal so lang wie im stark kohlensäurehaltigen Wasser.
Wenn also die Tiere in den Versuchen 8—13 und 15—19 in
etwa */, der Zeit sterben wie die Larve im Versuch 22, so ist die
Todesursache im ersten Falle nicht etwa CO,-Vergiftung (denn im
zweiten Fall ist der Kohlensäuregehalt fast derselbe), sondern O,-
Mangel.
1) Aus diesem Grunde kann die Atmung bei der Submersion nicht
rein intramolekular verlaufen. Wie weit anoxybiotische Vorgänge
dabei beteiligt sind, hoffe ich in einer späteren Arbeit an Hand von bereits
bei diesen Untersuchungen gesammeltem Material nachweisen zu können.
462 Anpert Koch.
Wenn auch bei Culex-Larven während der Submersion die Zeit,
die bis zum Scheintode des Tieres vergeht, unter den soeben er-
wähnten Bedingungen vom O,-Gehalt zweifellos abhängig ist und
durch Tab. 11 bewiesen wird, so zeigt doch Tab. 9 auch, daß die
von der Larve während dieser Zeit durch Produktion mecha-
nischer Energie erreichte mittlere Geschwindigkeits-,
änderung der Größe nach keine Beziehungen zum O,-
Gehalt des Mediums erkennen läßt. Sieht man von der in Ver-
such 18 untersuchten Larve ab, die eine mittlere Geschwindigkeits-
änderung von 0,05 cm pro Sek. erreicht hat (denn sie ist infolge des
das letzte Abdominalsegment verschließenden Fadens am normalen
aktiven Aufwärtsschwimmen verhindert worden [vgl. S. 452]), so
schwanken die für die mittlere Geschwindigkeitsänderung gefundenen
Zahlen zwischen 0,11 und 0,79. Die kleinsten, d. h. die unter
0,20 bleibenden. Werte sind bei folgenden Gasverhältnissen erreicht
worden
Tabelle 12.
- m ee a mn nn omas — ms
7 mittlere
Mann, Geschwindigkeits- O,-Gehalt COg-Gehalt
ne änderung:
2 0,11 2,5 2358,8
7 0,11 0,9 15116
[6 0,15 0,7 2000,0]
20) 016 123 782,1
12 0,19 21,8 14.0
14 | 0,19 | 1,8 | 5,9
Durchschnitt | [6,7] 7,9 | —
Die nächste Tabelle (13) enthält zum Vergleich die 4 höchsten
beobachteten Werte:
Tabelle 13.
es: _ „mittlere —
é Geschwindigkeits-
Pe änderung
CO,-Gehalt
Fa OÙ Hi co
oo:
ox
—
iach chnitt
0, 16 |
|
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 463
Man sieht aus beiden Zusammenstellungen zunächst, daß sich
die O0,-Werte nicht etwa proportional den Geschwindig-
keitsänderungen verhalten, sondern daß die Größe der
letzteren im allgemeinen unabhängie vom Sauerstoff-
gehalt des Wassers ist.
In der Tab. 12 kommen — im Gegensatz zu dem, was man
‘ eventuell vermuten Könnte — sogar höhere Werte für den O,-Ge-
halt vor als in der Tab. 13, so daß der Durchschnittswert in der
ersten Zusammenstellung (6,7 gibt das Mittel bei Berücksichtigung
- von Versuch 6 an) um 3,3 größer ist als der Mittelwert für den
O,-Gehalt in der zweiten Tabelle (4,6). Und es ist vielleicht kein
Zufall, daß die größte Geschwindigkeitsänderung (Versuch 9) von
dem Tier erreicht wurde, dem die kleinste Sauerstofimenge zur
Verfügung stand.
Die Culex-Larven sind Saprozoen, die vorwiegend in Schmutz-
wasser leben, das infolge der sich darin abspielenden Fäulnis- und
Zehrungsprozesse äußerst wenig freien Sauerstoff gelöst enthält. Sie
sind ja bei normaler Atemtätigkeit auch nur in sehr untergeordneter
Weise auf eine O,-Entnahme aus dem Wasser angewiesen; aber es
scheint, daß sie überhaupt nicht die Fähigkeit besitzen, durch Haut-,
Kiemen- oder Darmatmung eventuell reichlich im Wasser vor-
handenen Sauerstoff aufzunehmen und im Betriebsstoffwechsel zu be-
nutzen. Und wenn man aus den Submersionsversuchen (Tab. 12 u.
13) auf das normale Verhalten schließen darf, so hat es sogar den
Anschein, als ob reichlicher Sauerstoffgehalt des Wassers zum minde-
sten indifferent, vielleicht sogar noch eher schädlich als günstig auf
die Energieproduktion wirkt.
Wir haben gesehen, daß die Larven bei normalem oder geringem
CO,-Gehalt des Wassers bei der Submersion an O,-Mangel zugrunde
gehen. Die letzten Überlegungen geben uns einen Grund dafür an:
Die Culex-Larven können nur eine relativ kleine
Menge Sauerstoffes bei der Submersion aus dem Wasser
aufnehmenund zur Energieproduktion benutzen. Hoher
Partiardruck von O, (bei niedrigem CO,-Gehalt) ver-
längert zwar die Zeit bis zum Eintritt der Lethargie,
bietet aber nicht die Möglichkeit zu einer größeren
durchschnittlichen Energieproduktion, sondern
scheint im Gegenteil die Bedingungen dazu zu ver-
schlechtern. |
Wir haben bis jetzt die Ergebnisse aller Versuche (mit Aus-
464 ALBERT Koch,
nahme von No. 6) miteinander verglichen, und zwar geschah dies
aus dem Grunde, weil die bisher aufgestellten Sätze sich
sowohl für normale Tiere wie Tiere ohne Kiemen und
(soweit das mit der angewandten Versuchstechnik möglich ist) auch
für Larven ohne Darmatmung beweisen lassen. Man
kann sich leicht von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen,
. wenn man (soweit Versuche dazu vorhanden sind) nach dem gleichen .
Prinzip, wie es in den Tab. 10—13 geschehen ist, nun nicht für alle
Tiere, sondern getrennt für normale Larven, kiemenlose Larven
(und eventuell auch Larven ohne Darmatmung) die entsprechenden
tabellarischen Berechnungen anstellt. Es ergeben sich dann im ein-
zelnen folgende Werte, die natürlich rein zahlenmäßig von den in
Tab. 10—13 gefundenen abweichen müssen, aus denen man aber die-
selben Schlüsse ziehen kann, wie das oben geschehen ist.
Entsprechend Tabelle 10:
a) Tabelle 14. Normale Tiere.
: | Versuchsdauer
mg Oz mg CO, in Minuten
2,02 21135 27,4
12,3 782,1 34
Durchsebnitt | ca. 30 Minuten
b) Tabelle 15. Kiemenlose Tiere.
Versuchsdauer
mg 0, | mg CO» in Minuten
0,7 2000.0 28
29,4 633,6 31:5
Durchschnitt | ca. 30 Minuten
Entsprechend Tabelle 11:
a) Tabelle 16. Normale "Tiere.
mg 0, mg CO, ee;
4,31) 15407 97,9
36,7 10,1 495,5*)
*) 207,5 bis zum Abbruch des Versuchs.
1) Hierbei ist die Larve des Versuchs 19, der ein Kiemenblättchen
entfernt worden war, als normal betrachtet.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 469-
b) Tabelle 17. Kiemenlose Tiere,
: à Versuchsdauer
mg Os | mg CO: in Minuten
14 195 | 22
Entsprechend Tabelle 12:
a) Tabelle 18. Normale Tiere.
mittlere :
Benz Geschwindigkeits- O,-Gehalt CO,-Gehalt
SR änderung
2 0,11 0,9 1511,5
20 0,16 12:3 782,1
Durchschnitt | 6,6 | —
b) Tabelle 19. Kiemenlose Tiere.
mittlere
pos - | Geschwindigkeits- O,-Gehalt CO:-Gehalt
Br. änderung
6 0,15 0,7 2000.0
17 0.19 1,8 59
Durchschnit | 1257 | _
c) Tabelle 20. Tiere ohne Darmatmung.
UN mittlere
2 es Geschwindigkeits- O,-Gehalt CO,-Gehalt
Fr änderung
12 | 0,19 21,8 14.0
Entsprechend Tabelle 13:
a) Tabelle 21. Normale Tiere.
à mittlere,
a, Geschwindigkeits- O.-Gehalt CO,-Gehalt
FR änderung
9 0,79 0,6 512
1 0,51 2,5 2358,8
8 0,46 8,6 22,8 :
11 046 6,8 1.6
Es rs 7 - *
466 Apert Koch,
b) Tabelle 22. Kiemenlose Tiere.
Bu : mittlere
\ is Gesch windigkeits- O,-Gehalt C0,-Gehalt
os änderung
16 Ye | 1,8 5,9
?
Höchste mittlere Geschwindigkeitsinderung. Der O,-Gehalt ist hier ebenso groß
wie der in Versuch 17, bei dem die zweitkleinste mittlere Geschwindigkeitsänderung
erreicht wurde.
c) Tabelle 23. Tiere ohne Darmatmung.
pee Lite mittlere
; ee Geschwindigkeits- O,-Gehalt CO,-Gehalt
Fur änderung
13 0,24 21,8 14,0
Also dieselben Gaswerte wie in Versuch 12!
2. Besprechung der Versuche 23—25.
BaBhk (1912—1913) hat — seiner Meinung nach als „inter-
-essanteste Erscheinung von den sämtlichen Erstickungssymptomen“
(1. e., p. 89) — beobachtet, daß bei den Culex-Larven die Tracheen-
längsstämme allmählich entleert werden. Wir haben bei Be-
‚sprechung der Kompensationsverhältnisse sowie der Lageänderungen
bei der Submersion bereits verschiedentlich von dem wechselnden
Füllungsgrad des Tracheensystems geredet.
Ich will an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, welche
Bedeutung ganz im allgemeinen dem Spiralfaden für die Lumen-
erhaltung der Tracheenstämme zukommt und ob man die
Beobachtung, daß „the two main tracheal trunks, though there is
distinctly developed a spiral thread in their wall, are flattened and
emptied“ — nach B4aB4k (1912 —1913) eine Tatsache, „which differs
greatly from the hitherto supposed merely mechanical function of the
chitin wall of the air-tubes“ (1. c. p. 90) — nicht etwa doch als
eine ganz allgemein gültige Erscheinung bei derartigen
Versuchen ansehen muß, der man bisher nur noch nicht genügend
Aufmerksamkeit gewidmet hat. Denn ich glaube, dab der Spiral-
faden in erster Linie dazu dient, eine Dehnbarkeit der
Tracheen in die Länge zu gestatten, eine Ansicht, die
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 467
Bar4k (1912 —1914) in seiner „Mechanik und Innervation der Atmung“
auch erwähnt: „Die Versuche an Aeschna zeigen, daß sich eine
Trachee unbeschadet auf das Doppelte verlängern kann, wobei
sich die Windungen des Spiralfadens strecken“ (l. c.
p. 408). Und auch bei Culez-Larven selbst hat ja BaBAk beobachtet,
„daß sich die beiden Tracheenlängsstämme der Larve bei den Herz-
bewegungen abwechselnd gegeneinander und wieder voneinander
verschieben ..., wobei die seitlich abgehenden Äste so-
gar oft merklich gezerrt werden“ (Basix 1912—1913, 1.
es. D. 85} |
Die Versuche 23—25 zeigen nun genau das Gegenteil von
dem, was BaB4k über den Tracheenzusammenfall angibt und was
auch in meinen Versuchen 1—22 sowie bei einer ganzen Reihe
weiterer Untersuchungen mehr oder minder deutlich immer be-
obachtet werden konnte.
Statt sich zu entleeren, füllten sich die Längstracheenstämme
während der Submersion immer mehr mit Gas, so daß — nachdem
das Füllungsmaximum erreicht war — eine Abgabe kleiner Gas-
bläschen durch das Abdominalstigma stattfand. Man konnte in
diesen Versuchen (23—25) deutlich beobachten, wie der Silberglanz
der Tracheen immer stärker wurde, wie schließlich eine kleine Gas-
blase am Ende des Atemsiphos erschien, die sich merklich ver-
größerte und schließlich — meist infolge einer schnellen Körper-
bewegung des Tieres — in das Wasser abgegeben wurde, wobei es
häufig vorkam, daß sie an den Körperhaaren der Larve haften blieb.
Zu der Zeit. als ich diese Versuche anstellte, hatte ich mich
leider noch nicht dazu entschlossen, genaue Analysen des Versuchs-
wassers (in bezug auf O,- und CO,-Gehalt) anzufertigen, so daß ich
nur angeben kann, daß Versuch 23 mit „abgestandenem Leitungs-
wasser von Zimmertemperatur“, Versuch 24 mit „Wasser, das seit
3 Tagen in offener Flasche gestanden und eine Temperatur von
16.4° C* hatte, und Versuch 25 mit „frischem Leitungswasser“ an-
gestellt worden sind. Es ist mir dann trotz möglichst weitgehender
Variation der Versuchsbedingungen in bezug auf Gasgehalt und
Temperatur des Wassers sowie physiologischen Zustand der Ver-
suchstiere auch kein einziges Mal mehr gelungen, solche Ergebnisse
zu erzielen. Ich konnte mich aber trotzdem nicht dazu entschließen;
die Versuche einfach „unter den Tisch fallen zu lassen“. Basix
(1912—1913) schreibt am Schlusse seiner Arbeit, daß es scheint,
„als ob die Tracheenwand während der Erstickungs-
468 Arserr Koch,
versuche beschädigt würde, so daß sie nicht mehr ihre nor-
malen Eigenschaften und Tätigkeiten besitzt“ (l. c., p. 90). Man
könnte also einfach annehmen, daß es sich bei diesen drei Versuchen
um pathologische Erscheinungen handelte. Da die betreffen-
den Larven aber in jeder anderen Beziehung (Reizreaktionen, Energie-
produktion, Herztätigkeit usw.) sich ganz genau so wie alle übrigen
untersuchten Tiere verhielten, so scheint mir diese Lösung des
Problems doch nicht die richtige, wenn es mir zurzeit, auch leider
noch unmöglich ist, den großen Widerspruch aufzuklären, der zwischen
den Versuchsgruppen 1—22 und 23—25 offenbar besteht.
Aus diesen Gründen sehe ich mich auch veranlaßt, einstweilen
bei der Kritik der im vorigen Abschnitt zusammengestellten
Theorien über den Gasaustausch bei der Tracheatenatmung
äußerst vorsichtig zu Werke zu gehen, zumal mir eine. endgültige
Entscheidung doch erst nach weiteren, auch mit anderen Tieren
angestellten Experimenten möglich sein kann (vgl. das in der Einlei-
tung über die Aufgabe dieser Arbeit Gesagte).
Meine Versuche lassen — und nicht zuletzt infolge des oben
auseinandergesetzten, vielleicht nur scheinbaren Wider-
spruches — in erster Linie wohl den Schluß zu, daß alle drei
Theorien wahrscheinlich von zu einseitigem Standpunkte
aus an die Lösung des Problems herantreten. Es scheint mir un-
wahrscheinlich, daß entweder nur das Blut oder nur die Tracheen
den Sauerstoff- und Kohlensäuretransport bewerkstelligen sollen oder
daß das eine Gas nur die Vermittlung der Tracheen, das andere
nur die des Blutes beanspruche. Wenn der Atemmechanismus der
Tracheaten ein solcher Vorgang wäre, daß man für ihn ein relativ
doch so einfaches Schema aufstellen könnte, wie es jede der drei
oben genannten Theorien im Grunde ist, wäre bei der Fülle der
angestellten Untersuchungen das Problem sicher längst einwand-
frei gelöst.
Ganz abgesehen von diesen theoretischen Erwägungen war es
mir unmöglich, alle bei meinen Versuchen gemachten Beobach-
tungen nach einem der drei Schemata allein zu erklären. Ohne
mich vorläufig allzu ausführlich in den Streit der Meinungen ein-
zulassen, möchte ich nur kurz auf folgende Punkte hinweisen.
Nimmt man an, daß das Verhalten unter diesen anormalen Ver-
suchsbedingungen nur graduell verschieden ist von dem unter
gewöhnlichen Umständen, so kann man folgende Erklärung für die
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 469
oben aufgestellten Sätze über den Einfluß des O,- und CO,-Gehaltes des
Wassers auf die Larven während der Submersion zu geben versuchen.
Die relativ schnell einsetzende Lethargie bei hohem CO,-Ge-
halt kann
I. dadurch zustande kommen, daß infolge des hohen Partiar-
drucks der Kohlensäure im Wasser CO, aus dem Medium durch die
Körperwand in das Tier hineindiffundiert und so in derselben Weise
eine Vergiftung hervorruft, wie es z. B. dem Wasser zugesetzte
schädliche Ionen .tun würden. Es besteht nun die Möglichkeit, daß
die so in den Körper gelangende Kohlensäure direkt vom Blute
aufgenommen wird (im Sinne von Theorie 1 und 3), oder aber, daß
CO, in die Tracheen hineindiffundiert (Theorie 2). Im letzteren
Falle könnte von einer gänzlichen Entleerung der Tracheen
. natürlich nicht die Rede sein, wenn man nicht etwa annehmen will,
daß die in die Tracheen aufgenommene CO, dauernd sofort nach dem
Darm transportiert und von da abgegeben wird. Wir werden aber
weiter unten sehen, daß diese Möglichkeit wahrscheinlich nicht in
Betracht kommt. Die entsprechenden Versuche (1—7 und 21, 22)
zeigen durch die H-Lage am Schluß des Versuchs, daß eine
Tracheenentleerung stattgefunden hat, mit Ausnahme
von Versuch: 7, bei dem während der ganzen Dauer von dem Tier
V-Lage eingenommen wurde, bei dem nach Schluß noch eine rosen-
kranzförmige Anschwellung der beiden Haupttracheenstämme be-
obachtet und durch Quetschen eine kleine Luftblase aus der Atem-
röhre herausgepreßt werden konnte. Sehen wir von diesen nur bei
Versuch 7 beobachteten Erscheinungen ab, so können wir allein von
Theorie3 eine Erklärung für.die CO,-Wirkung erhalten:
Aufnahme derin den Körper gelangenden Kohlensäure
durch das Blut. Pa
II. wäre der Fall denkbar, daß die im Körper gebildete
- Kohlensäure infolge des hohen CO,-Partiardrucks im Wasser:
nicht nach außen diffundierte. (kein Konzentrations-
Gefälle). Sie müßte deswegen im Körper entweder im Blute
(Theorie 3) oder in den Tracheen, und zwar entweder direkt
(Theorie 2) oder auf dem Umwege über das Blut (Theorie 1), auf-
gespeichert werden. Aus den unter I angeführten Gründen kann
ebenfalls wieder nur Theorie 3 in Frage kommen.
Dann bleibt aber das Verhalten der Larven in den Versuchen
‘23-95 ein Rätsel; denn das in diesem Falle die Tracheen füllende.
und aus ihnen abgegebene Gas konnte kein O, sein; denn sonst
470) | ALBERT Koch,
wäre nicht bei diesem Überfluß an O, Lethargie (Asphyxie) ein-
getreten. Eine Erklärungsmöglichkeit dafür bietet nur Theorie 1,
eventuell auch 2.
Ähnlich kompliziert wie bei hohem Partiardruck der Kohlen-
säure liegen die Dinge in bezug auf den O,-Gehalt des Wassers.
Es ist sicher, daß die Larven O, aus dem Wasser bei der Sub-
mersion aufnehmen und nicht nur etwa von dem aus der Luft in
das Tracheensystem aufgenommenen oder aus Gärungprozessen ge-
wonnenen O,-Vorrat zehren; denn sonst wäre die Verlängerung des
Lebens in stark O,-haltigem Wasser nicht zu erklären.
Der Sauerstoff kann aus dem Wasser entweder direkt in die
Tracheen (Theorie 2 u. 3) oder in das Blut (Theorie 1) aufgenommen
werden. Da wir oben (S. 463) gesehen haben, daß nur eine un-
geniigende Menge Sauerstoffes bei der Submersion aus dem Wasser
überhaupt aufgenommen werden kann, weil ja die Lebensdauer in
diesem Falle immer beschränkt ist, und da andrerseits dieser Vor-
rat wahrscheinlich sofort im Betriebsstoffwechsel verarbeitet wird,
so ist es unmöglich, an dem Füllungsgrad der Tracheen festzustellen,
ob O, direkt in die Tracheen diffundiert oder vom Blute auf-
genommen wird.
Bapdx (1912—1913) meint, dab „die Beschaffenheit der Tracheen-
wand das Verschwinden des Gasinhaltes zu bedingen“ scheint; „denn
man beobachtet, daß die verschiedenen Abschnitte der Tracheen-
stämme verschieden rasch entleert werden, zuweilen ganz unregel-
mäßig, hie und da in scheinbarer Beziehung zur segmentalen Lage-
rung der in der Norm leicht wellig verlaufenden Tracheenlängs-
stämme; es entstehen rosenkranzähnliche Gebilde“ (1. ¢, p. 89).
Diese Tatsache ist richtig. Wenn aber die Gasdurchlässig-
keit der Wand der Haupttracheen wirklich der Grund dafür ist, so
spricht das natürlich sehr gegen Theorie 2, nach der man in den
Längsstämmen nur Leitungsbahnen zu sehen hätte. Vielleicht
kann aber die rosenkranzförmige Kinschnürung auch dann zustande
kommen, wenn die Haupttracheen tatsächlich gasundurchlässig sind;
man braucht dann ja nur an eine verschiedene Festigkeit der
Tracheenwände an verschiedenen Stellen in bezug auf die Lumen-
erhaltung zu denken.
Nach Beendigung der Versuche war es immer noch möglich,
einen minimalen Gasgehalt der Tracheen zu konstatieren. („Das Ende
des Atemsiphos enthält immer Luft“! (Basix, 1912—1913, p. 89)).
Die Tracheemanastomosen zeigten meist durchgehends noch deut-
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 471
lichen Silberglanz. Die Längsstämme ließen, auch wenn sie
platt zusammengefallen waren’), unter dem Binokular bei auf-
fallendem Licht stets einzelne Stellen in ihrem Verlauf erkennen,
die noch schwach lufthaltig waren. Außerdem zeigen die in Ta-
belle 26 zusammengestellten Beobachtungen über die Lageänderungen,
daß der Füllungsgrad der Tracheen in den allerwenigsten Fällen -
gleichmäßig abnahm. Denn relativ selten ging das Tier aus der
Vertikallage über die Mittelstellung zur Horizontallage in gleich-
mäßiger Folge über. Es mußten ziemliche Schwankungen in dem
Gasgehalt der Tracheen vorhanden gewesen sein, und diese zeigen,
daß das Tracheensystem doch in weit höherem Maße nicht nur zur
O,-, sondern wohl auch zur CO,-Speicherung herangezogen
wird, als es die v. FRANKENBERG’sche Theorie, zu der ich mich im
großen ganzen bekannt habe, annimmt. Und da mir von diesem
‚Punkte auch der Weg zu einer Erklärungsmöglichkeit für die Ver-
suche 22—25 auszugehen scheint, so habe ich am Anfang dieser
Besprechung auf eine Einseitigkeit der vorhandenen Theorien
hingewiesen. Denn die Möglichkeit, daß, trotzdem normalerweise:
wohl in der Hauptsache ein Abtransport der CO, durch das Blut
stattfindet, auch unter gewissen, noch nicht näher zu
präzisierenden Umständen eine Speicherung ,verbrauchter
Luft“ (CO,) in den Tracheen stattfinden kann, scheint mir doch von
1) BABAK (1912—1913) hat das Zusammenfallen der Tracheenstämme
in einer Tafel wiedergegeben, die vier aufeinanderfolgende Stadien der Ent-
leerung, von der prallen Füllung bis zum völlig bandförmigen Aussehen
der Haupttracheen enthält. fig. 1 dieser Tafel zeigt eine ..Culex-Larve
mit prallgefüllten Haupttracheen.“ Dieses Tier besitzt im Thorax vier-
ovale, unmittelbar im Zusammenhange mit dem Tracheensystem gezeichnete,
blasenförmige Gebilde, über deren Bedeutung ich mir aber nicht klar
werden konnte. Jede der beiden Haupttracheen zeigt beim lebenden Tier
zwar des ôftern in ihrem im Thorax verlaufenden Teile eine etwas stärkere
Erweiterung, die auch meist nach der Entleerung der Tracheen noch als-
bläschenartige Anschwellung zu sehen ist. Aber es sind nie solche
4 blindsackartigen Ausstülpungen vorhanden! An dieser Stelle
des Thorax liegen allerdings vier „Magenausstülpungen“ (RASCHKE), die un-
gefähr die Gestalt der von BABAK gezeichneten Gebilde besitzen (vgl.
fig. 1 mau: RASCHKE, 1887, tab. 5). Man kann aber doch nicht
etwa annehmen, daß der Zeichner diese Teile des Darm-
kanals als Teile des Tracheensystems angesehen habe (?!).
Im übrigen ist in der BABAK’schen Figur der Verlauf der Haupttracheen-
stämme im Thorax falsch gezeichnet, in den figg. 3a, b, c allerdings an-
scheinend richtig angedeutet.
472 ALBERT Koch,
großer Bedeutung für die Funktion des geschlossenen Tracheen-
systems zu sein. t
Die Möglichkeit einer CO,-Speicherung in den Tracheen braucht
ja keineswegs im Widerspruch zu der v. FRANKENBERG’schen An-
nahme zu stehen, daß die im Cellularstoffwechsel gebildete Kohlen-
säure vom Blute aufgenommen wird; man muß nur dann an die von
DEEGENER (vgl. p. 143) angegebene Möglichkeit denken, daß das
Blut die von den Zellen aufgenommene Kohlensäure „an stärkere
peripherische Tracheen“ (DEEGENER, |. ©. p. 373) abgeben kann.
Wenn auch — unter den soeben erwähnten Einschränkungen
— vieles bei den Ergebnissen meiner Versuche für die Richtigkeit
der v. FRANKENBERG’schen Atmungstheorie zeugen mag, so kann ich
die Stichhaltigkeit des einen Hauptgrundes, den der Verfasser zur
‘Stütze seiner Theorie ins Feld führt, doch nicht anerkennen.
V. FRANKENBERG sagt nämlich: „Man kann vielleicht einen allgemein
gültigen Satz daraus: machen, daß so stark verzweigte Organsysteme
wie die Blutgefäße bei den Wirbeltieren und die Tracheen bei den
Insecten notwendig ein Strömen ihres Inhaltes in einer bestimmten
Richtung zur Voraussetzung haben müssen, um funktionsfähig zu
sein“ (1. ec, p. 587). „Daher glaube ich, daß ein dauernder Strom
frischer Luft durch die Tracheen fließt, und zwar zentripetal, d. h.
von der Außenwelt zu den Organen“ (1. c.).
Die Schwierigkeiten, auf die v. FRANKENBERG an dieser Stelle
hinweist und die sicher „dem Verständnis des Mechanismus einer
ausreichenden Lufterneuerung“ (WINTERSTEIN, 1912, p. 111) ent-
gegenstehen, können restlos anerkannt werden. Auch WINTERSTEIN
weist mit Recht darauf hin, daß man es sich kaum vorstellen kann,
„wie in einem System dünner und ziemlich starrer Röhren, deren
feinste Ausläufer an der Grenze des mikroskopisch Wahrnehmbaren
liegen, eine genügende Erneuerung des Gasinhaltes bewirkt werden
kann“ (l..c., p. 112). - Und trotzdem ist an der Tatsazze
selbst wohl kaum zu zweifeln. Schon RATHkKE sagt am Ende
‚seiner „Anatomisch-physiologischen Untersuchungen über den Ath-
mungsprozeß der Insecten“ aus den Jahren 1832—1835 (veröffentlicht
nach dessen Tode im Jahre 1861), die grundlegend geworden sind
für alle weiteren Forschungen: „Undenkbar ist es übrigens aber,
daß die ganze Masse der eingeathmeten Luft auf anderen Wegen,
als durch welche sie bei der Inspiration in den Körper eindrang,
ausgeathmet werden. Dagegen spricht der ganze Bau des Respira-
tionssystems, denn einesteils sind bei einer großen Menge von In-
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 473
secten alle Stigmata so eingerichtet, daß sie von dem Tiere nicht
geschlossen werden können, sondern stets offen stehen, mithin der
Luft sowohl einen Ausgang, als einen Eingang gestatten“ (1 c.,
D137).
Und rund 80 Jahre später muß — trotz der Fülle der in-
zwischen zur Lösung des Problems angestellten Studien — WINTER-
stein (1912) denselben Gedanken bei seiner kritischen Zusammen-
fassung unseres heutigen Wissens über die Tracheenatmung aus-
sprechen: „Es ist selbstverständlich, daß von einer dem
Kreislauf des Blutes entsprechenden einsinnigen
Luftströmung nirgends bei den Tracheen die Rede
sein kann, sondern, wie eben überall bei den Luftatmungsorganen,
nur von einem Hin- und Herschwanken und einer da-
durch bedingten Durchmischung der frischen und der
verbrauchten Luft“ (l. ce, p. 124). Diese von berufener Seite
geäußerten Gedanken sind vielleicht mehr als eigene Ausführungen
geeignet, die v. FRANKENBERG’schen Ansichten zu widerlegen.
3. Das Verhalten kiemenloser Larven.
Es ist versucht worden, die Bedeutung der von RascuKz (1887)
als „Kiemenblättchen“ bezeichneten vier lanzettförmigen Anhänge
am letzten Abdominalglied der Cwex-Larven, die nach Basix
(1912—1913) „als Tracheenkiemen (nicht als echte oder Blut-
_kiemen) tätig zu sein“ (1. c, p. 87) scheinen, dadurch festzustellen,
daß die Ergebnisse der Submersionsversuche, die sich bei Verwen-
dung von normalen Tieren ergaben, verglichen wurden mit den
Resultaten, die mit kiemenlosen Larven erzielt wurden.
Die Entfernung der „Kiemenblättchen“ wurde zunächst durch
einen am Grunde derselben geführten Rasiermesserschnitt vor-
genommen. Auf diese Weise mußten aber immer alle vier
Kiemen entfernt werden, und außerdem wurden mit den Kiemen
auch stets alle um dieselben herumstehenden Haare entfernt, was
einen sehr merkbaren Einfluß auf das Schwimmen der Larve zur
Folge hatte; denn die dem Körperende ansitzenden, fächerförmig an-
geordneten, chitinösen Haargebilde sind beim Schwimmen von großer
Bedeutung für die seitlichen Ausschläge des Abdomens; sie ver-
größern die Fläche des Körpers und somit auch die auf das Wasser
ausgeübte Kraft. Die Larve konnte deshalb unmittelbar nach dieser
Operation nur äußerst unvollkommen aktiv schwimmen; sie pabte
sich allerdings im Laufe von etwa 24 Stunden den veränderten Be-
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 31
474 AcBert Koch,
dingungen so gut an, daß sie nach dieser Zeit — was die Schwimm-
fähigkeit anging — von einer normalen Larve gar nicht mehr unter-
schieden werden konnte. Versuch 17 und 21 sind aus diesem Grunde
auch mit Larven angestellt worden, die bereits ,1 Tag kiemen-
los“ waren.
Schließlich bin ich so vorgegangen, daß ich mit einer Präparier-
nadel das betreffende Kiemenblättchen, das ich entfernen wollte, fest
auf die Unterlage des Tieres (Objektträger) drückte. Die Larve
versuchte dann, durch Körperzuckungen sich aus dieser Klemme zu
befreien. Date riß stets das festgehaltene Kiemenblättchen an
seiner Ansatzstelle ab.
Eine le. der mit normalen und kiemenlosen
Larven erhaltenen Versuchszahlen erscheint mir dann am meisten
einwandsfrei, ‘wenn man den Mittelwert aus sämtlichen
Versuchen mit Tieren der einen Gruppe vergleicht
mit dem entsprechenden Wert, der bei den Versuchen
mit der anderen Gruppe von Larven gefunden wurde.
Tabelle 24. Normale Tiere.
Mittelwerte aus 11 Versuehen.
mittlere mittlere tatsächliche mittlere
passive Sink- Bewegungs- Geschwindigkeits- a Peg
geschwindigkeit geschwindigkeit änderung
0,69 0,34 0,35 96
Pabelle 25. Kiemenlose Tiere.
Mittelwerte aus 6 bzw. 5 Versuchen.
mittlere KR, we
aii ge mittlere Ge-
tatsächliche schistes
mittlere
passive Sink- Versuchsdauer
geschwindigkeit | une | ändermg | it Minten
mit Versuch 6 0,62 0,36 0,26 41,5
ohne Versuch 6 0,58 0,30 ‚28 49
Bei den kiemenlosen Larven ist der Durchschnitt der
„mittleren Geschwindigkeitsänderung“ zwar nur um 0,35 — 0,26 = 0,09
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 475
oder vielleicht richtiger: 0,35 — 0,28 = 0,07, also rund nur knapp
1/,, mm kleiner als der bei den normalen Larven. Betrachtet man aber
in Tabelle 9 die absoluten Werte der „mittleren Geschwindigkeits-
änderungen“ für die kiemenlosen Tiere [0,29; (0,15); 0,29; 0,36;
0,19; 0,30], so sieht man, dab nur eine einzige Zahl (0,36) den
berechneten Mittelwert aus den mittleren Geschwindigkeitsände-
rungen der normalen Tiere übersteigt (und diese auch nur um 0,02),
während alle anderen unter dem Werte 0,34 bleiben. Die größten
„mittleren Geschwindigkeitsänderungen“ (vgl. Tab. 13) sind sämt-
lich von Tieren mit Kiemen erreicht worden. Es liegt bei
den Kiemenlosen somit zweifellos eine verminderte Energieproduktion :
vor, für deren Erklärung natürlich in erster Linie an eine all-
gemeine Schwächung des Körpers und eine Kräfteverminderung als
Folge des „Blutverlustes* bei der Operation gedacht werden muß.
Aber auch die bereits 24 Stunden vor Versuchsbeginn operierten
Tiere (Versuch 17 und 21), die sich in der Zwischenzeit wieder voll-
ständig erholt zu haben schienen, erreichten in ihrer Geschwindig-
keitsänderung nicht das Mittel aus den Versuchen mit normalen
Tieren. ,
Man muß also, nach Entfernung der Kiemenblätt-
chen, doch wohl mit einer verminderten O,-Zufuhr
rechnen, die herabgesetzte Energieproduktion zur
Folge hat. ie Se
Noch deutlicher gehen diese Beziehungen wohl aus den Zahlen
hervor, die das Mittel der Versuchsdauer aus beiden Ver-
suchsgruppen angeben. Die kiemenlosen Tiere zeigen voll-
kommene Lethargie durchschnittlich schon in der
Hälfte der Zeit, die bei normalen Larven bis zum
Eintritt typischer Asphyxie vergeht. |
Natürlich muß auch die Frage erörtert werden, ob nicht even-
tuell nach Kiemenamputation eine erhöhte Ansammlung von CO,
im Körper stattfindet.. Denn wir haben ja oben (S. 460) gerade die
oroBe CO,-Spannung für die gegen die Norm stark herabgesetzte
Versuchsdauer verantwortlich gemacht. In diesem Falle müßten
wir annehmen, daß die Kiemen in erster Linie für CO,-Abscheidung
in Betracht kämen. Dann hätte aber in reichlich CO,-haltigem
Wasser bei der kiemenlosen Larve (sozusagen infolge doppelt
herabgesetzter CO,-Abgabefahigkeit: hoher Partiardruck von CO,
im Wasser und Fehlen der Kiemen) die Versuchsdauer besonders
stark gekürzt sein müssen. Das ist aber nicht der Fall.
31*
476 Aubert Koch,
Tabelle 26. Zusammenstellung der Lageänderungen während der
einzelnen Versuche.
V — passives Schwimmen in Vertikallage.
= ” ”
M— ” ”
Versuch 1. Von Beginn an 2?/, min
lang V, dann H bis zum Schluß. Nach
16,5 min und nach 20min vorüber-
gehend V, nämlich nach Aufhören der
Strömung, dann wieder H.
Versuch 2. Sofort H; nach 13min
vorübergehend V.
Versuch 3. 4min lang V, daun H
bis zum Schluß. Anfänglich nach
Strömungsschluß erst kurze Strecke
V, dann stets wieder nach H drehend.
Versuch 4. Zuerst 3min lang V,
dann 17,5 min H, dann 12,5 min lang
V, nach Schluß der Messungen
wieder H.
Versuch 5. Gleich anfangs fast H,
nach 3—4min ganz H bis zum
Schluß.
Versuch 6. H vom Anfang bis zum
Schluß.
Versuch 7. V vom Anfang bis zum
Schluß.
Versuch 8. Zuerst V. Dreht in den
ersten 10 min nach H. Bleibt 70min
lang H. Dann innerhalb 55 min vier-
maliges Drehen nach V, das immer
nur 2—3 min anhält.
Versuch 9. Vom Anfang bis Schluß
V. Nach 50 min ca. 6 min lang und
nach weiteren 10 min ca. 2 min lang
H. Ebenso nach Schluß des Ver-
suches wieder H.
Versuch 10. 34min lang V, dann
H bis zum Schluß.
Versuch 11. Anfangs V, nach ca.
25 min H bis zum Schluß. Nur nach
75 min einmalige V-Stellung für ca.
1'/, min.
„ Horizontallage.
„ Mittellage.
Versuch 12. H vom Anfang bis zum
Schluß.
NB. Dieser Versuch sagt über den
Füllungsgrad der Tracheen nichts,
weil der am Körperende befestigte
Seidenfaden das Tier in steter H-Lage
erhält!
Versuch 13. H vom Anfang bis zum
Schluß (vgl. Versuch 12).
Versuch 14. Während der ersten
50 min fortwährendes Wechseln zwi-
schen V und H (labiles Gleichgewicht),
dann M bis zum Schluß.
Versuch 15. Zuerst 10min V, dann
ca. 20 min M, dann 40 min H. 70 min
nach Versuchsbeginn V (9 min lang).
Dann 5 min H, schließlich V bis zum
Schluß.
Versuch 16. V, dann M, nicht ganz
bis nach H führend.
Versuch 17. Zuerst V, nach 16
bis 17 min H bis zum Schluß. |
Versuch 18. Anfangs V, sehr bald H
bis zum Schluß (vgl. Versuch 12).
Versuch 19. Zuerst 30-40 min V,
dann M und labiles Gleichgewicht
(d. h. dauernder Wechsel zwischen V
und H) bis zum Schluß.
Versuch 20. Zuerst 8min lang V,
dann M und 15 min nach Beginn des
Versuchs H bis zum Schluß. Ge-
legentlich ganz kurze labile Schwan-
kungen.
Versuch 21. Dreht in den ersten
4 min von anfänglicher M-Stellung zu
H (bis zum Schluß).
Versuch 22. V. Nach 8min H. Nach
220 min verschiedeutlich vorüberge-
hend V; ebenso mehrmals vorüber-
gehend V am Ende des Versuchs.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 477
Denn (abgesehen von dem pathologischen Tier in Versuch 6) zeigt
in der Versuchsgruppe 1—7 die kiemenlose Larve die zweit-
längste Versuchsdauer. — |
Aus diesen Gründen möchten wir vermuten, daß
die Hauptaufgabe der „Kiemenblättchen“ in der O,-
Aufnahme (durch die Tracheen|?]) besteht und daß im
alleemeinen und unter den S. 471f. angegebenen Ein-
schränkungen die CO,-Abscheidung (aus dem Blute[?})
durch die übrige Körperwand hindurch stattfindet.
Vielleicht läßt sich noch eine andere Beobachtung in meinen
Versuchen als Stütze dieser Ansicht anführen.
Stellt man aus vorstehender Tab. 26, welche die Beobachtungen
über die Lageänderungen in den einzelnen Versuchen kurz angibt,
alle die Versuche zusammen, in denen die Tiere keine labilen
Schwankungen (d. h. vorübergehende Lageänderungen, die auf
ein zeitweise labiles Gleichgewicht schließen lassen) ausführten, so
findet man die auffallende Erscheinung, daß zu der so erhaltenen
Gruppe alle, und zwar nur alle kiemenlosen Larven gehören.
Labiles Gleichgewicht der Versuchstiere beweist aber, daß zwar
nicht mehr so viel Luft in den Tracheen vorhanden ist, um dawernde
Normalhaltung zu erzielen, daß aber auch andererseits die Ent-
leerung noch nicht soweit fortgeschritten ist, daß gänzliche Hori-
zontallage die Folge wäre Und da diese Labilitätserschei-
nungen immer nur vorübergehend beobachtet worden sind, so
muß man auch auf eine vorübergehende Füllung, bzw. vor-
übergehende Entleerung der Tracheen schließen. Letztere ist
aber nie beobachtet worden, sondern immer nur eine fortschrei-
tende Entleerung. An eine vorübergehende Füllung des
Tracheensystems könnte man aber denken unter der Voraus-
setzung, daß (nach Theorie 2 und 3) der Sauerstoff in die Tracheen
(und nicht ins Blut) aufgenommen und hier (bei eventuell vorüber-
gehend herabgesetztem O,-Bedürfnis im Betriebsstoffwechsel) bis zu
erneutem Bedarf gespeichert würde. Da nun die Kiemenlosen nie
solche labilen Gleichgewichtszustände zeigten, so könnte man viel-
leicht daraus schließen, daß es ihnen — infolge des Kiemenmangels
— nicht möglich war, solch große Mengen an Sauerstoff aufzu-
nehmen, daß diese für eine Speicherung in Betracht kommen konnten.
478 Apert Koch, d
4. Das Verhalten von Larven ohne Darmatmung.
Den Larven, die bei Verhinderung eventuell stattfindender Darm-
atmung untersucht werden sollten, wurde das letzte Abdominalelied
mit einer möglichst dünnen Faser eines aufgedrillten Seidenfadens
abgebunden. Daß ein absolut dichter Verschluß des Enddarms auf
diese Weise stets möglich war, konnte ich nach Schluß der Versuche
daran feststellen, daß nach schwachem Druck mit einem Deckglas
der Darminhalt und schließlich der Darm selbst aus der Atemröhre
anstatt aus dem unterbundenen Anus herausgepreßt werden konnte.
‘Natürlich wurde die Kiemenatmung auf diese Weise auch unmöglich
gemacht. Denn wenn die Kiemenblättchen auch nicht immer —
ungewollt — entfernt wurden, so wurden doch die zu ihnen führenden
Tracheen ebenfalls abgebunden, und natürlich ebenso eventuell vor-
handene „Blutbahnen“. Wir haben außerdem |S. 452 gesehen, daß
das aktive Schwimmen durch das Gewicht des Fadens sehr in seiner
Wirksamkeit beeinträchtigt wird. Die „mittlere Geschwindigkeits-
änderung“ wird also sicher ungeeignet sein zum Vergleich mit
der entsprechenden, bei normalen Tieren erhaltenen Zahl.
Der Vollständigkeit halber seien aber trotzdem die Mittel-
werte der Zahlen hier wiedergegeben, die aus den drei Versuchen
mit solchen Larven „ohne Darm- und ohne Kiemenatmung“,
wie man wohl richtiger sagen müßte, erhalten wurden.
Tabelle 27. Larven ohne Darm- und ohne Kiemenatmung.
Mittelwerte aus drei Versuchen.
mittlere mittlere tatsächliche mittlere
passive Sink- Bewegungs- | Geschwindigkeits- Yen
geschwindigkeit geschwindigkeit änderung
0,73 0,57 0,16 | 84,8
?
Die Versuchsdauer ist also nur unwesentlich gegen die bei nor-
malen Tieren beobachtete (96) verkürzt. Das erklärt sich aber
wahrscheinlich dadurch, daß die Larven die Versuchsdauer auf Kosten
der Energieproduktion bei der aktiven Bewegung verlängerten; denn
die Tiere gaben stets die vergeblichen Bemühungen, wirkungsvoll
aufwärts zu schwimmen, sehr bald wieder auf. Man kann dies aus
Protokollen und Kurven (H 75, K 78) deshalb leicht ersehen, weil die
Wegkurven der tatsächlichen Bewegung und der passiven Bewegung
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. - 479
schon relativ früh einander ungefähr parallel gehen und auch parallel
bleiben.
Diese Methodik gestattet also m. E. kein befriedigendes Urteil
über die Bedeutung der Darmatmung.
Meiner persönlichen Meinung nach kommt ihr ein wesentlicher
Anteil an der Atmung bei der Submersion jedoch nicht zu. Denn
sonst hätte sich — trotz allem — ein anderes Bild bei der Unter-
suchung von Larven ohne Darmatmung (und ohne Kiemenblättchen) |
ergeben müssen. |[BABAK (1912—1913) Konnte ebenso wenig wie ich
eine „deutliche Wasserventilation der Darmröhre“ [l.c., p. 89] fest-
stellen].
Und ich glaube daher auch nicht, daß Léox Durour sich auf
Grund von Untersuchungen an Cuwlex-Larven zu denselben be-
geisterten Worten hätte hinreißen lassen, wie er sie in der Sitzung
der Académie des Sciences am Weihnachtsabend des Jahres 1849
anläßlich seiner Entdeckung der Darmatmung bei Libellen-
Larven ausrief: „Dans nos larves, le rectum est le réceptacle des
branchies, et l’eau est avalée par l’anus. . . . O sublime organisateur
du grand et du petit, par combien de voies différentes tu sais
atteindre un méme but! Comme on a eu raison de te dire: Magnus
in magnis, maximus in minimis!“ (Durour, 1849, p. 766).
IX. Die Reizreaktionen während der Submersion.
Anhangsweise wollen wir noch kurz einige Worte über die bei
den Submersionsversuchen beobachteten Reizbeantwortungen folgen
lassen.
Eine Steigerung der Erregbarkeit konnte nicht
‘nachgewiesen werden, obwohl man eine solche infolge der teil-
weisen Sauerstoffentziehung während der Submersion hätte vermuten
können (vgl. BETHE, zit. nach Basix, 1909). |
Man kann im allgemeinen das Verhalten der Culex-Larven bei
der Submersion in drei Perioden einteilen.
I. Im ersten Teil des Submersionsversuches findet anhaltendes
aktives Emporschwimmen der Larve statt; die mit passivem Schwim-
men zugebrachten Zeitabschnitte sind dagegen stets äußerst kurz,
auch relativ selten. Die Reizbeantwortungen in dieser
Periode können alsnormalbezeichnet werden. Als Reize |
kamen für die Tiere in Betracht:
1. optische Reize (sog. Beschattungsreize). |v. Hess (1913)
480 ALBERT Koch,
hat auf die auffallend eroße Empfindlichkeit der Culex-Larven für
Lichtstärkenunterschiede hingewiesen.| Diese Reaktion auf optische
Reize spielte bei meinen Versuchen eine äußerst wichtige Rolle.
Die Versuchsröhren mußten an allen Stellen einen gleichmäßig hellen
Hintergrund haben; es mußte darauf geachtet werden, daß die die
Röhren festhaltenden Muffen innen mit Papier von derselben Hellig-
keitsvalenz, wie sie der Hintergrund hatte, ausgelegt waren, um ein
Zurückschrecken der Tiere, ein ,Scheuen“ vor den weniger hellen
Stellen, die sie auf dem Wege durch die Röhre passieren mußten,
zu verhindern. Besonders auffallend war das Sich-sträuben der
Larven, in den dem oberen und unteren Ende der Röhre aufsitzenden
Gummischlauch hineinzuschwimmen oder denselben nach ihrem Ein-
tritt wieder zu verlassen. Sie „scheuten“ auch des öftern vor einem
Lineal oder Bleistift, die den Röhren angelegt wurden, um die durch
den Stand der Larve bestimmte Maßstabszahl genauer ablesen zu
können. |
2. mechanische Reizungen des Tieres kamen dadurch
zustande,
a) daß die ganze Versuchsröhre speziell zu Reizzwecken durch
Klopfen erschüttert wurde;
b) dab die Larve beim Schwimmen die Wand der Röhre be-
rührte;
c) daß die Larve mit einem in dem Versuchswasser flottierenden
Gegenstand in Berührung kam;
d) daß die Strömung einsetzte;
e) daß die Strömung aufhôrte.
3. akustische Reize, die durch Reiben der Versuchsröhre mit
Leder erzielt wurden, die aber natürlich auch- stets mechanische Er-
schütterungen der Röhren zur Folge hatten.
Auf alle diese Reize hin antwortete in der ersten Versuchs-
_ periode die Larve — wie bereits oben erwähnt — normal, d. h.
durch augenblicklich einsetzende, schnelle Schwimmbewegungen
(Fluchtreaktionen), die von dem Verhalten dieser Tiere unter natür-
lichen Verhältnissen ja zur Genüge bekannt sind.
II. Die zweite Periode der Submersionsversuche, die im allge-
meinen mit der Überführung der Larve aus einer „positiven“ in
eine „negative“ Röhre beginnt, ist dadurch gekennzeichnet, daß die
Zeitabschnitte, in denen die Larve passiv sinkt (und zwar meist in
M-, aber auch schon in H-Stellung), länger werden und daß in den
— auch noch relativ langen, aber bei weitem nicht mehr so häufigen
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 481
— Zeiten des aktiven Schwimmens die Schwimmbewegungen weniger-
wirkungsvoll sind, so daß oft nur ein Sich-an-der-Stelle-halten an-
statt einer Aufwärtsbewegung zustande kommt.
In dieser Periode werden die unter 2a angegebenen Erschütte-
rungsreize in der Regel nur nach vorausgegangener völligen, -wenn
auch eventuell kurzen Ruhe des Tieres (pass. Schwimmen), nicht
aber unmittelbar nach Aufhören der Schwimmbewegung beantwortet.
Berührungsreize (mit Fremdkörpern, 2c) bewirken im allge-
meinen noch vollkommen normale Reaktion (die Larve sucht den
Gegenstand abzuschütteln), hingegen kommt es vor, daß das Tier
beim passiven Schwimmen an der Glaswand herabgleitet (2b) und
diese dauernd mit den Körperhaaren berührt, ohne daß eine Reaktion
auf diese Reibung erfolgt.
Während der Strömung selbst verhält sich das Tier meist ruhig,
um aber fast regelmäßig nach Strömungsschluß (2e) aktiv zu
‚schwimmen. Akustische Reize (3) werden ungefähr in der Hälfte
der Fälle beantwortet (Reaktion auf mechanische Reize?), in der
anderen: nicht.
Man kann also sagen, daß vor allem der unter 2e angeführte
rheotactische Reiz (Strömungsschluß) besonders stark auf die Larve
wirken muß, da er noch zu einer Zeit mit ziemlicher Sicherheit be-
antwortet wird, in der alle anderen Reize nur gelegentlich und unter
_ gewissen Umständen Reizreaktionen auslösen. Man wird also wohl
annehmen können, dab die Culex-Larven im Besitze fein ausge-
bildeter Sinnesorgane zur Perception von Wasserströmungen sind,
die ihnen in der Natur den Aufenthalt an einer bestimmten Stelle:
eines schwach fließenden Gewässers ermöglichen werden.
Ill. In der dritten und letzten Periode der Submersionsversuche
findet in der Regel dauerndes passives Schwimmen (meist in H-Lage)
statt; die Schwimmbewegungen bleiben unwirksam und gehen von.
einem langsamen Biegen des ganzen Körpers schließlich bis auf
schwache Bewegungen mit der Atemröhre zurück.
Auch hier kann Strömungsschluß als stärkster Reiz gelten, N
gelegentlich „unter Aufbietung aller noch zur Verfügung stehenden
Kräfte“ durch ein aktives Aufwärtsschwimmen von einigen Zenti--
metern beantwortet wird. Im übrigen findet zu dieser Zeit eine
Reizbeantwortung höchstens dann statt, wenn sich das Tier vorher‘
lange Zeit völlig ruhig verhalten hat.
4892 | ALBERT Koch,
X. Die Herztätigkeit während der Submersion.
Als eine der Erscheinungen, die bei der Erstickung der
«Culex-Larven zu beobachten sind, erwähnt Basix (1912—1913) die
veränderte Herztätigkeit: „Schon nach wenigen Minuten wird der
Herzpuls beschleunigt, z. B. von etwa 60 in einer Minute auf über
200 (bei derselben Temperatur)“. „Erst bei weit fortgeschrittener
Erstickung kommt Herzverlangsamung zum Vorschein“ (BABAR, I. c.,
p. 88). |
Bei meinen Submersionsversuchen, die doch schließlich auch
nichts anderes als Erstickungsversuche sind, konnte ich eine Herz-
'beschleunigung zu keinem Zeitpunkte feststellen, vielmehr schien es
mir, als folgte auf die normale Pulsation direkt eine bedeutend
verlangsamte, die dann schließlich zum völligen Herzstillstand führte.
Es war mir ja allerdings nicht möglich, die Beobachtungen unter
-dem Binokular zu machen, sondern ich mußte mich mit gewöhnlicher
'Lupenbetrachtung begnügen. Ich konnte auf diese Weise im Anfang
-der Versuche aber stets die Pulsationszahl genau bestimmen, während
ich gegen das Versuchsende keine Pulsationen mehr beobachten
‘konnte, so dab ich wohl mit ziemlicher Sicherheit behaupten kann,
da in meinen Versuchenjedenfalls niemals eine wesent-
liche Erhöhung derdurchschnittlichen Pulszahlstatt-
gefunden hat. Auch die Tiere, die nach einer bestimmten Zeit
also vor dem Versuchsschluß, aus der Röhre genommen wurden,
zeigten keine besonders auffallenden Abweichungen von der normalen
Herztätigkeit *) (vgl. Versuch 14 in Tab. 28).
Wenn der Versuch bis zum Ende durchgeführt worden war, so
zeigten die aus den Röhren herausgespülten und so schnell als mög-
lich unter dem Binokular untersuchten Larven in bezug auf die
Herztätigkeit die Verhältnisse, die in Tab. 28 wiedergegeben sind.
Es konnte also im großen ganzen unmittelbar nach Versuchs-
schluß vollständiger Herzstillstand beobachtet werden und
ein Wiedereinsetzen der Herzpulsationen nach dem Verlauf weniger
Minuten (eventuell auf mechanische Reize hin). Die Pulsations-
frequenz war bei dem Wiederbeginn direkt normal oder
zuerst herabgesetzt, um allmählich die normale Zahl zu erreichen,
1) Trotzdem bitte ich, in diesen Beobachtungen nur eine Art „Vor-
läufiger Mitteilung“ zu sehen, da sie nur als Nebenbeobachtungen. bei
diesen Untersuchungen entstanden sind und folglich noch des eingehenden
speziellen Studiums bedürfen.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven.
485
Tabelle 28. Herztätigkeit.
Zeit des
6h 51%
i ı op. = > ‘
a ASS: Physiologi- | Wieder- | Pulsationen
= S| © ae scher beginns jin der Minute Bemerkungen
a? 72338 ur des Han beim Wieder- 5
P Issa = erzeNS |pulsation| beginn
12 5. 2500 Ruhe Sur a keine Luftatmung
Zor 6h 18°° Ruhe nae i:
a1 oh 35*° Ruhe 3089 76 hat Luft geatmet
41 6h 4430 Ruhe 4800 55 schon vorher einige verein-
zelte schwache Herzpulsatio-
nen. Bewegungen am stärk-
sten im 4. und 5. Segment
5 | 4h 483° Ruhe DL 31 sehr unregelmäßig!
5h 0° 84 nach vorausgegangener hefti-
ger Peristaltik des Darms
‚und starkem Schütteln des
Körpers
Fed CON 8 725° Ruhe Big 1 Pulsation | \ 2
| “ 9740 |1 Pulsation | s vereinzelt
2910 33
3000 50
Pilon 19% Ruhe 21.0 1
8 | 12h 4450 Ruhe. 400 45
5400 Stillstand
AT OIL 000 Ruhe 150? 24 | auf sehr starken mechanischen
Reiz hin setzten die Pul-
À is sationen momentan ein
10 j11h 15°° Ruhe 16°°
11 16 h.20°° Rube — 48 unregelmäßig! Nach Reiz ein-
gesetzt
12 — , — — —
13 [12h 215%] 60, davon — —
immer eine
starke u. eine
schwache
Pulsation
14 | 8h 245%! 68 Pulsa- — —
tionen, meist
jede zweite
stärker
15 I11h 493° — 53% 67
12h, 70% 75
. mee 63
16 1.:6h 182° Ruhe kein Wielderbeginn
17 |12h 56°° Ruhe HR 27
18:5 ITS? 43 Puls. — a
41 Puls. — —
19 [11h 482°] einzelne un- 5200 44
regelmäßige 4300 40
Pulsationen iat
20 [12h 4° | 60 Puls. — _ nur jede zweite Pulsation
pflanzt sich nach dem Vorder-
| ende zu fort
Ruhe 5400 50
484 ALBERT Kocu,
wobei es vorkommen konnte, daß vorübergehend etwas beschleunigte
Schlagfolge beobachtet wurde.
BaB4k (1912—1913) hat bereits darauf hingewiesen, daß man
unter keinen Bedingungen spezielle rhythmische Atembewegungen
der Culex-Larven nachweisen kann. Die Atembewegungen dienen
bei den Tracheaten ja wohl zur Lufterneuerung aus der Atmo-
sphäre, aber auch zur Durchmischung der Luft in den Tracheen-
stämmen. Eine solche kontinuierliche, rhythmische Luft-
durchmischung wird bei Culex-Larven in erster Linie durch die
Pulsation-des Rückengefäßes bewirkt; daneben spielen natür-
lich „die mächtigen Schwingungen des Abdomens, die die Lokomotion
bedingen und bei denen ohne Zweifel starke Dehnungen und Drucke
auf die Tracheenstämme ausgeübt werden“, eine Rolle (BABAK, ]. €,
p. 85). Denn die von hinten nach vorn fortschreitende wellenförmige
Herzbewegung hat eine entsprechende Verschiebung der beiden
Tracheenlängsstämme gegeneinander zur Folge und eine damit ver-
bundene starke Zerrung der von den Haupttracheen abgehenden
Seitenäste (vgl. S. 467). Diese Luftdurchmischung wird aber in dem
Maße überflüssig, wie der Füllungsgrad der Tracheen (wenigstens in
bezug auf O,) im Verlauf der Submersion zurückgeht. Sind die
Tracheen entleert, so würde auch eine dauernde (passive) Bewegung
derselben keine erneute O,-Verteilung ermöglichen. Und das ist
vielleicht derGrund, daß die Herzpulsation auch dann
schon aufhört, wenn die Culex-Larve sonst noch Körper-
bewegungen, Reizbeantwortungen zeigt. Wir müßten des-.
halb an eine Abhingigkeit der Herzbewegung vom Gas-
gehalt (wohl besonders O,-Gehalt) der Haupttracheen
denken und die Aufgabe der Herztätigkeit in erster Linie nicht
in der Erhaltung einer Zirkulation der Körperflüssig-
keit, sondern in der Bewegung der O,-fiihrenden Tracheen
sehen. !
Sollte im Laufe der Submersion vorübergehend eine geringe
O,-Menge in den Tracheen gespeichert werden, so wäre es denkbar,
dab die normalen Körperbewegungen zur Durchmischung des Gas-
gehaltes im Tracheensystem ausreichten. |
Vielleicht lassen sich auch die Beobachtungen über den Wieder-
beginn der Herzpulsationen nach der Submersion mit diesen Ge-
danken in Einklang bringen, wenn man beachtet, daß auf dem Ob-
jektträger oder in dem offenen Glasschälchen, die zur Untersuchung
der Larven unter dem Binokular benutzt wurden, eine relativ starke
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 485
O,-Zufuhr (wenn auch nicht durch das Stigma; denn die Larve kann
nur Luft atmen, wenn die Atemröhre etwa senkrecht zur Wasser-
oberfläche liegt!) und somit eine, wenn auch immerhin geringe Er-
neuerung des O,-Gebaltes der Haupttracheen möglich wird, die aber
doch ausreichen kann, um die erloschene Herztätigkeit wieder an-
zufachen.
Wahrscheinlich spielen ja nervöse Einflüsse bei der Re-
gulation der Herztätigkeit der Tracheaten die Haupt-
rolle. Die soeben erwähnte Beziehung zwischen Herzbe-
wegung und O,-Gehalt der Haupttracheen kann aber auch
sehr gut durch Vermittlung „sympathischer“ Nerven zu-
stande kommen, so daß wir — unter dieser natürlich erst noch zu
beweisenden Voraussetzung — auch bei Culex-Larven von „feiner
Empfindlichkeit des Zentralnervensystems für die Sauerstoffver-
sorgung“, die „als Regulator des Athemrythmus“ wirkt, reden könnten
(Basix, 1912—1914, I. c., p. 398).
XI. Zusammenfassung.
1. Der physikalisch-chemische Mechanismus der Tracheaten-
atmung ist auch heute noch keineswegs geklärt. Es ist deshalb
durch physiologische Studien an den Larven der Stechmücke Culex
pipiens L. eine kritische Würdigung der für eine Erklärung des Gasaus-
tausches bei der Atmung durch Tracheen hauptsächlich in Betracht
kommenden drei Theorien versucht worden, die in Kap. VII, p. 454 ff.
kurz auseinandergesetzt sind. Zur Untersuchung wurden die Larven
einzeln in ein Röhrensystem einer eigens dafür konstruierten Appara-
tur (vgl. Fig. A) eingeschlossen, die es den Tieren unmöglich machte,
den Wasserspiegel zu erreichen und Luft zu atmen, und die eine
‚genaue Beobachtung und zahlenmäßige Fixierung der aktiven und
passiven Bewegung der Larven bei dieser experimentell bedingten
Submersion erlaubte.
2. Zunächst wurde festgestellt, daß die Mehrzahl der Culex-
Larven (85,5 v. H. der 131 daraufhin untersuchten Tiere) unter-
kompensiert, d.h. schwerer als Wasser ist, und deshalb
passiv nach unten sinkt. „Die Kompensation der Tiere ist
abhängig von den Größenverhältnissen, vom Füllungs-
grade des Darmes und dem Zustand der Tracheen. Alle
drei Faktoren wurden experimentell auf ihre Bedeutung für die Ge-
wichtsverhältnisse des Tieres geprüft, und dabei konnte an Hand
486 AuBeRT Koch,
tabellarischer Berechnungen nachgewiesen werden, daß die „passive
Sinkgeschwindigkeit“ der Größe des Tieres und der in den
Darm aufgenommenen Nahrungsmenge direkt und dem Füllungs-
grad der Tracheen mit Luft umgekehrt proportional ist. —
Das Tracheensystem hat also eine Art hydrostatischer Funk-
tion; es findet aber keine willkürliche oder automatische Regulation
des Gasgehaltes zum Zwecke der Gewichtsänderung statt, sondern
der jeweilige Füllungsgrad der Tracheen wird allein durch die Vor-
gänge bei der Atmung bestimmt. ©
3. Wenn keine Schwimmbewegungen gemacht werden, sinkt
die Larve bei der Submersion passiv nach unten. Dabei nimmt
sie zunächst Vertikallage ein (,Culex-Stellung“), die etwa
der Ruhelage der am Wasserspiegel hängenden Larve entspricht.
Diese Vertikallage wird durch die ,Schwimmglockenfunktion“
der Atemröhre (Atemsipho, Atemitubus) ermöglicht. Bei anhaltender
Submersion tritt in der Regel eine allmähliche Entleerung
der Tracheen ein, die einen entsprechend langsamen Übergang
in Horizontallage („Anopheles-Stellung“) zur Folge hat.
Es handelt sich somit bei den Culex-Laren um eine passive Gleich-
gewichtserhaltung, die rein mechanisch durch die Verteilung
von Luft und Körpermasse im Organismus bedingt wird.
4. Diesem passiven Sinken sucht die Larve durch Schwimm-
bewegungen entgegenzuwirken, um auf diese Weise den Wasser-
spiegel zur Luftatmung zu erreichen. Das aktive Schwimmen
der Larve kommt durch wurmförmige Bewegungen (unter C-
förmigen Krümmungen des Abdomens) zustande. Das Tier schwimmt
stets mit dem Körperende voran, d. h. nach oben, wenn der
Kopf nach unten gerichtet ist, und nach unten, wenn der Kopf nach
oben zeigt. Die Larve wendet sich beim aktiven Schwimmen mit
dem Kopfe also immer der Richtung zu, aus der sie zu entkommen
sucht, und aus der ihr eventuell Gefahr droht. Beim Verlassen der.
Ruhestellung am Wasserspiegel muß sie natürlich zuerst eine Drehung:
um 180° ausführen. Auch das Labrum kann als Bewegungs-
organ fungieren und bei einer in Vertikalstellung passiv schwim-
menden Larve eine schräg nach unten gerichtete Bewegung be-
wirken. à |
5. Aktives und passives Schwimmen wechseln bei der Sub-
mersion miteinander ab; zu Anfang überwiegt die erste Bewegungs-
art, nach längerer Versuchsdauer die letzte. Es wurde nun unter-
schieden zwischen einer „tatsächlichen Bewegung“ der Larve,
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 487
die sich aus aktivem Emporschwimmen und passivem Sich-gleiten-
lassen zusammensetzt, und einer „passiven Bewegung“, die nur
durch die Kompensation des Tieres zustande kommt. In dem Maße,.
wie bei der Submersion die aktiven Bewegungen seltener und
schwächer werden und schließlich ganz unterbleiben, nähert sich
natürlich die „tatsächliche Bewegung“ immer mehr der „passiven
Bewegung“ und fällt beim Eintritt der Lethargie mit dieser zu--
sammen. |
6. Für beide Bewegungen wurde während der Versuchsdauer:
in möglichst kleinen Zeitabschnitten die Geschwindigkeit fest-
gestellt (also die „tatsächliche Bewegungsgeschwindigkeit“ und die.
„passive Sinkgeschwindigkeit“) und daraus für die ganze Versuchs-
dauer die Mittelwerte (d. h. die „mittlere. tatsächliche Be--
wegungsgeschwindigkeit“ und die „mittlere passive Sinkgeschwin--
digkeit“) berechnet. Statt bei rein passiver Bewegung während der
ganzen Versuchszeit sich mit dieser „mittleren passiven Sink-
geschwindigkeit“ gleiten zu lassen, sinkt die Larve — dank ihrer
aktiven Schwimmbewegungen — nur mit der „mittleren tatsäch-
-lichen Bewegungsgeschwindiekeit“, die zahlenmäßig natürlich:
- kleiner ist als die erstere. Die von der Larve während der
Versuchszeit produzierte Energie wird also ausschließlich dazu:
verwandt, die durchschnittliche Sinkgeschwindigkeit in der Sekunde:
um einige Zehntel-Centimeter zu verkleinern. Diese „mittlere:
Geschwindigkeitsänderung“ (= Differenz aus der „mittleren
passiven Sinkgeschwindigkeit“ und’ der „mittleren tatsächlichen.
- Bewegungsgeschwindigkeit“) unter Berücksichtigung der Versuchs-
dauer (d. h. der Zeit, die zwischen Versuchsbeginn und dem Ein-
tritt der Lethargie infolge Asphyxie liegt) ist direkt proportional der
unter den gegebenen Bedingungen (Gasgehalt des Wassers) von dem
Versuchstier produzierten Energie (in Form von kinetischer-
Energie der Bewegung). Ein Vergleich dieser so zahlenmäßig‘
_verfolgbaren energetischen Leistungen in den (in bezug auf
O, und CO,) verschiedenen Gaswässern sollte Aufschluß geben über.
die Mechanik des Gasaustausches bei der Atmung durch ein ge-
schlossenes Tracheensystem, wie es bei Culez-Larven während der‘
Submersion vorliegt.
7. Die Versuche 1—22 (vgl. Tab. 9 p. 458) ergaben, daß in:
stark CO,-haltigem Wasser die Culex-Larven infolge CO,-
- Vergiftung (nicht an O,-Mangel) sterben; in Wasser von ge-
ringem oder normalem CO,-Gehalt gehen sie an Sauer--
485 AvBert Koch,
stoffmangel-Paralyse zugrunde. Die in beiden Fällen dem
Tode vorausgehende Lethargie tritt in dem ersten Falle etwa drei-
mal so schnell ein wie im zweiten.
8. Die Culex-Larven können nur eine relativ kleine Menge
Sauerstoffes bei der Submersion aus dem Wasser aufnehmen und zur
Energieproduktion benutzen, auch ist der O,-Gehalt des Mediums
nicht etwa proportional der Produktion von mecha-
nischer Energie der Bewegung, die in der „mittleren Ge-
schwindigkeitsänderung“ zum Ausdruck kommt, sondern die Größe
der letzteren ist im allgemeinen unabhängig vom O,-Gehalt des
Wassers.
9. Hoher O,-Gehalt des Mediums verlängert zwar die Zeit
bis zum Eintritt der Lethargie, bietet aber nicht die Möglichkeit
zu einer größeren (in der „mittleren Geschwindigkeitsänderung“ er-
kennbaren) Energieproduktion, sondern scheint im Gess die
Bedingungen dazu zu verschlechtern. .
10. Einzelne Versuche (23—25) haben zu der überraschenden
Feststellung geführt, daß bei der Submersion statt einer allmählichen
. Entleerung eine weitere Füllung der Tracheen mit Gas
vor sich gehen und daß — nachdem das Füllungsmaximum erreicht :
ist — sogar eine Abgabe kleiner Gasbläschen durch das
Abdominalstigma erfolgen kann. (Es besteht also unter Wasser
nicht immer ein vollständiger Stigmenverschluß.) Das in diesem
Falle die Tracheen füllende Gas kann kein Sauerstoff sein; denn
sonst wäre bei einem solchen Sauerstoffüberfluß nicht Asphyxie ein-
getreten.
11. Die Versuche 1—22 lassen den Schluß zu, daß die Körper-
flüssigkeit (Blut) Aufnahme und Transport der beim
Cellularstoffwechsel gebildeten oder von außen in den Organismus
eingedrungenen Kohlensäure besorgt, während die anderen Ver-
suche (23—25) darauf hinweisen, daß (unter gewissen, noch nicht
näher zu präzisierenden Umständen) auch eine Speicherung
„verbrauchter Luft“ in den Tracheen stattfinden kann.
12. Eine Darmatmung kommt — soweit dies mit der an-
gewandten Technik festzustellen war — anscheinend nicht in Be-
tracht, hingegen hat Entfernung der „Kiemenblättchen“ ver-
minderte O,-Aufnahmefähigkeit zur Folge, die sich in herabgesetzter
Energieproduktion und in durchschnittlich auf die Hälfte verkürzter
Versuchsdauer äußert. >
13. Die Hauptaufgabe der „Kiemenblättchen“ ist also wahr-
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 489
scheinlich O,-Aufmahme (durch die Tracheen(?)), während —
unter den oben erwähnten Einschränkungen — durch die übrige
Körperwand eine Abscheidung der Kohlensäure (aus
dem Blute) stattfindet. |
14. Diese Beobachtungen sprechen in der Hauptsache für die
Richtigkeit der an dritter Stelle erwähnten Atmungs-
theorie, allerdings unter ausdrücklicher Betonung
der von DEEGEnER angegebenen Möglichkeit, daß die zu-
nächst vom Blute aufgenommene Kohlensäure sekun-
där wiederin die Tracheen abgeschieden werden kann.
15. Als mehr zufällige Beobachtungen seien erwähnt, daß bei
den Submersionsversuchen zu keinem Zeitpunkt eine Steige-
rung, sondern nur eine allmähliche Abnahme der Erreg-
barkeit beobachtet werden konnte. Auffallend war die — im
letzten Stadium während der Submersion nur nochallein festzustellende
— Rheotaxis, und zwar besonders eine relativ starke Reaktion
auf den beim Aufhören der Wasserströmung entstehenden Reiz.
16. Ferner konnte — entgegen der Beobachtung von BaBAx —
keine wesentliche Erhöhung der durchschnittlichen
Pulsationszahl des Herzens bei der Submersion beobachtet
werden. Nach Versuchsschluß stand in den weitaus meisten Fällen
das Herz still. Die Pulsationsfrequenz war beim Wiederbeginn der
Herztätigkeit in der Regel sofort normal. Die Hauptaufgabe des
Herzens besteht bei Culex-Larven anscheinend in der Bewegung der
O,-führenden Tracheen, so daß eine Abhängigkeit der Herzbewegung
vom Gasgehalt der Tracheen (durch Vermittlung nervöser Elemente [?])
wahrscheinlich wird.
Münster i. W., den 1. Mai 1917.
Anmerkung bei der Korrektur:
Da infolge der Kriegsverhältnisse die Drucklegung der Arbeit
eine sehr große Verzögerung erleiden mußte, so seien die Haupt-
ergebnisse der in der Zwischenzeit von mir!) und (unter meiner
Leitung) von Fräulein Dr. M. Gorrergn ?) angestellten Untersuchungen
1) Kocx, A., Zur Physiologie des Tracheensystems der Larven von
Mochlonyx Lw., in: Mitt. zool. Inst. Westfäl. Wilhelms-Univ. Münster 1. W.,
Heft 1 (Münster. 1918).
2) GOFFERJE, M., Die Wirkung verschiedener Salze auf Larven von
Culex pipiens L., ibid.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 32
490 ALBERT Koch,
über den Atemmechanismus der Culiciden-Larven hier kurz wieder-
gegeben: |
„Unter normalen Bedingungen nimmt wohl das Tracheensystem
durch das Stigma der Atemröhre Sauerstoff in ausreichendem Maße
auf, und die Körperoberfläche scheidet die weitaus größte Menge
der im Zellularstoffwechsel entstandenen Kohlensäure aus. Es ist
aber anzunehmen, daß — auch normalerweise — daneben die Fähig-
keit zur Sauerstoff-Aufnahme durch die Haut und zur Kohlensäure-
Abscheidung durch das Tracheensystem, wenn auch in bescheidenen
Grenzen, besteht. Von großer Bedeutung scheint aber dieser in
umgekehrter Richtung sich vollziehende Gastransport unter anormalen
Lebensbedingungen zu werden, z. B. dann, wenn — wie bei einer
Reihe der ... Submersionsversuche — „tödlich“ wirkende Jonen
in den Organismus "eingedrungen sind, die den Zellularstoff-
wechsel störend beeinflussen, aber wahrscheinlich auch dann, wenn
die Larven unmittelbar vor einer Häutung stehen, kurz: in allen
den Fällen, in denen es sich um akute oder in der Entwicklung be-
gründete Störungen des physiologischen Gleichgewichts des Organis-
mus handelt.
Die „anormale“ Tracheenfunktion, d. h. die CO,-Ansammlung in
den Tracheen und die Abscheidung von Gasblasen durch das Stigma,
wäre demnach wohl kaum als Zeichen einer allgemeinen Degeneration
der Larve, als pathologische Erscheinung, aufzufassen, sondern hätte
als Ausdruck einer Anpassung an bestimmte Lebensbedingungen zu
gelten“ (GOFFERJE, |. c., p. 10, 11).
Meine Untersuchungen der Atmungsvorgänge bei Mochlonyx-
Larven (bei denen unter gewissen Bedingungen innerhalb 110 Minuten
Submersionsdauer eine maximale Abgabe von 34 Gasblasen durch
das Stigma der Atemröhre einwandfrei festgestellt wurde) scheinen
noch mehr die Richtigkeit der Anschauung zu beweisen, daß sich bei
den Culiciden-Larven „in atmungsphysiologischer Hinsicht Tracheen-
system und Körperoberfläche (inkl. Kiemen) prinzipiell gleichartig
verhalten, d. h. daß beide Organe sowohl Sauerstoff- Aufnahme als
Kohlensäure-Abscheidung übernehmen können“ (A. Koca, I. c., p. 12).
Münster i. W., den 15. September 1919.
Einfluß von Sauerstoff und Kohlensäure auf Culex-Larven. 491
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Weitere, sehr zahlreiche Literaturangaben finden sich in den hier
zitierten Arbeiten, besonders in den zusammenfassenden Darstellungen.
nr +
Nachdruck verboten.
Ubersetzungsrecht vorbehalten.
Zur Analyse der Entwicklungskorrelationen bei der
Skeletbildung der fußlosen Holothurien.
Von
Hedwig Wilhelmi.
(Aus dem Zoologischen Institut der Universität Rostock.)
_ Mit 22 Abbildungen im Text und Tafel 6-7. 6
Einleitung.
Zu den erstaunlichsten und rätselhaftesten Fähigkeiten der
lebendigen Substanz gehört die bei vielen skeletbildenden Formen
zu beobachtende Erzeugung von komplizierten, für bestimmte
Leistungen gebauten Kalk- oder Kieselgebilden von spezifischer Form
in einheitlichen Protoplasmamassen. Die deskriptive Forschung hat
ein großes Material von Tatsachen auf diesem Gebiet zusammen-
getragen, dagegen fehlte für eine kausale Analyse die Möglichkeit,
das Problem anzugreifen, bis BEcHER (1911) darauf aufmerksam
machte, daß die in der Haut der fußlosen Holothurien immer als
Anker und Platte auftretenden und in gemeinsamer Plasmamasse
entstehenden Skeletpaare in korrelativer Wachstumsbeeinflussung
stehen. Die Beobachtung der Wachstumswirkungen dieses Einflusses
bei anormalen Bedingungen, bei Doppelbildungen, Mißbildungen usw.
gestattete, die kausalen Abhängigkeiten bei einer Reihe von Wachs-
tumsschritten zu bestimmen und u. a. die Betrachtungsweise der
Entwicklungsmechanik auf diesem Gebiet anzuwenden. In den vor-
494 Hepwie WILHELMI,
liegenden Untersuchungen habe ich versucht, die Analyse auf diesem
Gebiet noch etwas weiter zu fiihren, wobei dann auch einige neue
allgemeine Gesichtspunkte hervortraten.
Ehe ich auf die von BecHer beobachteten Tatsachen eingehe,
möchte ich zunächst zur Orientierung über das Objekt eine kurze
Beschreibung der ankerförmigen Kalkkörperchen und ihrer Lage in
der Haut geben.) Wenn man ein aufgehelltes Hautstückchen aus
der Körperwand einer Synaptide von der äußeren Fläche betrachtet,
so bietet sich das in Fig. Aa wiedergegebene Bild. Bei hoher Ein-
stellung des Mikroskops lassen sich zahlreiche ankerförmige Kalk-
körper erkennen, die immer in einem gewissen Abstand voneinander
liegen, so daß sie sich nicht berühren und alle so angeordnet sind, !
daß ihr Schaft quer zur Längsachse des Körpers liegt. In den
Präparaten erkennt man in dieser Richtung eine feine Streifung, die
durch kleine Körperfältchen hervorgerufen wird. Ein Querschnitt
durch die Körperwand (Fig. Ab) zeigt, daß der Ankerbogen der
äußeren Epidermis näher liegt, die er bei nicht ganz straff gespannter
Körperwand oft zu einer Art Tasche vorwölbt. Die Körperwand
besteht aus dem inneren Leibeshöhlenepithel, der Ringmuskelschicht, —
der dicken Cutis, an der man wiederum eine dichte innere und eine
lockere ätfBere Schicht unterscheiden kann, und endlich dem äußeren
Epithel. Der Ankerschaft liegt mit dem einen Ende ungefähr auf
der äußeren Grenze der dichteren Bindegewebslage und ist mit dem
Bogenende schräg nach außen, d. h. der Epidermis zu, gerichtet. Er
bildet zugleich einen Winkel mit der Platte, die parallel zu der
äußeren Schicht der dichteren Cutis gelegen ist. Die Platten, die
wir hier behandeln werden, haben ungefähr die Form eines
Handspiegels (Fig. G u. Fig. O). Nur an dem Handgriffende liegt
der Anker der Platte an. An dieser Stelle befindet sich eine ge-
lenkige Verbindung zwischen beiden Skeletteilen. Die Ebene des
Ankerbogens verläuft nicht durch die Achse des Schaftes, sondern
liegt ungefähr der Oberfläche der Haut parallel. Diese Tatsache
steht im Zusammenhang mit der Funktion dieser Kalkkörperchen,
über die wir durch ÖsterGren aufgeklärt sind. Bei starker Spannung
des Körpers und damit verbundener Verdünnung der Körperwand
legt sich der Anker flach auf die Platte, wodurch die Spitzen des
Ankerbogens nunmehr nach außen gekehrt werden. Diese drücken
1) Diese Darstellung hält sich im wesentlichen an BECHER’s Aus-
führungen (1911, p. 18—31).
u an ee oe à
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 495
Fig. A.
a Mikrophotographie eines Teiles der‘Körperwand von Labidoplax buskii. Die
dunklen Streifen auf der linken und rechten Seite lind Längsradiärmuskeln. Die
Körperfältehen in der Riehtung der Ankerschäfte sind nur schwach zu erkennen.
b Querschnitt durch die Körperwand einer jungen Synapta inhaerens. (Fig. b
nach WooprAxp, 1906, 4, Textfig. 4.)
496 Hepwie WiLHELMi,
die Epidermis in Spitzen vor und verursachen dadurch das „Kletten“,
das die Tiere besonders an straff aufgetriebenen Teilen des Körpers
zeigen. Dieses Kletten ist ihnen von Nutzen bei der Fortbewegung.
„Gerade durch das Erweitern eines Körperteils und in dem nämlichen
Augenblick, wo es stattfindet, wird die betreffende Partie an ihre
Unterlage geheftet, indem die Spitzen der gesenkten Anker sich
gegen dieselbe andrücken. Sobald aber jene Partie wieder zusammen-
gezogen wird, richten die Anker sich auf und der gewölbte Bogen,
welcher das Hinweggleiten über die Unterlage nicht erschwert,
kehrt sich nach außen. Die Funktion der Anker nach dieser Deutung
steht denn auch mit dem das Kriechen der Synapta-Arten begleitenden
Kontrahieren und Erweitern des Körpers am besten in Einklang“
(ÖSTERGREN 1897, p. 152).
Die Beobachtungen, von denen BECHER ausging, sind kurz
folgende. Es kommt vor, daß der Ankerschaft sich verzweigt und
ein zweites Bogen- oder auch ein zweites Handhabenende ausbildet
(vgl. Fig. E und Taf. 7 Fig. 1—3). In solchem Fall läßt sich deut-
lich ein korrelativer Einfluß des Ankers auf die Platte beobachten;
denn je nachdem ob ein zweites Bogen- oder Handhabenende am
Anker gebildet ist, entsteht auch an der erst später entwickelten
Platte ein zweites freies Plattenende oder ein zweiter Handgriff.
Andere Anomalien sind bedingt durch eine abweichende Lage
des Primärkreuzes bei einfachen Platten.
Fig. B. Labidoplax digitata.
Entwicklungsstadien einer Platte mit parallel zum Ankerschaft liegendem Primär-
stäbchen. (Nach Woopwarp u. Barrer.) 124:1.
Als Primärkreuz bezeichnet man die erste Anlage der gitter-
förmigen Synaptidenplatte. Fig. Ba zeigt ein derartiges Entwick-
lungsstadium. Man sieht ein Kalkstäbchen, das sich an beiden Enden
|
Skeletbildung der fublosen Holothurien. 497
Fig. C. Leptosynapta inhaerens.
Entwicklungsstadien einer Platte mit quer zum Ankerschaft liegendem Primär-
stäbchen. 180:1. (Nach Becher, 1911, fig. Ka—t.)
498 Hepwie WiLHELMI,
in zwei Äste gabelt. Durch fortgesetzte Verzweigung entsteht aus
einem solchen Gebilde schließlich das Maschenwerk der Platte, wie :
es sich in Fig. Be und Fig. G abgebildet findet.
Bei den Ankerplatten mit konstanter Lage des Anlagestäbchens
sind nach BECHER zwei Plattentypen zu unterscheiden, solche, bei
denen das Stäbchen regelmäßig parallel zum Schaft liegt, und andere,
bei denen es eine zum Schaft senkrechte Lage einnimmt. Eine
Serie von Entwicklungsstadien für den Typus mit parallel liegendem
Stäbchen findet sich nach Woopwarp u. Barret in Fig. B. Die
Bildungsstadien der Platten mit querliegendem Primärkreuz wurden
aus der Arbeit von BECHER entnommen (Fig. C). Ein Vergleich
dieser beiden Reihen zeigt, daß schon nach den ersten Entwicklungs-
schritten eine Verschiedenheit der einzelnen Enden des Primär-
kreuzes sich bemerkbar macht. Ein Primärkreuz ist doppelt sym-
metrisch gebaut. Aber schon bei der folgenden Verzweigung kann
es nur noch durch einen: Schnitt in zwei spiegelbildlich gleiche
Hälften geteilt werden (Fig. Bu. C). Die durch diese zweite Gabelung
gebildeten Fortsätze wurden von BECHER wegen ihrer Bedeutung
für die Bestimmung der definitiven Symmetrie primäre Symmetrie-
hörner genannt. Von den benachbarten Enden eines Primärkreuzes
bezeichnete er, diejenigen als „gleichnamig“, die von demselben
Punkt aus entspringen, die anderen benachbarten Enden da-
gegen als ,ungleichnamig“. Ein bemerkenswerter Unterschied
der beiden Plattentypen liegt nun darin, daß im Zusammenhang mit
der verschiedenen Lage des Anlagestäbchens bei der einen Form
die primären Symmetriehörner an ungleichnamigen Enden entstehen,
bei der anderen jedoch an gleichnamigen Enden. Für die Tatsache,
daß die Symmetriehörner in dem einen Fall an den zum Bogen ge-
richteten Enden ansetzen, in dem anderen Fall der Handhabe näher
entspringen, ergibt sich aus den an anormalen Stadien gemachten
Beobachtungen eine Erklärung, auf die ich später zurückkommen
werde. Die Unterschiede in der Gestalt der fertigen Platten sind
bedingt einerseits durch die verschiedene Lage des Ursprungs-
stäbchens, andrerseits durch die verschiedene Größe des Winkels,
unter welchem die Verzweigung erfolgt.')
1) Diese kurze Betrachtung der normalen Plattenentwicklung er-
leichtert uns für das Folgende die Auffindung des Primärstäbchens an der
fertigen Platte.
An dieser Stelle möchte ich auch eine kurze Darstellung der Anker-
entwicklung anschließen. Der Anker wird als ein kleines Stäbchen an-
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 499
Bei beiden Plattentypen kommt nun als seltene Ausnahme eine
gedrehte Lage des Primärstäbchens vor. In solchem Fall äußert
sich der Ankereinfluß in Form von Regulationen der Stäbchen-
verzweigung, und die bei einer Drehung um 90° erfolgenden Regu-
lationen hat BecHER an allen einzelnen Entwicklungsstadien verfolgt.
Würde die Entwicklung der Platte unabhängig vom Anker durch
Selbstdifferenzierung erfolgen, so müßte die Syınmetrieebene der
Platte gegen die Symmetrieebene des Ankers ebenfalls um 90° ge-
dreht sein. Nun läßt sich aber an jedem einzelnen Schritt der Ent-
wicklung erkennen, daß bei einer solchen Verlagerung des Anlage-
stäbchens die Symmetrieebene der Platte nicht mitgedreht wird
(vgl. BECHER, fig. Ka—f und fig. Ka‘—f‘). Die auf diese Weise
entstandene fertige Platte zeigt in ihrer Gestalt und in der Zahl
und Anordnung der Löcher nur wenig Abweichendes von der nor-
malen Form. — Diese Beobachtungen wurden an den Kalkkörperchen
von Leptosynapta bergensis gemacht.
Auch für die Platten von Labidoplax thomsonü, die normaler-
weise aus einem parallel liegenden Primärkreuz gebildet werden,
ergaben sich ähnliche Verhältnisse. Bei einem um 90° gedrehten
Stäbchen wird die Symmetrieebene der Platte nicht mitgedreht, was
sich an der fertigen Platte dieser Art auf den ersten Blick schon
daran erkennen läßt, daß die Richtung des Plattenhandgriffes mit
der Richtung der Ankerhandhabe zusammenfällt (vgl. BECHER,
1911, fig. M a—e und Fig. H a dieser Arbeit). Die Lage des Primär-
stäbchens in der ausgebildeten Platte läßt sich ohne weiteres durch
Aufsuchen der 4 Hauptlöcher feststellen, die immer das Primärkreuz
umgeben. |
Welcher Art der von einem Skeletteil auf den anderen ausgeübte
Einfluß ist, ist hier wie bei so vielen nur in den Wirkungen bekannten
Kausalbeziehungen der Entwicklungsphysiologie einstweilen rätsel-
haft. Die Übermittelung der Reize muß jedenfalls durch die Proto-
plasmamasse erfolgen, die, wie wir durch WOooDpLAnD wissen, eine
gelegt, das quer zur Längsachse des Tieres gelegen ist. Dieses Stäbchen
wächst mehr und mehr in die Länge, bis es die Ausdehnung des Anker-
schaftes erreicht hat. An einem Ende ist es schon frühzeitig leicht knopf-
bis keulenförmig verdickt. An diesem Ende bildet sich der Bogen, während
das andere spitzere Ende die Handhabe aus sich hervorgehen läßt. Der
Bogen ist immer früher fertiggestellt als der Handgriff. Er entsteht durch
Gabelung (meist nicht genau unter 120°) und krummes Weiterwachsen
der dadurch gebildeten Armstummel (BECHER, 1911, p. 31).
500 - Hepwıe WILHELMI, =
Fig. D. Leptosynapta inhaerens.
a Anker und Plattenanlage in dem gemeinsamen Syncytium der Bildungszellen.
c Beide Kalkkörperchen, vollkommen ausgebildet, stehen nur am „Gelenk“ des
Handgriffendes miteinander in plasmatischer Verbindung. 640:1. (Nach WoopLaxp,
1907, 7, tab. 29 fig. 18 u. tab. 30 fig. 23.)
Verbindung zwischen den beiden an sich selbständigen Skeletstückchen
bildet. Anker und Ankerplatte entstehen in einem gemeinsamen
Syncytium. Wenn die Arme des früher gebildeten Ankers ungefähr
halbe Länge erreicht haben, so wandern von der Mitte desselben
etwa 6—10 mit entsprechender Plasmamasse versehene Kerne nach
der dem Körperinneren zugekehrten Seite des Ankers und bilden
dort einen leicht unterscheidbaren, aber doch mit dem anderen Teile
des Syncytiums zusammenhängenden Kl'impen (Fig. Da) (Becker, 1911,
p. 109). Während der weiteren Entwicklung trennen sich die beiden
Teile der gesamten Plasmamenge immer mehr voneinander ab (vgl. die
Stellung, die die fertig entwickelten Kalkkörperchen zueinander haben
in Fig. Ab). Nach vollkommener Ausbildung beider Gebilde besteht nur
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 501
noch an wenigen Stellen eine protoplasmatische Verbindung zwischen
ihnen. Der Gelenkverbindung am Handhabenende entspricht auch ein
Zusammenhang vom Platten- zum Ankersyncytium. Zu dieser Stelle
und wahrscheinlich auch direkt zu der Platte ziehen von den Spitzen
des Ankerbogens aus feine Protoplasmastrange (Fig. Dc). Wie wir
an den eben dargestellten Korrelationen gesehen haben, übt der
Bogen eine andere Wirkung aus als die Handhabe. Brcuer hat die
Frage eingehend diskutiert, ob es sich dabei um eine grobmechanische
Bewirkung des einen Partners durch den anderen durch Zug, Druck,
Platzmangel oder dergleichen handeln kann (1911, p. 113—115), und
kommt dabei ebenso wie für die Annahme eines einfachen chemischen
Prozesses zu einem negativen Resultat. Er glaubt vielmehr, daß die
Auslösung der Wachstumsarbeit durch einen einem nervösen Vorgang
vergleichbaren Prozeß vermittelt sein muß, einen Reiz, der von der
Gestalt des einen Partners ausgehen und sie irgendwie am Wachs-
tumsort repräsentieren muß. In dem Begriff des ,Gestaltreizes“
ist von BECHER lediglich ein bequemer beschreibender Ausdruck ge-
sucht, keineswegs ist damit aber ein autonomer Faktor postuliert,
der räselhaft bleiben müßte, weil wir ihn heute noch nicht zurück-
führen können (BECHER, 1911, p. 122, Anm.). Eine Leitung von
Reizen von einem Skeletstück zum anderen hat deshalb nichts Un-
wahrscheinliches, weil ja Anker und Platte in dieselbe einheitliche
Plasmamasse, ihr gemeinsames Bildungssyneytium, eingeschlossen
sind, das als lebendige Substanz der Reizaufnahme und Reizleitung
fähig sein muß.
Zuweilen findet man bei dem Plattentypus mit parallel liegendem
Ursprungsstäbchen Primärkreuze, die schräg gegen den Ankerschaft
geneigt sind, und fertige Platten, die aus derart verlagerten Primär-
kreuzen hervorgegangen sind. Hier setzen meine Untersuchungen
ein, die von der Frage ausgingen: lassen sich auch in einem
solchen Fall die oben erwähnten Korrelationen im
Einzelnen verfolgen? Zeigt sich eine entsprechende
Regulationsfähigkeit auch bei diesen sehr vielgröße-
ren an das Syncytium gestellten Anforderungen?
Ich habe nun eine größere Zahl von Hautstückchen aus der
Körperwand von Labidoplax thomsoni und ebenso von der nahe ver-
wandten Labidoplax digitata untersucht. Bei den Platten dieser
Synaptiden liegt das Primärkreuz normalerweise parallel zum Anker-
schaft. Die früher erwähnten Beobachtungen über die korrelativen
Abhängigkeiten finden sich hier in schöner Weise bestätigt.
502 Hepwie WILHELMI,
Bei dem Typus mit quer liegendem Plattenprimärstäbchen sind
bis dahin nur Drehungen desselben um 90° beobachtet worden. Die
mir zur Untersuchung vorliegende Art war Labidoplax buskii, bei der
im Gegensatz zu Leptosynapta bergensis, wie es scheint, eher einmal
ein schräg zum Anker liegendes Ursprungsstäbchen auftritt. Ich
habe zahlreiche Hautstückchen dieser Holothurie durchsucht und fand
dabei einige auffallende Regulationen, die noch über die von BECHER
gewonnenen Ergebnisse hinausführen. Die genauere Analyse dieser
Mißbildungen gestattete mir, Schlüsse zu ziehen auf die einzelnen
Faktoren des Wachstums, die normalerweise zusammenwirken, unter
diesen besonderen - Bedingungen aber durch mehr oder weniger ge-
trennte Arbeit ihre Selbständigkeit erwiesen. Dabei kam ich zu
dem besonders interessanten Ergebnis, daß auch die Symmetrie
dieser Kalkkörperchen eine selbständige Komponente in der Ent-
wicklung darstellt. |
Auch für die an den Doppelbildungen (Taf. 7 Fig. 1—3)
beobachteten Korrelationswirkungen blieben noch einige weitere
Fragen offen, nämlich zunächst die Frage nach der Art der Ent-
stehung einer Doppelplatte. Geht eine solche Platte aus
zwei getrennten Plattenanlagen hervor, die an der
Verwachsungsstelle einen gemeinsamen Handgriff
bilden, oder entsteht unter dem Einfluß des zweiten
Bogens ein Auswuchs einer einheitlichen Platten-
anlage? Da, wie BECHER gezeigt hat, sekundär verwachsene Kalk-
stücke unter dem Polarisationsmikroskop ihre Doppelnatur verraten,
war damit die Möglichkeit gegeben, primäre Verzweigung und
sekundäre Verwachsung zu unterscheiden (BECHER, 1914).
Bei der Bildung eines Doppelankers können entweder 2 Bogen
oder 2 Handhaben entstehen. Wodurch ist nun das Auftreten eines
doppelten Bogens oder einer doppelten Handhabe bestimmt? Dieses
Problem hat sich fassen lassen durch die an den Regulationen er-
kannte Selbständigkeit des symmetrischen Wachstums. Es ergaben
sich mir einige Beziehungen, die vielleicht eine Annäherung an die
Lösung dieser Frage bedeuten.
Die Anregung zu diesen Untersuchungen gab mir Herr Prof.
Dr. BecHer, wofür ich ihm an dieser Stelle meinen aufrichtigen
Dank sagen möchte.
Für die freundliche Überlassung des Materials bin ich außer
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 503
dem Genannten Herrn Prof. Dr. Braver und Herrn Prof. Dr. ÜsrTer-
GREN zu besonderem Danke verpflichtet.
Die Herstellung. der Präparate war eine sehr einfache. Kleine
Stücke wurden aus der Körperwand geschnitten, entwässert, auf-
gehellt und in Canadabalsam übergeführt. Die äußere Fläche muß
dabei nach oben gerichtet sein. |
IJ. Untersuchungen mit Hilfe des Polarisationsmikroskops
über die Entstehung einer Doppelplatte.
In der Einleitung habe ich schon kurz ausgeführt, daß Ver-
doppelungen des Ankers von der Platte mitgemacht werden. Geht
nun die Doppelplatte aus zwei getrennten Anlagen hervor, die jede
für sich eine Platte ausbilden und an der Verwachsungsstelle einen
vemeinsamen Handgriff erzeugen, oder ist die Platte aus einem
einzelnen Primärstäbchen entstanden? In letzterem Falle wäre unter
dem korrelativen Einfluß des Doppelankers ein Auswachsen der
Platte erfolgt. Ein solches Auswachsen der Platte nach einer durch
- einen zweiten Ankerschaft gegebenen Richtung liegt jedenfalls vor
bei der Bildung einer doppelten Handhabe.
Nach Analogie der von BEcHER (1914) eingeführten Methode
zur morphologischen Analyse des Echinodermenskelets ließ sich auch
hier leicht feststellen, ob die Doppelplatte aus 2 selbständigen Ele-
menten zusammengesetzt ist oder aus einer einheitlichen Anlage ge-
bildet wurde. Die Möglichkeit zu einer derartigen Entscheidung
gründet sich auf die Tatsache, daß ein einzelnes Skeletteilchen im
polarisierten Licht über seine ganze Ausdehnung gleichzeitig aus-
löscht, da die optische Achse in dem ganzen Kalkkörperchen die-
selbe Richtung hat. In allen Skeletstücken wird nun, wie BECHER
nachgewiesen hat, eine bestimmte Lage der optischen Achse zu der
Konfiguration des Skeletteiles eingehalten. „Allerdings läßt sich
diese Regel nicht exakt fassen; denn es ist klar, daß die Gestalt
eines Skeletstückes durch nachträgliches Wachstum geändert werden
kann, nachdem die Lage der optischen Achse schon ein für allemal
feststeht“ (BECHER, 1914, p. 216). Die optische Achse unserer Anker-
platten steht nach v. Epner senkrecht auf ihrer Fläche, fällt also
mit der Richtung der Mikroskopachse zusammen. In solchem Fall
leuchtet ein Krystall aber überhaupt nicht auf. Das Teilchen bleibt
dunkel, „wenn es gerade so liegt, daß der axiale Hauptschnitt des
Polarisators oder der dazu senkrechte des Analysators die optische
504 Hepwie WILHEDMI,
Achse des Skeletteilchens enthält“ (Becumr, 1914, p. 213). Tatsäch- \
lich bemerkt man bei Drehung des Objekttisches, daß die Mehrzahl
der Stützplatten im Dunkelfeld überhaupt nicht aufleuchtet. Man
erkennt sie nur an dem Hellwerden des zugehörigen Ankers. Das
abwechselnde Aufleuchten und. Auslöschen einzelner Platten erklärt
sich aber nach obigem Zitat durch ein nachträgliches Wachstum,
welches die Beziehung zwischen der Gestalt der Platte und der
Lage der optischen Achse nicht absolut genau bewahren ließ, oder
dadurch, daß vielleicht einzelne Platten in eine etwas schiefe Lage
geraten sind.
Durch dieses unterschiedliche Verhalten der einzelnen Platten
ist nun ein Mittel gegeben zur Antwort auf die eingangs gestellte
Frage nach der Entstehung einer Doppelplatte. Eine Doppelplatte
muß bei gekreuzten Nicols einheitlich aufleuchten, wenn sie sich aus
einer einzigen Anlage entwickelt hat. Entsteht eine solche Platte
aber aus zwei selbständigen Primärstäbchen, von denen jedes eine
Platte aus sich hervorgehen läßt, die dann mit ihren Handhaben-
enden verwachsen, so wird das Aufleuchten und Auslöschen zu ge-
trennten Zeitpunkten erfolgen, wenn nicht durch Zufall einmal beide
ganz genau dieselbe Richtung der optischen Achsen aufweisen.
Wenn an jeder der beiden Platten mit Sicherheit ein Primär-
stäbchen zu erkennen ist, so daß es schwierig: sein würde zu sagen,
welches die ursprüngliche Platte ist, so spricht schon eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dafür, das eine solche Doppelplatte aus getrennten
Anlagen entstanden ist. So lassen sich z. B. an dem von BECHER
abgebildeten Spiculum (1911, fig. Ha) 2 Primärstäbchen feststellen,
von denen jedes ungefähr senkrecht zum entsprechenden Ankerschaft
liegt. Auch an der in Fig. 1, Taf. 6 wiedergegebenen Doppelplatte
kann man bei aufmerksamer Betrachtung 2 Anlagestäbchen unter-
scheiden.) Ohne weiteres sind sie zu erkennen in Taf. 6 Fig. 3.
Nun könnte allerdings auch durch Regulationstätigkeit in der
von einer Seite her ausgewachsenen sekundären Plattenhälfte ein
Kalkbälkchen erzeugt werden, das Gestalt und Lage eines Primär-
stäbchens aufwiese; auch die Anordnung der Löcher in jeder Seite
könnte durch Regulation derjenigen einer Einzelplatte nachgebildet
1) Zu diesen Untersuchungen habe ich nur Kalkkörperchen von
Labidoplax thomsonit verwandt. Ich deutete schon in der Einleitung
darauf hin, daß das Primärstäbchen leicht daran erkannt wird, daß die
4 Hauptlöcher des freien Plattenendes in seinem Umkreis liegen. Diese
Löcher sind meist größer als die übrigen der Platte.
> ma AS
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 505
sein. Meine Untersuchungen mit dem Polarisationsmikroskop an
derartigen Platten bestätigten aber die Annahme, daß wir es hier
mit getrennten Plattenanlagen zu tun haben. Überall ‚dort, wo sich
in beiden Teilen der Doppelplatte ein Primärstäbchen erkennen läßt,
erfolgt Aufleuchten und Auslöschen dieser beiden Teile zu verschie-
denen Zeitpunkten. Ich konnte 5 solche Doppelplatten untersuchen.
Bei allen zeigten die beiden Hälften ein verschiedenes Verhalten.
Entweder leuchteten sie nacheinander auf, oder eine derselben wurde
überhaupt nicht hell. Im letzteren Fall liegt also die optische
Achse der einen Plattenhälfte in der Richtung der Mikroskopachse,
- während die der anderen ein wenig von dieser Richtung abweicht,
da sie ja zum Aufleuchten gebracht werden konnte. Bei abwech-
selndem Hellwerden muß natürlich ebenfalls die optische Achse in
beiden Teilen der Doppelplatte verschieden gerichtet sein. Da ein
solcher Fall besonders eklatant das verschiedene Verhalten zeigt,
habe ich von einer derartigen Doppelbildung zwei photographische
Aufnahmen gemacht. Fig. 1 u. 2, Taf. 6 geben das Spiculum bei
verschiedenen Stellungen zur Polarisationsebene wieder. Entweder
leuchtet die linke Plattenhälfte auf, während die rechte verschwindet
(Taf. 6 Fig. 1), oder die linke Hälfte löscht vollkommen aus, und
die rechte zeichnet sich scharf ab gegen den dunklen Hintergrund
(Taf. 6 Fig. 2). In. der ersteren Aufnahme ist zugleich ein Auf-
leuchten der doppeltbrechenden Muskulatur in der Körperwand zu
‘ erkennen. Die größere Helligkeit des Gesichtsfeldes in diesem Fall
bringt es mit sich, daß die eine Plattenhälfte hier nicht vollkommen
zum Verschwinden gebracht werden kann.
Bei den anderen von BECHER wiedergegebenen Doppelbildungen,
die aus dem mittleren Körperteil von Labidoplax thomson stammen
(1911, fig. H du. He, p. 38), läßt sich nicht mehr ohne weiteres auf
beiden Seiten der Platte ein Primärstäbchen bestimmen. Ich durfte
auch diese Exemplare mit dem Polarisationsmikroskop untersuchen
und fand in beiden Fällen ein gleichmäßiges Aufleuchten über die
ganze Ausdehnung der Doppelplatte. Ein drittes Spiculum von ganz
ähnlicher Gestalt findet sich in Taf. 6 Fig. 5 u. 4 wiedergegeben.
- Auch bei dieser Platte können wir nur in der rechten Hälfte ein
Primärkreuz erkennen. Ich glaube, daß das quer zur Plattenhand-
habe liegende Kalkbälkchen als Anlagestäbchen anzusprechen ist.
Während nun die rechte Seite in ihrer Ausbildung an die Gestalt
einer normalen Platte erinnert, wirkt die linke Seite wie ein Aus-
wuchs, da sie nur einige kleine Löcher aufweist. Ganz ähnlich
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 33
506 Hepwic WiLHELMI,
liegen die Verhältnisse bei der in fig. H d von BECHER abgebildeten
Form. Schwieriger dagegen ist die Bestimmung des Ursprungsstäbchens
in BEcHer’s fig. He. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist es das quer
zur Plattenhandhabe liegende Kalkbälkchen, das etwas nach links
verschoben ist. Wenn man sich diese Doppelplatte etwas genauer
betrachtet, so erkennt man eine fast vollkommene Symmetrie der-
selben in bezug auf eine Achse, die senkrecht zu diesem Anlage-
stäbchen liegt und es gerade halbiert. Durch die seitliche Verlagerung
des Stäbchens fällt die Symmetrie der Platte nicht ohne weiteres
ins Auge. Es gelang mir aber auch, einen Doppelanker zu finden,
bei dem ein solches Stäbchen gerade über der Verzweigungsstelle
und quer zum Handhabenschaft liegt (Fig. E a). Dieses Spiculum
stammt aus dem hinteren Körperende.
Durch die symmetrische Entwicklung der Platte nach beiden
Seiten hin kam ein Gebilde zustande, das von solchen Doppelbildungen,
wie wir sie in Fig. 6 u. 7, Taf. 6, vor uns haben, schwer zu unter-
scheiden ist. Eine photographische Aufnahme dieser Platte findet
sich in Fig. 3, Taf. 6. Da sie wie jene aus dem hinteren Körper-
ende stammt, ist die Ähnlichkeit mit den Doppelplatten in Fig. 1 u. 2,
Taf. 6 um so täuschender. Die einheitliche Anlage der Platte er-
gibt sich nun einwandfrei aus dem Verhalten unter dem Polari-
sationsmikroskop. Wir erkennen an der Aufnahme, die bei ge-
kreuzten Nicols gemacht ist, ein gleichzeitiges Aufleuchten über die
ganze Ausdehnung der Doppelplatte. Die Gestalt derselben ist in
ihren Einzelheiten an der Zeichnung (Fig. E a) besser zu erkennen.
Der von beiden Seiten gleichmäßig auf das Primärstäbchen ein-
wirkende Ankereinfluß hatte zur Folge, daß die Doppelplatte voll-
kommen symmetrisch wurde. Aus der Größe der Löcher am freien
Plattenende, die hier fern vom Primärkreuz entstanden sind, dürfen
wir schließen, daß der Einfluß des -Ankers sich auch auf die Einzel-
lochbildung erstreckt. Die Löcher in der nächsten Umgebung des
Anlagestäbchens sind hier im Vergleich zur Normalplatte stark ver-
kleinert.’)
Die Eigenschaft, eine Doppelplatte aus einem einzigen Primär-
stäbchen hervorgehen zu lassen, kommt also auch den Spicula des
hinteren Körperendes zu. Wenn nun das Ursprungsstäbchen in der
1) Ein Zeichen dafür, daß es keineswegs (wie von anderer Seite ver-
mutet worden ist) ein inhärentes Gesetz der Spiculabildung darstellt, daß
die später gebildeten Löcher immer kleiner werden.
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 507
Fig. E. Labidoplax thomsonii.
Korrelative Doppelbildungen von Anker und Platte. a Die vollkommen symme-
trische Doppelplatte ist aus einer einheitlichen Anlage hervorgegangen. Das An-
lagestäbchen liegt gerade auf der Verzweigungsstelle des Doppelankers und zwar
quer zu der Handhabe desselben. b—d zeigen Verdoppelungen des Handhabenendes.
a Wo: 6 210; 1, cu. d'201: 1:
Nähe eines der Ankerbogen gelegen ist, so kann auch bei den Kalk-
körpern dieses Körperteiles ein Auswachsen der Platte zum anderen
Ankerbogen hin erfolgen. In allen von mir beobachteten Fällen
einer einheitlich angelegten Doppelplatte schien der Größe der Er-
gänzungsplatte eine gewisse Grenze gesetzt zu sein. Es macht den
33*
508 HEepDwIıG WILHELMI,
Eindruck, als ob nur bei einer besonders günstigen Lage des Primär-
stäbchens (Fig. E a) eine nach beiden Seiten vollständig ausgebildete
Doppelplatte entstehen Könnte.
Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist -also
folgendes. Für die Entstehung einer Doppelplatte gibt
es zwei Möglichkeiten: sie kann hervorgehen aus zwei
selbständigen Plattenanlagen, die während ihres
Weiterwachstums aufeinander stoßen und nun mit-
einander verwachsen; oder ein einzelnes Stäbchen,
das einem der beiden Ankerbogen zugeordnet ist,
kann sich zu einer vollständigen Platte entwickeln,
an der dann in der Richtung des anderen Ankerbogens
noch weiter Kalk abgeschieden wird zur Ausbildung
einer meist kleineren Ergänzungsplatte, die auch nur
mit kleineren Löchern versehen ist. Bei besonders
giinstiger Lage des Ursprungsstäbchens entsteht auch
in diesem Fall eine Doppelplatte, die symmetrisch ist
in bezug auf die Handhabe des Doppelankers.
Die Entstehung einer Doppelplatte aus zwei selbständigen
Primärkreuzen legt den Gedanken nahe, daß vielleicht bei der
Gabelung des Ankers zugleich die Protoplasmaanhäufung für die
Plattenanlage doppelt auftritt und daß jede ganz normalerweise zu
einer Platte sich entwickelt. In einem solchen Fall würde dann
nur eine dem Normalen entsprechende Entwicklung des freien -
Plattenendes stattgefunden haben ohne eine besonders auffallende
korrelative Einwirkung des Ankerbogens. Daß aber eine solche
Einwirkung vorkommt, zeigen um so deutlicher die aus einer ein-
heitlichen Anlage hervorgegangenen Doppelplatten. Auch die Ent-
stehung einer doppelten Plattenhandhabe unter dem Einfluß eines -
verzweigten Ankerhandgriffs läßt sich nur aus einer korrelativen
Abhängigkeit der Platte vom Anker verstehen.
Zu den von BECHER gegebenen Abbildungen mit doppelten
Handgriffen bei Leptosynapta bergensis (BECHER, 1911, fig. Ha u. Hb)
kann ich noch einige ergänzende Doppelbildungen von Labidoplax
thomsonii hinzufügen. Fig. Eb—d und Fig. 1 u. 2, Taf. 7 geben
solche Verzweigungen des Handhabenendes wieder. Auch ein ganz
. kurzer überzähliger Ankerhandgriff kann die Platte zwingen, eine
zweite kleine Handhabe zu bilden (Fig. Ec u. Ed).
Die Tatsache, dab eine Doppelplatte aus zwei Anlagen ent-
stehen kann, rückt die Möglichkeit nahe, daß in einem und dem-
2
L
RL. os Da SEE tomb ou. lite
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 509
selben Syncytium zwei Ankerprimärstäbchen entstehen, an einem
Ende verwachsen und dort einen gemeinsamen Handgriff entwickeln
könnten, während die anderen Enden 2 Bogen ausbildeten. Schon
aus der Betrachtung der verschiedenen Anker mit doppelten Hand-
haben ergeben sich aber erhebliche Schwierigkeiten für eine solche
Deutung. Einwandfrei ist sie jedoch widerlegt durch das Verhalten
der Doppelanker im Dunkelfeld des Polarisationsmikroskops. Aus-
nahmslos konnte ich ein einheitliches Aufleuchten und Auslöschen
derselben feststellen. Wahrscheinlicher erscheint mir daher, daß
das Primärstäbchen des Ankers sich gabelte infolge einer latent ge-
wordenen Verzweigungstendenz, die auch dem Anker ursprünglich
zukam. BEcHER hat nachgewiesen, daß die Synaptidenanker auf
sich vergabelnde Primärkreuze zurückzuführen sind (1910). Daher
glaube ich, daß das Auftreten dieser Doppelbildungen durch die
Geschichte der Anker verständlich wird.
Es können also bei einem einheitlich angelegten Doppelanker
zwei selbständige*Plattenprimärstäbchen entstehen. Diese Tatsache
läßt sich verstehen, wenn man bedenkt, daß durch die veränderte
Gestalt des Ankers die Bedingungen für die Verteilung der Kerne
des Syncytiums ganz andere geworden sind. Man kann sich vor-
stellen, daß durch den doppelt wirkenden Einfluß des Bogens unter
Umständen zwei Kernansammlungen gebildet werden, wie sie der
Entstehung des Primärstäbchens voraufgehen (Fig. Da). Die darauf
folgende Ausbildung von zwei selbständigen Stäbchen hat durchaus
nichts Sonderbares an sich; denn aus dem Vorkommen von doppelten
“ Bogen und doppelten Handhaben, ganz besonders aber auch aus
dem Auftreten von zwei vollständigen Ankern (Fig. F) geht hervor,
daß jeder Teil des Syncytiums für sich noch wieder totipotent ist.
An der Lokalisation der Kerngruppe scheinen normalerweise
sowohl ein vom Bogen als auch ein yon dem Handhabenende aus-
gehender Reiz beteiligt zu sein. Denn es ist auffallend, wie haufig
bei Doppelbildungen das Primärkreuz verlagert wird nach einer
Richtung, die durch die direkte Verbindungslinie zwischen einem
Bogenteil und der kurzen Handhabe bestimmt wird (vgl. Fig. 1,
Taf. 7). Bei doppelten Bogen sind die Primärstäbchen meist auf
beiden Seiten entsprechend gegen den Ankerschaft verschoben
(Fig. 1, Taf. 6; Fig. 3, Taf. 7 und Becner, 1911, fig. Hc). Da
nun derartige seitliche Verlagerungen des Stäbchens über den
Ankerschaft hinaus bei einfachen Kalkkörperchen von Labidoplax
thomsonii sehr selten von mir beobachtet wurden, glaube ich, daß
510 Hepwie WiLHELMI,
die Ursache zu suchen ist in der veränderten Richtung der zu
gleicher Zeit wirkenden Reize des Bogens und des Ankerstielendes.1)
Leicht verständlich ist es, daß unter Umständen das Zusammen-
wirken aller dieser Einflüsse den Erfolg hat, daß die Kernansamm-
lung zur Bildung des Primärstäbchens gerade auf der Verzweigungs-
stelle entsteht. In einigen Fällen hat dagegen die Wirkung einer
der beiden Bogenteile offenbar das Übergewicht gehabt, vielleicht
weil er früher fertig war als sein Konkurrent. Es ist fraglich, ob
immer der in der Richtung der Körperfältchen liegende Ankerbogen
dominiert.?) Bei den stark gestreckten Winkeln der hierfür in Be-
tracht kommenden Mißbildungen des vorderen Körperendes liegen
meist beide Bogenhälften annähernd in Richtung der Körperfältchen
(Taf. 6, Fig. 4 u.5 und Becxer, 1911, fig. Hd). In dem von BECHER
abgebildeten Spiculum fig. H e zeigt gerade derjenige Schaft die Richtung
der Körperfältchen, dem kein selbständiges Primärkreuz zugeordnetist.?)
Aus der etwas gegen die Ankerhandhabe verschobenen Richtung des
Plattenhandgriffs glaube ich aber schließen zu dürfen, daß der Doppel-
anker sich hier in aufgerichteter (also nicht in klettender) Stellung be-
findet. Wenn beide Handhaben zusammenfallen, liegt dann das Ur-
sprungsstäbchen gerade auf der Verzweigungsstelle des Ankers. Die
symmetrische Form der Platte wird dadurch viel besser verständlich,
da sie ebenso wie die vollkommene Symmetrie der Doppelplatte in
Fig. 3, Taf. 6 gedeutet werden kann als eine Wirkung des gleich-
mäßig von beiden Seiten des Doppelbogens ausgeübten Einflusses.
Die Symmetrieebenen der einzelnen Plattenhälften liegen hier noch
wieder symmetrisch zu einer durch den Handgriff gegebenen Rich-
1) Hier wurde mir der berechtigte Einwand gemacht, daß auch eine
rein mechanische Wirkung der anormal verlaufenden Protoplasmastränge
vorliegen kann.
2) Wie schon von BECHER angeführt wurde (1911, p. 40) spricht
eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Hauptschaft der Doppel-
bildungen durch einen Bogenteil gebildet wird, der in der Richtung der
Kôrperfältchen liegt. In meinen Funden hatte ein Bogenteil immer
wenigstens annähernd diese Richtung; doch konnte diese Frage nicht mit
Sicherheit entschieden werden, da nicht feststeht, in welchen Teil des
fertigen Ankers die Kalkteilchen gelangen, die das Anlagestäbchen des
Ankers bilden. Es bedürfte dazu einer größeren Zahl von Entwicklungs-
stadien, die bei der Seltenheit dieser Mißbildungen natürlich noch seltener
auftreten. |
3) Die Querfältchen sind nicht eingezeichnet. Ich konnte es aber an
dem mir zur Verfügung stehenden Präparat nachprüfen.
a u
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. Al
tung. Die entsprechenden Symmétrieebenen von Anker und Platte
fallen zusammen. Für die endgültige Gestalt der Doppelplatte ist,
wie es scheint, die Lage des Ursprungsstäbchens immer von Be-
deutung. Eine Symmetrie der Gesamtform ist auch bei den aus
zwei Stäbchen hervorgegangenen Platten regelmäßig zu verzeichnen,
während bei solchen, die aus einem einseitig gelegenen Primärkreuz
entstanden sind, die Erreichung der Symmetrie eine gewaltige Auf-
gabe ist, ein Ziel, das gewöhnlich nicht erreicht wird. Wenn der
Einfluß eines Ankerbogens schon bei der Bildung des Primärstäb-
chens im Übergewicht ist, so zeigt auch die Form der fertigen
Platte, daß dieser Bogenteil vielleicht fortgesetzt dominiert hat.
Zum Schluß dieses Kapitels möchte ich noch die Abbildung
einer Mißbildung von Labidoplax thomsonii geben (Fig. F), wie sie
auch bei anderen Synaptiden vorkommt und sich mehrfach in der
Literatur wiedergegeben findet. Der korrelative Einfluß des Ankers
auf die Platte ist wieder ohne weiteres zu erkennen. Es scheint,
daß eine Zwillingsbildung des Ankers vorliegt. Die Aufteilung der
-Ankeranlage hat aber nicht eine Teilung der Plattenanlage zur
er | | Fig. G.
Fig. F. Zwei getrennt angelegte selbständige Anker mit einer gemeinsamen
Platte, die aus einer einheitlichen Anlage hervorgegangen ist. Die korrelative
Abhängigkeit zeigt sich wieder in dem Vorhandensein eines doppelten Platten-
handgriffes und in der starken Verbreiterung des freien Plattenendes. 210:1
Fig. G. Normale Platten vom Typus mit parallel zum Ankerschaft liegendem
Primärkreuz. a Labidoplax thomsomii. 272:1. b Labidoplax digitata. 198:1.
512 Hepwic WiLHELMI,
Folge gehabt. Es läßt sich nur ein einziges Primärstäbchen in der
Platte erkennen, und auch nach ihrem Verhalten unter dem Polari-
sationsmikroskop ist sie einheitlich angelegt. Die Platte leuchtet
im Dunkelfeld überhaupt nicht auf. Trotzdem also das Ursprungs-
stäbchen nur einem der beiden Anker angehört, sehen wir für beide
Anker je eine Plattenhandhabe entwickelt. Auch die starke Ver-
breiterung des freien Plattenendes läßt auf einen korrelativen Ein-
flu8 der Anker schließen.
II. Untersuchungen an einfachen Platten mit schief liegendem
Primärstäbchen.
a) Labidoplaz thomsonii und L. digitata.
Wie schon erwähnt, gehören die Platten von Labidoplax thom-
son und L, digitata dem Typus mit parallel liegendem Stäbchen an.
Fig. G zeigt Anker und Platten dieser Arten in normaler Aus-
bildung. Das Anlagestäbchen läßt sich leicht erkennen, da es in
dem Gewirr von Kalkbälkchen das einzige ist, das in der Richtung
des Ankerschaftes liegt. Im Umkreis dieses Bälkchens erkennt man
die 4 Hauptlöcher, die uns bei anormalen Stadien zur Auffindung
des Primärkreuzes verholfen haben. Das eine dieser Löcher liegt
in Fig. Ga in einer Reihe mit zwei fast gleichgroßen Öffnungen im
Maschenwerk der Platte, die zusammen mit zwei hinzukommenden
kleinen Löchern den äußersten Rand des freien Plattenendes bilden.
Zur Erleichterung des Ausdrucks wollen wir diese Löcher fortab als
die drei äußersten Randlöcher bezeichnen. Bei Labidoplax digitata
(Fig. Gb) ist das mittlere derselben allerdings bedeutend größer, wie denn
überhaupt bei dieser Art die 4 Hauptlöcher durch ihre Größe auf-
fallen, was einerseits dadurch bedingt ist, daß das Primärstäbchen
hier entschieden sehr viel länger ist als bei den Platten von Labi-
doplax thomsonit, andrerseits auch dadurch, daß bei Labidoplax thom-
soni das dem Handhabenende zugewandte vierte Hauptloch durch
einige Kalkbrücken in mehrere kleinere Löcher zerteilt wird. Dieses
Loch wird als Grenzloch bezeichnet, weil es auf der Grenze zwischen
freiem Plattenende und Handhabenende liegt. Die hinzukommenden
kleinen Löcher Können bei beiden Arten in der Anordnung variieren.
Der Handgriff der Platte ist deutlich abgesetzt von dem freien
Plattenende, so daß das ganze Gebilde ungefähr das Aussehen eines
Handspiegels erhält (nach Lupwie).
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 513
Die von BEcHEr in fig. Mb—e wiedergegebenen Regulations-
stadien von Labidoplax thomsonit, bei denen das Ursprungsstäbchen
um 90° gedreht ist, zeigen am freien Plattenende keine besonders
auffallende Wirkung des Ankereinflusses (Fig. Ha). Die 4 Haupt-
löcher haben zwar ihre Rollen vertauscht, aber ohne in der Größe
beträchtlich abgeändert zu sein. Daß trotzdem die Platte in ihren
Fig. H.
Anker und Platte a von Labidoplax thomsonii (nach Brecurr, 1911, fig. Me, p. 51),
135:1; b von Labidoplax digitata, 171:1. Das Primärkreuz der Platte ist
anormalerweise um 90° gedreht. Die Größe der 4 Hauptlöcher in a differiert nicht
stark von der der Normalplatte (vgl. Fig. Ga); in Fig. b dagegen mußte bei dem
sehr viel längeren Primärstäbehen die Größe der 4 Hauptlöcher beträchtlich ab-
geändert werden, damit die Platte in Annäherung an das Normale eine langgestreckte
Form erhalten konnte. Dazu kommt auch hier als weitere Regulation die Bildung
eines Handgriffs in der Richtung des Ankerschaftes. Die Querfältchen der
Körperwand sind eingezeichnet.
Umrissen der Normalform gleich gestaltet werden kann, wird
hier dadurch sehr erleichtert, daß das Primärstäbchen bei dieser
Art sehr kurz ist. Bei den sehr viel längeren Stäbchen von Labi-
doplax digitata würde bei entsprechender Verlagerung oder
Drehung desselben die Platte viel zu stark verbreitert werden, wenn
die Löcher ihre Größe beibehielten. Hier muß also die Regulation
schon früher einsetzen. Tatsächlich zeigt eine derartige Platte in
Fig. Hb, wie die nunmehr seitlich liegenden Hauptlöcher stark ver-
kleinert sind. Die beiden anderen Hauptlöcher sind noch etwas
vergrößert und in ihrer Form verändert, so daß dadurch eine lang-
gestreckte Gestalt wie bei der Normalplatte erzeugt wurde. Da die
514 Hepwig WILHELMT,
Bildung des Handgriffes in der Richtung des Ankerschaftes erfolgt
ist, ergibt es sich auch hier wieder, das bei der Drehung des An-
lagestäbchens die Symmetrieebene der Platte nicht mitgedreht
wurde. Nach der Ausbildung der 4 Hauptlöcher und der ihnen an-
liegenden folgenden Lochserie hat die Kalkabscheidung in Richtung
des Primärstäbchens aufgehört, wodurch die symmetrische Gestalt
der Platte ermöglicht ist.*)
Man könnte nun, zumal in Hinblick auf Z. Hosts annehmen,
daß die Regulation immer in der Weise erfolgt, daß ein beliebig
verlagertes Primärkreuz sich durch Selbstdifferenzierung so lange
verzweigte, bis ihm eine durch die Umrisse der Normalform gegebene
Grenze gesetzt würde, etwa durch eine schon vorhandene organische
Matrize. Die einzelnen Löcher der Platte müßten dann ihre Form
und Größe beibehalten, und je nach der Neigung des Stäbchens
würden an einzelnen Stellen Löcher fehlen, an anderen neue hinzu-
kommen. Bei der soeben betrachteten Platte ergibt sich schon aus
der Größe und Gestalt der 4 Hauptlöcher, daß keine ausschließliche
»Grenzregulation“ vorliegen kann. Hier scheint schon bei der
Entstehung des einzelnen Loches ein regulativer Einfluß wirksam
zu sein.
An den Platten von Labidoplax digitata, bei welchen das
Primärstäbchen schief zum Ankerschaft liegt, ist die
Wirkung eines solchen Einflusses noch deutlicher zu erkennen, da
hier auch die einzelnen Verzweigungswinkel verändert sein können.
In Fig. Ja ist eine solche Platte abgebildet. Die Auffindung des
Anlagestäbchens wird bei den Platten dieser Art sehr erleichtert
durch die von den übrigen Kalkbälkchen hervorragende Länge des-
selben. Das Primärkreuz hat hier auf der rechten Seite einen Ast
abgegeben, wodurch das rechte seitliche Hauptloch in 2 Teile geteilt
wird.?) Schon die erste Gabelung des Stäbchens an dem dem Bogen
zugewandten Ende zeigt einen Winkel von nur 75° (ungefähr),
während bei der Normalplatte von Z. digitata ebenso wie bei Z.
thomsonii die Winkel meist eine Größe von 90°—100° haben. Die
folgende Verzweigung des nach außen gerichteten Schenkels hat
ebenfalls unter verändertem Winkel stattgefunden. Der dem Anker-
1) Der Anker befindet sich hier in aufgerichteter Stellung. Durch
die Körperquerfältchen ist die Richtung angedeutet, die der auf der sn.
ruhende Anker haben würde.
2) Die Lage des Primärkreuzes ist in der Zeichnung fein punktiert
angedeutet (Fig. Ja).
eee —— =
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 515
schaft zugewandte Schenkel ist förmlich zu ihm „herübergeholt“.
Die Reihe der drei sonst nebeneinander liegenden äußersten Rand-
löcher wird dadurch natürlich gestört. Das rechte dieser 3 Löcher
ist infolge des verkleinerten ersten Verzweigungswinkels in die Mitte
der Platte gerückt. Durch kleine hinzukommende Öffnungen ist
dann das freie Plattenende abgerundet. Trotz der anormalen Lage
des Anlagestäbchens wurde auf diese Weise auch hier wieder die
Gestalt der Normalplatte, wenigstens ihren Umrissen nach, erreicht.
Die Richtung der Plattenhandhabe fällt mit dem Ankerschaft zu-
sammen. Die mehr individualisierten großen Löcher des freien
Plattenendes sind bei der Betrachtung dieser Regulationen von
größerer Bedeutung als die auch bei der Normalform nicht ganz
konstant auftretenden kleinen Löcher des Handhabenendes.
Hien J.
Anormale Platten von Labidoplax digitata, die aus einem schief liegenden Primär-
kreuz hervorgegangen sind. Schon von Beginn der Entwicklung hat ein regulativer
Einfluß gewirkt, der sich besonders auffallend in einer Anderung der Verzweigungs-
winkel äußert. Diese Veränderungen sichern die Entstehung einer Platte von un-
gefähr normaler nn Primärkreuz ist eingezeichnet.
95:1.
Auch in Fig: Jb sind die Löcher des äußersten Randes ein
wenig aus der Reihe gebracht infolge Änderung des Verzweigungs-
winkels, jedoch nicht ganz so stark wie bei der soeben betrachteten
Form, da die erste Gabelung des Primärstäbchens noch normal
verlief. Bei der zweiten Verzweigung wächst auf der rechten Seite
der dem Ankerbogen zugewandte Ast mehr nach links herüber, auf
der linken Seite dagegen strebt der vom Ankerbogen abgewandte
Schenkel noch ‚weiter von der Mittellinie des Ankers fort. Die
516 Hepwie WILHELMT,
Neigung des Primärstäbchens nach rechts wird gewissermaßen kom-
pensiert dadurch, daß die beiden links gelegenen Schenkel der ein-
zelnen zweiten Verzweigungen stärker nach links gerichtet werden.
Das rechte seitliche Hauptloch und ebenso die rechts gelegenen
Löcher des Handhabenendes sind beträchtlich vergrößert. Diese
Vergrößerung erfolgte teils nur durch Verlängerung der Balken, teils
wurde zugleich durch Veränderung des betreffenden Verzweigungs-
winkels ein Loch ein wenig verlagert. Der Erfolg ist, daß die Aus-
dehnung der Platte in allen Teilen derselben ungefähr die gleiche
zu beiden Seiten des Ankerschaftes ist.
Dasselbe können wir sagen von der in Fig. Je abgebildeten
Platte. Der kleine Buckel auf der linken Seite ist bedingt durch
die beträchtliche seitliche Verlagerung des Primärkreuzes. Diese
Verlagerung ist verbunden mit einer Drehung desselben um unge-
fähr 60°. Der eine Ast der ersten Verzweigung ist infolge der
unveränderten Winkelgröße um etwa 10° gegen den Ankerschaft
geneigt; er hat also annähernd die Richtung eines normal gelagerten
Stäbchens (so geringe Abweichungen kommen unter den normal ge-
stalteten Platten sehr häufig vor). Die beiden Äste der ersten Ver-
zweigung unterscheiden sich nun sehr auffallend durch ihre Größe.
Dadurch wird es erreicht, daß das linke seitliche Hauptloch sozu-
sagen aufgerichtet und in die Richtung des Ankerschaftes gezogen
wird. Ihm gegenüber entsteht auf der rechten Seite des längeren
Astes der ersten Verzweigung ein Loch, das ebenfalls in dieser
Richtung langgestreckt ist. Dieses ist identisch mit dem mittleren
der drei äußeren Randlöcher. Der verlängerte Ast hat gewisser-
maßen die Rolle des Primärstäbchens übernommen, und die größeren
Löcher liegen in einer ähnlichen Anordnung um dieses Kalkbälkchen
herum wie bei der Normalplatte. Diese Verlängerung des einen
Astes ist die hauptsächliche regulative Änderung, die wir feststellen
können. Die seitliche Verlagerung des Stäbchens, die zu der
Drehung hinzukam, ist in diesem Fall mehr-oder weniger günstig
für die Regulation gewesen; denn dadurch kam der längere Ast der
ersten Gabelung ungefähr in die Mittellinie des Kalkkérperchens.
Natürlich mußte nun aber am anderen Ende des Stäbehens das
eigentliche Grenzloch sehr klein werden, um eine zu starke Ver-
breiterung der Platte an dieser Stelle zu verhindern.
Die Platten von Labidoplax thomsonii behalten zwar meist den
normalen Verzweigungswinkel bei, eine Orientierung nach dem
Anker bei der Bildung des einzelnen Loches zeigt sich aber doch
es
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 517
in einer Regulation durch Verlängerung oder Verkürzung der ein-
zelnen Balken, wodurch eine Vergrößerung resp. Verkleinerung der
Löcher verursacht wird.
Schon bei der nur wenig von 90° abweichenden Neigung des
Stäbchens in Fig. Ka erkennen wir eine Abänderung der Lochgröße.
Von den drei jetzt auf die rechte Seite gebrachten äußeren Rand-
löchern ist das dem Bogen zunächst liegende deutlich vergrößert, wo-
durch die erforderliche Streckung in dieser Richtung zustande
kommt, während das am meisten nach rechts gelegene Loch dieser
Reihe sich ein wenig verkleinert zeigt. Auf der linken Seite der
Platte werden dort, wo bei Selbstdifferenzierung sich das Hand-
habenende bilden würde, nur so viel kleine Löcher angefügt, dab
die Ausdehnung der Platte auf dieser Seite derjenigen auf der
rechten Seite entspricht. Dazu kommt die Bildung eines Hand-
griffes in der Richtung des Ankerschaftes, so daß die Platte in ihren
Umrissen wieder annähernd mit der Normalform übereinstimmt.
Fig. K.
Regulationen an Platten von Labidoplax thomsonii, bei denen das Primärkreuz
anormalerweise gegen den Ankerschaft gedreht ist. Durch Vergrößerung oder
Verkleinerung der einzelnen Löcher ist eine Übereinstimmung mit den Umrissen
der Normalform erreicht. a 204:1, b 210:1, ¢ 202:1.
Nur wenig gedreht ist das Primärstäbchen in Fig. Kb. Auch
hier zeigt sich die Größe der drei äußeren Randlöcher entsprechend
verändert. Die Rolle des Grenzloches wurde von dem eigentlichen
518 Hepwie WILHELM,
Grenzloch seinem linken Nachbarn übertragen. Wir sehen die Ge-
stalt desselben in diesem Sinne abgeändert.
Eine Neigung des Stäbchens, verbunden mit seitlicher Verlage-
rung, macht meist eine stärkere Äußerung der Regulationstätigkeit
nötig. In Fig. Ke sind am freien Plattenende alle Löcher der
rechten Seite beträchtlich erweitert gegenüber den entsprechenden
Löchern der anderen Seite. Das rechte Loch der äußeren Rand-
löcher ist in die Mitte gerückt und bedingt durch seine annähernd
kreisrunde Form eine gewisse Symmetrie der Platte, die besonders
in der Gestalt der Plattenumrisse zu erkennen ist.
Fig. L. Labidoplax thomsonii.
Anker und Platte. a Das Primärkreuz ist schräg gegen den Ankerschaft geneigt.
b Die Umrisse der Platte sind noch einmal gesondert gezeichnet, um die Symmetrie
derselben deutlicher hervortreten zu lassen. Fi.
I. Ergebnis: Auch bei schief liegendem Primärkreuz
verliert sich das Wachstum nicht ins absolut Regel-
lose, vielmehr läßt sich in jedem Schritt eine regu-
latorische Einwirkung erkennen. Schon von Beginn
der Entwicklung zeigt sich, daß bei der Ausbildung
der Platte eine Orientierung nach dem Anker vorliegt.
Sie läßt sich erkennen in einer Veränderung des Ver-
zweigungswinkels oder an einer Verlängerung resp.
Verkürzung der einzelnen Schenkel sowie an der
Bildung der Plattenhandhabe, die immer in der Rich-
tung des Ankerschaftes erfolgt. Dabei scheint von
Skeletbildung der fuBlosen Holothurien. 519
dem Bogen bezw. der Handhabe eine spezifische Wir-
kung auszugehen.
Trotz schief liegendem Primärstäbchen und dadurch bedingter
unregelmäßiger Anordnung der Löcher können die Umrisse der
Platte eine fast vollkommen symmetrische Gestalt aufweisen.
Fig. La und Lb zeigen eine sehr schöne Symmetrie der
äußeren Plattenumrisse, die wegen der schief zur Mittellinie ge-
lagerten Löcher gar nicht ohne weiteres ins Auge fällt. Zwei
hinzukommende kleine Löcher am äußersten Rand der Platte bilden
links einen Ausgleich gegen die stark ausgezogene Ecke auf der
rechten Seite der Platte.
| Fig. M.
a Labidoplax thomsonii. Das Primärkreuz der Platte ist ungefähr um 45° geneigt.
Die Größe der Löcher ist derart modifiziert, daß eine fast vollkommene Symmetrie
der Platte resultiert. 272:1. b Labidoplax digitata. Die Neigung des Primär-
kreuzes ist nur gering. Durch eine kleine Anderung des Verzweigungswinkels
wurde das eine der 4 Hauptlöcher in die Mitte gerückt und stark vergrößert und
verursacht dadurch eine größere m... an die Symmetrie der Normalplatte.195:1.
Bei günstiger Neigung des Ursprungsstäbchens kann durch ent-
sprechende Verlängerung und Verkürzung der einzelnen Kalkbälk-
chen auch eine Symmetrie in der Anordnung und Größe der Löcher
‚resultieren, wie sie die Platte in Fig. Ma zeigt. Das Primärstäb-
chen ist hier um etwa 45° gedreht.
An der in Fig. Mb wiedergegebenen Platte von Labidoplax
digitata sehen wir, wie durch Anderung des Verzweigungswinkels
das eine der 4 Hauptléchér” in die Mitte gerückt wird und durch
520 HrpwıG WILHELM,
seine dominierende Stellung mehr oder weniger den Eindruck von
Symmetrie erweckt. Auch die Umrisse dieser Platte sind fast voll-
kommen symmetrisch gestaltet.
II. Ergebnis: Die durch die anormalen Verhältnisse
gestörte Symmetrie der Platte kann bei den Regula-
tionen wenigstens in einzelnen Teilen der Platte
wieder in die Erscheinung treten. Besonders häufig.
wird einsymmetrischer Umriß zustande gebracht. .
Für meine Untersuchungen an Kalkkörperchen von Labidoplax
thomsoniü habe ich nur solche vom hinteren Körperende in Betracht
Fig. N. Labidoplax thomsonit.
Platten, bei denen die Lage des Primärkreuzes nicht eindeutig bestimmt werden
kann. ;
gezogen, da die Gestalt derselben nach dem Vorderende zu immer
kleinmaschiger wird (vgl. Becher, 1911, fig. Eb). Auch im
Hinterende finden sich sehr häufig Formen, bei denen nicht mit
Sicherheit die Lage des Primärkreuzes festzustellen ist. Wenn das
Anlagestäbchen die normale Lage parallel zum Ankerschaft ein-
nimmt, geht wohl in den meisten Fällen eine Form daraus hervor,
wie sie in Fig. Ga abgebildet ist. Dabei kann das Aussehen etwas
modifiziert sein dadurch, daß das Primärbälkchen ebenso wie bei
Labidoplax digitata von seiner Mitte nach links oder rechts einen
Ast abgibt (Fig. Bb), der zuweilen auch noch wieder gegabelt ist.
Dieser Ast zerteilt dann das eine der 4 Hauptlöcher in mehrere
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 521
kleine Löcher. Überhaupt können alle 4 Hauptlöcher durch Kalk-
brücken in beliebiger Richtung in mehrere Teile zerlegt werden.
Der erste Verzweigungswinkel, der bei den normalen Platten und
auch bei den hier betrachteten Regulationen gewöhnlich 90°—100°
beträgt, kann unter Umständen an einem Ende bis zu 120° an-
wachsen. Da nun außerdem das Primärstäbchen zuweilen gekrümmt
ist, wird die Deutung der fertigen Platten gelegentlich sehr er-
schwert. Es scheint sogar auch bei den Platten des hinteren
Körperendes vorzukommen, daß die erste Anlage durch einen Drei-
strahler und nicht durch ein eigentliches Primärstäbchen gebildet
wird. — Ich habe der größeren Übersichtlichkeit wegen bei meinen
Untersuchungen die in Fig. Ga abgebildete Normalform zugrunde
gelegt und hauptsächlich diejenigen Platten zur Betrachtung heran-
gezogen, bei denen eindeutig ein schiefliegendes Primärkreuz zu
erkennen ist.
Am Schlusse dieses Abschnitts möchte ich aber noch auf einige
Platten von Labidoplax thomsonu aufmerksam machen (Fig. Na und
Nb), bei denen die Auffindung des Primärstäbchens infolge des ver-
änderten Verzweigungswinkels Schwierigkeiten macht, an denen aber
auch die symmetrische Gestalt der Platte und die symmetrische
Anordnung der Löcher auffällt.
b) Labidoplax buskii.
Für den Typus mit quer zum Ankerschaft liegendem Primär-
kreuz habe ich Kalkkörperchen von Labidoplax buski untersucht.
In Fig. Oa ist eine normale Platte dieser Art wiedergegeben. Das
Primärstäbchen befindet sich zwischen dem Zentralloch und der dem
Handgriff am meisten genäherten Öffnung, die wir als das „Grenz-
loch“ bezeichnet haben. Das Zentralloch ist von einem Kranz von
6 Löchern umgeben, die in konstanter Anordnung und Größe auf-
treten, was durch den immer gleichbleibenden Verzweigungswinkel
von ungefähr 120° und die ebenfalls kaum je veränderte Länge
der Balken erklärt ist. Das Handhabenende setzt sich deutlich
vom freien Plattenende ab. Hauptsächlich durch das dadurch be-
dingte Auftreten eines besonderen Plattenhandgriffes unterscheidet
sich dieses Spiculum von den von BECHER zu seinen Untersuchungen
meist benutzten Kalkkörperchen von Leptosynapta bergensis. So zeigt
denn auch das freie Plattenende, welches aus einem anormalerweise
parallel liegenden Primärstäbchen hervorgegangen ist, bei beiden
Arten eine fast vollkommen übereinstimmende Gestalt.
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 34
522 Hepwie WiLHELMI,
In Fig. Ob findet sich eine Platte von Labidoplax buskii, bei
der das Stäbchen um 90° gedreht ist (nach BECHER, 1914). Die
einzelnen Löcher entsprechen vollkommen denen des Regulations-
stadiums von Leptosynapta bergensis (BECHER, 1911, fig. Kf,), nur daß
dort am äußersten freien Plattenrand zwei kleine Löcher anstatt
des einen großen gebildet sind. In beiden Fällen ergab sich, wie
schon erwähnt, das Resultat, daß die Symmetrieebene der Platte bei
der Drehung des Ursprungsstäbchens nicht mitgedreht wird (s. auch
die Serie der Entwicklungsstadien, BECHER, 1911, fig. Ka’—f‘).
Fig. O. Labidoplax buskit.
a Normale Platte. 292:1. b Eine Platte, bei der das Primärkreuz anormalerweise
um 90° gedreht ist. 297:1. (Nach Brcuer, 1914, fig. Da u. b.)
Wie gestaltet sich nun eine Platte dieses Typus, wenn sie aus
einem schief liegenden Primärkreuz hervorgeht?
In den nach Hunderten zählenden Hautstückchen von Labidesies
buskii, die ich durchsucht habe, gelang es mir, eine größere Zahl
von Platten zu finden, bei denen das Anlagestäbchen ein wenig
gegen den Schaft gedreht ist.
Daß auch bei diesem Plattentypus keine „Grenzregulation“ im
eigentlichen Sinne vorliegt, zeigt ein Blick auf die verschiedenen
im folgenden wiedergegebenen anormalen Gebilde Fast niemals
finden wir eine Übereinstimmung mit den Umrissen der Normalform.
Betrachten wir nun einmal eine Platte mit schief liegendem
Stäbchen etwas genauer, z. B. Fig. Pa. Die Orientierung ist sehr
einfach, wenn wir vom Grenzloch ausgehend, das Primärstäbchen
suchen und dann den Kranz der sechs Löcher verfolgen. Dabei be-
merken wir, daß am äußersten Plattenrande ein 8. überzähliges
|
|
|
|
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 523
Fig. P. Labidoplax buskii.
Platten, bei denen das Primärkreuz nur wenig gegen den Ankerschaft geneigt ist.
Die 7 Löcher des freien Plattenendes haben sich durch Selbstdifferenzierung ent-
wickelt. Ein vom Anker ausgehender regulativer Einfluß äußert sich aber in dem
Auftreten eines überzähligen Loches, welches einen Ausgleich bildet gegen die
stark auf eine Seite gelangte Hauptmasse der Platte. a Das überzählige Loch ist
in der Nähe des Ankerbogens angefügt. 316:1. b Ein 8. Loch ist an der Seite
der Platte hinzugekommen. 309:1. ce u. d zeigen Platten, bei denen in der Nähe
des Handgriffes ein Ergänzungsloch aufgetreten ist, das bei c allerdings nicht zum
Verschluß gekommen ist. c 312:1, d 267:1.
Loch auftritt. Die Umrisse der Platte gehen auf diese Weise über
die der Normalform hinaus.) Dasselbe ist der Fall bei Fig. Pb;
nur findet sich das hinzukommende Loch an der Seite der Platte
angefügt. Auch für die dritte Möglichkeit, daß ein 8. Loch in der
1) Der Anker befindet sich in aufgerichteter Stellung. Auf der Platte
ruhend würde sein Schaft die Richtung der Querfältchen einnehmen.
| 34%
524 Hepwig WILHELMI,
Nähe des Handgriffs auftritt, fand ich ein Beispiel. In Fig. Pe
ist an der mit Lochzähnen versehenen Ausbuchtung ein Ansatz zu
einem solchen Loch zu erkennen. Vollkommen geschlossen zeigt
es sich in Fig. Pd.
Trotz der Drehung des Primärkreuzes haben sich in allen diesen
Fällen die 7 Löcher des freien Plattenendes offenbar entgegen
dem Einflus des Ankers durch Selbstdifferenzierung gebildet. (Die
Größe der Winkel und auch die Länge der einzelnen Kalkbälkchen
ist ungeändert.) Die Masse der Platte wird dadurch stark nach
einer Seite verschoben, und das hinzukommende Loch tritt nun immer
auf der entgegengesetzten Seite auf. Bei den Platten von Labidoplax
thomsonii und L. digitata war, wie wir gesehen haben, einem derartigen
Hinauswachsen über die Umrisse der Normalform (durch den Einfluß
des Ankers) Halt geboten. Die Bedingungen, unter denen die Regu-
lation arbeitet, sind also bei beiden Plattentypen etwas andere.
Aus Fig. Pa, Fig. Pb und Fig. Pd geht hervor, daß durch das
ausgleichende 8. Loch sozusagen ein Gleichgewicht zu beiden Seiten
des Ankers hergestellt ist. Soll die Ausdehnung der Platte rechts
und links vom Ankerschaft einigermaßen die gleiche sein, so muß
die Zahl der hinzukommenden Löcher sich vergrößern, wenn die
Neigung des Stäbchens stärker ist oder verbunden ist mit einer seit-
lichen Verlagerung. In Fig.Qc sehen wir an den 2 zackigen Buchten, ©
Fig. Q.
Aus schief liegendem Primärkreuz hervorgegangenen Regulationen, bei denen eine
auffallende Symmetrie in bezug auf den Ankerschaft vorliegt. Diese Symmetrie
erweist sich als unabhängig von der Form, denn je nachdem, wo die ergänzenden
Löcher angefügt sind, ist die Gestalt der Platte eine andere geworden. 312:1.
a zeigt eine langgestreckte Platte. b gibt eine stark verbreiterte Form wieder,
der die Platte in c entspricht, nur daß hier der Kalkansatz noch nicht abgeschlossen
zu sein scheint.
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 525
daß das Wachstum wohl noch nicht abgeschlossen ist, es scheint, als
ob auf der rechten Ankerseite die zu geringe Masse der Platte noch
ergänzt werden soll. Durch die Ausbildung dieser Löcher würde
die Platte stark verbreitert werden. Eine entsprechende Form mit
schon geschlossenen Löchern zeigt Fig. Qb. Die Gestalt dieser
Platte ist annähernd symmetrisch. Ebenfalls symmetrisch gebaut,
aber mehr in die Länge gezogen, ist die Platte in Fig. Qa. Die
beiden kleineren hinzugekommenen Löcher sind an anderer Stelle
angefügt und bedingen dadurch die mehr langgestreckte Form.!)
In beiden Fällen zeigen die äußeren Umrisse eine symmetrische
Gestalt, während die Löcher im Inneren der Platte unregelmäßig
gelagert sind. Der Vergleich dieser beiden Regulationen zeigt, dab
die Symmetrie der Platte nicht an ihre normale Form gebunden ist.
Bei konstant bleibendem Verzweigungswinkel kann eine voll-
kommene Symmetrie, die sich auch auf Anordnung und Größe der
Löcher erstreckt, nur bei einer ganz bestimmten Neigung und Ver-
lagerung des Primärkreuzes resultieren. Bei einer Drehung des
Stäbchens um 30° muß der eine Ast der ersten Verzweigung in die
Richtung des Ankerschaftes fallen. Wenn nun dieser Ast durch
entsprechende seitliche Verlagerung in die Mittellinie des Ankers
gelangt, so sind die Bedingungen gegeben für die Entwicklung einer
vollkommen symmetrischen Platte. Ein Spiculum, das annähernd
diese Forderungen erfüllt, findet sich in Fig. Ra. Bei den bis jetzt
betrachteten anormalen Gebilden wurde das Primärstäbchen immer
leicht erkannt an den 7 ihm zugeordneten Löchern. Bei der fast
vollkommenen Symmetrie unserer Platte haben wir aber 2 solche
Siebenergruppen vor uns, wodurch die Orientierung natürlich er-
schwert wird. Betrachten wir jedoch das Grenzloch etwas genauer,
so erkennen wir an seiner nach links in die Länge gezogenen Form
und auch an der Anordnung der Zacken im Inneren desselben, dab
das Ursprungsstäbchen der Platte auf der linken Seite des Ankers
liegt. Die Platte in ihrer Gesamtausbildung entspricht vollkommen
den vorher betrachteten Regulationen. Die dem Primärstäbchen
zugeordneten 7 Löcher würden die Masse der Platte zu sehr auf
die linke Seite bringen. Dadurch wird rechts das Auftreten von 3
überzähligen Löchern erforderlich, die nun wegen der günstigen
Lage des Primärkreuzes symmetrisch zu einem entsprechenden Loch
1) Der Anker befindet sich hier in aufgerichteter Stellung. Die
Plattenhandhabe gibt die Richtung des auf der Platte ruhenden Ankers.
520 Hepwie WILHELMI,
der linken Seite liegen. 2 kleine akzessorische Löcher (das eine
noch nicht vollkommen geschlossen) füllen eine Lücke am äußersten
freien Plattenende. Da die Drehung des Stäbchens nicht absolut
genau um 30° erfolgte, kann die Symmetrie natürlich auch nicht
eine ganz vollkommene sein. — Es ist nicht anzunehmen, wie man
nach Fig. Pc und Qe leicht glauben könnte, daß immer zuerst die
Entwicklung der der Normalplatte entsprechenden 7 Löcher abge-
schlossen wird und alsdann ein oder mehrere überzählige Löcher
angefügt werden. Die Gestalt einiger Entwicklungsstadien läßt
darauf schließen, daß meist schon von Beginn der Entwicklung an
auf einen Ausgleich hingezielt wird (Fig. Uc u. Ud).
Fig. R. Labidoplax buskit.
Das Primärkreuz der Platte ist um ungefähr 30° geneigt und soweit gegen die
Mittellinie des Ankers verschoben, daß der eine Schenkel der ersten Verzweigung
ungefähr mit der Richtung des Ankerschaftes zusammenfällt. Die Folge davon
ist eine Symmetrie der Platte, die sich anch auf die Anordnung der Löcher erstreckt.
a Das Primärkreuz liegt auf der linken Seite der Platte. 318:1. b Das Primär-
kreuz liegt auf der rechten Seite der Platte. 309:1.
Eine ähnliche Form, bei der aber das Primärkreuz sich auf der
rechten Seite der Platte befindet, ist in Fig. Rb abgebildet. Die
Richtung des Grenzloches und die Zackenverteilung im Inneren des-
selben geben uns wieder Aufschluß über die Lage des Stäbchens.
Auf der linken Seite findet sich eine Ausbuchtung, die einem aller-
dings etwas größeren Loch der rechten Seite entspricht. Überhaupt
erreichen die Ergänzungslöcher ihre Gegenstücke auf der ursprüng-
lichen Plattenseite nicht ganz in Gestalt und Ausdehnung.
Von einer wahrscheinlich unter denselben Bedingungen ent-
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 527
standenen und absolut symmetrisch gestalteten Platte, bei der infolge-
dessen die Lage des eigentlichen Primärstäbchens nicht mehr zu
bestimmen ist, habe ich eine photographische Aufnahme gemacht,
die in Taf. 7 Fig. 4 wiedergegeben ist. 2 Siebenergruppen, denen
4 Löcher gemeinsam angehören, sind wieder deutlich zu unter-
scheiden, so als ob 2 freie Plattenenden halb ineinandergeschoben
wären; dazu kommt ein zackenloses Ergänzungsloch am äußersten
Rand des freien Plattenendes, das eine Lücke ausfüllt und zur Ab-
rundung dient.
Die Anormalität des Ankerbogens in Fig. Rb hat hier keine
erkennbaren Abweichungen veranlaßt, was aber, wie wir später
noch deutlicher erkennen werden, mit der relativen Selbstgestaltung
des freien Plattenendes bei vorliegender Art durchaus im Ein-
klang steht.
Fig. S. Labidoplax buskw. 318:1.
a Eine Platte mit normal liegendem Primärkreuz durch Ergänzungslöcher in allen
Teilen gleichmäßig: verbreitert. b Das Primärkreuz der Platte ist um annähernd
60° geneigt und etwas gegen die Mitte des Ankers verschoben, so daß ein Ast der
ersten Verzweigung quer zum Schaft gelegen ist. Die Anordnung der Löcher
entspricht ungefähr derjenigen der in a abgebildeten Normalplatte. Der Umriß
der allerdings noch nicht ganz fertig entwickelten Platte zeigt doch schon an dem
vollendeten äußersten Plattenende eine sehr schöne Symmetrie.
Natürlich könnte unter Umständen ein Ast der ersten Gabelung
auch senkrecht zum Ankerschaft liegen. Wenn dieser Ast durch
die Mittellinie des Ankerschaftes gerade halbiert wird, sind wieder
die Bedingungen gegeben zur Entwicklung einer Platte mit voll-
kommen symmetrischer Lochverteilung. Das Stäbchen muß dabei
natürlich um ungefähr 60° gedreht sein. Die Gestalt einer solchen
528 Hepwie WILHELM,
Platte müßte an eine Normalform erinnern, die durch Ergänzungs-
löcher vergrößert wurde. Das in Fig. Sa wiedergegebene Spiculum
kann uns eine Vorstellung geben, wie eine derartige Platte sich
ungefähr gestalten würde. Die deutlich ausgezeichnete Form der
7 zusammengehörigen Löcher läßt hier jedoch keinen Zweifel darüber
aufkommen, daß das Ursprungsstäbchen und nicht etwa ein Ast des
Primärkreuzes quer zum Schaft liegt. Eine nachträgliche Ver-
breiterung einer normal gestalteten Platte durch einzelne akzesso-
rische Löcher habe ich auch sonst gar nicht selten beobachtet. In
Fig. Sb haben wir eine Platte vor uns, die zwar ein wenig an die
eben betrachtete Form erinnert; doch scheint hier das Primärkreuz
wirklich seitlich gelegen zu haben, da die Gestalt der 7 Löcher, die
dem links gelegenen, um annähernd 60° gedrehten Kalkbälkchen zu-
geordnet sind, auf eine Zusammengehörigkeit dieser Löcher schließen
läßt. Für die Deutung dieses Bälkchens als Anlagestäbchen spricht
auch die Gestalt des Grenzloches. Dieses Loch zeigt eine deutlich
erkennbare Neigung nach links. Bei einer Querlage des Primär-
stäbchens wäre nicht zu erklären, warum nicht das Grenzloch nach
beiden Seiten gleich ausgebildet ist, wie es in Fig. Sa natürlich
auch der Fall ist. Da die Drehung des Stäbchens nicht genau 60°
beträgt, so kommt es doch nur wieder zu einer Symmetrie der
äußeren Form, die aber, wenn die beiden vorläufig nur als Aus-
buchtungen vorhandenen Löcher der rechten Seite geschlossen wären,
eine ziemlich vollkommene sein würde. Der Anker ist etwas gegen
die Platte verschoben. Die Richtung des Plattenhandgriffes gibt
uns daher die Symmetrieebene.
Ein charakteristischer Unterschied zwischen den Regulationen
der beiden Plattentypen lag in der großen Fähigkeit zur Selbst-
gestaltung bei Platten von Labidoplax buskii. Während bei Labido-
plax thomsonii und L. digitata die Länge der einzelnen Balken und die
Größe des Verzweigungswinkels einer Veränderung unterlag, blieben
beide bei Z. buskii in den meisten Fällen konstant. Nun habe ich
aber auch bei dieser Art gelegentlich Regulationen gefunden, die
entsprechende kleine Veränderungen der Winkel und Kalkbrückchen
aufwiesen. Diese Abweichungen sichern dann meist in noch voll-
kommenerer Weise die Herstellung einer symmetrischen Plattenform
und können unter Umständen auch eine Übereinstimmung mit der
Normalform erzielen. In Fig. Ta ist das etwas schief liegende
Primärkreuz kenntlich daran, daß das Grenzloch in derselben Rich-
tung in die Länge gestreckt ist. Bei der 1. Gabelung des ziemlich
a A
+ ee
— —,—
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 529
stark nach rechts verschobenen Stäbchens ist der Winkel an dem
linken Ende desselben etwas verkleinert. Das Loch, das sich
zwischen seinen Schenkeln ausgebildet hat, ist infolgedessen auch
verkleinert. Es konnte nun natürlich keine normale Anordnung der
7 Löcher mehr resultieren. Da weiterhin das Verzweigungsschema
von 120° beibehalten ist, mußte eine Lücke entstehen, die hier durch
2 kleine Löcher ausgefüllt wird. Diesen beiden unbezahnten Löchern
gegenüber sind links 2 ebenfalls glattrandige Löcher angefügt. An
der Gestalt und Anordnung der beiden größeren gezahnten Öffnungen,
die auf der linken Seite noch hinzukommen, läßt sich erkennen, daß
sogar auch bei der Ausgestaltung der einzelnen Löcher eine Sym-
metrie in bezug auf den Ankerschaft erreicht werden kann. Diese
beiden Löcher sind so angefügt, daß sie symmetrisch liegen zu den
ihnen gegenüber befindlichen Löchern der anderen Seite.
Biel,
In a und b sind Platten wiedergegeben, bei denen die Regulation durch Ver-
änderung des Verzweigungswinkels erfolgt ist. In beiden Fällen ist schon die
1. Gabelung des Primärkreuzes vom Normalen abweichend. In a ist infolgedessen
nicht nur der Plattenumriß symmetrisch gestaltet, sondern auch die Ergänzungs-
löcher konnten so angefügt werden, daß sie annähernd symmetrisch liegen zu den
ihnen entsprechenden der anderen Seite. b zeigt eine Platte, die infolge der
frühzeitigen Winkelveränderung und entsprechenden Verlängerungen resp. Ver-
kürzungen der einzelnen Kalkbälkchen in ihrem Umriß der Normalform gleicht.
e zeigt eine Regulation, die ebenfalls zu einer der Normalform sehr ähnlichen Ge-
stalt geführt hat. Der durch die Schieflage des Primärstäbchens bedingte Unter-
schied besteht nur darin, daß das Grenzloch mit einem der seitlichen Hauptlöcher
die Rolle getauscht hat. a 318:1, b u. e 312:1.
Wenn die Drehung des Stäbchens nicht mit einer beträchtlichen
seitlichen Verlagerung verbunden ist, so kann durch eine frühzeitige
530 HepwıG WILHELM],
Änderung der Winkel und der Balkenlänge die Normalform in ihren
Umrissen nachgebildet werden. Ebenso, wie wir es bei L. digitata und
L.thomsonü beobachtet haben, erfolgt dann auch hier eine Regulation
durch Vergrößerung resp. Verkleinerung der Löcher. Ein Beispiel
dafür gibt Fig. Tb. Am rechts gelegenen Ende ist der Winkel
ziemlich stark abgeändert. Zugleich sind die Balken der rechten
Seite verlängert, während sie links zum Teil verkürzt sind.
Bei einer sehr günstigen Neigung und Verlagerung des Primär-
kreuzes kann sich die Regulation unter Umständen fast auf eine
Rollenvertauschung der Löcher beschränken, wie wir es z. B. in
Fig. Te sehen. Das Ursprungsstäbchen ist ungefähr um 60° ge-
neigt. Als Grenzloch tritt hier eines der sonst seitlich gelegenen
Hauptlöcher auf. Seine Form ist der veränderten Lage angepaßt.
Wir sehen nur noch einen halbmondförmigen Schlitz, während das
eigentliche Grenzloch eine ovale Form aufweist und den übrigen
Hauptlöchern gleich gestaltet ist. Auf den ersten Blick scheint das
ganze Gewicht der Platte auf die linke Seite zu fallen. Der Anker
ist hier aber in aufgerichteter Stellung, was sich an der Verschiebung
‘des Wulstes am Handgriffende leicht erkennen läßt. Lage er flach
auf der Platte, so würde er die durch den Plattenhandgriff gegebene
Richtung einnehmen. Es zeigt sich also, daß die Massenverteilung
wieder eine gleichmäßige zu beiden Seiten des die Symmetrieebene
angebenden Ankerschaftes ist.
Ergebnis: Bei aller Verschiedenheit der bis jetzt
betrachteten Regulationen konnten wir eine Überein-
stimmung darin feststellen, daß die Massenverteilung
zu beiden Seiten desAnkerschaftes stetseineziemlich
gleichmäßige war, was sich in denmeisten Fällen ver-
bunden zeigte mit einersymmetrischen Form der Platte
und unter Umständen auch in einer symmetrischen
Verteilung derLöcher zum Ausdruck kam. Diese Sym-
metrie war um so auffallender, als sie auch bei den
verschiedensten von der Normalform abweichenden
Plattengestalten durch regulatorisches Wachstum
erreicht wurde.
In seltenen Fällen kann durch frühzeitige Änderung des Ver-
zweigungswinkels und der Balkenlänge die Normalform in ihren :
Umrissen nachgebildet werden.
Bei den um 90° gedrehten Entwicklungsstadien, wie sie von
Brower beschrieben wurden (1919, fig. Ka’—f‘), tritt die Bedeutung
4
a
{
|
;
2
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 531
der Symmetrie hervor an dem gleichmäßig beschleunigten Wachstum
zu beiden Seiten des Ankerschaftes. Auch normalerweise findet eine
genau gleichzeitige Ausbildung der rechten und linken Seite statt.
Wodurch wird nun aber das Tempo der Kalkablagerung bei schief
liegenden Primärkreuzen bestimmt?
a b Cc
d e f
; Fig. U.
Einzelne Plattenentwicklungsstadien, deren Ursprungsstäbchen anormalerweise gegen
den Ankerschaft gedreht sind. a, b, c, d zeigen das vorauseilende Wachstum an
denjenigen Stellen, von denen aus noch die meiste Arbeit geleistet werden muß.
In d hat sich die Geschwindigkeit der Kalkablagerung an dem nach einer Seite
verlagerten Primärkreuz so ausgeglichen, daß schon jetzt eine fast vollkommene
Symmetrie in bezug auf den Ankerschaft erreicht ist. eu.f zeigen 2 Entwicklungs-
_ Stadien, die diese Eigenschaft nicht aufweisen. a, b, d, f 318:1; c, e 309:1.
Eine gewisse Gesetzmäßigkeit läßt sich auch hier erkennen. Im
allgemeinen wird an allen schräg gelegenen Primärkreuzen der
Kalkansatz an denjenigen Stellen beschleunigt, von denen aus zur
532 | Hrpwie WILHELMI,
Herstellung einer vollständigen Platte noch die meiste Arbeit ge-
leistet werden muß.)
Ein Rückblick auf die früher betrachteten fertigen Platten mit
schief liegenden Stäbchen lehrt, daß die überzähligen Löcher von
demjenigen Ende des Primärbalkens aus gebildet werden müssen,
das dem Bogenteil des Ankers mehr genähert ist. So ergibt denn
eine vergleichende Betrachtung der Entwicklungsstadien, daß der
Kalkansatz fast immer an diesen Stellen vorauseilt. (Fig. U a—d).
Gelegentliche Ausnahmen (Fig. Ue u. Uf) erklären sich vielleicht
durch die doch nicht überall gleich vollkommene Ausbildung dieser
Eigenschaft.?) Die von BecHer abgebildeten Stadien (fig. Qa u.
Qb, 1911, p.112) bestätigen meine Beobachtungen, und andere (fig. Ra
u. Rg) finden durch sie eine Erklärung, während fig. Rb allerdings
wieder einen Ausnahmefall darstellt. Auch das von BEcHER in fig. L
wiedergegebene Stadium wird jetzt verständlich, da auch hier das
Wachstum vorauseilt in derjenigen Richtung, in der die größte Ar-
beit geleistet werden soll. Eine entsprechende Beschleunigung des
Kalkansatzes läßt sich auch bei normaler Plattenentwicklung be-
obachten. Bei dem Typus mit quer liegendem Anlagestäbchen ent-
wickeln sich die Symmetriehörner stets auf der dem Ankerbogen
zugewandten Seite, während sie bei der anderen Form nach dem
Handhabenende gerichtet sind. Dieser Unterschied ist offenbar darin
begründet, daß nach der betreffenden Seite die größere Zahl von
Löchern gebildet werden muß.
Nun scheint es, als ob die Bezeichnung „Symmetriehörner“ für
die zuerst auftretenden Verzweigungen des Primärkreuzes nicht mehr
zutreffend sei, sobald das Ursprungsstäbchen gegen den Ankerschaft
geneigt ist. Eine gewisse Bedeutung für die Symmetrie der fertigen
Platte kommt diesen Fortsätzen indirekt aber doch zu, insofern, als
die größere Geschwindigkeit des Wachstums schon darauf hinzielt,
1) Auch bei Regenerationen kommt es gelegentlich vor, daß die
Wachstumsgeschwindigkeit sich sozusagen nach der zu leistenden Arbeit
richtet. So haben die von HELEN DEAN KinG (1898, p. 357) an See-
sternen ausgeführten Versuche gezeigt, daß bei den in verschiedener Länge
abgeschnittenen Seesternarmen die kürzesten Stümpfe am schnellsten
regenerieren.
2) Auch für die an fertigen Platten gemachten Beobachtungen gib
es Ausnahmen. Es kommt vor, daß ein überzähliges Loch auf der sowieso
schon etwas breiteren Seite auftritt. Solche Platten rechnen aber zu den
größten Seltenheiten. Daß die Regulationen nicht überall in gleicher Voll-
kommenheit erfolgen, ist ja aber eine ganz allgemeine Erscheinung.
D
RE CR NS OS, SEO eee eer
u DE PT EE u a
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 533
die an den entsprechenden fertigen Platten beobachtete Symmetrie
zu erzeugen. Fig. Ud zeigt, daß in manchen Fällen diese Be-
zeichnung gleichsam noch zu Recht besteht. Auf der linken Seite
des Ankers ist ein um etwa 30° gedrehtes Stäbchen gelegen, bei
dem die Entwicklungsgeschwindigkeit derart abgestimmt ist, daß
schon auf diesem Stadium eine annähernd vollkommene Symmetrie
erreicht ist. Das geringe Übergewicht, das die linke Seite noch hat,
würde wohl bald ausgeglichen sein. Überhaupt lehren auch die
übrigen zunächst noch unsymmetrischen Bildungsstadien (Fig. U a—c),
daß die Geschwindigkeit des Wachstums zwar in einer gewissen Be-
ziehung zu der zu leistenden Arbeit steht, doch ist nicht zu ver-
kennen, daß die Tendenz zu gleicher Massenverteilung auf beiden
Seiten des Ankers zu ähnlichen Wachstumsbeschleunigungen Anlaß
geben könnte, wenigstens in seitlicher Richtung. Bei Beschleunigung
des Wachstumsin Längs-, d.h. Bogen- oder Handhabenrichtung, kommt
nur die Rücksicht auf die noch zu leistende Arbeit in Frage, am
deutlichsten bei der entgegengesetzten Richtung der normalen Sym-
metriehörner unserer beiden Plattentypen.
Zusammenfassende Betrachtungen.
Die von BEcHER gemachten Beobachtungen über den Einfluß
des Ankers auf die Plattenentwicklung wurden durch meine Unter-
suchung noch einmal weitgehend bestätigt. Für die Korrelationen
zwischen dem Ankerhandgriff und der Handhabe der Platte konnte
ich noch einige ergänzende Doppelbildungen von Labidoplax thom-
sonii bringen. Das freie Plattenende einer Doppelplatte kann zwar,
wie streng bewiesen wird, aus zwei selbständigen Primärkreuzen
hervorgehen, die jedes für sich diesen Plattenteil ausbilden; doch
widerspricht das keineswegs der Ansicht, daß die Bildung der Platte
in Abhängigkeit vom Anker erfolgt. Daß diese Korrelation aber
tatsächlich auch für das freie Plattenende besteht, wird noch ein-
mal besonders deutlich an solchen Doppelplatten, die aus einer ein-
heitlichen Anlage hervorgegangen sind.
Die Abhängigkeit vom Anker besteht nun nicht nur ganz all-
gemein darin, daß das freie Plattenende und der Handgriff der
Platte dem Bogen- resp. dem Handhabenende des Ankers folgen.
Wär sahen vielmehr, daß auch die Größe und Gestalt der Löcher
je nach der Lage des Primärkreuzes reguliert werden kann. Dä-
durch wird dann natürlich eine stärkere Annäherung an die Ge-
534 Hepwie WILHELMT,
stalt der Normalplatte erreicht. So zeigt z. B. die einheitlich ange-
legte symmetrische Doppelplatte in Fig. Ea und Taf. 6 Fig. 3 eine
große Ähnlichkeit mit den soeben erwähnten Doppelplatten, die aus
zwei getrennten Primärkreuzen entstanden sind (vgl. Fig. 1, Taf. 7)
Hier, wo jedem Bogenteil ein Primärkreuz zugeordnet ist, haben die
einzelnen Löcher, insbesondere die vier Hauptlöcher, die normale
Größe. Bei der Platte in Fig. Ea und Taf. 6 Fig. 3 dagegen sind
die Löcher in der nächsten Umgebung des Primärstäbchens stark
verkleinert, da dasselbe in die Nähe des Handhabenendes gerückt
ist. Die freien Plattenenden weisen jedoch — als deutliche Regu-
lationswirkung -— größere Löcher auf, obgleich gewöhnlich die in
weiterer Entfernung vom Primärkreuz entstehenden Öffnungen der
Platte kleiner zu werden pflegen.
Ein Einfluß des Ankers auf die Einzelschritte der Plattenent-
wicklung ließ sich auch beobachten bei den aus einem schief liegen-
den Primärkreuz hervorgegangenen einfachen Platten von L. digi-
tata und L. thomsonii. Er äußerte sich in einer Änderung der Ver-
zweigungswinkel und in einer Verlängerung oder Verkürzung der
einzelnen Kalkbälkchen.
Bei L. buskii dagegen fanden sich entsprechende Regulationen
äußerst selten. Hier beobachteten wir ein ganz anderes Verhalten.
Die Entwicklung der Platte erwies sich als relativ selbständig. Die
Gruppe von sieben Löchern, die normalerweise den Hauptteil der
Platte bilden, kann in jeder beliebigen Richtung zum Ankerschaft
entstehen, ohne daß die Löcher in Größe und Form verändert werden
(Fig. P u. Q). Ein Einfluß des Ankers auf die Gestalt der Platte
läßt sich aber auch bei den anormalen Platten dieser Art er-
kennen. Die symmetrische Form der Platte erweist sich abhängig
von der durch den Ankerschaft gegebenen Richtung. Wieweit auch
das Primärstäbchen seitlich gegen den Ankerschaft verschoben ist,
immer ist die Symmetrie der Platte orientiert nach dem Anker als
Symmetrielinie. Fig. Ra, Rb, Sb und Tbu.a. zeigen deutlich, daß
die Symmetrieebene der Platte durch den Anker bestimmt wird und
nicht durch die erste Plattenanlage.
Beide Skeletteilchen sind an sich selbständig, und doch ist die
durch den Schaft des Ankers gegebene Richtung von Wichtigkeit
bei der Abscheidung der Kalkteilchen, die die Platte bilden sollen.
Diese Tatsache wird nur verständlich durch die Annahme, daß ein
vom Anker ausgehender Reiz, den wir nicht näher bestimmen können,
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 535
durch das Protoplasma zu den die Platte erzeugenden Teilen des
Syncytiums gelangt.
Die Orientierung nach dem Anker, wie wir sie bei anormal an-
gelegten Platten beobachten konnten, findet nun in den meisten
Fällen schon zu Beginn der Entwicklung statt (Fig. Ua—d). Bei der
regulierenden Kalkablagerung muß ein Zusammenwirken der von
dem Ankerschaft und den schon gebildeten Teilen des Plattenprimär-
kreuzes ausgehenden Reize vorliegen. Nur so ist es zu verstehen,
daß der Kalkansatz zunächst an demjenigen Teil des Primärkreuzes
erfolgt, der in bezug auf den Ankerschaft als Vergleichslinie die
geringere Ausbildung zeigt.
. Zu der gleichen Annahme führen uns weiter ausgebildete Stadien,
wie sie z. B. in Fig. Pe u. Fig. Qc abgebildet sind. Die stärker
entwickelte Seite im Verein mit dem Ankerschaft liefert wahrschein-
lich die Reize, die verhindern, daß die endgültige Abrundung des
Plattenrandes schon nach Ausbildung der normalen Siebenzahl der
Löcher erfolgt.!) Die Ausbuchtungen deuten darauf hin, daß hier
noch weitere Löcher zur Herstellung der Symmetrie im Entstehen be-
griffen sind. |
In den meisten Fällen wird allerdings der von Anfang an wir-
kende regulierende Einfluß des Ankers von vornherein ein ziemlich
gleichmäßiges Wachstum der linken und rechten Seite zur Folge
gehabt haben. Fig. Uc und Ud und eine Anzahl anderer früher
angeführter Beispiele geben uns ein Recht zu dieser Annahme.
Dabei sind zwei Fälle möglich, je nachdem, welche Lage das
Ursprungsstäbchen einnimmt. Ein vollkommen symmetrisches Wachs-
tum finden wir bei normaler Lage und bei Stäbchen, die um 90°, 60°
und 30° gedreht sind. Unmöglich gemacht wird es dagegen bei
allen übrigen Lagen des Primärkreuzes. In solchem Fall kann es
daher nur zu einer Abscheidung von ungefähr gleich großen Kalk-
mengen kommen. Sobald im Laufe der Entwicklung wieder eine
Gelegenheit zu symmetrischer Kalkablagerung gegeben ist, wird sie
in vielen Fällen eintreten. Vielleicht erklärt sich dadurch die fast
durchweg symmetrische Form der Plattenumrisse.
1) Die bei den Regulationen von L. buskii häufige Vergrößerung der
Platte steht vielleicht in einem gewissen Zusammenhang damit, daß die
Normalform in der Größe etwas variieren kann, infolge einzelner hinzu-
kommender Löcher (Fig. Sa). Bei L. thomsonii und digitata dagegen
haben Normalplatte und regulierte Platten eine ganz konstante Aus-
dehnung.
536 Hepwia WILHELM,
Diese Korrelation zwischen dem symmetrischen Wachstum der
Platte und der durch den Anker gegebenen Richtung muß nun nach dem
Voraufgegangenen offenbar unterschieden werden von der durch BECHER
erkannten Abhangigkeitsbeziehung, von der diese Untersuchungen ihren
Ausgang nahmen, die aber ebenfalls zu der Annahme eines besonderen
vom Anker ausgehenden Reizes geführt haben. Diese letztere läßt
sich noch einmal kurz dahin zusammenfassen: die Entwicklung der
Platte erfolgt nicht durch volle Selbstbestimmung, sondern in Korre-
lation mit dem Anker, derart, daß bei normalem Ausgangspunkt
Regulationen entstehen, die dem Normalen stark angenähert sind.
Durch die hier vorgeführten anormalen Platten von L. thomsonii und
L. digitata, die aus einem schräg gelegenen Ursprungsstäbchen hervor-
gegangen sind (Fig. T—O), wurde dieser Satz auf eine sehr viel
breitere Grundlage gestellt. Für diese Arten zeigte er sich in vollem
Umfange bestätigt.
Wenn die regulierten Platten, wie in diesem Fall, der Normal-
form in ihrem Umriß vollkommen gleichen, so ist es durchaus nicht
auffallend, wenn dabei eo ipso auch die äußere Symmetrie der Platte
gewahrt wird. Die enge Abhängigkeit vom Anker bei der Formbildung
der Platte, die beianormal gelegenem Ursprungsstäbchen sogar von Be-
ginn der Entwicklung an eine Veränderung der Verzweigungswinkel
und der Balkenlänge bewirken kann, wird aber nicht bei allen Arten in
gleichem Maße angetroffen. Bei ZL. buski kann sich die Platte ent-
gegen dem Einfluß des Ankers fast vollkommen durch Selbstdifferen-
zierung entwickeln (Fig. P—S). Wir sahen, daß die. Bildung der
7 Löcher, die das freie Plattenende normalerweise aufweist, in jeder
Lage zum Ankerschaft erfolgen kann. Eine Annäherung an das
Normale ist dadurch von vornherein ausgeschlossen. Aber gerade
weil die normale Form der Platte nicht mehr nachgebildet werden
kann, besteht nun die Möglichkeit, daß andere etwa noch gesondert
vorhandene Abhängigkeitsbeziehungen zwischen dem Anker und der
Platte in die Erscheinung treten. Daß anormal angelegte und zu
anormalem Umriß auswachsende Platten von JL. buski trotzdem
immer symmetrisch zu sein pflegen, ist nur zu verstehen, wenn
wir annehmen, daß ein vom Anker abhängiges symmetrisches Wachs-
tum der Platte eine selbständige Komponente in der Entwicklung
darstellt neben der Selbstgestaltung, durch welche die Form der
Platte hergestellt wird, so wie sie erblich fixiert ist, und neben der
anderen schon erwähnten Korrelation zwischen Anker und Platte.
Wenn diese Faktoren normal zusammenwirken, so bleibt ihre Sonder-
;
;
|
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 537
‚natur verborgen. Ich erinnere an die Regulation von L. thomsonii
und Z. digitata und die normalen Platten von L. buskü. Ist das
Zusammenwirken aber gestört, der eine Faktor mißgeleitet, so wird
der andere deutlich, und alsdann können so auffallende Gebilde wie
die in Fig. P—T abgebildeten Platten von ZL. buskii zustande
kommen.
Noch deutlicher muß die Selbständigkeit dieser Faktoren —
symmetrisches Wachstum und selbstgestaltende oder korrelative
Formbildung der Platte — werden, wenn sie in direkten Wider-
streit miteinander geraten. Ich glaube das an anderer Stelle an
einigen weiteren Mißbildungen zeigen zu können.
Wenn nun auch an den Regulationen von L. thomsonii und
L. digitata die einzelnen Faktoren des Wachstums nicht gesondert
zu erkennen sind, so darf man doch wohl annehmen, daß auch bei
diesen Arten ähnliche Verhältnisse vorliegen. Die vollkommen sym-
metrische Doppelplatte von L. thomsoni in Taf. 6 Fig. 3 gibt jeden-
falls einen Beweis dafür, daß auch bei diesem Plattentypus das
symmetrische Wachstum nicht nur eine der normalen Plattenbildung
inhärente Eigenschaft ist.
Die hier betrachteten Vertreter der beiden Plattentypen unter-
scheiden sich offenbar dadurch, daß bei der einen Art (L. buskü)
die Bildung der Form, so wie sie erblich fixiert ist, relativ unab-
hängig vom Anker erfolgt, fast vollkommen durch Selbstdifferen-
zierung, bei der anderen Art (L. thomsoni und digitata) dagegen die
Plattenform sich in enger Korrelation mit dem Anker entwickelt.
Nun könnte die Frage auftauchen: haben wir es bei der Form-
bildung der Platte von L. buski (wenn wir einmal absehen von der
Symmetrie derselben, die, wie wir wissen, durch einen besonderen Ent-
. wicklungsfaktor bedingt ist und immer durch den Anker bestimmt ist,
wenigstens wenn er vorhanden ist) vielleicht auch mit absoluter
Selbstgestaltung zu tun? Die Herstellung einesnormalen Spiculums, bei
dem die Platte eine bestimmte Lagebeziehung zum Anker aufweist,
möchte dann erklärt sein durch das'Zusammenwirken des unter dem
Einfluß des Ankers stehenden symmetrischen Wachstums und der aufdie
Ausbildung der Form zielenden Entwicklung durch. Selbstdifferen-
zierung. Schon die Tatsache jedoch, daß Ankerbogen und freies
__ Plattenende, Ankerhandhabe und Plattenhandgriff bei jeder Lage
des Primärstäbchens in die gleiche Richtung fallen, gibt einen Be-
weis dafür, daß auch bei diesen Kalkkörperchen von dem Bogen
resp. der Handhabe eine spezifische Wirkung ausgeht, was durch
Zool. Jahrb. 37. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 35
538 te HEDWIG WILHELM,
symmetrische Kalkablagerung niemals erklärt werden würde. Auch
wenn der. Anker gekrümmt ist, kann die Plattenhandhabe der Krüm-
mung des Ankers folgen, und gelegentlich kommen Plattenregula-
tionen vor, die durch frühzeitige Veränderungen der Verzweigungs-
winkel und der Balkenlänge die Normalform in ihrem Umriß nach-
bilden. Dies alles zeigt, daß auch für die Formbildung der Platte
von ZL. buskii eine wenn auch beschränkte Abhängigkeit vom Anker
besteht, daß wir es also nicht mit einer absoluten, sondern nur mit
einer relativen Selbstgestaltung zu tun haben.
Gerade darin aber, daß die beiden zuletzt genannten Tatsachen
nur gelegentlich vorkommen, tritt noch einmal der Gegensatz hervor
zu den Kalkkörperchen von ZL. thomson und L. digitata, bei denen
diese Abhängigkeit eine sehr enge ist und deshalb niemals ein
anderes Verhalten beobachtet wurde.
Wenn der Schaft des Ankers geknickt ist, kann es bei al
Kalkkörperchen von Z. buskü, wie es scheint, zu einem direkten
Widerstreit zwischen den einzelnen Wadlistamstaktolen kommen.
Der Plattenhandgriff kann zwar, wie erwähnt, dieselbe Richtung
aufweisen wie die Ankerhandhabe; doch trifft man gar nicht so
selten Mißbildungen an, bei denen der Handgriff der Platte die
Richtung des Hauptschaftes einhält. Wir haben nun gesehen, daß
eine siens Abhängigkeit von der Form des Ankers vorhanden
ist, andrerseits besteht aber auch eine relativ
differenzierung; dazu kommt ein nach dem
Fig. V. Labidoplax digitata.
Anker und Platte sind nur nach einer Seite ausgebil det
174 :1.
Anker orientiertes symmetrisches Wachstum
der Platte. Bei der normalen Entwicklung
arbeiten diese 3 Faktoren zum selben Ziele
hin. Wenn aber der auslösende Reiz wie hier durch die Knickung
des Ankers geändert ist, so wird der Erfolg unter Umständen ein
verschiedener sein, je nachdem, welcher der Faktoren den Ausschlag
gibt. Wie es scheint, kommt es in den meisten Fällen zu einem
Kompromiß. So sehen wir denn auch bei genauerer Betrachtung von
Fig.6, Taf.6, daß die Richtung des Plattenhandgriffes weder mit dem
Hauptschaft noch mit dem Handhabenteil ganz genau zusammentrifft.
- starke Neigung zur Entwicklung durch Selbst-
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 539.
= Daß bei der Herstellung der Plattenform die vom Anker-
bogen und von der Ankerhandhabe ausgehenden Reize spezifisch
wirken, wurde von BECHER nachgewiesen. Wieweit nun auch für
die Symmetrie des freien Plattenendes der von beiden Seiten wir-
kende Reiz der Bogenarme von Bedeutung ist oder ob hier nur der
Schaft des Ankers eine Rolle spielt, konnte ich nicht entscheiden.
Dazu müßten Kalkkörperchen vorliegen, bei denen der Ankerbogen
nur nach einer Seite ausgebildet ist. Die von mir gefundenen ein-
armigen Anker lehren zwar, daß auch die Platte einseitig gehemmt
sein kann, trotzdem geben sie keine endgültige Entscheidung, weil
hier die einzelnen Wachstumsfaktoren nicht getrennt zu erkennen sind.
Die Halbbildungen von L. digitata geben uns aber einige weitere
Aufschlüsse. In Fig. V sehen wir ein Gebilde, das in allen seinen
Teilen nur auf einer Seite voll entwickelt ist. Ich habe in der Haut
eines Tieres von L. digitata 3 derartige Mißbildungen gefunden (vgl.
Taf. 6 Fig. 7)!) und mehrere andere etwas abweichende Halb-
bildungen, auf die ich noch zurückkommen werde. Die äußere Ähnlich-
keit mit den gelegentlich experimentell erzeugten Halbembryonen liegt
auf der Hand. Man könnte hier aber auch an eine unbekannte
Hemmung der einen Seite etwa im Bindegewebe denken; doch müßte
dieselbe dann unter Umständen in der Ebene von Anker und Platte
verschieden sein; denn die Halbbildungen von L. digitata (Fig. V
u. Taf. 7 Fig. 4) beweisen, daß für die Platte nach beiden Seiten
die Möglichkeit zu einer Ausdehnung über den Ankerschaft hinaus
vorlag. Ich möchte indessen vermuten, daß das Fehlen der von der
einen Ankerbogenhälfte ausgehenden Reize das Wachstum auf dieser
Seite des Kalkkörperchens zum Stillstand brachte. .
BECHER nimmt an, daß bei der Entwicklung jedes einzelnen
dieser beiden Skeletstückchen, ebenso wie auch sonst in der Onto-
genese, das Neue in Korrelation mit dem schon vorhandenen Alten
gebildet wird und daß dabei hier durch die Gestalt der schon ge-
bildeten Teile die entsprechenden Reize geliefert werden. „Die
schon gebildete Form — so können wir vorläufig sagen — mub als
1) Das bei der Betrachtung der Doppelbildung gewonnene Ergebnis
über die Lokalisation der das Plattenprimärstäbchen bildenden Kern-
gruppe wird an diesem Kalkkérperchen noch einmal bestätigt. Die ein-
seitige Entwicklung des Ankers hat auch das Primärkreuz auf dieselbe
Seite gezwungen. Bei den Spicula von L. thomsonii und L. digitata wurde
eine Verlagerung des Stäbchens über den Ankerschaft hinaus sonst: selten
von mir beobachtet. | 4
35*
540 | Hepwie WiLHELMI,
Reiz mitwirken und muß an bestimmten Stellen verschieden wirken,
und zwar so, daß jeder Teil diejenige Reaktion ausführt, die zu der
definitiven Form führt“ (1911, p. 126). Durch die Gestalt des
Ankers in Fig. V und Taf. 7, Fig. 4 findet sich diese Anschauung
bestätigt. Die einseitige Ausbildung der Handhabe ist wahrschein-
lich darauf zurückzuführen, daß auf der entgegengesetzten Seite die
von dem früher entstandenen Bogen ausgehenden Reize fortfielen.
Nun wird allerdings nicht in allen Fällen die Ausbildung der
Ankerhandhabe auf der einen Seite vollkommen unterdrückt. Ich
habe zwei Halbanker gefunden, bei denen der Handgriff unsym-
metrisch gestaltet ist, derart, daß nach derjenigen Seite, die keinen
Ankerbogen entwickelt hat, nur eine kleinere Handhabenhälfte aus- —
gebildet ist. Bei zwei weiteren Mißbildungen konnte ich die Aus-
dehnung der Handhabe nach beiden Seiten vom Ankerschaft nicht
genau feststellen, da die einzelnen Teile derselben in verschiedenen
Ebenen lagen. ein waren hier beide Hälften gleich gut
ausgebildet.
Schon das. Auftreten von Handhaben, : die nach beiden Seiten,
wenn auch unsymmetrisch, sich bilden konnten, gibt einen Beweis
dafür, daß der früher ausgebildete Ankerhögen nicht allein die
. Reize liefert, die die Entstehung des Handgriffs sichern. Auch die
schon gebildeten Teile der Handhabe selbst werden jedenfalls, wenn
auch allem Anschein nach in beschränktem Maße, einen Einfluß auf
die Ausgestaltung derselben haben. Die in der Mehrzahl der Fälle
beobachtete Unsymmetrie des Ankerhandgriffs deutet aber mit ziem-
licher Sicherheit auf die Mitwirkung eines vom Ankerbogen aus-
gehendeh Reizes. Wieweit hier das Fehlen des Plasmastranges in
Betracht kommt, bzw. in jenen Reizkomplex hineinspielt, konnte
naturgemäß nicht festgestellt werden.
Wir müssen also dreierlei Abhängigkeitsbeziehungen unter-
scheiden, die bei der Entwicklung der Kalkkörperchen von Be-
deutung sind.
1. Deutlich sind eine Reihe korrelativer Abhängig-
keitsbeziehungen der beiden selbständigen Kilkee
Anker und Platte.
2. Es bestehen Anzeichen fiir eine gegenseitige
Ricksichtnahme beim Wachstum der Teile eines ein-
zelnen Spiculums.
3. Gegenüber der bloßen Herstellung der Form
läßt sich das symmetrische Wachstum als selbstän-
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 541
diger Faktor erkennen. Es ist offenbar nach dem
Ankerschaft orientiert.
Normalerweise werden diese Faktoren natürlich untrennbar in-
einander arbeiten.
Ein besonders interessantes Beispiel einer Unstimmigkeit der
einzelnen Wachstumsbedingungen bieten die verzweigten Anker.
An den durch die Verzweigung ge-
gebenen drei Enden können ein Bogen
und zwei Handhaben oder zwei Bogen
und eine Handhabe gebildet werden.
Eigentümlicherweise tritt der letzte Fall
ein, wenn das ganze Gebilde zu der durch
die eine Handhabe gegebenen Richtung
vollständig symmetrisch ist. Zwei Hand-
haben entstehen in allen übrigen Fällen
nämlich dann, wenn wegen der Winkel-
größe am Verzweigungspunkt keine der.
beiden Handhabenenden eine Symmetrie-
linie bildete. Bei 2 Handhaben hätte die
Rücksicht auf den schon vorhandenen Fig. W. Labidoplax thomsonii.
Ankerbogen die doppelte Handhaben- Anker und Platte: Der Anker
bildung erzwungen (zweiter Wachstums- gee eee cr Knickung
an die Ankerverzweigungen, nur
faktor)+), während da, wo durch Ent- daß es hier nicht zur Ausbildung
stehung eines 2. Bogens die Möglichkeit °°” Oe ae ee ae a
eines symmetrischen Gebildes vorlag,
die Symmetrie den Ausschlag gab (vierter Wachstumsfaktor). Die
entsprechenden Reize wären in der symmetrischen Verzweigung der
schon gebildeten Schaftteile zu suchen.
Zur genaueren Einsicht in die bei der Entstehung der Doppel-
1) Die Doppelbildungen entsprechen in ihrer Hauptausdehnung un-
gefahr der Länge eines normalen Ankers. Die in dieser Richtung durch
die Gabelung bedingte Knickung wird bei der Bildung einer Handhabe
am längeren Schenkel der Verzweigung mehr und mehr korrigiert (vgl.
Fig. Eb u. c und besonders Ed). .In Fig. W sehen wir die Ausbildung
einer zweiten Handhabe sogar vollkommen unterdrückt. Hier ist auch der
allmähliche Ausgleich der Richtung von Bogen und Handhabenteil besonders gut
zu erkennen, da das Handhabenende fast vollkommen parallel zu dem Bogen-
teil gerichtet ist. Gerade diese Mißbildungen bestätigen die Annahme,
daß hier der zweite Wachstumsfaktor entscheidend gewirkt hat, der die
Ausbildung der erblich fixierten Gestalt so gut wie möglich sichert.
LA
542 | Hepwıs WitHELMt,
bildungen vorliegenden Verhältnisse bedürfte es, wie schon erwähnt;
einer größeren Zahl von Entwicklungsstadien.
Die Symmetrie dieser Kalkspicula ist selbstverständlich nicht
kausal bedingt durch die Krystallisationsverhältnisse eines Kalk-
spatkrystalls. Sie erweist sich für die Funktion dieser kleinen
Organe als außerordentlich zweckmäßig.
Auf den Vorteil, der sich durch die symmetrische Form des
Ankers für die Art ergibt, wird von ÖSTERGREN besonders auf-
merksam gemacht: „Die beiden Arme des gesenkten Ankers be-
wirken im Verein, daß der Anker das Gleichgewicht behält und am
Umschlagen nach der Seite hin gehindert wird.“
Über die Funktion der Platte sagt er folgendes: „Die Aufgabe
der Platte als Stütze des Ankers und Regeler der Bewegungen
ferner der Vorteil der zugleich starken und überaus beweglichen
Verbindung der betreffenden Teile miteinander dürfte einleuchten“
(1897, p. 153). |
Eine unsymmetrisch gebaute Platte könnte den Anker leicht in
eine schiefe Stellung bringen. Wenn die Ankerspitzen ihre klettende
Wirkung ausüben, wird durch den Druck des Bodens gegen den
Körper des Tieres der Anker fest auf die Platte gepreßt. Natürlich
ist es günstig, wenn dabei der Anker gerade in der Mittellinie der
Platte liegt, weil sonst die in dem Gewebe verankerte Kalkplatte
leicht in eine schiefe Lage gebracht werden kann. Die gleichzeitige
Lageveränderung des Ankers muß aber eine Funktionsstörung be-
wirken.
Einerseits erweist sich also, wie wir früher gesehen haben, die
Anker- und Plattenform an sich als zweckmäßig, andererseits ist
aber auch die Symmetrie beider Skeletteilchen eine besonders vor-
teilhafte Eigenschaft derselben. Für die allmähliche Herausbildung
der. Faktoren, die die Entstehung dieser komplizierten Gebilde
sichern, könnte daher wohl das Selektionsprinzip als Erklärung An-
wendung finden. Spezielle Gründe, die für diese oder irgend eine
andere Zweckmäßigkeitserklärung sprächen, liegen jedoch einstweilen
nicht vor.
Eine zusammenfassende Darstellung und Diskussion der haupt-
sächlichen bis dahin bestehenden Theorien über Spiculabildung
findet sich bei BEcHER, 1911, p. 64—100. Auch für die Angaben
der übrigen hierauf bezüglichen Literatur verweise ich auf diese
Arbeit. |
,
4
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. 543:
Hauptergebnisse.
er Die gelegentlich auftretenden Anker mit doppelten Bogen
oder doppelter Handhabe sind nach ihrem Verhalten im Dunkelfeld
des Polarisationsmikroskops aus einer einheitlichen Anlage entstanden.
Die Ursache ihres Vorkommens ist wahrscheinlich in einer latent
vorhandenen Verzweigungstendenz zu suchen, da nach Becher der
Synaptidenanker ursprünglich die Form eines Primärkreuzes hatte.
2. Aus den Untersuchungen mit dem Polarisationsmikroskop-
ergab sich für die Doppelplatten, daß dieselben aus zwei getrennten
Anlagen entstehen können und an der Verzweigungsstelle der zu--
- gehörigen Ankerbogen miteinander verwachsen; andererseits gibt es
aber auch Doppelplatten, die aus nur einem Anlagestäbchen hervor-
gegangen sind und nun unter dem Einfluß des zweiten Ankerbogens
einen Auswuchs in seiner Richtung bilden. Wenn dieses Anlage-
stäbchen gerade auf der Verzweigungsstelle des Doppelankers liegt,.
entsteht eine vollkommen symmetrische Platte. »
3. Die Bildung und Orientierung der Kerngruppe, die das Platten-
primärstäbchen aus sich hervorgehen läßt, scheint an das Zusammen--
wirken derjenigen Reize gebunden zu sein, die von dem Ankerbogen
und dem Handhabenende des früher entstehenden Ankers ausgehen;
denn es ist auffallend, daß bei den Ankern-mit doppelten Bogen das
Anlagestäbchen der Platte sehr häufig’ in die direkte Verbindungs-
linie von Bogen und Handhabe verschoben ist.
4. Bei den einfachen Kalkkörperchen von Labidoplax thomsonii und
L.digitata, bei denen das Plattenprimärstäbchen normalerweise parallel
zum Ankerschaft liegt, entsteht bei beliebiger Drehung desselben
gegen den Ankerschaft eine Platte, die der Normalform in ihrem
Umriß gleicht. Dabei zeigt sich eine Abhängigkeit vom Anker, die
sich auch auf die Einzellochbildung erstreckt. Sie äußert sich schon
von Beginn der Entwicklung an in einer ausgleichenden Verlängerung‘
oder Verkürzung der Kalkbälkchen oder in einer Veränderung der
Verzweigungswinkel.
5. Während bei den Spicula von Labidoplax thomsonii und L. digi--
tata die korrelative Abhängigkeit zwischen der Gestalt des Ankers
und der Form der Platte eine sehr enge ist, zeigen die Platten von
L. buskii eine größere Neigung zur Selbstgestaltung. Die infolge-
dieser Eigenschaft stark abweichenden Regulationen gewährten
einen Einblick in die Einzelheiten der Entwicklungsvorgänge. Es-
ließen sich mehrere Faktoren des Wachstums unterscheiden.
544 Hepwieé WILHELM,
a) Die Platte zeigt sich in ihrer Form abhängig von der Ge-
stalt des früher entstehenden Ankers (nach Brcuer, 1911).
b) Diese Abhängigkeit kann mehr oder weniger eng sein; bei
den Kalkkörperchen von L. buskii ist sie verhältnismäßig locker,
so daß wir ziemlich weitgehende „Selbstgestaltung“ der Platte haben.
c) Es besteht auch eine Korrelation zwischen den einzelnen
Teilen eines jeden dieser beiden selbständigen Skeletteile, wobei
auch wieder die Form des schon Gebildeten wahrscheinlich die ent-
sprechenden Reize darbietet (nach Brecuer, 1911).
d) Die Symmetrie erwies sich als ein selbständiger Faktor des
Wachstums. Dabei zeigt sich die Plattensymmetrie abhängig von
der durch den Ankerschaft gegebenen Richtung. Ein vom Anker
ausgehender Reiz muß daher mit wirksam sein, das symmetrische
Wachstum der Platte auszulösen und zu leiten.
e) Es ist wahrscheinlich, daß auch bei jedem einzelnen Skelet-
stückchen die Symmetrie der schon gebildeten Teile als Formreiz
wirkend einen Einfluß hat auf die weitere symmetrische Ausge-
staltung des Spiculums.
6. Aus den an anormalen Entwicklungsstadien gemachten Be-
-obachtungen ließen sich Schlüsse ziehen auf die Momente, die bei —
der normalen Entwicklung die verschiedene Geschwindigkeit des
Wachstums an den einzelnen Teilen der Plattenanlage bestimmen.
Die Kalkablagerung erfolgt bei beiden Plattentypen symmetrisch zu
der durch den Ankerschaft gegebenen Richtung. Außerdem zeigt
sie sich beschleunigt in derjenigen Richtung, in der die meiste
Arbeit geleistet werden soll. Bei Platten mit quer zum Ankerschaft
liegendem Stäbchen weist der nach dem Bogen gerichtete Teil die
größere Zahl von Löchern auf, während bei dem anderen Typus
der Handhabenteil stärker ausgebildet ist. Entsprechend sind auch
die Entwicklungsstadien der zwei Typen im Wachstum nach der
Bogen- oder Handhabenseite hin weiter ausgebildet.
F
’
4
|
Skeletbildung der fußlosen Holothurien. | 545
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Erklärung der Abbildungen.
Tasel 6.
Alle Figuren sind mikrophotographische Aufnahmen, davon Fig. 1—5
im polarisierten Licht.
Fig. 1u.2. Doppelbildung von Anker und Platte, aus dem hinteren
Körperende von Labidoplax thomsonü. Die Aufnahmen zeigen, daß die
Platte aus zwei getrennten Anlagen entstanden ist. In Fig. 1 ist die ©
linke Plattenhälfte zum Aufleuchten gebracht, während die rechte ver-
_ schwindet; in Fig. 2 leuchtet dagegen die rechte Platte sehr stark auf.
In Fig. 2, ebenso wie in Fig. 4 wird auch die doppeltbrechende Muskulatur
der Körperwand sichtbar.
Fig. 3 zeigt das gleichmäßige Aufleuchten einer Doppelplatte, die
aus einer einheitlichen Anlage hervorgegangen ist. Das Primärkreuz liegt
gerade auf der Verzweigungsstelle des Ankers. Labidoplax thomsonu,
hinteres Körperende.
Fig. 4 u. 5. Doppelbildung aus der mittleren Körperregion. Die
Platte leuchtet einheitlich auf, ist also ebenfalls aus einer einzigen Anlage
gebildet. Das Primärkreuz ist hier aber einem Bogenteil zugeordnet.
. 548 Hepwie Wizuezmi, Skeletbildung der fußlosen Holothurien.
Fig. 6. Labidoplax buskü. Gekriimmter Anker mit einseitig aus-
gebildetem Bogen. Der Handgriff der Platte folgt nicht der Ankerhand-
habe. Das freie Plattenende zeigt eine unsymmetrische Gestalt.
Fig. 7. Labidoplax digitata. Anker und Platte sind nur nach einer
Seite entwickelt.
Tere. 7.
Fig. lu. 2, Labidoplax thomsonii. Anker mit doppelten Handgriffen.
Der Winkel zwischen den beiden Handhaben ist kleiner als der von dem
kurzen Handgriff und dem Bogenteil gebildete. In Fig. 1 ist das Platten-
primärkreuz seitlich gegen den Ankerschaft verschoben.
Fig. 3. Labidoplax thomsonii. Anker mit doppeltem Bogen. Die
Plattenanlagen sind beide seitlich gegen den Ankerschaft verschoben. Sie
liegen auf der Verbindungslinie zwischen dem Bogen und dem Handgriff ~
des Ankers. Die Winkel zwischen der Ankerhandhabe und den beiden |
Bogenteilen sind gleich groß.
Fig. 4. Neben dem normalen Spiculum von Labidoplax buskii ist
eine Regulation zu sehen, die wahrscheinlich aus einem um 30° gedrehten
und zugleich seitlich gegen den Ankerschaft verlagerten Primärkreuz her-
vorgegangen ist. Bei Beibehaltung des normalen Verzweigungsschemas
ist eine Platte entstanden, die zwar in der Zahl und Anordnung der
Löcher vom Normalen abweicht, in ihrer Gestalt aber vollkommen sym-
metrisch ist.
G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S.
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Herausgegeben von Prof. Dr. Arnold Lang +, Zürich, fortgeführt von Prof.
Dr. Karl Hescheler, Zürich. . |
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Dritter Band: (Coelenterata, Platodaria, Nemathelmia, Annelida.) Lfg.1(—S. 1— 146).
Vierter Band: (Arthropoda) Lfg. 1—4 (= 8. 1—650).
Preis für Lieferung 1—8 je Mk. 5— (+ 100%, Teuerungszuschlag),
“Verbreitung und Ursache der Parthenogenesis im
BE RTE Te USE ee Von Dr. Hans Winkler, o. Prof.
= Pflanzen- und Tierreiche. der Botanik an der Hamburgischen
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Soeben erschien: '
Allgemeine Biologie.
Es Von
Oscar Hertwig.
Fünfte, verbesserte und erweiterte Auflage,
Bearbeitet von
Oscar Hertwig, — und Günther Hertwio,
Direkt, des anatomisch-biologischen Insti- Priv.-Doz. der Anatomie an der Univers.
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Mit 484 teils farbigen Abbildungen im Text. (XVI, 800 S. gr. 8°). 1920.
Mk. 45.—, geb. Mk. 55.—.
.. Inhalt: I. Die Zelle als selbständiger Organismus. 1. Geschichtliche Ein-
leitung: (Zellentheorie, Protoplasmatheorie.) 2-3. Die chemisch-physika-
lischen und morphologischen Eigenschaften der Zelle 4-12. Die
Lebenseigenschaften der Zelle: ‚Stoffwechsel. und. formative Tätigkeit. Die.
Bewegungserscheinungen. Das Wesen der Reizerscheinungen. Untersachung der
einzelnen Reizarten. Die Fortpflanzung der Zelle auf dem Wege der Teilung. (Der
Prozeß der Kernteilung und seine verschiedenen Arten. Verschiedene Arten der Zell-
vermehrung u. experimentelle Abänderung.) Das Problem von der Urzeugung der Zelle.
Wechselwirkungen zwischen Protoplasma, Kern und Zellprodukt. Die Kernplasina-
"relation. Die Erscheinungen und das Wesen der Befruchtung. (Die Befruchtung
und Reifung der Geschlechtszellen im Tierreich. Die Befruchtung der Phanerogamen
und der Infusorien. Die verschiedene Form der Geschlechtszellen. Die Urformen
der geschlechilichen Zeugung. Die Befruchtungsbedürftigkeit der Zellen. [Die
Pathogenese oder Jungfernzeugung. Die Apogamie. Die Merogonie.] Die sexuelle
Affinität. [Selbstbefruchtung. Bastardbefruchtung. Beeinflussung durch äußere -
be ale 13. Die Zelle als Anlage eines Organismus, Geschichte der
älteren Entwicklungstheorien. Neuere Zeugungs- und Entwicklungstheorien. —
Literatur zu Kap. 1—13. — U. Die Zelie im Verband mit anderen Zellen. 14. Die
Individualitätsstufen im Organismenreich 15. Artgleiche, sym-
biontische, parasitäre Zellvereinigung. 16. Mittel und Wege des
Verkehrs der Zellen im Organismus. 17.-24. Die Theorie der Bioge-
nesis. Die Lehre von der Spezifität der Zellen, ihren Metamorphosen und ihren
verschiedenen Zuständen. Die äußeren Faktoren der organischen Entwicklang. Die
inneren Faktören der organischen Entwicklung. 25. Die im Organismus der
Zelle enthaltenen Faktoren des Eutwicklungsprozesses. 26. Die
Geschlechtsbestimmung oder das Seuunitisteprobte nt. 27.-81, Hy po-
thesen tiber die Eigenschaften des Idioplasma als des Trägers ae
Arteigenschaften. Das Problem der Vererbung. Vererbung ererbter
Eigenschaften. Die Kontinuität der Generationen. Vererbung neuerworbener Eigen-
schaften. Die Biogenesistheorie und das biogenetische Grundgesetz. Das Prinzip
der Progression in der Entwicklung. Erklärung der Unterschiede pflanzlicher und
tierischer Form durch die Theorie der Biogenesis. Zusammenfassung der wesentlichen
Grundsätze der Biogenesistheorie. — Literatur zu Kap. 14.31, — Register.
In der 5. Auflage der Allgemeinen Biologie von Oscar Hertwig sind größere
‘und kleinere Aenderungen und Zusätze im Hinblick auf zahlreiche, neu erschienene |
mikroskopische und experimentelle Untersuchungen notwendig geworden, Damit durch”
dieselben der frühere Umfang des Buches nicht wieder vermehrt werden sollte, hat '
der Verfasser das 29., 31. und 32. Kapitel der vorausgehenden Auflagen wegfallen —
lassen; er glaubte das um so eher tun zu können, als die dort besprochenenälteren und
neueren Entwicklungstheorien auch eine zusammenfassende Darstellung in des Ver-
fassers neuestem Werk: „Das Werden der Organismen“ (2, Aufl. 1918), einem Buch,
das sich iu ‘vielen Beziehungen an die „Allgemeine Biologie“ anschließt, erfahren
haben. Die Anzahl der Figuren wurde wiederum erhöht. An der Umarbeitung hat —
sich der auf gleichem Wissenschaftsgebiet tätige Sohn des Verfassers, Privatdozent
Dr. Günther Hertwig, Assistent der Anatomie in Frankfurt a. M., beteiligt.
G, Patz’sche Buchdr. Lippert & Co. G.m, b.H., Naumburg a. d.S,
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