fö m to* h .^ c_ c^ J^ ^ '^ ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER. ZEITSCHRIFT FÜR SYSTEMATIK, GEOGRAPHIE UND BIOLOGIE DER THIERE. HERAUSGEGEBEN TOK DR. J. IST. SPENQEL. IN BREMEN. ERSTER BAND. MIT 16 TAFELN UND 39 HOLZSCHNITTEN. •»^1*- JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1886. lö^L Inhalt. Heft I (ausgegeben am 1. April 1886.) Seite Dr. Cl. Hartlaub, Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. Mit Tafel I— IV 1 Dr. Ant. Eeichenow, Monographie der Grattimg Ploceus Cuv. Mit Taf. V. 113 Dr. EuD. Beegh, Die Marseuiadeu 165 Prof. Dr. Alfred Nehring, Beiträge zur Kenntniss der GalicUs-Arien. 177 M i s c e 1 1 e n. Prof. Dr. E. A. Göldi, Biologische Miscellen aus Brasilien: „Ein pathologischer Paca-Schädel" 213 Dr. Johannes Frenzel, Verfahren zur Herstellung von zoolo- gischen und anatomischen Präparaten mittelst der Glycerin- durchtränkung 216 Heft II (ausgegeben am 18. Juni 1886.) August von Pelzeln, Eine Studie über die Abstammung der Hunde- rassen 225 Prof. Dr. K. Möbius, Die Bildung, (jeltung und Bezeichnung der Art- begriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre 241 Prof. Dr. H. Ludwig, Echinodermen des Beringsmeeres. Mit Taf. VI. 275 Paul Lackschewitz, lieber die Kalkschwämme Menorcas. Mit Taf. VII. 297 Dr. J. E. V. Boas, Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. Mit Tafel VIII 311 Dr. Emil von Marenzeller, Ueber die Sarcophytum benannten Alcyo- niiden. Mit Tafel IX 341 Dr. Cleimens Hartlaub, Ueber Manatherium delheidi, eine Sirene aus dem Oligocän Belgiens 369 Dr. H. Lenz, Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. Mit Tafel X 379 rV Inhalt. Seite Mise eilen. Dr. E. V. Lendenfeld, Taenia echinococcus in Australien . 409 Prot. Dr. E. A. Gtöldi, Biologische Miscellen aus Brasilien. II. Eripus heterogaster — eine brasilianische Spinne mit Lockfärbung. Mit Tafel XI 411 Heft III u. IV (ausgegeben am 18. August 1886.) Dr. WiLE. Müller, Südamerikanische Nymphalidenraupen. Versuch eines natürlichen Systems der Nymphaliden. Mit Taf. XII — XV. 417 Prof. Dr. Eduard Hoffer, Zur Biologie der Mutilla, europaea L. . 679 Wilhelm Leche, Ueber einige südbrasilianische Hesperomys-kvi^M. Mit Tafel XVI 687 Dr. B. Langkavel , Die Verbreitung der Luchse ........ 703 Miscellen. A. B. Meyer, Notiz über eine Bezeichnung des Autornamens hinter dem Artnamen, wenn ersterer sich nur auf letzteren und nicht auf den Gattungsnamen beziehen soll .... 723 Prof. Dr. E. A. Göldi, Biologische Miscellen aus Brasilien. III. Die Eier zweier brasilianischen Grespenstheuschrecken (Phasmodea) 724 IV. Eigenthümliche , unterirdische Bauten einer brasilia- nischen Polydesmus-Art 730 Beiträge zur Kenntniss der Manatus- Arten von Dr. Clemens Hartlaulb. (Bremen.) V o r ^w o r t. Die folgenden Abhandlungen entstanden in der Absicht, auf cranio- logischer Basis einen Beitrag zur Unterscheidung der Manatusarten zu liefern und die Zahl der zu unterscheidenden Species festzustellen. Was einzelne Forscher wie Humboldt, Wiegmann, Natterer, Stan- Nius, A. Wagner etc. richtig erkannten und vertheidigten , nämlich, dass wir im Ganzen drei Arten anzuerkennen hätten, ist nicht durch- gedrungen und halb in Vergessenheit gerathen. Statt der von jenen Autoren in Vorschlag gebrachten zwei Arten Amerikas ist heute fast allgemein nur eine, M. americanus oder australis, als gültig ange- sehen, und es sind sogar Zweifel laut geworden, ob überhaupt diese von dem afrikanischen Manatus specifisch zu trennen sei ^). Die Zahl der Manatusarten war also eine noch offene Frage, und die Gründe dafür sind leicht zu erkennen. Sie liegen theils in allerlei Zufälligkeiten und Verwechselungen, die in der Manatuslitteratur eine nur zu grosse Rolle spielen , theils aber und vorwiegend darin , dass die Beschreibungen der Schädel, auf deren Eigenthümlichkeit man mit Recht die Unterscheidung der Arten zu begründen suchte, auf zu geringem Material beruhten und zu sehr der Abbildungen entbehrten. 1) Vergl. z. B. Flowee. 1884 1. c. pag. 528. Zoolog. Jahrb. I. ^ CL. HARTLAüß, Ein solcher Mangel musste sich nothwendig rächen. Die Manatus- schädel, besonders die der surinam'schen Species, deren Skelete bei weitem am häufigsten zu uns gelangen, variiren bezüglich ihrer Formen derartig, dass der Aufstellung neuer Arten von vorne herein mit Misstrauen begegnet wurde. Dazu kam noch, dass diese fast aus- schliesslich von deutscher Seite geschah und daher in England nicht die verdiente Würdigung fand, wo man sich für die Manatusfrage leb- haft interessirte, wo jedoch Skelete von der fraglichen brasilianischen, HuMBOLDT-NATTEREß'schen Species , soviel ich weiss, bis jetzt nicht existiren. Hier beschränkte man sich darauf, die craniologischen Unterschiede zwischen M. senegalensis und M. latirostris (dem suri- nam'schen Manatus) festzustellen , Versuche, die ebenfalls an deren unzureichendem Material, und zwar besonders von ersterer Art, schei- terten. Das Skelet dieser entbehrte bis heute jeder eingehenden Un- tersuchung, und unsere Kenntnisse von dem eigenthümlichen Charakter des Schädels derselben waren trotz jener Bestrebungen so mangelhaft geblieben, dass der Zweifel, ob M. senegalensis wirklich als besondere Art gelten dürfe, gar nicht unberechtigt war. Den Schädel der afrikanischen Art auf Grund einer möglichst grossen Menge von Exemplaren zu beschreiben, war mithin ein Er- fordemiss geworden und hat den Anstoss zur vorliegenden Arbeit gegeben. Wie sich aber so häufig eine Untersuchung über die ihr ur- sprünglich zugedachten Grenzen hinaus erweitert, so ist es auch der meinigen ergangen. Als meine Vergleichung der Schädel des M. senegalensis und M. latirostris bereits beendet war, fand ich in den Museen von Frank- furt, München und Mailand Schädel eines amerikanischen Ma- natus von durchaus anderem Gepräge. Untereinander vollkommen übereinstimmend, gleichen sie den Abbildungen von Cuvier und Blainville, sowie dem NATTERER"'schen Schädel, auf Grund dessen Stannius die Existenz einer zweiten südamerikanischen Species ver- fochten hatte. Ich hatte die langgestreckten schmalnasigen Schädel vor mir, denen gegenüber Harlan einst die Species M. latirostris begründete. Die Frage, ob es eine oder zwei Arten in Amerika gäbe, war damit für mich entschieden, und die Selbständigkeit des Manatus inunguis Nait. ' ) eine Gewissheit. 1) Nattehku stellte diese Species in einem Manuscripte auf, welches erst im Jahre 1883 durch A. v. Telzeln 1, c. veröfleutlicht wurde. beitrage zur tCenntniss der Manatus-Arteö. ^ Natürlich galt es nun, auch dieser Art endlich zu ihrem Rechte zu verhelfen und zunächst den Schädel derselben zu beschreiben. Hieran musste sich ebenfalls eine Vergleichung mit dem des M. la- tirostris knüpfen, denn dieser nimmt durch seine Formen eine Mittel- stellung zwischen den Schädeln der afrikanischen und brasilianischen Art ein. Die Schädel der beiden letzteren sind dagegen von derartig verschiedenem Gepräge und so leicht auf den ersten Blick zu unter- scheiden, dass sie einer besonderen Vergleichung nicht bedürfen. Eine fernere Erweiterung des ursprüngHchen Planes bilden ein- gehendere Untersuchungen über die Nasalia, Lacrymalia und das Ge- biss der Manaten, die als ein Beitrag zur Morphologie dieser Theile willkommen sein dürften, sowie einige Angaben über die geographische Verbreitung unsrer Sirenen. Sollte mit den vorliegenden Abhandlungen eine Lücke unsres Wissens ausgefüllt sein, so haben daran wesentlichen Antheil die Ge- lehrten, die mich in meinem Streben unterstützten. Dies gilt in erster Linie von Herrn Dr. J. W. Spengel, welcher bei Gelegenheit einer von ihm in Bremen inscenirten Walfisch- Aus- stellung die erste Anregung zu meiner Arbeit gab. Er hat sie mit dauerndem Interesse weiter verfolgt, und ich kann seiner Mitwirkung und gütigen Verwendung bei der Beschaifung des Materials, seiner Liberalität als Director unsrer Städtischen Sammlungen nicht genug danken. Meine Bitten um Unterstützung mit Material fanden überall das liebenswürdigste Entgegenkommen, und bin ich den folgenden Herren aufs Tiefste verpflichtet : Dr. O. Böttger, z. Z. Director des Sencken- berg'schen Museums in Frankfurt a. M. Prof. D. C. Chun, Director des Zoologischen Instituts in Königsberg. Prof, Dr. Al. Götte, Di- rector des Zoologischen Instituts in Rostock. Prof. Dr. R. Hertwig, Director des Zoologischen Museums in München. Oberstudienrath Prof. Dr. F. Krauss, Director des Königl. Naturalien - Cabinets in Stuttgart. Dr. H. Lenz , Conservator am Naturhistorischen Museum in Lübeck. Prof. Dr. Ed. v. Martens, interimistischem Director des Königlichen Zoologischen Museums in Berlin. Dr. E. Oustalet, vom Musee d'Historie Naturelle zu Paris. Prof. Dr. A. Pagenste- cher, Director des Naturhistorischen Museums in Hamburg. Dr. A. V. Pelzeln, Gustos am Zoologischen Hofmuseum in Wien. Prof. Dr. C. Semper, Director des Zoologisch-Zootomischen Institutes in Würz- burg. Naturalienhändler J. F. G. Umlaufe in Hamburg. Geheim- 4 CL. HARtLAÜß, rath Prof. Dr. W. Waldeyer, interimistischem Director des Anato- mischen Museums in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim, Director des Anatomischen Instituts in Freiburg i. B. Endlich noch allen Anderen meinen Dank, deren Güte ich in An- spruch nahm, besonders den Herren Dr. Alph. Dubois vom Mus6e Royal D'Histoire Naturelle de Belgique. Dr. K. Lampert, Assistenten am Königl. Naturalien-Cabinet in Stuttgart. Dr. Ed. Pechuel- LoESCHE in Jena. Herrn L. Steineger von der Smithsonian In- stitution in Washington und Dr. Max Graf von Zeppelin in Stutt- gart. Die Ueberzeugung , dass durch meine Studien nur der Anfang zur wissenschaftlichen Unterscheidung der drei Manatusarten gemacht worden ist, lässt mich mit der Hoffnung schliessen, dass der ver- gleichenden Schilderung des Schädels bald die des übrigen Skeletes sowie eine genaue Feststellung der äusseren Speciescharaktere folgen werde. Bremen, im Januar 1886. Verzeichniss der von mir benutzten Litteratur: 1765. BuFFON, Les Plioques, les Morses et les Lamantins, in : Hist. nai. t. XTII. p. 330. 1765. Dattbenton, Description d'un embryon de lamantin de la Guiane — Description d'une tete de lamantin ^u Senegal, ibid. p. 425, 431. 1782. BuFFON, Les Lamantins, in: Hist. nat. t. VI. Suppl. p. 383. 1789 Gmelin, Linnaei Systema naturae. ed. 13. Bd. I. 1799. Stedmann, J. G., Narrative of a five years expedition against the revolted negroes of Surinam, vol. IL p. 375. 1802. TiLEsiüs, W. G. v,, Jahrbuch der Naturgeschichte. Bd. I. Leipzig. 1804. WiEDKMANN, K., Archiv für Zoologie und Zootomie. Bd. 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Desmaeest, Mammalogie 1820. p. 508. R. Harlan, 1. c. 1824. p. 390. E. Griffith, 1827. 1. c. p. 379. J. B. Fischer, 1829. 1. c. p. 502. F. CuviER, 1822. Dict. Sc. Nat. p. 172; 1836 Cetaces. p. 21. P. Gervais, 1836. 1. c. p. 332. W. Bapp, 1836. 1. c. p. 25. A. Wiegmann, 1838. 1. c. p. 13. Robert, 1836. 1. c. p. 362. Blainville, Atlas Manatus PL III. et 1. c. p. 123. J. A. Wagner, 1846. 1. c. p. 130. BoiTARD, 1846. 1. c. p. 217. H. Stannius, 1846. 1. c. p. 18. B. Baikie, 1857. 1. c. p. 66. J. E. Grat, ib. p. 313. W. Rapp, 1857. 1. c. p. 87. R. Owen (Shaw. 1857. 1. c.) J. E. Grat, 1865. 1. c. p. 130. J. F. Brandt, 1869. p. 255. W. H. Flower, 1870. 1. c. p. 197. R. Lepsitjs, 1882. 1. c. C. Vogt, 1883. 1. c. p. 250. W. H. Flower, 1884. 1. c. p. J. BÜTTIKOFER, 1885. 1. c. p. 144. Trichechus manaluSy Lin. WiEDEMANN, 1804. 1. C, p. 67. Lamantin du Senegal, BüFFON, 1765. Hist. Nat. t. XIII. p. 392. Daubenton, ibid. p. 431. G. CüViER, 1809. 1. c. p. 294, 1812. 1. c. p. 22. Robert, 1836, 1. c. p. 362. Triehechiis iiiunatus austratis^ Gmelin Lin., 1789. 1. c. p. 60. (part.) Triehech iis a uslra lis , Shaw. 1800. Gen. Zool. p. 244. Manatus austrulis, TiLKSius, 1802. 1. c. p. 23. (part.) Beiträge zur Kenntniss der Jlanatus-Arten. Manalus aUanticus, Oken, 1838. 1. c. p. 1098. (pari) Lamantin des Senegal, Schlegel, 1841. 1. c. p. 11. Manatus nasuliis, WtmanI), 1848. 1. c. p. 199. Manaüis Vogelii, Owen!) 1857. 1. c. p. 99. Baikie, 1857. 1. c. p. 66. J. E. Gkai, ib. p. 313. H. Baeth, 1857. 1. c. Bd. III. p. 289. G. ScHWEiNFURTH, 1874. 1. c. Theü 2. p. 169. Manatus Owenii, Du Chailltt, 1863. 1. c. p. 529. Manatus latirostris '^) , Harlan, 1824. 1. c. p. 394. J. B. Fischer, 1829. 1. c. p. 502. A. Wiegmann, 1838. 1. c. p. 17. 1) Die beiden Species M. nasutus Wymän und M. Voyelü Owen, sind wohl, was die Berechtigung ihrer Aufstellung betrifft, mit Recht fragwürdiger Natur. Allen, die sich mit dem osteologischen Studium der Sirenen befasst haben, wird die ausserordentliche Neigung dieser Thiere zur individuellen Variation bekannt sein, und abgesehen davon ist die Basis der Begründung dieser beiden neuen Arten auch in andrer Beziehung eine mehr als problematische. Während der 31. nasutus durch einen relativ sehr verlängerten Vordertheil des Kopfes ausgezeichnet sein sollte, war bei M. Vogelii das Umgekehrte der Fall und derselbe nach der Meinung des Autors deshalb specifisch höchst abweichend. Da nun aber dieses Verhältniss der Länge des Vordertheiles zur Gesammtlänge des Kopfes sich mit dem zunehmenden Wachsthum verändert, in sofern als der junge Schädel ein relativ kürzeres Vordertheil zu besitzen pflegt als der alte ausgewachsene, so ver- liert schon bei Berücksichtigung dieser Thatsache jene Basis für die Begründung der gedachten Arten einigermassen an festem Boden. Die von Balfour Baikie angegebenen Masse lehren freilich, dass auch grössere Thiere einzeln eine ganz auffallende Kürze des Vordertheiles zeigen, und ich habe selbst ein derartiges Beispiel an dem Lübecker Thiere aus Kamerun vor Augen. Der genannte Autor giebt an , dass sich bei dem VoGEL'schen Thiere (einem jüngeren Exemplar) die Entfernung von dem Vorderrand der Orbitae bis zur Schnauzenspitze zur Gesammt- länge des Schädels wie 1 : 5 und dem von ihm gesammelten Exemplar wie 1 : 4 verhalte Bei dem Lübecker Schädel ist dies Verhältniss wie 1:4,7. Man sieht mithin, dass der Schädel aus Kamerun an Kürze des Vordertheiles den beiden angeführten in nichts nach- steht. Und doch kann ich von diesem nur sagen, dass er in jeder Beziehung ein ungemein typisch ausgebildeter M. senegalensis ist. Die Kürze und Breite des Vorderschädels ist eine Eigenschaft, die alle M. senegalensis gegenüber den beiden andern Species im hohen Grade auszeichnet. Ist sie in einzelnen Fällen, und sollten diese auch auf grosse Strom- gebiete localisirt sein, besonders auffallend, so giebt dies noch keinen Anlass, deswegen eine neue Species zu begründen; man kann im Gegentheil darin nur eine hohe Entwickelung der dieser Species eigenthümlichen Tendenz zur Verkürzung des Vorderschädels erblicken und ein solches Exemplar als ein in hohem Grade typisches bezeichnen. 1) Ich wähle die Bezeichnung M. latirostris, Harl, weil die ebenfalls gebräuch- lichen Namen 31. australis Tiles. und 31. americanus Desm. von ihren Autoren nicht ausschliesslich für die westindisch-surinam'sche Art angewendet wurden. Tilesius begriff unter seiner Species 31. australis sowohl eine amerikanische als afrikanische Art; Des- marest aber , ohne die Existenz zweier Species in Amerika zu kennen, latinisirte nur einen Ausdruck Cuvieu's, welcher unter der Ueberschrift „Du Lamantin d'Amerique" 10 CL. HARTLAUB, F. CuviEE, 1836. 1. c. p. 25. P. Gervais, 1836. 1. c. p. 332. W. Rapp, 1836. 1. c. p. 25. Blainville, 1843. Atlas t. III. G. Manatus taf. III. J. A. Wagnek, 1846. 1. c. p. 124. H. Stanniüs, 1836. 1. c. p. 28. W. Bapp, 1857. 1. c. p. 87. J. F. Brandt, 1869. 1. c. p. 255. Lamantin de la Gniane, Daubenton, 1765. 1. c. p. 425. Trichec/ius uianalus, Lin. Weedemann, 1804. 1. c. p. 67. Grund Lamantin des Jntiües, BuFFON, 1782. p. 396. Trichechus Manatus austra/is, Gmel. Lin., (part.) 1789. 1. c. p. 60. C. Illigbr, (part.) 1811. 1. c. p. 140. Manatus austrulis, Tilesius, (part.) 1802. 1. c. p. 23. J. ß. Fischer, (part.) 1829. 1. c. p. 501. Blainville, (part.) 1843. 1. c. p. 41. B. Baikie, (part.) 1857. 1. c. p. 70. J. E. Gray, 1857. 1. c. p. 313. W. Flower, 1870. 1. c. p. 202. R. Lepsius, 1881. 1. c. Taf IX. List of the vertebr. anim. etc. London 1883. p. 1886. Lamantin d^ Amerique, CuviER, (part.) 1809. 1. c. p. 282. Man a tus u m erican us , Desm. (part.) 1817. 1. c 1820. p. 507. F. CuviER, (part.) 1822. 1. c. p. 171. J. A. Albees, 1822. 1. c. p. 5. E. Geiffith, (part.) 1827. p. 378. P. Geevais, (part.) 1836. 1. c. p. 331. W. Rapp, (part.) 1837. 1. c. p. 25. BoiTABD, (part.) 1846. 1. c. 215. W. Veolik, 1848. 1. c. p. 55. J. E. Geat, 1869. 1. c. p. 134. J. MüEiE, 1872. 1 c. p. 127. A. H. Gaeeod, 1877. 1. c. p. 137. C. Vogt, (part.) 1883. p. 250. "W. H. Flowee, 1884. 1. c. p. sowohl den Sch<ädel eines „Lamantin du Brasil" (= M. immguis Natt.) als die Haut eines Thieres aus Cayenne (= M. latirostris Harl.) beschrieb. Der Erste, welcher die zwei Manatus- Arten scharf von einander trennte, indem er 1824 derjenigen Species, zu welcher die CüviEK'sche Schädelabbildung gehörte, mit Recht eine zweite unter dem Namen 31. latirontrin gegenüberstellte, war Haulan. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. Xl Manatus of the IVest- Indies, Home, 1821. 1. c. p. 390. Manatus atlanticus, Trichechus manatus, Oeen, (part.) 1838. 1. c. p. 1098. Surinamischer Manatus, Keauss, 1858 1. c— 1862 1. c. Wenn ich versuchen werde, den Schädel des Manatus senegalensis zu beschreiben und genau festzustellen, welche Kennzeichen er gegen- über dem Schädel des Manatus latirostris besitzt , so begebe ich mich auf ein fast unbetretenes Gebiet und eröfihe damit die specielle Osteo- logie dieses Thieres, von deren Resultaten man die endliche Lösung der immer noch nicht wissenschaftlich entschiedenen Frage über die specifische Selbständigkeit des afrikanischen Lamantins zu erwarten hat. Mögen die folgenden Zeilen ein Bild von den bisherigen osteolo- gischen Untersuchungen des M. senegalensis geben, sowie einen Ueber- bhck über die Arbeiten, die sich mit der Artenfrage des Genus Ma- natus beschäftigten. Die äussere Gestalt der Manaten scheint nur wenig Anhaltspunkte zur Unterscheidung zu bieten. Die Schilderungen, die wir in dieser Hinsicht namentlich über die afrikanische Form besitzen , sind zu spärHcher Art, und dabei die Beschaffung eines grösseren Materials zu beschwerlich, als dass man auf Grund äusserer am Balge festgestellter Differenzen die Besonderheit einer jeden Species hätte beweisen können. Man war somit bemüht, die afrikanische Art auf Grund ihres Skeletes von der amerikanischen zu trennen, — ich sage „von der", weil bis heute die bei weitem vorherrschende Meinung nur eine ame- rikanische Species angenommen hat. Den Anfang damit machte 1809 G. CuviER, indem er einen Schädel des „Lamantin du Senegal'' mit dem eines Thieres aus Brasilien verglich und einige sehr zutref- fende Unterschiede zwischen beiden Arten aufzählte. — Im Jahre 1824 stellte aber Harlan der Schädelabbildung des CuviER'schen „Lamantin d'Ämerique'' diejenige seines Manatus latirostris gegenüber und verfocht damit die Ansicht, dass Amerika von zwei Manati- Arten bewohnt werde, eine Vermuthung, die bereits von verschiedenen Forschern mehr oder weniger energisch ausgesprochen war. Er machte zugleich auf die grosse Aehnlichkeit zwischen den Schädeln seines M. lati- rostris und des M. senegalensis aufmerksam. — Es dauerte sehr lange, bis die HARLAN'sche Species einen Vertheidiger fand; man führte sie, wie es z. B. 1836 F. Cuvier that, allerdings in der Reihe 12 CL. HARTLAUB, der Manati- Arten auf, verfehlte aber nicht, das höchste Misstrauen gegen dieselbe auszudrücken. Erst Wiegmann sprach sich 1838 auf das Bestimmteste für Harlan aus, insofern er zum ersten Mal darauf hinwies, dass die Abbildung des M. latirostris mit der HoME'schen Figur eines Skeletes aus Jamaica übereinstimme, während der Cuvier' sehe Schädel zu der von La Condamine und Humboldt angenomme- nen besonderen Art des Orinoko und Amazonas gehöre. Wiegmann unterschied eine südamerikanische und eine westindische Species und stellte diesen beiden den Manatus senegalensis gegenüber, sowohl die Differenzen dieser Art von seiner südamerikanischen als auch von dem M. latirostris Harlan hervorhebend. Er gab z. B. ein sehr gutes Unterscheidungsmerkmal der afrikanischen von den beiden amerikani- schen Arten durch den Hinweis darauf an, dass die beiden Nasenfort- sätze der Zwischenkiefer an ihrer vorderen Vereinigung bei den ame- rikanischen Formen einen spitzen Winkel bilden, während dieser bei M. senegalensis abgerundet sei. So vortrefllich die WiEGMANN'schen Darlegungen waren, so ent- hielten sie doch einen grossen Irrthum, der üble Folgen nach sich zog, nämlich den, dass der Verfasser die HARLAN'sche Art auf West- Indien beschränkt glaubte und derselben eine südamerikanische Form gegenüberstellte. — Schlegel nämlich, welcher zu einer im Jahre 1841 angestellten Untersuchung einige Schädel aus Cayenne benutzte und deren Uebereinstimmung mit der HARLAN-HoME'schen Form er- kannte, Hess sich, statt daraus einfach eine grössere Verbreitung der letzteren zu schliessen, dadurch verleiten, die Existenz zweier Arten in Amerika anzufechten, indem er auf die Aehnlichkeit seiner Schädel aus Cayenne mit der HARLAN'schen Abbildung hinwies und die Ab- weichungen des CuviER'schen Schädels als Folgen von Verletzungen und hohem Alter deutete; auch nahm er dem afrikanischen Lamantin, welcher ja bisher seine Stellung als besondere Art fast ausschliesslich der Vergleichung des Schädels mit dem von Cuvier abgebildeten, seiner Meinung nach ganz anormalen Exemplar verdankte, seinen specifischen Werth. — Blainville, welcher bald darauf seine aus- gezeichneten Studien über die Gattung Manatus anstellte, beging, eben- falls von der Vorstellung einer südamerikanischen Art praeoccupirt, denselben Fehler, indem er das CuviER'sche Skelet aus Brasilien, einen Schädel aus Cayenne und ein wahrscheinlich aus Surinam stam- mendes Skelet zusammenfasste, um sie als Grundlage für seine Be- schreibung des „M(^natus australis" zu benutzen, welcher Art er sowohl die ihm so natürlich sehr zweifelhafte HARLAN'sche als auch die Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. ]3 afrikanische Form coordinirt. Uebrigens sclieint er in Betrefi" der Einheit seiner Species M. australis doch nicht ohne Zweifel gewesen zu sein, insofern er bei der Aufzählung seines Materials von dem Thiere aus Cayenne gegenüber dem CuviER'schen Skelet aus Brasilien sagt „la meme espece ou une espece bien voisine". Blainville ver- gleicht das Skelet des M. senegalensis mit dem seines „ikf. australis", Betrachtungen, die natürlich nur von relativem Nutzen werden konnten, weil ihm zu letzterer Art Material zweier verschiedenen Species zu Grunde lag, und ausserdem seine Kenntnisse von der Osteologie des afrikanischen Manatus nur auf dem Studium eines einzigen Skeletes basirten. Die von ihm angeführten specifischen Unterschiede des Ske- letes finden sich bei Wagner citirt. Dieser folgte im Jahre 1846 dem Harlan und WiEGMANN'schen Beispiel und trat, veranlasst durch die von Spix und Martius aus Brasilien gebrachten Schädel mit Entschiedenheit für die Existenz zweier Arten in Amerika ein. Diese drei Schädel, die am Amazonas gesammelt wurden und sich dank der Güte des Herrn Prof. R. Hertwig augenblicklich in meiner Hand befinden, stimmen sowohl unter sich als mit der von Cuvier gegebenen Figur vollkommen überein und bestätigten somit die Ansicht Harlan's auf das Glänzendste. Es ist sehr zu bedauern, dass Wagner es nicht für nöthig erachtete, einen dieser Schädel abzubilden. — Stannius, welcher in demselben Jahre einen von Natterer in Brasilien gesam- melten Schädel erhielt, hebt nicht minder die grosse Uebereinstim- mung dieses mit dem CuviER'schen Schädel hervor und spricht sich ebenfalls für die HARLAN'sche Anschauung aus. Aber trotz aller dieser Arbeiten, denen es allerdings an den nöthigen Illustrationen gebrach, fand der Manatus des Orinoko und Amazonas bis heute nicht die Anerkennung als Species ; und zwar hatte dies wohl darin seinen Grund, dass die Frage nach der Arten- zahl der Manaten anfing die englischen Zoologen zu beschäftigen, in deren Lande sich unglücklicher Weise kein Schädel aus Brasilien be- fand und, soviel mir bekannt ist, befindet. J. E. Gray entschied sich daher 1865 dahin, nur eine amerikanische Species gelten zu lassen, und bemühte sich, die craniologischen Unterschiede dieser von dem M. senegalensis zu beleuchten. Er war demnach nächst Wiegmann der zweite, welcher ausschliesslich den M. latirostris mit der afrika- nischen Art osteologisch verglich. Einige Eigenthümlichkeiten der amerikanischen Art entgingen ihm nicht, so z, B. die stark ausgebil- dete Symphysenrille des Unterkiefers, von welcher er sagt „the gonys is divided in two rugosities by a central groove", ferner der dünne aus- 14 CL. HARTLAUB, gezackte Vorderrand des Stirnbeines zwischen den Wurzeln der Orbital- fortsätze des Stirnbeins; aber trotzdem kam er zu dem auffallenden Resultat, der einzige constante Unterschied sei der, dass M. sene- galensis niemals Nasenbeine besässe, wenigstens keine, die mit dem Schädel in irgend einer Verbindung ständen; „the skull without any nasal bones; or the nasal bones if present in the flesh, are not con- tained in a pit in the sides of the frontal and maxillary bones". Ohne diese vollkommene irrige Meinung würde er vielleicht wie Schlegel die afrikanische Species mit der amerikanischen vereinigt haben. — Das Interesse für die afrikanische Art wurde in England besonders durch einen von Vogel am Benue gesammelten Schädel wachgehalten, der Owen so grosse Eigenthümlichkeiten zu besitzen schien, dass er darauf eine neue Species gründete, welcher er den Namen ihres kühnen Entdeckers verlieh und M. Vogelii nannte. — Bal- FOUR Baikie brachte von der Mündung des Niger einen dem Vogel' sehen sehr ähnlichen Schädel und unterstützte in seiner kurzen Ab- handlung vom Jahre 1865 die OwEN'sche neue Art auf das Nachdrück- lichste. Er betont, wie es auch Ow^en gethan hatte, die relativ ausser- ordentliche Kürze des Vordertheiles dieser Schädel und gibt darüber höchst interessante Messungen an, auf die in einer Anmerkung S. 8 hingewiesen wurde. Gleichzeitig stellte er eine kurze Vergleichung des afrikanischen Schädels mit dem des „M. australis''' an, zu welcher letzteren Art ihm die CuviER'sche Abbildung als Vorbild gedient zu haben scheint. — Als Typus für die Schilderung eines Manatus- Schädels wählte Flower 1870 die afrikanische Form, wobei es sich ihm natürlich nur um eine Darstellung der Genus-, nicht der Species- charaktere handelte. In Amerika, der Heimath der Manati, ist zur Förderung unsrer Kenntnisse auf diesem Gebiete ausserordentlich wenig beigetragen. — Eine kurze Bescheibung eines von Perkins in West- Afrika gesammel- ten Schädels gab 1851 Wyman; er hielt die relativ grosse Länge, welche der Vordertheil desselben besass, für specifisch abweichend und gründete darauf die Art M. nasutus. Manche wichtige Notizen zur Kenntniss der afrikanischen Art verdanken wir schliesslich noch Lepsius, der in seinem Werke über Halitherium Schinm im Anschluss an die Beschreibung der Schädel- knochen dieses Thieres die lebenden Manaten, deren er zwei Species annimmt, berücksichtigt und mit einander vergleicht. Er weist übri- gens auf das sehr geringe Mass unserer Kenntnisse vom M. senega- lensis hin. fteiträge zur Kenntniss der Manatus-Arteo. J5 Das Mitgetheilte mag ein ungefähres Bild davon geben, wie unzu- reichend unser osteologisches Wissen und Schaffen in Hinsicht der Gattung Manatus bisher gewesen ist, dass vor Allem, was die afri- kanische Species betrifft, bisher so gut wie Nichts geleistet wurde; fürwahr, ein Mitglied aus der kleinen und so hochinteressanten Gruppe der Sirenen hätte es wohl verdient, weniger stiefmütterlich behandelt zu werden. Das Beste, was wir bisher über die Osteologie des M. senegalensis besitzen, findet sich bei Cuvier und Blainville. Ersterer vergleicht zugleich den Schädel der afrikanischen Art in sehr zutref- fenden Sätzen mit dem des M. inunguis Natt. Eine Vergleichung des Schädels von Manatus latirostris mit dem des M. senegalensis geben nur Wiegmann, Gray und, im Anschluss an die Schilderung des Halitherium Schinzii, Lepsius. Ich gehe jetzt dazu über, die Herstammung und den Erhaltungs- grad meines Materials kurz zu charakterisiren. Von der afrikanischen Art standen mir im Ganzen 10 Schädel zur Verfügung, und zwar 4 Exemplare aus dem Anatomischen Museum in Berlin, der Schädel eines neugeborenen Thieres aus dem Berliner Zoologischen Museum, und je ein Schädel aus den Museen zu Hamburg, Stuttgart, Wien, Bremen und Lübeck. Die vier Berliner Schädel wurden am 0 g o w e durch Herrn Dr. 0. Lenz gesammelt. Es sind sämmtlich ausgewachsene Exemplare; sie tragen die Nummern 26333, 26335, 26357, 26358 und werden von mir, so oft sie zu citiren sind, bei diesen ihren Catalognummern ange- führt werden. Nr. 26333 ist im allgemeinen wohlerhalten. Das linke Nasenbein und die Thränenbeine fehlen. Nr. 26335 ist stark beschädigt; beide Schläfenbeine, beide Petro- tympanica fehlen, ebenso die Nasenbeine und die Thränenbeine. Der- selbe Schädel wurde auch von Lepsius bei seiner Untersuchung über Halitherium Schinzii zur Vergleichung benutzt. Nr. 26357 ist ebenfalls stark lädirt. Der Jochfortsatz beider Schläfenbeine, beide Jochbeine und das rechte Petrotympanicum fehlen ; ebenso die Nasenbeine und Thränenbeine. Die Orbitalfortsätze des Oberkiefers und des Stirnbeins sind abgebrochen. Nr, 26358 ist gut erhalten. Die Nasenbeine und Thränenbeine fehlen. 16 CL. HARTLAUB, Der Schädel aus dem Königlichen Naturalien-Ca- binet in Stuttgart wurde am Gabun gesammelt und stammt von einem jugendlichen Individuum. Die Nähte des Hinterhauptes mit Ausnahme der Lambdanaht sind vollständig offen. Die Nasenbeine und Thränenbeine fehlen. Er trägt die Catalognummer 1531. Der Schädel aus dem Zoologischen Museum in Ham- burg ist der eines alten Thieres vom Gabun. Seine Erhaltung ist vorzüglich. Das linke Nasenbein und die Thränenbeine fehlen. DerSchädel der Städtischen Sammlungen für Natur- geschichte in Bremen, zu einem vollständigen Skelete gehörig, ist gleichen Ursprungs, ebenfalls von vortrefilicher Erhaltung und, wie ich glaube, von einem sehr alten Thiere. Er ist im Besitze beider Nasenbeine. Die Thränenbeine aber fehlen. Der Schädel aus dem Zoologischen Hofmuseum in Wien stammt vom Senegal. Er ist noch kleiner als das Exemplar aus Stuttgart und stark beschädigt. Das Hinterhauptsbein, beide Schläfenbeine und das rechte Scheitelbein fehlen; ebenso die Nasen- beine und Thränenbeine. Der Schädel eines neugeborenen Thieres aus dem Zoologischen Museum in Berlin gehört zu einem ebenfalls in dieser Sammlung befindlichen ausgestopften Individuum, welches von Buchholz in Kamerun gesammelt wurde. Er ist nicht vollständig macerirt und ohne alle Defecte. Beide Nasenbeine und Thränenbeine sind vorhanden. S. Fig. 7. Der Schädel aus Lübeck stammt von Kamerun. Er ist ein sehr typisches Exemplar von einem alten M. senegalensis und be- sonders interessant durch die ausserordentliche Stärke seines Gebisses, sowie durch die Kürze seines Vordertheils. Die Nasenbeine und Thrä- neul)eine fehlen. S. Fig. 6. Von Manatus latirostris Harl. wurde folgendes Material von mir l)enutzt : Der Schädel eines alten Individuums von Surinam aus dem Königlichen Naturalien- C ab i net in Stuttgart (Nr. 1482). Er ist von vorzüglicher Erhaltung und besitzt beide Na- senbeine. Die Thränenbeine fehlen. Der Schädel eines jungen Thieres aus derselben Sammlung (Nr. 1180). Er stammt aus Surinam, ist etwas zertrüm- mert, aber gut wieder zusammengesetzt und ohne wesentliche Defecte; die Nasenbeine sind mit den Stirnbeinen fest verwachsen. Das linke Thränenbein fehlt, das rechte ist mit dem Jochbeine verschmolzen. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 17 Der Schädel eines ausgewachsenen Thieres aus dem Zoologisch-Zooto mischen Institut in Würzburg. Er ist von guter Erhaltung und besitzt beide Nasenbeine. Die Thränenbeine fehlen. Ein stark lädirter Schädel aus dem Anatomischen Institut zu Freiburg i. B. (Krauss Nr. IX); von mittlerer Grösse. Beide Schläfenbeine sowie die Nasenbeine und Thränenbeine fehlen. Der Schädel eines wahrscheinlich in Surinam gesammelten Exemplars aus dem Zoologischen Museum in Königsberg. Er ist ein jüngeres Exemplar von mittlerer Grösse; ziemlich gut er- halten ; das linke Petrotympanicum sowie die Nasenbeine und Thränen- beine fehlen. Ein aus Venezuela stammender unverletzter Schädel, den ich der Güte des Herrn J. F. G. Umlauff in Hamburg ver- danke. Das Thier wurde 50 Meilen oberhalb der Stadt Bolivar im Orinoko erlegt. Die Länge des Schädels beträgt nicht weniger als 38 cm. Die Nasenbeine fehlen; von den Thränenbeinen ist das linke vorhanden. S. Fig. 4. Ein Schädel aus dem Zoologischen Hofmuseum in Wien; von einem sehr alten Thiere aus dem Magd alenen ströme. Er ist tadellos erhalten und besitzt beide Nasenbeine und Thränen- beine (vergl. A. V. Pelzeln 1. c. p. 93). S. Fig. 20. Ausserdem hatte ich durch den Besuch verschiedener Museen (Stuttgart, Frankfurt a. M., Mailand) mehrfache Gelegenheit, die Richtig- keit meiner Beobachtungen zu controliren. Das Hinterhauptsbein setzt sich bekanntlich aus der Schuppe (dem Supraoccipitale) , den Seitentheilen (Exoccipitalia) und dem Grundtheile (dem Basioccipitale) zusammen. Das Supraoccipitale ist eine sehr dicke breit herzförmige Knochenplatte, welche mit ihrer oberen nach vorn gebeugten Partie den hintersten Theil des Schädeldaches bildet, mit ihrem hinteren grösseren Abschnitte aber mehr oder minder steil nach unten abfällt; sie verbindet sich vorn mit den Parietalien, unten und hinten mit den Exoccipitalien. — Die Verwachsung mit den Parietalien, welche bei den amerikanischen Arten sehr frühzeitig erfolgt und z. B. bei dem kleinen STANNius'schen Schädel eines neugeborenen M. inunyuis bereits fast vollzogen ist, geschieht bei M. senegalensis ausserordentlich langsam ; so ist sie bei Nr. 26358, einem Schädel, der seiner Länge und seinem Zoolog. Jahrb. I. O \^ Cl. hartlaüb, Gebiss nach als sehr alt zu betrachten wäre, noch so unvollständig, dass man von den Seiten her die Nähte fast bis zur Mitte klaffend verfolgen kann, und nur eine mittlere, 17 mm lange Verwachsungs- strecke vorhanden ist; bei Nr. 26333, einem 34,5 cm langen Schädel, ist die Naht sogar noch ganz erhalten. Andrerseits zeigt freilich der bedeutend jüngere Stuttgarter Schädel eine fast vollkommene Verwach- sung, so dass man also von der mehr oder minder weiten Verknöche- rung dieser Naht nicht mit Bestimmtheit auf das Alter schliessen darf. Immerhin scheint mir der Stuttgarter Schädel eine Ausnahme zu bilden und die späte Verwachsung der Lambdanaht für M. senega- lensis sehr charakteristisch zu sein. (Fig. 8—10.) — Eine vollständige Verwachsung der Schuppe mit den Exoccipitalien fand ich nur bei einem meiner Schädel, und zwar bei Nr. 26358, demselben, welcher eine noch fast offene Lambda-Naht besitzt. Eine bestimmte constante Reihenfolge der Verwachsungszeiten dieser beiden Verbindungen des Supraoccipitale existirt nicht, wenn auch die Supraexoccipital-Naht sich in der Regel früher schliessen dürfte, während bei den beiden amerikanischen Arten ohne Ausnahme das Gegentheil der Fall zu sein scheint. Von der zwischen die beiden Exoccipitalia eingekeilten unteren Spitze des Supraoccipitale erstreckt sich in der Mittellinie eine mehr oder minder stark ausgebildete Leiste nach aufwärts. Sie vereinigt sich gewöhnlich an ihrem oberen Ende mit einer kurz hinter der Lambda-Naht liegenden Querleiste des Supraoccipitale, welche das Schädeldach von dem abfallenden Hinterhaupte trennt. An der zuweilen höckerigen Verbindungsstelle der Längs- und Querleiste liegen unter der letzteren und neben ersterer zwei auch bei schwacher Ausbildung deutliche, meist starke Erhabenheiten. Dieselben sind bei M. inun- guis ebenfalls sehr kräftig entwickelt (Fig. 60), bei M. latirostris je- doch viel weniger auffallend. Die Querleiste ist manchmal, so bei Nr. 26333, nur sehr unbedeutend. Unterhalb und hinter ihr befindet sich ein langer schmaler Muskeleindruck, der tief und rauh zu sein pflegt und unterhalb bisweilen wieder von einer, wenn auch viel schwächeren Leiste begrenzt wird. Die Breite der Schuppe steht im Verhältniss zur grössten Breite des Schädels wie circa 1 : 2, 2 und gleicht darin den beiden ameri- kanischen Arten. — Ihre Abdachung nach hinten variirt sehr; am steilsten ist sie bei dem Bremer Schädel, am flachsten bei Nr. 26358. Die Exoccipitalia zeichnen sich durch eine sehr knorrige Oberfläche und einen stumpfen, dicken, höckerigen, meist nach hinten Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. \C) gerichteten äusseren Rand aus, während bei M. latirostris die Ober- fläche glatter und der äussere Rand mehr nach vorn geneigt und weit schärfer ist. Die äusseren Hälften des oberen Randes sind frei und betheiligen sich an der Begrenzung der oberen Schädellücken (foramina mastoidea Lepsius), die inneren sind durch die Supraexoccipital- Naht mit der Schuppe verbunden. — An die seitlichen Ränder der Exoccipitalia legen sich die Hintertheile der Temporalia, bleiben aber stets von ihnen durch eine weit klaffende Naht getrennt. Der unterste Theil des exoccipitalen Seitenrandes gehört dem Processus parama- stoideus oder jugularis an, welcher auf seiner Innenfläche, d. i. nach vorne zu, eine starke Vertiefung für den Ansatz des Zungenbeins trägt. Das Letztere besitzt bei dem ÜMLAUFP'schen Schädel von M. latiro- stris ein verknöchertes Endstück des Ligamentum stylohyoideum, wel- ches in der eben genannten Vertiefung haftet, die sich ein wenig auf das an sie stossende Schläfenbein fortsetzt. Die Seitentheile sind untereinander durch eine Naht verbunden, welche an vier Schädeln ganz verwachsen, dem jungen Stuttgarter und Nr. 26335, einem 32,2 cm langen Schädel, aber noch vollkommen erhalten ist. Von den besagten 4 Schädeln haben zweie die Supra- exoccipital-Naht noch offen. Bei M. latirostris scheint die Exoccipital- ■ Naht langsamer zu verschwinden ; bei einem circa 32 cm langen Exemplar aus Königsberg sind sämmtliche Exoccipital-Nähte noch weit offen. Die Processus condyloidei sind von verschiedengradiger Convexität; nach hinten und unten gerichtet, divergiren sie von unten nach oben. Sie sind im Verhältnis zur Gesammtentwickelung des Schädels grösser als bei M. latirostris und gehören mit einem grösseren Theile dem Basioccipitale an. Eine Bestätigung dafür scheint die bei älteren Schädeln auffallende, aber nur scheinbare Kürze der beiden Arme des letzteren zu sein. Man kann auch da, wo die Nähte zwi- schen Basi- und Exoccipitalien vollkommen verwachsen sind, doch ihre Richtung noch annähernd bestimmen, indem der vordere Aus- gangspunct derselben stets durch einen kleinen Buckel markirt ist, welchen der hintere innere Rand der unteren Schädellücke (foramen lacerum) macht. An dem Stuttgarter Schädel von M. latirostris^ an welchem die Nähte noch etwas erkennbar sind, sieht man ganz deut- lich, dass die Naht allerdings den Proc. condyloideus berührt, ihn aber nicht durchschneidet. An einem 31 cm langen Schädel dieser Art aus Königsberg ist die Naht noch vollkommen offen und schneidet nur einen ganz minimalen Theil von dem Proc. condyloideus ab. — Den 2* 20 CL. HARTLAÜB, eben beschriebenen Buckeln gegenüber liegen bei M. latirostris am vorderen Rande des Foramen magnum häufig ebenfalls zwei Höcker, die indessen nicht den hinteren Enden der besprochenen Nähte ent- sprechen und bei dem Stuttgarter und dem Königsberger Schädel etwa 5 mm vor der Naht liegen. Die Gesammtbreite der beiden Exoccipitalien verhält sich zur grössten Schädelbreite gewöhnlich wie 1 : 1,37. Das Foramen für den Durchtritt des Nervus hypoglossus, welches am unteren Rande der Seitentheile, dicht neben ihrer Verbindung mit dem Basioccipitale liegt, ist nur bisweilen vorhanden, in andern Fällen durch eine Rille vertreten und im Allgemeinen jedenfalls nicht so oft und so gross ausgebildet wie bei M. latirostris. Das Basioccipitale ist von sehr verschiedener Mächtigkeit. Am breitesten ist es mit 4 cm, dicht vor der Vereinigung mit dem Keilbein gemessen, bei dem Bremer und Lübecker Schädel, sowie bei Nr. 26358. — Der abgerundete Ausschnitt, welchen der untere Rand des Foramen magnum häufig im Basioccipitale des M. latirostris zeigt, findet sich bei der afrikanischen Art nicht Das Foramen magnum ist manchmal oval , weit öfter aber rundlich, während für M. latirostris im Gegentheil die breite ovale Form typisch ist. (Fig. 56. 57.) Die Scheitelbeine sind untereinander verwachsen mit Ausnahme eines jüngeren in dieser Beziehung abnormen Schädels aus Wien , bei welchem das rechte Scheitelbein fehlt und der margo sagittalis des linken vollkommen frei, aber etwas asymmetrisch auf der linken Seite liegt. (Fig. 12.) Die Verwachsung der Pfeilnaht scheint sonst allgemein bei Manatus bereits sehr früh einzutreten , denn schon der kleine Schädel eines neugeborenen M. inunguis lässt nur noch ein kleines vorderes Stück derselben erkennen. (Fig. 2.) Die Verwachsung der Lambdanaht wurde bereits bei Bespre- chung des Supraoccipitale erörtert, und das späte Eintreten derselben als für M. seneyalensis höchst charakteristisch bezeichnet. Die bei- den seitlichen Enden dieser Naht verbinden das Supraoccipitale mit den zwischen ilm und die Schläfenbeine sich einschiebenden hinteren Fort- sätzen der Parietalia. Diese Fortsätze bleiben äusserlich bei 31. se- neyalensis stets vom Hinterhaupte getrennt, während sie dagegen bei M. latirostris derartig mit letzterem verschmelzen, dass man den mit dem Supraoccipitale verwachsenen Fortsatz des Parietale als den äusseren Rand des Supraoccipitale betrachtete und demgemäss von einer Verbindung des oberen Endes der Temporalbeines mit dem Hin- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 21 terhaupte hat sprechen können. Einzeln bleiben auch bei M. latiro- stris die besprochenen Fortsätze des Scheitelbeines vom Hinterhaupte etwas getrennt. (Fig. 4. 6. 7. 8. 9. 10.) Wie die hinteren Fortsätze der Parietalia durch ihre dauernde Trennung vom Supraoccipitale, so geben auch die vorderen Fortsätze derselben ein untrügliches Erkennungszeichen für die afrikanische Art ab. Ihre meist auf der Temporalkante liegende vordere Spitze berührt nämlich bisweilen die Orbitalfortsätze des Stirnbeines. Diese Länge der Stirnfortsätze der Parietalia erinnert Halitherium und ist für M. senegalensis im hohen Grade eigenthümlich. Während sie bei dieser Art immer mindestens bis zum vordesten Drittel der Stirn- beine auf dem Schädeldache reichen, begrenzen sie seitlich bei M. la- tirostris gewöhnlich nur das hintere Drittel, höchstens die hintere Hälfte derselben. (Fig. 12.) Die Verbindung des unteren Endes der verticalen Theile der Pa- rietalia mit dem grossen Keilbeinflügel vollzieht sich auf einer längeren Strecke, als dies äusserlich der Fall zu sein scheint, und hat eine durchschnittliche Länge von 4,5 cm. Die hinteren zwei Drittel dieser allerdings manchmal etwas unterbrochenen Verbindung werden aber von dem darüberliegenden Schläfenbeine verdeckt. (Fig. 13.) — Der abfallende, zwischen Schläfenbeinschuppe und Stirnbein eingekeilte Theil des Knochens liegt mehr oder minder steil und ist oben nicht selten schwach gewölbt. Die Stirnbeine sind in vieler Beziehung eigenthümlich. Zu- nächst ist die Länge der Sutura frontalis eine zur Gesammtlänge des Schädels grössere als bei M. latirostris. Dieses Verhältniss, aus sechs Maassen im Durchschnitt berechnet, würde 28:100 ergeben, während ein Durchschnitt aus neun Maassen nach Krauss für die andere Art 23,8:100 ergab. Auch das Verhältniss der Stirnnaht zur Länge des Schädeldaches ist ein andres als bei M. latirostris, indem sich bei unsrer Art die Länge der Stirnnaht zu der des Schädeldaches wie 76:100, bei ilf. latirostris aber wie 66: 100 verhält, woraus ersichtlich ist, dass die relativ grössere Länge des Schädeldaches bei M. sene- galensis der grösseren Länge der Stirnbeine zuzuschreiben ist. Auch die Orbitalfortsätze des Stirnbeines sind höchst charakteristisch. Vor allem gilt dies für ihre Richtung. Sie biegen stark nach seitwärts, und die Entfernung zwischen ihren vorderen Enden ist eine viel mächtigere als bei M. latirostris. Während sie bei diesem von der Flucht der Temporalkanten nur wenig oder gar nicht abweichen, thun sie dies bei M. senegalensis in erhebhchster 22 GL. HAETLAUB, Weise. Denkt man sich die Richtungslinie der Fortsätze nach hinten verlängert, so schneiden sich diese in der Mittellinie des Schädels, und zwar bei M. senegalensis 1 bis \^ cm. hinter dem vorderen Rande des Schädeldaches, bei M. latirostris dagegen bedeutend weiter nach hinten. Die Form der Orbitalfortsätze ist nicht minder von der bei M. latirostris verschieden. Bei diesem pflegt der vordere Theil stark ent- wickelt, aufgetrieben und rauh zu sein, bei der afrikanischen Art aber im Gegentheil schwächer und ohne alle höckrigen Flächen. Bei dieser ist dagegen der hintere, äussere Abschnitt des Fortsatzes oder An- gulus postorbitalis auffallend kräftig entfaltet, entsprechend dem Um- stände, dass die Fortsätze entschieden mehr die Tendenz haben, den Ring der Orbita hinten zu schliessen als bei ütf. latirostris. (Fig. 55.) Im Zusammenhange damit convergiren die oberen Orbitalränder ziem- lich stark von hinten nach vorn. Die Entfernung zwischen den beiden Postorbitalwinkeln der Orbitalfortsätze ist eine sehr bedeutende; bei dem kleinsten meiner Schädel, dem aus Wien, ist sie mit 12,4 cm. schon viel grösser als bei den mir vorliegenden 5 amerikanischen Schädeln und bei weitem der Mehrzahl der von Krauss angegebenen Messungen. — Die Orbitalfortsätze zeichnen sich in hohem Grade durch Constanz ihrer Richtung und Form aus. Dasselbe gilt für die beiden andern Manatus-Arten, namentlich aber für M. inunguis ; bereits an den Schädeln der neugebornen Thiere und Embryonen treten die specifischen Eigenthümlichkeiten derselben scharf hervor. (Fig. 1 — 7.) Von grösster Wichtigkeit für die Unterscheidung unsrer Art von dem M. latirostris ist der vordere Rand des Schädeldaches. Er ist bei M. senegalensis sehr kurz und in der Regel gerade und glattrandig. Die Länge beträgt meist 1| , in einem Falle 2 cm, wäh- rend ich bei M. latirostris bis 4,5 cm messe. Die meist feinen spitzen Zacken, die dem scharfen Rande dieser Art ein so zerfressenes, zer- rissenes Ansehen geben und sehr charakteristisch sind, fehlen bei meinen afrikanischen Schädeln gänzlich. Nur ein mittlerer Vorsprung, gelegentlich in Form zweier Zacken, die von der unteren Fläche des Stirnbeines hei'auskommen, findet sich vereinzelt. (Fig. 12.) Er ent- spricht dem Processus nasalis ossis frontis bei Halitherium. Die Ver- schiedenheit des vorderen Stirnbeinrandes ist ohne Frage ein gutes Merkmal für die Unterscheidung der beiden Arten. Der Verlauf der Temporalkanten variirt sehr, und nicht minder verschiedengradig ist ihre Ausbildung zu Leisten. Während manche Schädel ausgesprochen starke Temporalcristen besitzen, fehlen Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 23 dieselben anderen Exemplaren vollständig. (Fig. 8 — 10.) In Zusammen- hang damit steht der Verlauf der Kanten resp. die Breite des hinteren Schädeldaches. Während nämlich bei stark entwickelten Leisten diese sich kurz hinter den Frontalien einander stark nähern, um dann nach vorn wieder zu divergiren, findet eine solche Annäherung bei Schädeln ohne Temporalcristen nicht in dem Maasse Statt. Der Verlauf der Temporalkanten ist um so mehr geschwungen, je stärker sich diese zu Leisten erheben. Nach vorn zu pflegen sie entweder zu convergiren oder doch parallel zu laufen, während Divergenz bei keinem meiner Schädel zu bemerken ist. Auch hierin liegt ein sehr wesentlicher Unterschied von M. latirostris , bei welchem das letztere Verhalten häufig ist. (Drei meiner Schädel ; ferner s. Abbild, bei Schlegel 1. c. Fig. 3, Blainville, Vrolik, 1. c. 1. c.) Ein deutliches Convergiren der Temporalkanten des Stirnbeins nach vorn scheint M. latirostris nur im jüngeren Alter zu zeigen. (Junger Stuttgarter Schädel Nr, 1180; Abbildung eines jungen Exemplars bei Schlegel). Die Ausbildung der Temporalkanten zu Leisten steht mit dem Alter des Thieres in keinem Zusammenhang, indem der jüngste und älteste meiner afrikanischen Schädel solche nicht besitzen. Ebenso möchte ich nicht den Ausdruck eines sexuellen Charakters darin ver- muthen; denn Uebergänge sind sehr gewöhnlich. — Die Temporal- kanten pflegen sich bei M. latirostris in die inneren Kanten der Orbi- talfortsätze des Stirnbeins fortzusetzen , während sie bei M. senega- lensis mehr auf deren Oberfläche verstreichen. (Fig. 4, 8 — 10, 20.) Die temporale Wand des Stirnbeins zeichnet sich da- durch aus, dass sie durch eine scharfe Leiste in einem oberen erhabenen und unteren tief eingesunkenen Theil getrennt wird. (Fig. 13.) Diese Crista intratemporalis geht aus von einer nach unten gerichteten vorderen Zacke des Keilbeinflügels, macht dann einen etwas gestreckten Bogen nach vorn und verläuft gewöhnlich etwas unterhalb der hinteren Kante des Orbitalfortsatzes des Stirnbeins. Sie ist allen meinen afrikanischen Schädeln eigenthümlich, während sie dagegen bei M. latirostris selten ist und nur in schwächeren Andeutungen vorkommt. Die Einsenkung unter der Leiste kann sich sogar zu einer starken rinnenartigen Ver- tiefung steigern, deren tiefste Stelle an dem hinteren Ursprung der Leiste in der Nähe des Keilbeines liegt. (Lübecker Schädel u. a.) Der eingesunkene Theil des Stirnbeines biegt sich mit seinem unteren Rande, welcher dadurch sozusagen eine zweite Leiste in der Schläfengrubenwand bildet, wieder nach aussen, und zwar springt der 24 CL. HARTLAUB, vorderste Theil desselben mit einer scharfen Zacke nach vorn und aussen gegen die Augenhöhle hin vor. (Fig. 13.) Die Verwachsung der verschiedenen das Stirnbein be- grenzenden Nähte erfolgt sehr langsam. Bei dem alten Schädel der Bremer Sammlung ist die Frontal-Naht noch vollkommen zu verfolgen, die Coronal-Naht dagegen auf den Temporalkanten fast völlig ver- wachsen und nur noch in der Schläfengrubenwand deutlich. Bei einem andern Exemplare, Nr. 26333, demselben, welches eine noch ganz offene Lambda-Naht besitzt, ist die Stirnnaht in den hinteren zwei Dritteln ganz verwachsen, dagegen die Coronal-Nähte beiderseits auch auf den Temporalkanten noch zu erkennen. Ich möchte, ehe ich mich zur Besprechung eines anderen Knochens wende, hier noch einige Betrachtungen über das Schä de Id ach an- reihen, das in seiner Form so sehr variirt und so sehr dazu beiträgt, den allgemeinen Habitus des Schädels individuell zu verändern. Ab- gesehen von den Differenzen, die das Fehlen oder Vorhandensein starker Temporalleisten mit sich bringt, abgesehen ferner von deren Verlauf, von welchem die Form des Schädeldaches natürlich sehr ab- hängt, liegt in dem wechselnden Charakter der Oberfläche desselben ein Hauptgrund für seine Verschiedenartigkeit. Eine umfangreiche Einsenkung des Schädeldaches liegt bei 31. senegalensis häufig auf und vor der Mitte der Lambdanaht. Diese scheint bei M. latirostris nie vorzukommen; bei ihm liegen allerdings auch kleinere Vertiefungen oder Unebenheiten vor der betreffenden Naht, aber vor diesen wulstet sich das Schädeldach nicht selten förm- lich auf, in Form von zwei in der Längsaxe des Schädels liegenden flachen länglichen Hügeln, die eine Art Rille zwischen sich lassen. (Besonders deutlich an Nr. 1180 aus Stuttgart). Auch der vordere Theil des Schädeldaches besitzt bei jeder Art mehr oder minder hervortretende Eigenthümlichkeiten. (Fig. 10.) Be- trachten wir ihn beim M. senegalensis, so sehen wir, dass sich das Stirnbein zu beiden Seiten der Sutura frontalis vertieft. Die schmälste Stelle dieser Einsenkung liegt etwa 1 — 2 cm hinter dem vorderen Stirnrande. Die seitlichen bogenförmigen Grenzen der Vertiefung nähern sich also hier am stärksten, weichen aber vor diesem Punkte stark auseinander, um in die inneren Kanten der Orbitalfortsätze des Stirn- beins überzugchen. Man kann daher bei M. senegalensis die Linie dieser Kanten eine Strecke noch auf dem Schädeldach weiter ver- folgen und bemerkt, dass sie hier zwischen sich ein stets deutliches gleichschenkliges, nach hinten etwas offenes Dreieck einschliessen, dessen Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 25 Basis der vordere Rand des Stirnbeins bildet. (Fig. 10.) Ein derar- tiges kleines vorderes Dreieck ist auf dem Schädeldach von M. lati- rostris fast nie entwickelt. Bei ihm setzen sich, wie wir sahen, die inneren Kanten der Orbitalfortsätze meist direct in die Temporalkan- ten fort, die bei M. senegalensis auf der Oberfläche der Orbitalfort- sätze verstreichen. Nur der junge Schädel Nr. 1180 aus Stuttgart nähert sich hierin der afrikanischen Art. Im Allgemeinen kann man aber jedenfalls das Fehlen oder Vorhandensein dieses Dreiecks als Criterium für diese oder jene Art benutzen. Der Schädel Nr. 26335 besitzt auf der Mitte des Stirnbeins jeder- seits einen länglichen niedrigen, aber sehr deutlichen Höcker, der an flache Hornzapfen zu erinnern scheint. (Fig. 8.) Derselbe wurde bereits von Lepsius, welcher die gleichen Schädel benutzt zu haben scheint, namhaft gemacht und mit den Ansätzen zur Hornbildung, wie sie bei Halicore nicht selten sind, verglichen (1. c. pag. 29). Die Nasenbeine, deren Besprechung sich hier anreihen würde, sind in einer unten angefügten Specialuntersuchung genau beschrieben. Die Schläfenbeine bestehen aus zwei Hauptabschnitten , der Schuppe und dem Jochfortsatze. Die Schuppe verbindet sich im unteren Theile ihres hinteren Randes mit dem Exoccipitale , be- grenzt nach vorne die obere Schädellücke und legt sich mit dem oberen Theile ihres hinteren Randes an den hinteren Fortsatz der Scheitelbeine an. Ihren höchsten Punkt erreicht sie etwas unter- halb der Temporalkante des Schädeldaches am Ursprung des hinteren Fortsatzes des Parietale. Die Schuppe überlagert den hinteren Theil der temporalen Wand des Parietale und einen Theil des grossen Keil- beinflügels. Ihre Verbindung mit dem Scheitelbein bleibt selbst bis ins höchste Alter vollkommen offen. Eine von dem oberen Ende der Schuppe nach seitwärts und unten verlaufende, mit einem Knorren endigende Leiste theilt die Schuppe in einen vorderen und hinteren Theil. An die innere concave Wand des hinteren und unteren Theiles legt sich das Petrotympanicum an. — Die wesentlichste Verschieden- heit der Schuppe von der bei M. lafirnsfris ist die, dass die oberste Spitze derselben bei fast keinem meiner Schädel die Schädeldachkante erreicht, wie das bei den von mir gesehenen Exemplaren der andern Art constant der Fall war und auch von Krauss ausdrücklich betont wird. Der Jochfortsatz ist ein stets mächtig ausgebildeter Knochen- theil, welcher mit seinem unteren Rande auf dem hinteren Theile des Jochbeines ruht. Er entspringt von der Schuppe mit breitem Ansätze und variirt in Grösse, Form und Richtung. Auf der unteren Seite 26 CL. HARTLAUB, seiner Basis oder seines Stieles liegt vor einer kleinen Grube die Ge- lenkfiäche für den Unterkiefer. Dass diese die Form einer Leiste hätte, wie das Krauss von M. latirostris beschreibt, kann ich von der afri- kanischen Art nicht bestätigen. Die Articulationsfläche, die als solche (so bei dem jungen Stuttgarter Exemplar) gelegentlich kaum zu er- kennen ist, hat eine sehr unregelmässige, längliche, schief nach vorn und aussen verlaufende Gestalt. Sie erreicht bei M. latirostris manch- mal eine ausserordentliche Grösse. Bei dem Wiener Schädel z. B. ist sie auf der rechten Seite 4,3 cm breit und 2,3 cm lang, auf der linken Seite aber bedeutend kleiner, nämlich 4 cm breit und 1,6 cm lang. — Hinter der Grube liegt stets eine schräg von hinten nach vorn und aussen verlaufende breite rillenartige Vertiefung, die bis an den unteren Rand der äusseren Fläche des Jochfortsatzes geht, in welchem sie, wenn man ihn von der Seite betrachtet, eine hintere Aus- buchtung ausdrückt. Diese Rille, welche nach hinten durch eine Leiste begrenzt wird, ist bei M. latirostris weniger tief und viel breiter. — Endlich sei noch erwähnt, dass der Jochfortsatz bei M. latirostris häufig an seiner Ansatzstelle eine Einschnürung besitzt, die bei M. senegalensis nicht existirt. Die Petrotympanica der verschiedenen Manatus- Arten scheinen mir keine specifischen Eigenthümlichkeiteu aufzuweisen. Zur näheren Orientirung über diesen Knochen verweise ich auf die eingehende Be- schreibung desselben von Vrolik und die Mittheilungen von Lepsius. Das Jochbein bildet den unteren Theil der äusseren Begrenzung der Schläfengrube und legt sich mit dem oberen Rande etwa seiner hinteren Hälfte an den Processus zygomaticus des Temporale an. Es ist ein langgestreckter, seitlich comprimirter Knochen und besteht aus einem Mittelstücke und einem hinteren und vorderen Fortsatz. Das Mittelstück ist bei M. senegalensis stärkef entwickelt als bei M. latirostris. Fig. 54, 55. Es wird stets nach unten begrenzt durch einen horizontalen Rand, welcher bei der andern Art kürzer zu sein pflegt und gewöhnlich so sehr verkürzt ist, dass das Mittelstück nach unten sich stark verjüngend mit einer schräg nach unten und hinten gerichteten stumpfen Spitze endigt. Die untere Kante des Mittel- stückes hat bei M. senegalensis eine durchschnittliche Länge von 3,7 cm. Der hintere Fortsatz reicht bis an die besprochene Ein- buchtung des unteren Randes des Jochfortsatzes des Schläfenbeines. Er steigt, sich nach hinten etwas verjüngend, etwas mehr nach hinten auf als bei der amerikanischen Art und hat bei keinem Schädel auf der äusseren Fläche eine Längsrille, wie solche bei 31. latirostris ge- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. O? wohnlich vorkommt. Man könnte die äussere Fläche des hinteren Fortsatzes eher als schwach convex bezeichnen. Der vordere Theil des Jochbeins ruht auf dem äusseren Abschnitte des Orbitalfortsatzes des Oberkiefers, überragt diesen seit- lich etwas und bildet den vorderen äusseren Theil des Augenhöhlen- bodens. Dieser variirt sehr in der Lage und dem Krümmungsgrade seiner Fläche. Bei den älteren Schädeln ist diese von oben nach aussen und unten geneigt, so dass ihre innere Kante höher als ihre äussere liegt, während bei dem jungen Exemplare das umgekehrte Verhältniss herrscht. — Das vordere im Bogen aufsteigende Ende des Jochbeins nähert sich stark der vorderen Spitze des Orbitalfortsatzes des Stirnbeins und dies jedenfalls in weit höherem Grade als bei M. latirostris. Bei Nr. 26333 kommt es fast zu einer Berührung beider Punkte. (Fig. 18.) Der hintere Theil des Infraorbitalbogens steigt meist mit einem knorrigen Fortsatz, einem Processus postorbitalis, in die Höhe, ent- gegen dem Angulus postorbitalis des Orbitalfortsatzes des Frontale. Je mehr sich beide Theile einander nähern, um so vollendeter wird der Kreis der Orbita geschlossen, von der man im Allgemeinen gewiss sagen kann, dass sie rundlicher ist und mehr zu einem Schluss des Kreises neigt als bei M. latirostris, was vor Allem auf Rechnung der starken Ausbildung des Ang. postorbitalis des Orbitalfortsatzes des Stirnbeins kommt. Blainville bildet in seiner „Osteographie" pl. III. einen Schädel von M. senegalensis mit hinten vollkommen geschlossener Orbita ab. Ich selbst habe an zwei Schädeln eine An- näherung bis auf 7 mm und bei den Hamburger und Lübecker Schä- deln, die sehr starke Postorbitalfortsätze des Jochbeins besitzen, eine solche bis auf 2—3 mm beobachtet. Einzeln kommt ein derartiges Verhalten auch bei M. latirostris vor, was Krauss von seinem Schädel Nr. II mittheilt und ich von meinem Exemplar aus Wien bestätigen kann. Der Oberkiefer, zunächst von unten gesehen, stösst mit seinem vorderen, manchmal stark concaven und immer porösen Abschnitt an die Zwischenkieferbeine ; nur der mittlere Theil seines vorderen Randes bleibt frei und bildet die hintere Begrenzung des Foramen incisivum. Er sendet sodann von dem vorderen Drittel seines Alveolartheiles jederseits einen breiten platten Jochfortsatz nach aussen ab, welcher dem mittleren und vorderen Theil des Os zygomaticum zur Stütze dient. — Die hinteren Enden des Alveolartheiles liegen in einer Con- cavität des Processus pterygoideus des Keil- und Gaumenbeins. In die 28 CL. HARTLAÜB, hintere Gaumenfläche des Oberkiefers sind die Gaumenbeine lang V-förmig eingekeilt. Betrachten wir weiter den Oberkiefer von unten, um von vorn nach hinten seine oberen Grenzlinien zu verfolgen, so sehen wir, dass sich der obere Rand zunächst allmählich nach hinten aufsteigend an die Zwischenkiefer bis zu deren hinterer Spitze anlegt, darauf mit einem kleinen Stück, welches bald lamellenförmig ist, bald einem mehr compacten kurzen Fortsatze gleicht, in Verbindung mit der Innen- fläche der Orbitalfortsätze des Frontale tritt. Als oberer sehr brüchiger Rand der aufsteigenden Lamelle des Alveolartheiles berührt er sodann gewöhnlich den dünnen verticalen Theil des Stirnbeines ein wenig, um schliesslich mit dem unteren Rande des zungenförmigen Fortsatzes des Gaumenbeines sich zu vereinigen. Der Jochfortsatz erfordert noch eine etwas eingehendere Be- sprechung. Er besitzt einen Haupttheil und einen Fortsatz zweiter Ordnung, welcher zunächst im Bogen nach vorn und oben aufsteigt, sich sodann der Mittellinie des Schädels zuwendet und rückwärts, also nach hinten laufend, zwischen die Innenfläche des Orbitalfort- satzes des Frontale einerseits und Oberkiefer und hinteres Ende des Zwischenkiefers andrerseits einschiebt. Dieser, am besten kurz vorderer Orbitalbogen genannte Fortsatz überbrückt das Unteraugen- höhlenloch. Von besonderem Interesse ist er für uns dadurch, dass er bei Manatus der theilweise oder ausschliessliche Träger des Thränen- beines ist. Er bildet nämlich auf seinem oberen Rande drei Blätter, die zwei Rillen zwischen sich einschliessen , von welchen beiden die der Augenhöhle zugewandte das Thränenbein enthält resp. enthalten kann. (Fig. 641 r.) Leider zeigt keiner meiner grösseren afrikanischen Schädel ein Thränenbein erhalten, und ich schliesse nur aus der Exi- stenz jener bisweilen sehr ausgesprochenen Rille, dass das Thränen- bein auch bei M. senegalensis dieselbe Lage haben kann , die es bei den beiden Arten der neuen Welt constant einzunehmen scheint. Zur genaueren Kenntnissnahme von der Lage der Thränenbeine vergleiche man die specielle Schilderung dieser Knochen (siehe unten). — Ist auch die Thränenbeinrille nicht immer deutlich ausgebildet oder, wie es oft der Fall ist, durch spongiöse Knochensubstanz erfüllt, so ist doch die Theilung des vorderen Orbitalbogens in zwei Blätter aus- nahmslos, eine Rille mithin stets vorhanden. Von diesen beiden Blät- tern schiebt sich nur das vordere zwischen den Orbitalfortsatz des Frontale und den Zwischenkiefer ein, während das hintere Blatt, Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 29 welches bedeutend kleiner und schwächer als jenes ist, ausschliesslich der vorderen Wand der Augenhöhle angehört. (Fig. 47, 48.) Der vordere Orbitalbogen ist bei unserer Art weniger stark als bei M. latirostris entwickelt. Er springt vor allen Dingen weniger nach aussen und vorn vor, und es convergiren deshalb die unteren Orbitalränder stärker nach vorn. Diese schwächere Ausbildung be- tri£ft auch die ausschliesslich dem Inneren der Augenhöhle angehörende hintere Lamelle desselben. Sie liegt meistens ganz unter dem Orbital- fortsatze des Stirnbeins verborgen , während sie bei M. latirostris mit scharfer vorderer Spitze oft bis an den unteren Rand der Orbita vor- springt. (Fig. 48 m.) Wir haben den vorderen Orbitalbogen einen Fortsatz zweiter Ord- nung genannt; dieser Ausdruck bedarf noch der Rechtfertigung, weil er sagt, dass dieser Theil über dem Unteraugenhöhlenloche keine feste Verbindung mit dem Oberkiefer hat, sondern ein freies Ende besitzt (Fig. 19); dass mithin auch jenes Foramen nicht als eine „Durch- bohrung" des Processus zygomaticus aufgefasst werden darf, wie man das wohl gethan hat. Es kommen allerdings im späteren Alter durch Verwachsung der Nähte Fälle vor, wo es nach dem anatomischen Be- funde eine Durchbohrung ist, genetisch gesprochen ist aber diese Be- zeichnung zu verwerfen. Bei M. latirostris verwächst das Ende des Fortsatzes häufiger und, wie es scheint, früher mit dem Oberkiefer, und wir werden sehen, dass bei der dritten Species, dem M. inunguis, selbst beim neugeborenen Thiere keine Trennung mehr nachzuweisen ist. Wie dem auch sei — der Umstand, dass der vordere Orbital- bogen bei M. senegalensis über dem Foramen infraorbitale vom Ober- kiefer oft bis ins Alter getrennt bleibt, also ein freies Ende besitzt, kennzeichnet seine Natur genügend und beweist, dass seine constante Verwachsung bei M. inunguis eine Eigenthümlichkeit secundärer Art ist. — Die bei M. latirostris häufig vorkommende und durch eine kleine Knochenbrücke veranlasste Trennung des Unteraugenhöhlenloches in ein oberes kleines und ein unteres gTosses findet sich bei unsrer Species nicht. Auf dem Boden der Nasenhöhle liegen zwei von hinten nach vorn divergirende Leisten, die eine zur Aufnahme des Vomers bestimmte Rille einschliessen. In der Höhe der Augenhöhle pflegen diese zu verstreichen, und es treten dann nicht selten zwei schräg von aussen nach vorn und innen verlaufende, also convergirende, kurze, scharfe Knochenkämme in spitzem Winkel an sie heran, in einzelnen Fällen 30 GL. HAETLAUB, die vordere Verlängerung jener bildend. (Fig. 6, 11, 12.) Diese beiden „Adventivleisten" sind, wenn sie sich auch nicht immer mit der Vomer- rille vereinigen, bei M. senegalensis constant vorhanden und für uns von grösster Wichtigkeit, weil sie bei M. latirostris nie vorkommen. Keiner der zahlreichen von mir untersuchten Schädel besitzt dieselben. Von Interesse aber war es mir, dieselben in ähnlicher Weise auf dem Boden der Nasenhöhle des Rhinoceros zu finden. — Die Vomerrille verbreitert sich im Gegensatz zu der andern Art bei der afrikanischen nach vom stark. Ihre grösste Breite beträgt bei dem ältesten Individuum 2,6 cm, im geringsten Falle, bei Nr. 26357, 1,7 cm. Das Gebiss des Oberkiefers wird in einer späteren Ge- sammtbetrachtung des Gebisses seine Erledigung finden Die Zwischenkiefer verwachsen niemals untereinander. Sie be- stehen jeder aus einem vorderen Theile und dem nach hinten gehen- den Nasenfortsatze. Ersterer ist stark entwickelt, sehr hoch und dacht sich schräg nach vorn ab. Seine obere dreieckige Fläche ist bei den jungen Thieren glatt, wird mit dem Alter aber manchmal rauher. Die unteren porösen Flächen umgeben das Foramen incisivum. Lepsius glaubt, dass dieses bei M. senegalensis besonders gross sei und sich weiter dadurch von dem bei M. latirostris unterscheide, dass es hinten auf eine längere Strecke vom Oberkiefer begrenzt würde. Bei letzterer Art soll es nur mit einer feinen Spalte zwischen die Oberkieferäste eindringen. Da mir diese Bemerkung von Lepsius leider erst bekannt wurde, als ich bereits den grössten Theil meffies Materiales wieder fortgeschickt hatte, kann ich selbst nicht mit Be- stimmtheit darüber urtheilen. Ich glaube übrigens kaum, dass mir ein derartiger Unterschied entgangen sein würde. Bei dem alten Schädel des M. senegalensis aus Bremen ist das Foramen incisivum 3,5 cm lang und 2,3 cm breit, bei dem alten Exemplare von M. lati- rostris aus Wien 4,4 cm lang, 2,6 cm breit. Diese Maasse widerlegen also theilweise schon die LEPSius'sche Ansicht. Was aber das Ein- dringen in den Oberkiefer betrifft, so wird es vermuthlich bei unsern Arten ebenso verschiedengradig sein, wie ich es bei den Schädeln von M. inunguis finde, bei welchen es gelegentlich sehr stark, manchmal dagegen ganz schwach ist. Sehr gross ist das Foramen incisivum am Lübecker Schädel mit 5,7 cm Länge und 3,1 cm Breite. — Die das Foramen umgebenden Flächen bilden sammt ihren äusseren Rän- dern die directe Fortsetzung der vorderen concaven und porösen Gaumenfläche des Oberkiefers, mit der sie einzeln auch verwachsen. Am Vorderende dieser Fläche besitzt jeder Zwischen kief er eine fieiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 31 sehr ansehnliche Vertiefung. Sie entspricht jedenfalls der Zahnalveole, in welcher man am Schädel des neugeborenen Thieres einen dem Stosszahn des Dugong vergleich(baren kleinen abortiven Schneidezahn findet. Zwischen diesen beiden Löchern,, also an der vor dem Foramen incisivum befindlichen Naht, liegen meistens zwei kleine Höcker, deren ein jeder dem inneren Rande je eines Loches angehört. Dieselben entsprechen vermuthlich den dicken Zapfen, welche sich an dieser Stelle bei Rhytina finden. — Der Schnauzentheil zeigt in der Regel eine mehr oder minder starke seitliche Compression. Die Nasenfortsätze, die in tiefen Rillen des Oberkiefers liegen und in ihnen mittels kräftiger Nahtzähne befestigt sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie in hohem Maasse die Tendenz haben, sich mit ihren hinteren Enden an die Orbitalfortsätze des Stirnl)eins an- zuschmiegen. Ihre Enden , deren äusserer Rand meist convex ist, sind zu diesem Zweck stark verbreitert, und die Fortsätze weichen, entsprechend der grossen Divergenz der Orbitalfortsätze, weit aus- einander. — Die Letzteren pflegen bei M. latirostris mit ihren Vorder- enden die Zwischenkiefer nach vorn und aussen zu überragen, thun dies aber bei M. senegalensis nicht. — Die Zwischenkiefer erreichen mit ihrem hinteren Ende die Mitte der Orbitalfortsätze des Stirn- beines nur selten. Die Nasenhöhle, an deren Bildung sich vorwiegend die beiden zuletzt besprochenen Knochen, der Oberkiefer und Zwischenkiefer, be- theiligen, erfordert noch eine eingehendere Betrachtung; denn gerade ihre Form ist es vor allen Dingen, die einer jeden Art ihr charakte- ristisches Gepräge verleiht. Sie hat fast bei allen mir vorliegenden Schädeln die gleiche Form, die sich besonders durch ihre grosse Weite kennzeichnet. Die Ursachen davon sind uns bekannt in der grossen Divergenz einmal der Orbitalfortsätze des Stirnbeins und ferner der Nasenfortsätze der Zwischenkiefer, die sich, wie betont wurde, mit ihren hinteren Enden jenen anschmiegen und sie nicht selten nach aussen etwas überragen. Die Breite der Nasenöfliiung verhält sich zu ihrer Länge durchschnittlich wie 1 : 1,36, höchstens wie 1 : 1,5, da- gegen bei M. latirostris häufig wie 1:2 und durchschnittlich wie 1 : 1,70. Bei letzterer Art wäre mithin die Nasenöffnung relativ be- trächtlich schmäler und länger. Haben wir einen Schädel, bei dem das Verhältniss der Breite zur Länge der Nasenöffnung zwischen 1 : 1 ,60 und 1 : 2 liegt, so können wir ihn mit Sicherheit einer amerikanischen Art zuweisen, denn lange schmale Nasenöffnungen kommen bei Ji. sene- galensis nie vor. Wohl trifft man einzeln hei M. latirostris Nasen- 32 CL. HARTLAUB, Öffnungen, die an absoluter Weite denjenigen des M. senegalensis nicht nachstehen. (Fig. 20.) Allein betrachtet man den Schädel aus Wien, bei dem dies z. B, der Fall ist, so sieht man auf den ersten Blick, dass die Breite der Nasenöffnung aus der ausserordentlichen Breitenentwickelung des ganzen Schädels, vor Allem des Stirnbeines, herzuleiten ist und nicht etwa ihre Entstehung einer grösseren Diver- genz der Orbitalfortsätze des Stirnbeins verdankt, wie sie dies bei M. senegalensis thut. — Sehr charakteristisch für die Nasenöffnung ist ferner, dass bei M. senegalensis der Winkel, welchen die beiden Nasenfortsätze an ihrem vorderen Ausgangspuncte machen, abgerundet, dagegen bei 31. latirostris viel spitzer ist. Dies wurde bereits von Wiegmann 1. c. pag. 13 hervorgehoben. — Abgesehen aber von ihrer verschiedenen Weite und dem ebengenannten Unterschiede, bieten die die Nasenhöhle umgebenden Knochentheile , in erster Linie der vordere Rand des Stirnbeins und das Vorderende der Orbitalfortsätze desselben, so constante und höchst eigenthümliche Besonderheiten, dass man mit Recht die Oeffnung der Nasenhöhle und ihre Configuration für eines der besten Mittel zur Unterscheidung der Arten erklären muss. Die Graumenbeine sind zwei mehr oder minder hohe vertical stehende, verschieden stark nach aussen gekrümmte Knochenplatten, die sich der hinteren Innenfläche des Alveolartheiles des Maxillare an- legen und mit ihrem knorrigen, zur Bildung des Processus pterygoi- deus beitragenden Fortsatze das Ende des Keimsackes der Zähne von unten umwölben. Die im allgemeinen scharfen unteren Ränder der Knochen vereinigen sich vorn und besitzen hier eine etwas flächen- artige Ausdehnung, die der Pars horizontalis andrer Gaumenbeine ent- spricht. Dieser Theil ist zwischen den hinteren Molaren in den Ober- kiefer eingekeilt und betheiligt sich somit, wenn auch in sehr zurück- tretender Weise, an der zwischen den Zahnreihen liegenden allgemeinen Gaumenfläche. Dass er constante Verschiedenheiten von dem bei M. latirostris besässe, wie dies Lepsius glaubt, kann ich nicht bestätigen. Lepsiüs meint, die Pars horizontalis und die Fissura paJatina seien bei M. latirostris länger, weil die Anzahl der Molaren bei dieser Art ge- ringer, mithin der Oberkiefer kürzer sei. Aus meiner Beschreibung des Gebisses wird indessen ersichtlich werden, dass einmal gar kein specifischer Unterschied in der I^änge der Zahnreihen zwischen beiden Arten existirt, ferner aber auch, dass eine Verlängerung der Zahnreihe keineswegs mit einer Verlängerung des Oberkiefers verbunden zu sein Ijraucht. Man vergleiche darüber nur in der Tabelle die Messungen Nr. 17. Die grösste Oberkieferlänge hat, wie man sehen wird, gerade Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 33 der Schädel Nr. 36358, welcher die geringste Zahl (4) von Molaren aufweist. Auch ist überhaupt nicht einzusehen, warum mit einer Ver- längerung des Oberkiefers eine Verkürzung der Gaumenbeine verbunden zu sein brauchte. Dagegen spricht schon, dass bei M. inunguis, dessen Oberkiefer und Zahnreihen denen der beiden andern Arten an Länge um nichts nachstehen, der horizontale Theil des Gaumenbeines bedeu- tend länger ist und viel weiter nach vorn reicht. Die oberen Ränder der Gaumenbeine legen sich an den zwischen sie eingekeilten Vomer an. Die hintere Begrenzung des Gaumen- beins bildet das Keilbein. — Der sich mehr oder minder weit nach vorn erstreckende Schläfenfortsatz des Gaumenbeins ist eine dünne, sich nach vorn zuspitzende, verticale Knochenplatte, die an ihrem oberen Rande — hinten mit dem schwertförmigen Fortsatze des Keil- beins, vorn mit dem absteigenden Theil des Stirnbeins und an ihrem unteren Rande mit der vom Alveolartheil des Oberkiefers aufsteigenden Knochenplatte — durch eine fast immer deutliche Naht verbunden ist. Die obere Naht pflegt durch eine lochartige Erweiterung unterbrochen zu sein. — Vor der Spitze des Schläfenfortsatzes, die zuweilen noch an der gegen die Augenhöhle hin vorspringenden Zacke des abstei- genden Stirnbeins Theil nimmt, liegt eine grössere Knochenlücke, also zwischen Oberkiefer und Stirnbein. In einem Falle, in welchem der aufsteigende Oberkiefer vor dem Schläfenfortsatz des Gaumenbeins bis an das Stirnbein hinaufreicht, ist dieselbe aber durch einige kleine Löcher im Oberkiefer ersetzt. In andern Fällen geht sie über in das Foramen orbitale, welches von einer Knochenlücke zwischen Oberkiefer und Stirnbein gebildet wird ; ob es sich dabei aber nicht um Beschä- digungen handelt, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Das Keilbein stellt an älteren Schädeln einen einzigen Knochen dar, während man beim jungen Thiere die Zusammensetzung aus seineu verschiedenen Theilen noch deutUch erkennt. Sein Grundtheil, das Basis phenoid, vereinigt sich hinten mit dem Basioccipitale, vom mit dem Praesphenoid, welches zwischen den Gaumenbeinen ge- legen und vom Hinterende des Vomers überlagert einem vorderen Fortsatze des Keilbeins gleicht. Beide Verbindungen sind am neuge- borenen Thiere noch vollkommen ofien, und die erstere von beiden bleibt es noch längere Zeit. (Stuttgarter und Wiener Schädel), Die Vereinigung der inneren und äusseren Pterygoidfortsätze, welche später ebenfalls zu völliger Verwachsung führt, lässt in Nahtresten immer die Spuren früherer Trennung erkennen. Die inneren Pterygoidfortsätze tragen an ihrem distalen Ende einen kräftigen Haken für die Sehne Zoolog. Jahrb. I. 3 34 CL. HARTLAUB, des 31. j)terygoideus internus. — Das Basisphenoid besitzt kurz vor seiner Verbindung mit dem Basioccipitale zwei nach vorn convergirende rauhe Erhabenheiten zum Ansatz von Muskeln. Durch die Aussenränder seiner grossen Flügel tritt das Keilbein in Verbindung mit den Tem- poralien, den Parietalien und ein wenig mit den Frontalien. Der Schwertfortsatz (Orbitosphenoid), welcher sich zwischen den absteigenden Theil des Stirnbeins und den Schläfenfortsatz des Gau- menbeines einschiebt, bildet auf seiner lateralen Fläche durch längs- verlaufende Knochenlamellen, die sich umrollen, Rinnen für den Durch- tritt von Nerven und Gefässen, welche durch die innerhalb vom Pro- cessus pterygoideus liegende Verbindungsöflhung zwischen Schläfen- und Schädelhöhle hindurchtreten. Solcher Rillen, die sich sogar zu Canälen schliessen können, sind gewöhnlich zwei vorhanden. Ausser- dem wird gewöhnlich noch ein Canal zwischen dem Schwertfortsatz des Keilbeins und dem von ihm überlagerten Schläfenfortsatz des Gaumenbeins gebildet. Besondere Speciescharaktere bietet das Keilbein nicht. — Die Weite der Choanen, welche durch die Höhe der Gaumen- beine, Länge des Processus pterygoideus, durch die Entfernung zwi- schen den Gaumenbeinen und die zwischen den Flügelfortsätzen be- dingt wird, variirt. Zu jeder Seite der Verbindung zwischen den beiden Grundtheilen des Keilbeins und Hinterhauptes liegt auf der unteren Fläche des Schädels eine grosse Lücke von durchschnittlich (3—7 cm Breite, das Foramen lacerum, welches vom Keilbein, Schläfenbein und Hinterhaupts- bein begrenzt wird. Aus dem lateralen Theile dieser Lücke ragt das Paukenbein heraus. Das Pflug'scharbein überlagert mit seinem hinteren Ende das zwischen die beiden aufsteigenden Gaumenbeine eingekeilte, einem spiessförmigen Fortsatz gleichende Praesphenoid Die hintere Ver- bindungsnaht zwischen Vomer und Keilbein verwächst meistens früh- zeitig, während die Seitennähte zwischen beiden Knochen immer deut- lich erkennbar sind. Die Rille, welche der Vomer durch die Ueber- lagerung des perpendiculären knöchernen Theils des Siebbeins formirt, erweitert sich vor diesem stark. Zu ihrer Aufnahme dienen die von d(m Oberkiefer l)ereits beschriebenen nach vorn divergirenden Leisten. Die aufsteigenden Wände der Rille erreichen ihre grösste Höhe dicht (etwa 1,6 cm) vor der knöchernen Scheidewand des Siebbeins. Es ist für M. senegalensis charakteristisch, dass sich der Vomer zwischen den Orbitalfortsätzen der Frontalia relativ stärker als bei 3L lati- Beiträge zur Kenntniss der Manatus- Arten. 35 rostris verbreitert (circa bis 2,2 cm) und dass sein vorderer Theil so dünn und durchbrochen wird, dass er vielfach über jene Fortsätze nicht hinausreicht, also vom Foramen incisivum weit entfernt bleibt. (Vergl, M. inunguis). Bei den mir vorliegenden acht Schädeln, sowie vermuthlich auch bei dem von Blainville abgebildeten Exemplare verläuft und endet der Vomer als eine ganz dünne Knochenlamelle bereits in der Höhe der hinteren Zwischenkieferenden. Nur die Cu- viER'sche Abbildung, 1. c. pl. 19, Fig. 5, zeigt ein Pflugscharbein, wie es M. latirostris zu haben pflegt. Bei diesem erreicht der Vomer das Foramen incisivum, behält gewöhnlich bis zu seinem vorderen Ende eine ansehnliche Dicke, endigt zugespitzt und flacht sich nach vorn stark ab. Der von Cuvier dargestellte Schädel würde, falls die Abbildung überhaupt correct ist, eine Ausnahme repräsentiren, denn Kürze und starke Verbreiterung des Vomer nach vorn sind für M. senegalensis höchst charakteristisch. Das Siebbeiii, von dessen Siebplatte sich eine starke Crista galli erhebt, die in schwächerer Weise von dem Keilbein fortgesetzt wird und sich nach oben ein wenig zwischen die beiden Stirnbeine ein- schiebt, bietet keinerlei Eigenthümlichkeit für die Unterscheidung der Arten dar ; denn dem Umstände, dass die perpendiculäre Scheidewand bei keinem meiner Schädel unter dem vorderen Rande des Stirnbeins hervorragt, möchte ich keine Bedeutung beilegen. Die oberen Mu- scheln ragen stets unter dem Schädeldach hervor und dienen ge- legentlich mit zur Befestigung der Nasenbeine, indem sie sich bis- weilen eng an die verticale Wand des Stirnbeins anschliessen. Manch- mal abei" sind sie auch der Mittellinie des Schädels und somit einan- der selbst sehr genähert. — Die unteren Muscheln liegen be- deutend weiter zurück, verwachsen manchmal an ihrem Vorderende etwas mit den oberen Muscheln und treten an ihrem unteren Rande in Verbindung mit den Gaumenbeinen. Da ich keinen zersägten Schädel zur Verfügung habe, kann ich eine genauere Beschreibung des Siebbeins leider nicht geben. Der Unterkiefer des M. senegalensis variirt in seinen Formen wenig und ist durch verschiedene Eigenthümlichkeiten von dem des M. latirostris leicht zu unterscheiden. Di eArticulations flächen der Gelenkköpfe sind schräg in die Quere gestellt und divergiren nach vorn (Fig. 31). Sie sind im Vergleich mit der amerikanischen Species (Fig. 30) länger und schmäler. Ich messe bei unsrer Art die sagittale Länge 2,2, die Breite 1,4 (Nr. 26335), bei einem annähernd gleich grossen der andern die 3* ^Q CL. HARTLAUB, Länge 1,0, die Breite 3,2. Bei einem andern weit grösseren afrika- nischen Unterkiefer beträgt die Länge auch 2,2, die Breite aber 1,8. Die Gelenkköpfe articuliren mit der bereits oben erwähnten Erhaben- heit der unteren Fläche des Processus zygoraaticus des Schläfenbeins. Die Entfernung zwischen ihnen schwankt nur unbedeutend. Der Processus coronoides ist schräg nach oben und vorn gerichtet. Er verbreitert sich nach seinem distalen Ende in der Regel nur ganz wenig und ist daher weniger beilförmig (Fig. 27). Von einer schnabelförmigen Verlängerung des hinteren Winkels, wie solche von M. latirostris (Fig. 28) durch Krauss (p. 410) mit Recht be- schrieben ist, kann bei meinem Material sowie auf der Blainville'- schen Abbildung nicht die Rede sein. Der hintere Winkel überragt den Gelenkkopf in einigen Fällen an Höhe, so besonders bei dem kleinen Schädel aus Berlin Nr. 35188, in andern Fällen aber erreicht er die Höhe jenes nicht ganz. Wenn auch in einzelnen Fällen M. lati- rostris Coronoidfortsätze nach Art des M. senegalensis hat, so ist doch das Umgekehrte nie der Fall, und darum die gestreckte Form derselben für den afrikanischen Lamantin sehr beachtenswerth. Der horizontale Theil des Unterkiefers ist sehr dick und massig und berührt die Unterlage mit dem hinteren Winkel des aufsteigenden Astes und der conisch erhabenen Kinnecke. Be- trachtet man den oberen Alveolenrand desselben , so neigt sich der- selbe, wenn der Unterkiefer auf einem Tische ruht, meist schwach nach vorn; selbst bei stark entwickelter Kinnecke, so bei Nr. 26333, steigt der Rand nach vorn noch keineswegs, während er dies bei dem amerikanischen Manatus in bei weitem den meisten Fällen thut. Der untere Rand hat etwas Gestreckteres als bei der amerikanischen Art und fällt vermöge der gewöhnlich nur schwach erhabenen Kinn- ecke auch manchmal nach vorn etwas ab, während er bei jener Art meines Wissens ohne Ausnahme nach vorn ansteigt. Zwischen den beiden Stützpunkten macht der untere Rand bei dem amerikanischen Manatus (Fig. 28) einen continuirlichen Bogen, beim afrikanischen (Fig. 27) hingegen ist sein mittlerer Theil gestreckt. Die Syraphysenplatte, welche sich bei den Manati durch die ausserordentlich zerfressene Oberfläche und durch die bekannten seitlichen Alveolarvertiefungen auszeichnet, ist mehr oder minder nach vorn geneigt, manchmal flach, manchmal, so namentlich bei alten Exemplaren, stark convex in der Längsrichtung und mit starken knor- rigen Rändern versehen. Es kommt vor, dass die beiden Zahnreihen bis auf die Symphysenplatte reichen, und auf dieser die ersten Backen- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 37 Zähne resp, ihre Alveolen liegen, wie dies z. B. der Lübecker Schädel beweist (Fig. 26). — Unter dem hinteren Rande der Symphysenplatte liegt regelmässig eine starke Vertiefung, eine Fossa mentalis interior, die bei M. latirostris nur sehr unbedeutend entwickelt ist. In der Art, mit welcher die Platte vorne in die untere Sym- physenfläche übergeht, hat eine jede Species ihre Eigen thümlichkeit. Bei M. latirostris fällt die Platte nach vorn so stark ab oder steigt die untere Symphysenfläche so stark an, dass beide sich am vorderen Ende des Unterkiefers in einem spitzen Winkel treffen. Nicht so bei M. senegalensis , bei welchem der Unterkiefer vorn mit einer kleinen dreieckigen Fläche endigt, die senkrecht oder mit ihrer unteren Spitze etwas nach hinten geneigt steht. — Die untere Symphysenfläche ist von ungemein verschie- dener Gestalt, manchmal ausserordentlich in die Breite entwickelt, manchmal vorn fast zu einer Kante comprimirt. Die ursprüngliche Trennung der beiden Kieferhälften hat auf ihr nur eine sehr schwache Spur zurückgelassen, und es wird uns dadurch möglich, sofort die afrikanische Species zu erkennen, insofern bei M. latirostris stets eine mehr oder weniger tiefe Längsrille selbst bis ins höchste Alter zurück- bleibt. Auf diesen Unterschied machte bereits Gray aufmerksam Er sagt von der amerikanischen Species: „the gonys is divided into two rugosities by a central groove", wurde aber, wie es scheint, durch Uebergänge, die er an einigen Schädeln bemerkte, veranlasst, dieser Beobachtung doch nicht den ihr gebührenden Werth beizulegen. Man gewinnt aber aus den GRAY'schen Bemerkungen den Eindruck, dass seine Bedenken unbegründet waren, und ich kann meinerseits nur versichern, dass mir der Mangel einer Symphysenrille ein für M.'^senegalensis höchst constantes und leicht sichtbares Kennzeichen zu sein scheint. Für den Unterkiefer eine Reihe möglichst sicherer Erkennungsmittel zu finden, war natürlich von besonderer Bedeutung, aber ich sollte meinen, wir könnten mit dem Resultat unsrer Vergleichung vollauf zufrieden sein. Seine Haupteigenthümlichkeiten liegen in dem Mangel einer Symphysenrille, in der langen und schmalen Form der Gelenk- flächen, in dem gestreckten, nicht beilförmigen Processus coronoideus, in dem Verlaufe des Randes des horizontalen Theiles, in der ihn nach vorn abstumpfenden dreieckigen Symphysenplatte, und endlich in der unter dem hinteren Rand der Symphysenfläche gelegenen star- ken Grube. Alle diese Merkmale zeichnen sich durch besondere Con- stanz aus und ermöglichen es deshalb, den Unterkiefer unsrer Art von dem der amerikanischen ohne Schwierigkeit zu unterscheiden, 38 CL. HARTLAUB, Zu demselben guten Ergebniss kommen wir, wenn wir auf die Beschreibung des übrigen Schädels zurückblicken. Von fast allen grösseren Knochentheilen desselben Hessen sich mehr oder minder constante Eigen thümlichkeiteu auffinden, die sich vereinigen, um dem afrikanischen Schädel seinen von dem des 31. latirostris so ganz ver- schiedenen Gesammthabitus aufzudrücken. Wenn ich aber noch das, was hierzu entschieden am Hervorragendsten beiträgt, nennen soll, so wäre es die Gestaltung der Nasenhöhle im weitesten Sinne. An der grossen Weite dieser, an der Form der Orbitalfortsätze des Stirnbeins und den sich diesen anschmiegenden Hinterenden der Zwischenkiefer, am vorderen Stirnrande, endlich am Nasenhöhlenboden mit seinen charakteristischen Leisten und dem breiten kurzen Vomer wird es, wie ich hoffe, fortan Jedem leicht werden, unsre Art sofort zu erkennen. Wie aus den von den verschiedenen Autoren angegebenen Maassen erhellt, ist ein Unterschied in der Grösse der Thiere nicht zu consta- tiren ; aber obwohl einer meiner amerikanischen Schädel alle afrikani- schen an gewaltigen Dimensionen übertrifft, muss man doch sagen, dass die amerikanischen Schädel unsrer Sammlungen durchschnittlich kleiner sind als die afrikanischen. Der Schädel eines neugeborenen M. senegalensis. Der kleine Schädel, den ich kurz zu schildern versuchen will, gehört dem Zoologischen Museum in Berlin, welches auch das übrige Skelet und den Balg des betreffenden Thieres besitzt. Da noch keine Abbildungen und Beschreibungen eines ganz jungen afrikanischen Schädels existiren, betrachte ich es als ein grosses Glück denselben erhalten zu haben, und dies um so mehr, als der junge STANNius'sche Schädel aus Amerika augenblicklich ebenfalls Tor mir liegt und ein Vergleich beider mancherlei Interessantes ergab. Ich will zunächst ein allgemeines Bild von meinem Objecte ent- werfen und darauf die einzelneu Schädeltheile, soweit sie etwas Be- merkenswerthes bieten, besprechen. Der Schädel hat eine Länge von 17,2 und eine Breite von 13,1 cm. Er ist somit relativ etwas kürzer als die meisten grossen Schädel ; dies hat seinen Grund in der geringen Entwickelung des Gesichtstheiles, der hinter der schönen Ausbildung des Hinterschädels zurücktritt. Dieser ist hoch und breit gewölbt; die Glätte seiner Knochenflächen entspricht der Jugend des Thieres. Das breite Schädeldach, in dessen Mitte noch (üne ziemlich ansehnliche Fontanelle liegt, geht in voll- Beiträge zur Kenntniss der Manatus- Arten. 39 vollkommen glattem Bogen in die senkrecht stehenden Schläfengruben- wände über. Diese, bei älteren Thieren durch scharfe Leisten und tiefe Einsenkungen ausgezeichnet, wölben sich sanft nach aussen. Die Nähte sind noch olfen ; manche, wie z. B. die Pfeilnaht, welche später spurlos verschwindet, klaifen bedeutend, während andere, wie die Fron- talnaht, ganz ausserordentlich fein sind. — Einen erfreulichen Anblick gewähren die beiden Nasenbeine; sie liegen vor dem vorderen Stirn- rande, jedoch ausser aller engern Verbindung mit diesem und, wie es scheint, überhaui)t vollkommen frei und rings von Weichtheilen umgeben. Die Orbitalfortsätze des Stirnbeins sind von breiter gedrungener Form, die Orbitae selbst rundlich. Die Nasenhöhle, deren Boden leider durch Weichtheile verdeckt ist, hat die für die Species so charak- teristische breite rhombische Gestalt. Das Gebiss des Ober- und Unterkiefers besteht, soweit es entwickelt ist, aus jederseits zwei Zähnen. Bei einem Blick auf die untere Schädelfläche fällt besonders die ausserordentliche Grösse der Knochenlücken und ihrer Petrotym- panica auf, ferner die geringe Höhe der Processus pterygoidei. Dass der ganze Schädel gegenüber der später eintretenden gewaltigen Schwere und Massivität noch sehr leicht und besonders die Schädelkapsel noch dünnwandig ist, braucht kaum erwähnt zu werden. Sein Totalgewicht ist 333 Gramm, während das eines alten Exemplares 3,687 Kilo ist. — Wie sehr später das Längenwachsthum des Gesichtstheiles das des Hin- terschädels übertrifit, beweist am besten das Verhältniss der Länge der Schädelhöhle zur Gesammtlänge des Schädels, welches bei unserm jungen Thiere ^, bei den alten -^ beträgt. Die speciellere Betrachtung möge mit dem Hinter haupte be- ginnen. — Es bietet allerdings nicht viel Erwähnenswerthes. Seine einzelnen Theile sind durch stark klaffende Nähte vollkommen von einander geschieden, von denen eine besser als Zwischenraum bezeich- net würde. Nämlich die beiden Exoccipitalien sind unter sich noch durch eine 6 mm breite Oeffnung getrennt, die, wie ich vorgreifend bemerken will, bei dem kleinen amerikanischen Schädel nur 3| mm misst. Die Nähte zwischen dem Basioccipitale und den Exoccipitalien durchschneiden die Condyli. Die äusseren Flächen des Hinterhauptes sind sämratlich glatt; von Leisten ist nur die das Supraoccipitale in zwei seitliche Hälften theilende angedeutet. Letzteres fällt nach hinten ziemlich schräg ab. Die Parietalia, deren schöne Wölbung bereits Erwähnung fand, senken sich nach der Mittellinie des Schädeldaches und dem Hinterhaupte zu etwas ein. Ihre Verknöcherung ist noch nicht ganz 40 CL. HARTLAUB, vollendet; dicht hinter der Fontanelle und von dieser nur durch eine schmale Knochenbrücke geschieden, besitzt jedes noch eine kleine offene Stelle. Die vorderen Fortsätze reichen, wie es ja der Charakter der Art ist, weit nach vorn und zwar fast bis an die Wurzel der Orbital- fortsätze des Stirnbeins. Die Stirnbeine sind auf dem Schädeldache von relativ grosser Breite, besitzen aber bereits vollkommen die für die afrikanische Species eigenthümliche Gestalt, die sich namentlich in der Form der vorderen Fortsätze ausspricht. Der Umstand, dass ihre Verknöcherung da, wo sich ihr hinteres Ende in den Winkel der auseinanderweichen- den Scheitelbeine einschiebt, noch unvollendet ist, bedingt das Vor- handensein der Fontanelle. Letztere hat eine Länge und Breite von 2 cm. Die Verknöcherung des Stirnbeins ist an den Seiten etwas weiter als in der Mitte vorgeschritten. — Der vordere Stirnrand ist ziemlich breit ; in der Mitte läuft er nach vorn zu einem abgerundeten Processus nasalis aus, wie solcher auch von dem jungen Wiener Schädel beschrieben wurde (vergl. Fig. 12 S. 22). Die vor ihm gelegenen Nasen- beine sind äusserlich kleinen Böhnchen ähnlich. Die Schläfenbeine sind ihrer noch sehr wenig massiven Joch- fortsätze wegen bemerkenswerth. Diese scheinen bei der Höhe der Schädeldachwölbung sehr tief zu liegen. An ihrem Vorderende findet sich eine eigenthümliche Einkerbung, die manchmal bis in das höchste Alter erhalten bleibt und, wie wir zeigen werden, ein Characteristicum der Species M. inunguis ist. Es ist dies eine der vielen Eigenthüm- lichkeiten, in welchen die letztere Art mit der afrikanischen überein- stimmt, deren Schädelform ja, wie bekannt, im Allgemeinen weit mehr dem des M. latirostris gleicht. Die Jochbeine, an und für sich nichts Bemerkenswerthes bie- tend, sind interessant durch die Stellung, in welcher sie zu den La- crymalia stehen. Ihr vorderes Ende ist stark abgestutzt und trägt gleichsam wie ein zu ihm gehöriges, aber abgetrenntes Stück das Thränenbein. Dieses liegt mit seiner der Augenhöhle zugewandten Fläche ganz frei, während es sich mit seiner vorderen Seite an den Oberkiefer anlehnt (Fig. 51). — Der ausgedehnte Zusammenhang des Thränenbeins mit dem Jochbeine ist von grösster Bedeutung, weil er uns den besten Beweis dafür giebt, dass das für das Lacrymale gehaltene kleine freie Knochenstück, welches meist vom Jochbeine ent- fernt in einer Rille des Oberkiefers liegt, wirklich das Thränenbein ist. Bei Hufthieren, z. B. beim Schafe, ist ja das Thränenbein in der That durch eine lange Naht mit dem Jochbeine verbunden, und es weisen Beiträge xur Kenntniss der Manatus-Arten. 41 deshalb Fälle wie der vorliegende auf ein phyletisch ursprüngliches Verhalten hin. Ich glaube, dass ein solcher Zusammenhang von Thrä- nenbein und Jochbein bei M. senegalensis gar nicht so selten ist ; eine ganze Reihe meiner afrikanischen Schädel lassen in Betreff des Platzes, welchen ein vielleicht bei ihnen vorhanden gewesenes Thränen- bein einnahm, kaum eine andere Deutung zu. Auch bei M. latirostris kommt, wie ein kleiner Schädel aus Stuttgart zeigt, einzeln eine solche Verbindung vor, die sogar bei diesem Exemplar zu vollkommener Ver- knöcherung und gänzlicher Verwischung der Grenze zwischen Lacry- male und Jugale geführt hat (Fig. 46). Man vergleiche darüber die specielle Schilderung des Thränenbeines der Manati. Der Oberkiefer erfordert nur im Zusammenhange mit der eben beschriebenen Lage des Thränenbeines einige Worte. Man wird sich von der Beschreibung des erwachsenen Schädels erinnern, dass der vordere Orbitalbogen, ein Theil des Processus zygomaticus, zuweilen auf seinem oberen Rande durch Spaltung in drei Lamellen zwei Rillen bildet, von denen die der Augenhöhle zunächst liegende das Thränen- bein enthält. Bei unserm Schädel ist allerdings der ungenügenden Maceration halber nicht recht zu entscheiden, inwieweit jene Rillen entwickelt sind; man kann nur durch Vergleichung mit andern ihm ähnlichen Schädeln schliessen, dass die sonst das Thränenbein hal- tende nicht ausgebildet ist. Wir finden bei der Reihe ihm in diesen Lageverhältnissen gleichender Exemplare jene Rille kaum angedeutet und von spongiöser Knochensubstanz erfüllt. Zwei Lamellen bildet der obere Rand aber stets, von denen das vordere Blatt sich zwischen den Orbitalfortsatz des Stirnbeins und das Zwischenkieferende ein- schiebt, das andere aber ausschliesslich dem Innern der Augenhöhle angehört. Dieses letztere ist bei unserm Schädel sehr schmal und ragt mit seiner vorderen Spitze nicht über den oberen Orbitalrand hinaus (Fig. 51). Bedauerlich ist, dass durch unvollkommene Maceration die Na- senhöhle und ihr Boden verdeckt geblieben sind; es würde von Interesse gewesen sein, die Form des Vomers kennen zu lernen, der sich, wie wir sahen, bei älteren Schädeln durch seine auffallende Kürze auszeichnet. — Die beiden kleinen, für den M. senegalensis so charak- teristischen Adventivleisten der Vomerrille sind, wie es scheint, bereits angedeutet. Der Unterkiefer ist von durchaus typischem Gepräge; ausser- ordentlich tief ist die Grube unter dem hinteren Rande der Sym- physenplatte, die mir ein ganz vorzügliches Kennzeichen der Species 42 CL. HARTLAÜB, ZU sein scheint. Die Symphysenplatte ist durch erhärtete Weichtheile den Blicken entzogen; ihre Richtung ist eine sehr horizontale. Die untere Symphysennaht ist noch offen, aber sehr fein Der Processus coronoideus ist lang und ragt bedeutend über den Gelenkkopf hinaus. Ein Blick auf die Form des letzteren genügt, um sofort die afrika- nische Species zu erkennen. Das Gebiss besteht sowohl im Unter- wie im Oberkiefer aus jederseits zwei entwickelten Zähnen. Beide Kiefer gleichen sich, wenn wir von der einem jeden eigenthümlichen Zahnform absehen, in den übrigen Zahnverhältnissen vollkommen und lassen sich daher zunächst summarisch behandeln. — Der erste Zahn ist vom zweiten durch einen etwa 5 mm breiten Zwischenraum getrennt und von bedeutend geringerer Grösse. Hinter diesen beiden Zähnen liegt ein dritter Zahn, der wiederum bedeutend grösser als der zweite ist, jedoch noch tief in der Alveole steckt, über deren Rand er nur mit seinen Spitzen hinausragt. Auch er ist von seinem Vordermann durch eine ziemlich dicke Scheidewand getrennt. Nun kommt dicht hinter ihm und durch kein vollständiges Septum geschieden ein vierter Zahn, der noch tief im Zahnsack steckt und seine definitive Grösse noch nicht erreicht hat. Hinter diesem endlich entdeckt man einen fünften, noch ver- borgenen Zahn oder vielmehr Zahnkeim. — Der Zahnsack, aus dem die ganze grosse Reihe der späteren Zähne hervorgeht, dieses merk- würdige Reservoir, das selbst im höchsten Alter nicht leer wird, ent- hält also zu dieser Zeit nur zwei sichtbare Zahnkeime, also nicht mehr als im späteren Alter. — Selbst der grösste der vorhandenen Zähne erreicht das Maass der späteren noch bei weitem nicht und mag etwa um ein Drittel kleiner sein. Die Zahnreihen beider Kiefer divergiren schwach nach vorn. Der erste Zahn des Oberkiefers hat eine zur Längsaxe des Schädels etwas schräge Stellung. — Es möge schon hier gesagt sein, dass sich das Gebiss unseres Schädels von dem des kleinen STANNius'schen dadurch unterscheidet, dass dieses bereits jederseits drei entwickelte Zähne besitzt, von denen je der vorderste des Unterkiefers einspitzig conisch ist. Stannius wies sowohl im Zwischenkiefer zwei kleine hinfällige Zähne als auch auf der Symphysenplatte des Unterkiefers ein Paar solcher nach. Den von ihm im Zwischenkiefer gefundenen grösse- ren, dem Stosszahn des Dugong vergleichbaren konnte ich an meinem Exemplar ebenfalls constatiren. Er liegt in der Alveole, die sich bis in das späteste Alter am Vorderende des Praemaxillarknochens er- hält. Die Aussen wand der Alveole, die bei dem kleineu amerikani- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 43 sehen Schädel fehlt, ist, wenn auch dünn, doch vollkommen vor- handen. Die Länge der Zähne beträgt etwa 5 — 6 mm. Die Lage lässt sich genau nur in der Alveole des rechten Zwischenkiefers be- stimmen und weicht hier von der bei dem STANNius'schen Schädel ab, insofern nändich der Zahn nicht schräg nach vorn und unten steht, sondern vielmehr horizontal und sogar mit seiner Krone etwas nach vorn und oben gerichtet ist. Der linke Zahn liegt, soviel man sehen kann, normaler, aber wie es scheint auch fast horizontal. Den von Stannius an der vorderen Grenze des Zwischenkiefers entdeckten ganz kleinen zweiten Zahn habe ich trotz vielen Suchens nicht gefunden, lieber eine etwaige Bezahnung der Symphysenplatte des Unterkiefers kann ich leider nichts angeben, da mir die Erlaubniss zur Maceration der sie bedeckenden Häute fehlte. lieber die Maasse unseres Schädels orientire man sich in der allgemeinen Maasstabelle; nur einige besonders wichtige mögen auch hier ihren Platz finden. cm Länge des Schädels 17,2 Breite des Schädels 13,1 Breite der Gelenktheile des Hinterhauptbeins von einem äussersten Rande bis zum andern 9,7 Grösste Länge des Stirnbeins von der Spitze des Or- bitalfortsatzes bis zum Scheitelbein in der Mittellinie, incl. Fontanelle 8,2 Gesammtlänge des Schädeldaches (Bandmaass) ... 9,6 Länge der Stirnbeine in der Mittellinie incl. Fontanelle (Bandmaass) 5,3 Länge der Parietalia in der Mittellinie 2,3 Länge des Hinterhauptes auf dem Schädeldach . 2,0 Grösste Entfernung der Stirnbeine von einem Post- orbital-Winkel des Orbitalfortsatzes zum andern .... 8,1 Breite der Stirnbeine zwischen der Spitze der beiden Fortsätze des Scheitelbeins auf dem Schädeldach .... 4,6 Länge der Nasenhöhle 5,6 Breite der Nasenhöhle oder die Entfernung zwischen den beiden äussersten Puncten des Zwischenkiefers 5,0 Länge des Oberkieferbeins von dem hinteren Ende des Alveolarfortsatzes bis zur Vereinigung mit dem Zwischen- kiefer 8,3 Länge des Zwischenkieferbeines 7,0 44 CL. HARTLAUB, Länge der Schädelhöhle von der Siebplatte bis zum oberen Rande des Hinterhauptsloches 8,8 Länge des Unterkiefers 10,5 Höhe des aufsteigenden Astes von der hinteren Ecke des Coronoidfortsatzes bis zum unteren Winkel 6,5 Höhe des ganzen Schädels 11,0 Höhe des Schädels ohne Unterkiefer 8,0 Beschreibung des Schädels von Matiatus inunguis NATT. und Vergleichung desselben mit dem des Manatus latirostris Hael. Ma/iatu.i inunguis, Nattereb, Cat. msc. 1830. s. A. v. Pelz ein 1. c. 1883 p. 88. Manatus exiinguis, Mus. Vindeb. Lamantin, CoNDÄMiNE, Yoyage 154. Le petit lamantin d! Amerique, BuFFON, 1782. Suppl. t. VI p. 400. Lamantin iT Amerique, CuYiEE, 1809. 1. c. p. 282 (pari.), Fig. 1, 2, 3, — 1812. 1. c. (pari). — Eegne an. t, II. 284. Manatus austratis^), TiLEsiTJS, 1802. 1. c. p. 23 (part.). J. B. Fischer, 1829. 1. c. p. 501 (part). PoEppiG, 1836. 1. c. p. 373. A. Wiegmann, 1838. 1. c. p. 17. Blainville, 1. c. Atlas, pl. 3. A. Wagnee, 1846. 1. c. p. 118. Burmeistee, 1854. 1. c. Bd. I p. 335. F. DE Castelnau, 1855. 1. c. p. 114. W. V. Rapp, 1857. 1. c. J. E. Gray, 1866. Catal. Seals and Whales. Brandt, 1869. 1. c. p. 255. Manatus americanus^), Desmaeest, 1817. Nouv. Dict. Eist. Nat. 2 ed. (part.), — 1820. p. 507. 1) Die JJczcichnungen M. australis Tii.es. und ]\l. americanns Desm. verwerfe ich, weil sie von ihren Autoren und später von vielen andern Forschern nicht ausschliesslich für die brasilianische Species gebraucht wurden. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 45 F. CuTiEK, 1822. 1. c. p. 171 (part.). E. Geiffith, 1827. 1. c. p. 378 (pari). Spix und Mäetius, 1831. 1. c. III. p. 1122. P. Gervais, 1836. 1. c. p. 331 (part.). W. Rapp, 1837. 1. c. p. 25 (pari). BoiTARD, 1846. 1. c. p. 215 (part.). Stannius, 1846. 1. c. J. E. Gbay, 1865. 1. c. p 134 (part.). ClTNNINGHAM, 1870. 1. C. C. Vogt, 1883. 1. c. p. 250 (part.). Manatus atlanticus, Oken, 1838. 1. c. p. 1098 (part.). Obgleich ich bereits meiner Untersuchung über den Schädel des M. senegalensis eine Uebersicht über die die Artenfrage des Genus Manatus betreffenden Arbeiten voranschickte, so scheint mir doch die merkwürdige Thatsache, dass eine so wohlcharakterisirte Form wie der M. inunguis bis heute keine Anerkennung als Species ge- funden hat, einen besonderen Rückblick auf die ihn betreffende Lit- teratur zu erfordern. De LA CoNDAMiNE ^) ist wohl der Erste, welcher die specifische Verschiedenheit des im Amazonas lebenden Manatus vermuthete. Er schreibt von ihm : „C'est le meme qu'on nommoit autrefois manati et quon nomme aujourd'hui Lamantin cl Cayenne et dans les iles fran- Qoises d'Am^rique, mais je crois l'espece un peu diiferente." Während die späteren Autoren lange Zeit den Fehler begingen, eine nordamerikanische und den Antillen angehörige Species von einer südamerikanischen zu trennen, fasste also De la Condamine bereits vollkommen richtig den Surinam'schen Manatus und den der fran- zösischen Inseln zusammen, so dass er mithin in Südamerika selbst zwei Arten unterschied. Jener Fehler ist ein Haupthinderniss für die Anerkennung des M. inunguis gewesen, denn Harlan, Wieg- mann, Schlegel, Blainville, Gray waren alle mehr oder weniger in dem Irrthum befangen, dass Südamerika nur von einer Species bewohnt sein könne. Den Anstoss zu dieser falschen Vorstellung hat wahrscheinlich BuFFON gegeben (1. c. 1782), indem er, den Berichten der alten Reisen- den De LA Condamine, Gumilla *), Oviedo ^) und Gomara*) folgend, 1) Voyage dans l'iute'r. de l'Amerique merid. 1778. t. VIII. p. 152. 2) Histoire de l'Orenoque par le P. Gumilla. 3) Hist. Ind. occid. Üb. XIII cap. X. 4) Hist. gener. cap. XXXI. 46 CL. HARTLAUB, einen ,.Grand Lamantin des Antilles" und einen „Petit Lamantin d'Amerique" unterschied. Ersterer sollte ein Küstenthier sein, höch- stens die Mündungen der Ströme bewohnen, letzterer dagegen auch tief im Inneren des Continentes, in den Seen und Oberläufen der grossen Flüsse, vorkommen. Ausserdem sollte letzterer um ^jg kleiner als jener sein und nach einer Angabe Gumilla's nur e i n Junges ge- bären, während der „Lamantin des Antilles" deren zwei zur Welt brächte. Die BuFFON'schen Angaben über den „Petit Lamantin d'Ameri- que", obwohl ihnen ohne Zweifel die wirkliche Existenz einer zweiten Art zu Grunde lag, enthalten doch kaum Etwas, was für diese genau genommen zutreffend wäre; vor Allem erwähnen sie jene Eigenthüm- lichkeit noch nicht, welcher der Manatus des Orinoko und Amazonas seinen Speciesnamen verdankt, nämlich den Mangel der Nägel. Dieser wurde zuerst von Humboldt hervorgehoben in seinen bekannten Auf- zeichnungen „Ueber den Manatus des Orinoko", die dasselbe Schicksal gehabt haben, wie später die NATTERER'schen Schilderungen, nämlich viele Jahre nach ihrer Entstehung veröffentlicht zu werden. Hum- boldt sagt: „Es giebt unter den Manati eine Art, welche sich nur in den Flüssen findet, welche das Innere des neuen Continentes durch- schneiden. Diese, der Manati des Orinoko, scheint durchaus verschie- den von Linne's Trichechus manatus australis pedibus unguiculatis,'"'' Auch führt Humboldt an andrer Stelle (Reise Bd. VI p. 235) eine Aus- sage des Pater Caulin an , welcher ebenfalls den Mangel der Nägel hervorhebt. (Tiene dos brazuelos sin division de dedos y sin unas.) Die werthvüllen Messungen am frisch erlegten Thiere und die inter- essanten Mittheilungen, welche Humboldt über die Anatomie des merkwürdigen Geschöpfes macht, werden im Verein mit den später von Natterer angestellten Untersuchungen die Grundlagen für unsre Kenntniss vom Manatus inunguis bleiben. Ohne Zweifel betreffen ja die HuMBOLDT'schen Beobachtungen nicht den auch im Orinoko lebenden M. latirostris, sondern die von Natterer aufgestellte Art. Nicht nur scheint Humboldt selbst der Ansicht gewesen zu sein, dass sein „Manatus des Orinoko" auch im Amazonas vorkomme, sondern auch Natterer schreibt, ohne die Hum- BOLD'i''schen Aufzeichnungen gekannt zu haben, dass M. inunguis im Orinoko lebe. Eine gewisse Bestätigung dafür scheint auch der Um- stand zu sein, dass ein in Paris befindlicher, vielleicht von Humboldt gesammelter Schädel der eines M. inunguis ist, wie ich dies nach photographischen Abbildungen feststellen konnte, die Herr Dr. E. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 47 OusTALET die Liebenswürdigkeit hatte auf meinen Wunsch anfertigen zu lassen. Bestimmte Kenntniss über den Verbleib eveut, von Hum- boldt heimgebrachten Materials scheint man nicht zu haben. Das im Jahre 1830 von Natterer an den Ufern des Amazonen- stromes geschriebene Manuscript wurde erst 1883 durch A. v. Pelzeln veröffentlicht. Es enthält eingehende Schilderungen von dem Aeussern des frisch harpunirten Thieres, genaue Angaben seiner Maassverhältnisse, sowie interessante anatomische Erörterungen. In kurzen Diagnosen wird M. inunguis dem M. americanus, zu welchem das OwEN'sche, von Jamaica stammende Skelet als Vorbild diente, gegenübergestellt. Natterer er- kannte, dass der Schädel des letzteren nicht mit der von G. Cuvier (1. c. 1809) gegebenen Schädelabbildung des „Lamantin d'Amerique" harmonire, dieser dagegen mit dem Schädel seines M. inunguis über- einstimme. Auf die gleiche, ganz selbständige Beobachtung hin ver- theidigte bekanntlich später (1. c. 1846) die Existenz zweier Arten Stannius, welcher einen von Natterer gesammelten Schädel mit einem solchen von M. latirostris aus Surinam verglich. Auch Harlan stellte (1. c. 1824) ja nur auf die Erkenntniss, dass der von Cuvier abge- bildete Schädel von einer andern Art herrühre als die ist, welche an der Ostküste Floridas lebt, für letztere die Species M. latirostris auf, freilich in dem Glauben, dadurch eine nordamerikanische von einer südamerikanischen Form zu trennen. Ihm schloss sich Wiegmann an, indem er sich im Anhang zu dem HuMBOLDT'schen Aufsatz 1. c. 1838 ebenfalls für die Absonderung der, wie er glaubte, durch die Cuvier- sche Skelet- und Schädelabbildungen repräsentirten südamerikanischen Art aussprach. Die specifische Verschiedenheit des CuviER'schen, aus Brasilien stammenden Skeletes wurde also von verschiedenen, meist von einander unabhängigen Forschern erkannt. — Sehr zu bedauern ist, dass die von Natterer nach Wien gebrachten ausgestopften Exemplare und Schädel durch einen Brand des dortigen Museums im Jahre 1848 zu Grunde gingen. Nur ein bereits erwähnter, nach Rostock gekommener Schädel, welcher von Stannius benutzt wurde und auch zu meinem Materiale gehört, blieb erhalten. Ein eigenthüm- liches Verhängniss hat gewollt, dass die Manuscripte der beiden grossen Forscher, welche die Existenz einer dritten Manatusart auf Grund gewissenhafter, an Ort und Stelle gemachter Studien vertraten, so spät nach ihrer Entstehung zur Veröffentlichung kamen, und dass uns ihre Sammlungen so gut wie nicht erhalten blieben. Die bereits mehrfach genannte CuviER'sche Abbildung eines Ske- letes war nach einem von Geoffroy von Lissabon nach Paris ge- 48 CL. HARTLAUB, brachten, aus Brasilien stammenden Exemplare gemacht worden. Es wurde dasselbe von Cuvier 1. c. 1809 in dem Capitel „Du lamantin d'Amörique", in welchem zugleich ein ausgestopftes Exemplar aus Surinam geschildert wird, beschrieben und später der Schädel mit dem des afrikanischen Manatus verglichen. Dieses Skelet von M. inunguis diente später auch Blainville als Material für seine osteologische Beschreibung des „Jf. australis", zu welcher er ausserdem noch zwei andre, Surinam'sche Skelete benutzte. Trotzdem er im Zweifel war, ob das aus Brasilien stammende Skelet von ein und derselben Species wie die aus Surinam sei, wählte er es doch für die den „J/. australis'''' betreffenden Abbildungen aus. Diese und die CuviER'schen, nach dem gleichen Originale gemachten Illustrationen und ihre Copien sind mit Ausnahme der durch Stannius abgebildeten Bruchstücke von dem Schädel eines neugeborenen Thieres die einzigen geblieben, die wir von dem Schädel und Skelet des M. inunguis besitzen. Zwei für die Begründung der neuen Species sehr wichtige Arbeiten erschienen gleichzeitig im Jahre 1846, leider ohne dass eine von der andern bereits Nutzen hätte ziehen können; es waren die schon er- wähnten STANNius'schen „Beiträge zur Kenntniss der amerikanischen Manatis", und die in Schreber's „Säugethieren" stehende Untersuchung von A. Wagner, welche nach dem von Spix und Martius gesammelten, in München befindhchen Materiale gemacht wurde. Beide Autoren traten lebhaft für die Selbständigkeit der brasilianischen Species ein, Stannius auf Grund der Uebereinstimmung des schon genannten NATTERER'schen Schädels mit der CuviER'schen Abbildung und deren Verschiedenheit von einem mit ihnen verglichenen Surinam 'sehen Exemplare, Wagner auf der bedeutend breiteren Basis von zwei vollständigen Skeleten, einem einzel- nen Schädel, drei ausgestopften Thieren und einem Embryo. Der Stan- Nius'sche Abschnitt „Ueber die verschiedenen Schädelformen der ameri- kanischen Manatis und ihren Werth für die Charakteristik zweier Arten" weist bereits auf viele der vorhandenen Differenzen hin. Von dem Schädel eines aus Para erhaltenen neugeborenen Thieres hebt der Verfasser, ohne ihn specieller zu beschreiben, die Uebereinstimmung mit dem NATTERER'schen Exemplar hervor (1. c. p. 27). Es ist das- selbe, an welchem er oben und unten ein Paar abortiver Schneide- zähne fand, eine Entdeckung, welche Spengel durch Untersuchung einer von Stannius unberührt gelassenen Unterkieferhälfte um weitere drei Paar Incisiven vervollständigte (vergl. unten). Dank der Güte des Herrn Prof. Dr. Alex. Götte befindet sich auch dieser Schädel unter meinem Material. — Die WAGNER'schen Mittheilungen sind vor Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 49 Allem dadurch werthvoll, dass sie die für unsere Species grundlegende Eigenschaft, den gänzlichen Mangel an Nägeln, bestätigen. Eine Ab- bildung eines der ihm zur Verfügung stehenden Schädel gab der Ver- fasser leider nicht. Ich habe dies, da mir Herr Prof. Dr. R. Hertwig dieselben freundlichst anvertraute, nachgeholt. (Fig. 1, 65.) Mehrere Schädel sowie das Skelet und die Haut eines jungen Thieres, von F. de Castelnau in den Jahren 1843—1847 am Ama- zonas gesammelt, befinden sich im Besitz des Musee d'Histoire Natu- relle zu Paris. P. Gervais, welcher 1855 (F. de Castelnau 1. c. p. 114) namentlich dem Skelet des jungen Manatus eine eingehendere Beschreibung widmete, hebt hervor, dass die Schädel übereinstimmend seien mit dem von G. Cuvier und Blainville abgebildeten Exem- plare; doch lässt er im Uebrigen die Artenfrage unberührt. Wagner und Stannius sind die letzten Forscher, die für die Species M. inunguis eingetreten sind. Schlegel wollte bekanntlich (1. c. 1836) alle drei Arten auf eine reduciren, Gray Hess die Frage in Betreff der amerikanischen Arten (1. c. 1857) unentschieden, sprach sich dagegen 1865 für ihre Vereinigung aus. Vrolik und Krauss lassen die Frage unberührt , Brandt (1. c. 1869) dieselbe noch offen. Wenn die brasilianische Species trotz jener Arbeiten nicht aner- kannt wurde, so mag dies nicht zum mindesten daran gelegen haben, dass das NATTERER'sche Manuscript unbekannt geblieben war. Durch die im Jahre 1883 durch A. v. Pelzeln erfolgte Veröffentlichung des- selben ist aber ohne Zweifel das Interesse für die Artenfrage des Genus Manatus von Neuem angeregt, und darf auch ich deshalb hoffen, dass meine Untersuchungen über den Schädel des M. inunguis will- kommen sein werden. Das Material, auf welchem sie beruhen, ist folgendes: Drei Schädel aus dem Zoologischen Museum in Mün eben. Nr. I. ist das längste der drei Exemplare ; von guter Erhaltung ; Nasen- beine und Thränenbeine fehlen; gehört zu einem Skelet. (Fig. 1, 61.) B ITT Nr. IL trägt die Bezeichnung ^^ '; es fehlen ihm die Petro- tympanica, die Nasenbeine und die Thränenbeine. Nr. III. ist etwas kürzer als die beiden andern und an dem Be- sitz des linken Lacrymale kenntlich. Ein Schädel aus dem Senck enberg'schen Museum in Frankfurt a. M. mit q\qy Bezeichnung ,,XIL. A. Manatus americanus Desm. Von Mailand getauscht 1849." Auf einem zweiten Zettel ist als Zoolog;. Jahrb. X. 4 50 CL. HARTLAUB, Heimat Brasilien genannt. Das Exemplar ist gross und schön erhal- ten. Es fehlen die Nasenbeine und das linke Thränenbein. — Wie sich nach der mitgetheilten Etiquette vermuthen Hess, befindet sich in Mailand im dortigen Museo Civico ein Schädel von derselben Art. Bei einem leider nur sehr kurzen Aufenthalte dort hatte ich Gelegenheit, mich von der specifischen Identität zu überzeugen und einige Notizen, die jedoch bedauerlicher Weise verloren gingen, aufzuschreiben. Das Mailänder Exemplar ist nicht so schön wie das Frankfurter. Verschiedene Versuche, dasselbe für mein Material zu gewinnen, oder doch Auskunft über den Sammler desselben zu erhal- ten, blieben leider erfolglos. Der von Nätterer gesammelte Schädel aus dem Zoolo- gischen Institut in Rostock. Es ist dies ein kleineres Exem- plar, besonders werthvoll durch den Besitz beider Nasenbeine und Thränenbeine. Stannius (1. c.) erkannte an ihm die Verschiedenheit der brasilianischen Species. (Fig. 3.) Der Schädel eines neugeborenen Thieres aus Rostock; ebenfalls durch Stannius bekannt Gut erhalten ; die Nasenbeine und Thränenbeine fehlen. (Fig. 2.) Drei photographische Ansichten eines im Musee d'Histoire Natu- relle zu Paris befindlichen, vielleicht von Humboldt herrührenden Schädels. Rechnen wir das von G. Cuvier und Blainville abgebil- dete Skelet mit, so basirt also unsre craniologische Kenntniss von M. inunguis im Ganzen auf zwölf Exemplaren. In Betreft" meines Schädel- materials von M. latirostris siehe S. 6. Das Hinterhaui)tsl)ein ist durch besonders hervortretende Eigen- thümlichkeiten nicht ausgezeichnet. Es gleicht in mancher Beziehung dem des M. latirostris, in andrer aber dem des 31. senegalensis. So gross der Gegensatz ist, in welchem der Schädel des M. inunguis sei- nem allgemeinen Habitus nach zu dem des afrikanischen Manatus steht, so herrscht doch in vielen Einzelheiten zwischen beiden Uebereinstim- mung, und dies gilt auch für das Hinterhauptsbein. Das Supraoccipitale ist mit den Parietalien fest verwachsen. Bereits am Schädel des neugeborenen Thieres ist die Lambda-Naht wenigstens in der Mitte vollkommen verknöchert. An ihren seitlichen Enden dagegen erhalten sich manchmal Reste derselben bis ins Alter, und zwar, wie es scheint, öfter als bei M. latirostris. Die supra- exoccipitale Naht bleibt lange offen; nur an dem Münchener Schädel Nr. I ist sie ganz geschlossen. Die Lambda-Naht verwächst also Irüher als sie, wodurch sich die beiden amerikanischen von der afrikani- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 51 sehen Species unterseheiden. — Die beiden unterhalb der Querleiste gelegenen Erhabenheiten sind im Gegensatz zu M. latirostris fast immer von ansehnlicher Grösse. Die mediale Längsleiste ist bald schwach, bald stark entwickelt. Gegen das Schädeldach setzt sich das Supraoccipitale in einem stumpfen, zwei mal gebrochenen Winkel ab. Erst unterhalb der beiden Erhabenheiten fällt es steil ab. Der nach vorn gebogene, zum Schädeldach gehörende Theil der Schuppe ist meistens grösser als bei 31. latirostris. Auf der Grenze zwischen ihr und den Parietalien liegt eine starke Einsenkung des Schädeldaches. Sie ist tiefer, aber weniger ausgedehnt als bei der afrikanischen Art, während M. latirostris sie überhaupt nicht besitzt. Das Verhältniss der Breite des Supraoccipitale zur grössten Breite des Schädels ist gleich dem bei den andern Arten. Letztere ist aber, wie schon hier bemerkt sein möge, eine relativ bedeutend geringere. Die Breite verhält sich zur Länge des Schädels, nach fünf Maassen im Durchschnitt berechnet, bei M. latirostris wie 64,6: lOO, bei 31. inunguis dagegen wie 56,9: 100. Die Exoccipitalia sind untereiuander meistens fest verwachsen. Bei dem Münchener Schädel Nr. I setzt sich die mittlere Längsleiste des Supraoccipitale in der Richtung der Exoccipitalnaht auf die Seiten- theile des Hinterhauptes bis zum Foramen magnum fort. Die Exocci- pitalia untei'scheiden sich von denen des 31. latirostris dadurch, dass ihre seitlichen Ränder wie bei 31. senegalensis dick und knorrig sich nach hinten etwas umbiegen (vergl. S. 18). Auch ist es richtig, was Stannius zur Unterscheidung von Jf. latirostris hervorhebt, dass nämlich , „der der Schläfenbeinschuppe und dem Felsenbein zugewen- dete Rand schwach halbmondförmig mit nach vorn gerichteter Conca- vität ausgeschweift" ist. — Die Processus jugulares tragen in Vereini- gung mit der an sie stossenden Ecke des Schläfenbeins eine starke Vertiefung für den Ansatz des Zungenbeins. — Das Foramen für den Durchtritt des Nervus hypoglossus ist häufig durch eine Rille ersetzt, die manchmal sehr flach und kaum erkennbar ist; bei M. latirostris ist das Foramen weit öfter entwickelt. — Die Processus condy- loidei divergiren von unten nach oben nur wenig, und im Einklang damit ist die Form des Foramen magnum keine derartig ovale wie bei M. latirostris. Doch gleichen die Gelenkflächen insofern denen dieser Art, als sie, wie es scheint, dem Basioccipitale nur mit sehr geringem Theile angehören (vergl. Jf. seneg. S. 19). Das Basioccipitale hat, in Uebereinstimmung mit dem des M. senegalensis, bei keinem meiner Schädel den abgerundeten Ausschnitt, den der untere Rand des Foramen magnum bei 3£. latirostris so häufig macht. 4* 52 CL. HARTLAÜB, Die Scheitellbeine sind unter sich stets verwachsen; schon au dem Schädel des neugeborenen Thieres ist die Sagittahiaht nur noch stellenweise zu erkennen. Jederseits von ihr bilden die Scheitelbeine eine mehr oder minder deutliche Aufwulstung auf dem Schädeldache. Diese beiden Erhabenheiten kommen gleichfalls, wenn auch in schwäche- rer Weise, bei M. latirostris vor und sind bei unsrer Art durch eine Rille getrennt, welche von der bereits erwähnten, auf der Grenze zwischen Parietalien und Supraoccipitale gelegenen Ein Senkung des Schädel- daches ausgeht (vergl. S. 51). Die beiden hinteren Fortsätze, die sich zwischen Supraoccipitale und Schläfenbein einschieben, bleiben von ersterem oft getrennt. — Der horizontale Theil der Parietalia ist ge- gen die verticale Temporalwand bei älteren Schädeln scharf abgesetzt; nur bei dem ganz jungen und dem NATTEREß'schen Schädel ist der Uebergang ein allmählicher (vergl. Stannius 1. c p. 22.). In die Höhe stehende Temporalleisten kommen nie vor, wohl aber solche, die nach der Seite gerichtet sind, so dass also unter ihnen die temporale Wand des Scheitelbeins eingesunken ist. Stannius erwähnt, dass sich der NATTEEER'sche Schädel durch besondere Breite des unteren Theiles der temporalen Wand auszeichne , doch ist dies nur eine individuelle Eigenschaft. Von grösserer Bedeutung ist die ebenfalls von ihm hervorgehobene Länge der Stirnfortsätze. Wenn dieselben auch nicht, wie manchmal bei M. senegalensis, bis an die Basis der Orbitalfortsätze des Stirnbeins reichen, so sind sie doch entschieden länger als die des M. latirostris. Ausserdem liegen sie mit ihrem vorderen Ende durchaus auf dem Schädeldach, bei jener Art aber auf der temporalen Kante. Dieser Umstand und der Mangel von dicken verticalen Temporalleisten tragen gemeinsam zur Verbreiterung des Schädeldaches bei. Die Breite desselben ist am Vorderende der Parie- talia relativ erheblich grösser als bei den anders Arten. Sie verhält sich zur Breite des Schädels durchschnittlich wie 28,9:100, bei M. latirostris dagegen wie 21,7:100 (vergl. labelle Nr. 12). Ein Blick in die Tabelle zeigt ferner, dass trotz der viel grösseren Schädelbreite der afrikanischen Art doch die Breite ihres Schädeldaches absolut ge- ringer ist als bei M. inunguis. — Der temporale Theil der Kronen- naht macht einen sehr starken Bogen nach hinten, während er l)ei M. latirostris im Einklang ndt der Kürze der Stirnfortsätze einen geraden, fast senkrechten Verlauf zu haben pflegt ; auch dies wurde bereits von Stannius bemerkt. Die Stirnbeine gleichen in der Länge der Sutura frontalis, die bei M. senegalensis ein relativ bedeutendere ist (S. 21), ungefähr denen Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 53 des 31. latirostris. Ihr horizontaler, das Schädeldach bildende Theil ist, wie schon aus dem oben Gesagten ersichtlich war, sehr breit. Er verbreitert sich bei älteren Schädeln nicht imbeträchtlich über die Spitzen der Stirnfortsätze der Parietalia hinaus. Seine meist glatte Fläche ist manchmal schwach gewölbt und niemals eingesunken oder von Temporalleisten begrenzt. — Der vordere, bei M. latirostris so breite Stirnrand zwischen den Wurzeln der Orbitalfortsätze ist schmal, manchmal nach hinten ausgeschnitten, aber wie bei jener Art scharf und zackig. Einzeln, so bei dem Münchener Schädel Nr. II, ist ein starker Processus nasalis vorhanden; auch scheint eine kräftige Zacke auf jeder Seite des vorderen Stirnrandes ziemlich oft vorzu- kommen. Gelegentlich ist die Breite desselben so gering, dass man, genau genommen, nur von einem spitzen vorderen Stirnwinkel sprechen kann, so z. B. bei dem Münchener Schädel Nr. III und dem Frank- furter Exemplare. Die Orbitalfortsätze sind schwach gewölbte , breite Tafeln und entspringen vom Stirnbein mit breiter Wurzel. Ihre hinteren Kanten sind lang und weichen stark auseinander ; die vorderen Kanten sind zuweilen nach hinten ausgeschweift und meist mit Rauhigkeiten versehen. Sie trennen bekanntlich die obere horizontale Fläche von einer mehr verticalen, der Nasenhöhle zugewandten, sind aber nicht immer scharf ausgeprägt; denn der Uebergang zwischen beiden Flächen ist manchmal ein sehr allmählicher. Die Lage der Nasenhöhlenfläche ist eine freie und sehr schräge. Der Umstand, dass sie niemals von dem hinteren Ende des Zwischenkiefers bedeckt wird, zeichnet den Orbi- talfortsatz des 31. inunguis aus. Ferner ist zu beachten, dass bei unserer Art die vorderen Kanten des Fortsatzes niemals die directe Fortsetzung der Temporalkanten des Stirnbeins bilden, wie sie es bei M. latirostris sehr häufig thun, sondern vielmehr, ähnlich wie bei 31. senegalensis (S. 21) , ihren Ursprung mehr von der Mitte des vordem Schädel- dachrandes nehmen. Im Zusammenhange damit ist auch das für die afrikanische Species so charakteristische kleine, vorn auf dem Schädel- dach gelegene Dreieck zuweilen angedeutet (Fig. 10). — Die hintere Kante des Orbitalfortsatzes besitzt an dem Münchener Schädel Nr. II nahe ihrem Ursprünge vom Schädeldache eine stark in die Schläfen- höhle vorspringende Zacke, die öfter entwickelt zu sein scheint, inso- fern sie auch der für mich photographisch abgebildete Pariser Schädel, sowie das von Cuvier und Blainville dargestellte Exemplar besitzt und von ersterem Autor als „apophyse postorbitaire" beschrieben wurde. Entsprechend der Länge und starken Divergenz der hinteren 5^ CL. HÄKTLAUB, Kante ist der hintere, äussere Abschnitt der Fortsätze von ansehnlicher Grösse, und die Divergenz der oberen Orbitalbogen nach hinten sehr beträchtlich. - Der Orbitalfortsatz des 31. inunguis besitzt also eine Anzahl Eigenthümlichkeiten, die ihn von dem des M. latirostris scharf unterscheiden. Der tafelartige Habitus, die grosse Breite an seinem Ursprünge sind Eigenschaften, die an Halitherium und M. senegalensis erinnern, dagegen dem Orbitalfortsatze jener Art völlig abgehen. Die temporale Wand des Stirnbeins senkt sich gleich unterhalb der Temporalkante ein, so dass diese manchmal eine schwache, aber durchaus nach der Seite gerichtete Leiste bildet. Die Wand ist vollkommen glatt und ohne Andeutung jener scharfen Intratemporal- leiste, die bei M. senegalensis einen unteren tiefer liegenden von einem oberen Theile derselben trennt. Bei M. latirostris findet man diese Leiste einzeln, wenn auch schwächer entwickelt (vergl. S. 23). Die Verw^achsung der verschiedenen das Stirnbein begren- zenden Nähte scheint sehr langsam zu erfolgen. Ja ich habe sogar die gleiche Bemerkung wie Krauss gemacht, dass nämlich die Sutura frontahs älterer Schädel häufig stärker klafft als die jüngerer Exem- plare. — Der Frankfurter Schädel besitzt auf dem rechten Frontale ein 3,5 cm langes schmales Zwickelbein, welches mit seinem hinteren Ende in dem Winkel liegt, welchen die Frontalnaht mit der Coronal- naht bildet. Der Verlauf der Temporalkanten ist schwach geschwungen, und die Einschnürung des parietalen Theiles des Schädeldaches rela- tiv nicht bedeutend. Die grösste Breite des Schädeldaches liegt gewöhn- lich dicht hinter den Spitzen der vorderen Scheitelbeinfortsätze. Von hier ab pflegen die Temporalkanten nach vorn schwach zu convergiren oder parallel zu laufen. Doch kommt einzeln auch Divergenz der Tempo- ralkanten bis an die hintere Kante der Orbitalfortsäze des Stirnbeins, vor, in welche sie sich manchmal direct fortsetzen. — Die Ausbildung des Schädeldaches, von w^elcher der individuelle Charakter des einzelnen Schädels in hohem Maasse abhängt, variirt also auch bei 31. inunguis, wenn auch bei weitem nicht so sehr wie bei den andern Arten. Die wesentlichste Verschiedenheit von dem Schädel- dache dieser ist der constante Mangel vertical stehender Temporralleisten. Die Nasenbeine siehe unten. Die Schläfenbeine reichen mit ihrer obersten Spitze wie bei 31. latirostris bis an die Temporalkantc (s. S. 25). Sie geben durch die ganz abweichende Form ihres Jochfortsatzes eines der besten Mittel zur Erkennung der Art. Während nämlich dieser bei M. lati- Beiträge zur Kenntniss der Manatus- Arten. 55 rostris und senegalensis einen mächtigen, dick aufgetriebenen Knochen darstellt, hat er bei M. inunguis die Gestalt einer relativ dünnen, mit ihrer oberen Kante schräg nach innen gerichteten Platte. Diese ihre geringe Dicke wurde bereits von G. Cuvier (1809 1. c. p. 295) im Vergleich mit einem Schädel von M. senegalensis hervorgehoben; sie ist wiederum eine Eigenschaft, die M. inunguis mit Halitherium ge- mein hat. Auch die übrige Form erinnert an diese Gattung und mehr noch an Rhytina indem der Fortsatz sich nach vorn zu an Höhe sehr verjüngt. Sein oberer Rand macht hinten einen kräftigen Bogen, zuweilen bis zur Höhe der Temporalkanten, wie dies schon von Nat- terer zum Unterschiede von M. latirostris angeführt wird. Er schreibt von 31. inunguis (1. c. p. 90) : „Der obere Rand des breiten Theiles des Jochbeins ist gleich hoch mit der Schädelfläche oder kaum ein Paar Linien tiefer, dagegen bei M. latirostris tief unter der Linie des Schä- dels"^). Auch G. CuviER weist auf die geringere Höhe des Processus zygomaticus der afrikanischen Species hin. — Eine weitere Eigenthüm- lichkeit unsrer Art ist, dass das Vorderende des Fortsatzes auf der äusse- ren Fläche immer tiefe Einkerbungen besitzt. Dieselben finden sich bei M. latirostris nie und bei M. senegalensis nur einzeln und dann schwächer und weniger zahlreich. — Die Aussenfläche des Fortsatzes besitzt gewöhnlich auf ihrer Mitte eine Einsenkung. Das Jochbein ist in gewisser Beziehung ebenfalls dem der Bhy- tina ähnlich. Das Mittelstück desselben nämlich läuft mit seinem unteren Rande fast immer in eine nach hinten und unten gerichtete Spitze aus und geht darin entschieden weiter als der gleiche Knochen- theil des M. latirostris, dessen Neigung zu demselben Verhalten bei Besprechung der afrikanischen Manatusschädel erwähnt wurde (S. 26). Brandt schreibt (1869 1. c. p. 164): „Partis cerebralis et mandi- bulae figura generali M. senegalensis, partis rostralis longitudine et quodammodo etiam figura ossisque zygomatici angulo infe- riore acuto M. australis Rhytinae propior apparet". Aus- nahmen kommen jedoch bei M. inunguis vor, indem z. B. am Frank- furter Schädel das Mittelstück des Jochbeins unten ähnlich verbreitert ist wie bei M. senegalensis (Fig. 53). Der hintere Fortsatz zeigt niemals die bei M. latirostris gewöhnlich vorhandene Rille auf der äusseren Fläche, sondern diese ist vielmehr auifallend glatt. 1) Ohne Zweifel verstand Natteefe unter „dem breiten Theil des Jochbeins" den Processus zygomaticus des Schläfenbeins. 56 CL. HARTLAUB, Die grösste Annäherung au den hinteren Winkel des Orbitalfort- satzes des Stirubeins besitzt bei ansehnlich entwickeltem Processus postorbitalis der Rostocker Schädel, an welchem die Orbita nach hinten bis auf G mm geschlossen ist. Die Neigung zum hinteren Abschluss derselben ist aber jedenfalls viel bedeutender als bei M. latirostris. — Die Orbita ist in der Regel rundlich. Der orbitale, auf dem Ober- kiefer ruhende Fortsatz ist meist von ziemlich geringer Breite. Er steigt mit seinem vorderen Ende nicht sehr hoch hinauf, und es bleibt deshalb zwischen ihm und dem vorderen Ende des Orbitalfortsatzes des Stirnbeins ein ansehnlicher Zwischenraum. Seine orbitale Fläche ist sehr schräg von innen und oben nach unten und aussen geneigt. Der Oberkiefer bietet, abgesehen von seiner geringen Breite, die ihm ein sehr gestrecktes Ansehen verleiht , aber in dem gewöhnlichen Verhältniss zur grössten Schädelbreite steht, nur wenig specifische Eigenschaften. — Betrachtet man seine Gaumen fläche, so fällt auf, dass ihre Einschnürung vor den Zahnreihen eine besonders starke ist. — An den Jochfortsätzen bemerkt man eine erhebliche Ver- schmälerung nach vorn ; die vorderen 0 r b i t a 1 b o g e n , welche das Forameu infraorbitale überbrücken, springen nach aussen dadurch weniger vor als bei M. latirostris; dagegen ist die Convergenz der unteren Orbitalränder nach vorn eine grössere, wie dies ähnlich von 31. senegalensis erwähnt wurde. — Das Foramen infraorbitale ist immer einfach, während es bei M. latirostris sehr häufig in ein grösseres unteres und kleineres oberes getrennt ist. — Der vordere Orbitalbogen ist oberhalb desselben stets mit dem übrigen Ober- kiefer fest verwachsen, und dies sogar bei dem kleinen Schädel des neugeborenen Thieres. Von M. senegalensis und latirostris zeigten wir dagegen, dass er bei ihnen über dem Foramen sehr oft ein freies Ende besitzt, welches durch eine Naht mit dem übrigen Oberkiefer verbunden ist, die sich einzeln bis ins höchste Alter offen erhält (S. 28, Fig. 19). — Die Thränenbeine und ihre Lage auf dem vor- deren Orbitalbogen werde ich in einem besonderen Abschnitte über die Lacrymalia der Manaten beschreiben (s. unten). Der Boden der Nasenhöhle besitzt die für M. senegalensis so charakteristischen kleinen Adventivleisten (Fig. 11) nicht und gleicht darin dem des M. latirostris. Sehr interessant ist die Tliatsache, dass der Stirnfortsatz, dessen distales Ende gewöhnlich mit dem Frontale verbunden ist, bei dem NATTEKER'schen Schädel, welcher Nasenbeine besitzt, sich mit diesen durch eine Naht vereinigt (siehe unten und Figur 10). Beiträge zur Kenutuiss der Manatus-Arten. 57 Das Grebiss ist durch mehrere die Form und Grösse der Mo- laren hetrefleude Eigen thümUchkeiten ausgezeichnet (s. unten). Die Zwischenkiefer sind in verschiedener Beziehung bemerkens- werth. Zunächst zeigt ihr vorderes Ende auf der Gaumenfläche eine Eigenschaft, die bei keiner der andern Arten vorkommt, nämlich eine Ueberbrückung des Foramen incisivum an dessen vorderem Theile (Fig. 14). Zwei horizontal liegende Lamellen, die von den Rän- dern des Foramens entspringen und sich in der Mittellinie mehr oder minder vollständig vereinigen, schliessen hier einen ziemlich weiten Canal ab, dessen Länge je nach der sagittalen Ausdehnung der La- mellen wechselt. Bei dem Frankfurter Schädel beträgt sie in der Mittellinie 7, bei dem Münchener Schädel Nr. II sogar 14 mm. Bei den übrigen Exemplaren ist der Canal nach oben weniger geschlossen, am wenigsten bei den Rostocker Schädeln ; der des neugeborenen Thieres besitzt die Lamellen nicht einmal angedeutet, und es ist daher wohl anzunehmen, dass sie erst im späteren Alter zur Verknöcherung gelangen. — Die Form des Foramen incisivum kann man mit Stannius conisch nennen. Es greift in die Gaumenfläche des Oberkiefers mit seiner hinteren Spitze sehr verschieden weit ein (vergl. S. 29). — Die vordere und obere dreieckige Fläche der vereinigten Prae- maxillen ist schmal und meist ziemlich glatt. An ihrem hinteren Ende pflegt jederseits vor dem Winkel, welchen die Nasenfortsätze bilden, ein kleiner Höcker entwickelt zu sein. Der Winkel der Nasen fortsätze ist noch spitzer als bei M. latirostris. Bekannt- lich (vergl. S. 31) wies zuerst Wiegmann darauf hin, dass die grössere Abrundung dieses Winkels die afrikanische Art von den beiden andern unterscheide. Die Nasenfortsätze zeichnen sich dadurch aus, dass ihr hinteres Ende , welches den Orbitalfortsatz des Stirnbeins berührt, stark verbreitert ist und häufig ein durch Naht von ihm getrenntes Endstück besitzt. Durch diese ansehnliche Verbreiterung erinnern sie an M. senegalensis, unterscheiden sich aber von den gleichen Fort- sätzen dieser Art dadurch, dass sie sich niemals der Innenfläche der Orbitalfortsätze des Stirnbeins anschmiegen (siehe Figur 10). Beide Theile berühren sich eigentlich nur mit ihren Kanten, und dies nicht ein- mal immer (vergl. oben S. 53). In letzterem Verhalten gleichen die Zwischenkiefer unsrer Art mehr denen des 31. latirostris, welchen da- gegen eine grössere Verbreiterung des hinteren Endes in der Regel fehlt. Die NasenliöMe des M. inunguis macht gegenüber der des 31. latirostris oder gar des 3f. senegalensis den Eindruck ungemein langer 58 GL. HARTLAUB, Streckung. Dies liegt an der den ganzen Schädel betreffenden gerin- gern Breite und daran, dass sie an Länge die Nasenhöhle der beiden andern Arten nicht unbedeutend übertrifft. Ganz instructiv ist die folgende Zusammenstellung, in welcher die Länge der Nasenhöhle vom vorderen Stirnrande bis zur Symphyse der Zwischenkiefer gemessen ist und die Breite derselben gleich dem grössten Abstand der Hinter- enden der Zwischenkiefer gesetzt ist. Durchschnittlich verhält sich: Die Breite der Nasenhöhle zur Breite des Schädels bei: M. latirostris = 37,2 : 100, M. inunguis == 37,3 : 100, M. senegalensis = 41,3 : 100. Die Länge der Nasenhöhle zur Länge des Schädels bei: M. senegalensis = 36,6 : 100, M. latirostris == 38,3 : 100, M. inunguis = 42 : 100. Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dass sich die relative Breite der Nasenhöhlen bei den amerikanischen Arten fast gleicht, die Länge dagegen differirt und bei M. inunguis viel bedeutender ist. G. CuviER, welcher den Schädel unsrer Species mit dem der afri- kanischen Art vergleicht, schreibt : „La fosse nazale est trois fois plus longue que large dans le lamantin d'Amerique. Sa largueur fait les trois-quarts de sa longueur dans celui du Sön^gal". Leider wird da- bei nicht mitgetheilt, wie die Breite der Nasenhöhle gemessen wurde. Setzte CuviER sie wie Krauss gleich dem Abstände der hinteren Zwischenkieferenden, so übertrifft allerdings bei 31. inunguis die Länge durchschnittlich sogar mehr als drei Mal die Breite ; dann würde aber das von 31. senegalensis angegebene Verhältniss dem durchschnittlichen Befunde keineswegs entsprechen, indem die Breite bei keine m meiner Schädel | der Länge, sondern höchstens die Hälfte derselben ausmacht. Setzte CuviER dagegen, wie ich, die Breite der Nasenhöhle gleich dem Abstände der äussersten Punkte der Praemaxillarenden , so trifft um- gekehrt seine Behauptung für 31. senegalensis zu, dagegen für 31. in- unguis nicht, bei welchem sich die Breite zur Länge nach dieser Messung durchschnittlich nicht wie 1 : 3, sondern wie 1 : 2 verhält. — Im Allgemeinen halten die Dimensionen der Nasenhöhle bei 31. lati- rostris zwischen denen bei den andern Arten die Mitte. Die Craiimeiil)ciiie zeigen ein wiederum etwas an Halitherium erinnei-ndes Verhalten, nämlich eine hervorragende Länge ihres in die Gaumenfläche des Oberkiefers V-förmig eingekeilten, sogenannten hori- zontalen Theiles. Die vordere Spitze desselben liegt bei dem Nat- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Ärten. 59 TERER'sclien Schädel, der dies besonders auffallend zeigt, in einer Linie mit den hinteren Rändern der Processus zygoraatici des Ober- kiefers und reicht fast bis zur Mitte des vierten Zahnes. (Von hinten gezählt und die ausgebildete Krone des ersten Zahnkeims mitgerechnet). Die Sutura palatina hat bei ihm eine Länge von 18 mm, bei einem andern grösseren Exemplare eine solche von 26 mm. Nach Lepsius (1. c.) soll sich auch M. latirostris durch grössere Länge des horizon- talen Theiles gegenüber M. senegalensis auszeichnen. Doch glaube ich nicht, dass dies als Regel gilt (vergl. S. 32). — Als Merkwür- digkeit sei noch erwähnt, dass am NATTERER''schen Schädel der Pro- cessus pterygoideus des Gaumenbeins durch eine offene Naht getrennt und frei beweglich ist. Das Keilbein bildet auf der Grenze seiner Vereinigung mit dem Basioccipitale in Gemeinschaft mit diesem eine sich von den Seiten zuschärfende, rauhe Verdickung, deren Firste besonders bei älteren Exemplaren die Form einer kurzen Längsleiste hat. Die Einfach- heit dieser Erhebung ist bemerkenswerth ; denn bei M. senegalensis und latirostris pflegen an dieser Stelle zwei Erhabenheiten zu liegen. — Die geringe Höhe der Processus pterygoidei, welche Stannius von dem NATTERER'schen Schädel hervorhebt, ist nur eine individuelle Ab- weichung dieses Exemplars. Das Pfliigscliarbein unterscheidet sich von dem des M. latirostris dadurch, dass es bei keinem Schädel das Foramen incisivum berührt. Die tiefe Rinne, welche es im hinteren Theil der Nasenhöhle bildet, flacht sich bereits in der Orbitalgegend vollkommen ab, und das vor- dere, dünne, sich zuspitzende Ende überragt diese nach vorn nur wenig. Die Entfernung zwischen seiner Spitze und dem Foramen be- trägt bei älteren Exemplaren circa 37 mm, bei dem Schädel des neu- geborenen Thieres 11 mm. Die Kürze des Vomers theilt M. inunguis mit M. senegalensis. Das Sielt)l)ein ist seiner Lage und vermuthlich auch seiner Form nach kaum geeignet, dem Systematiker Anhaltspunkte zur Erkennung der Species zu geben. Seine vorn sehr dünnen vorderen Muscheln ragen unter dem Stirnrande mit scharfen Spitzen und Zacken hervor und legen sich mit ihrem oberen sehr scharfen Rande bei dem NAT- TERER'schen Schädel an die Nasenbeine an, ähnlich wie dies auch bei M. senegalensis der Fall ist (s. unten , Nasalia) , wenn diese fehlen, an das Stirnbein. Der Unterltiefer gleicht mehr dem der afrikanischen als dem der surinam'schen Art, obwohl er einige Eigenschaften mit letzterem 60 CL. HARTLAUB, gemeinsam hat, wie z. B. die Form der Gelenkflächen und des Pro- cessus coronoideus '). Die A rticulationsflächen haben bei den amerikanischen Arten eine grössere transversale Breite und geringere Länge als bei M. senegalensis. Der Processus coronoideus entspringt mit auffallend breiter Basis und verbreitert sich stark beilförmig unter constanter Bil- dung eines hinteren Hakens. Letzterer ist bei unsrer Art entschieden grösser als bei 31. latirostris, wo er auch keineswegs regelmässig ent- wickelt ist. M. senegalensis hat bekanntlich einen Coronoidprocess , der sehr gestreckt ist und jener beilförmigen Verbreiterung ganz ent- behrt (vergl. S. 36, Fig. 27, 29). Ferner ist für unsre Species bemer- kenswerth, dass dieser Fortsatz ohne Ausnahme den Gelenkkopf des Unterkiefers bedeutend überragt. Der horizontale Theil des Unterkiefers ist bei weitem nicht so stark ausgebuchtet wie bei M. latirostris, jedoch macht sein unterer Rand einen, wenn auch sehr gestreckten, so doch continuirlichen Bogen, während bei M. senegalensis dieser Bogen durch ein gerades, horizontal verlaufendes Mittelstück unterbrochen wird. — Die hintere untere Ecke des Unterkiefers ist sehr verbreitert. Die Symphysenplatte ist massig nach vorn geneigt, relativ ziemlich flach und behält, wie es scheint, sehr lange die Alveolarspuren der Incisiven. Unter ihrem hinteren Rande befindet sich eine meist tiefe Grube (Fossa mentalis interior), welche wir bereits von M. sene- galensis kennen (S. 37), die dagegen dem M. latirostris nicht zukommt. — Vorn endigt die Platte manchmal mit einem ziemlich stark vor- springenden zugespitzten oder zugeschärften Zapfen. Spuren davon sind fast an jedem Unterkiefer vorhanden, während der Münchener Schädel Nr. III und das Frankfurter Exemplar (Fig. 15) ihn besonders ■ schön entwickelt zeigen. Nach Krauss (1858 1. c. p. 411) soll er auch bei M. latirostris einzeln vorkommen. Das Vorderende der Mandibeln gleicht insofern dem des afri- kanischen Manati, als es nicht wie bei M. latirostris mit einer Spitze schliesst, sondern abgesehen von jenem Zapfen abgestumpft ist. Wäh- rend bei M. latirostris nämlich durch starke Neigung der Symphysen- platte oder grosse Steigung der unteren Symphysenkante sich beide 1) „Mandibulae fij^ura, „quod mirura" Ma/iatiis sene-galensis , Africae incola, propius ad Mdiialinn (iiislralem accudit quam Maiiatus latirostris.'' JJUANDT 186Ü 1. c. p. 164. Beiträge zur Keiintntss der Manatus- Arten. Q\ Theile vorn immer in einem Punkte treffen, ist bei M. inunguis die Steigung der unteren Symphysenkante so gering und die Neigung der Platte so schwacli, dass zwischen das Vorderende beider eine Fläclie tritt (vergl. M. seneg. S. 37). Eine Ausnahme macht nur der Schädel des neugeborenen Thieres, der sowohl dadurch als durch stär- kere Einbuchtung des horizontalen Astes sehr von dem allgemeinen Typus abweicht und dem Unterkiefer des 31. latirosfris gleicht. Die untere Symphysen fläche ist im Gegensatz zu der des M. laürostris sehr breit und zwar bis an ihr vorderes Ende; doch gleicht sie dei' jener Art dadurch, dass die Symphysennaht stets deut- lich vorhanden ist (Fig. 15), wenn auch selten so rillenartig vertieft wie dort. Durch die gänzliche Verwachsung derselben steht M. senegalensis allein da. — Die Kinnecke ist vermöge der geringen Ausbuchtung der horizontalen Aeste des Unterkiefers gegen diese nur sehr wenig abge- setzt. Gewöhnlich trägt sie zwei durch die Symphysenrille getrennte schwache Tuberositäten. Fassen wir die Charaktere des Unterkiefers noch einmal zusam- men, so würde sich ergeben, dass er durch die Form der Gelenk- flächen und Coronoidprocesse sowie den constanten Besitz der Sym- physenrille dem des M. laürostris näher steht, dagegen durch die ge- ringe Ausbuchtung seines horizontalen Astes, durch die Abstumpfung seines Vorderendes, durch den Besitz einer tiefen Fossa mentalis in- ferior dem des M. senegalensis gleicht. Als eine Eigenschaft aber, die ihn vielleicht von dem der beiden andern Species unterscheidet, dürfte es aufzufassen sein, dass der Coronoidprocess sehr breit ist, stets einen starken hinteren Haken besitzt und den Gelenkkopf regelmässig zu überragen scheint. Als wesentlichste Eigenthümlichkeiten des übrigen Schädels wieder- holen wir nochmals die ihn gieichmässig betreifende geringe Breite, die grössere Länge seiner Nasenhöhle, den Mangel von vertical stehen- den Temporalleisten, die Höhe, geringe Dicke und vordere Einkerbung des Processus zygomaticus des Schläfenbeins, die Existenz eines mehr oder minder abgeschlossenen Canalis incisivus , die grössere Länge der Pars horizontalis des Gaumenbeins und schliesslich einen alle Theile berührenden feineren Knochenbau. Dazu kommt noch die ab- weichende Gr()sse und Form seiner Molaren (S. unten). Die schmale, gestreckte Form des ganzen Schädels steht im geraden Gegensatz zum Habitus des afrikanischen Schädels. Aber obwohl die beiden Arten in dieser Beziehung Extreme bilden, besitzen sie doch, wie wir sahen, eine ansehnliche Reihe einzelner Eigenschaften gemeinsam, 62 CL. HARTLAUB, durch welche sie sich von dem Schädel des M. latirostris unter- scheiden. Es sind, abgesehen vom Unterkiefer, ein rundliches Foramen magnum, ein gerader unterer Rand desselben, lange Stirnfortsätze der Parietalia , breite Processus orbitales des Stirn- beins , ein schmaler vorderer Stirnrand , eine mehr rundliche ürbita, ein stets einfaches Foraraen infraorbitale , die K ü r z e des Vomers, die Form der Nasenbeine, die starke Verbreiterung der hinteren Praemaxillarenden. Der Schädel des M. latirostris nimmt, wie wir bemerkten , eine Mittelstellung ein zwischen denen der beiden andern Arten. Es be- zieht sich dies nicht auf seine Gesammtbreite , welche keineswegs hinter der bei M. senegalensis zurücksteht, sondern vorwiegend nur auf eine einzige, aber für den allgemeinen Charakter des Manatus- schädels sehr entscheidende Eigenschaft, — die Form der Nasenhöhle. Diese ist bei M. latirostris gestreckter als bei der afrikanischen Art, dagegen breiter als bei M. inunguis. Im Uebrigen könnte man fast sagen, dass der Schädel des M. latirostris einen Gegensatz zu dem der beiden andern Species bilde, denn die Punkte, in welchen er mit dem des M. senegalensis übereinstimmt, sind nicht so zahlreich wie die, welche letztere Art mit M. inunguis verbinden. Von den gemein- samen Eigenschaften, welche die amerikanischen Arten vor der afri- kanischen auszeichnen, hebe ich hervor die grössere Glätte der Temporalwände der Stirn- und Scheitelbeine, die Form des Jochbeins, das Fehlen der dem M. senegalensis eigenen Adventivleisten auf dem Boden der Nasenhöhle (Fig. 11), den spitzeren Winkel der Nasenfort- sätze der Zwischenkiefer und die vom Unterkiefer schon genannten gemeinsamen Eigenthümlichkeiteu. Auch tritt hinzu, dass der erste Molar sich bei beiden Arten durch seine Form nicht von den übrigen Backenzähnen unterscheidet, während er bei M. inunguis einfach conisch ist (S. unten). Endlich möchte ich nochmals die gelegentlich bereits erwähnten Eigenschaften zusammenfassen, durch welche der Schädel des M. inun- guis mehr als der der beiden andern Arten an den Schädel des Hali- therium erinnert. Es sind dies vor Allem die Form des Processus zygomaticus des Schläfenbeins, sodann die Verbindung des Nasenbeins mit dem Oberkiefer (s. S. 56 und unten), die Breite der Basis der Orbi- talfortsätze des Stirnbeins, die Form des Jochbeins und die grössere Länge des Gaumenbeins. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. Der Schädel eines neugeborenen Matiatus iminguis N^TT. Der kleine Schädel, dem ich eiue kurze Betrachtung widmen möchte, stammt aus Para in Brasilien. Er ist bekannt durch die STANNius'schen „Beiträge zur Kenntniss der amerikanischen Manatis", in welchen der Autor die abortiven Schneidezähne desselben, soweit er sie entdeckte, beschrieb. Stannius, welcher auf Grund des Nat- TERER'schen Schädels die Existenz einer zweiten südamerikanischen Art vertheidigte , erkannte die Zugehörigkeit unseres kleinen Exem- plars zu dieser und hob die Uebereinstimmung desselben mit jenem hervor. Doch unterliess er es, denselben in toto abzubilden oder eine etwas eingehendere Schilderung von ihm zu entwerfen. Ich fühle mich aber umsomehr veranlasst, dieses nachzuholen, als sich daran eine Vergleichung mit dem Berliner Schädel des neugeborenen M. senegalensis und dem embryonalen Exemplare von M. latirostris knüp- fen lässt, welches durch Vrolik ') und Muhie ''^) abgebildet wurde (vergl. Fig. 2, 5, 7). Die Länge des Schädels beträgt 16,2 cm und seine Breite 11,1 cm. Er ist 1 cm kürzer, aber 2 cm schmäler als das kleine afri- kanische Exemplar, so dass also die hervorragendste Eigenthümlichkeit des Schädels von M. inunguis, nämlich seine geringere Breite, bereits in frühester Jugend hervortritt. — Auch die übrigen Charakterzüge des brasilianischen Schädels sind mit wenigen Ausnahmen schon klar entwickelt und die specifische Zugehörigkeit unseres Objectes dadurch über allen Zweifel erhaben. Als Beleg brauche ich nur folgende Eigenschaften zu nennen: ein rundliches Foramen magnum, eine starke Einsenkung des Schädeldaches auf der Grenze zwischen Supraoccipi- tale und den Scheitelbeinen, ein breites vorderes Schädeldach, ein schmaler vorderer Stirnrand, breite Orbitalfortsätze der Frontalia, deren vordere Nasenhöhlenfläche von den Praemaxillen nicht bedeckt wird, eine lange schmale Nasenhöhle, sehr dünne, kleine, vorn einge- kerbte Jochfortsätze des Schläfenbeins, ein unten spitzwinkliges Jugale, ein kurzer Vomer, ein stark beilförmiger Processus coronoideus und eine tiefe Fossa mentalis interior des Unterkiefers, sowie endlich die geringe Grösse der Molaren. 1) 1851 I. c. Taf. IV. Fig. 13. 2) 1872 1. c. PI. 22. Fig. 16, 17. 64 CL. HARTLAUB, Es ist sehr beachtenswerth , wie früh der specifische Habitus des Maaati- Schädels ausgeprägt ist. Selbst das embryonale VROLiK'sche Exemplar (Fig. 5) würde doch vermöge seines breiten vorderen Stirn- raudes, seiner nach vorn gerichteten Orbitalprocesse des Frontale und ihrer eines kräftigen angulus postorbitalis entbehrenden Form , sowie seiner kurzen vorderen Scheitelbeinfortsätze wegen nicht den geringsten Zweifel darüber zulassen , dass es der Species „Jf. latirostris'-'- ange- hört, und in gleicher Weise ist der Schädel (Fig. 7) durch die Breite seiner Nasenhöhle und starke Divergenz der Orbitalfortsätze des Stirnbeins scharf als der eines M. senegalensis gekennzeichnet. Dass unserm kleinen Exemplare die von dem jungen M. sene- galensis beschriebenen, wesentlich jugendlichen Charaktere nicht fehlen, braucht kaum erwähnt zu werden. Ein hochgewölbtes breites Schädel- dach und damit relativ niedrige Stellung der Jochfortsätze des Schläfen- beins, eine verhältnissmässig sehr weite Schädelhöhle, der Besitz abor- tiver Incisiven, zeichnen einen jeden jungen Manatusschädel aus. Trotz der geringeren Grösse unseres Schädels sind seine Nähte bereits stärker geschlossen als beim afrikanischen. Vor Allem fehlt die Stirnfontanelle, welche jener besitzt. Die Parietalia sind auf dem Schädeldache vollkommen knöchern, und nur an ihrem temporalen Rande ist die Ossification noch etwas unvollständig, so dass die Su- tura temporalis, besonders die der linken Seite, eine grössere Lücke enthält. — Die Spur der Pfeilnaht ist nur in ihrem vorderen Drittel noch zu erkennen, die der Lambdanaht nur an ihren seitlichen Enden. Die später so weit klaffende Frontalsutur ist ausserordentlich fein und ungezähnt. Die Nähte des Hinterhauptsbeines klaffen mit Ausnahme der eben erwähnten Lambdanaht sämmtlich. Namentlich sind die Exoccipitalia über dem Foramen magnum noch durch einen 3,5 mm breiten Zwischenraum geschieden (bei dem -afrikanischen Exemplar misst derselbe sogar 6 mm). — Die Flügelfortsätze des Keilbeins sind von denen des Gaumenbeins vollkommen getrennt, ebenso das Basi- sphenoid vom Praesphenoid. Nasenbeine und Thränenbeine besitzt der junge Schädel nicht, und eine Entscheidung darüber, ob sie vielleicht nach der Praeparation verloren gingen, ist mit Bestimmtheit nicht abzugeben. Die zur Auf- nahme des Lacrymale bestimmte Rille auf dem vorderen Orbitalbogen ist vorhanden. Für die Nasalia wäre dies nicht unwahrscheinlich, denn auffallender Weise hat der Stirnfortsatz des Oberkiefers, welcher bei dem NATTKRKR'schen Schädel mit dem Nasenbein durch eine Naht verbunden ist (Figur 10), ein freies Ende, welches den Ein- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. g5 druck einer Nahtfläche macht. Bei allen andern Schädeln ohne Nasen- beine verbindet sich dieses Ende durch eine Sutur mit dem Stirnbein. — Durchaus abweichend von dem gewöhnlichen Verhalten ist das Vorderende des Unterkiefers beschaffen: es gleicht, abgesehen von einer tiefen Fossa mentalis interior, ganz dem bei M. latirostris (siehe S. 61). Das Gebiss zeigt im Ober- und Unterkiefer drei Paar im Gebrauch befindlicher Molaren, von denen je das vorderste durch eine vereinfachte I'orm ausgezeichnet ist (siehe unten). Besonders charakteristisch für 31. inunguis ist die einfach conische Gestalt des ersten Backenzah- nes im Unterkiefer. (Der Schädel des neugeborenen M. senegalensis besitzt erst zwei Paar Molaren im Gebrauch, von denen das erste im Gegensatz zu unsrer Art vollkommen uniform mit dem andern ist). — Von grösstem Interesse ist das Gebiss der abortiven Schneidezähne. Stannius entdeckte deren bekanntlich im Oberkiefer und Unterkiefer ein Paar und vor dem ersteren noch einen einzelnen kleinen Incisiven ; Spengel aber fand neuerdings in einer von Stannius unberührt ge- lassenen Unterkieferhälfte weitere drei Schneidezähne und glaubt, dass sogar ursprünglich zu jeder der sechs auf der Symphysenplatte liegen- den Alveolen ein Incisiv vorhanden gewesen und nur durch Zerstörung der sie enthaltenden Weich theile verloren worden sei (s. unten). Bemerkungen über das Grebiss der Manaten. Das Gebiss der Sirenen ist im hohen Grade geeignet, unser Staunen und Interesse zu erwecken; denn wir finden an ihm Ein- richtungen, die einzig in ihrer Art dastehen, und eine Verschieden- heit in dem allgemeinen Habitus desselben , wie sie innerhalb so weniger nahe verwandten Thiere ihres Gleichen nicht hat. Ueber die Gegensätze, die uns Halicore und Manatus oder gar Manatus und Rhytina darbieten — dort eine Zahnproduction in ausserordentlichster, unbeschränkter Fülle, hier gänzlicher Mangel an Zähnen — können wir uns wahrlich nicht genug wundern. Sie lassen auf eine gewaltige Veränderungsfähigkeit auf dem Gebiete der Bezahnung schliessen, und ihre Würdigung allein könnte genügen, um uns in Betreff des phyletischen Charakters der Sirenen auf die rechte Bahn zu leiten. Nur im Reiche der Ungulaten herrscht ein ähnlich geringes Maass an Stabilität, wofür die wunderbaren Gebisse von Dinotherium, Masto- don, Elephas, Hippopotamus, Bahirussa u. a. beredtes Zeugniss ab- Zoolog. Jahrb. I. 5 66 CL HARTLAUB, legen. Aber so sehr fachraännischerseits die Verwandtschaft der Si- renen und Hufthiere anerkannt wird, ist sie doch noch lange nicht zum allgemeinen Bewusstsein der Zoologen gelangt, und es ist auf- fallend, welch' veraltete Anschauungen man in unsern neuesten Lehr- büchern vertreten findet^). Die Litteratur über das Gebiss der Manati ist keine geringe. CuviER, Blainville, Stannius, Brandt, Krauss, Lepsius haben ein Jeder mehr oder minder umfassende Darstellungen desselben gegeben. Die Form der Zähne, ihre Zahl, die Richtung ihrer Reihen, die hin- fälligen Schneidezähne der Embryonen und neugeborenen Thiere sind oft erörterte Themata, so dass man fast glauben sollte, es hier mit einem längst abgeschlossenen Capitel zu thun zu haben. Dem ist in- dessen nicht so. Die Beschreibungen des Gebisses beziehen sich zu- nächst ganz vorwiegend auf den M. latirostris; sodann drehen sie sich um die ganz unfruchtbare Bemühung, eine bestimmte Zahnformel aufzustellen, wobei die verschiedenen Zählweisen der einzelnen Autoren und die sehr variirende Menge der im Gebrauch befindlichen Zähne nicht geringe Verwirrung hervorrufen musste; und endlich ging man auf den der Gattung Manatus so hocheigenthümlichen Ersatz aus- fallender Zähne durch neue und die damit verbundene Bewegung der ganzen Zahnreihe nach vorn so gut wie gar nicht ein. üeber dem Streit in Betreff der Zahl gleichzeitig anwesender Backenzähne und der vor ihnen liegenden leeren Alveolen kam man dem eigentlichen Wesen der Bezahnung gar nicht auf den Grund, und die Frage nach der Zahl der überhaupt im Leben eines Thieres producirten Molaren blieb beinahe unberücksichtigt. Nur Krauss erkannte den richtigen Sachverhalt: er wies auf den Grössenunterschied der Zähne jüngerer und älterer Thiere hin und schloss daraus, dass die Zahl der aus- fallenden Molaren eine sehr bedeutende sein müsse. Zugleich gab er- eine Erklärung für die Bewegung der Zahnreihen nach vorn, indem er sie durch Resorption und zugleich Neubildung der knöchernen Scheidewände ermöglicht sah und hierdurch den Bewegungsmodus, ohne ihn zwar im Speciellen zu kennzeichnen, doch im Allgemeinen zutretfend andeutete. Es ist zu bedauern, dass Lepsius diese voll- kommen richtigen Ansichten von Krauss als irrig hingestellt hat, indem er behauptete, dass die Backenzähne bei fortwährendem Ge- brauch derselben fortwüchsen, und also ein und derselbe Zahn beim 1) Claus und 0. Schmidt halten die Sirenen noch für ein Ver- bindungsglied zwischen „Robben" und "Walen. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. Q'J alten Thiere absolut grösser sei als beim jungen. Mir wenigstens ist kein Beispiel bekannt, dass Zähne mit geschlossenen Wurzeln nach ihrem Durchbruch durch das Schmelzorgan noch Wachsthum ihrer Kronen zeigten. Wie wäre denn das überhaupt denkbar? Wenn bereits P. Gervais 1859 gesagt hat, die Manati besässen Molaren „en nombre indetermine", so war diese Angabe keine „fälschliche", wie Lepsius meint, sondern sie traf vielmehr den Nagel auf den Kopf. Die Mittheilungen von Lepsius über das Manatus-G ahiss sind überhaupt mit grosser Vorsicht aufzunehmen; seine Wiedergabe der STANNius'schen Beobachtungen über die hinfälligen Schneidezähne ist z. B. eine durchaus entstellte. Ueber die Structur der Molaren besitzen wir sehr werthvolle Angaben von Gaerod. Er fand dieselbe so eigen thümlich und ab- weichend, dass er sagt: „I believe that an examination of a micros- copical section would serve with certainty to identify a tooth as be- longing to this creature." Er glaubt nicht, dass der histologische Charakter der Zähne für die Aufhellung des phyletischen Ursprungs der Sirenen mit grossem Erfolg zu verwenden sei, doch weist er auf eine, wie er sagt, vielleicht „zufällige", aber doch höchst inter- essante Aehnlichkeit mit der Structur der Tapirzähne hin. Ein kleiner, von einem neugeborenen M. senegalensis stammender Schädel veranlasst mich, zunächst auf das bekanntlich nur dem jungen Thiere eigne Gebiss der Schneidezähne einzugehen. Es wird gebildet aus wenigen kleinen Incisiven, deren Zahl individuell, viel- leicht auch specifisch variirt. Blainville und Murie fanden oben und unten ein Paar Schneide- zähne, Ov^EN ein Paar im Zwischenkiefer, Stannius bei M. inmiguis im Zwischenkiefer ein Paar, einen vor demselben gelegenen einzelnen sehr winzigen Zahn und im Unterkiefer ein Paar. Vrolik fand an dem Schädel eines Embryos nur ein einziges kleines Zahnrudiment im Zwischenkiefer. Der Schädel des neugeborenen M. senegalensis besitzt ein Paar Zähnchen im Zwischenkiefer, die ihrer Form und Lage nach mit dem von Stannius abgebildeten Schneidezahne (St. Fig. 5« Fig. 4 a) im Wesentlichen übereinstimmen. Stannius hält diese Zähne, deren Al- veolen sich bekanntlich am Manatischädel zeitlebens in Form zweier unregelmässiger Vertiefungen an der Unterfläche des Schnauzenendes erhalten, für homolog mit den Milchstosszähuen des Dugong und be- tont die äussere Aehnlichkeit beider mit einander. Allein ich habe 5* 68 CL. HARTLAUB, raicli durch einen Vergleich mit dem Original überzeugt, dass die SxANNius'sche Abbildung des betrefienden Schneidezahns nicht be- sonders treu ist, und die hervorgehobene Aehnlichkeit mit dem „Milch- stosszahn" des Dugong, wie ihn Blainville darstellt, mehr auf der eben nicht correcten Figur als in Wirklichkeit hervortritt. Bei den Incisiven des STANNius'schen sowohl wie meines afrikanischen Manatus ist eine entschieden deutlichere Trennung einer Krone von der Wurzel vorhanden, mehr noch als solche an dem von Owen gezeichneten Schneidezahn zu erkennen ist. Ausserdem ist zu bedenken, dass, wie Lepsius richtig bemerkt, die „Milchstosszähne" des Dugong vor den grossen Stosszähnen, nicht unter ihnen liegen, also gar nicht als Milchzähne, sondern als ein Paar abortiver vorderster Schneidezähne aufzufassen sind. Man wird daher die besprochenen Incisiven der Manati richtiger den bleibenden Stosszähnen des Dugong gleichstellen müssen, den sogenannten „Milchstosszähnen" desselben aber das von Stannius gefundene, weiter vorn gelegene ganz winzige Schneide- zähnchen. Leider war es mir nicht erlaubt, auch den Unterkiefer des jungen M. senegalensis, dessen Symphysenplatte von Weichtheilen bedeckt ist, auf Schneidezähne zu untersuchen. Doch kann ich in Betreif des jungen M. inungms, an welchem Stannius nur die linke Mandibel- hälfte prüfte, die wichtige Mittheiluug machen, dass Herr Dr. Spengel auf der rechten, bislang noch unberührten Kieferhälfte in den die Symphysenplatte bedeckenden Häuten noch drei weitere Incisiven ge- funden hat. Er theilt mir darüber Folgendes mit: „Die Zähnchen waren mit blossem Auge als kleine weisse Punkte in der stark eingetrockneten Haut zu erkennen. Als diese mit Kali- lauge aufgeweicht wurde, verschwanden dieselben vollständig in den aufquellenden Weichtheilen, Hessen sich nun aber leicht aus ihrer vorher angemerkten Lage herauslösen. Keines der drei Zähncheu lag eigentlich in einer Alveole, sondern jedes sass ziemlich genau — durch das Eintrocknen waren geringe Verzerrungen eingetreten — über der zugehörigen Alveole in der Haut. Es ist in hohem Grade wahr- scheinlich, dass zu jeder der sechs Alveolen auch ein Zähnchen vor- handen gewesen ist. Thatsächlich gefunden sind — ausser dem schon von Stannius beschriebenen und abgebildeten grössten uud hinter- sten — nur noch drei. Das Fehlen des ersten und des dritten er- klärt sich aus dem Umstände , dass die zu den entsprechenden Al- veolen gehörigen Hauttheile fortgeschnitten waren; damit werden auch die darin enthaltenen Zähnchen abhanden gekommen sein. Das Aus- Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. ß9 sehen dieser Incisiven ist sehr eigenthümlich und ganz abweichend von demjenigen des in den Knochen eingeschlossenen rudimentären Schneide- zahnes des Zwischenkiefers: es sind harte, glänzende, schneeweisse Körperchen, die ganz den Eindruck machen, als beständen sie durch und durch aus Schmelz." (Fig. 43 — 45.) Das hinterste, bereits von Stannius entdeckte Paar von Schneide- zähnen steht auf den seitlichen hinteren Ausläufern der Symphysen- platte und unterscheidet sich von den übrigen drei Incisiven durch bedeutendere Grösse und eine regelrecht conische, von einer Wurzel deutlich getrennte Krone. Es ist nicht unmöglich, dass es richtiger als ein Paar Caninen zu betrachten wäre; denn einmal wäre ja die Zahl 6 für die Menge der Schneidezähne eine ausserordentlich hohe, und dann scheint auch der Umstand dafür zu sprechen, dass das be- trefiende Zähnchen, wenn man den Unterkiefer in seine natürliche Verbindung zum Schädel bringt, einem imaginären Zahne des Ober- kiefers und nicht des Zwischenkiefers gegenüberstehen würde. Bekanntlich bemerkt man bei allen Unterkiefern auf jeder Seite der Symphysenplatte eine Reihe von mehr oder minder deutlichen Vertiefungen, die ihrer Lage, ihrer Beschaffenheit und meist auch ihrer Zahl nach jenen Zahnhöhlen entsprechen, die Stannius auf der Symphysenplatte des jungen Thieres fand. Stannius deutet sie daher wohl mit Recht als die Ueberreste dieser Schneidezahnalveolen. Man findet sie namentlich bei M. inunguis gut erhalten ; an einem Schädel aus München kann man z. B. alle sechs Vertiefungen jederseits scharf unterscheiden. — Ist die Knochensubstanz der Symphysenplatte sehr spongiös, so werden gelegentlich die Scheidewände durchbrochen, und die Vertiefungen bilden dann einen von vielen kleinen Knochenbälk- chen überbrückten und durchzogenen Gang, wie es ein andrer Münch- ner Schädel zeigt. In Betreff der Backenzähne möchte ich besonders die spe- cifischen Unterschiede des M. inunguis hervorheben, sodann auf die Frage über die Gesammtzahl der überhaupt gebildeten Molaren näher eingehen und endlich eine Erklärung ihrer Bewegungsweise versuchen. Doch wird es nicht überflüssig sein eine möglichst kurze Schilderung von der allgemeinen Beschaffenheit derselben und meiner hierher ge- hörigen Resultate vorauszuschicken. Eine jede Zahnreihe besteht aus dicht gedrängt stehenden, ganz gleichförmigen Molaren, deren Zahl schwankt, nach meinen Be- obachtungen aber mindestens sieben und höchstens elf beträgt. Von 70 CL. HARTLAUB, den drei hintersten Zähnen liegen zwei noch vollkommen unentwickelt als Keime in einem hinteren, dünnwandigen, sackartigen Fortsatze des Alveolartheiles versteckt, der sich in ganz gleicher Form auch bei jugendlichen Hufthieren, wie z. B. dem Rhinoceros und den Suiden, findet, hier aber nach Bildung des letzten Zahnes verschwindet, wäh- rend er bei Manatus, bei welchem die Zahnproduction zeitlebens fortdauert, persistirt. Der drittletzte Zahn pflegt eine schon voll- ständig ausgewachsene Zahnkrone zu besitzen und mehr oder minder weit bis zur Höhe der im Gebrauch stehenden Zähne hervorgetreten zu sein. Kurz ehe er auch in Gebrauch tritt, legt sich bereits am hinteren Ende der Zahnreihe ein neuer Zahn an. Rechnet man den noch nicht ganz in Gebrauch stehenden Zahn noch zu den Keimen, so würde die Zahl derselben in solchen Fällen vier betragen. Der letzte sich eben anlegende Keim kann seiner Kleinheit und verborgenen Lage wegen natürlich leicht übersehen werden. So ist es z. B. Stan- Nius bei seiner Angabe über die Unterkieferzähne seines „M. ameri- canus" gegangen. Er giebt fünf in Thätigkeit begriffene Molaren, dann einen im Ausbruch begriff'enen, und endlich zwei in ihren Alveolen verborgene Keime an, während die Zahl der letzteren, wie ich mich überzeugt habe, drei ist. Gelegentlich kommt es auch vor, dass die Anlage eines neuen Zahnes langsamer erfolgt, so dass man dann hinter dem letzten der im Gebrauch stehenden Zähne nur zwei Keime findet; dieser Fall ist übrigens selten. Vor den Zahureihen liegen manchmal eine oder zwei leere Alveolen oder deren Spuren. In Betreff" der Form der Zähne verweise ich auf die ausge- zeichnete Schilderung derselben bei Blainville und auf meine Ab- bildungen Fig. 32—38. Mit Ausnahme des ersten Zahnes in beiden Kiefern, dessen Abweichungen wir bei Besprechung der Backenzähne des jungen Thieres später beschreiben werden, besitzen sämmtliche Molaren dieselbe Gestalt. — Ihre Grösse nimmt anfangs rasch, später sehr allmählich zu (vergl. S. 42). Die Zähne des M. inunguis sind bedeutend kleiner als die der beiden andern Arten. Die Abnutzung der Zähne betrifft nicht nur die Oberfläche der Krone, sondern auch die Berührungsflächen der einzelnen Molaren unter einander, die sich durch die dichtgedrängte Lage derselben und die Bewegung, in welcher sich die Reihen befinden, bedeutend ab- schleifen. — Die den Ausfall der vordersten Zähne herbeiführende Zerstörung der Wurzeln beginnt am freien Ende der letzteren und manchmal auch dicht unter der Krone, so dass diese abbrechen muss und Wurzelreste in der Alveole zurücklässt, die später resorbirt werden. Beiträge zur Kenntuiss der Manatus-Artcn. 71 Die Zahnreilien können gestreckt oder nach aussen gekrümmt sein. Im ersteren Falle laufen sie manchmal parallel, manchmal nach vorn convergirend oder divergirend. Letzteres ist seltener und wurde von mir bei M. inunguis überhaupt nicht beobachtet. Die stets nach aussen gekrümmten Zahnreihen, wie sie namentlich bei M. latirostris häufig sind, pflegen sich vorn stärker als hinten zu nähern. — Unter Zahnreihen sind hier nur die im Gebrauch befindlichen Zähne ver- standen. Die im Zahnsacke liegenden Keime machen gemäss der Richtung dieses Fortsatzes stets einen ziemlich starken Bogen nach aussen. Würde man sie mit zur Reihe rechnen, so würden die ge- krümmten Reihen einen S-förmigen Verlauf haben. Die Stellung der Molaren ist selten eine symmetrische, so dass sich je ein Paar genau gegenüberstände. Vielmehr ist jede Reihe im Verbrauch und Ersatz ihrer Zähne unabhängig von der andern; dass dabei gelegentlich auch symmetrische Stellung vorkommen kann, wird durch verschiedene meiner Schädel bestätigt. — Die Zahl der zugleich im Gebrauch stehenden Molaren schwankt individuell sehr. Der Berliner Schädel eines 3£. senegaUnsis, Nr. 26358, ein recht altes Exemplar, besitzt oben links vier, rechts drei, unten links vier, rechts fünf Zähne; für einen ebenfalls sehr alten Schädel 8 8"'^ dieser Art aus Lübeck würde dagegen die Formel _ _' lauten (Fig. 21). Wir haben mithin einen Unterschied von drei bis zu acht im Gebrauch befindlichen Zähnen vor uns. Im Allgemeinen scheint eine Zunahme der Zahnzahl mit dem Alter die Regel zu sein; denn während zwei jüngere, der Wiener und Stuttgarter Schädel, im Oberkiefer beiderseits vier Zähne im Gebrauch haben, besitzen zwei andre alte Exemplare, die aus Bremen und Hamburg, deren jederseits sieben. — Die afrika- nische Art scheint sich in der That durch Häufigkeit langer Zahn- reihen auszuzeichnen. — In Betreff des M. latirostris verweise ich auf die Angaben von Krauss. Die höchste Zahl der Zähne, die er in einer Reihe im Gebrauch fand, war sieben bei einem Schädel mitt- leren Alters. Krauss glaubt, dass eine so grosse Menge bei alten Thieren nicht vorkomme; sollte sich darin M. latirostris von der afrikanischen Species unterscheiden? Die geringste Zahnzahl einer Reihe war fünf, und der Autor glaubt, dass 5 — 6 Zähne das Ge- wöhnliche sei, was ich nach meinem Material von dieser Art bestätigen kann, — M. inunguis scheint sich ähnlich zu verhalten. Ich fand nicht mehr als sechs Zähne in einer Reihe, während das Mindeste 72 CL. HARTLAUB, vier waren. Natteeer bezeichnet allerdings 7 — 8 ausgebildete Mahl- zähne als das Gewöhnliche^). — Specifische Differenzen scheinen mir in der Zahl der zugleich gebrauchten Zähne nicht zu liegen. Die vorderen Zähne langer Reihen pflegen, wie es z. B. an den Bremer und Lübecker Schädeln der Fall ist, sehr gut erhalten zu sein, während bei kurzen Zahnreihen das umgekehrte Verhältniss herrscht. Die Länge der Reihen richtet sich mithin nach der meht oder minder resistenten Structur der Zähne; die Production neuer Keime aber ist unabhängig von dem Ausfall der schadhaften Molaren und schreitet gleichmässig fort, wodurch bei geringem Verlust vorderer Zähne die Reihe manchmal sehr verlängert und durch den Druck der hinten hervortretenden weit nach vorn geschoben wird. Betrachten wir z. B. den Unterkiefer des Lübecker Schädels von M. senegalensis, so sehen wir an ihm die Reihe bis auf die Symphysenplatte vorgerückt (Fig. 26). Die vordersten Molaren haben den ursprünglichen Platz der Schneidezähne eingenommen. Welch' einen Gegensatz dazu bildet der Unterkiefer des UMLAurr'schen sehr alten Schädels von M. latirostris, dessen vorderste Alveole von der Symphysenplatte 3.3 cm entfernt ist. — Auch der Oberkiefer des Lübecker Schädels ist sehr merk- würdig. Das vordere Ende der linken Zahnreihe liegt etwa 2,5 cm vor dem Unteraugenhöhlenloche ; die Reihen divergiren stark nach vorn, so dass die vordersten Zähne ganz ausserhalb der Randleisten des vorderen Gaumens liegen. Die Krone des vordersten Molaren ist verhältnissmässig wenig abgenutzt, aber Spuren starker Resorption an den Wurzeln, sowie seine schräge, nach vorn gerichtete Lage weisen auf einen baldigen Ausfall hin. Die rechte Zahnreihe ist durch eine Zertrümmerung des Kiefers vorn unvollständig, wird aber wohl die gleiche Zahnmenge (8) besessen haben (Fig. 21). Die geringe Ab- nutzung ist an den Zähnen des Bremer Schädels noch auffallender. — r Im Allgemeinen dürfte vielleicht eine geringere Widerstandsfähigkeit der Manatizähne im jüngeren Alter feststehen, was auch Krauss durch seine Angabeu über Nr. IV, V, VI, sowie verschiedene Stücke aus meinem Material bestätigen. Eine Regel darüber herrscht in- dessen keineswegs, indem z. B. der alte Wiener Schädel von M. lati- rostris einen sehr starken Verbrauch der vordersten Zähne zeigt. Möglich ist es allerdings, dass im höchsten Alter die Zahnproduction sich verlangsamt, und bei dem verminderten Druck nachrückender Zähne die vorderen langsamer ausfallen und länger zu dienen haben. 1) A. V. Pelzeln 1. c. p. 90. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 73 Während M. senegalensis und latirostris (den ersten Backenzahn des jungen Thieres ausgenommen) weder in der Gestalt noch der Zahl ihrer Molaren irgend welche constanten Verschiedenheiten aufweisen, weicht das Gebiss des M. inunguis von dem der genannten Arten nicht unwesentlich ab. Nicht nur die Grösse ist, wie erwähnt, eine geringere, sondern auch die Form der Molaren zeigt Eigenschaften von besonderer Art, die bereits an den ersten Zähnen des neugebore- nen Thieres hervortreten und einen Grund mehr dafür abgaben , den kleinen von Stannius präparirten Schädel mit Bestimmtheit der bra- silianischen Art zuzusprechen. Dieser kleine Schädel zeichnet sich ausserdem dadurch aus, dass sein erster Backenzahn, namentlich im Unterkiefer, nicht die Form der übrigen Molaren, sondern eine ver- einfachte Gestalt besitzt, welcher Umstand vielleicht ein der ganzen Species zukommender Charakter ist ^). Die Krone des ersten Backenzahnes im Oberkiefer des kleinen Schädels ist zweiwurzelig und trägt nur ein dreispitziges Hauptquer- joch nebst einem vorderen und hinteren Talon, während alle andern Molaren drei wurzelig sind und zwei Querjoche haben. Diese Form stimmt überein mit dem ersten Zahne des von Vrolik beschriebenen, 26 cm langen Schädels eines M. latirostris, dagegen hat der erste Zahn des jungen M. senegalensis durchaus die gewöhnliche Gestalt. — Im Unterkiefer ist jedoch der erste Molar von dem entsprechenden Zahn beider andern Arten verschieden, insofern er einwurzelig und einfach conisch ist. Bei meinem M. senegalensis hat er im Allge- meinen die Form der hinter ihm stehenden Zähne, nur dass er einen starken vorderen und schwachen hinteren Talon besitzt, während es sonst umgekehrt ist. Der vorderste Zahn im Unterkiefer des Vrolik- schen Exemplares gleicht in seiner Form auch den hinter ihm stehen- den; allein ob er wirklich auch der erste Zahn ist, bleibt dahinge- stellt ; wahrscheinlich ist dies allerdings einmal seiner Kleinheit wegen. 1) Ob die Form des ersten Molarenpaares, wie sie das kleine Stan- Nius'sche Exemplar besitzt, der Species M. innngta's durchaus eigenthüm- lich ist und ihr constant zukommt, kann keineswegs als sicher betrachtet werden. P. Gervais schreibt von einem jungen Schädel, der durch F. de Castelnatt am Amazonas gesammelt wurde und sich im Musee d'Histoire Naturelle zu Paris befindet: ,,La premiere dent de chaque raächoire est plus petite que les suivantes, mais a-peu-pres de meme forme et pourvue du meme nombre de racines c'est a dire de trois pour la machoire supd- rieur et de deux pour l'inferieur. F. de Castelnau 1. c. t. I. pag. 114. 74 CL. HARTLAUB, sodann weil keine Alveolenspur vor ihm liegt, und der Oberkiefer den ersten Zahn noch besitzt. Den vordersten Backenzahn als falschen oder Praemolaren auf- zufassen, wie dies Stannius thut, ist kaum berechtigt, indem er in diesem Falle einen Milchzahn verdrängt haben müsste, wofür keinerlei Beweis vorliegt. Auch ist seine Entfernung von dem hinter ihm liegenden Zahne bei dem kleinen M. inunguis nicht grösser als die zwischen dem zweiten und dritten Molaren. Wohl steht seine Krone ihrer Kleinheit wegen von der des zweiten Backenzahnes weiter ab, allein die Zwischenwand, welche die Wurzeln des ersten und zweiten Zahnes trennt , ist nicht nennenswerth dicker als die zwischen dem zweiten und dritten Molaren. Zur Vergleichung des ersten Backenzahnes der drei Arten diene folgende Tabelle: 31. seneg. M. latir. M, inung. Oberkiefer 2 Querjoche l Querjoch l Querjoch Unterkiefer „ ,, 2 ,, (?) conisch AehnHch wie der erste vom zweiten Zahne, so ist auch dieser vom dritten bei allen Arten durch viel geringere Grösse unterschieden, obwohl nicht in so auffallender Weise wie der erste Molar. Erst vom dritten Zahne an nimmt die Grösse allmählich zu. Die besondere Beschaffenheit der übrigen Molaren ist von Stan- nius an dem von ihm untersuchten Schädel Nr. II, einem von Nat- TEßER gesammelten Exemplar, sehr richtig erkannt worden. Die von ihm hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten verdienen mit einer Aus- nahme durchaus der Verallgemeinerung. Die geringe Grösse der Zähne wird aus folgenden Angaben am besten ersichtlich sein. Die Breite des hintersten im Gebrauch stehen- , den Zahnes im Oberkiefer eines M. latirostris beträgt vorn 15 mm, hinten 12^ mm, eines gleich langen Schädels von M. inunguis vorn nur 12 mm, hinten 10 mm. Die Länge desselben dort 13^ mm, hier 13 mm. Im Unterkiefer ist die Breite des gleichen Zahnes bei M. latirostris hinten lU mm, vorn 10^ mm, l)ei 31. inunguis hinten und vorn D mm ; die Länge dort 15 mm , hier \2\ mm. Im Unterkiefer ist also der Unterschied bedeutender und betrifft auch die Länge er- heblicher. — Der grösste Zahn aus dem Oberkiefer des 35,5 cm langen Lübecker Schädels von M. senegnlensis misst an Breite vorn 18, hinten 15, und an Länge 17| mm. Der grösste Zahn aus dem Ober- kiefer eines gleich langen, aber wahrscheinlich jüngeren Schädels von Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 75 M. inunguis hat dagegen eine Breite von vorn 13|, hinten 12 mm und eine Länge von 13^ mm. Der grösste Zahn im Unterkiefer dort ist hinten und vorn 13 mm breit und 17| mm lang, hier 9^ mm breit und 13| mm lang. lieber die Form der Krone sagt Stannius, indem er von den drei Tuberkeln der Querjoche spricht: „Jede dieser Zacken ist ein- fach an den ausbrechenden und in ihren Alveolen versteckt liegenden Backzähnen des Schädels Nr. III (31. latirostris) ; jede dieser Zacken ist dagegen zusammengesetzt an den entsprechenden Zähnen des Schädels Nr. II {M. americanus). Hier zeigen sich, der transver- salen, die beiden Hauptkämme theilenden Furche zugewendet, an den drei Hauptzacken noch ebenso viele kleinere Nebenzacken, welche mit ersteren erst spät verschmelzen." Aehnliche kleine Form Verschieden- heiten spricht er den Unterkieferzähnen der beiden Arten zu. Die zusammengesetztere Beschalfenheit der Querjoche ist in der That eine constante Eigenthümlichkeit, und daran die Art leicht zu erkennen. Wenn auch ihre Zahl nicht immer genau drei ist, so sind doch, namentlich an dem hinteren Querjoche, stets kleine Neben- zacken vorhanden, und die Hauptzacken durch tiefere Furchen von einander getrennt. Der complicirtere Charakter spricht sich auch auf der Zeichnung stark abgeschlitiener Zähne aus (s. Fig. 38). Man be- achte dabei die durch den vorderen Talon entstehende Schmelzfalte der Oberkieferzähne. Dieser Talon nämlich ist bei den andern Arten von dem vorderen Querjoche durch ein Thal getrennt, welches nach innen und aussen abgeschlossen ist. Bei M. inunguis ist dasselbe nach aussen offen, wodurch bei der Abschleifung eine eigenthümliche Falte, die man Talonfalte nennen könnte, entsteht. Ich glaube kaum, dass sich diese auf den abgeschliffenen Zähnen der andern Arten findet. Dass die Unterkieferzähne sich durch ähnliche specifische Form- verschiedenheiten auszeichnen, kann ich nicht bestätigen; ebenso muss ich einen andern Unterschied, welchen Stannius an den Unterkiefer- zähnen fand, dass nämlich die hintere Wurzel derselben sich bei M. latirostris theile, bei 31. inunguis nicht, beanstanden. Stannius hat dabei ohne Frage einen vorderen Zahn der ersteren Art mit einem hinteren der letzteren verglichen. Die von ihm gefundene Theilung der hinteren Wurzel ist nur eine Resorptionserscheinung, die bei M. inunguis in gleicher Weise vorkommt. Die Zerstörung der Zahnwurzeln des Unterkiefers beginnt mit der hinteren Wurzel, und zwar in der Weise, dass sie von unten ausgehend in der Mitte schneller als an den Seiten vor sich geht und dadurch die Wurzel in zwei Theile 76 CL. HARTLAUB, trennt. An Stelle der zerstörten Wurzelsubstanz tritt Knochen, so dass allerdings die beiden Aeste der ursprünglich einfachen Wurzel in besonderen Alveolen liegen. Hintere Unterkieferzähne dürften schwer- lich je eine Theilung der hinteren Wurzel zeigen (Fig. 32). Ich gehe jetzt zur Besprechung des Zahnersatzes und der mit ihm verbundenen Erscheinungen über und werde versuchen, eine ungefähre Schätzung der Gesamratmenge der Molaren anzustellen. Zu letzterem Zweck will ich eine Anzahl Gebisse verschieden grosser Schädel mit einander vergleichen, als ob sie Altersstufen ein und des- selben Individuums seien. Die Schwächen dieses Verfahrens sind mir wohl bewusst; das Resultat kann kein genaues werden, wohl aber wird sich eine Minimalsumme mit einiger Bestimmtheit daraus folgern lassen. Von den beiden Schädeln neugeborener Thiere besitzt der des M. senegalensis zwei Molaren im Gebrauch, der des M. inunguis deren drei. Bei beiden Schädeln ist der erste Backenzahn bedeutend kleiner als der zweite. Bei dem M. senegalensis , dessen dritter Zahn erst im Beginn steht hervorzubrechen , ist der erste vom zweiten Zahn durch einen ansehnlichen Zwischenraum getrennt, bei dem M. inunguis, dessen dritter Zahn schon im Gebrauch steht, dagegen nicht. Wir können daraus vielleicht den Schluss ziehen, dass der zweite Zahn des M. inunguis ursprünglich ebenfalls weiter vom ersten entfernt lag, als nämlich der hinter ihm liegende dritte Molar noch nicht hervorgebrochen war, dass mithin der zweite Zahn des brasilischen Schädels durch den Druck der hinter ihm stehenden Zähne und Keime bereits vor- gerückt ist, unter Resorption der vor ihm liegenden Knochensubstanz. Es wäre jedoch von Interesse, zu wissen, ob die ersten Molaren da, wo sie liegen, entstanden sind, oder aber in dem Keimsacke, und bereits vorgeschoben wurden. In Betreff des ersten kleinen Zahnes dürfte es kaum möglich sein, darüber schon eine bestimmte Vermuthung zu äussern. Der grössere Zwischenraum, welcher ihn vom zweiten Zahne trennt, kann sowohl bedeuten, dass er an Ort und Stelle ge- bildet wurde, als auch nur, dass die Entstehung des zweiten Zahnes auf die des ersten langsamer folgte als die Bildung des dritten auf die des zweiten. Für alle übrigen Molaren kann man es aber für höchstwahrscheinlich erklären, dass sie, wie alle folgenden Zähne, ihre Entstehung im Zahnsacke genommen haben und theils durch Längen- wachsthum des Kiefers, theils durch den Druck nachrückender Keime vorgeschoben wurden. Die Unterkiefer der jungen Schädel gleichen in der Zahl ihrer Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 'J'J Zähne den Oberkiefern. — Beiläufig sei bemerkt, dass der erste Zahn des 31. seneyalensis hinten und vorn gleich breit ist, während die fol- genden vorn auÖallend schmäler sind als hinten ; das letztere gilt auch von dem zweiten und dritten Molaren des M. inunguis. Die Unter- kieferzähne älterer Schädel zeigen eine derartige erhebliche Differenz nicht, dagegen ist manchmal der Zahn grade vorn etwas breiter als hinten. Der erste Zahn in den beiden Kiefern unsrer kleinen Schädel zeigt nur sehr geringe Spuren von Abschleifung , während der hinter ihm stehende solche weit stärker besitzt. — Der erste Unterkieferzahn des M. senegalensis schaut nur mit seiner Spitze aus den die Krone grösstentheils noch umschliessenden Häuten heraus. Sollte der vor- derste, durch seine Kleinheit von den übrigen so verschiedene Zahn vielleicht später als der hinter ihm stehende Molar hervorbrechen ? — Ich gehe zu der Frage über, wie lange es dauert, bis der erste Zahn ausfällt, oder wie viele Zähne hinter ihm bereits im Gebrauch kommen, ehe er verdrängt wird. Die beste Antwort geben uns darauf die Abbildungen von Vrolik 1. c. Taf. IV 12, 14 und Mueie 1«72. 1. c. PI. 22, Fig. 18 und 19. Der von ersterem Autor abgebildete Schädel hat eine Länge von 26 cm, der von Mukie benutzte eine solche von circa 22 cm. Ersterer Schädel besitzt sechs Molaren oben und unten im Gebrauch, letzterer deren fünf. Beide Schädel von M. latirostris verhalten sich in Betreff ihrer vordersten Zähne gleich; der erste Zahn ist ausserordentlich viel kleiner als der dicht hinter ihm stehende zweite Zahn, dieser ebenfalls erheblich kleiner als der dritte, während die übrigen Molaren allmählicher an Grösse zunehmen. Wir haben mithin dieselbe sprungweise Grössenzunahme der drei vordersten Zähne vor uns, die uns von der Betrachtung des Gebisses der neugeborenen Thiere her bekannt ist, und es unterliegt, zumal da an dem von Vrolik abgebildeten Schädel auch nicht die geringste Spur von dem Ausfall eines vielleicht schon verdrängten Zahnes vor- handen ist, wohl kaum einem Zweifel, dass an den von Vrolik und MuRiE abgebildeten Schädeln in der That noch die ersten Zähne im Gebrauch sind. Die Grösse der ersten Zähne des MuRiE'schen Exem- plares gleicht der der entsprechenden Molaren des VROLiK'schen sowohl wie auch des kleinen Berliner Schädels von M. senegalensis. Die Gründe, welche Vrolik abhielten, den vordersten Zahn seines M. lati- rostris dem ersten Molaren des neugeborenen SxANNius'schen M. in- unguis gleichzustellen, können uns unmöglich haltbar erscheinen. Ihm schienen sowohl der grössere Abstand des ersten vom zweiten Zahn als die abweichende conische Form des ersten Unterkiefermolaren bei 78 CL. HARTLAUB, dem jungen M. inmiguis dagegen zu sprechen; allein wir erwähnten bereits, dass jener Abstand ganz unerheblich ist und sich ja auch durch den Druck der nachrückenden Zähne naturgemäss verringern muss, und sahen ferner, dass die conische Form des ersten Unter- kieferzahnes wahrscheinlich eine specitische Eigenthümlichkeit der bra- silischen Art ist, jedenfalls dem jungen M. senegalensis nicht zu- kommt, Vrolik sagt, der erste kleine Zahn stehe im Begriffe auszufallen ; mithin erfahren wir, dass fünf neue Zähne hinter ihm in Gebrauch kommen mussten, um ihn zu verdrängen. Da die Länge des betref- fenden Schädels 26 cm beträgt, also bereits eine sehr ansehnliche Grösse repräsentirt, so können wir weiter schliessen , dass entweder die Zahnproduction in der Jugend eine relativ sehr laugsame oder aber das Wachsthum des Thieres anfänglich ein schnelles ist. Ein Schädel von derselben Grösse, welchen ich dem Stuttgarter Naturalienkabinet verdanke, hat allerdings schon eine etwas bedeutendere Zahl von Zähnen benutzt. Jederseits sind vier Zähne im Gebrauch , die nach hinten allmählich an Grösse zunehmen. Der vorderste Oberkieferzahn, besonders auf der rechten Seite, ist stark abgenutzt. Er ist grösser als der dritte Backenzahn am jungen M. senegalensis^ entspricht aber etwa dem vierten Molaren des VROLiK'schen kleinen Schädels ; mithin könnten wir annehmen, dass bereits wenigstens drei Zähne im Ober- kiefer ausgefallen sind, der Schädel also — diese und die gewöhnliche Zahl von Keimen mitgerechnet — schon 10 — 11 Molaren in jeder Reihe erzeugt hat. Durch einen ähnlichen Vergleich mit der Vrolik- schen Abbildung würde sich für den Unterkiefer sogar die Zahl 12 ergeben. Vergleichen wir mit diesem 25 cm langen Schädel aus Stuttgart ein ebenfalls noch junges, 31 cm langes Exemplar aus Königs- berg, so erhalten wir weiter folgendes Verhalten. Die fünfzähligen Zahnreihen desselben nehmen nach hinten kaum merklich an Grösse zu. Der vorderste Zahn ist bereits stark verbraucht und dicht vor dem Ausfallen, während der hinter den fünf Zähnen liegende sechste Zahn noch tief in der Alveole steckt; man sieht also, dass der Ausfall eines vorderen Zahnes keineswegs mit gleichzeitiger Erhebung eines Ersatzzahnes verbunden ist, sondern vielmehr Ersatz und Ausfall in gewisser Beziehung unabhängig von einander sind. — Die Grösse des vordersten Zahnes entspricht oben etwa dem fünften, unten dem sech- sten Molaren des verglichenen Stuttgarter Schädels. Der Königsberger Schädel würde unsrer Schätzung nach daher im Oberkiefer sieben und Beiträge zur Kenntniss der Manatiis-Arten. YQ im Unterkiefer 10 Molaren verloren, als Gesammtzahl aber oben 15, unten etwa 18 Zähne entwickelt haben. Die Schätzung der weiterhin entstehenden Zahnmenge ist weit schwieriger und kann nur eine ganz ungefähre sein. Wir haben dabei in Betracht zu ziehen, dass die Zahnreihen älterer Schädel selten eine Grössenzunahme der einzelnen Molaren mehr erkennen lassen, dass jedoch die oberen Molaren eines alten Schädels bis 1,8 cm breit werden, während die grösste Breite an dem eben besprochenen Königsberger Exemplar 1,4 cm beträgt. Ist aber die durch diese Extreme ausge- drückte Zunahme von 4 mm in der Breite an einer Zahnreihe von 5—6 Zähnen noch gar nicht bemerkbar, so muss sie eine ganz all- mähliche sein, mithin die Zahl der Zähne, in deren Bereich sie sich vollzieht, eine bedeutende. Ohne Zweifel würde an einer Zahnreihe von sechs Zähnen eine Zunahme von 1 mm in der Breite auÖ'allen ; beobachtet ist eine derartige Zunahme an älteren Schädeln kaum, rechnen wir daher auf sechs Zähne 1 mm Zunahme in der Breite, so greifen wir keinenfalls zu hoch ; es würde sich aber bei dieser An- nahme der Zuwachs von 4 mm auf 24 Zähne vertheilen und mit- hin, da bis zur Grösse von 1,4 cm Breite circa 14 Zähne gebildet wurden, die Gesammtzahl auf 38 steigen. Da nun aber die von Krauss genannten Schädel III und X, welche eine Breite sämmtlicher Zähne von 1,8 cm besitzen, fünf Zähne im Gebrauch und drei dahinter liegende Keime haben, so würden die Schädel III und X im Ganzen etwa 45 Zähne in jeder Reihe oder 180 Zähne im Ganzen gebildet haben. Die beiden genannten Schädel sind keineswegs besonders grosse Exemplare und kaum als ausgewachsen zu betrachten. Die Zahl ihrer Zähne würde sich also Ijei weiterem Leben des Thieres jedenfalls noch vergrössert haben. Wenn auch bei älteren Schädeln eine allmähliche Zunahme der Zahngrösse in einer Reihe nicht recht zu bemerken ist, so sei doch hervorgehoben, dass die Grösse der einzelnen Molaren einer Reihe keineswegs immer gleichmässig ist. Es kann manchmal ein bedeutend grösserer oder kleinerer eingesprengt sein ; so z. B. haben die Zähne des Lübecker M. senegalensis die Breite von 1,7 cm mit Ausnahme des fünften Molaren der rechten Seite, welcher 1,8 cm misst; der vierte Zahn an dem älteren Rostocker 31. inunguis ist jederseits be- deutend kleiner als der dritte, während der auf ihn folgende fünfte wieder die normale Grösse hat. Manchmal nimmt auch die Grösse nach der Mitte allmählich zu, während sie von da ab wieder abnimmt ; dies ist z. B. bei einem 34 cm langen Münchener Schädel von M, 80 GL. HARTLAUB, inunguis der Fall, bei welchem der vierte Zahn der grösste ist; der hinter dem sechsten Zahne liegende erste Zahnkeim ist jedoch wieder grösser als der vor ihm stehende Molar, Neben der grossen Gesammtmenge der Backenzähne ist es vor Allem die Beweglichkeit der Zahnreihen, die den Manatus auszeichnet. Während vorne abgenutzte Zähne ausfallen, brechen hinten beständig neue hervor und treiben die davorstehenden Molaren vor sich her; die Neubildung von Keimen nimmt kein Ende; der älteste meiner Schädel, ein 38 cm langes Exemplar von M. latirostris, besitzt in seinen Zahnsäcken genau die gleiche Zahl von Keimen wie der des neugeborenen Thieres. Wir haben also nicht den mindesten Beweis dafür, dass die Production von Zähnen im Leben des Thieres be- grenzt wäre. Ich verglich mit einem Manatus-Schädel den eines Jüngern Bhino- ceros und fand an ihm einen ganz gleichen Zahnsack, wie er bei un- sern Thieren persistirt. Er enthielt den Keim des letzten Molaren; durch das Wachsthum des Schädels, die Streckung des Kiefers würde allmählich auch er hervorgetreten, und danach der dünnwandige Zahn- sack, seine Bildungsstätte, durch Verwachsung verschwunden sein. — Nun ist zwar bei der Einreihung der Zähne in den Gebrauch auch beim Manatus das Längenwachsthum des Schädels ein gar nicht zu verkennender Factor. Vor allem wird er in der Jugend des Thieres die Hauptrolle spielen und ohne Zweifel die erste Zahnreihe von 5—6 Zähnen, die wir an dem 26 cm langen VßOLiK'schen Schädel kennen lernten, ihm vorzugsweise die Entstehung verdanken. Später aber, wenn das Wachsthum des Schädels sich sehr verlangsamt, dagegen die Zahnproduction in ausserordentlicher Weise zunimmt, wird die Mitwirkung des Längenwachsthums für das Hervortreten der neuen Zähne eine verschwindende Rolle spielen gegenüber dem Drucke, welchen die unaufhörlich neu entwickelten Keime auf die vor ihnen stehenden Molaren ausüben. Diese werden einfach nach vorn ge- schoben; in die Alveole eines ausgefallenen Zahnes wird der hinter ihm stehende hineingedrängt, und wir haben uns nur die Frage vor- zulegen, wie es möglich ist, dass die scheinbar so fest in ihren Al- veolen stehenden Zähne die dazu gehörige Beweglichkeit haben, obgleich die Alveolar -Querwände, die einen Zahn von dem andern trennen, nie Zeichen von Resorption an sich tragen , sondern vielmehr immer die gleiche Stärke und Festigkeit besitzen. Krauss, welcher das Vor- rücken der einzelnen Zähne in seinem zweiten Beitrage über allen Zweifel erhob, hat den einzig möglichen Weg dafür angedeutet. Er Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arteii. 81 sagt, die Bewegung der Zahnreihen Hesse sich nur durch mittelst Druck erfolgter Kesorption und zugleich durch Neubildung der sehr schwammigen Alveolarzwischenwände erklären. Uns bleibt bloss übrig hinzuzufügen, in welcher Weise man sich das vereinigte Wirken dieser beiden Vorgänge zu denken hat. Die untenstehende Figur, in welcher die Knochensepten schematisch als einfache Zwischenwände darge- stellt sind, wird es am besten versinnlichen. Der Druck erfolgt in der Richtung des Pfeiles. Auf der dem Drucke zugewandten Seite Fig. 1. Scliematische DarsteHung der Bewegungsweise der Zahnreihe. Schraf- firung = Resorption; Punktirung = Neubildung. erfolgt eine Resorption der Knochensepten, auf der von ihm abgewandten vorderen Seite eine entsprechend starke Neubildung von Knochensub- stanz, so dass also die Alveolarzwischenwände stets ihre gleiche Dicke behalten, und doch die ganze Reihe der Zähne sich nach vorn ver- schiebt, wie dies durch die obenstehende Zahnreihe angedeutet ist. Die ThräneiiT)eiiie. Wir besitzen über die Thränenbeine der Manati nur sehr spärliche Angaben, was wohl darin seinen Grund hat, dass sie der grossen Mehrzahl aller Schädel fehlen. Ein leicht erklärlicher Umstand ! denn die Thränenbeine sind kleine, offenbar in Rückbildung begriffene Knochen von sehr freier Lage, die durch Maceration nur zu leicht verloren gehen können. Auch kommt hinzu, dass sie vielleicht manchmal gar nicht mehr zur Ausbildung, wenigstens zur Verknöcherung gelangen, oder, etwa nur in der Jugend des Thieres entwickelt, im späteren Alter wieder verschwinden. Zudem verwachsen sie gelegentlich mit andern Knochen, was sie nicht minder im späteren Alter unkenntlich machen kann. — Bei so vielen Möglichkeiten ist, wenn einem Schädel Zoolog. Jahrb. I. (3 82 ct.. hartlaüb, die Thränenbeine fehlen, das Urtheil über die Ursachen dieses Mangels im Allgemeinen sehr bedenklich, und nur in einzelnen Fällen kann mit einiger Sicherheit Verlust durch Maceration als Grund bezeichnet werden. Unter zehn Schädeln von M. senegalensis besassen die Thränen- beine nur einer (der des neugeborenen M. aus Berlin), unter sieben Exemplaren von M. latirostris zwei dieselben mit andern Knochen verwachsen, einer ein freies Thränenbein; unter sechs Schädeln von M. inunguis fanden sich an einem beide, an zweien ein Thränenbein erhalten. Bei letzterer Art scheinen also in der That diese Knochen weit häufiger vorzukommen oder sich wenigstens am präparirten Schädel öfter zu erhalten. Krauss erhielt an den zuerst von ihm untersuchten 1 1 Schädeln von M. latirostris gar keinen Aufschluss über die Lacry- malia, und ebenso gering sind meine Ergebnisse für die afrikanische Species. Die erste kurze Beschreibung des Thränenbeines stammt von CuviER her (Rech. s. 1. ossem. foss. ed. 8, Vol. VIII, pag. 23 et 57). Blainville, der es vermuthlich an demselben Schädel (einem M. in- unguis Natt.) sah, schreibt: „Le lacrymal ressemble ä un petit os rudimentaire, comme repousse par les os environnants et surtout par le jugal contre le frontal au bord anterieur et interne de l'orbite sans qu'il soit perce, absolument encore comme chez TElephant." Dieser Schilderung ist, wie ich gleich bemerken will, keineswegs allgemeinere Bedeutung beizulegen, indem sie der gewöhnlichen Lage des Thränen- beins nicht entspricht. Sie könnte nämlich den Glauben erwecken, als ob das Lacrymale vom Jochbein in ähnlicher Weise wie beim Elephanten weit entfernt läge, während es bei meinen drei Schädeln von M. inunguis allemal das Jochbein berührt, bei einem M. latirostris mit demselben verwachsen ist und bei dem bereits genannten Exemplar von M. senegalensis auf dem Vorderende desselben ruht. — Von einem fossilen Manatus, dem „Lamantin de la Seine", schreibt derselbe Autor : „L'os lacrymal forme une petite masse subglobuleuse non perc6e pourvue d'une apophyse fort saillante". Stannius erwähnt auffallender Weise von den 'i'hränenbeinen Nichts, obwohl grade der von ihm untersuchte NATTEREii'sche Schädel des M. inunguis, dessen Nasenbeine er beschrieben hat, beide Lacry- malia besitzt. — Vrolik hielt eine dünne, „papierförmige" Platte für das Thränen- bein, die unter dem frontalen Dacli der Orbita verborgen lag. Ob er wirklich ein Stück des Thränenbeins vor sich hatte, lässt sich nach seiner Abbildung nicht entscheiden. ÖeUräge zur Kenntniss der Manatus-Arteli. g^ Brandt schildert kurz das Thränenbeiii der Manati und vergleicht es mit denen von Halicore und Rhi/tina. Die der letzteren, sagt er, gleichen ihrer Form nach mehr denen der Manati, ihrer Lage nach mehr denen von Halicore, während die Thränenbeine von Halicore in Form und Lage von denen der Manati verschieden sind. — Was die Form be- triift, so wird aus dem Folgenden ersichtlich werden, dass sie bei Manatus derartig variirt, dass ein Vergleich mit denen der beiden andern Gattungen nur auf Grund grossen Materials Werth haben kann. Die Thränenbeine haben manchmal die Gestalt dünner Lamellen, manchmal ziemlich dicker Knochenplatten, bald sind sie glatt, bald von höckriger Oberfläche. Aber auch die Lage ist keine ganz con- stante bei Manatus und vor Allem in der Beziehung zum Jochbein wechselnd ; doch dass sie sich wesentlich von der bei anderen Sirenen unterscheide, glaube ich nicht. Dafür spricht auch die Aussage von Krauss, welcher angiebt, dass das Thränenbein von Halicore genau an derselben Stelle läge wie das von M. latirostris. Auch berichtet er vom Halitherium, dass es dieselbe Rille auf dem vorderen Orbitalbogen besässe, in welcher er beim surinam'schen Manatus das Thränenbein gefunden habe. Die Lacrymalia eines M. latirostris hat der Autor in seinem zweiten „Bei- trage zur Osteologie" dieses Thieres beschrieben und abgebildet. Schliesslich mögen noch Flower's Worte über das Thränenbein des M. senegalensis citirt werden: „There is a very small scalelike and imperforate lacrymal in the usual Situation". W^eitere Auskunft über die Thränenbeine finde ich nicht, glaube aber, dass bei der Variabilität ihrer Form und ihrer Lagebeziehungen eine kurze Darstellung ihres Verhaltens bei meinem Material nicht überflüssig sein dürfte. Ich beginne am besten mit Manatus inunguis Natt. , weil bei dieser Art die Thränenbeine am häufigsten erhalten sind und in ihrer Gestalt und Lage grosse Uebereinstimmung zeigen (Fig. 52). Sie haben hier die Form eines dünnen, niedrigen, länglichen, concav-con- vexen Knochenschüppchens mit bald fein, bald gröber nahtartig ge- zacktem oberen und unteren Rande. Ihre beiden Flächen, von denen die convexe der Augenhöhle zugewandt ist, sind glatt. Ihre Länge be- trägt bei dem NATTERER'schen und Frankfurter Schädel 20 mm, bei einem aus München nur 13 mm. Ihre Höhe ist indessen annähernd gleich, und zwar bei dem NATTERER'schen und Münchener Schädel 84 CL HARTLAUB, etwa 5| mm, bei dem Frankfurter hinten etwas mehr, vorn weniger. — Sie liegen durchaus in der Richtung des nach oben und hinten auf- steigenden vorderen Orbitalbogens der Maxiila und scheinen einen sehr verjüngten Fortsatz des Jochbeins zu bilden, an dessen vorderes Ende sie sich anschliessen. Der Orbitalbogen spaltet sich zwischen Orljital- fortsatz des Stirnbeins und Jochbeins, auf seinem oberen breiten Rande, in drei Lamellen, nämlich eine dicke vordere Platte und zwei dünnere hintere. Durch diese drei Blätter werden zwei Rillen gebildet, von denen die hintere, der Augenhöhle zugewandte das Thränenbein enthält. Sie ist von geringer Tiefe und nimmt meist nur den unteren Theil des Thränenbeines auf; auch kommt es, wie z. B. bei dem NATTERER'schen Schädel, vor, dass nur der hintere Theil des Thränenbeines in diesem Falze steckt, der vordere aber frei auf dem Vorderende des Joch- beins lagert. Eine eigentliche Berührung mit dem Orbitalfortsatze des Stirnbeins findet nicht Statt, obwohl das Thränenbein mit seinem hinteren Abschnitte sehr dicht unter dem Vorderende desselben liegt und bei etwas grösserer Höhe dasselbe erreichen würde. Die hintere, der Augenhöhle zugewandte Lamelle der beschriebenen Rille legt sich mit gezacktem oberen Rande in einer Art von Schuppen- naht an das Thränenbein an. — An den beiden Schädeln, die nur e i n Thränenbein besitzen, weisen eine deutlich vorhandene Rille sowie die Lageverhältnisse der übrigen Knochentheile darauf hin, dass auch in der andern Orbita ein Lacrymale von durchaus gleicher Form und Stellung vorhanden gewesen ist. Auch am NATTERER'schen Schädel stimmen die beiden Thränenbeine in jeder Beziehung überein. Die beiden andern Münchener Schädel l^esitzen keine Thränen- beine, und es ist anzunehmen, dass dieselben in einer der beschriebenen gleichen Art und Weise nicht vorhanden waren. Die besprochene Rille ist nur angedeutet; die der Augenhöhle zugewandte Lamelle schmiegt sich der Mittellamelle so eng an, dass zwischen beiden nur ein Thränenbein von äusserster Dünne und Zartheit gelegen haben könnte. Dies gilt besonders für das eine der beiden Exemplare, wäh- rend man an dem andern wenigstens bei der einen Orbita zweifelhaft sein könnte. Abgesehen aber von dieser glaube ich entschieden, dass man es hier nicht mit einem Verlust der Thränenbeine durch Mace- ration zu thun hat, sondern dass dieselben vielmehr entweder gar nicht zur Verknöcherung gelangten, oder aber später wieder resorbirt wurden. Die crstere MögHchkeit ist namentlich auch für den kleinen STANNius'schen Schädel des neugeborenen Thieres die wahrscheinliche Beiträge zur Kcmituiss der Maiiutus-Arteu. g5 Ursache seines Thränenbeinmangels. Die Thränenl)eiiirille des Ober- liiefers ist hier besonders auf der einen Seite sehr deutlich vorhanden. Bei M. latirostris und senegalensis ist nur selten eine der ge- schilderten vollkommen gleiche Lagerung des Thränenbeins anzunehmen. Die von 31. immguis beschriebene Thränenbeinrille ist nur einzeln merklich entwickelt (s. Fig. 54); dies kann daran liegen, dass die Mittellamelle fehlt, in welchen Fällen eine aber desto weitere Rille entsteht — in einer solchen liegt z. B. das dicke Thränenbein des kleinen Stuttgarter 31. latirostris (Fig. 46) — , oder aber die Rillen sind durch spongiöse Knochensubstanz ausgefüllt wie bei dem Bremer 31. senegalensis. Dem 31. inunguis gleichen in Betreff der besproche- nen Rille nur der Würzburger 31. latirostris (Fig. 54) und die afrika- nischen Schädel aus Stuttgart und Berlin, Nr. 26334. Bei dem jungen afrikanischen Schädel aus dem Zoolo- gischen Museum in Berlin stecken die Thräneubeine nicht in einer Rille, sondern liegen mit der ganzen Länge ihrer unteren Kante dem gerade abgestutzten Vorderende des Jochbeines auf. Ihre Länge entspricht der Breite des letzteren, und so scheinen die Thränenbeine das letzte, aber abgesetzte Vorderstück des Jochbeines zu bilden. Sie lehnen sich wie dieses mit ihrer vorderen Fläche an den Oberkiefer an, während die der Augenhöhle zugekehrte Seite vollkom- men frei ist. Bei derartiger Lage ist ein Verlust des Thränenbeines natürlich nur durch ganz besondere Aufmerksamkeit des Präparators zu verhüten ; in diesem Falle verdankt man ihre Erhaltung der un- vollkommenen Maceration. — Eine Anzahl andrer Schädel Hess eine ähnliche Lage des Thränenbeines vermuthen. Der Wiener Schädel eines 31. latirostris aus dem M a g d a- lenenstrome besitzt ein Thränenbein von durchaus andrer Gestalt, indem es nicht wie die bisherigen eine dünne glatte Knochentafel, sondern vielmehr einen ziemlich dicken biconvexen dreieckigen Knochen von höckrigen Flächen und Kanten darstellt. Es ist 2,8 mm lang und an einer Stelle 11 mm hoch, während seine grösste Dicke 5 mm be- trägt. Nach vorn zu verjüngt es sich beträchtlich. Es liegt in einer weiten tiefen Rille des Oberkiefers, die nur hinten unter dem Orbital- fortsatze des Stirnbeins durch eine Mittellamelle von einer vorderen Rinne getrennt ist. Eine Berührung mit dem Jochbeine findet nicht Statt (vergl. Fig. 48—50). Bei dem ÜMLAUFF'schen, aus dem Orinoko stammenden Schädel scheinen mir die Thränenbeine mit ihrer hinteren Fläche an die hintere Lamelle des Oberkiefers gewachsen zu sein. Es sind längliche, stab- 36 <^'I^ HARTLAUB, förmige Knochen, die in einer weiten Rille liegen und vorn an das Jochbein stossen. Die Mittellamelle fehlt also, ist aber durch ein kleines Leistenstück dicht über dem Jochbeine angedeutet. Sehr interessant ist der kleine Stuttgarter Schädel von M. latirostris. Er besitzt auf der rechten Seite ein dickes Thränenbein, welches aber derartig mit dem Jochbein verwachsen ist, dass man ohne Vergleich mit der andern Seite des Schädels glauben könnte, das Jochbein rage bis weit unter den Orbitalfortsatz des Stirnbeins hinauf. Es bildet aber die directe, gänzlich ununterbrochene Fortsetzung des Jugale. Seine vordere und hintere Fläche sind glatt und eben. Sein oberer Rand entspricht mithin der Dicke des Knochens, welche etwa 3| mm beträgt. Die vordere Grenze ist nicht genau zu bestimmen. Sein bei weitem grösserer Theil liegt aber tief in einer weiten Rille des Oberkiefers. Sein hinteres Ende schiebt sich zwischen den Orbital- fortsatz des Stirnbeins und den Zwischenkiefer ein, welche Knochen beide fast berührt werden. — Auf der linken Schädelseite endet das Jochbein an gewohnter Stelle und trägt auf seinem Vorderende eine kleine Vertiefung. Das Thränenbein war hier nicht mit dem Jochbein verwachsen und ging verloren, wofür eine weit klaffende Rille sowie jene kleine Einsenkung des Jochbeines zweifellos sprechen (Fig. 46 — 47), Auf beiden Seiten des Schädels ist nur eine weite Rille vorhanden; man kann aber, wenn man will, auch hier die Spur einer Mittellamelle finden in einer von dem vorderen Blatte abgehenden Leiste, die den Eindruck erweckt, dass vorderes und Mittelblatt mit einander ver- wachsen sind. Aus den angeführten Beispielen ist ersichtlich, dass die Thränen- beine ihrer Form nach sehr verschieden sein können , und dass die Beschreibungen einzelner Exemplare keinen Rückschluss auf die Ge- stalt des Lacrymale der Manati überhaupt zulassen. — Am gleich- massigsten scheint es bei M. inunguis ausgebildet zu sein, wo es in den drei von mir beschriebenen Fällen ein dünnes zartes Plättchen bildet, eine Form, die ich bei den andern Arten nicht beobachtete. Die Lage des Thränenbeines zeigt nur unwesentliche individuelle Ver- schiedenheiten, Die Nasenbeine der Manati. Der Nachweis der Nasenbeine der Manati hat seine eigne kleine Geschichte, deren Einzelheiten namentlich von Kkauss 1858 1. c. ein- gehend dargestellt sind. Das Wichtigste ist, dass Cuvjek 1. c. 1809 Beiträge zur Kenntniss der Mjinatus-Arten. 87 sich zuerst für das Vorhandensein der Nasalia aussprach, BLATNvrLi.E 1. c. sie, wenn auch unter falscher Deutung, zuerst abbihlete, Stannius dieselben 1. c. 1846 zuerst von einem M. inunguis Natt. nach Form und Lage beschrieb, und endlich Krauss I.e. 18 62 die erste Schil- derung und Abbildung der Nasalia des M. latirostris gegeben hat. In Betreff des M. senegalensis sprach sich 1865 J. E. Gray 1. c. für den gänzlichen Mangel der Nasenbeine, wenigstens gegen irgend wel- chen Zusammenhang derselben mit dem übrigen Schädel aus und behauptete, dies sei der einzige constante Unterschied, welcher M. senegalensis von M. latirostris trenne. Wie sehr Gray sich irrte, wird aus Nachfolgendem ersichtlich sein ; übrigens wurde auch bereits von Lepsius 1. c. 1881 das Nasenl)ein eines afrikanischen Schädels beschrieben, dessen frühere gänzliche Ableugnung durch Gray um so auffallender ist, als die Bi.AiNviLLE'sche Abbildung gerade die Nasen- beine dieser Art darstellt. Typische Nasenbeine, die dachartig einen Theil der vorderen Nasenhöhle überwölben, giebt es bei den heutigen Sirenen nicht mehr. Zu den Veränderungen, die das Wasserleben allmählich am Skelet dieser Thiere hervorrief, deren Stamm und Ursprung wir in der Nähe der Hufthiere zu suchen haben, gehört auch die Reduction dieser Knochen, die bei der heutigen Gattung Halicore bis zu einem fast gänzlichen Schwunde derselben vorgeschritten ist. Natürlich war die Rückbildung der Nasalia von nicht so fundamentaler Bedeutung wie etwa die der hinteren Extremität, und so sehen wir denn dieselben bei dem fossilen Genus Halitherium noch in der andern Säugethieren gleichenden Art und Weise erhalten. Unter den Sirenen historischer Zeit aber finden sich nur noch bei Rhytina und Manatus Reste derselben, deren Verständniss natürlich nur im Vergleich mit Nasenbeinen fossiler Gattungen möglich ist. Wollen wir daher in Folgendem die Nasalia der Manati näher betrachten, so dürfte eine kurze Beschreibung der gleichen Knochen bei Halitherium nicht über- flüssig sein. Die Nasenbeine des Halitherium, r^- o t^- xt t • ' Flg. 2. Die Nasenbeine sagt Lepsius 1. C, „überwölben den {nas.) bei Halitherium.. par. Parietalia. mittleren Theil der weiten Nasen- /»•• Frontaiia. /»-.orJ. Orbitaifortsat. des Stirnbeins, v. Vomer. im Zwi- öffnung als solide Deckknochen, stos- schenkiefer (nach lepsius). CL. HARTLAUR, Fig. 3. DasNasen- b e i n von Halitherium von vorn (aus einer Figur von Lepsius). sen in einer längeren medianen Naht zusammen, verwachsen mit lamellösen Wurzehi im und am Stirnbein sowie mit dem Stirnfortsatz des Oberkiefers, werden von dem dünnen Seitenblatte des Siebbeins von unten her zum Theil überkleidet und sind überlagert von dem Stirnaste des Zwischenkiefers." — „Die Nasenbeine biegen ihre Flächen derartig, dass sie in der Mitte neben der medianen Naht wenig, dann stärker nach den Seiten und unten abfallend die Nasenöffnung halb- kreisförmig überwölben und endlich wieder ansteigend der inneren Seite der Orbitalfortsätze des Stirnbeins anwachsen." Bei Manatus ist von diesen Nasenbeinen nur ein kleines Stück zurückgeblieben, und zwar nicht von dem oberen horizontalen Theile, sondern von dem an der Innenwand des Stirnbeines aufsteigenden Abschnitte, wie es in nebenstehender Abbildung (Fig. 3) durch Schraffirung angedeutet ist. Die Rückbildung ging also sowohl von dem unteren äusseren als dem inneren oberen Ende aus, und das heutige Nasenbein entspricht mithin einem übrig gebliebenen Mittelstück. Die Nasenbeine der Manatus- kxi&n zeigen im Wesentlichen den gleichen Bau, obwohl derselbe zwischen zwei Extremen schwankt, dem einer scharf' dreieckigen Knochenplatte und dem eines dickmandelförmigen Körpers. Von beiden halte ich aber die erstere für eine ursprünglichere, da mir in dem Habitus einer Platte der Charakter des Nasenbeines besser erhalten zu sein scheint, und führe ich deshalb auch das zweite Extrem auf diese als auf die Grundform zurück. Die ungleich- seitige dreieckige vertikal stehende Knochen- tafel, die ich als solche betrachte, ruht auf ihrer längsten Kante und legt sich der frontalen Nasenhöhlenwand in der Gegend des vorderen Stirnrandes an. Sie besitzt drei Flächen , zwei sich in einer oberen und unteren Kante vereinigende Seitenflächen, von denen mindestens eine convex ist, und zwischen den vorderen Rändern dieser eine dritte meistens deutlich spindelförmige Vorderfläche. Die drei Ecken sowohl wie die drei Flächen lassen sich an allen von mir gesehenen Nasen- beinen auffinden. — Die tafelförmigen und mandelf()rniigen Nasenbeine repräsentiren Reste aus verschiedenen Regionen des einstigen bei Hali- Fig. 4. Di e N a sen- b e i n e von Halitherium nach l.KPsms. Die punk- tirte Linie bedeutet die vordere Grenze des Stirn- beins. Beiträge zur Keiintiiiss der Maiiatus-Arteii 89 TfL ul\ Fig. 5. Rechtes Nasenbein eines M. s enegal cn si s schematisirt. o Ä. obere Spitze, uh. untere, oh. obere Kante. v.fl. Vorderfläche. L.S. laterale Seite. thcrium noch erhaltenen Knochens. Erstere entsprechen einem Ab- schnitte des unter dem Schädeldach in das Stirnbein eingekeilten Wurzeltheiles , letztere einem Stück der vor dem Schädeldach ge- legenen Partie. Betrachten wir zunächst die Nasalia des M. senegalensis. Sie besitzen, wie es scheint, noch oft jene soeben als typisch be- zeichnete Gestalt einer Knochen- platte, obwohl Uebergänge zu man- delförmigen Nasenbeinen , wie sie bei M. latirostris ausschliesslich vorkommen , nicht ungewöhnlich sind. Die Hauptunterschiede der Nasenbeine beruhen in der ver- schiedenen Dicke und Länge des Knochens, sowie besonders darauf, dass die hintere obere Kante in ihrer Länge variirt und dadurch eine bald mehr steile, bald eine sehr schräge Richtung der Vorderfiäche veranlasst. Der Schädel unsrer zoologischen Sammlung in Bre- men, an welchem beide Nasalia erhalten sind, liefert ein schönes Beispiel für obenstehende Darstellung eines platten artigen Nasenbeines. Der etwa 3,5 cm lange Knochen besitzt eine Höhe von 1,8 cm. Seine spindelförmige Vorderfläche hat eine Breite von 6 mm und ist 2,4 cm hoch. Die hintere Kante misst 2,1 cm. Die innere Seitenfläche ist ein wenig länger als die äussere, dem Stirnbein anliegende, wodurch die Vorderfläche eine etwas nach aussen gerichtete Lage erhält. Der bei weitem grössere Theil des Na- senbeines liegt unter dem Schädel- dach verborgen, in eine von dem Stirnbein gebildete Tasche eingekeilt; die untere Portion der Innenfläche wird nämlich von einer ziemlich kräftigen Lamelle dieses Knochens umfasst. In dieser Tasche geht das Nasenbein mit dem Stirnbein durch beiderseitige Bildung in- einander greifender Nadehi und Zapfen eine enge Verbindung ein. Eine ganz ähnliche Befestigung beschreibt Lepsius von den Nasalien Fig. 6. Rechtes Nasenbein des Bremer Schädels von M. s e- nefjalensis Dksm. (nat. Gr.). a. von der lateralen Seite, b. von vorn. 90 CL HARTLAUB, des HaUtherium, die sehr passend als Wurzel ung bezeichnet wird. Die beiden Seitenflächen sind schwach convex, dementsprechend das Stirnbein zur Aufnahme der äusseren auch eine nur sehr geringe Vertiefung bildet. Die obere Muschel, die häufig mit der inneren Seitenfläche in Berührung tritt, legt sich in diesem Falle an die das Nasenbein umfassende Lamelle des Stirnbeins an. Die obere Spitze des Nasenbeins, die sehr oft den vorderen Stirnrand berührt, liegt etwas hinter und unter diesem unterhalb des Schädeldaches. Sehr ähnlich diesem Nasenbeine ist dasjenige von dem Berliner Schädel Nr. 26333, welchem leider das der linken Seite fehlt. Die von Lepsius gegebene Beschreibung eines Nasenbeines wurde wahrschein- lich demselben Schädel entnommen. Die scharf dreieckige Knochenplatte gleicht in ihrer Lage und ihren Hauptdimensionen den eben geschil- derten, ist jedoch noch beträchtlich ^ ' ly dünner. Die Breite seiner ziemlich V steil stehenden, 2,7 cm hohen Vorder- Fig. 7. R e c h t e s N a s e n b e i n öächc beträgt uur 3 mm. Diesc ist, des B e r 1 i 11 e r s e h ä d e 1 s Nr. 26333 da die beiden Seitenflächen von glei- von .W. senerjalensis DKSM (nat. Gr.) ^ ^ -^ ^^^ j^ a von der lateralen oeite. o von vorn. o 5 o gerichtet. Das Stirnbein bildet keine Tasche, sondern nur eine leichte Ein- senkung zur Anlehnung der äusseren Fläche und eine Art Leiste zur Unterstützung der unteren Kante ; die mediane, gi'össtentheils frei der Nasenhöhle zugewandte Fläche wird von dem oberen Rande der oberen Muschel gestützt. Im üebrigen ist das Nasenbein ganz in der Art des vorigen durch Bildung von Zapfen und Nädelchen befestigt. Die obere Spitze desselben berührt den vorderen Stirnrand. Die beiden Seitenflächen sind nicht regelrecht convex, sondern wellig (Fig. 11, 59). Während die beiden bis jetzt geschilderten Nasenbehie fast aus- schliesslich einen Rest von dem Wurzelstück der einstigen Nasalia bildeten, repräsentirt das folgende bereits einen etwas mehr nach vorn gelegenen Theil. Nasenbeine, die zugleich ein grösseres Wurzel- stück und einen grösseren vorderen Abschnitt erhalten hätten, giebt es nicht. Das Eine ist immer auf Kosten des Andern entwickelt. Wie wir bis jetzt kaum einen vor dem Schädeldach gelegenen Theil constatirtcn, so sehen wir umgekehrt bei den mehr vor dem Schädel- dach gelegenen Nasenbeinen das Hinterende verkürzt. Die obere Ecke Beiträge zur Kenntniss der IMaiiatus-Arten. 91 -# Fig. 8. Rechtes Nasenbein des Hamburger Schädels von 31. senegalcnsis Desm. (nat. Gr.). a. von der lateralen Seite, b von vorn. des Knochens l)ildet die obere Grenze zwischen dem vor und dem hinter dem vordem Stirnrande gelegenen Abschnitte. Je weiter dem- nach ein Nasenbein nach vorn liegt, desto mehr verkürzt sich hinter dieser Ecke die hintere Kante desselben, derart, dass sie bei den dick- mandelförmigen, vor dem Schädeldach gelegenen Nasenbeinen des M. latirostris kaum und manchmal vielleicht gar nicht mehr nachzu- weisen ist. Der Hamburger Schädel ist im Besitze des rechten Nasen- beins. Dasselbe hat einen deutlich dreieckigen Umriss, ist aber kürzer und dicker. Seine untere Kante hat eine Länge von 2,6 cm, seine obere eine von circa 1,1 cm. Nach hinten läuft es in ein etwa 7 mm langes, bei der Messung nicht mitgerechne- tes Endstück aus, welches durch Fäulniss zerstört und vermuthlich nicht recht verknöchert gewesen ist. Seine mediane Fläche ist ziemlich stark convex und bedeutend länger als die äussere, wodurch die vordere Fläche stark nach aussen gerichtet ist und eine grössere Breite erhält, die nämlich in diesem Falle 9 mm beträgt. Die Höhe derselben misst 2,3 cm. Die grösste Dicke des Knochens beträgt 1 cm. Er liegt zum grösseren Theile vor dem Schädeldach. Eine Stirnbeintasche existirt nicht; nur die untere Kante wird vom Stirnbein gestützt. An die mediane Fläche legt sich die obere Muschel an. Die zur Befestigung dienende Zapfenbildung lässt sich nicht recht nachweisen, weil das hintere Ende des Knochens zu schlecht erhalten ist. Der letzte Nasalia besitzende Schädel ist der des neugeborenen Thieres aus dem Zoologischen Museum in Berlin. Freilich sehen wir durch die unvollständige Ma- ceration nur eine rings von häutigen Bestandtheilen umgebene , schwach convexe Fläche derselben, die dicht vor dem vorderen Stirnrande und neben der Innenwand der Orbital- Natürlich haben wir nas\ uns fortsätze liegt. Fig 9. Na s eil b 6 in e (was) e i n e s jungen M. senegalcnsis aus den» zoologischen Museum in Beilin (circa I/o der uat. Grösse). 92 GL. HARTLAUB, die Vorderfläche des Nasenbeines vor uns. Die Länge derselben be- trägt 11, ihre Breite 6 mm. Statt wie gewöhnlich nach aussen, ist sie ganz wenig nach innen zu gewandt. Ihre Gestalt ist bohnenförmig und wir können aus ihrem Umriss entnehmen, dass die mediane Fläche ziemlich stark convex, die äussere wellig gebogen ist. Die übrigen Schädel, deren Nasenbeine verloren gegangen sind, haben zum Theil noch unverkennbare Spuren von der ursprünglichen Existenz derselben. Der Schädel aus Wien z. B. hat sehr starke, längliche, glatte Aushöhlungen in der Innenfläche der Orbitalfortsätze des Stirnbeins, die noch ein wenig unter das Schädeldach hinunter- ragen. Diese Höhlungen sind circa 2,3 cm lang und 1,3 cm hoch und werden wahrscheinlich ein längliches, rundlich mandelförmiges Nasen- bein enthalten haben, welches sich durch starke Wölbung seiner late- ralen Fläche auszeichnete und vermuthlich eine fast vollkommen freie Lage vor dem Schädeldache gehabt hat. Sie werden den von Blain- viLLE abgebildeten Nasenbeinen sehr ähnlich gewesen sein (Fig. 12, 58). Zuweilen sind die Plätze für die Nasenbeine auf jeder Seite ver- schieden gestaltet, so z. B. bei den beiden Exemplaren aus Berlin, Nr. 26357 und Nr. 26358. Bei letzterem liegt in der Innenfläche des linken Orbitalfortsatzes des Stirnbeins eine Concavität, die sich noch in eine im Stirnbein liegende Höhle fortsetzt, welche einen kegelförmigen hinteren Fortsatz des Nasenbeins enthalten haben muss. Dieser war vielleicht ein besonders stark entwickeltes Exemplar der bereits beschriebenen Zäpfchen. Zur Stütze für die untere Kante des Nasenbeines diente eine ziemlich kräftige Rille. Die Lage des Kno- chens war eine vollkommen freie vor dem Schädeldach ohne jegliche Berührung mit dem vorderen Stirnrande. Auf der rechten Schädel- seite findet sich weder jene kegelförmige Vertiefung noch überhaupt Spuren von einem Nasenbeine gleicher Art. Man könnte fast zweifeln, ob hier überhaupt dasselbe vorhanden war. Dass bedeutende Unter-' schiede in der Grösse der beiden Nasenbeine nicht ungewöhnlich sind, wird später die Beschreibung der Nasenbeine des 31. latirostris eben- falls ergeben, von dem diese Thatsache übrigens auch durch Kkauss bereits bekannt ist. Durch völligen Mangel an Hinweisen auf die frühere Existenz von Nasenbeinen zeichnen sich besonders der Stuttgarter und noch mehr der Lübecker Schädel aus. Wenn solche bei dem ersteren überhaupt entwickelt waren, können sie mit dem Stirnbein in nur sehr loser Verbindung gestanden haben. Von einer sonst hinter dem Nasenbein liegenden porösen zackigen Stirnbeinverdickung, ßeitrage zur Kenntniss der Manatus-Arten. 93 in deren Zapfen und Nadeln die des Nasenbeines eingreifen, findet sich hier Nichts. Eine ganz schwache Längsleiste mag vielleicht zur Unterstützung der unteren Kante gedient haben. Die obere Muschel liegt zu niedrig, als dass sie einen Schutz hätte bilden können. — Bei dem Lübecker Schädel ist es noch weniger möglich, über die Lage eines vielleicht vorhanden gewesenen Nasenbeines irgendwelche Muthniassungen aufzustellen. In solchen Fällen haben wir unter den drei Möglichkeiten eines durch sehr freie Lage herbeigeführten Ver- lustes, ferner eines völligen Schwundes durch Rückbildung, oder drittens einer spurlosen Verwachsung mit dem Stirnbein zu wählen. Im Allgemeinen ist von der afrikanischen Art zu sagen, dass ihre Nasenbeine keineswegs selten in so engem Verbände mit dem Stirnbein stehen , dass sie sich am macerirten Schädel in situ er- halten und mindestens durch Vertiefungen im Stirnbein die deutlich- lichsten Spuren ihrer einstigen Lage zurücklassen. Das Nasenbein repräsentirt zuweilen einen Rest des vor dem Schädeldach gelegenen Abschnittes, häufiger jedoch ein Stück der unter demselben befind- lichen Wurzelplatte des Nasenbeines von Halitherium. Ich gehe jetzt zu der Species M. inunguis Natt. über, von der ich allerdings nur einen Schädel mit Nasenbeinen besitze und zwar den bereits von Stannius beschriebenen. Sie zeigt, wie in vielen Einzelheiten, so auch in der Form und Lage ihrer Nasalia Ueberein- stimmung mit M. senegalensis. Diese sind deutlich dreieckige, der frontalen Nasenhöhlenwaud anliegende Knochenplatten, die zum bei Weitem grösseren Theile unter dem Schädeldache stecken. Ihre obere Spitze berührt den vorderen Stirnrand; ihre vordere Fläche verläuft ziemlich schräg nach unten, sie ist namentlich auf der linken Seite etwas nach aussen gerichtet. Stannius bezeichnet diese Nasenbeine als ziemlich dicke Knochen, was sie übrigens im Vergleich mit andern Nasenbeinen keineswegs sind; die Breite ihrer Vorderfläche, die ge- wöhnlich zugleich die grösste Dicke des Nasenbeines ist, beträgt nur 3 mm; die Länge derselben 1,7 cm; die Höhe des Nasenbeines 1 cm. Die übrigen Maasse lassen sich nicht genau bestimmen, weil die Nasen- beine aus ihrer Lage nicht zu isoliren sind ; ich schätze ihre Länge auf etw^a 3 cm. Die obere Kante ist concav, die untere convex. Eine Stirnbeintasche ist nicht gebildet ; an die mediane Fläche legt sich die obere Muschel, und für die laterale hat das Stirnbein eine, wie es scheint, ziemlich tiefe Nische. Was Lepsius bereits an den Nasen- beinen des Berliner Schädels bemerkte, dass die obere Ecke um einige mm weiter nach innen böge, ist auch hier ziemlich stark der Fall, 94 CL. HARTLAÜß, nur kann man statt „Ecke" obere und untere Kante sagen. Gewiss ist die Deutung dieses Umstandes, dass nämlich darin ein schwacher Rest davon zu erblicken sei, dass einst (bei Halitherium) diese Knochentafel die innere Nase ganz überwölbte und mit dem linken Nasenbein in der Mitte zusammenstiess , vollkommen berechtigt. Das Interessanteste aber an diesen Nasenbeinen ist ihre Verbindung mit dem Oberkiefer, die bereits von Stannius erwähnt worden ist. Die Fig. 10. V e r b i n d u n g d e s U berkiet'ers mit dem Nasenbein bei einem Schädel des M. inunguis Natt. aus Rostock (nat. Gr.). nas. Nasenbein, im. Zwi- schenkiefer, max. Oberkiefer, fr.orb. Orbitalfortsatz des Stirnbeins. Jr. wahrscheinlich eine Knochenlamelle des Stirnbeins , die gleichsam eine untere Fortsetzung des Nasen- beines bildet und ebenfalls mit dem Oberkieferfortsatz durch Naht verbunden ist. O.E. die unter dem vorderen Stirnrand liegende, diesen berührende obere Ecke des Nasenbeines. v.o.B. vorderer Orbitalbogen des Oberkiefers. aufsteigende Nasenhöhlenwand der Maxilla bildet ja bekanntlich in der Mittelgegend der Orbitalfortsätze des Stirnbeins einen dem Stirnrande zustrebenden Fortsatz, welcher manchmal mit dem sich zwischen den Zwischenkiefer und den Orbitalfortsatz des Stirnbeins einschiebenden vorderen Orbitalbogen des Oberkiefers verwächst und dann in dieser seiner Vereinigung von Lepsius als Stirnfortsätz bezeichnet wird. Ob, eine solche auch bei unserm Schädel eingetreten ist, möchte ich be- zweifeln ; jedenfalls aber ist das Vorderende des Nasenbeins mit dem oberen Ende des erstgenannten, der Nasenhöhlenwand zugehörigen Fortsatzes durch eine etwa 5 mm lange Naht derart verbunden , dass das Nasenbein geradezu die directe Fortsetzung jenes zu bilden scheint. Eine Verbindung des Stirnfortsatzes des Oberkiefers mit dem Nasen- bein ist bei Halitherium constant, und deshalb ein ähnliches Verhalten bei einem Manatus um so bemerkenswerther , als es ausserordentlich selten ist und von Lei'sius überhaupt geleugnet wird. Ob die Nasen- beine des M. inunguis, wenn sie vorhanden sind, stets diese Naht mit dem Oberkiefer l)ilden, wäre interessant zu erfahren und gar nicht un- ßeiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 95 wahrscheinlich, da diese Species noch andre an Halitherium erinnernde Eigenschaften besitzt, so z. B. die grosse Dünne seiner Jochfortsätze des Temporale, die P'orm seiner Orbitalfortsätze des Stirnbeins u. a. — Fehlt das Nasenbein, so geht jener maxillarc Fortsatz statt mit diesem mit einer an der Wurzel des Orbitalfortsatzes gelegenen Sirnbeinver- dickung in ganz gleicher Weise eine Nahtverbindung ein, und man könnte fast versucht sein, diesen Theil des Stirnbeins als ein ver- wachsenes Nasenbein zu deuten. Es wäre dies jedoch irrthümlich, weil er in ganz gleicher Weise bei Schädeln der beiden andern Arten vorkommt, die ein selbständiges Nasenbein besitzen und bei M. lati- rostris diesen als breite Unterlage dient. — Keiner meiner übrigen Schädel von M. inunguis besitzt Nasenbeine oder irgendwelche Ver- tiefungen im Stirnbein, die auf einen Verlust derselben hinwiesen. Man kann also mit Sicherheit behaupten, dass sie auf keinen Fall Nasen- beine von der Form und Lage der eben beschriebenen besassen. Auch der kleine, von Stannius eigenhändig präparirte Schädel eines neuge- borenen Thieres besitzt keine Nasalia. Bei ihm enden die besprochenen Oberkieferäste ausnahmsweise frei. Spuren irgendwelcher Vei'wach- sung des Nasenbeins mit dem Stirnbein sind, wie Stannius besonders betont, nicht nachzuweisen. Wie die Gegensätze in der Existenz von Nasenbeinen bei dieser Art zu erklären sind, bei einem Individuum das Vorhandensein, bei fünf andern das spurlose Fehlen derselben, ist einstweilen nicht zu entscheiden; nur so viel lässt sich wohl behaupten, dass man es nicht mit einem durch die Maceration herbeigeführten Verlust zu thun hat, da Stannius, der seinen Schädel mit grösstdenklicher Sorgfalt selbst von Weichtheilen befreite, etwa vorhanden gewesene Nasenbeine keinen- falls übersehen haben würde. Die Nasenbeine des M. latirostris Harl. sind bereits durch die Abbildungen und Beschreibungen von Krauss 1. c. 1862, und Murie 1. c. 1872 einigermaassen bekannt. Ich habe an vier Schädeln diese Knochen studiren können und habe gefunden, dass sie in ihrer Form und Lage sehr mit einander übereinstimmen. Sie repräsentiren alle einen Rest des vor dem Schädeldach gelegenen Abschnittes ; unter dem Schädeldach gelegene Knochentafeln , bedeutendere Eeste des Wurzelstückes scheinen bei dieser Species überhaupt nicht vorzu- kommen. Die Gestalt der Knochen ist stets eine dickmandelförmige, jedoch ist das Schema eines dreieckigen dreiflächigen Körpers auch hier nicht zu verkennen. Der hintere dem Wurzelabschnitt entspre- chende Theil ist fast ganz rückgebildet, die hinter der oberen Spitze CL. HARTLAÜB, gelegene Kante dementsprechend aus- serordentlich kurz. Je stärker das Na- senbein nach vorn zu entwickelt ist, desto mehr tritt natürlich diese obere Spitze, die wie gewöhnlich in Berüh- rung mit dem vordem Stirnrande steht, nr^./'/;/:l'^l%V/^''r"''V" gegen das Vorderende des Knochens vom M. Latir o stris etwas sehe- o o niatisiit. ok obere, %ilc. uiiteie Kante, ZUrÜCk , UUd die Vorderflächc , WelchC o.6>. obere Spitze, v.fl. vordere, y :^^ p ,^^ ^^^ einander Verbindet, mß,. mediane i? lache. ' erhält dadurch eine bedeutend schrägere Lage. Die Nasenbeine sind gewöhnlich kurz und immer niedrig, die Länge kann jedoch bis 3,5 cm betragen, so z. B. an dem prachtvollen grossen Schädel aus Wien. — Sie ruhen auf breiter Unterlage, auf jener gewöhnlich porös-lamellösen Verdickung des Stirnbeins, die durch Naht mit dem vorhin erwähnten Oberkiefer- fortsatz verbunden ist. Ihr hinteres Ende, das verkümmerte Wurzel- stück, senkt sich, wenn es wirklich entwickelt ist, in das Stirnbein ein und ist in diesem durch die bekannte Bildung von Nadeln und Zapfen befestigt. Gewöhnlich ist aber eine zu solcher Einsenkung nöthige Vertiefung im Stirnbein gar nicht vorhanden, in solchen Fällen wird das Wurzelstück gänzlich rückgebildet sein, und das Nasenbein iamit auch keinen dreieckigen Umriss mehr besitzen. Von den beiden Seitenflächen pflegt die äussere am meisten concav zu sein; doch giebt „ . „_« es selten derselben besonders ange- f^^' <^ W\ passte Vertiefungen in der Innen- ^^^ •■'^' fläche der Orbitalfortsätze des Stirn- l)eins. Die mediane Fläche tritt mit der oberen Muschel nicht in Berüh- rung. Die Vorderfläche ist je nach der Fig. 12 Linkes Na. s^enb ein Längendiflereuz der beiden Seiten- a e s W 11 r /, b 11 )• g c r Schädels von ° M. latiro^tris II AUL (nat Grösse). flächcu bald gerade nach vorn, bald a. von der lateralon Seite, h. von ^.^^^^ ^^^t^^ aUSSCU gerichtet. Einzeln vorn. scheint eine ganz lose Berührung mit dem Oberkiefer vorzukommen , doch keinenfalls eine Nahtverl)iii(lung mit demselben. Die beiden Nasenbeine sind häuflg von verschied(;ner Grösse, so z. B. bei dem Wiener und Stutt- garter Schädel Nr. II, bei welchen beiden das linke beträchtlich stärker ist. Bei alhni vier Exem])lareii mit Nasenbeinen sind diese mit ihrem hinteren Ende in Stirnbeintaschen eingekeilt, welchem Umstände man ßeiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 97 natürlich ihre Erhaltung verdankt. Die Maasse des grössten Nasen- beins am Wiener Schädel sind für die Dicke 1 cm, für die Länge der vorderen Fläche 3,1 cm, für die Gesammtlänge circa 3,5 cm ; die des linken Nasenbeins am Würzburger Schädel für die Dicke 1 cm, für die Länge 2,1 cm. Es bleibt mir noch übrig, den interessan- ten Fall einer Verwachsung der Nasenbeine mit dem Stirnbeine zu erwähnen, welchen der kleine Stuttgarter Schädel Nr. II aus Surinam aufweist. Die Nasenbeine sind ziem- lich klein, vor Allem das rechte, welches nur halb so gross wie das linke ist. Beide stecken in einer Stirnbeintasche, deren vor- dere Contur theils deutlich erhalten, theil- weise aber durch Verknöcherung verschwun- den ist. Die wesentliche Eigenthümlichkeit der Nasenbeine des M. latirostris besteht darin, dass sie im Gegensatz zu den beiden andern Arten vorwiegend einen Rest des vor dem Schädeldach gelegenen Abschnittes des einstigen Nasenbeines (von Haliiherium) repräsentiren. Fig. 13. Verwachsung der Nasenbeine mit dem Stirnbein bei einem M. latirostris Harl. (Exemplar aus dem königl. Naturalien-Cabinet in Stutt- gart.) (circa ^/^ der natiirl. Grösse). Zur geographischen Verbreitung der drei Manatus-Arten. Die erneute Feststellung zweier amerikanischen Arten erfordert es, dass die Verbreitung einer jeden genauer präcisirt werde, und auch über die Ausdehnung des M. senegalensis in Afrika lassen unsre Kenntnisse noch viel zu wünschen übrig. Im Allgemeinen ist ja bekannt, dass die Seekühe an den atlan- tischen Küsten eines Theiles von Afrika und Amerika leben, ausser- dem aber Flussbewohner sind und zwar nur in solchen Strömen vor- kommen, deren Wasser sich an denselben Küstenstrecken in den Ocean ergiesst. Die Verbreitung des M. senegalensis erstreckt sich nach Brandt 0 vom 16. Grade nördl. bis zum 10. Grade südlicher Breite und vom 20. Grade westlicher bis zum 20. Grade östlicher Länge. 1) Brandt 1869. 1. c. pag. 255. Zoolog. Jalirb. 1. 9Ö bh. HARTLAÜB, Diese Angabe bedarf indessen nacb den Ergebnissen der neuesten Nachforschungen einer Berichtigung. Schweinfurth ' ) erzählt, dass es höchst wahrscheinhch in dem von ihm entdeckten Kibali Manati gebe, einem Flusse, welcher weiter unterhalb den Namen Uelle führt, auf den Blauen Bergen Baker's im Nord -Westen vom Albert- Nyanza entspringt und nach des berühmten Reisenden Ansicht der Oberlauf des sich in den Tschadsee ergiessenden S c h a a r i ist. Den Namen Kibali führt der genannte Strom zwischen dem 28. und 32. Grade östlicher Länge, und es wäre somit etwa der 30. Grad als östliche Verbreitungsgrenze zu betrachten. Schweinpurth beobachtete allerdings das Thier nicht selbst, sondern schloss sein Vorkommen nur aus den allerdings gar nicht anders zu deutenden Beschreibungen der Eingeborenen. Diese erzählten ihm von einem Thiere, welches sie Charuf el bachr, d. h. Flussschaf, nannten. Ist die Meinung Schweinfurth's, dass der Kibali der Oberlauf des Schaari sei, thatsächlich begründet — und das Vorkommen des Manatus im Kibali scheint, da nach Barth's^) Ansicht Manati im Schaari leben, ja etwas dafür zu sprechen — , so ständen wir vor der höchst interessanten Wahrnehmung, dass ein Manatus im Gegensatz zu allen übrigen Ver- tretern der Sirenen ein ausschliessliches Süsswasserthier geworden sei; denn der Tschadsee und der Schaari stehen ja mit dem Ocean in keinerlei Verbindung. Indessen, ehe wir uns zu dieser Annahme bequemen, bedarf es noch weit sichrerer Nachrichten. Sowohl Barth's Angabe über den Manatus im Schaari, als auch Schweinfurth's Urtheil über den Zusammenhang des Kibali mit dem Schaari haben nur den Werth von Vermuthungen. Barth spricht von einem grossen Säugethiere, welches wahrscheinlich mit dem Manatus Vogelii identisch sei, und es ist also diesen Worten, zumal da Nachtigal's ^) Be- mühungen, den Manatus im Gebiete des Schaari zu constatiren, ver- geblich waren, keine allzu grosse Bedeutung beizulegen. — In Betreff aber der Zugehörigkeit des Kibali ist die neueste von Habenicht-*) in der jetzt erscheinenden Karte von Afrika in 10 Blättern vertretene Anschauung die, dass der Kibali gar nicht zum Flusssystem des Schaari, sondern vielmehr zu dem des Congo gehört und der Ober- lauf des sich in diesen ergiessenden Ubanchi ist. — 1) SciIWEINFUETH, 1. c. Bd. II. pag. 109. 2) Bakth, 1. c. Bd. III. pag. 289. 3) Nachtigal, 1. c. Bd. II. pag. G78. 4) Haiihnicht, „Afrioa iu 10 Blättern," Justus Perthes, Gotha 1885, feeiträge zur Kenntniss der Manatus-Arteö. 99 Sehr dankbar bin ich Herrn Dr. Pechuel - Loesche für einige Mittheilungen über die Verbreitung der Manaten -). Ich entnehme seinem Briefe Folgendes: „In Westafrika leben sie im Kamerun, im Muni und Munda, Ogove, im B a n y a (Nordgrenze der Loango- küste), im Kuilu, Luemma, Tschiloango, an der Loangoküste und im Congo. An der Loango-Ktiste werden sie ngülu-mäsi (Schwein des Wassers) genannt und sind als Wildpret hochgeschätzt. Ich kann jedoch das Vorkommen der Manaten nur für die Gewässer der Nie- derungen, nicht für die des Gebirges, selbst nicht für die ruhigen, verbürgen! In der Congoniederung sind die scheuen Thiere häufig; oberhalb Borna bis zum Stanley -Pool (incl.) konnte ich Nichts fest- stellen." Von besonderem Interesse ist die Nachricht von dem Vor- kommen des Manatus im Congo; sie ist, soviel ich weiss, die erste sichere Kunde, die darüber existirt. Ausser den genannten Strömen habe ich noch folgende als Stand- orte der Manati bezeichnet gefunden : Senegal ( Adanson '^ ) Pennant ^ ), Gambia, Caracalla (Perktns 1. c). , Grand Cape Mount River, Abfluss des Fishermanlake in Liberia (Büttikofer 1. c), Niger (Barth), D ebu (Barth Bd. V, p. 476), Benue (Vogel), Calabar (M. Bain), Gabun (Du Chaillu), Bengo, Dande, Quanza (Monteiro 1. c. vol. IL p. 17, 124). Südlich vom Quanza scheint es keine Manaten mehr zu geben, und die Angaben, welche die Verbreitung derselben auf das Capland und die Ostküste nördlich bis zum Sambesi ausdehnen, wie sie sich z. B. bei And. Murray ^ ) finden, beruhen vermuthlich auf Irrthümern. Die Manaten in Amerika bewohnen die atlantischen Küsten und Flüsse zwischen dem 25. Grade nördlicher und dem 19. Grade südlicher Breite. Von der Species M. latirostris ist bisher erwiesen, dass sie an der Ostküste Floridas^) vorkommt, die Gewässer der grossen und kleinen Antillen belebt, im Magdalen enstrome ^^) ange- troffen wird und die Ostküste Süd-Amerikas und ihre Flüsse 1) Vergl. auch die Loaugo-Expedition, dritte Abtheilung erste Hälfte, vou Dr. Ed. Pechüel-Loesche. 2) Adanson, Voyage p. 143. 3) Pennant, Quadrupedes (Deutsch Bd. II. p. 603). 4) And. Murrat, The geographical distributiou of Mammals. Lon- don 1866. 5) Harlan 1. c. pag. 3, 6) V. Pelzeln 1. c. pag. 94. 7* iOÖ CL. HARTLAÜB, bis südlich zum Cap Nord'), also fast bis an die Mündung des Ama- zonenstromes, vor Allem aber Surinam bewohnt. Der Manatus inunguis Natt. , welcher nach Humboldt ein aus- schliesslich fluviatiles Thier sein soll, ist bis jetzt nur im Orinoko und Amazonas, und zwar nur im Oberlauf dieser Ströme, beobachtet. So viel stände über die Verbreitung einer jeden Art bis jetzt fest. Völlig im Ungewissen ist man aber noch darüber, welche von beiden Arten diejenige ist, welche nach verschiedenen Nachrichten die Küste Brasiliens zwischen den Mündungen des Amazonas und St. Mathaeus bewohnt. Spix und Martius berichten, dass man im St. Francisco noch Seekühe fände, während dieselben in den andern Küstenflüssen zwischen Rio de Janeiro und dem M a r a n h a o durch zu grosse Nachstellungen ausgestorben seien. Prinz Max von Neu- wied erzählt von dem Leben des Manatus im St. Mathaeus und sagt, dass er gelegentlich aus diesem heraus durch die See längs der Küste bis in den Fluss Alcobaca schwimme. — Ich möchte fast glauben, dass man es hier mit dem M. inunguis Natt. zu thun hat; denn die HuMBOLDT'sche Meinung, dass der Manati des Amazonas und Orinoko ein ausschliesshcher Flussbewohner sei, kommt mir nicht sehr wahrscheinlich vor. Der Umstand, dass man im Unterlaufe jener grossen Ströme die Manaten noch nicht nachgewiesen hat, scheint mir wenigstens die HuMBOLDT'sche Ansicht nur wenig zu unterstützen. Man hat ja in Afrika ein ganz analoges Verhalten, insofern die mir bekannt gewordenen Fundorte sich ganz vorwiegend auf den Oberlauf grosser Ströme und auf kleine Küstenflüsse beziehen. Den meist dicht bevölkerten Unterlauf der grossen Ströme werden die Manaten der Nachstellungen halber rasch zu passiren suchen, und andrerseits wird hier auch der Fang der Thiere durch die grössere Gewalt und Breite der Gewässer erschwert. Leider sind ja uhsre Kenntnisse über di.e Lebensweise der Manaten noch sehr gering. Es heisst, dass sie die Flüsse hinaufwandern; ob aber diese Wanderungen alljährlich sich wiederholen, die Thiere also regelmässig ins Meer wieder zurückkehren, oder aber ob es sozusagen in ihrem Belieben liegt, im Oberlauf des Flusses zeitlebens zu bleiben, darüber sind wir noch gänzlich im Unklaren. Es wäre doch von Wichtigkeit zu wissen, ob das Hhiauf- steigen in die Flüsse etwa in irgend einem Zusammenhange mit der Fortpflanzung der Thiere steht und au gewisse Jahreszeiten gebun- den ist. 1) V. Pelzeln 1. c. pag. 89. Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 1Q1 Ebenso wie über die südliche Verbreitungsgrenze sind wir in Be- treff der westlichen noch wenig unterrichtet. Ob die Sirenen der Campeche-Bay und die von Honduras der Species M. laürostris angehören, ist, wenn auch höchst wahrscheinlich, doch noch nicht be- wiesen. Seitdem aber das Thier im Magdalenenstrome erlegt wurde, ist die Vermuthung, dass alle Manati des Golfes von Mexico „latirostres" sind, wohl gerechtfertigt. Ob sie an der Nordküste dieses Golfes vorkommen, bleibt eine noch olfene Frage. Dass der M. laü- rostris in Südamerika die Ströme weit hinaufgeht, beweist das mir von Herrn Umlauff in Hamburg gütigst geliehene Exemplar, welches 50 Meilen flussaufwärts von der Stadt Bolivar im Orinoko ge- schossen wurde. Zugleich erfahren wir dadurch, dass der Orinoko beide Manatus-Arten enthält. Vortreffliche Auszüge von Berichten älterer Reisewerke finden sich bei Oken und F. Cuvier 1. c. Auch Brandt giebt ein sehr umfas- sendes Verzeichniss der von den älteren und neueren Autoren ange- gebenen Standorte. Dass aber schon der Entdecker Amerikas Sirenen beobachtete, scheint ihnen unbekannt geblieben zu sein. — Im Tage- buch seiner Reise vom 9 Januar 1493 heisst es : „Columbus b eri ch t et, dass er drei Sirenen sah; sie erhoben sich weit über die Oberfläche des Wassers, aber schienen ihm keines- wegs schön zu sein." Columbus befand sich damals an der Küste von St. Domingo bei Monte Cristi^). Unter den neueren Autoren geben Wallace und Agassiz mehr oder minder wichtige Nachrichten. Als Localitäten, an welchen M. laürostris beobachtet wurde, nenne ich: In Guayana die Flüsse Iracubo, Sinnomari, Oyapoc, Marowine, Commewyne, Surinam, Demerara, das Gap Nord und Cap Orange. Die Küsten und Flüsse Venezuelas (Dampier) (der Orinoko). In C o 1 u m b i e n der C i e n e g a (ein Arm des Magdalenenstromes an dessen Mündung). Der Golf von Darien (Dampier). Der Golf von Honduras und die Campechebay, der Fluss Blewfield in Nicaragua (Dampier). Cuba, St. Domingo (Fluss Ozama), Puertorico, Jamaica, Trinidad, Martinique; Marie Galante (Dapper). Die Verbreitung des Manatus inunguis ist auf das Stromgebiet des Orinoko, Amazonas und vielleicht das der kleineren Küsten- 1) E. Chaeton 1. c. T. III, pag. 128 102 CL. HARTLAUB, flüsse Brasiliens bis südlich zum St. Mathaeus beschränkt. Es sind besonders vier Expeditionen, denen wir unsre Kenntniss vom Leben dieses Lamantins zu danken haben, nämlich die HuMBOLDT'sche (1799—1804), die von Spix und Martius in den Jahren 1817—1820 unternommene, ferner die NATTERER'sche (1817) und endlich die von F. DE Castelnau (1843 — 1847). Während die Forschungsreise A. v. Humboldt's interessante Schilderungen von dem Manatus des Orinoko zur Folge hatte, brachten die drei letzteren reiches Beobachtungs- material über den des Amazonenstromes. Die Manati beider Riesenströme sollen nach den übereinstimmen- den Aussagen von Humboldt und Natterer specifisch identisch sein. Ich kann nicht genug bedauern, dass es mir selbst unmöglich war, diese Uebereinstimmung durch den Vergleich von Schädeln zu be- stätigen; allein mein ganzes Untersuchungsmaterial, sowie überhaupt alle zu meiner Kenntniss gelangten Skelete und Bälge von M. inunguis stammen vom Amazonas. Besonders reich an Manaten sind nach Humboldt der Rio Meta, Apure und der „Cano del Manati, in welchem letzteren sie jährlich in ungeheurer Menge gefangen werden" (1860 1. c. Bd. HI p. 44). Oberhalb A tu res sollen sie dagegen nicht vorkommen, was sehr auffallend ist, da die Verbindung des Orinoko und Amazonen- stromes durch den Cassiquiare gerade oberhalb jenes Ortes sich be- findet. Der Manati des Orinoko wäre demnach von dem des Ama- zonas vollkommen abgesondert, denn an der Küste zwischen den Mün- dungen der beiden Ströme soll ja diese Species nicht beobachtet sein. Der Amazonas mit seinen grösseren Zuflüssen ist nach den über- einstimmenden Berichten der Reisenden von zahlreichen Manaten be- völkert. Martius (1. c. Bd. III p. 1120) schreibt über die Verbreitung derselben: „Der Lamantin bewohnte die Küstenflüsse zwischen Rio de Janeiro und Maranhao und wurde von den Ansiedlern wegen seines Thrans so stark verfolgt, dass er gegenwärtig fast ausgerottet ist. Nur im St. Francisco kommt er bisweilen vor. Um so gemeiner ist er aber immer noch im Amazonenstrome und seinem grösseren Confluenten" etc. Als Standorte in den Gewässern des Amazonas werden weiter von ihm genannt der Rio Negro, Solimoes und Manacarü, in welchen Flüssen er eine Länge bis 20 Fuss(!) er- reichen soll. Das von Spix und Martius heimgebrachte Material befindet sich in München, und es dienten davon drei Schädel auch mir zur Untersuchung. Natterer stellte seine werthvollcn biologischen und anatomischen Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. X03 BeobachtuDgcii währcud der Monate Januar bis April in Borba am Madeira an. Leider sind seine Sammlungen fast sämmtlich durch einen Brand des Wiener Museums zerstört worden. Am weitesten westlich wurde der Manatus inunguis aber von F. DE Castelnau angetroffen, und zwar in Ecuador zwischen Nauta und Pebas, also etwa auf dem 75. Grade westlich von Greenwich. Der Forscher berichtet darüber: „Presque tous les jours, pendantque l'Expedition descendait de Nauta ä Pebas on pechait des Vacas marinas (Lamantins), qui forment la base de la nourriture animale des habitants". Die von ihm gemachten Sammlungen befinden sich im Musee d'Histoire Naturelle zu Paris und bestehen aus mehreren Schädeln und der Haut und dem Skelet eines jungen Thieres. Bates berichtet (1. c. 1863. vol. II p. 165) über Manati, die er bei Barra an der Mündung des Rio Negro fand; Poeppig (1836. Bd. II pag. 373) erwähnt ihrer als Nahrungsmittel der Indianer von Maynas. 104 CL. HARTLAUB, Tabellarische Uebersicht der wichtigsten craniologischen Merkmale. M. sene- M. inun- M. lati- galensis guis rostris Allgemeiner Habitus des Schä- breit und schmal und breit und dels dickknochig feinknochig dickknochig ■ Foramen magnum .... rundlich rundlich oval Ausschnitt seines unteren Ran- fehlt fehlt vorhanden des S. 19. S. 51. Occipital- Erhabenheit auf dem Basal- theile des Occipitale und doppelt einfach doppelt r6gion Sphenoids S. 59. Aeusserer Rand der Exoccipi- knorrig knorrig glatter talia S. 18. S. 51. 1- Verwachsung der Lambdanaht spät S. 20. früh früh Stirnfortsätze der Parietalia . lang S. 20. Taf. 2, Fig. 12. ziemlich lang S. 52. kurz Temporalleisten des Schädel- vertical seitwärts vertical daches, wenn vorhanden . aufgerichtet gerichtet S. 52. aufgerichtet Processus zygomaticus des dick dünn dick Schläfenbeins S. 54. Vordere Einkerbungen des- einzeln stets sehr fehlen Temporal- selben vorhanden auffallend region S. 55. Tal. 4, Fig. 52. Der Körper des Jochbeins breit meist scharf sich unten S. 26. zugespitzt manchmal Tal. 4, Fig. 55. S. 55. Taf. 4, Fig. 53. zuspitzend Einsenkung des unteren Theils der temporalen Wand des Stirnbeins stark Tal. 2, Flg. 13. fehlt nur bisweilen massig Vorderer Stirnrand zwischen ( den Wurzeln der Orbital- j schmal schmal breit fortsätze ' glatt zackig zackig nach vorn schwach schwach Orbitalfortsätze des Stirnbeins stark diver- girend S. 21. Tat. 2, Fig. 9, 12. divergirend divergirend Umfang derselben an ihrer breit breit schmächtig Wurzel S. 53. Orbital- stark heraus- stark hcraus- nicht heraus- und Angulus postorbitalis derselben springend springend springend Frontal- ' S. 21. Taf. 2, Fig. 12. S. 53. region nach vorn stark con- fast parallel Obere Orbitalränder derselben stark con- vergireud Taf. 2, Fig. 12. vergirend S. 53. laufend rundlich und rundlich und meist OeflFnung der Orbita . . nach hinten nach hinten länglich und ziemlich ziemlich nach hinten geschlossen geschlossen weit offen S. 21. S. 55. , Foramen iniraorbitale . einfach S. 29 einfach manchmal getheilt Beiträge zur Kenntniss der Manatus-Arten. 105 M. sene- M. inun- M. lati- galensis guis rostris ■ Nasenbeine tafelförmig tafelförmig dick mandel- S. 89. S. 93. förmig Ihre Lagebeziehung zum Schä- unter unter vor deldach vorwiegend . . demselben S. 93. demselben demselben Form der Nasenhöhle . sehr breit lang und von massiger S. 31. schmal S. 57. Breite Winkel der Nasenfortsätze der abgerundet sehr spitz spitz Zwischenkiefer .... S. 31. Die Processus nasales der Zwi- schenkiefer hinten stark verbreitert S. 30. verbreitert meist wenig verbreitert Nasal- Sie bedecken die Nasenhöhlen- region fläche der Orbitalfortsätze der Frontalia stark niemals S. 57. nur einzeln Voraer kurz S. 35. kurz S. 59. lang Adventivleisten auf dem Boden vorhanden keine keine der Nasenhöhle .... S. 29. Taf. 2. Fig. 11. häufig voll- ständig oder Foramen incisivum ... einfach unvollständig getheilt S. 57. Taf. 2, Fig. 14. einfach Horizontaler Theil der Gau- kurz lang kurz ^ menbeine S. 59. Transversale Breite des Ge- gering gross gross lenkkopfes S. 35. Taf. 3, Fig. 31. sich stark Fig. 30. sich meist gestreckt, verbreiternd, verbreiternd. Processus coronoideus . ohne Ver- breiterung mit constan- tem hinteren hinterer Haken nur S. 36 Haken S. 60. einzeln ent- wickelt Unter- Taf. 3, Fig. 29. kiefer * Fossa mentalis interior tief S. 37. Taf. 3, Fig. 27. tief S. 60. sehr flach Unterer Rand des horizontalen gestreckt sehr schwach tief Astes S. 36. gebuchtet eingebuchtet Vorderes Ende des Unterkiefers abgestumpft S. 37. abgestumpft S. 60. spitz Untere Symphysennaht . . früh ver- wachsend stets erhalten tief rillenartig S. 37. Taf. 2, Fig. 16. 106 CL. HARTLAUR. M. scne- M. inun- 31. lati- galensis guis rostris Molaren gross klein gross S 74. Die Zacken an den Querjoehen mit nocli unbenutzter Molaren einfach Nebenzacken einfach des Oberkiefers .... S. 75. Taf. 3, Fig. 37. Gebiss < in einigen Fällen bis an uiclit bis an nicht bis an die Zwischen- die Zwischen- die Zwischen- kiefer resp. kiefer resp kiefer resp. Die Zahnreihen reichen auf die Sym- die Symphy- die Symphy- physenplatte senplatte des senplatte des des Unter- Unterkiefers. Unterkiefers. kiefers. S. 72. . Taf. 3, Fig. 21. 26. A n m. Bei der grossen Neigung der Schädel zur Variation ihrer Formen sei aus- drücklich gesagt , dass manche der angeführten Merkmale nur die Regel des Verhaltens bezeichnen ; man vergleiche deshalb den Text. Beiträge zur Kenntiiiss der Manatus-Arten. 107 .laqoSjjaiAiig sn^Bnog^ Hoo^sog ^mj^tn^jj ^ jlj naqoun]^ II u8i[oani\[ I naijounn Oi ^ cc 0 0 ^ in ■n t^ .n o ^^ '-D s^ w oo lO CO CO CO •C5 —' •^ es «o «n ■* ^ .n CO ^ 35 2o» CO KI eo 1 CO 05 »H t- 05 ü •■' cc c^ rH lO 'i> iC CO ^ ■0 co OD (N OS •^ e«5 CO •* 00 •n «5 t-» »H CO -' —' "• "" "" "^ ■* (N 35 -# ■* ■* 5<1 IC •* O CO c<5 05 CO eo 00 •* (M «0 0 CO "^ T-l "" i-H —' CO in a> t- 5 . ?s ^ CO S-taqsSiuo^i "3IM ^ jgnBiaifi 03 --S N ■* CO CO 35 >» ^ r-( 33 in » 10 CO ff> »0 iC t~ 0 t^ 05 05 CO CO I<1 — ' '* '"' "• ^ STUBUOa^ i[09qnq SjtiqmBH öl gSS9S 5g£9S ie£9S 8Sg9g in CO 33 03 33 t» t- w to 33 CO eo 00 ■«* CO «0 Oi CO 00 05 0 eo (N -^ — ' »H CO t* CO ^ .0 33 CO ^ in in l« CO t- -* "* b» o> CO h- 0» ■* CO IM •^ "^ ^ iH tH in ■« .n ■* CO in t- .n ■33 CO 't b- ■«* ■* CO 05 CO t- 0 eo 09 '^ ■^ '^ -^ •^ »H (N IN 0 IM 33 fH IM 1 1 ■* -* CO 05 1 CO 1 CO •^ '^ CO ^ ■* lO 1 rj< •^ 10 A 1 0 CO tH "^ 33 «> •* 33 CO in CO CO ^ 03 !>• 0 CV> tr- ■* -* CO 0 CO t- 00 '^ eo IM »H rt -^ "^ "^ ^ naraajg naiAV ^aBS^^ms CO ■^ CO o" 33 CC CO ocT a 3 i. o oä a) > 4: T3 :ce ~ O, ^ W CC =^ :S:0.2 H^ cn ^ .^ 5 T3 O 0'< . 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REICHENOW, deren männliche Individuen durch die nachstehend angeführten wich- tigsten Charaktere unterschieden sind. I. Mit kastanienbraunen Abzeichen am Kopfe: 1) Wangen und Kehle glänzend kastanienbraun: castaneigula Gab. 2) Wangen und Stirn glänzend kastanienbraun: galhula Rüpp. IL Kopffärbung ohne besondere Abzeichen. 1) Schwingen und Flügeldecken schwarzbraun, nicht grünlich überflogen , mit scharf abgesetzten, breiten blass- gelben Säumen: a. Schnabel schlank und spitz; Stirn, Kopfseiten und Kehle goldbraun : capensis Gm. b. Schnabel kurz und hoch ; nur die Kehle zuweilen gold- braun verwaschen: xanthops Hartl. 2) Schwingen und Flügeldecken braun mit gelbgrünem oder gel- bem Anflug, mit verwaschenen, gelben oder grünlich- gelben Säumen: a. Oberkopf grüngelb, von der Färbung des Rückens kaum abweichend: subaureus Smith. b. Oberkopf glänzend goldgelb oder orange, scharf abge- setzt von der Färbung des Rückens: aa. Unterflügeldecken, Innensäume der Schwingen und Schwanzfedern und Unterkörper blassgelb: aureo- flavus Smith. bb. Die genannten Theile goldgelb: bojeri Hartl. und F. 1. Ploceus capensis (Gm.) Oriolus capensis Gm. S. N. L, p. 392 (1788). — Icterus oliva- ceus Hahn, Vög. aus As. etc. Lief. 6 T. 4 (1822). — Icterus caffer LcHT. Dubl. Cat. p. 19 Nr. 186 u. 187 (1823). — Ploceus aurifrons Tem. PI. Col. T. 175 u. 17G (18V V). — Ploceus kterocephalus Sw. Nat. Hist. Birds I. p. 189 (1836). — Ploceus aureus Des Murs Le- febvre's. Voy. Abyss. Ois. p. 108 (18 ??). — Fringilla chrysopis Lcht. Berl. Mus. Ablnldungen : Hahn 1. c. — Tem. Tl. Col. T. 175 u. 176. - BuFF : PI. Eni. Bd. III, T. 607 (schlecht). — Smith lllustr. S. A. Zool. T. m F. 2. — RcHB., Singv. T. 42 u. 43, F. 315-318. Durch einen schlanken, ziemlich geraden und auffallend spitzen Schnabel ausgezeichnet. Kopf und ganze Unterseite goldgelb, ersterer Monographie der Gattung Ploeeus Ciu'. '[{'] wie die Kehle bei alten ausgefärbten Individuen orangegelb bis gold- bräunlich ; Oberkörper und kleine Flügeldecken gelbgrün (die einzelnen Federn in der Mitte dunkelbraun, mit gelbgrünen Säumen); Schwanz- federn braun, grünlich verwaschen, mit gelbgrünen Säumen ; Schwingen und grosse Deckfedern dunkelbraun mit blassgelben Aussensäumen ; Schnabel schwarzbraun ; Füsse bräunlich fleischfarben ; Iris strohgelb. Lg. c. 180-190, Fl. 93—95, Schw. 60—70, F. 22—23, L. 25—27 mm. Beim Weib chen ist der Kopf und die ganze Oberseite graubraun, etwas grünlich verwaschen; die Rückenfedern haben dunklen Mittel- fleck ; Kehle weisslich ; übrige Unterseite gelbbräunlich- weiss oder blass- gelblich, Brust und Körperseiten dunkler bräunlich; Schwingen und Flügeldecken dunkelbraun mit blassgelblichen Säumen; Schnabel blass hornbraun. Fl. 83, Schw. 60, F. 21, L. 24 mm. Bewohnt Südafrika, soll aber nach den Angaben von Rüppel, Lefebtre und v. Heuglin auch in Abessinien und Sennar, nach Hart- laub (bezugnehmend auf ein Exemplar des Leidener Museums ) und Rochebrune in Senegambien vorkommen. Diese Angaben sind sehr unwahrscheinlich. Sicher nachgewiesen wurde die Art an folgenden Lokalitäten : Kaff'ernland (Krebs), Kap der guten Hoffnung (Bullock, Mund), Kapstadt, Knysna (Anderson), Sondagsfluss (Mund), King- williamstown (Trevelyan), Fast London (Rickard), Port Elisabeth (Rickard), Potchefstrom in Transvaal (Barratt, Ayres), Transvaal (Buckley, Oates), Rustenburg in Transvaal (Ayres), Natal (Ayres), Fischfluss in der Kapkolonie, Orangefreistaat, in den Thälern des Mooder-, Val-, Harts-, Schoen- und Limpopoflusses und im Sambesithal (Holub). Smith traf den Kapweber in den mehr südlichen Districten der Kapkolonie in Flügen von 10 bis 15 Individuen. Die retortenförmigen Nester hingen zu fünf bis sechs beisammen an den über das Wasser ragenden Zweigen der Bäume und Büsche der Flussufer. Nach dem- selben Reisenden sind die Eier einfarbig hellblau. Während der Brut- zeit und einige Monate nach dem Flüggewerden der Jungen halten sich die Gesellschaften bei ihren Brutplätzen auf und fliegen, von den Futterplätzen verjagt, stets auf die Nistbäume. Während der übrigen Zeit des Jahres sind sie weniger stationär und streifen in weiteren Gebieten umher. Ayres erzählt, dass die Kapweber einen Dornenbaum zur Blüthezeit gern besuchen, um aus dessen scharlachrothen Blüthen den Nektar zu saugen. Die Nahrung bestehe aus Sämereien und Insekten, der Flug sei wellenförmig. Mehrmals traf dieser Reisende die Kap- weber in Gesellschaft von Euplectes oryx nistend. Nach Hohj h trifl"t man den Kapweber häufig in solchen Thälern Südafrikas, welche von 118 ANT. REICHENOW, fliessenden Gewässern durchströmt werden oder welche wenigstens in einem Regenstrombett einige bedeutendere, die meiste Jahreszeit hin- durch wasserhaltige Lachen aufweisen. Zur Anlage seiner Kester wählt er die in Südafrika häufigen Bäume, welche mit langen, spitzen und hakenförmigen Dornen bewehrt sind, wodurch räuberischen Säuge- thieren und Schlangen der Aufstieg unmöglich gemacht oder doch erschwert wird, oder deren dünne Zweige selbst einer dünnleibigen Schlange das Abwärtsklettern nicht gestatten. Dazu wendet der Vogel noch die Vorsicht an, die Zweige zu entblättern und die Nester stets über dem Wasser anzubringen. In den Küstenstrichen und wärmeren Breiten Südafrikas fangen die Kapweber schon zeitig im Frühling an zu brüten, in den Hochländern im October. In der Regel fand der genannte Reisende zwei oder drei Eier vor. Lefebvre und, wohl diesem folgend, auch Rochebeune beschreiben die Eier des Kapwebers als auf grauem Grunde mit braunen und grünen Flecken bedeckt, deren Länge 24 und Dicke 16 mm betrage. Diese Angaben beruhen jedenfalls auf Verwechselung mit den Eiern einer anderen Weberart und bestärken den Zweifel an dem Vorkommen von Ploceus capensis im nordöstlichen resp. nordwestlichen Afrika. Die im Berliner Museum befindlichen, von Krebs im Kaffernlande gesammelten Eier haben, den Angaben von Smith entsprechend, hellblaue Farbe, eine Länge von 23,5 — 25,5 und Dicke von 16,5 — 17 mm. Ein in derselben Sammlung befindliches Nest ist retortenförmig , die ovale Nisthöhle 16 cm hoch, die Röhre von der unteren Ansatzstelle ge- messen 13 cm lans;. 2. Ploceus castaneigula (Gab). Hyphantornis castaneigula Gab. J. 0. 1^84, p. 240, T. 3, F. 1 — ? Hyphantornis xanthoptenis Finsch u. Hartl. Gm. G. Afr. p. 399 (1870). Gberkopf und Nacken, Halsseiten und Unterkörper gelb, Gberkopf goldig glänzend; Wangen und Kehle glänzend kastanienbraun, vor dem Auge ein kleiner schwarzer Fleck; Rücken und Schulterfedern grünlich gelb ; Bürzel braun ; Gberschwanzdecken rein gelb ; Scliwanz- federn braun mit gelblichem Anflug und schmalen gelben Säumen; Schwingen und Flügeldecken schwarzbraun mit breiten gellten Aussen- säumen, erstere auch mit gelben Innensäumen; Unterflügeldecken hell- gelb; Schnabel schwarz; Füsse blass - bräunUch. L. c. 160, Fl. 80, Schw. 60, L. 24, F. 18 mm. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. ÜQ Das eiuzige bis jetzt l)ekanute Exeiuplar dieses prächtigen Weber- vogels wurde von Holub angeblich am Sambesi gesammelt. Höchst wahi-scheinlich fällt diese Art jedoch mit dem von Kirk im Schire- thal gesammelten Hyphantornis xanthojderus Finsch u. Haktl. zu- sammen. Die von den genannten Autoren gegebene Beschreibung weicht nur darin ab, dass die Oberseite des Körpers „schön citrongelb" genannt wird und „die Basis der Handschwingen auf zwei Drittel deren Länge rein gelb". Es erscheint indessen höchst auflallend, dass zwei einander so ähnliche Arten in demselben Gebiete vorkommen sollten, und möchte ich annehmen, dass H. xanthopterus, wenn anders nicht etwa bei der Beschreibung Fehler vorgekommen sind, eine Aus- artung von Ploceus castaneigula sei. Diese Vermuthung wird dadurch bestärkt, dass eine vollständig gelbe Färbung der Schwingen sonst bei keiner einzigen Ploceus-Art vorkommt. 3. Ploceus galbtila Rüpp. Ploceus galbula Rüpp. N. W. p. 92 (1835). Abbildungen: Rüpp. N. W. T. 32. — v. Heugl. Orn. NO. Afr. T. 18. F. d. — RcHB. Singv. T. 39 F. 297. Stirn und Kopfseiten, bisweilen auch das Kinn, glänzend kasta- nienrothbraun ; übriger Theil des Kopfes und Unterseite orangegelb, bei jüngeren Individuen goldgelb ; Oberseite des Körpers gelbgrün, l)ei recht alten Individuen orangefarben überflogen ; Rückenfedern mit ver- waschenen dunklen Schaftstrichen. Schwanzfedern braun, goldgelblich verwaschen, mit gelbgrünen Säumen, Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit gelben, bei recht alten Individuen zum Theil orange- farbenen Säumen ; Schnabel schwarz ; Füsse blass hornbräunlich ; Iris rothbraun. Lg. c. 140—150, Fl. 72, Schw. 50—58, F. 15—17, L. 19—21 mm. Das Weibchen ist oberseits graubraun , schwach grünlich ver- waschen ; Rückenfedern mit dunklen Schaftflecken ; Bürzel, Oberschwanz- decken und Schwanz gelbgrünlich; Unterseite weiss, Kropf blassgelb- lich , Weichen graubräunlich verwaschen ; Schwingen und Deckfedern dunkelbraun, erstere mit gelbgrünen, letztere mit bräunlich weissen Säumen ; Schnabel blass hornbraun. Fl. 65, Schw. 43, F. 15, L. 20 mm. Bewohnt Nordost - Afrika und dürfte vermuthlich auch an der Sansibarküste, wenigstens in den nördlichen Theilen, gefunden werden. Jesse traf den Vogel im abessinischen Küstenland und in Bogosland, Heimprich bei Gumfudde an der arabischen Küste, v. Heuglin in 120 AKT. REICHENOW, Keren, an der abessinischen Küste nördlich bei Sauakim, in der Sani- hara und an der Eisaküste im Somaliland, Antinori in Schoa. Im Innern von Abessinien und in den Nilläudern kommt die Art nach V. Heuglin nicht vor. Nach den Beobachtungen des letztgenannten Forschers lebt Ploceus galhula im Allgemeinen vereinzelter als seine Verwandten. Haushalt, Nester und Eier ähneln denjenigen von PI. vitellimcs. Man trifi't den Vogel in Gehöften , Gärten und Viehparks, namentlich aber auf vereinzelten Bäumen in Gerstenfeldern; solche Bäume sind oft ganz mit älteren und frischen Nestern behängt. Mit Eintritt der Sommerregen beginnt die Verfärbung und das Brutge- schäft. Bei Sauakim beobachtete v. Heugi.in im September, im Golf von Tedjera erst im October das Anlegen des Hochzeitskleides. 4. Ploceus bojeri (Hartl. u. Finsch). Xanthophüus aureoflavus Rcun. (nee Smith) Singv. p. 84 (1863). — Hyphantornis bojeri Hartl. u. Finsch, Gab. v. d. Decken, Reisen III, p. 32 (nur Name) (1869); Finsch u. Hartl. Ora. O. Afr. p. 402 (1870). Abbildung: Rchb. Singv. T. 42, F. 312 (mangelhaft;. Kopf und Kehle orangegelb, letztere lichter und von einem gold- braunen Bande umsäumt; Unterkörper goldgelb; Nacken, Rücken und Schulterfedern düstergelb mit einem Stich in's Bräunliche, Bürzel reiner gelb; Schwanzfedern düster bräunlichgelb wie der Rücken; Schwingen und Deckfedern braun , gelb verwaschen , mit düster gelben Aussen- säumen; Innensäume der Schwingen und Unterflügeldecken goldgelb; Schnabel schwarz ; Füsse hell hornbraun ; Iris rothbraun oder gelbroth. Lg. 140, Fl. 72—78, Schw. 50-57, F. 16—17, L. 21—22 mm. Das Weibchen ist oberseits düster grüngelb, Rückenfedern mit braunen Schaftflecken; Schwanzfedern düster gelb mit schmalen, rein gelben Säumen ; Augenbrauenstrich und ganze Unterseite blassgelb, Körperseiten bräunlich verwaschen ; Schwingen und Deckfedern dunkel- braun, etwas grünlich angeflogen, mit blassgelben Säumen; Schnabel hornbraun, Unterkiefer blass gelblich; Füsse hornbraun; Iris braun. Lg. 125, Fl. 66—77, Schw. 48—53, F. 15—16, L. 19—20 mm. Bewohnt die Insel Sansibar und die gegenüber gelegene Küste des Festlandes. Sansibar (^Bo.jer, Fischer}, Mombas (v. d. Decken, Bux- ton), Insel Mombas (Hildebrandt) , Küstengebiet von Bagamojo bis Lamu, Maurui, Pangani, Mombassa, Muniuni, Malindi, Aruscha, Matiom, \Vaj)okomoland, Barawa (Fischer). Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 121 Ploceus hojeri ist nach Fischer an der Sansibarküste die häu- figste Weberart, während dieselbe auf der Insel Sansibar gegen PI. aureoflaviis zurücksteht. In seinen Nistplätzen ist er nicht wählerisch. Jede Lokalität, jeder Baum, jeder Strauch ist ihm recht. Bald findet man seine Nester in Mangobäumen und Adansonien, bald an Büschen und Hecken, bald in Sümpfen, bald an Flussufern oder am Meeres- gestade. Sehr gesellig wie seine Verwandten, bildet er Kolonien von fünf bis vierzig Paaren. In der Regel hängen die Nester nicht in bedeutender Höhe, meistens nur ein bis zwei Meter über dem Boden. Das Nest ist verhältnissmässig klein, etwa 15 cm lang und je 10 hoch und breit, nierenförmig, ohne Schlupfröhre, aus frischem breitem Grase gewebt, mit der oberen Wandung an den tragenden Zweig angeflochten. Wird das Nest an der Spitze eines langen, aus einem Busche vorge- schossenen Zweiges befestigt, so beisst der Vogel die Blätter ab, wie der genannte Reisende annimmt, um das Schwanken der Ruthe im Winde zu verringern. Die Eier, von welchen drei bis vier das Gelege bilden , ändern in der Färbung sehr ab. Bald sind sie auf grünem oder bläulichgrünem, verschieden getöntem Grunde mit grauen oder bräunlichen Flecken bedeckt , bald auf grauem, grünlichgrauem oder rostbräunlichem Grunde fein braun gefleckt oder auch einfarbig grün- lich, graugrünlich oder bräunlich. Sie messen 20—23 mm Länge und 14—16 mm Dicke. Hildebrandt fand Fl. hojeri in der Stadt Mom- bassa auf Sykoraoren und Kokospalmen brütend. 5. Ploceus aureoflavus Smith. Ploceus aureoflavus Smith lUustr. S. Afr. Zool. Text zu T. 30 Anm. (1849). — Hpphantornis aureal^ att. Hartl. J. 0. 1860p. 180. — Hyphantornis concolor v. Heugl. J. 0. 1867, p. 389. Kopf und Kehle goldgelb, auf der Zügelgegend, den vorderen Wangen und der Kehle bisweilen in's Goldbräimliche ziehend ; Nacken, Rücken und Schulterfedern grünlich gelb; Bürzel reiner gelb; Unter- körper hellgelb; Schwanzfedern blassgelb, auf der Aussenfahne in's Grüngelbliche ziehend; Schwingen und Deckfedern braun, mehr oder weniger gelblich angeflogen, mit hellgelben Aussensäumen ; Innensäume der Schwingen und Unterflügeldecken blassgelb; Schnabel schwarz; Füsse blass fleischfarben; Iris mennigroth oder orange. Lg. 140, Fl. 75—77, Schw. 50, F. 17—18, L. 20—21 ram. Von dem sehr ähnlichen PI. hojeri unterscheidet sich diese Art durch den weniger intensiv gefärbten, goldgelben, nicht orangegelben 122 ANT. REICHENOW, Kopf, Fehlen des goldbraunen, die Kehle umsäumenden Bandes, helleren, mehr in's Grünliche, dort mehr in's Goldige ziehenden Rücken, blass- gelben Schwanz, blassere Unterseite und Unterflügeldecken. Auch ist der Schnabel immer etwas kürzer. Man könnte die Art für ein jüngeres Individuum des Ploceus hojeri halten, wenn nicht die Artselbständig- keit hinreichend festgestellt wäre. Das Weibchen ist oberseits düster gelbgrün mit verwaschenen braunen Mittelflecken auf den Rückenfedern ; Augenbrauenstrich, Kehle und Kropf blassgelb , übriger Unterkörper weiss mit einigen blass- gelben Federspitzen (bei älteren Individuen vielleicht der ganze Unter- körper blassgelb ) ; Körperseiten bräunlich verwaschen ; Schwingen und Deckfedern braun, etwas grünlich verwaschen, mit grünlichgelben Säumen ; Iris röthlichbraun ; Oberschnabel und Spitze des Unter- schnabols hornbraun , Unterschnabel wie die Füsse blass bräunlich. Lg. 120-130, Fl. 65—70, Schw. 50, F. 16, L. 19 mm. Von dem Weibchen des PL hojeri scheint dieses sich nur durch etwas lichteren , grünlichgelben Ton der Oberseite zu unterscheiden. Auf Sansibar und der gegenüber gelegenen Küste. Sansibar (Bojee, KiRK , Fischer) , Takaungu , Pangani (Fischer) , Mombassa (Hilde- brandt), Simbareni (Böhm). Nach Peters soll diese Art auch in Mos- sambik vorkommen; doch bedarf diese Angabe der Bestätigung. Un- richtig ist jedenfalls die Notiz „Nubien" bei einem angeblich von Rüp- PEL gesammelten Exemplar des Leidener Museums , ebenso Smith's Heimathsangabe „Sierra Leone". Fischer fand im Magen der von ihm erlegten Individuen vorzugsweise Reis und andere Sämereien, bis- weilen auch Ameisen und Raupen. Auf der Insel Sansibar fand dieser Reisende den Ploceus aureoflavus als häufigste Weberart. Der Vogel nistet stets auf Kokospalmen und scheint geradezu mit dem Ver- schwinden dieser Bäume aufzuhören. „Auch an solchen Orten", schreibt Fischer, „wo nur wenige jener Palmen vorhanden sind, habe ich ihn nicht ang^roff'en. Schon auf Mombassa ist er durchaus nicht mehr häufig, obwohl hier viele Kokospalmen stehen. In Takaungu kommt er vielleicht noch vor; wenigstens erhielt ich dort Eier, die ihm anzugehören schienen. In der Formosabei , wo keine Kokospal- men angepflanzt sind, findet er sich nicht, ebensowenig in Wito, obwohl hier die Kokospalme wächst." Die Nester gleichen in Form und Grösse denjenigen von P. hojeri , sind jedoch in der Regel aus zerschlissenen Palmblättern gewebt. Die Eier sind einfarbig hellblau, 20 — 23 mm lang und 14—15 mm dick. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 123 6. Ploceus subanreus Smith. Ploceus iahatali Smith, Rep. Exp. App. 50 (1836). — Ploceus subaureus Smith, Proc. S. Afr. Inst. April 1832. lUustr. S. Afr. Zool. T. 30 F 1, (1849). Abbildungen : Smith 1. c. — Rchb. Siugv. T. 42, F. 314 (mangel- haft). Grünlichgelb, Kopf, Kehle und Brust reiner gelb, am klarsten und hellsten auf Bauch, Unterschwanzdecken, Unterflügeldecken und auf der Unterseite des Schwanzes ; Oberseite des Schwanzes grünlichgelb wie der Rücken. Bei alten Individuen sind Oberkopf, Kopfseiten und Kehle goldgelblich verwaschen. Schwingen und grosse Deckfedern braun, grüngelblich angeflogen, mit gelben Säumen, erstere auch mit rein gelben Innensäumen; Oberschnabel hornbraun, Unterkiefer heller; Iris rothliraun ; Füsse braun. Lg. c. 165—170, Fl. 78—82, Schw. 60—65, F. 18-19, L. 20-23 mm. Das weibliche und Winterkleid der Art ist noch unbekannt. Be- wohnt Südafrika. Kap der guten Hoflhung (Krebs), Algoa Bai (Smith), Swazi-Land (Buckley), Durban (Shelley), Port Natal (Wahlberg), Transvaal (Ayres), Orangefluss (Layard). 7. Ploceus xanthops (Hartl.). Hyphantornis xanthops Haktl. Ibis 1862 p. 342. — Hyphan- tornis aurantiigula Gab. J. 0. 1875 p. 238. Kopf und ganze Unterseite goldgelb; Kehle goldbräunlich ver- waschen oder von einem goldbraunen Bande umsäumt ; Oberkörper gelbgrün, Bürzel gelber; Schwanz bräunlich gelbgrün; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit gelben Säumen; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb ; Schnabel schwarz ; Füsse blass- bräunlich; Iris gelb. Lg. c. 180—190, Fl. 85—95, Schw. 70—80, F. 19-20, L. 24-27 mm. Das Weibchen zeigt abweichend von den vorbeschriebenen Arten ein ebenfalls gelbliches , dem des Männchen ähnliches Gefieder ; Ober- kopf und Kopfseiten wie der Rücken gelbgrün; Augenbrauenstrich, Kehle und übrige Unterseite gelb, aber bedeutend heller als beim Männchen, auf dem Kröpfe etwas intensiver, Körperseiten grünlich verwaschen; Schwingen und Deckfedern gelbgrün gesäumt; Schnabel schwarz, Unterkiefer an der Basis heller, gelblich ; Iris hell gelbbraun ; Füsse schmutzig fleischfarben. Fl. 84, Schw. 68, F. 19. L. 23 mm. 124 ANT. REICHENOW, Beim jungen Männchen ist der Ton der Oberseite düsterer als beim Weibchen und zieht etwas in's Gell)bräunliche; Säume der Schwingen und Deckfedern mehr gelbbräunlich ; Kehle und Mitte des Unterkörpers hellgelb, Kropf und Körperseiten gelbbräunlich. Bewohnt Südwest - Afrika , Loango , Angola und Benguella und ebenso den tropischen Osten. Speci eile Fundorte sind: Tschintschoscho in Loango (Falkenstein, Petit), Malanje in Angola (v. Mechow, Schutt), Kabinda (Sperling, Petit), Quanza (Whitely), Kambambe, Massangano (Monteiro), Duque de Braganza (Bayao), Kapangombe, Quillengues, Kakonda (Anchieta) , Kitui in Ukamba in Ost -Afrika (Hili>ebrandt), Gonda, Ugalla (Böhm). Nach Shellky hätte Jameson den Ploceus xanthops auch am Umvulifiuss im Matabele-Land (Süd- ost-Afrika) gesammelt. Diese Angabe bedarf der Bestätigung. Das Nest dieser Art gleicht in der Form demjenigen von P. hojeri, hat keine Schlupfröhre, ist aber ziemlich gross, etwa 20 cm lang und je 14 breit und hoch, aus Gras ziemlich unordentlich und locker gewebt. Die Eier sind auf hell blaugrünem Grunde unregel- mässig rothbraun gefleckt, 25 mm lang und 16 mm dick. Nach Böhm ist Ploceus xanthops abweichend von seinen Ver- wandten ein einsamer und ungesellig lebender Vogel, der seine Nester nur an Flüssen, am liebsten an Bäumen und Büschen, Avelche im Wasser selbst stehen, anlegt. Jedes Paar hat hier sein eigenes, aus- gedehntes Revier, in welchem es immer wieder denselben Nistbusch benutzt, indess jedes Jahr neue Nester baut, und zwar, wie es scheint, stets ein Brut- und ein kleineres Spielnest. Die rundhchen , festge- bauten Nester werden an den äussersten Enden langer, schwankender und möglichst unerreichbarer Zweige befestigt, hängen aber bei hohem Wasserstande zuweilen bis dicht über dem Wasser herab. Wie andere Weber beisst auch diese Art alle Nebenästchen und Blätter dieser. Zweige sorgfältig ab. Beim Bau wird mit der kranzförmigen Thür begonnen, welche anfangs schräg nach oben gerichtet ist und erst später, wenn sich der Zweig unter der Last des Nestes bogig gesenkt hat, nach unten zu liegen kommt. Das Gelege besteht nur aus zwei Eiern, welche sehr verschieden gefärbt sind, entweder einfarbig grün- lichblau oder auf bräunlichem oder weisslichem Grunde rothbraun gefleckt. Die alten Vögel sind ausserordentlich scheu, kommen selten aus dem dichtesten Laubwerk der Uferbäume und Büsche hervor und kehren , wenn man ein Nest untersucht , erst nach langer Zeit und wenn man vollkommen gedeckt steht, zu demselben zurück. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 125 2. Subgenus Melmiopterygß Rchw. Nur eine durch rein schwarze Gefiederfärbung ausge- zeichnete Art. [Man hat diese Form lange Zeit in die Gattung Syco- hius gestellt. Auf das Irrige dieser Anschauung habe ich bereits in meinen Reiseberichten, J. 0. 1873, p. 450 hingewiesen]. 8. Ploceus nigerrinius Vieill. Ploceus nigerrinius Vieill. N. D. H. N. 2 T. 34 p. 130 u. Enc. Meth. Orn. 2 p. 700 (1823). — Ploceus niger Sws. Class. Birds II (1837) p. 279 u. Anim. Menag. p. 306 (1838). — Var. (?): Sycobius albinucha Bocage J. Sc. Ph. Lisboa Nr. 20 1876. Schwarz; Schnabel schwarz; Füsse bräunlich fleischfarben; Iris goldgelb. Lg. 170, Fl. 82-85, Schw. 5Ö-60, F. 18—20, L. 22—23 mm. Beim Weibchen haben die Federn der Oberseite dunkelbraunen Mittelfleck und olivengrünen, auf dem Rücken gelblich olivengrünen Saum ; Bürzel und Oberschwanzdecken gelbbräunlich ; Augenbrauen- strich und Unterseite blass graugrünlich, Mitte des Bauches blass- gelb, Körperseiten bräunlich ; Unterschwanzdecken blass isabellfarben ; Schwingen schwarzbraun mit hell gelbbraunen Aussensäumen, die den ersten Handschwingen fehlen, auf den letzten Armschwingen sehr breit sind ; Flügeldecken schwarzbraun mit gelblich olivengrünen Säumen ; Unterflügeldecken grau mit gelblichen Säumen; Schwanzfedern schwarz- braun ; Iris hellbraun ; Füsse schmutzig fleischfarben ; Schnabel grau- braun. Fl. 74, Schw. 47, F. 18, L. 22 mm. Bewohnt Niederguinea, von Kamerun bis Angola. In Oberguinea scheint sein Vorkommen nur ein sporadisches zu sein, indem er bisher nur in Denkera an der Goldküste von Ussher gesammelt wurde. In Niederguinea, von Kamerun an, ist er indessen sehr häufig, stellenweise der gemeinste Webervogel. Specielle Fundorte sind : Kamerunniederung, Wuri, Kamerungebirge bis 3000' Höhe, Bimbia (Reichenow), Gabun (Du Chaillu, Reichenow), Kap Lopez (Verreaux), Tschintschoscho (Falkenstein, Petit), Quango (v. Mechow), Landana (Petit), Kabinda (Perrein, Petit). In der Lebensweise ähnelt PI nigcrrimus sehr dem P. cucuUatus und bildet da, wo beide Arten neben einander vor- kommen, dessen steten und treuen Gesellschafter. Die Nester beider Arten hängen oft gemischt durch einander an derselben Kokospalme, und man bemerkt nicht die geringste Eifersucht oder Uneinigkeit 126 ANT. REICHENOW, zwischen ihnen. Sehr gern nistet PL nigerrimus in den Xegerdörfern an Palmen oder in den Bananenplantagen, wo er dann seine Nester an den Spitzen der Bananenblätter in geringer Höhe über dem Boden aufhängt, aber wo die Gelegenheit sich bietet, auch an den über das Wasser hängenden Zweigen von üferbäumen der Flüsse, immer in grösseren Kolonien. Das rundliche, aus frischem breitem Grase ge- flochtene Nest läuft nach oben in eine Spitze aus, mit welcher es an dem Aufhängepunkte befestigt ist. Das Schlupfloch hat keinen Röhren- ansatz. Höhen- und Breitendurchmesser betragen je 12, der Längen- durchmesser 15 cm, wovon 6 auf die Weite des Schlupfloches kommen. Die Nestmulde ist häufig mit Blüthenfäden des Mais ausgelegt. In der Regel hängen die Nester ganz frei an einzelnen Zweigen , doch kommt es vor, dass ein nahes Reis in die Seitenwandung mit hinein- geflochten wird. In grossen Kolonien findet man oft zwei bis drei Nester dicht übereinander an demselben Zweige befestigt, der dann gleichfalls mit in die Nestwandungen verwebt ist. Die Eier sind hell- blau , schwanken in der Länge zwischen 22 und 25 , in der Dicke zwischen 15 und 1(3,5 mm. Zwei oder drei Eier bilden das Gelege. 3. Subgenus Cinna7noj)teryx Rchw. In der Färbung des Gefieders zimmetbraun vorherrschend, wenigstens aber der Unterkörper von dieser Färbung. Bei den typi- schen Arten besteht die Gefiederfärbung in Zimmetbraun und Schwarz, bei anderen kommt noch Gelb hinzu. Die Untergattung umfasst fünf Arten, deren männliche Individuen nach folgenden Charakteren leicht zu unterscheiden sind : I. Gefieder zweifarbig: rothbraun und schwarz: 1) Nur der Kopf schwarz : rubiginosus RtJPP. 2) Kopf, Brust, Flügel und Schwanz schwarz: castaneofuscus Less. II. Gefieder dreifarbig: gelb, rothbraun und schwarz: 1) Flügel rein schwarz: tricolor Hartl. 2) Flügelfedern schwarzbraun mit gelben Säumen: a. Rücken citrongelb : dimidiatus Salv. et Ant. b. Rücken goldbraun, mit gelb gemischt: badiiis Cass. 0. Hoceus castaneofuscus Less, Ploceus castaneofuscus Less. Rev. Zool. Soc. Cuv. 1840 p. 99. Kopf, Hals und Brust, P'lügel, Unterflügeldecken, Schwanz und längste Monographie der Gattung Ploceus Cnv "[ 27 Oberschwanzdecken schwarz; Oberseite des Körpers, Schulterfedern, Bauch, Steiss und Unterschwanzdecken rothbraun ; Schnabel schwarz ; Füsse hornbraun; Iris hellgelb. Lg. 1(30, Fl. 78—82, Schw. 55 — 60, F. 20, L. 21 - 22 mm. Beim Weibchen sind die Federn des Oberkopfes und Nackens schwarzbraun mit olivengrünen Säumen , diejenigen des Rückens mit hellbraunen oder gelbbraunen Säumen, ebenso die Flügeldecken ; Bürzel und Oberschwanzdecken rostbräunlich ; Augenbrauenstrich und Unter- seite blass gelbbräunlich ; Mitte des Bauches blassgelb, Körperseiten in's Rostbräunliche ziehend; Unterschwanzdecken isabellfarben; Schwingen schwarzbraun mit schmalen lichteren Aussensäumen ; Schwanzfedern schwarzbraun; Unterflügeldecken grau mit gelblichen Säumen; Iris hellgelb; Schnabel und Füsse hornbraun. Fi. 75, Schw. 58, F. 19, L. 21 mm. In Westafrika von Senegambien bis zum Kongo heimisch. Specielle Fundorte sind: Casamanze in Senegambien (Lesson), Pauls-Fluss und Robertsport in Liberia (Büttikofer), Butryfluss an der Goldküste (Pel), Fantiland ebenda (Blissett), Abokobi ebenda (Reichenow), Cape Coast ebenda (Ussher, Higgins), Volta ebenda (Ussher), Aschanti- land (Berlin. Mus.), Onitschi am Niger (Forbes), Gabun (Aubry Le- comte), Kongo (Leiden. Mus.). Die auch von v. Heuglin aufgenommene Angabe des Grafen Reyneval, wonach PI. castaneofiiscus in Nubien vorkäme, beruht zweifellos auf Verwechselung mit einer andern Art. Nach meinen Beobachtungen meidet der Fuchsweber die Ortschaften, nistet wenigstens nicht innerhalb derselben wie P. cucuUatus u. nigerri- mus. Auch hängt er seine Nester nicht an die Kokospalmen oder andere hohe Bäume, sondern lieber an niedriges Gebüsch. Er bevor- zugt freieres Terrain, welches von einzelnen Büschen und Bäumen durch- setzt ist und baut gern an den schwankenden Halmen des Papyrus. Die Nester gleichen in der Form denjenigen von PL cucuUatus, haben aber an dem Schlupfloch keinen Röhrenansatz und sind noch etwas lockerer gebaut als jene. Die Eier sind hellblau, 23 — 24,5 mm lang und 15,5—16 mm dick. Ich fand stets nur zwei als Gelege. Auch Büttikofer bestätigt die Vorliebe dieser Art für Schilfgebüsche zur Anlage der Nester, fand den Vogel jedoch auch in Gemeinschaft mit Ploceus cucuUatus an niedrigen Büschen nistend. Die Zahl der Eier des Geleges giebt dieser Reisende auf zwei bis drei an. 128 -ANT. REICHENOW, 10. Hoceus ruhiginostis Kupp. Ploceus ruhiginosus Rüpp. N. W. p. 93 (1835). — Hyphantornis castanosoma Rchw. Orn. Centralbl. 1881 p. 79 u. J. 0. 1881 p. 334. Abbildungen: Rüppell N. W. T. 33. F. 1. — Rchb. Singv. T. 41, F. 311. Kopf und Kehle schwarz ; ül)rige Ober- und Unterseite rothbraun ; Schwanz erdbraun ; Schwingen und Flügeldecken schwarzbraun mit bräunlichweissen Säumen, die kleinen Deckfedern z. Th. mit graubraunen Säumen; Schulterfedern mit schwarzem Mittelstrich und rothbraunen Säumen ; Unterflügeldecken weiss, bisweilen gelbbräunlich verwaschen ; Schwingen mit weisslichen Innensäuraen ; Schnabel schwarz ; Füsse bräunlich fleischfarben; Iris orange. Lg. c. 160—170, Fl. 80—84, Schw. 60-65, F. 20, L. 21 mm. Das Weibchen ist obersei ts hellbraun oder graubraun, auf Kopf und Rücken mit schwarzbraunen Schaftstrichen gezeichnet ; Augen- brauenstrich gelblichweiss ; Kehle und Mitte des Unterkörpers weiss, Kropf und Körperseiten isabellbräunlich ; Schwanz dunkelbraun ; Schwin- gen und Deckfedern schwarzbraun mit isabellbräunlichen oder bräun- lichweissen , die kleinsten mit graubräunlichen Säumen ; Iris gelbbraun ; Schnabel hornbraun, Unterkiefer blasser; Füsse hornl)raun. Bewohnt Nordost- und Ost-Afrika. Tembe in Abessinien in der Höhe von 4000 Fuss (Rüppell), Malindi, Mambrui, Barawa (Fischer), Ndi in Taita (Hildebrandt), Mdaburu und Kongo in Ugogo, Gonda (Böhm), Mombassa (Buxton). 11. Itoceus tricolor (Hartl.). Ploceus coUaris J. E. Gray (nee Vieill., nee Fräs.) Zool. Mise. 1 p. 6 (1844). — Hyphantornis tricolor Hartl. J. 0. 1854 p. 110. — Jugendkleid: Hyphantornis fusco-castaneus Bocage, Journ. Sc. Math. Phys. Lisboa 1880 Nr. 29. Al)bildungen : Brown New lUustr. of Zool. p. 58 T. 25 (1776). — Renn. Singv. T. 38 F. 290. Schwarz ; Unterkörper von der Brust an rothbraun ; Unterschwanz- decken schwarz; oberseits zwischen den Schultern ein gelber Fleck; Schnabel und Füsse schwarz. Ug. c. 150, Fl. 82, Schw. 52, F. 19, L. 20 mm. Weibchen unbekannt. Bei dem jungen Männchen ist Kopf und Kehle sowie die Geg(!nd zwischen den Schultern unrein rothbraun ge- I Monographie der Gattung Ploccus Cuv. 129 färbt wie der Unterkörper. Auf ein solches Individuum bezieht sich Hyphantornis fuscocastaneus Boc. Sierra Leone (Sabine), St. Pauls- fluss in Liberia (Büttikofer) , Aburi an der Goldküste (Shelley), Aquapim ebenda (Riis, Shelley u. Buckley), Rio Loema an der Loangoküste (Petit). 13. JPloceus badius (Cass.). Hyphantornis hadius Cass. Proc. Ac. Phil. 1850 p. 57. — Ploceus rufocitrinus v. Müll., Naum. 1851 p. 28. — Ploceus morder eus Less., Bp. Rev. et Mag. Zool. 1855 p. 76. — Textor castaneo-auratus 0. An- TiNORi, Cat. descr. p. 65 (1864). — Hyphantornis axillaris v. Heugl. Journ. Ornith. 1867 p. 298 (beschrieben Journ. Ornith. 1865 p. 98). — Ploceus melanocephalus Pr. Württ., v. Heugl. Journ. Ornith. 1867 p. 298. Abbildungen: Rchb. Singv. T. 41, F. 309 und 310. Kopf und Kehle schwarz; Nacken, Halsseiten und Unterkörper glänzend kastanienrothbraun , nach dem Steiss zu heller, goldbraun; Unterschwanzdecken goldgelb ; Oberkörper goldgelb und kastanienbraun gemischt; kleinste Flügeldecken dunkelbraun mit olivengrünen Säumen, grössere und Schwingen schwarzbraun mit goldgelben oder goldbraunen Säumen ; Schwanzfedern gelbgrünlich braan mit gelben Säumen ; Unter- flügeldecken und Innensäume der Schwingen gelb ; Schnabel schwarz ; Füsse fleischfarben. Lg. 140—150, Fl. 75, Schw. 50, F. 18, L. 22 mm. Beim Weibchen ist der Oberkopf olivengrün ; Rückenfedern schwarzbraun mit breiten rostbräunlichen Säumen; Bürzel fahl rost- bräunlich ; Schwanzfedern gelbgrünlich braun mit gelben Säumen ; Kehle und Mitte des Unterkörpers weiss; Kopf- und Halsseiten, Kropf und Körperseiten fahl rostbräunlich ; Augenbrauenstrich gelbbräunlich ; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit grüngelblichen oder fahl gelbbräunlichen Säumen. Bewohnt Nordostafrika. Nach v. Heuglin erscheint die Art in grossen Flügen im Gebiet des oberen Weissen Nil im März und April, in Sennar, Taka und am Atbara zu Ende Mai und Anfang Juni. Die Verfärbung beginnt gleich nach der Ankunft. Den Tag über sieht man die Vögel paarweise oder in kleinen Gesellschaften im Hochgras der Steppen und an Regenbetten. Gegen Sonnenuntergang pflegen sie sich auf Tamarinden und anderen hohen und dichtbelaubten Bäumen unter vielem Lärm und Gezwitscher zu versammeln. Herzog Paul von W^ürttemberg beobachtete die Art in Barka, v. Beurmann iii Zoloog. Jahrb. I. g 130 ANT. REICHENOW, Taka, Brehm und Antinori am Blauen Nil, letzterer bei Woled Me- dineh, v. Heuglin im Lande der Kidji-Neger. V. Heuglin hält seinen Ploceus affinis für das Winterkleid der vorstehenden Art. Dieser Vogel besitzt indessen einen viel schwächeren Schnabel und kann eher auf PL dimidiatus gedeutet werden. 13. Ploceus dimidiatus (Salvad. u. Ant.). Hypliantornis dimidiatus Salvad. u. Ant. Atti Ac. Sc. Torino 1873 p. 360 u. Ann. Mus. Civ. Genova 1873 T. 3. — Weibchen oder Winter- kleid (?) : Ploceus affinis v. Heugl. Stzb, Math. Nat. Gl. Ak. Wien Bd. 19 p. 37 Nr. 366 (1855). Kopf und Hals schwarz; Kropf, Brust und Bauchmitte kastanien- rothbraun; Bauchseiten, Steiss, Unterschwanzdecken und Hosen gelb, zumTheil rothbraun verwaschen; Oberkörper citronengelb; Schwanzfedern braun mit grüngelblichem Anflug und mit gelben Säumen; Schwingen und Flügeldecken schwarzbraun mit gelben Säumen ; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen gelb ; Iris hell orange, Schnabel schwarz; Füsse röthlichbraun. Lg. 140, Fl. 73—74, Schw. 45—50, F. 17—18, L. 18—20 mm. Die Form Ploceus affinis v. Heugl. scheint das weibliche, bez. Winterkleid der vorstehenden Art darzustellen. Die neuerdings von V. Pelzeln (Verh. Zool. Bot. Ges. Wien 1881 p. 149) gegebene Be- schreibung des vermuthlichen Weibchens von PI. dimidiatus passt ge- nau auf das im Berliner Museum befindliche Original - Exemplar von Ploceus affinis v. Heugl. aus dem Lande der Bhorr - Neger. Die Färbung dieses Exemplars ist folgende: Oberkopf olivengrün, die ein- zelnen Federn mit dunkelbraunem Mittelstrich; Augenbrauenstrich blassgelb ; Rückenfedern schwarzbraun mit fahl isabellfarbenen Säumen ; Bürzel und Oberschwanzdecken einfarbig fahl isabellfarben ; ersterer ein wenig ins Rostfarbene ziehend; Kehle, Mitte von Bauch und Steiss wie Unterschwanzdecken rein weiss; Kropf und Körperseiten fahl isabellfarben ; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun, Handschwingen und deren grosse Deckfedern blassgelb gesäumt, Arnischwingen und mittlere Deckfedern mit weisslichen, kleinste Deckfedern mit oliven- grünen Säumen ; Schwanzfedern braun mit schmalen gelbgrünen Säu- men ; Unterfiügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb. Fl. 70, Schw. 48, F. 16, L. 20 mm. Von dem Weibchen des Ploceus badius unterscheidet sich der Vogel durch blassere, fahl isabellbräunliche, bei jenem mehr rostbräunliche, Färbung von Kropf, Kopf- und Körper- seiten, ebenso fahlere Rückenfärbung, blassere gelbe Säume an den Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 131 Schwingen und geringere Grösse. Sollte sich die Identität von Ploceus affinis mit dem Weibchen von PI dimidiatus bestätigen, so würde die Art den ersteren Namen als den älteren führen müssen. Ploceus dimidiatus wurde von Antinori bei Kassala im centralen Nordostafrika entdeckt, von Emin Bey bei Agaru und Magungo in der Provinz Lado, von Fischer in Klein-Aruscha im Massailande im Innern Ostafrika gefunden. 4. Sul)geiius Syphanfornis Gray. Hyphantornis Gray Gen. B. 2 (1844). Typus : Oriolus textor Gm. Arten mit schwarzem oder theilweise schwarzem Kopfe und schwarzen, mit gelben Spitzen versehenen Rücken- und Schult er federn, d. h. die Rücken- und Schulterfedern sind im mitt- leren Theile schwarz, an der Spitze gelb. (Nicht zu verwechseln mit dem auch seitlich grüngelb umsäumten schwarzen Mittelfleck, welchen eine Art der Untergattung Sitagra an den Rückenfedern sehr aus- geprägt zeigt, vergl. daselbst). Bei mehreren Arten verschwinden mit zunehmendem Alter die gelben Spitzen an den Schulterfedern, wodurch zwei schwarze Schulterstreifeu entstehen, während hingegen der Mittel- rücken zwischen den Schultern, durch Zurücktreten der schwarzen Federbasen, rein gelb wird. Diese Untergattung umfasst fünf Arten, deren männliche Individuen sich folgendermaassen leicht unterscheiden lassen. I. Nur Kopfseiten und Kehle schwarz , ganzer Oberkopf gelb : spilonotus ViG. IL Stirn, Kopfseiten und Kehle schwarz, Hinterkopf goldbraun: abyssinicus Gm. III. Ganzer Kopf mit Kehle schwarz: 1. Mit gelbem Nackenband: nigriceps Lay. 2. Mit rothbraunem Nackenband: cucullatus Müll. 3. Mit breitem rothbraunem Kropfband: cinctus Cass. 14, Floceus abyssinicus (Gm.). Loxia dbyssinica Gm. S. N. 2 p. 860 (1788). — Ploceus larvatus Rüpp. N. W. Vögel p. 91 (1835). — Weibchen und Winterkleid: Plo- ceus flavo-viridis Rüpp. S. Uebers. p. 69 (1845). — ? Weibchen: Ploceus solitarius Pr. Württ., v. Heugl. J. O. 1867 p. 297. Abbildungen : Rüpp. N. W. T. 32 F. 1. — Rüpp. S. Uebers. T. 29 (Weibchen). — Rchb. Singv. T. 39 F. 298 u. 299. 9* 132 ANT. REICHENOW, Stirn und Scheitel, Kopfseiten, Kehle und Mitte des Kropfes schwarz ; Hinterkopf und Umsäumung von Kehle und Kopfseiten gold- braun ; übriger Körper goldgelb, bei recht alten Individuen orangeroth- bräunlich überlaufen; am Rücken jederseits längs der Schulter ein schwarzes Band; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit gelben Säumen ; Schwanzfedern braun mit grünlichem Anflug und gelbgrünen Säumen ; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb ; Flügelrand intensiver gelb ; Schnabel schwarz ; Füsse röthlich hom- braun ; Iris kastanienrothbraun (nach Emin Bey siegellackroth oder goldgelb). Lg. c. 170, Fl. 90—95, Schw. 60—65, F. 21—23, L. 23—25 mm. Beim Weibchen ist Ober- und Hinterkopf grauolivengrün, mit dunklen Mittelflecken auf den einzelnen Federn, Augenbrauenstrich, Kopfseiten und Kehle hellgelb; Oberkörper und Halsseiten fahl grau- braun, Rückenfedern mit dunklem Mittelstrich; Unterkörper weiss, Körperseiten bräunlich verwaschen; Schwanzfedern olivenbraun mit gelbgrünen Säumen ; Schwingen und Deckfedern dunkelbraun mit gelb- grünen, zum Theil weisslichen Säumen; Flügelrand gelb; Unterflügel- decken und breite Innensäume der Schwingen blassgelb; Oberschnabel hornbraun, Unterschnabel blasser. Fl. 80—85, Schw. 50—55, F. 19—20, L. 20—22 mm. Bewohnt Nordost- Afrika, v. Heuglin hält den Maskenweber für sedentär in Abessinien, wo er von der Samharküste westwärts bis zum Tana-See an geeigneten Orten häufig ist. Als specielle Fundorte nennt dieser Reisende die Dembea-Ebene, die Niederungen zwischen Wogara, Semien , Tembien und Lasta und die Thäler um Adawa. Nordwärts dürfte die Art den 16 " n. Br. nicht überschreiten. Im Gebiet des Weissen Nil wird sie in den Monaten Januar bis Juni angetroffen. In den Urwäldern westlich vom Gazellenfluss stellt sie sich mit Be- ginn der eigentlichen Sommerregen ein. Dagegen kommt sie am un- teren Blauen Nil sowie am Weissen Nil nördlich des 10 " n. Breite eben- sowenig wie im südlichen Sennar und Fazokl vor. Emin Bey fand PL dbyssinicus bei Ladö, Fadjulli und Mabero, Antinori in Schoa, Speke in Usaramo. Dem von Kiek verbürgten Vorkommen der Art am Sambesi dürfte die Verwechselung mit einer andern Art zu Grunde liegen. Der Maskenweber hält sich nach v. Heuglin mit Vorliebe an den Ufern von Wildbächen, welche mit dichtem Feigengebüsch, Akazien und Palmen bestanden sind, auf. Hier treibt er sich gesellschaftlich umher und kommt auch gelegentlich auf die Erde herab, namentlich auf Tennen, wo Getreide ausgedroschen worden. Er ist ein beweg- licher, lärmender Vogel, gar nicht schüchtern und selbst durch wieder- Monographie dei- Gattung Ploceus Cuv. 133 holtes Schiessen nicht leicht von seinen Standorten zu vertreiben. Zur Winterszeit schweift er in grossen Schaaren im Lande umher, aber auch diese Gesellschaften dürften allabendlich in ihr engeres Wohnge- biet zurückkehren, um dort die Nacht in den Beutelnestern zuzubrin- gen. Der Lockton klingt ammerartig und besteht in einem gedehnten schrillen Pfeifen und Zirpen. Die Nahrung besteht in feineren Säme- reien, Getreide, Früchten der Sykomoren und Insekten. Die grossen, lang-ovalen, sehr zierlich und fest aus dürren Grashalmen geflochtenen Nester hängen oft zu Dutzenden am Ende schwankender Zweige, meistens über dem Wasserspiegel und in einer Höhe von 6—15 Fuss. Das Innere des Baues ist mit zarten Würzelchen, W^olle und Haaren aus- gefüttert. Das Schlupfloch befindet sich seitlich unten und ist hier und da etwas überdacht. Zwei bis drei hellblaugrüne, mit wenigen violettbräunlichen Flecken bedeckte Eier bilden das Gelege. 15. Ploceus cucullatus (St, Müll.). Fringilla senegalensis Briss. Orn. 3 p. 173 T. 15 (1760), — Coc- cothraustes gambiensis ebenda p, 230, — Oriolus cucullatus St, Müll. Linn. N, Syst. Suppl. p. 87 (1776), — Oriolus textor Gm. S. N. I p. 390 (1788) [juv.]. — Loxia melanocephala Gm. S. N. 2 p. 859. (1788) — Fringilla longirostris Vieill. Enc. M6th. Orn. 3 p. 951 (1823). — Fringilla velata Lcht. (nee Vieill.) Dubl. Verz. p. 23 (1823). — Ploceus senegalensis Shaw^'s Gen. Zool. Vol, 14 Pt. I p. 34 (1826). — Weibchen : Ploceus modestus Hartl. Rev. Zool. 1845 p. 406. — Weib- chen: Hyphantornis magnirostris Verr. Hartl. W. Afr. p, 127 (1857), Abbildungen : Buff. PI. Eni. Bd. 3 T, 375 u. 376 (mangelhaft). — Sw, Zool. Illustr. T. 37, — Rchb, Singv. T. 38, F. 292—294, Kopf, Kehle und Mitte des Kropfes schwarz, von einem kastanien- rothbraunen Bande, welches im Nacken am breitesten ist, umsäumt; Unterkörper goldgelb, bei recht alten Individuen auf Körperseiten und Brust goldbraun bis rothbraun verwaschen; Rücken- und Schulter- fedem sowie Flügeldecken schwarz mit gelben Säumen (bei älteren Individuen verschwinden diese gelben Säume an den Schulterfedern, wodurch jederseits längs der Schulter eine schwarze Binde gebildet wird, welche den fast rein gelben Rückenfleck säumen) ; Bürzel, Unter- flügeldecken und Innensäume der Schwingen gelb ; Schwanzfedern braun mit grünlichem Anflug und gelbgrünen Säumen ; Schwingen schwarz- braun mit grünlichgelben, die letzten bisweilen mit weissgelbeu Säu- men; Iris goldgelb bis orangeroth; Schnabel schwarz; Füsse schmutzig fleischfarben, Lg.l70,F1.83 -90, Schw. 53-67, F. 19— 21, L. 23-25 mm. 134 ANT. REICHENOW, Weib chen: Oberkopf, Kopfseiten, Nacken und Bürzel olivengrün; Augenbrauen strich und ganze Unterseite gelb ; Körperseiten bräunlich ; Rückenfedern grünlich braun mit dunklem Schaftstrich ; Schwanzfedern braun mit gelbgrünen Aussen- und blassgelben Innensäumen ; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit grünlich gelben, zum Theil blass- gelben Säumen ; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen gelb; Schnabel hornbraun, Basis des Unterkiefers blasser; Füsse grau- braun; Iris rothbraun. Fl. 80, Schw. 50, F. 20, L. 22 mm. Beim jungen Vogel sind Oberkopf, Nacken und Kopfseiten oliven- gelbgrün ; Augenbrauenstrich und Kehle hellgelb ; Kropf und Körper- seiten hellbraun mit einem Stich in's Rostbräunliche. Die Mitte des Unterkörpers ist weiss, der Oberkörper einfarbig erdbraun. Schwingen und Schwanzfedern sind schwarzbraun mit gelbgrünen Säumen , die Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb. Bewohnt Oberguinea südwärts vielleicht bis zum Aequator und ist hier nicht nur die häufigste Weberart, sondern gehört zu den ver- breitetsten Vögeln überhaupt. Ich habe an der Gold- und Sklavenküste und in der Karaerungegend kaum ein Negerdorf betreten, welchem diese Weber gefehlt hätten, wo die Kokospalmen nicht behängt waren mit den Nestern dieses schönen Vogels, der ebenso durch sein Gefieder wie durch sein munteres Wesen ergötzt. Wie kein anderer Webervogel versteht er es, an den verschiedensten Oertlichkeiten sich einzurichten und die gebotenen Verhältnisse zu benutzen. Obwohl er die Ortschaften vor- zugsweise aufsucht und in ihnen am liebsten sich anzusiedeln scheint, fehlt er auch in Auenwäldern nicht. Sehr mannigfach wählt er seinen? Nistplatz. In den Negerdörfern nistet er in grossen Kolonien, häufig zusammen mit Ploceus nigerrimus, und hängt seine Nester an die Blätter der Kokos- und Fächerpalmen oder an die Spitzen die Pisang- blätter. An der Goldküste fand ich in der Umgebung der Stadt Akkra kleine Kolonien zusammen mit dem Dotterweber an niedrigen Dorn- büschen nistend. Eine andere Nistweise des Goldwebers sah ich am oberen Kamerunflusse. Der Urwald ist hier von den Ufern verschwun- den; üppige Pisangplantagen sind an seine Stelle getreten. Nur ein- zelne der kolossalen Wollbäume haben dem verheerenden Feuer, mit welchem die Eingeborenen die Urwaldvegetation bekämpften, Wider- stand geleistet, und, obwohl des Lebens beraubt, erheben sie noch maje- stätisch. Wind und Wetter trotzend, ihre kahlen Häupter. Ein jeder dieser alten Waldriesen ist dann auch mit einem Horste des Schma- rotzermilans oder des Geierseeadlers besetzt. Um diese herum aber hängen zahlreich die Nester des Goldwebers. Unter den Klauen der Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 135 Räuber treiben die klugen Vögel ihr Wesen, wohl wissend, dass diese zu unbeholfen sind, um ihnen beizukommen, und der Sicherheit sich bewusst, welche die Nähe der grossen Wegelagerer gegen das kleine' schnellere Raubgesindel bietet. Bekanntlich siedeln sich ja auch in ähnlicher Weise einige unserer Meisen oft in Raubvogelhorsten an. Wieder anders endlich traf ich den Goldweber am W'uri, dem Quell- fluss des Kamerun, nistend. Hier hingen seine Nester zwischen grossen Kolonien des Fl. nigerrimus in geringer Höhe über dem Wasser an überragenden Zweigen niedriger Büsche des Ufers. So verschieden aber auch der Nistplatz ist, die Nester selbst bleiben in Form und Bauart immer gleich. Ihre Form ist oval, etwas länger als breit und hoch, mit unterem Schlupfloch , an welchem ein kurzer Röhrenansatz sich befindet. Man könnte die Form auch mit einer Retorte mit abgestutztem Halse vergleichen. Oben ist das Nest gewöhnlich in eine Spitze aus- gezogen , mit welcher es an einem Zweige oder einer Blattspitze be- festigt ist, bisweilen findet man aber auch den tragenden Zweig in die obere Nestwandung eingewebt. Zum Bau werden sehr gi'obe, flache Grashalme oder zerschlissene Blätter der Kokospalme verwendet, und zwar, wie von den meisten Arten der Gattung, in frischem, noch grünem Zustande. Die Eier ändern nach dem Alter des Vogels ab. Bei jungen Individuen sind sie auf hellblaugrünem Grunde mit hell- rothbraunen Flecken bedeckt. Später wird der Grund weiss, und bei recht alten Vögeln sind die Eier rein weiss ohne Fleckenzeichnung. Die Länge schwankt zwischen 21 und 24,5 (letzteres Maass von rein weissen Eiern), die Dicke zwischen 15 und 16,5 mm. Zwei, seltener drei Eier bilden das Gelege. BüTTiKOFER fand in Liberia zahlreiche Kolonien dieses W'ebers, oft über hundert Nester auf einem Baum , aber auch kleinere Gesell- schaften, welche untermischt mit Ploceus castaneofuscus an niedrigen Büschen nisteten. Derselbe Reisende beobachtete die Art und Weise, auf welche die Weber die Palmblätter zerschleissen, um ihr Nistmaterial zu gewinnen. Zunächst beisst der Vogel das Blatt am Rande gegen das Ende hin ein, erfasst sodann die nächste Rippe oberhalb des Ein- bisses und reisst abfliegend einen langen Streifen des Blattes ab. Nach V. Heuglin käme der Ploceus cucullatus auch in Nord- ostafrika vor ; doch vermuthe ich, dass dieser Angabe Verwechselungen mit einer anderen Art zu Grunde liegen. Die Form Ploceus solitarius Prinz Württ., welche v. Heuglin für das Weibchen von Ploceus cucullatus hält, stimmt der Beschreibung nach (v. Heuglin Orn. NO. Air. I p. 552) jedenfalls nicht mit letzterem überein. Auch die An- 136 -^NT. REICHENOW, gäbe V. Heuglin's, dass im Berliner Museum Exemplare des Ploceus cucuUatus, von Brehm und Isenberg in Nordostafrika gesammelt, sich befänden, ist irrthümlich. Sicher festgestellte Fundorte sind: Senegal (BuLLOCK, SwAiNSON), Casamanze (Verreaux), Gambia (Strachau, Berl. u. Brem. Mus.), Kap Palmas (Fräser), Robertsport in Liberia (Büttikofer), Cape Coast an der Goldküste (Gordon, Higgins), Butry- Fluss ebenda (Pel), Akkra, Abokobi, Aburi ebenda (Reichenow), Volta (Ussher), Aschantiland (Berl. Mus.), Rabba, Schonga, Abutschi und Loko am Niger (Forbes) , Abeokuta (Robin) , Fernando Po (Fräser, Reichenow), Kamerunniederung, Bimbia, Kamerungebirge bis 2000' Höhe (Reichenow); Munda, Kamma, Ogowe (Du Chaillu). 16. Floceus cinctus (Cass). ? Ploceus coUaris Vieill. N. D. H. N. T. 34 p. 129 u. Enc. M6th. Orn. 2 p. 699 (1823). — Hyphantornis cinctus Cass. Proc. Ac. Philad. 1859 p. 133. Abbildung: Journ. Ac. Philad. V T. 23, F. 2. Von dem sehr änlichen Ploceus cucuUatus durch breites roth- braunes Band auf dem Kröpfe und Fehlen des rothbraunen Nacken- bandes unterschieden. Ganzer Kopf und Kehle bis zur Kropfmitte herab schwarz; Kropf kastanienrothbraun ; Unterkörper gelb; Nacken-, Rücken- und Schulterfedern schwarz mit gelben Säumen ; Bürzel und Oberschwanz- decken einfarbig grüngelb; Schwanzfedern braun mit grünlichem An- flug und gelbgrünen Säumen ; Schwingen und grosse Deckfedern schwarz- braun mit gelben , zum Theil grünlich gelben Säumen , die kleinsten olivengrün gesäumt; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb ; Schnabel schwarz ; Iris karminroth. Lg. 150 - 160, Fl. 80—85, Schw. 50-55, F. 20-21, L. 21—23 mm. Das ausgefärbte Weibchen unterscheidet sich von demjenigen des Ploceus cucuUatus nur durch schwächeren Schnabel und dunkleren, mehr bräunlichen Ton von Oberkopf, Nacken und Rücken. Die Form Ploceus coUaris Vieill. dürfte auf diese Art zu beziehen sein. Allerdings passt die Beschreibung, nach welcher die mittelsten Schwanzfedern schwarz sein sollen, nicht vollständig, ebensowenig der Fundort „Senegal". Aus diesen Gründen kann auch der Name, obwohl er der ältere ist, nicht Anwendung finden. Ploceus cinctus vertritt Ploceus cucuUatus in Niederguinea, kommt jedoch, falls die Angabe Sharpe's (Cut. Afr. B. p. 59), wonach die Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 137 Art von Ussher an der Goldküste gesammelt wurde, nicht irrthümlich ist, sporadisch auch in Oberguinea vor. Im anderen Falle wäre die Gabungegend, wo beide Arten neben einander vorkommen, als deren Verbreitungsgrenze anzusehen. Sicher festgestellte Fundorte sind: Kammafluss in der Gabungegend (Du Chaillu), Gabun (Skertchley), Tschintschoscho an der Loangoküste (Falkenstein, Petit), Landana ebenda (Petit), Quanza, Quango und Kambo in Angola (v. Mechow), Molembo (Anchieta), Cazengo (da Fonseca), Katenbella in Benguella (Sala, Monteiro), Novo Redondo (Anchieta). Die Eier sind auf hell blaugrünem Grunde rothbraun gefleckt, 23—24 mm lang und 15 — 16 mm dick. 17. Moceus nigriceps (Lay.). Hyphantornis nigriceps Layard B. South Afr. p. 180 (1867). Ganzer Kopf und Kehle bis auf die Mitte des Kropfes herab schwarz, oft schmal goldbraun umsäumt ; Nacken, Halsseiten und ganzer Unterkörper goldgelb; Federn des Rückens, der Schultern und kleine Flügeldecken schwarz mit breiten gelben Spitzen, daher diese Theile gelb und schwarz gefleckt erscheinen ; Bürzel und Oberschwanzdecken grünlichgelb ; Schwanzfedern braun mit grünlichem Anflug und gelbgrünen Säumen; Schwingen und grosse Deckfedern schwarzbraun mit gelben Säumen ; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb ; Iris roth oder orange; Füsse röthlichbraun oder schmutzig fleischfarben; Schnabel schwarz. Lg. 150 - 160, Fl. 80 - 89, Schw. 55-60, F. 20—22, L. 23 mm, Weibchen: Kopf düster grünlich gelb, die Oberkopffedern mit dunkelbraunen Schaftstrichen; Augenbrauenstrich, Kehle und Kropf blassgelb ; Oberkörper graubraun , Rückenfedern mit dunklem Mittel- fleck; Mitte des Unterkörpers weiss, zum Theil gelblich verwaschen, Körperseiten graubräunlich ; Schwanz olivenbraun mit gelbgrünen Säumen ; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit hellgelben, zum Theil weisslichen Säumen; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb; Iris gelbroth; Schnabel braunschwarz; Füsse hornbräunlich. Lg. 135, Fl. 75—80, Schw. 50—52, F. 19, L. 20 mm. Bewohnt Ost-, Süd- und Südwest - Afrika. Bagamojo, Pangani, Mombassa, Wapokomoland, Barawa, Kipini, Mitole (Fischer), See Bombo bei Mombassa, Ukamba, Kitui (Hildebrandt), Gonda, Kakoma (Böhm), Lamu, Malindi, Usambara - Berge , Dar-es-Salaam (Kirk, Buxton), Mossambik (Peters, Spexjling), Kuruman in Südafrika nörd- 138 ANT. REICHENOW, lieh vom Garing (Moffat), Natal (Gukney), Umvulifluss (Ayres), Ma- lanje in Angola (v. Mechow, Schutt), Kapangombe, Kakonda (An- chieta). Ayres fand den Schwarzkopfweber kolonienweise in Südafrika brütend. Die Nester hingen an Flussufern an überhängendem Grase, und zwar waren sie nicht an den aufrecht stehenden Halmen, sondern an den Spitzen der Gräser befestigt; in ihrer Form glichen sie den Nestern des Ploceus velatus. Die Eier waren rein hellblau oder auf weissem Grunde braun gefleckt. Fischer fand die Art mit Vorliebe an Kokospalmen nistend. Die Nester gleichen denjenigen von Ploceus cucullatus, haben wie letztere eine kurze Schlupfröhre. Die das Nest tragenden Zweige oder Palmwedel werden in der Regel in die Seiten- wandungen oder in den oberen Theil des Nestes eingewebt. Die Nahrung besteht fast ausschliesslich in Getreide. Die Vögel fallen in grossen Schaaren in die Felder ein und thun namentlich am Reis viel Schaden. Wo der Reis aufhört, machen sie sich an die jungen Erbsen. Ihre Locktöne bestehen in lautem, etwas krächzendem Ge- zwitscher. Die Eier, von welchen drei das Gelege bilden, sind bald hellblau, bald auf hellblauem Grunde fein rothbraun und violet gefleckt oder auch auf weissem Grunde mit feinen rothbraun eu und grauvio- letten Flecken bedeckt. Sie messen 22 — 24 mm Länge und 15 — 15,5 mm Dicke. Im Wapokomolande sind die Schwarzkopfweber nach Fischer die häufigsten Webervögel. Morgens in der Frühe fliegen sie von ihren Ruheplätzen, als welche meistens grössere, am Wasser stehende Bäume dienen, auf Nahrung aus ; in der Mittagshitze ziehen sie sich auf kurze Zeit in schattiges Laubwerk zurück, um gegen Abend wieder in die Felder einzufallen. Mit Sonnenuntergang eilen die Schaaren, bestimmte Wege einschlagend, zu gewissen Versammlungsorten, wo sie, ähnlich unseren Sperlingen, unter lautem Gezwitscher sich herumtummeln. Dann begeben sie sich zur Ruhe. Zum Theil verbringen sie die Nacht in den Ruhenestern , welche sie gern in Bäumen anlegen , die über Wasser hängen. Diese Nester sind weniger geräumig als die zur Fort- pflanzung bestimmten, auch weniger solid und sorgfältig gebaut und scheinen für sehr lange Zeit benutzt zu werden. Böhm fand den Schwarzkopfweber schaarenweise bei Kakoma und Gonda, in der Nähe von Wasser und in Sümpfen , wo die Vögel mit rauschendem Flügel- schlag und dem bekannten anschwellenden und wieder nachlassenden, verworrenen Geschrei bald in die Pflanzendickichte über dem Wasser einfielen, bald sich wieder auf benachbarten Bäumen sammelten. In Gonda traf derselbe Forscher auf einer hohen Sykomore eine ständige Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 139 Blutkolonie. Im Februar waren die Vögel eifrig beschäftigt, die alten Nester auszubessern oder neue anzulegen. Am 18. Februar enthielt ein Theil der Nester bereits Eier, im März holten die Vögel aber noch immer, mit ungeheurem Lärm und Geschrei ab und zu fliegend, Nistmaterial aus einem nahen Sumpfe, in dessen Schilfmassen sie auch zu übernachten pflegten. 18. Moceus spilonotus Vig. Ploceus spilonotus Vig. Proc. Z. S. 1831 p. 92. — Ploceus sticto- notus Säiith S. Afr. Quart. Journ. 1831 Nr. 5 p. 11. — Ploceus flaviceps Sws. W. Afr. 2. p. 259 (1837). — Ploceus chrysostictus Lcht. Bp. Consp. I p. 441 (1850). — Ploceus cyclospilus Rchb. Singv. p. 80 (1863). — Ploceus Brandtii Rchb. ebenda p. 82. Abbildungen: Smith Illustr. S. Afr. Zool. T. 66. F. 1. - Sw. W. Afr. 2. T. 32. - Rchb. Singv. T. 40, F. 302, 303 u. 306 u. T. 38, F. 295-296. — Bianc. Sp. Zool. MoQamb. Fase. 16 (1865) T. 1, F. 1, (?) T. 2 F. 1 (Nest) F. 2 (Ei). Kopfseiten, Kehle und Mitte des Kropfes schwarz; Ober- und Hinterkopf , Genick , Halsseiten und ganze Unterseite citrongelb ; Rücken- und Schulterfedern schwarz mit gelben Spitzen ; Oberschwanz- decken und Bürzel grünlich gelb, letzterer bei jüngeren Individuen braun ; Schwanzfedern braun , olivengrünlich verwaschen , mit gelb- grünen Säumen ; Schwingen und Deckfederu schwarzbraun mit gelb- grünen, zum Theil gelblichweissen Säumen; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb; Schnabel schwarz; Füsse röth- lichbraun; Iris roth. Lg. c. 170—180, Fl. 90—95, Schw. 60—70, F. 21—23, L. 24—25 mm. Das Weibchen soll nach Bianconi oberseits olivenbraun sein; Unterseite weisslich, an der Kehle etwas rostfarben angeflogen, auf der Brust grau; Körperseiten bräunlich; Flügeldecken schwarzbraun mit weissgelben Säumen. Bewohnt Südafrika, im Osten nordwärts bis Mossambik. Specielle Fundorte sind : Kaffernland (Keebs), Südostküste des Kaplandes west- wärts bis zum Kaffernland (Smith), Windvogelberg (Bulger), Kuruman, Oatlands bei Grahamstown (Layard), Kingwilliamstown (Teevelyan), East London (Rickard), Umgenifluss (Shelley), Natal (Ayres), Sam- besi (Chapman), Ngamisee (Andersson), Inhambane in Mossambik (Peters). Nach Swainson soll Ploceus spilonotus auch am Senegal vorkommen; diese Angabe ist offenbar irrthümlich. 140 ANT. REICHEND W, Ayres fand den Gelbscheitelweber kolonienweise besonders auf Akazienbäumen nistend, oft fünfzig bis sechzig Nester auf demselben Baum, gewöhnlich in bedeutender Höhe. Die Nester hingen an den äussersten Zweigen und waren aus Streifen von Palmen- oder Bananen- blättern nebst Gras gewebt. Die Eier ändern in der Färbung viel- fach ab, grün, blau, weiss und auf weissem Grunde braun gefleckt. Nach der von Bianconi gegebenen Abbildung haben die Nester die nierenförmige Gestalt wie bei den verwandten Arten, aber keinen Röhrenansatz am Schlupfloch. 5. Subgenus Sitagra Rchb. Sitagra Rchb. Av. Syst. Nat. T. 79 (1850). Typus: Fringilla luteola LcHT. — Ploceolus Rchb. Singv. p. 76(1863). Typus: Frin- gilla luteola LcHT. Arten mit schwarzem Kopfe oder schwarzer Maske und gel- bem oder gelbgrünem, bisweilen mit dunkelbraunen Schaftstrichen oder Mittelflecken gezeichnetem Rücken. Eine Art, Ploceus spelcii^ erhält dadurch ein anscheinend von dem angegebenen Charakter ab- weichendes Aussehen, dass die Rückenfedern sehr stark raarkirte und zum Theil rein schwarze Mittelflecken haben, wodurch die Form den Arten der Untergattung Hypliantornis sich zu nähern scheint. In- dessen ist der Färbungscharakter der letzteren wesentlich verschieden. Dort sind die ganzen Mitteltheile der Rückenfedern schwarz und die Spitzen rein gelb, bei PL spehii zeigt jede Feder dagegen nur einen schwarzen Mittel fleck, welcher auch seitlich, nicht nur an der Spitze, grüngelb gesäumt ist. Umfassend drei- zehn, im männlichen Kleide folgen dermaassen abweichende Arten: I. Ganzer Kopf schwarz: 1. Mit kastanienbrauner Nackenbinde: grandis Gray. 2. Mit gelber Nackenbinde : capitalis Lath. II. Ausser Kopfseiten und Kehle noch die Stirn bis zum Scheitel (bis oberhalb der Mitte des Auges) oder auch noch der ganze Scheitel schwarz, Hinterkopf aber gelb oder goldbraun: 1. Flügel 65 — 70 mm lang: a. Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit scharf abgesetzten blassgelben Säumen : intermedius Rüpp. b. Schwingen und Deckfedern dunkelbraun mit ver- waschenen gelbgrünen Säumen: suhpersonatus Gab. r i I Monographie der Gattung Ploceus Cuv. J41 2. Flügel 60 mm oder weniger: a. Das Schwarz des Oberkopfes bis hinter das Auge reichend: personatus Vieill. b. Das Schwarz des Oberkopfes mit dem hinteren Augen- rand oder an der Mitte des Auges abschneidend: luteolus LcHT. III. Ausser Kopfseiten und Kehle nur eine Stirnbinde (deren Breite in der Mitte sich niemals bis zum Scheitel erstreckt) schwarz. 1. Stirnbinde deutlich und vollständig auch hinter der Schnabelfirste sich herumziehend: a. Nacken gelbgrün: velatus Vieill. b. Nacken goldgelb: auricapillus Sw. 2. Stirnbinde sehr schmal, in der Mitte hinter der Schnabel- firste unterbrochen, nur das Dreieck der Stirnbefiederung hinter jedem Nasenloche schwarz : a, Wangen auch hinter dem Auge schwarz : vitellinus Lcht. (vergl. auch reichardi Rchw.). b. Nur vordere Wangen schwarz, hinter dem Auge gold- braun: taeniopterus Rchb. IV. Nur Kopfseiten und Kehle schwarz, Stirnbefiederung auch hinter den Nasenlöchern wie der übrige Oberkopf goldgelb: 1. Rückenfedern schwarzbraun mit grüngelben Säumen: spekii V. Heugl. 2. Rückenfedern ganz grüngelb, nur die obersten bisweilen mit verwaschenem braunem Mittelfleck: heuglini Rchw. 19. Ploceus grandis (Gray). Ploceus collaris Fräs, (nee Vieill.) Proc. Z. S. 1842 p. 142. — HypJiantornis grandis G. R. Gray Gen. Birds. Vol. 2. Ploceinae Hyphantornis sp. 2 (1849). Abbildungen : Fräser Zool. typ. T. 45. — Rchb. Singv. T. 41, F. 307. Kopf mit Kehle schwarz ; Nacken, Halsseiten und Kropf kastanien- rothbraun; Oberkörper gelbgrün, auf dem Bürzel gelber; Unterkörper gelb, Körperseiten rothbraun verwaschen ; Schwanzfedern braun, grün- lich verwaschen, mit gelbgrünen Säumen ; Schwingen und grosse Deck- federn schwarzbraun mit schmalen gelben Säumen, mittlere Deckfedern mit breiten gelben Spitzen, kleinste mit breiten gelbgrüuen Säumen; Schnabel schwarz; Füsse hornbraun. Lg. c. 220, Fl. 113, Schw. 75, F. 30, L. 30 mm. 142 ANT. REICHENOW, Das Weibchen zeigt Oberseite und Schwanz graubraun, oliven- grün verwaschen; Oberkopf- und Rückenfedern mit dunklem Mittel- fleck ; Augenbrauenstrich, untere Kopf- und Halsseiten sowie der Kropf gelbbräunlich; Kehle und Unterkörper weiss, Körperseiten fahl erd- braun verwaschen ; Schwingen, grosse und mittlere Deckfedern schwarz- braun mit gelblichweissen Säumen; Schnabel hornbraun, Unterkiefer und Spitze des Oberkiefers blasser. Fl. 100, Schw. 6S, F. 28, L. 28 mm. Bewohnt die Insel St. Thomas an der Westküste Afrikas. Ein schönes, von Weiss gesammeltes Paar befindet sich im Bremer Museum. 20. Moceus velatus Vieill. Ploceus velatus Vieill. N. D. H. N. 34 p. 132 u. Enc. Meth. Orn. 2 p. 701 (1823). — Ploceus personatus Sw. (nee Vieill.) Anim. Menag. p. 306 (1838). — Ploceus mariquensis Smith Illustr. S. Afr. Zool. T. 103 (1849). — Hyphantornis nigrifrons Gab. Mus. Hein. 1 p. 182 (1851). — Ploceus chloronotus Rchb. Singv. p. 82 (1863). — ? Hyphantornis aethiops v. Heugl. J. 0. 1867 p. 380. Abbildungen : Smith Illustr. S. Afr. Zool. T. 103 (Winterkleid). — Ibis 1868 T. 10. — Rchb. Singv. T. 37 F. 287 (mangelhaft, könnte eher auf PI. auricapillus Sw. bezogen werden) u. T. 40 F. 304 u. 305. Stirn, Kopfseiten, Kehle und Kropfmitte schwarz; Oberkopf, hin- tere Kopfseiten und Unterseite citrongelb, der Oberkopf goldglänzend, bei älteren Individuen hinter der schwarzen Stirn etwas in's Gold- bräunliche ziehend ; Nacken und Oberkörper gelbgrün , Rückeufedern mit dunklen Schaftstrichen, Bürzel gelber; Schwanzfedern braun, schwach olivengrünlich verwaschen, mit gelbgrünen Säumen ; Schwingen und Deckfedern dunkelbraun mit blassgelben, bisweilen theilweise weiss- lichen Säumen ; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blass- gelb; Schnabel schwarz; Füsse braun; Iris rothbraun, bei anderen gelblich weiss. Lg. c. 170, Fl. 85-88, Schw. 60—65, F. 19—20, L. 24 mm. Weibchen oberseits graubraun, schwach grünlich angeflogen; Rücken- und Schulterfedern mit dunkelbraunen Schaftstrichen ; Bürzel und Oberschwanzdecken gelbgrün verwaschen ; Kehle und Unterkörper weiss, Kropf und Körperseiten bräunlich verwaschen ; Schwingen und Deckfedern dunkelbraun, erstere mit gelbgrünen, letztere mit bräun- lichweissen Säumen, die kleinsten Deckfedern breit gelbgrün gesäumt; Schwanzfedern olivenbraun mit gelbgrünen Säumen; Unterflügeldecken "weiss oder bräunlichweiss ; Innensäume der Schwingen blassgelb ; Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 143 Schnabel hornbraun; Unterkiefer blasser. Fl. 77—79, Schw. 58—60, F. 16—18, L. 20—23 mm. Bewohnt Südafrika. Da die Art bis auf die neueste Zeit mit anderen verwechselt wurde, so steht die Verbreitung noch nicht fest, und die nachfolgend aufgeführten Fundorte können mit Ausnahme von Kaffernland, von woher Exemplare mir vorliegen, nicht unbedingt ver- bürgt werden. Kaffernland (Krebs), Kuruman, Brakfontein, Kolesberg, Nel's Poort (Layard), Grahamstown (Barber), Natal (Ayres), Limpopo (Bucklet), Kanye im Matabeleland (Exton), Palatswie Pan (Jameson), Seruli-Fluss (Oates), Makara, Zufluss des Moloppo (Ayres), Bamang- wato und Matabeleland (Buckley), Hartsriverthal, Linokana im Mate- bethal, hier und da im Orangefreistaat, Griqualand, Betschuanenland, Transvaal (Holub), Rustenberg in Transvaal (Ayres). Ayres berichtet, dass die Vögel gesellig leben und in den Feldern sehr schädlich werden, da sie fast ausschliesslich von Sämereien sich nähren. Sie bauen ihre Nester zwischen und an dem hohen Riedgrase, welches in Sümpfen und seichten Gewässern aufschiesst. Beim Bauen haben sie die Gewohnheit, an den Nestern mit den Füssen angeklam- mert zu hängen und mit ausgebreiteten Flügeln flatternd sich hin und her zu schwenken und zu wiegen, was einen prachtvollen Anblick gewährt, wenn die Vögel in grösserer Anzahl in dieser Weise an ihren Nistkolonien beschäftigt sind. Die Nester hängen fast immer zwischen zwei Riedstengeln über bald ganz seichtem, bald mehr als manns- tiefem Wasser. Derselbe Forscher beobachtete auch, dass die Männ- chen noch im grauen Kleide mit dem Bauen der Nester beginnen, und glaubt, dass einzelne Individuen (vielleicht jüngere) nicht das gelbe Kleid im Sommer anlegen. Barber giebt an, dass die Nester aus den Blattrippen einer Sanseviera-Art, zu der Gruppe der Asphodeleae gehörig, gewebt werden. Es ist dies ein zwerghaftes Gewächs mit dicken, roth geränderten Blättern. Das ganze Blatt ist voll starker Adern oder Rippen. Indessen trennen die Vögel nur die rothen Rand- fäden für ihren Gebrauch ab, und so sind für ein einziges Nest viele Hunderte von Blättern erforderlich. Man findet daher in der Um- gegend eines Nestes des Kaffernwebers kein unverletztes Blatt der er- wähnten Sanseviera. Die Eier variiren sehr hinsichtlich der Färbung. Einige sind grün mit rothbraunen Flecken, andere gelblich weiss mit rothbräunlichen oder hellvioletten Flecken, und diese Abweichungen sollen gleichzeitig in demselben Neste vorkommen (?). Holub beobachtete, dass die Katfernweber gegen Ende der Winter- zeit im Matebethaie erschienen und bis zum Beginn des Sommers 144 -^NT. REICHENOW, in der unmittelbaren Nähe der Stadt Linokana sich aufhielten. Sie suchten ihre Nahrung auf den Rainen und Wiesenplätzen und flüch- teten, gestört, in die nächsten, diese Grasstellen umsäumenden Ge- sträuche. Ende September verliessen sie Linokana, um in dem einige Stunden weiter nach Norden zu liegenden und bewaldeten Notuanythale zu nisten. 31. Ploceus auricapillus Sw. Ploceus auricapillus Sw. Anim, Menag. p. 346 (1838). — Hyph- antornis melanops Gab. J. O. 1884 p. 240 T. 3. — Hyphantornis velatus, GuRNEY (nee Vieill.) Ibis 1871 p. 254; Andersson's B. of Damara Land p. 169 (1872); Bocage, Orn. d' Angola p. 325 (1881). Von dem sehr ähnlichen Ploceus velatus durch geringere Grösse, goldbraunen Scheitel, goldgelben, nicht grüngelben Nacken, rein gelben Bürzel und gelbere Rückenfärbung unterschieden. Stirn, Kopfseiten und Kehle, auf die Kropfmitte in eine Spitze ausgezogen^), schwarz; Scheitel goldbraun; Hinterkopf, Nacken, Halsseiten und ganze Unterseite goldgelb ; Rücken- und Schulter- federn grünlichgelb, zum Theil mit schwarzbraunen Schaftstrichen; Bürzel schön rein gelb; Oberschwanzdecken grünlichgelb; Schwanz- federn braun , olivengrünlich verwaschen , mit gelbgrüuen Säumen ; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit gelben Säumen; Unter- flügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb; Schnabel schwarz. Lg. c. 140—150, Fl, 77, Schw. 55, F. IG, L. 20 mm. Weibchen noch nicht beschrieben. Diese Art wurde von Burchell in Südafrika entdeckt. Ein specieller Fundort ist in der SwAiNSON'schen Beschreibung nicht an- gegeben. HoLUB sammelte ein Exemplar (Typus von H. melanops) im Sambesithale. OÖenbar beziehen sich aber auch die Vögel, welche Bocage (1. c.) unter dem Namen H. velata aufiührt, auf die vor- stehende Art. Dieselben stammen von Quillengues und Humbe in Mossamedes. Ebenso gehört der von Ayres in Transvaal gesammelte und als H. velatus Vieill. bestimmte Vogel (Ibis 1871 p. 254) und der unter demselben Namen in Andersson's B. of Damara Land p. 169 aufgeführte Weber hierher. Nach dem letztgenannten Reisen- den ist die Art gemein in Damaraland. Ein genaues Bild der Ver- breitung von Ploceus auricapillus, namentlich im Gegensatz zu PL 1) Hieran leicht von P/. vilelliiius zu unterscheiden. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. J45 velatus, lässt sich durch diese dürftigen Nachrichten für jetzt noch nicht gewinnen. 23. JPloceus interniedius Rüpp. Ploceus intermedius Rüpp. Syst. Uebers. V. N.O. Afr. p. 71. (1845). — Jugend- oder Winterkleid: Ploceus erythrophthalmus V. Heugl. Stzb. Math. Nat. Cl. Ak. Wien 1856 p. 290. — Hyphan- tornis cabanisi Ptrs. J. 0. 1868 p. 133. — Hyphantornis nigrifrons Sharpe (nee Gab.) Lay. Birds South Afr. n. ed. p. 442. 1875—1884 und Shelley Proc. Z. S. 1881 p. 584. Abbildung: v. Heugl. Orn. NO. Afr. 1 Taf. 18 F. a. (Kopf). Oberkopf, Kopfseiten und Kehle, in einem kurzen Bande bis auf die Mitte des Kropfes herab verlängert, schwarz ; Hinterkopf und Ge- nick goldbraun, am intensivsten hinter dem Schwarz des Scheitels, nach hinten zu heller, mehr goldgelb. Halsseiten und Unterkörper gelb, Kropf und Oberbrust goldbräunlich verwaschen; Oberseite des Körpers grüngelb , Bürzel reiner gelb ; Schwanzfedern braun , oliven- grünlich verwaschen, mit grünlichgelben Säumen ; Schwingen und Deck- federn schwarzbraun mit blassgelben Säumen; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen blassgelb ; Iris blassgelb ; Schnabel schwarz ; Füsse hellblaugrau. Lg. 140, Fl. 70-75, Schw. 50—55, F. 15—16, L. 20—21 mm. Das Weibchen ist oberseits fahl olivengrün, Bürzel gelber. Rückenfedern mit dunklem Mittelstrich ; Augenbrauenstrich und Kehle gelblichweiss ; Kropf hell gelbbräunlich verwaschen, Körperseiten bräun- lich, Mitte des Unterkörpers weiss; Schwanzfedern olivenbraun mit grünlichgelben Säumen; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit blassgelben Säumen ; Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen weiss ; Iris hell graugelb ; Oberschnabel hornbraun, Unterschnabel blass- grau mit etwas dunklerer Spitze; Füsse bleifarben. Lg. 130, Fl. 70, Schw. 48, F. 16, L. 21 mm. Den Ploceus erythrophthalmus v. Heugl. halte ich für das Jugend- bez. Winterkleid von PI. intermedius. Auf PI. galbula, mit welchem derselbe von anderen Autoren identifizirt wurde, kann er sich jeden- falls nicht beziehen. Von dem Weibchen des Ploceus intermedius un- terscheidet sich diese Form dadurch, dass die Färbung von Oberkopf, Nacken und Rückenfedersäumen mehr in's Gelbbraune anstatt in's Olivengrüne zieht, dass die dunklen Schaftstriche der Rückenfedern breiter sind, ferner durch den intensiver gelbbraunen Kropf und blass Zoolog. Jahrb. I. JQ j46 ANT. REICHENOW, gelbbräunliche Kopf- und Halsseiten. Die Unterflügel decken und Innen- säume der Schwingen sind bellgelb. Fl. 66 — 70, Schw. 45 — 50, F. 15 — 17, L. 18—20 mm. Bewohnt Ostafrika von Schoa bis Mossambik: Schoa (Harris), Malindi, Pangani, Maurui, Marabrui, Massa, Takaungu (Fischer), Lamu, Usambaraberge (Kirk), Inhambane (Peters) und ferner den Südwesten : Loanda in Angola (Toulson), Quanza (Whitely), Benguella und Quilleugues (Anchieta). Nach Finsch und Hartlaub (Orn. 0. Afr. p. 391) wäre ein jüngeres und ein weibliches Individuum, welche von Andersson im Damaralande gesammelt wurden, ebenfalls auf Ploceus intermedius zu beziehen. Sharpe führt (Lay. B. S. Afr. n. ed p. 442) die in Rede stehende Art, wie aus der Beschreibung ersichtlich, als Hyphantornis nigrifrons Gab. auf, doch dürften die dabei angeführ- ten Fundorte den wahren nigrifrons betreffen. Dagegen gehören die von Shelley (1. c.) ebenfalls als H. nigrifrons aufgeführten, von Kirk gesammelten Exemplare sicher hierher. Sollte sich meine Annahme bestätigen, dass Ploceus erythrophthalmus v. Heugl. mit der in Rede stehenden Art zu identifiziren ist, so würde der Verbreitungsbezirk derselben sich noch erweitern. PI. erythrophthalmus wurde von v. Heug- LiN im östlichen Sennar, in den Provinzen Kalabat und Gedaref ent- deckt und von Hildebrandt bei Ndi in Taita an der Sansibarküste gesammelt. Nach Fischer's Beobachtungen nährt sich diese Art mehr von Insekten als von Sämereien, ähnelt darin also den Symplectes- Arten. Man trifft oft Gesellschaften von drei bis sechs Individuen, welche die Bäume nach Insekten absuchen. Auch das Nest weicht von dem der verwandten Arten ab. Es hat Retortenform und ist aus schmalen Streifen zerschlissener Palmblätter sehr dünn, durchscheinend gewebt, so dass man die Eier oder den brütenden Vogel von aussen sehen kann. Die Schlupfröhre hat von dem Boden des Nestes an gemessen eine Länge von 6 mm, von der Decke an 12 mm. Die Eier sind rein weiss, 21—23 mm lang und 14 — 16 mm dick. 33. JPloeeus spekii (y. Heugl.). Uyphantornis spekii v. Heugl. Peterm. Geogr. Mitth. 1861 p. 24. • — Uyphantornis somalensis v. Heugl. J. O. 1867 p. 379. — Uyphan- tornis somalicus v. Heugl. Finsch J. O. 1868 p. 169. — Uyphan- tornis meloxit Antin., T. Salvadori Ann. Mus. Civ. Gen. 1884 p. 188. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. J47 Kopfseiten und Kehle schwarz, in eine kurze Spitze auf die Kropf- mitte auslaufend; Oberkopf, Nacken, Halsseiten und Kropf goldgelb, letzterer in der Mitte in's Goldbraune ziehend, übrige Unterseite citron- gelb ; Rückenfedern schwarzbraun mit grüngelben Säumen ; Bürzel und Obei'schwanzdecken rein grüngelb; Schwanzfedern braun, olivengrün- lich verwaschen, mit schmalen grüngelben Säumen; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit grünlichgelben Säumen; Unterflügel- decken und Innensäume der Schwingen blassgelb, bisweilen weisslich; Schnabel schwarz; Füsse fleischfarben; Iris rothgelb. Lg. c. 150, Fl. 85, Schw. 52—55, F. 19, L. 22 mm. Das Weibchen ist nach Salvadoei (Ann. Mus. Civ. Gen. 1884 p. 189) oberseits grauolivengrün, Rücken dunkelbraun gefleckt; Vor- derhals gelb, Kehle weisslich; Mitte des Unterkörpers weisslich, die Seiten graulich; Schnabel blass horubraun; Füsse fleischfarben; Iris kastanienbraun. Wurde von Speke im Somaliland entdeckt, von An- TiNOEi im Gallaland gesammelt. 34. Floceus heuglini Rchw. Textor atrogularis v. Heugl. (nee Voigt ^) J. 0. 1864 p. 245. Abbildung: v. Heugl. Orn. NO. Afr. T. 19. Dem vorgenannten sehr ähnlich, aber etwas kleiner, das Schwarz der Kehle in einer längeren Binde auf die Kropfmitte herabgezogen, Kropf weniger intensiv goldbräunlich und die Rückenfedern nicht schuppenartig wie bei Fl. spekii, sondern ziemlich einfarbig gelbgrün, nur die oberen mit verwaschenem braunem Mittelfleck, Bürzel etwas gelber als der Rücken; Iris grauweiss; Schnabel schwarz; Füsse bräunlich fleischfarben. Lg. c. 145, Fl. 72, Schw. 45, F. 15, L. 19 mm. Färbung des Weibchens noch unbekannt. Ploceus heuglini wurde von v. Heuglin am Gazellenfluss ent- deckt. Später fand ihn Emin Bey bei Kuchuna in Lado, Bohndorff bei Sassa im Niamniamlande und Forbes bei Lokodja am Zusammen- fluss von Niger und Binue. Im Gebiet des Gazellenflusses scheint er nach V. Heuglin Zug- oder Strichvogel zu sein, lebt zur Regenzeit in Paaren und brütet im August und September in grossen, etwas rohen Beutelnestern , welche aus frischen Grashalmen auf höheren Bäumen, gewöhnlich an Lichtungen im Hochwald, erbaut sind. Die drei bis vier Eier sind dunkel spangrün. 1) Ploceus atrogularis Voigt ist identisch mit Symplectes m'gricollis (Vieil.). 10* ^48 ANT. REICHENOW, 25. JEloceus capitalis (Lath.) Tanagra capitalis Lath. Ind. Orn. I p. 432 (1790). — Ploceus cucullatus'Sw. (nee Müll.) W. Afr. 2 p. 261 (1837). Abbildung: Rchb. Singv. T. 35, F. 276, T. 38, F. 291. Kopf und Kehle schwarz, welche P'ärbung sich in einer kurzen Binde auf die Kropfmitte herabzieht; Nackenband gelb; Oberkörper düster bräunlich gelb, Bürzel reiner gelb; Kropfraitte goldbräunlich; übriger Unterkörper und Halsseiten goldgelb; Schwanzfedern fahl olivenbraun mit grünlichgelben Säumen; Schwingen und grosse Deck- federn dunkelbraun mit gelben Säumen, die mittleren Deckfedern mit gelben Spitzen ; Unterflügel decken und Innensäume der Schwingen gelblichweiss oder blassgelb; Schnabel schwarz; Füsse bräunlich fleischfarben; Iris orange. Lg. c. 150, Fl. 72, Schw. 52, F. 16—18, L. 20—21 mm. Weibchen oberseits graubraun, schwach olivengrünlich ange- flogen. Rückenfedern mit dunklem Mittelstrich; Unterseite weiss, Körperseiten braun verwaschen; Schwingen und grosse Deckfedern mit gelbgrünen Säumen, mittlere Deckfedern mit weisslichen Spitzen; Schnabel blass hornbraun. Fl. 70, Schw. 45, F. 16, L. 21 mm. Bis jetzt nur von Senegambien bekannt: Senegal (Bullock), Gambia (Swainson). Die von Fokbes neuerdings in Abutschi und Schonga am Niger gesammelte und von Shelley (Ibis 1883 p. 550) als Ploceus capitalis gedeutete Weberart hat sich als eine abweichende kleinere Form mit reiner gelb gefärbtem Rücken erwiesen, deren Benennung und Be- schreibung seitens des genannten Autors bevorsteht. 36. Ploceus vltellinus (Lcht.). Fringilla vitellina Lcht. Dubl. Verz. p. 23 Nr. 237 (1823). — Ploceus ruficeps Sw. W. Afr. 2. p. 262 (1837). — Ploceus sublarvatus V. Müll. Naum. 1851 p. 28. — Ploceus auranticeps v. Heugl. Stzb. M. Nat. Gl. Ak. Wien 1856 p. 290. — Xanthophilus sulphureus Rchb. Singv. p. 84 (1863). — Texior chrysopygus v. Heugl. J. O. 1864 p. 246. — Ploceus flavomarginatus Pkinz Wüett., v. Heugl. J. 0. 1867 p. 299. Abbildungen: v. Müll. Descr. Ois. Nouv. d'Afr. T. 12. — Rchb. Singv. T. 42, F. 313 (Weibchen), T. 36, F. 279 u. 280, T. 37, F. 284 u. 285. - V. Heugl. Orn. NO. Afr. T. 18, F. c. (Kopf). Monographie der Gattung Ploceus Cuv. J^49 Schmale Stirnbinde, Kopfseiten und Kehle schwarz'); Scheitel goldbraun; Genick, Halsseiten und Unterseite goldgelb, Kropf gold- bräunlich verwaschen ; Oberkörper grüngelb, Bürzel rein gelb ; Schwanz- federn fahl olivenbraun mit grünlichgelben Säumen ; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit gelben Säumen; ünterflügeldecken und Innensäume der Schwingen hellgelb; Iris orange; Schnabel schwarz; Füsse fleischfarben. Lg. 130—140, Fl. 69—72, Schw. 50—58, F. 15—17, L. 19—20 mm. Das Weibchen beschreiben Finsch und Hartlaub folgender- maassen: Oberseite olivengrüngelb mit breiten olivenbraunen Schaft- strichen auf dem Mantel und den Schultern; Zügel, Wangen und Unterseite wie die Oberschwanzdecken hochgelb; Schnabel hornbraun, Unterkiefer blasser. Als Verbreitungsbezirk des Dotterwebers kennen wir gegenwärtig Ober-Guinea, Nordost- und Ost-Afrika, südwärts bis zum Sambesi. Spezielle Fundorte sind: Senegal (DelbrIJck), Gambia (Swainson), Gor6e (Lissabon. Mus.), Accra, (Reichenow, Ussher), unterer Weisser und Blauer Nil und der eigentliche Nil nordwärts bis Berber (v. Heug- lin), Agaru (Emin Bey), Nguruman (Fischer), Sambesi, Tete (Living- stone). In Nordost - Afrika hält sich der Dotterweber nach v. Heuglin am liebsten in kleinen Akaziengruppen oder in anderen Dornenge- büschen in der Nähe von Wasser, an Stromufern, längs der Regen- teiche, auf Inseln und in Büschelmaisfeldern auf. Die Nahrung be- steht in Sämereien von Gräsern und Insekten. Die Verfärbung zum Hochzeitskleid beginnt im Juni und gleichzeitig das Fortpflanzungsge- schäft. Dann singen, schwatzen und streiten die Männchen viel und verlassen den zum Nestbau ausersehenen Platz höchst selten. Der Lockton ist ein schrilles, etwas gedehntes Zirpen. Das Nest wird an schwankenden, überhängenden Zweigen auf drei bis zwanzig Fuss Höhe befestigt. Dasselbe ist sehr zierlich, kugelförmig mit einem schön glatt gearbeiteten Flugloch an der Unterseite, aber ohne Röhren- ansatz, nach oben in eine Spitze auslaufend, mit welcher es an dem Ende eines dünnen Zweiges hängt, so dass der geringste Luftzug es in eine schwankende Bewegung versetzt. Häufig hängen die Nester so, dass sie einen grossen Theil des Tages Schatten haben. Oft findet 1) Die schwarze Färbung der Kehle ist nach unten gerade abge- schnitten und setzt sich nicht auf die Kropfmitte herab fort wie bei PI. auricapilhis. 150 ANT. REICHENOW, man frische Nester uubelegt. Dieselben werden vermuthlich bei Nacht und Unwetter von den Männchen benutzt, welche anscheinend auch das Weben nicht nur aus Bedürfniss, sondern auch aus Liebhaberei betreiben. Beim Bauen kann man neben der Geschicklichkeit im Ver- flechten des Materials die Gewandtheit der kleinen Baumeister im Klettern nicht genug bewundern. In allen Stellungen, oft Kopf und Körper abwärts gerichtet, laufen sie um den ganzen Bau herum und an demselben auf und ab. Die Eier ändern in der Färbung mannig- fach ab. Ihre Grundfarbe ist bald weisslich, bald hell lehmfarben, fleischröthlich , bläulich oder hell grün, darauf mit einzelnen dunkel blaugrauen Punkten und Flecken oder mit zahlreichen rostbraunen und grauen Flecken, welche am stumpfen Ende dichter stehen, bedeckt. Sind die Jungen ausgeflogen, so schwärmen ganz kleine Kolonien einige Zeit in der Steppe und in Maisfeldern umher und verschwinden, südwärts ziehend, im November wieder. Um diese Jahreszeit und theils schon etwas früher beginnt die Mauser. Nach meinen, an der Goldküste gesammelten Beobachtungen kann ich die vorstehenden An- gaben V, Heuglin's in vollem Umfange bestätigen. Ich fand die Nester stets an niedrigen Büschen, niemals in grossen Kolonien, son- dern nur einzeln oder wenige an demselben Strauch. Die von mir gesammelten Eier, welche zu je drei das Gelege ausmachten, messen 19,75—20,5 mm Länge und 13,25—14 mm Dicke. 37. JPloceus reichardi Rchw. n. sp. Sehr ähnlich dem PI. vitellinus, aber die schwarze Färbung an Kopfseiten und Kehle ein wenig weiter ausgedehnt, Oberkörper gelber, nicht so grünlich als bei vitellmus, namentlich der Bürzel schön hoch- gelb, auch die Säume von Flügel- und Schwanzfedern reiner gelb, vor allem aber durch intensiv rothbraunen Kropf und rothbraun ver- waschenen , nach dem Steiss zu allmählich gelber werdenden Unter- körper unterschieden. Fl. 68—70, Schw. 50, F. 16, L. 21 mm. Das Weibchen ist oberseits grünlich graubraun, Rücken mit einzelnen dunkelbraunen Schaftstrichen gezeichnet. Oberschwanzdecken grünlich gelb. Augenbrauenstrich und Unterseite blassgelb, auf dem Kröpfe ein wenig in's Bräunliche ziehend; Weichen bräunlich ver- waschen , Mitte des Bauches nach dem Steiss zu weiss. Säume der Flügelfedern blasser als beim Männchen. Fl. 63 , Schw. 47 , F. 14, L. 19 mm. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 151 Diese neue Art wurde von den Herren Dr. Böhm und Reichard bei Karema am Tanganjikasee gesammelt. Böhm schreibt über Auf- enthalt und Lebensweise des Vogels: „Ich fand in der Sumpfwildniss, welche die Delta der kleinen, zwischen Karema und Kafissya in den Tanganjika mündenden Flüsse bilden, eine Nistkolonie dieses Webers. Trockene, kiesige und grandige Bänke wechseln dort mit überschwemm- ten, von hohem und dichtem Rohr, Gras und Cyperaceen bestandenen Flächen, heckenartigen Ambatschgebüschen und offenen Tümpeln und Teichen ab. Die Nester waren in knietief unter Wasser stehenden Ambatschsträuchern gebaut und ähnelten sehr denen des Schwarz- kopfwebers. In den meisten befanden sich bereits zwei Junge. An- dere enthielten zwei Eier, welche entweder bläulich mit dunkelbraunen Flecken oder mehr olivengraugrün mit verwaschener Fleckenzeichnung sind. Das verworrene Geschrei der Vögel gleicht durchaus dem an- derer Gelbweber. Beunruhigt flüchteten sie in benachbarte Ambatsch- dickichte, kehrten aber bald zu den Nestern zurück, wobei die Weib- chen sich schüchterner als die Männchen zeigten, welche letzteren von ihren beständigen Raufereien untereinander sehr in Anspruch genommen wurden." Die Eier haben 18,5—20 mm Länge und 14— 15 mm Dicke. 38. Ploceus taeniopterus Rchb. Ploceus taeniopterus Rchb. Singv. p. 78 (1863). Abbildungen: Rchb. Singv. T. 36, F. 281 u. 282. - v. Heugl. NO. Afr. T. 16, F. b. (Kopf) (schlecht). Unterscheidet sich von dem sehr ähnlichen PI. vitellinus durch etwas längeren Schnabel , geringere Ausdehnung der schwarzen Fär- bung an den Wangen, welche nach hinten nicht über das Auge hinaus sich erstreckt, hingegen weitere Ausdehnung des Schwarz an der Kehle, indem der Kehlfleck vom Unterkieferwinkel an gemessen 2 cm, bei vitellinus hingegen nur wenig über 1 cm lang ist. Die hin- teren Wangen sind nicht schwarz, sondern kastanienbraun. Zügelgegend sowie der dreieckig vorspringende Theil der Stirn- befiederung hinter den Nasenlöchern, vordere Wangen (nicht über das Auge hinaus) und Kehle schwarz; Stirn und Scheitel, hintere Kopf- seiten und Umsäumung der Kehle goldig kastanienrothbraun. Genick, Halsseiten und Unterseite goldgelb, auf Kropf und Brust goldbräun- lich verwaschen; Schwanzfedern blass olivenbraun mit gelbgrünen Säumen ; Oberkörper grüngelb, Bürzel rein gelb ; Schwingen und Deck- federn schwarzbraun, erstere mit gelben Säumen, grosse Deckfedern 152 ^NT. REICHENOW, mit weisslichen Säumen, mittlere mit gelben Spitzen ; Schnabel schwarz ; Füsse fleischfarben. Lg. c. 150, Fl. 72, Schw. 45, F. 19, L. 21 mm. Färbung des Weibchens noch nicht bekannt. Bewohnt den Weissen Nil zwischen dem 10. und 5." n. Br. Mit Anfang der Regenzeit kommt er in zahllosen Schaaren in die Grami- neenfelder um den oberen Bar el abiad. Es ist kaum möglich, sich einen Begriff von der Individuenzahl eines solchen Fluges dieser Vögel zu machen. Der genannte Reisende sah sie dichtgedrängt, in ununterbrochenen wolkenartigen Zügen, die oft eine Viertelstunde lang währten, über den Fluss ziehen. Emin Bey traf die Art bei Lado. 39. JPloceus subpers&natus (Gab.). Hyphantornis suhpersonatus Gab. J. 0. 1876 p. 92. Oberkopf, Kopfseiten und Kehle schwarz; Hinterkopf, Genick, Halsseiten und Unterkörper goldgelb, auf dem Kröpfe goldbräunlich verwaschen ; Rücken- , Schulterfedern und kleine Flügeldecken gelb- grün, Bürzel und Oberschwanzdecken gelber, in's Goldbraune ziehend; Schwanzfedern, Schwingen und Deckfedern dunkelbraun mit gelbgrünen Säumen; Unterflügeldecken blassgelb; Innensäume der Schwingen weisslich ; Schnabel schwarz ; Lg. c. 150, Fl. 70, Schw. 53—55, F. 20, L. 21—22 mm. Weibchen noch unbekannt. Wurde von Falkenstein bei Tschintschoscho an der Loangoküste entdeckt, von Petit bei Landana gesammelt. 30. JPloceus personatus Vieill. Ploceus personatus Vieill. Gal. Ois. T. 84 (1820). Abbildungen : Vieill. 1. c. — Jard. Contr. Ornith. 1849 T. 7. — RcHB. Singv. T. 35, F. 274 u. 275 (schlecht). Stirn, Scheitel, Kopfseiten und Kehle schwarz; das Schwarz des Scheitels reicht bis hinter das Auge; Hinterkopf, Genick, Halsseiten und Unterkörper gelb, in der Umsäumung der schwarzen Maske, be- sonders auf dem Kröpfe oft in's Goldbräunliche ziehend, Mitte des Unterkörpers blasser; Oberkörper gelbgrün, Bürzel etwas gelber; Schwanzfedern olivenbraun mit gelbgrünen Säumen; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit gelbgrünen Säumen; Unterflügeldecken hellgelb; Innensäume der Schwingen weisslich oder blassgelb; Iris dunkelbraun ; Schnabel schwarz ; Füsse bleigrau. Lg. 120 Fl. 57 — 60, Schw. 40, F. 13—15, L. 19 mm. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. 153 Beim Weibchen ist der Oberkopf gelbgrün wie der Rücken ; Augenbrauenstrich, Kopfseiten und Kehle wie der ganze Unterkörper gelb, Kehle weisslich; Iris braun; Schnabel und Füsse bleigrau. Fl, 55, Schw. 40, F. 14, L. 19 mm. Bewohnt Westafrika von der Goldküste bis Loango. Cape Coast (Fräser), Volta (Ussher), Aschantiland (Pel), Egga am Niger (For- BEs), Alt Kalabar (Jardine), Wuri (Reichenow), Kamma (Du Chaillu), Tschintschoscho (Falkenstein). Ueber die Lebensweise dieser Art konnte ich am Wuri, einem der Quellflüsse des Kamerun , Beobachtungen sammeln. Die Vögel scheinen freiere Gegend zu bevorzugen, daher fehlten sie an dem von dichtem Urwald gesäumten Kamerunfluss. Am Wuri belebten sie die Uferbüsche und zeigten sich höchst zutraulich. Die Nester hingen nicht in Kolonien beisammen, sondern einzeln, wenn auch oft in ge- ringer Entfernung von einander, über dem Wasser an überragenden Zweigen oder an dem von dem steilen Ufer herabhängendem Grase und hatten sehr unregelmässige Form. Der Nistraum ist kugelförmig und an diesem seitlich ein Vorbau angebracht, welcher die Schlupf- röhre bildet. Ersterer hat einen Durchmesser von 7 bis 8 cm, der Anbau springt 4 bis 5 cm vor. Das Ganze ist aus dünnem Grase sehr lose gebaut, aussen rauh und struppig; besonders die angesetzte Schlupfröhre ist sehr locker und unordentlich gearbeitet. Die tragenden Zweige oder Grashalme sind in die obere Wölbung des Nestes einge- webt. Das Gelege besteht aus zwei oder drei rein weissen Eiern, welche 16,5 — 19 mm Länge und 12,5 — 13 mm Dicke haben. 31. Ploceus luteolus (Lcht.) Fringilla luteola Lcht. Dubl. Verz. p. 23 Anm. (1823). — ? Plo- ceus melanotis Sw. Anim. Menag. p. 307 (1838). — Fringilla mülleri Baldamus Naura. 1850 p. 28. — Fringilla chrysomelas v. Heugl. Stzb. M. Nat. Gl. Ak. Wien 1856 p. 41. Abbildung: Rchb. Singv. T. 35, F. 273. Von dem sehr ähnlichen Fl. personatus dadurch unterschieden, dass das Schwarz des Scheitels schon mit dem hinteren Augenrande oder über der Mitte des Auges abschneidet, das Schwarz der Kehle aber in einem kurzen Bande auf die Mitte des Kropfes sich fortsetzt. Ferner ist der Hinterkopf und Nacken gelbgrün wie der Rücken, nur die Umsäumung der schwarzen Stirn und Kopfseiten fast rein gelb, endlich Halsseiten und Unterseite heller (citrongelb) und ohne gold- 154 AKT. REICHENOW, bräunlichen Anflug in der Umsäumung der schwarzen Maske. Schnabel schwarz; Füsse bräunlich fleischfarben; Iris rothbraun. Lg. c. 120—130, Fl. 59- GO, Schw. 40—45, F. 14-15, L. 17—18 mm. Das Weibchen ist oberseits fahl olivengrün, die Oberschwanz- decken sind gelblicher, Rückenfedern mit dunklem Mittelfleck ; Augen- brauenstrich und ganze Unterseite blassgelb, Kehle und Zügel weiss- lich, Kropf und Körperseiten bisweilen hellbräunlich verwaschen. Bewohnt Nordost- und Nordwest- Afrika, v. Heuglin fand diese Art im Bogosland, Ost- und Süd-Sennar, Kordofan, am oberen Weissen Nil und seinen Zuflüssen. Wilke will den Vogel in Nubien erlegt haben (Berlin. Mus.). Antinori erwähnt desselben von Schoa, Emin Bey von Tarrangole, Fadjulli, Kiri und Lado. Im Nordwesten ist er von Delbrück am Senegal gesammelt (Berlin. Mus.). Nach V. Heuglin erscheint dieser Weber in Kordofan im Mai, verfärbt sich bis Mitte Juli und verschwindet mit seinen Jungen im October und November. Er lebt immer paarweise, gewöhnlich längs Regenbetten in der Waldregion, seltener in der Steppe, und baut im Juli ein sehr künstliches, schmales und langes Beutelnest ausschliess- lich aus Wurzelfasern, das nicht sehr dicht gewebt und verstrickt und im Innern nur mit wenigen feinen Haaren und etwas Baumwolle ausgekleidet ist. Der Bau hängt 18 — 25 Fuss hoch an schwankenden Zweigspitzen von Akazien oder an Dornbüschen und enthält zwei bis drei rein weisse Eier. 6. Subgeiius Ploceus Cuv. Arten mit sperlingsfarbenem Gefieder und einzelnen gelben und schwarzen Abzeichen oder von vorherrschend gelber Gefiederfärbung, immer aber dadurch von den Untergattungen Xanthophüus, Hyphan- tornis und Sitagra unterschieden, dass die Flügel sperlingsf arben sind, Schwingen und Deckfedern nicht wie bei letzteren gelbe oder gelbgrüne Säume haben, sondern weisslich oder blass bräunlich ge- säumt sind *). Bisweilen nur sind die Säume der Handschwingen gelbgrünlich. Die Schwanzfedern stets dunkelbraun, ohne den grün- lichen Anflug, welchen die Arten der Untergattungen Hyphantornis, Sitagra und Xanthophilus stets zeigen. Der Schnabel ist im Allge- meinen stärker, kürzer und höher als bei den vorbehandelten Formen, bei einer, dem Ploceus hypoxanthus , sogar auffallend kurz und i 1) Gleiches kommt nur noch bei einer Art der Untergattung Cinna- mopttnjx, bei I'luceus rubiginosus vor. Monographie der Gattung Ploccus Cuv. 155 hoch. Wir rechnen zu dieser Untergattung sieben Arten, von welchen nur eine Afrika angehört, eine auf Madagaskar heimisch ist und fünf Indien und die Sundainseln bewohnen. Nach der Färbung der aus- gefärbten männlichen Individuen sind die sieben Arten folgender- maassen zu unterscheiden: I. Grösster Theil des Unterkörpers gelb: 1. Kopfseiten und Kehle schwarz: a. Oberkopf gelb: hypoxanthus Daud. b. Mitte des Oberkopfes dunkelbraun: superciUosus Shell. II. Nur die Brust gelb wie der Oberkopf: fuscicolUs Rchb. III. Kein gelb am Unterkörper, nur die Kopfplatte gelb : 1. Kopfseiten und Kehle schwarz: a. Brust und Weichen schwarz gestrichelt : flaviceps Less. b. Brust und Weichen nicht gestrichelt, einfarbig, rost- braun : passerinus Hodgs. 2. Kopfseiten und Kehle weiss : hengalensis L. IV. Ganzer Kopf gelb : sacalavus Hartl. 33. Floceus superciUosus (Shell.). Hyphantornis superciUosus Shelley Ibis 1873 p. 140. Oberkopf schwarzbraun , die einzelnen Federn mit gelblichen Spitzen, Stirn rein schwarz; breites Augenbrauenband, Halsseiten, Kropf und Brust gelb, der vordere Theil der Augenbrauenbinde gold- bräunlich; Kopfseiten und Kehle schwarz; Rücken-, Flügel- und Schwanzfedern dunkelbraun, erstere mit gelblichen Federsäumen, Schwingen, Deck- und Schwanzfedern mit blassbräunlichen Aussen- säumen ; Bauch und Unterschwanzdecken weiss mit rostbräunlichem An- flug; Unterflügeldecken rostig isabellfarben ; Innensäume der Schwingen weisslich; Schnabel hornbraun, Unterkiefer blass blaugrau; Füsse schmutzig fleischfarben; Iris olivenbraun. Lg. c. 120—130, Fl. 65—67, Schw. 45-50, F. 15—16, L. 18-19 mm. Beim Weibchen ist der Oberkopf schwarzbraun ohne gelbliche Federspitzen, der vordere Theil tiefschwarz; Zügel und Augengegend ebenfalls schwarz; Augenbrauenband, Wangen, Halsseiten und Unter- seite isabellfarben, vorderer Theil der Augenbrauenbinde rostbräunlich, Bauchmitte weisslich; Oberkörper fahlbraun. Rückenfedern mit dunk- lem Mittelfleck. Bewohnt Westafrika von der Goldküste bis Loango. Bisher nur an wenigen Punkten gefunden. Accra (Shelley), Schonga am Niger (FoßBES), Tschintschoscho (Falkenstein). 156 ANT. REICHENOW, 33. Ifoceus fuscicollis (Rchb.). Coccothraustes philippensis Briss. Orn. 3 p. 232 T. 12 F. 1 (1760). ~ Loxia philippina (!) L. S. N. 12. 1 p. 305 (1766). — Nelicurvius fuscicollis Rchb. Singv. p. 75 (1863). Abbildungen: Buffon PI. Eni. Bd. 4 T. 135 F. 2 (Grosbec des Philippines). — Rchb. Singv. T. 33 S. 263-265. Oberkopf und Brust gelb; Rückenfedern schwarzbraun mit gelben Säumen, bei jüngeren Individuen blassbräunlich gesäumt; Schwingen und Deckfedern dunkelbraun mit blassen Säumen; Bürzel und Ober- schwanzdecken blass rostbräunlich ; Handschwingen mit schmalen blass- gelblichen Säumen; Kopfseiten und Kehle braunschwarz, Kehlmitte weisslich, bisweilen ist die ganze Kehle bräunlich weiss und nur schwarzbraun umsäumt; Bauch und Unterschwanzdecken weiss; Wei- chen blassbräunlich; Schwanzfedern dunkelbraun mit gelbgrünlichen Säumen; Schnabel schwarz; Iris dunkelbraun; Füsse bräunlich fleisch- farben. Lg. 140—150, Fl. 68—73, Schw. 50, F. 17-18, L. 20 mm. Beim Weibchen und dem Männchen im Winterkleide ist der Oberkopf gleich dem Rücken fahlbraun mit schwarzbraunen Schaft- strichen; Augenbrauenbinde blassgelblich, am hinteren Theile weiss- lich; Kopfseiten braun; Kehle wie übrige Unterseite weiss, nur Brust und Weichen hellbräunlich verwaschen. Bewohnt Vorderindien und Ceylon. Im Norden scheint seine Ver- breitung bis zum Fusse des Himalaja, im Nordwesten bis Sind, im Nordosten bis West-Bengal sich auszudehnen, doch lässt sich dies nur vermuthungsweise annehmen, da die Art bisher häufig mit der folgenden zusammengezogen wurde. In der Lebensweise, insbesondere hinsichtlich des Nestbaues, scheint diese Art mit dem folgenden, nahe verwandten Bayaweber übereinzustimmen. 34. Ploceus passerinus Hodgs. Ploceus baya (!) Blyth Journ. As. Soc. Beng. 13 p. 945 (1844). — Ploceus atrigula Hodgs. (nee atrigularis Voigt, nee Heugl.) Gray's Zool. Mise. p. 84 (1844). — Weibchen: Ploceus passerinus Hodgs. Gray's Zool. Mise. p. 84 (1844). — Var.?: Ploceus megarhynchus HuME Ibis 1869 p. 356 u. 1871 p. 36. Abbildungen: Rchb. Singv. T. 34 F. 266—268. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. J57 Von dem vorgenannten dadurch unterschieden, dass nur der Ober- kopf gelb und zwar intensiver, mehr goldgelb gefärbt, die Brust aber rostbraun ist, ferner Kopfseiten und Kehle intensiv schwarz, letztere in der Mitte bisweilen weisslich. Oberkopf goldgelb ; Kopfseiten und Kehle schwarz, letztere in der Mitte bisweilen weisslich; Rückenfedern schwarzbraun mit rostbraunen Säumen, einige bisweilen gelb gesäumt; Bürzel und Oberschwanzdecken fahl rostbraun; Schwingen und Flügeldecken schwarzbraun mit blass rostbräunlichen Säumen ; Brust und Körperseiten rostbraun, Mitte des Unterkörpers und Unterschwanzdecken bräunlich weiss; Schwanzfedern schwarzbraun mit gelbgrünlichen Säumen; Schnabel schwarz; Iris dunkelbraun; Füsse bräunlich fleischfarben. Lg. c. 150 Fl. 70 — 75, Schw. 50-55, F. 16-18, L. 21 mm. Das Weibchen und Männchen im Winterkleid unter- scheidet sich von demjenigen der vorigen Art durch rostbräunlichen Augenbrauen strich, rostbräunliche Brust und Körperseiten, welche bis- weilen mit feinen dunklen Schaftstrichen gezeichnet sind, und auch oberseits mehr in's Rostbraune ziehendes Gefieder. Nach HuME vertritt der Bayaweber den vorgenannten in Hinter- indien und zwar von Nipal und Ost-Bengal an bis Malakka. Speciell erwähnt ihn Httme noch von Sikim und Birma. Oates traf ihn in Pegu, W^ATKiNS in Assam, Blanford im Irawaddi-Thal, Jagor und Ihne sammelten die Art in Malakka. Aber auch über Sumatra und Java ist der Bayaweber verbreitet. Von Tweeddale wurde er bei Lampong in Südost - Sumatra , von Bernstein im Gedegebirge auf Java, von Junghuhn auf dem Plateau von Bandong ebenda gesammelt. HuME beschrieb unter dem Namen Ploceus megarhynchus Exem- plare im Winterkleide, welche bei Kaladoongee im Nynee-Thale erlegt wurden und sich durch bedeutendere Grösse, dunkleren und mehr rostfarbenen Ton des ganzen Gefieders, beinahe vollständiges Fehlen der Strichelung auf der Kopfplatte, viel breitere und sparsamere Striche auf dem Rücken, vollständiges Fehlen des rostfarbenen Augen- brauenstrichs und einfarbige Backen- und Ohrfedern auszeichnen. Diese Form scheint indessen keine besondere Art, sondern nur eine individuelle Abweichung darzustellen. Das künstliche Nest des Bayawebers, welches im Verhältniss zum Vogel riesig gross ist, hat flaschen- oder birnenförmige Gestalt und ist mit seinem kaum zolldicken, halsförmigen oberen Ende an der äussersten Spitze eines Bambuszweiges oder Palmblattes hängend be- 158 ANT. REICHENOW, festigt, und zwar, wie Bernstein angiebt, so fest, dass selbst ein starker Wind nur selten im Stande ist, es herunterzuwerfen. Nach unten verbreitert sich das Nest allmählich flaschenartig und hat am unteren Ende einen Durchmesser von etwa 15 cm bei etwa 10 cm Breite. Hier befindet sich der Nistraum und unmittelbar neben diesem, jedoch durch eine etwa zollhohe Querwand getrennt, der Eingang, der sich in eine etwa 6 cm weite und 5 bis 20 cm lange, abwärts gerichtete Röhre fortsetzt. Die Länge des Nestes vom Aufhängepunkt bis zu dem Anfang der Röhre, d. h. ohne diese, beträgt etwa 50 cm. Zur Herstellung dieses grossen kunstvollen Baues benutzen die Vögel ausschliesslich feine, schmale Grashalme, welche sehr dicht und fest verflochten werden. Die Nester hängen oft zu 20 bis 30 an einem Palmbaum oder einer Mimose, bisweilen aber auch an den Strohdächern der Hütten der Eingeborenen. Sie enthalten in der Regel zwei, aber auch drei bis vier rein weisse Eier, welche 21—22 mm lang und 13 — 14 mm dick sind. In Indien brüten die Vögel zur Regenzeit, je nach der Lokalität von April bis September, auf Ceylon im Juni. Ausser dem Brutneste weben die Männchen noch einen anderen Bau, in welchem sie Nachtruhe halten oder gegen rauhe Witterung Schutz suchen. Dasselbe ist auch flaschenförmig, der Hals aber nur kurz, etwa 15 cm lang, der untere, schnell sich verbreiternde Theil etwa 40 cm lang, 20 cm im Längen- und 12 im Breitendurchmesser. Dieses ganze Bau- werk ist compakt aus Gras gewebt bis auf eine etwa 12 cm hohe Höhlung am unteren Ende, deren untere Oeö'nung durch einen Quer- steg in der Mitte getheilt wird. Auf diesem Steg sitzt der Vogel geschützt gegen Regen und Wind in seiner Höhle. Bisweilen, wahr- scheinlich wenn von jüngeren Männchen angefertigt, bildet das Nest nur eine unten mit dem Quersitz versehene Glocke, deren oberer, sehr dick gewebter Theil in eine Spitze ausgezogen ist, mit welcher der Bau an dem tragenden Zweige befestigt wird. In der Regel findet man in den Nestern an verschiedenen Stellen kleine Klümpchen Lehm a!)geklebt, von welchen der Volksglaube erzählt, dass sie zum An- kleben von Leuchtkäfern dienten, mit welchen der Vogel des Nachts sein Nest erleuchte. Wozu dieselben bestimmt sind, ob zum Wetzen des Schnabels, zur Befestigung des Nestes oder zur Herstellung des Gleichgewichts des letzteren, wie von verschiedenen Seiten vermuthet wurde, ist noch nicht festgestellt. Die Nahrung des Bayawebers be- steht in Reis und Grassameu. I Monographie der Gattung Ploceus Cuv. J59 35. Moceus flaviceps Less. Fringilla manyar (!) Horsf. Trans. Lin. Soc. 13 p. 160 (1820). — Ploceus flaviceps Less. Tr. d'Orn. p. 435 (1831). — Ploceus striatus Blyth Journ. As. Soc. Beng. 11 p. 873 (1842). — Nelicurvius emheri- sinus RcHB. Singv. p. 76 (1863). Abbildungen: Rchb. Singv. T. 34 F. 269—272. Oberkopf gelb ; Kopfseiten, Kehle, Ohrgegend und Nacken schwarz; Rückenfedern und Flügeldecken braunschwarz mit blassbraunen oder hell rostbräunlichen Säumen; Flügel- und Schwanzfedern schwarzbraun, letztere sowie die Handschwingen mit schmalen gelbgrünlichen Säumen, die übrigen Schwingen und Deckfedern mit bräunlich weissen Säumen ; Oberschwanzdecken rostbräunlich; Unterkörper bräunlich weiss; Brust und Weichen schwarz gestrichelt, Bauchmitte fast rein weiss. Lg. c. 140-150, Fl. 72, Schw. 50, F. 18, L. 21 mm. Beim Männchen im Winterkleide und dem Weibchen sind die Federn des Oberkopfes und Nackens wie die des Rückens gefärbt; Augenbrauen und ein Fleck hinter der Ohrgegend, sowie ein meistens nur schwach angedeuteter Bartstrich gelb; Kopfseiten dunkelbraun; Kehlfedern schwarz mit weissen Säumen; Kropf, Brust und Körper- seiten hell rostbräunlich mit schwarzbraunen Strichen, diese schwarzen Striche sind schmäler als beim Männchen; Schnabel blass bräunlich fleischfarben. Bewohnt Hinterindien und das nördliche Vorderindien. Nach Jerdon ist er selten in Deccan, häufiger in Assam, Birma und Malacca, fehlt aber in den nordwestlichen Provinzen des Britischen Indiens. HuME erwähnt ihn von Etawah, Mynpoori, Sind und Süd-Travancore, Marshall von Aligurh und Cawnpoor, Davison von Tenasserim (zwi- schen Salween und Sittang), Blanford vom Irawaddithal, Oates von Pegu, Reid von Lucknow, Ball von Orissa, Gripps von Furreedpore (Ost-Bengal). Nach Jerdon brütet der Manyarweber in hohem Schilfgrase, ins- besondere an Plätzen, welche überschwemmt werden. Und da die Brutperiode in die Regenzeit fällt, so sind die Nester nur vom Wasser aus zugänglich. Das Nest wird an den Spitzen von zwei bis drei Schilf- oder Rohrstengeln befestigt. Es gleicht nach Hume demjenigen des Bayawebers, ist aber massiger, und der Hals kürzer. Die zwei oder drei, seltener vier bis fünf Eier sind weiss und unbedeutend grösser als diejenigen des Bayawebers. 160 -^NT. REICHENOW, 86. Floceus bengalensis (L). Passer bengalensis Bmss. Orn. 3 p. 95 (1760). — Loxia hengha- lensis L. S. N. 12. 1. p. 305 (1766). — Loxia aurata St. Müll. Linn. N. S. Suppl. p. 152 (1776). — Loxia regina Bodd. Tabl. PI. En. No. 393 p. 24 (1783). — Ploceus aureus Less. Tr. d'Orn. p. 435 (1831). — Eupledes albirostris Sw. Anim. Menag. p. 309 (1838). — Euplectes flavigula Hodgs. Gray's Zoolog. Mise. p. 84 (1844). Abbildung: Rchb. Singv. T. 33 F. 262. — Buff. PI. Eni. Bd. 4 T 393 F. 2. Oberkopf goldgelb; Kehle, Kopfseiten und Genickband weiss; breites Brustband schwarz, bisweilen in der Mitte unterbrochen ; Unter- körper bräunlich weiss, dunkler bräunlich auf den Weichen; Federn des Oberkörpers erdbraun mit dunklerem Mittelstrich; Flügeldecken schwarzbraun mit bräunlichen und bräunlich weissen Säumen; Hand- schwingen und Schwanzfedern schwarzbraun mit schmalen gelbgrün- lichen Säumen; Schnabel weissgrau; Iris hellbraun; Füsse dunkel fleischfarben. Lg. c. 135, Fl. 68, Schw. 45, F. 15, L. 20 mm. Beim Weibchen ist der Oberkopf und Nacken graubraun, nicht gestrichelt; Rückenfedern blass rostbräunlich gesäumt; Augenbrauen- strich, ein Fleck hinter der Ohrgegend und Bartstrich blassgelb ; Kopf- seiten braun; Kehle weiss, bisweilen blassgelb, und von dem gelben Bartstrich durch einen schwarzen Streif getrennt; Brustband weniger ausgebildet, durch bräunlich weisse P'edersäume unterbrochen. Die Männchen im Winterkleide gleichen den Weibchen, doch sind Brust und Weichen mehr rostbräunlich. Das schwarze Brustband fehlt häufig, ist durch blass gelbbraune Federsäume verdeckt. Bewohnt Hinterindien. Blanford fand ihn im Irawaddithal, Oates in Pegu, Gripps bei Furreedporo in Ost-Bengal, Butler in Sind, Ball in Bustar. Jerdon erwähnt ihn von Unter-Bengal, Assam, Tipperah und Birma, häufig bei Purneah und in Dacca. Dagegen fehlt er in Central-Indien und in den nordwestlichen Provinzen. Ueber die Lebensweise ist wenig bekannt. Nach Jerdon soll diese Art nicht in grösseren Kolonien, sondern in wenigen Paaren beisam- men nisten und die Nester, welche keine oder nur sehr kurze Ein- gangsröhre haben, an niedrigen Büschen aufhängen. Monograpliie der Gattung Ploceus Cuv. \Q{ 37. Floceus Iiypoxanthtts (Sparrm.) 7Loocia maculata St. Müll, Linn, N, S. Suppl. p. 150 (1776). — juv. : Loxia hypoxantha Sparrm. Mus. Carlson. Fase. 3 T. 71 (1788), Daud. Orn. 2 p. 429 (1800). — Loxia javanensis Less. Tr. (rOrn. p. 44G (1831). — Loxia hypoxantha Daud. Bp., Consp. 1 p. 443 (1850). — Ploceus chryseus Humk und Davison Stray Feath. Bd. 6 p. 399 (1878). Abbildung: Rchb. Singv. T. 35 F. 277—278. Kopfseiten und Kehle schwarz ; übriger Körper goldgelb, auf dem Kröpfe in's Goldbräunliche ziehend; Rückenfedern schwarz mit gelben Säumen ; Schwingen und Deckfedern schwarzbraun mit fahlbräunlichen oder weisslichen, die Handschwingen mit gelbgrünlichen Säumen; Schwanzfedern schwarzbraun mit schmalen gelbgrünlichen Aussen- und weissen Spitzensäumen; Schnabel schwarz. Lg. c. 140 — 150, Fl. 68, Schw. 55—58, F. 15—16, L. 20 mm. Bezüglich der Färbung des Weibchens stehen sowohl die ver- schiedenen Angaben in der Litteratur wie das einschlägige Material der Museen von Berlin, Dresden und Leyden in derartigem Wider- spruch, dass ich die Frage nicht zu j entscheiden vermag. Nach einem Individuum des Leydener Museums würde sich das Weibchen vom Männchen nur durch dunkelbraune, zum Theil gelb gesäumte Rücken- federn unterscheiden, was nach der Analogie der verwandten Arten sehr unwahrscheinlich ist. Die Ursache für die widersprechenden An- gaben dürfte vielleicht darin zu suchen sein, dass, wie Bernstein (Journ. Orn. 1861 p. 178) angiebt, „von den Eingeborenen die Art von Ploceus baya nicht bestimmt unterschieden und wie diese mit dem Namen manuk manjar bezeichnet wird." Loxia maculata St. Müll, ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf diese Art zu beziehen, indessen beanstande ich bei der Unge- nauigkeit der Beschreibung doch, diesen älteren Namen für den bisher gebräuchlichen anzuwenden. Die Abbildung und Beschreibung von Loxia hypoxantha in Sparrman's Mus. Carlson. zeigt keine schwarze Wangen und Kehle und giebt auch in anderer Hinsicht nicht das Kleid des ausgefärbten Vogels wieder, soll aber nach Bonaparte (1. c.) auf den jungen Vogel sich beziehen. Die erste einigermassen genaue Beschreibung des Vogels giebt Lesson unter dem Namen Loxia java- nensis, später Bonaparte unter Loxia hypoxantha. Durch den Nest- Zuolog. Jahrb. I. ' J 1 162 ANT. RElCHteNOW, bau und die Färbung der Eier unterscheidet sich die Art ebenso wie durch den kürzeren und höheren Schnabel von ihren Verwandten und ist deshalb 'von Hume zum Typus der Gattung Ploceella (s. oben) er- hoben worden. Bewohnt Hinterindien, Java und Sumatra. Nach Bernstein bei Batavia, nach Jerdon in Ober-Birma und Rangun, nach Oates in Pegu, nach Ramsay in Tenasserim (Tonghoo). Bernstein's Beobach- tungen zufolge hält sich diese Art besonders in den niedrigen sum- pfigen Küstengegenden Javas auf und kommt im Innern des Landes oder in hochgelegenen, trockenen Gegenden niemals vor. Hierdurch unterscheidet sie sich sehr bestimmt von dem Baya. Auch das Nest weicht in seiner Form von allen Ploceus-Arten ab und gleicht den- jenigen der Feuerweber (Euplectes). Es ist oval, etwa 12 cm hoch und 8 cm breit mit einem seitlichen, aber an dem oberen Theile des Nestes befindlichen Eingange versehen, hängt auch nicht wie die- jenigen der vorgenannten Arten, sondern ist ähnlich dem Neste mancher Rohrsänger zwischen einigen Schilf- and Binsenstengeln .oder den Zweigen einer Sumpfpflanze befestigt. Die von Bernstein aus den Morästen der Umgegend von Batavia erhaltenen Nester waren aus- schliesslich aus den schmalen Blättern verschiedener Sumpfpflanzen, besonders Gramineen, Cyperaceen und Juncaceen verfertigt und ent- hielten je zwei bis drei Eier, welche auf schmutzig weissem, bisweilen in's Gräuliche übergehendem Grunde mit einer grösseren oder geringe- ren Anzahl grauer oder bräunlichgrauer, kleiner Flecken gesprenkelt sind. Diese sind bisweilen wenig deutlich und sehen alsdann wie ausgebleicht oder verwaschen aus. Je mehr das der Fall ist, d. h. je undeutlicher die Flecken sind, um so mehr geht die Grundfarbe des Eies in Grau über, und umgekehrt ist diese um so weisser, je deut- licher und schärfer begrenzt die Flecken erscheinen. Der Eängen- durchmesser der Eier beträgt 18—20 mm, der Querdurchmesser 14 mm, 38. Ifoceus saealavus Hartl. Floceus sakalava (!) Hartl. Mad. 1. Ausg. p. 54 (1861). Kopf, Hals und Kropf citrongelb, Augengegend goldbräunlich verwaschen ; Unterkörper bräunlich weiss, Körperseiten dunkler braun ; Rücken- und Flügelfederii schwarzbraun mit fahlbraunen oder blass rostbräunlichen Säumen; Bürzel und Schwanz dunkel graubraun; Unterflügeldecken weisslich; Schnabel bleigrau; Füsse fleischfarben. Monographie der Gattung Ploceus Cuv. J^()3 Iris braun. (Hartlaub, Orn. Mad. 2. Aug. p. 209, beschreibt den Unter- körper als hellgelb, in der Mitte weisslich). Lg. c. 150, Fl. 77 (nach Haetlaub 90), Schw. 50 (nach H. 44), F. 16 (nach H. 18), L. 18 (nach H. 22) mm. Das Weibchen beschreibt Hartlaub (Orn. Mad. 2. Ausg. p. 209) folgendermassen : Obenher sperlingsartig dunkler und heller röthlich braun gescheckt; Deckfedern der Flügel und Schwingen breit hellfahlbräunlich gerandet; über dem Auge und an den Kopfseiten zeigt sich brennendes Rothbraun; unterseits schmutzig weiss, die Brust etwas in's Graubräunliche; untere Schwanzdecken weisslich; innere Flügeldecken weissbräunlich ; längs der Seiten graubräunlich überlaufen. Fl. 80, Schw. 42, F. 14, L. 17 mm. Bewohnt Südwest-Madagaskar. Das Nest soll beuteiförmig sein, mit seitlicher Oetihung am unteren Ende. Weiteres ist über die Lebensweise nicht bekannt. Zweifelhaft bleibt: Ploceus isabelUnus Less. Rev. Zool. Soc. Cuv. 1840 p. 226. Die Diagnose lautet: „Bec et tarses brunätres; plumage sur toutes les parties supörieures d'un roux brun plus vif sur le dos, les alles, et la queue. Dessous du corps roux blond tirant aux roux tabac d'Espague sur le ventre et les couvertures inferieures de la queue. Long 16 c. Hab. Sierra-Leone. Während des Druckes der vorstehenden Arbeit konnte ich mich dank dem freundlichen Entgegenkommen des Herrn Collegen v. Pel- ZELN in Wien überzeugen, dass Ploceus affmis v. Heugl. mit dem von V. Pelzeln für das $ des Fl. dimidiatus gehaltenen Individuum der Emin BEY'schen Sammlung (vergl. S. 130) übereinstimmt, und erhielt einen ferneren Beweis für die S. 145 ausgesprochene Ver- muthung, dass PI. erythrophthalmus v. Heugl. der junge Vogel von PI. intermedius Rüpp. sein möchte. Ein typisches Exemplar des ery- throphthalmus in Wien weicht von dem Typus im Stuttgarter Museum dadurch ab, dass der Oberseite der grüne Anflug fehlt. Die Rücken- federn haben fahlbraune Säume. Auch der Bürzel ist fahlbräunlich, nicht gelbgrün, Kropf und Körperseiteu blass isabellbräunlich. Dieses 11* 164 ANT. REICHENOW, Monographie der Gattung Ploceus CuV. Exemplar ist, wie auch die Beschaffenheit des Gefieders beweist, offenbar ein jüngeres Individuum. Für freundlichst gewährte Unterstützung, welche mir die eigene Untersuchung mehrerer Formen ermöglichte, bin ich ferner den Herren Dr. Hartlaub und Dr. Spengel in Bremen, Hofrath Dr. Meyer in Dresden, Oberstudienrath Dr. v. Krauss in Stuttgart, Graf T. Salva- DORi in Turin und J. Büttikofer in Leyden zu Dank verpflichtet. Am 1. December 1885. Die Marseniaden. Eine vorläufige Mittheilung Dr. Rud. Bergh. Kopenhagen. Seit den Untersuchungen von delle Chiaje, von Quoy und Gai- MARD und besonders von dem zu früh verstorbenen Souleyet über den Bau verschiedener Prosobranchier ist im grossen Ganzen nur wenig über diese formenreiche Gruppe bekannt geworden. Sie con- trastirt in dieser Beziehung stark gegen die Opisthobranchier und zwar besonders gegen die sogenannten Nudibranchier, die durch die Untersuchungen von v. Jhering und von mir im letzten Decennium nach und nach ziemlich durchgearbeitet worden sind. Es ist daher augenblicklich auch kein Wunder, wenn eine jetzt unternommene Untersuchung einer Gruppe von Prosobranchiern viel bemerkenswerthes Neues bringt, das keine Anknüpfungspunkte an schon Bekanntes dar- zubieten scheint. Solches ist mit der Familie der Marseniaden der Fall gewesen, welche ich in den letzten paar Jahren, gestützt auf ein grosses, nach und nach aus allen Herr-Gotts Meeren zusammen- gebrachtes Material, untersucht habe. Die Arbeit selbst wird, von 13 Tafeln begleitet, als III. Supplementheft meiner malacologischen Untersuchungen (Semper, Philippinen. II, ii) in zwei Hälften er- scheinen. Diese vorläufige Mittheilung bringt eine allgemeine Ueber- sicht der Resultate der Arbeit, 166 RUD. BERGH, Die Marseuiaden sind von rundlichem oder ovalem Umrisse, meistens fast halbkugelförmig. Der Rücken, der den oberen Körper einhüllende Mantel (Pallium), ist eben oder mit mehr oder weniger grossen, kurz-kegelförmigen oder mehr rundlichen Höckern bedeckt. Er enthält eine Schale, die entweder ganz in den Mantel eingeschlossen ist oder in der Mitte des Rückens in einer rundlichen oder ovalen Oeffnung theilweise entblösst vorliegt {Marsenina). Diese Schale bedeckt die ganze Kiemenhöhle {Onchidiopsis) und hüllt meistens noch dazu die ganze obere Eingeweidemasse von oben ein ; am Rande der weiten Oeffnung ist sie mit einem verdickten, flachen Saume, der Schalenleiste, inniger verbunden. Die Schale ist entweder schild- förmig, ohne Spur von Spiralwinduug, dann hornartig (Onchidiopsis), oder fast hornartig, aber mit Andeutung von Spirale (Marseniella); meistens aber spiralig gewunden mit kleiner Spira von ganz wenigen Windungen, der letzte Umgang aber sehr weit; die Schale ist in solchen Fällen immer kalkig, aber sehr dünn und zerbrechlich. An der Innen- seite der letzten Windung der Schale findet sich jederseits meistens eine gewöhnlich jedoch sehr wenig deutliche Muskelfacette, eine mehr vordere linke und eine mehr hintere rechte. Der Mantelrand (das Mantelgebräme) ist sehr entwickelt, ringsum vortretend, den Kopf und den Fuss (mit Ausnahme der Spitze des Schwanzes) meistens ganz bedeckend; meistens ist er abgeplattet, den (oberen) Körper als ein mehr oder weniger breites Gebräme einfassend, seltener ist er dicker, am Rande gerundet, an der Unterseite etwas abgeplattet (Mar- seniopsis, OncMdiopsis). Eine eigentliche, stärker vortretende siphonale Bildung fehlt, ist aber durch einen Halbcanal an der Unterseite des Mantelgebrämes ersetzt, welcher den Vorderrand nach oben als eine vortretende Falte umbiegt oder zwischen zwei fingerartigen Verlänge- rungen endigt (CJielyonotus). Dieser Halbcanal endet links am Vorder- rande der Kiemenspalte, in der linken Ecke derselben. Ausser diesem luspirationscanal findet sich in einigen Gattungen {Marsenina, OncMdiopsis) noch an der rechten Seite ein vollständig ähnlicher Ex- spirationscanal, in der rechten Ecke der Kiemenspalte endigend. Die Kiemenhöhle ist weit und geräumig, aber niedrig; an ihrer Decke sind die zwei sogenannten Kiemen angeheftet, eine falsche vordere pennate (Geruchsorgan), die an der Wand fast in ihrer ganzen Länge und Breite befestigt ist , und eine wirkliche hintere mit einseitigen Blättern. Diese letztere, die eigentliche Kieme, ist aus dünnen Blättern gebildet, die dicht neben einander der Länge nach etwas schräge stehend von ihrem oberen, längeren oder kürzeren an- Die Marscuiadcu. IßY gehefteten Rand schräge nach unten in die Kiemenhöhle hinabragen. Die Blätter sind schmäler oder breiter, in den mehr typischen Gat- tungen [Marsenia, Marseniella, Marseniopsis) mit quergehenden Leisten oder niedrigen secundären Blättchen an den Seitenflächen. Hinter der Kieme findet sich am Dache der Kiemenhöhle entweder eine längere Niere {Marsenina), oder dieselbe ist kleiner, links liegend; ganz links, am linken Ende der Niere, zeigt sich der Herzbeutel. Meistens findet sich oben ein Zwischenraum hinter der Kieme von weisslichen Secretmassen (der Niere oder der Blätterdrüse oder von beiden) bedeckt. Hinter der Kieme und der Niere zeigt sich endlich in der ganzen Breite der Kiemenhöhle die schmälere oder (meistens) breitere Blätterdrüse. An der Decke der Kiemenhöhle findet sich ferner, mehr median und hinten oder links, die äussere, branchiale Oeffnung der Niere und Blätterdrüse. Innerhalb der rechten Ecke der Kiemenspalte springt die Analpapille mehr oder weniger vor; hinter derselben zeigt sich an den Weibchen der diöcischen Mar- seniaden die Vulva, und bei den monöcischen {Marsenina, Onchidiopsis) immer die weibliche Genitalöffnung. — Der untere Körper, unter- halb der Kiemenhöhle, ist viel kleiner als der obere, enthält das Centralnervensystem , den ganzen vorderen Theil des Verdauungs- systems und die grosse Strecke des Samenleiters. Der Kopf ist ziem- lich gross, abgeplattet, vorn abgestutzt, mitunter auch ausgerandet und jederseits in einen nach vorn gerichteten Tentakel ausgezogen. Die Tentakel von den Seiten des Kopfes ausgehend, am Grunde etwas abgeplattet, sonst kegelförmig oder mehr cylindrisch ; die Augen aussen am Grunde der Tentakel sessil oder wie an kurzen Ophthal- mophorien sitzend. An der Unterseite des Kopfes findet sich der Aussenmund, meistens vom Vorderrande etwas entfernt und dann eine Querspalte bildend, mitunter {Onchidiopsis) mehr vorn liegend und dann mehr rundlich. Durch den Aussenmund wird die Schnauze hervorgestülpt. Der Fuss ist kräftig, vom Mantelgebräm (mit Aus- nahme der Schwanzspitze) überall überragt, auf welchem letzteren das Thier sich während des Kriechens jedoch nicht stützt. Er ist länglich, nach hinten zu etwas verjüngt, zugespitzt-gerundet endigend; der Vorderrand mit tiefer Furche und median in derselben der Porus der Fussdrüse, die Fussecken wenig vortretend; der Schwanz nicht kurz. Mitunter findet sich ein eigenthüraliches, verdicktes Fuss- gebräme {Onchidiopsis). Der Penis ist immer sehr stark, nicht sehr contractu, kann aber während der Ruhe und Inactivität innerhalb des Randes der Kiemenhöhle versteckt werden. Das Organ ist mehr oder 168 ßUn. BERGH, weniger zusammengedrückt, meistens planconvex, dem Rande nach gebogen oder etwas eingerollt (OncMdiopsis) , am Ende mitunter breiter (Marsenia), mitunter verschmälert {OncJiidlopsis). Durch die ganze Länge des Organs verläuft der Saraengang, dessen Ende meistens fingerförmig hervorgestreckt werden kann. Das Centralnervensystem stimmt im Ganzen mit dem der übrigen azygobranchen streptoneuren Gastraeopoden überein i), sich von dem einiger dieser Formen {Cassidaria) wesentlich nur durch die Verkürzung der proximalen Enden der pleuralen (visceralen) Com- missur unterscheidend. Jede der Hälften der oberen Ganglien- masse (Fig. 1) zeigt drei auf- und nebeneinander liegende Ganglien; Fig. 1. Marsenina prodita, LoV]!;n. die linke ein cerebrales, ein pleurales und ein meistens auf denselben liegendes supraintestinales (Siphonalganglion, v. Jiiekino); die rechte nebeneinander ein cerebrales, ein pleurales uncl hinter und unter den- 1) Vgl. Spengel, Die Geruchsorgane und das Nervensystem der Mol- lusken in: Ztschr. f. wissensch. Zoologie, lid. 35. 1881. S. 373. Die Marseniadeu. 169 selben ein subintestinales (Abdominalganglion, v. Jiiering). Die cere- bralen Ganglien (a) sind durch eine ziemlich kurze Commissur ver- bunden ; sie geben die gewöhnlichen Nerven sowie die cerebro-pleuralen und cerebro-pedalen Connective ab. Die pleuralen Ganglien (&) auch die gewöhnlichen Nerven und die pleuro-pedalen Connective abgebend; das rechte nach oben und links mit iem supraintestinalen {d) Gang- lion verbunden, ferner hinten und unten noch mit dem subintestinalen (c) und durch dieses mit dem linken pleuralen Ganglion in Ver- bindung stehend; das linke pleurale Ganglion nach oben mit dem supraintestinalen connectivirt. Wahrscheinlich ist das subintestinale Ganglion ferner durch eine in die pleurale (viscerale) Commissur ein- geschlossene besondere Commissur mit den supraintestinalen verbunden. Das (also links liegende) supraintestinale Ganglion giebt der Kieme, dem Geruchsorgane und der linken Mantelhälfte Nerven. Das (also rechts liegende) subintestinale Ganglion versorgt hauptsächlich das Verdauungssystem und die rechte Mantelhälfte mit Nerven. Die buc- calen Ganglien (g) verhalten sich wie gewöhnlich. Die untere Gang- lienmasse {e, /■), die pedalen Ganglien, dicht am Fusse liegend, sind durch die cerebralen und pleuralen Connective mit der oberen Masse verbunden; die Connective der rechten Seite aber in der Regel mehr oder weniger verkürzt. Vom vorderen Theile dieser Ganglien hat sich immer je ein kleines rundliches secundäres Ganglion abgelöst, das den vorderen Theil des Fusses mit Nerven versorgt (/"). Die Augen sind, wie erwähnt, an niedrigen Höckern (Oph- thalmophorien) aussen am Grunde der Tentakeln angebracht. Die Otocysten (Fig. Ihh) in flache, milchweisse, von Bindesubstanz gebildete Scheiben eingeschlossen, am Rande der Fussknoten oder weiter nach aussen liegend ; der N. acusticus steigt durch das cerebro- pedale Connectiv an das Gehirnganglion hinauf; der Otolith gross, kugelförmig. Das vor der Kieme wie in einer eigenen Grube liegende bipinnate Geruchsorgan durch eine feine Falte, durch welche der aus dem supraintestinalen Ganglion herstammende N. olfactorius ver- läuft, an die Gegend der Schalenleiste befestigt. Das Organ besteht aus einer den Nervenstamm einschliessenden Rhachis und ziemlich hohen, von derselben ausgehenden Blättern, durch welche je ein Nerv verläuft. Die Haut mit Drüschen reichlichst ausgestattet, besonders der Mantel. Im Vorderende des Fusses liegt median eine kleine Fussdrüse, die sich durch den erwähnten Fussporus öffnet. Die Marseniaden haben eine ausstülpbare Schnauze. Die mehr hintere und quere oder mehr vorn liegende und rundliche Mund- 170 ßUD. BERGE, spalte oder der Aussen m und führt in die Mundröhre, die einge- stülpte Schnauze, an deren Boden sich, wenn die Muudröhre voll- ständig zurückgestülpt ist , der schmale senkrechte Innenmund, das Vorderende des Schlundkopfes, findet. Wenn nur halb eingestülpt, enthält die Mundröhre den Ueberrest der Schnauze als einen kurzen abgestutzten Kegel, auch mit dem Innenmunde an der Spitze, mitunter schon in der Mundspalte sichtbar. Wenn vollständig ausgestülpt, ist die Mundröhre in eine ziemlich lange, cylindrisch-konische Schnauze umgestaltet, mit dem Innenmunde an der Spitze ; innerhalb der Schnauze liegt dann der ganze Schlundkopf. Dieser Innenmund ist von einer niedrigen und schmalen Lippenscheibe eingefasst und an der Innen- seite mit oben und unten fast zusammenstossenden , ziemlich flachen, hornartigen Mandibel platten belegt. Diese letzteren sind ent- weder mehr homogene, starke und mit dem vorderen verdickten Rande hervorragende Organe {Chelyonotus , Marsenia, Marseniella)^ oder mehr schwache, ziemlich schmale, aus undeutlich geschiedenen Reihen von Stäbchen gebildete Platten (Marseniopsis) , oder den letzteren etwas ähnliche, aber stärkere, aus regelmässigen Schrägreihen von Elementen zusammengesetzte Bildungen mit zackigem Vorderrande {Marsenina), mitunter auch noch dazu mit einer stärkeren zusammen- gesetzten Zacke (OncJiidiopsis). — Der Schlundkopf, Bulbus pha- ryngeus, ziemlich stark, besonders bei den Chelyonoten; der vordere Theil mit den Mandibelplatten etwas nach unten gebogen; am Hinter- ende jederseits ein eigen thüm lieber ., Knorpelfleck" , vom Hinterende der Zungenknorpel gebildet und wie diese Muskelinsertionen dienend; median vom Hinterende ragt die ziemlich lange, meistens erst nach unten, dann nach oben geschlagene, oft etwas spiralig eingerollte Raspel- scheidc hervor. Die kurze und breite Zunge zeigt innerhalb der ganzen Gruppe eine sehr verschiedene Bewaffnung. Meistens kommt neben der medianen Platte jederseits nur eine starke laterale vor; in einigen Gattungen {Marscniopsis, Marsenina, Onchidiopsis) aber noch dazu zwei äussere Haken. Die Anzahl der Zahnplattenreihen ist bei den Marseniaden wie in der nächstverwandten Familie nicht gering, im Ganzen (an der Zunge und in der Scheide) 42—92 betragend; am grössten bei den OncJddiopsen und bei den Marseniopsen. Die medianen Platten zeigen den Hinterrand abgestutzt oder {Marsenia, Chelyonotus, Marseniella) tief geklüftet; der nach oben gebogene Vorderrand hat zu jeder Seite der starken Spitze kleine Dentikel. Die starken Seitenzahnplatten haben meistens den breiten Rücken des Körpers tief geklüftet oder nur seichter ausgehöhlt {Marsenina, Onchi- Die Marseniaden. 171 diopsis) ; während der Verkürzung der Zunge wird die Spitze des Körpers dieser Zahnplatten in die Kluft der respective hinter ihnen liegenden Platte eingeschoben; der starke Haken der Platte ist an beiden Rändern gezähnelt, feiner an dem oberen (hinteren). Die zwei äusseren hakenartigen Platten viel schmächtiger, ohne Denticulation des Hakens oder mit ganz wenigen und feinen Zähnchen — Eigent- liche Speicheldrüsen scheinen zu fehlen. Die Speiseröhre ziemlich kurz und weit; mitunter unten etwas kropfartig erweitert; nach unten, links oder rechts oder gerade nach hinten, hinabsteigend (Fig. 2 a). Vor der Cardia zeigt sich die Speise- röhre in einigen Gattungen {Chelyonotus, Marsenia) mit einem längs des rechten Theils der Vorderseite des Blättermagens und weiter vor- wärts liegenden sackartigen Vormagen (Proventriculus) verbunden (b). Die Speiseröhre mündet in den unteren Theil der Vorderfläche eines ganz eigen thümlichen Blätter magens ein. Dieses Organ {c(i) ist haubenförmig, mit mehr oder weniger ausgehöhlter Vorderfläche und gewölbter Hinterseite; die Höhle ist klein, abgeplattet, sich vorn in die Speiseröhre, hinten in das Magenrohr {d) öfihend; die Wand ist sehr dick, aus einer Anzahl von (meistens 10 — 20) drüsigen Dissepimenten gebildet , welche senkrecht auf der Magenwand stehen. Dieser Magen ist mehr oder weniger von einem dicken Drüsenlager eingehüllt , das meistens unten besonders stark entwickelt ist und oft die pedalen Ganglien fast einhüllt und sich mitunter noch weiter nach vorn er- streckt. Das Drüsenlager repräsentirt vielleicht die Speicheldrüsen, mündet aber jedenfalls weder in den Schlundkopf, noch in die Mund- röhre ein. Aus der Hinterseite des Blättermagens geht das kurze Magen röhr {d) schräge nach oben durch die dünne, aber zähe Scheidewand zwischen der unteren und der oberen Körperhöhle und durch die Leber, um sich an der vorderen oder unteren Wand des eigentlichen Magens zu öff"nen. Dieser letztere ist ziemlich weit, rundlich, zeigt ausser der Cardia mehrere weite Gallenöfihungen und setzt sich fast ohne Grenze in den Darm fort; er schimmert (wie auch die erste Strecke des Darmes) an der hinteren Seite der Fig. 2. Marsenia perspicua L. (Senkrechter Längsdurchschnitt.) 172 RUD. BERGH, oberen Eingeweidemasse durch, ist sonst von der Leber eingeschlossen. Die erste Strecke des Darmes als eine verschmälerte Fortsetzung des Magens sich links erstreckend und, dicht vor dem Herzbeutel, knieförmig in die vordere, längs der Vorderseite der Leber rechts verlaufende Strecke umbiegend, welche schliesslich nach vorn umbiegt und an der Analpapille innerhalb der rechten Ecke der Kiemenspalte endigt. — Der Inhalt der Verdauungshöhle war meistens eine un- bestimmbare (hauptsächlich wohl von Alcyonien und Ascidien her- stammende) thierische Masse; im Darme hatte derselbe meistens die Gestalt ovaler oder kurz-wurstförmiger, weisser oder dunklerer, festerer Kothballen. Die Leber vom gewöhnlichen Baue, von einem Netze von schliess- lich weiten Galleugängen durchzogen, deren Endstämme sich durch einige runde Oeffnungen in den eigentlichen Magen entleeren. Das Pericardium, das Herz und das Gefässsystem scheinen sich wesentlich wie bei anderen Prosobranchiern zu verhalten. Die Niere meistens ziemlich klein und links liegend; mitunter grösser, etwas weiter nach hinten verbreitert ( Onchidiopsis) oder hinter der Kieme ganz querliegend {Marsenina). Der Bau scheint derselbe wie bei vielen anderen Prosobranchiern. Die Niere öffnet sich durch einen feinen Porus in das Pericardium und durch eine Spalte in die Kiemenhöhle. Die hinter der Kieme und der Niere liegende, am Vorderrande der Leber und theilweise am Darm ruhende Blätterdrüse (feuillets nmqueux, Cuv. ; Schleimdrüse, der Verff.) auch vom gewöhnlichen Baue; sie scheint sich durch dieselbe Oeffnung wie die Niere in die Kiemen- höhle zu öffnen. Die meisten Marseniaden sind wie andere Prosobranchier diöcisch, unisexuell. Die Geschlechtsdrüse, der Hoden oder das Ovarium, bildet die ganze Spitze und den hinteren Theil der letzten Windung (Fig. 3) der oberen Eingeweidemasse; sie sind beide aus langgestreckten Follikeln gebildet. — Der vom Hoden ausgehende Samenleiter bildet ein grosses Knäuel, mit welchem sich die Win- dungen eines appendiculären rohrförmigen, prostatischen Organs verwickeln ; die Fortsetzung des Samenleiters tritt aus der oberen Eingeweidemasse in die rechte Wand der unteren Eingeweidehöhle und verläuft stark geschlängelt in der Wand bis an den Penis, durch welchen sich der Samenleiter weiter bis an oder fast bis an eine Oeffnung an der Spitze des Penis fortsetzt. Nur seltener {Marsenia, Marseniella) tritt der Samenleiter fast an der Wurzel des Penis wieder t>ie Marseniaden. 173 aus der Körperwand und frei in die Körperliöhle hinein, wird stärker und legt sich mit mehreren Schlingen über den Blättermagen und den Schlundkopf hin, ehe er in den Penis eintritt. Die letzte Strecke des Samenleiters ist bei den meisten Gattungen in seiner Höhle (des Penis) frei, fingerförmig aus der Oefinung ausstreckbar und kann ganz in dieselbe zurückgezogen werden. Der Penis wie oben er- wähnt bei den verschiedenen Gattungen zum Theil etwas verschieden. — Der aus dem Eierstock (Fig. 3, a) entspringende kurze Eileiter (&) öifnet sich in eine grosse, innerhalb der rechten Schalenmuskelfacette liegende Schleim- undEi- weissdrüse (c); diese Drüse setzt sich nach vorn in eine ziemlich kurze, aber starke Vagina (d) fort, die sich unterhalb der Analpapille öfihet; dicht oberhalb der Vulva (e) bildet die Vagina ein besonderes, starkwandiges, kurzes Divertikel (/"). In das Hinterende der Schleim- und Eiweisdrüse öifnet sich eine Reihe von kleinen Sa- menblasen (g). Unter den Marseniaden kommen aber einige Gat- tungen vor {Marsenina, On- chidiopsis) die monöcisch, bisexuell sind, ein Verhältniss, das unter den Prosobranchiern sonst nur von der wenig un- tersuchten Valvata angegeben wird (Moquin-Tandon). Die Zwitterdrüse (Gland. her- raaphrodisiaca) zeigt den ge- wöhnlichen Bau; die Zwitter- drüsengänge stehen mit einer sehr eigen thümlichen Nebenzwitter - drüse in Verbindung; der aus dieser letzteren hervorgehende Zwit- terdrüsengang theilt sich in gewöhnlicher Weise. Der männliche Zweig, der Samenleiter, steht mit einer rohrartigen, zu einem unregelmässigen Knäuel aufgerollten, den Samenleiter zum grossen a^X Fig. 3. Chelyonotus Semperi, Bgh. 174 liUD. BERGH, Theil einhüllenden Prostata in Verbindung und verläuft dann in gewöhnlicherweise in der Körperwand bis an den Penis. Der weib- liche Theil, eine Art Vagina, steht mit einer colossalen Samen- blase, mit einem dickwandigen Vestibular-Sack und mit der grossen zweikammerigen Schleim- und Eiweissdrüse in Ver- bindung. Die Vagina öffnet sich mit einer kleinen spaltenartigen Vulva unterhalb und hinter der Analpapille. Wie hier kurz ge- schildert ist das Verhältniss des zusammengesetzten (monöcischen) Geschlechtsapparates wenigstens bei den Onchidiopsen. \ Uel)er die Ontogenie dieser Gruppe ist bisher nur Weniges l)ekannt. Die Marseniaden — von den ächten Marsenien {M. per- spicua) ist Solches wenigstens (Peach, Kennedy (1853), Giard) mit Sicherheit bekannt — fressen sich in zusammengesetzten Ascidien {Leptodinum, Polyclinum) rundliche Höhlen aus, in die sie ihre Eier absetzen ; die Höhlen verschliessen die Thiere mit l)esonderen Deckeln, die concentrische Ringe zeigen sollen , durch Drehbewegungen der Thiere gebildet. Die Onchidiopsen scheinen in einer Halisarcide ähn- liche Höhlen mit ziemlich ähnlichen Deckeln zu bilden. Die Brut- höhlen enthalten, wie Giard (Marsenia) und ich (Onchidiopsis) ge- sehen haben, eine gewisse Anzahl von Nahrungseiem, die den Em- bryonen während der Entwicklung als Futter dienen. Die gröberen Züge der Ontogenie sind durch Giard (1875) verfolgt; ihm zufolge kommen nach einander zwei provisorische Schalen vor; die erste Lar- venschale ist nautiloid, ihr folgt eine andere, einfachere, mehr der CWiwana-Schale ähnliche. Lange vor Giard hatte aber Krohn (1853) bemerkt, dass die Larven schale dieser Thiere nicht zur Schale des reifen Thieres auswachse, sondern dass sich, umschlossen von der mit mehreren Kielen versehenen nautiloiden , eine neue Schale bildet, die der bleibenden iHfarsew^a-Schale viel mehr ähnlich sieht. Das Thier zieht sich aus der primären Schale heraus, die verloren geht, und ist nur vom Rudiment der neuen (bleibenden) Schale bedeckt. Ganz ähn- liche Beobachtungen hat Macdonald (1860) in der Südsee angestellt, aus welchen hervorgeht, dass die Jasonillen Macdonalds, die Brow- nien von d'Orukjny und die Calcarellen von Souleyet wahrschein- lich nur Larven von Marsenien oder Marseniaden sind. Eine Larve mit ziemlich ähnlicher, aber vielrippiger primärer Schale, die ich ge- funden habe, gehört wahrscheinlich einer hocharktischen Onchidiopsis an. t)ie Marseniaden. ^^'^5 Die Marseniaden kommen durch alle Meeresgegenden ver- breitet vor, meistens mit besonders ausgeprägten Typen in den tropi- schen {Ghelyonotus) und in den arktischen {Onchidiopsis) Meeres- strecken. — Was die Verbreitung der Gruppe in der Zeit be- trifft, so scheint sie (Marsenia) erst spät in der tertiären Periode aufgetreten zu sein. Obgleich im Habitus wie im inneren Baue eine ziemlich scharf umschriebene Gruppe bildend, bieten die Marseniaden doch unter sich bedeutende Unterschiede sowohl in jener wie in dieser Beziehung dar, besonders in der Bewafihung der Zunge, weshalb die verschiedenen Glieder der Familie auch mehrmals (Gray, Troschel u. A.) von einander getrennt worden sind. Mit Ausnahme der Marseninen, welche sich in der Jugend wahrscheinlich wie andere Mitglieder der Familie verhalten ^), haben diese Thiere alle einen continuirlichen, geschlossenen, eine innere Schale enthaltenden Mantel ; der Rand des letzteren ist ent- weder gebrämartig verbreitert oder schmaler, dicker und mehr gerundet (Marseniopsis, Onchidiopsis); ausser der immer anwesenden vorderen Inspirations - Falte und -Furche haben einige Gattungen {Marsenina, Onchidiopsis) noch eine rechte Exspirations-Falte und -Furche. Die Schale ist meistens verkalkt, seltener fast {3Iarseniella) oder ganz [Onchidiopsis) hornartig. Die Bewaffnung der Zunge ist eigen thünilich verschieden, und diese Verschiedenheit allein ist die künstliche Grund- lage für die erwähnte öfter stattgefundene Auflösung der Gruppe ge- wesen. Während die mehr typischen Formen neben der medianen Platte nur Seitenzahnplatten zeigen (1 — I — 1), haben andere [Marseniopsis, Marsenina, Onchidiopsis) ausser diese noch zwei äussere Haken (2 — 1 — I — 1 — ^2). Und was nun am allerbefremdendsten ist, wäh- rend die allermeisten Marseniaden wie andere Prosobranchier unisexuell sind, tritt Monöcie in zwei Gattungen [Marsenina, Onchidiopsis) auf Conspeetus generum: p,. / •• / pars inf. vas. defer. nou libera Oielyonotus, Sw. ...1^1— I — 1< .. j^i-i, / Marsenia, Leach spiratoria < § 1 pars inf. vas. derer, libera ■ ■ i ,, l bD \ [ Marseniella, Bgh. nuUa: 1 = l -^ / Testa int. calcarea .... Marseniopsis, Buh. i i J Plica ex- J ^ 3 — I — 3 v Testa semiinterna calcarea . Marsenma, Gii spiratoria: ^ g I Testa cornina Onchidiopsis, Bgh. 1) Eine von mir beschriebene neue Art aus dem nördlichen Stillen Meere, Marsenina dalli, hat eine ganz innere Schale. 176 RUD. BERGH, Die Märseniaden. Was nun die systematische Stellung der Gruppe betrifft, so kann diese augenblicklich nicht mit Sicherheit angegeben werden ; die wahr- scheinlich nächststehenden Gruppen (so wie im Ganzen die Proso- branchier) sind bis jetzt zu wenig anatomisch untersucht. Jedenfalls stehen aber die Märseniaden ganz nahe bei den Velutiniden, welche später vielleicht nicht einmal als besondere Familie zu unter- scheiden sein werden. Diese letzteren stimmen nach meinen vorläufigen Untersuchungen mit den Märseniaden in der Form des Nervensystems so wie sonst im anatomischen Baue, besonders im Besitze des eigen- thümlichen Blättermagens, ziemlich genau überein ; ganz besonders aber schliessen sie sich durch ihren Hermaphroditismus und durch die Art ihrer Zungenbewaffnung (2 — 1 — I — 1 — 2) den monöcistischen Märseniaden {Marsenina, Onchidiopsis) an. Wäre nicht die Gattung Marseniopsis, die in anderen Beziehungen wieder ganz an die ächten Marsenien anknüpft, könnte man wohl (mit Gray u. A.) verleitet werden, jene Gattungen von den anderen Märseniaden zu trennen und mit den Velutiniden zu einer besonderen Familie zu vereinigen. Vor- läufig wenigstens scheinen jedoch die Märseniaden, so wie sie hier aufgefasst sind, eher eine einheitliche Familie zu bilden. Beiträge zur Kenntniss der Galicl/s-ArtQu, Von Prof. Dr. Alfred Nehring (Berlin.) Unter den heutigen Zoologen herrscht vielfach die Meinung, als ob unsere Kenntniss der Säugethiere ziemlich abgeschlossen, und kaum noch ein nennenswerthes Resultat wissenschaftlicher Forschung auf dem Gebiete der Mammalogie zu erhoffen sei. Trotzdem gelangt der- jenige, welcher sich mit der vergleichenden Anatomie, mit der Ent- wicklungsgeschichte, der Systematik und geographischen Verbreitung der Säugethiere eingehend befasst und sich zugleich bemüht, die fossilen Säugethiere in Beziehung zu den lebenden zu bringen , stets zu der Erkenn tniss, dass auf dem Gebiete der Säugethierkunde noch immer sehr viel zu thun ist, ja, dass manche ganz naheliegende Fragen selbst hinsichtlich unserer einheimischen Säugethiere noch keineswegs als sicher beantwortet angesehen werden dürfen. Ein besonders reiches Arbeitsfeld bietet die Osteologie der Säugethiere, sobald man darauf ausgeht, die Variationsgrenzen der Individuen einer Art nach Alter und Geschlecht festzustellen und die gewonnenen Resultate für das Studium der verwandten Arten der Vorwelt zu verwerthen, wie dieses unter den deutschen Zoologen be- sonders H. von Nathusius und Hensel in musterhafter Weise ange- strebt und für einige Arten auch ausgeführt haben. In der vorliegenden Arbeit hoffe ich den Beweis führen zu können, dass im tropischen Südamerika ausser den beiden allgemein anerkannten Galictis - Arten noch eine dritte wohlcharakterisirte Art existirt, welche bisher übersehen oder doch in ihren Artcharakteren nicht rich- Zoolog. Jahrb. :. JjJ 178 ALPRED NEHRING, tig erkannt worden ist. Zugleich glaube ich einige nicht unwesentliche Beiträge zur genaueren osteologischen Kenntniss der Galictis- Arten überhaupt liefern zu können. Das Material, auf welches sich diese Arbeit stützt, ist ein sehr reiches, so reich, wie man es selten bei der Untersuchung ausländischer Säugethier- Arten zur Disposition hat^). Dasselbe befindet sich gröss- tentheils hier in Berlin, und zwar theils im Zoologischen und im Ana- tomischen Museum der Universität, theils in der zoologischen Samm- lung der Königlichen Landwirthschaftlichen Hochschule, theils in meiner Privatsammlung. Ausserdem habe ich das in Betracht kommende Ma- terial des Königlichen Naturalien -Cabinets in Stuttgart, der Zoological Society und des Britischen Museums in London, des Reichsmuseums in Leiden, des Naturhistorischen Museums in Bremen und des Zoolo- gischen Museums in Hamburg für meine Arbeit verwerthen können, indem man mir theils Objecte zur Untersuchung übersandt, theils wichtige Notizen über die vorhandenen Sammlungsobjecte brieflich übermittelt hat. Ich sage den Herren E. v. Martens, Hilgendorf, WiCKERSHEIMER, V. KrAUSS, OlDFIELD ThOMAS, JeNTINK, SpENGEL, Langkavel und Pagenstecher, welche sämmtlich in der freundlich- sten Weise mich bei dieser Arbeit unterstützt haben, an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank. Die bisher anerkannten GaUctis-Arten, Nur zwei Galictis- Arten haben sich bisher allgemeine Anerken- nung zu verschaffen vermocht, nämlich Galictis harbara Wiegm. und Galictis vittata Bell. ^) Die erstere Art wird in den einzelnen Län- dern Südamerikas mit verschiedenen einheimischen Namen bezeichnet;' in Brasilien heisst sie meist H y r a r e. Sie hat eine weite Verbreitung in Südamerika und vertritt dort gewissermaä^sen unsern Baummarder {Mustela martes), mit dem sie sowohl in der Lebensweise, als auch in dem Aussehen viel Aehnlichkeit hat 3). Doch geht sie in der Grösse wesentlich über denselben hinaus. 1) Vergl. meine diesbezüglichen Angaben in dem Sitzungsbericht der Gesellsch. naturforsch. Freunde zu Berlin vom 17. Nov. 1885. Das dort aufgeführte reiche Material ist seitdem noch wesentlich vermehrt worden. 2) Vergl. Gray, Catalogue of Carnivorous etc , 1869, p. 98 ff., 1?ür- MEI8TEK, Syst. Uebers. der Thiere Brasiliens, Bd. I, Berlin 1854, p, 108, und Descr. phys. Rcpubl. Ai-geutine, T. IIT, 1879, p. 159. 3) Yergl. Henskl, im „Zoolog. Garten", 1869, p. 294. feeiträge zur Kenntniss der Galictis-Arteri. ^79 Die zweite allgemein anerkannte Galictis- Art ist, wie schon be- merkt, Ct. vittata Bell. Sie wird vielfach als Grison bezeichnet, auch wohl als Furon, Huron oder Cachorinho do mato. Sie vertritt in Südamerika unseren Iltis, ist aber im Allgemeinen weit seltener und wird nicht so oft beobachtet wie die Hyrare ^). Gray hat diese beiden GalicUs-Arifm generisch getrennt, indem er die Hyrare als Galera harhata, den Grison als Grisonia vittata be- zeichnet-). Wir werden weiter unten zu betrachten haben, welche Momente für eine solche generische Trennung sprechen. Im Allge- meinen hat dieselbe bisher nicht viel Anerkennung gefunden. Cr. intermedia Lund und G, Allamandi Bell. Ausser G. harhara und G. vittata sind, soviel mir bekannt, noch einige fossile Galictis-Arten von Lund und eine lebende Galictis-Art von Bell unterschieden worden. Lund hat bei seinen bekannten Un- tersuchungen über die fossile Fauna der Knochenhöhlen in der bra- silianischen Provinz Minas Geraes in mehreren Höhlen Reste von Ga- ?*c^»s-ähnhchen Musteliden constatirt, welche er zunächst unter unbe- stimmten Bezeichnungen {Eirara sp.), später unter den Namen Ga- lictis robusta, G. major, G. intermedia und G. affinis barbarae auf- führt^). Genauer beschrieben ist von ihm, soviel ich weiss, keine dieser Arten ; dagegen finden sich auf Taf. XLVI seiner Abhandlungen drei Abbildungen, welche den lädirten rechten Unterkiefer seiner fos- silen G. intermedia von verschiedenen Seiten zur Anschauung bringen. Lund beschreibt diese Art nicht weiter, als durch die Bemerkung, dass sie zwischen G. barbara und G. vittata in der Mitte stehe; wie weit sich die Uebereinstimmung mit der einen oder der andern dieser Arten erstreckt, wird nicht weiter erörtert. Doch lässt sich allerdings aus den Abbildungen so viel ersehen , dass G. intermedia nach der Grösse des Unterkiefers etwa in der Mitte zwischen jenen beiden Arten steht, dass sie sich aber in der Form des unteren Reisszahnes wegen des Vorhandenseins eines Innenzackens neben der mittleren Hauptspitze von G. vittata entfernt und der G. barbara nähert. 1) Hensel, ibidem, p. 295. 2) Vergl. Proc. Zool. Soc. 1865, p. 121 ff. 3) Vergl. Buk paa Brasiliens Dyreverden etc. in: Vid. Sei. Naturvid. Afh. von Kopenhagen, Bd. VIII. bis XII., Gervais et Ameghino, Mammi- feres fossiles de l'Amerique du Sud, Paris et Buenos Aires, 1880. p. 31 ff., GiRBEL, Fauna d. Vorwelt, Bd. L, Leipzig 1847, p. 57 ff. lü* ISO ALFRED NEHRlNG, Im Allgemeinen ist bisher von den fossilen GaUctis-Artm Lund's wenig die Rede gewesen; sie werden wohl kurz citirt, aber nicht näher mit den lebenden Arten verglichen, offenbar, weil es an einer genaueren Beschreibung fehlt ^). Fast gleichzeitig mit der fünften Abhandlung Lund's, welche die Abbildungen des Unterkiefers von G. intermedia umfasst und vom 4. Oct. 1841 datirt ist, erschien der IL Band der Transactions der Zoological Society of London, in welchem auf S. 201 — 206 eine bereits vom 25. April 1837 datirte Abhandlung Bell's über das Genus Ga- lictis und über eine neue Art dieses Genus zum Abdruck gelangt ist. Diese neue Art wurde von Bell als G. ÄUamandi bezeichnet. Sie gründet sich auf ein ausgestopftes Exemplar im Museum der Zoological Society, dessen Herkunft leider unbekannt ist. Sie steht der G. vittata im Aussehen nahe, unterscheidet sich aber nach Bell durch folgende Merkmale: 1) sie ist grösser, der Schwanz aber relativ kürzer, 2) das Haar ist kürzer, steifer und dichter gestellt, 3) die Stirnbinde erstreckt sich nicht so weit nach der Schulter hinab wie bei G. vittata^ 4) die unteren Theile des Körpers sind schwarz gefärbt (statt braun) und die hellen Partien der Oberseite schwarzgrau resp. weiss (statt gelbbraun resp. gelb). Die zugehörige Abbildung, welche sehr fein ausgeführt ist, lässt das Haarkleid, abgesehen von der stark markirten Stirnbinde, sehr dunkel (theils rein schwarz, theils schwarzgrau) erscheinen. Ueber die Dimensionen der G. Allamandi werden von Bell keine exakten Angaben mitgetheilt, noch weniger über Schädel-, Gebiss- und Skeletbau. In Folge dessen hat diese Species, obgleich Bell versichert, dass- sie „evidently distinct" von G. vittata sei, im Allgemeinen keine An- erkennung gefunden ^). Die meisten Autoren, welche die G. ÄUamandi überhaupt erwähnen, betrachten das von Bell beschriebene Exemplar, dessen Heimath nicht einmal bekannt ist, als ein altes, starkes, dunkel gefärbtes Individuum der G. vittata und rechnen deshalb den von Bell aufgestellten neuen Species-Namen zu den Synonymen jener Art^). 1) Nach einer brieflichen Mittheilung, welche Herr Dr. J. E. V. Boas in Kopenhagen auf eine Anfrage mir kürzlich zugehen Hess, ist über die betr. Ga/tcti's-Resie nichts weiter publicirt. Dieselben liegen im Zoolog. Museum zu Kopenhagen. 2) Vergl. A. Wagnee, Suppl. zu Schuebek's Säugeth., 2. Abth., 1841, p, 216, Note 15, 3) Gkat, Catalogue of Carnivorous, 1869, p. 100. Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. \SX Galictis crassidens Nehring. Eine vor wenigen Monaten mir aus der Provinz Minas Geraes durch die Güte des Herrn Pastor Hollerbach in Theophilo Ot- toni (am Mucury) zugegangene Collection von Säugelhierschädeln, welche aus der dortigen Gegend stammt ^), enthielt unter anderen inter- essanten Objecten auch den Schädel einer Galictis-Art, welcher für G. harbara zu klein, für G. vittata zu gross war und sich ausserdem durch manche Eigenthümlichkeiten von beiden Arten unterschied. Bei dem Versuche, seine Zugehörigkeit durch Vergleichungen mit dem mir hier in Berlin zugänglichen Materiale näher festzustellen, und bei den eingehendsten Untersuchungen seiner Formverhältnisse stellte es sich bald mit voller Evidenz heraus, dass der Schädel eine besondere Ga- lictis-krt repräsentirt, welche in mancher Beziehung zwischen G. har- hara und G. vittata vermittelt, wenngleich sie in den meisten Punkten sich an die letztere anschliesst. Es stellte sich ferner heraus, dass diese durch ihre Schädel- und Gebissverhältnisse deutlich charakterisirte Art in dem hiesigen Zoolo- gischen Museum bereits durch ein ausgestopftes, mit Schädel versehenes Exemplar ^ ) und im hiesigen Anatomischen Museum durch ein voll- ständiges, sehr schön präparirtes Skelet^) vertreten, wenngleich bisher mit G. vittata zusammengeworfen sei. Eine Correspondenz mit Herrn Oberstudienrath Dr. v. Krauss in Stuttgart führte ferner zu dem interessanten Resultate, dass zwei im dortigen Königlichen Naturalien- Cabinet befindliche ausgestopfte Exem- plare, welche aus Surinam stammen und als G. vittata bezeichnet waren, ebenfalls zu der grossen von mir constatirten Grison-Art gehören. Es erhob sich für mich nun die Frage, ob ich es mit einer bisher unbeschriebenen resp. unbenannten Art zu thun habe, oder ob sie sich mit einer der bereits aufgestellten Arten identificiren lasse. Dass sie von den beiden allgemein anerkannten Galictis-Arten specifisch ver- schieden sei, darüber konnte ich nicht zweifelhaft bleiben; es fragte 1) Diese Collection war ursprünglich für Herrn Prof. Dr. A, Kibch- HOFF (Halle a. S.) bestimmt , wurde aber von letzterem freundlichst mir überwiesen und durch das Kaiserl. Deutsche Consulat in Rio de Janeiro an meine Adresse befördert, was ich hier bestens dankend erwähne. Vergl. Sitzungsber. d. Ges. naturf. Fr. Berlin, v. 17. Nov. 1885. 2) Zoolog. Mus. Nr. 944. 3) Anatom. Mus. Nr. 17007. 182 ALFRED NEHRING, sich nur, ob sie nicht etwa mit G. Allamandi Bell oder mit G. inter- media LuND zusammenfalle. Was zunächst das Verhältniss zu G. intermedia anbetrifft, so war ja eine gewisse Aehnlichkeit mit der von mir constatirten Art nicht zu verkennen ; die Form des Unterkiefers im Allgemeinen (soweit der lädirte Zustand des von Lund abgebildeten Exemplars die Vergleichung zulässt) zeigt viele Uebereinstimmung, und der Reisszahn ist mit einem deutlich entwickelten Innenzacken versehen. Aber es blieben bei einer sorgfältigen Vergleichung der Formen und Proportionen des Kiefer- knochens und der Zähne immerhin noch manche nicht unwesentlich erscheinende Differenzen übrig, so dass ich mich nicht entschliessen konnte, eine völlige Identität beider Arten anzunehmen, zumal da der Oberschädel der G. intermedia Lund nicht bekannt oder doch nicht beschrieben ist, und die Möglichkeit vorliegt, dass derselbe wesentliche Abweichungen von der lebenden Art zeigt. Was dann die G. Allamandi Bell anbetrift't, so konnte es mir nicht entgehen, dass die ausgestopfte Galictis des hiesigen Zoologischen Museums, welche nach dem Schädel zu der neuen Art zu rechnen war, mit G. Allamandi einige Merkmale gemeinsam habe, nämlich : grössere Gestalt, kürzeren Schwanz und steiferes, kürzeres Haar. Aber nach der Beschreibung und Abbildung Bell's erschienen diese Punkte weni- ger bedeutend ; in denjenigen Punkten , welche Bell als besonders wichtig betont, nämlich in der Färbung und Zeichnung des Felles, konnte ich keine Uebereinstimmung constatiren. Da nun Bell keine Differenzen im Schädel und Gebiss gegenüber der G. vittata nennt, sondern hiervon völlig schweigt, so sah ich mich ausser Stande, nach dem, was bis dahin über G. Allamandi bekannt war, die von mir con-' statirte Art mit jenem Namen zu belegen. Unter diesen Umständen hielt ich mich für berechtigt, einen neuen Namen für die allem Anschein nach neue Art aufzustellen; ich wählte für dieselbe den Namen Galictis crassidens wegen der relativ dicken und grossen Zähne und erlaubte mir, die Resultate meiner Unter- suchungen in der Sitzung vom 17. Nov. 1885 der Gesellschaft natur- forschender Freunde in Berlin vorzutragen. Am Schlüsse des betr. Sitzungsberichts, welcher gegen Mitte December 1885 erschien, sprach ich die Bitte aus, dass man mich durch Mittheilungen über sonstige Exem])lare der Galictis crassidens aus anderen Museen erfreuen möchte. Diese Bitte ist sehr bald von mehreren Seiten in der liebenswürdigsten Weise berücksichtigt worden. Man hat mir von Leiden, London, Bremen und Hamburg genauere Beiträge zur Kenntniss der Galictis- Arten. Jgß Auskunft über das dortige Material gegeben, und es hat dadurch die ganze Angelegenheit eine neue Wendung erhalten. Durch Herrn Ph. L. Sclater in London wurde Herr Oldpield Thomas, der Curator of Mammals im Britischen Museum, auf meine Untersuchung aufmerksam gemacht und veranlasst, das Original-Exem- plar der G. ÄUamandi und speciell den zugehörigen Schädel mit den von mir für G. crassidens festgestellten Charakteren zu vergleichen. Da stellte sich nun das überraschende Resultat heraus, dass der Schädel und das Gebiss der G. ÄUamandi die von mir constatirten Charaktere zeige, und dass auch in dem Aeusseren die Uebereinstim- mung in den wesentlichsten von mir hervorgehobenen Punkten vor- handen sei, was allerdings aus der BELL'schen Beschreibung nicht zu entnehmen war. Nach einer lebhaften Correspondenz , welche ich in den letzten Wochen mit Herrn Oldfield Thomas geführt, und bei welcher ich das freundlichste Entgegenkommen in Bezug auf Mittheilung von Messungen etc. gefunden habe , hat sich das Resultat ergeben , dass eine wesentliche Differenz zwischen meiner G. crassidens und der G. ÄUamandi Bell nicht vorhanden zu sein scheint, und dass somit der letztere Name nach dem Principe der Priorität den Vorzug ver- dient, der erstere dagegen wahrscheinlich nur als Synonymon desselben zu behandeln sein wird. Das Original-Exemplar der G. ÄUamandi ist zwar dem Schädel und Gebiss nach ein gutes Stück kleiner als die mir vorliegenden Exemplare , auf welche ich meine G. crassidens begründet hatte ^ ) ; auch ist die Hauptfärbung der Unterseite des Körpers, sowie die Grundfärbung der Haare überhaupt wesentlich dunkler als bei dem Exemplar des hiesigen Zoologischen Museums. Aber ich gebe gern zu, dass diese Punkte nicht völlig entscheidend sind, und ziehe den Namen G. crassidens^ obgleich er auf den sorgfältigsten Studien be- ruht und entschieden besser fundirt ist, als es G. ÄUamandi bis vor Kurzem war, aus Rücksicht auf das Princip der Priorität zurück. Ich behalte mir jedoch die Aufrechterhaltung desselben als Varietäts-Bezeichnung für später vor, falls es sich bei feineren Untersuchungen herausstellen sollte, dass der grosse Grison von Surinam und Minas Geraes, welchen ich als 6r. crassidens beschrieben habe, dennoch als lokale Rasse durch Grösse, Färbung oder dergl. sich von G. ÄUamandi, deren Heimath bisher noch nicht genauer bekannt ist, unterscheiden lässt. 1) Vergl. die unten folgende Messungstabelle. 184 ALFRED NEHßlNG, In London befinden sich ausser dem Original-Exemplare noch ein Balg und ein dazu gehöriges unvollständiges Skelet der G. Ällamandi, leider ebenfalls ohne nähere Bezeichnung der Herkunft^). Ausserdem konnte ich vor wenigen Tagen feststellen, dass eine ausgestopfte Galictis der Städtischen Sammlungen für Naturgeschichte in Bremen, welche mir Herr Dr. Spengel freundlichst zur Unter- suchung übersandte, ebenfalls zu G. Ällamandi Bell resp. G. crassi- dens Nehrtng gehört, nicht zu G. viftata, mit welchem Namen sie bisher bezeichnet war^). Ich konnte mich bei der Untersuchung gerade dieses Exemplars auf das Deutlichste überzeugen, dass die äusseren Charaktere mit den Charakteren des Schädels und Gebisses thatsäch- lich eng zusammenhängen, oder vielleicht richtiger gesagt: dass man aus jenen mit Sicherheit auf diese und umgekehrt schliessen darf. Ich konnte die Species zunächst nur nach den äusseren Merkmalen bestimmen, da das Maul geschlossen war; nachher zeigte es sich aber beim Aufweichen des Kopfes und Oeffnen des Maules, dass auch das Gebiss die besonderen Charaktere der Art in deutlichster Entwicklung aufzuweisen habe. Die Hauptcharaktere der 6r. Ällamandi Bell. (= Cr. crassidens Nehring). Auf Grund der im Obigen angedeuteten Studien haben sich fol- gende Kennzeichen als Artcharaktere des grossen Grison gegenüber dem gewöhnlichen Grison {G. vittata) herausgestellt: 1) Der untere Reisszahn (m 1) besitzt einen deutlichen Innenzacken, etwa in der Form, wie ihn unser Steinmarder (Jfw- stela foina) an dem entsprechenden Zahne aufzuweisen hat. (Vergl. Holzschnitt Nr. 3). 2) Auch der obere Reisszahn {p 1 nach Hensel) besitzt an dem Rande seines inneren Talons, ungefähr da, wo letzterer sich nach hinten an die Mitte des Zahnes anschliesst, einen deutlich erkenn- baren Innenzacken, während G. vittata an dieser Stelle nur eine schwache Einkerbung des Talonrandes zu zeigen pflegt. 1 1) Nach einem Briefe des Herrn 0. Thomas rührt dieses Exemplar von Brandt her , also von demselben Sammler , dessen Namen auch das Skelet Nr. 17007 des hiesigen Anatom. Museums trägt; beide Exemplare stammen also vermuthlich aus derselben Gegend. 2) Die Herkunft dieses Exemplars ist leider auch nicht näher be- kannt; es stimmt in der Grösse und Färbung sehr schön mit Nr. 944 dos hies. Zoolog. Museums. Beiträge zur Kenntniss der Galictis- Arten. 185 3) 6r. Ällamandi ist grösser als (r. viftata. Besonders die von mir als G. crassidens beschriebenen Exemplare gehen bedeutend über die grössten Männchen der 6r. vittata hinaus, während das Original- exemplar in London, ein schwaches Weibchen, allerdings von starken Männchen der G. vittata in der Schädelgrösse beinahe erreicht wird und in der Breite des Schädels au den Schläfenbeinen hinter meinen Exemplaren sehr zurücksteht^). 4) Trotz der bedeutenderen Grösse des Körpers ist der Schwanz kürzer, und die Zahl der Schwanzwirbel, wie es scheint, geringer. 5) Die Haare sind bei G. Ällamandi kürzer, steifer und dichter gestellt als bei G. vittata. 6) Die hellen Haar spitzen, welche den Scheitel , Nacken und Rücken hell gefärbt (weiss oder weisslich) erscheinen lassen, finden sich auch an der Bauchseite, wenn auch sparsamer ver- theilt^). Es ist also die dunkle Bauchfärbung nach den Flanken hin nicht scharf abgegrenzt, wie dieses bei G. vittata der Fall zu sein pflegt; ebensowenig ist die Stirnbinde nach dem Scheitel zu scharf abgesetzt. 7) Die Färbung selbst, d. h. der Farbenton der Behaarung, scheint weniger wichtig zu sein, zumal wenn wir eine völlige Identität von G. Ällamandi Bell mit meiner G. crassidens annehmen. Das Ori- ginalexemplar der G. Ällamandi zeigt eine entschieden viel dunklere Grundfärbung^) und eine weniger hell ge- färbte Oberseite als die von mir untersuchten Exem- plare, bei denen die Grundfärbung unzweifelhaft braun ist, und die hellen Haarspitzen viel mehr hervortreten und über einen grösseren Theil des Körpers vertheilt sind als bei dem Originalexemplar der G. Ällamandi. Herr 0. Thomas ist der Ansicht, dass in der helleren Färbung der von mir untersuchten Exemplare keine erhebliche Abweichung von 1) Yergl. die unten folgenden Messungstabellen, sowie meine An- gaben in dem Sitzungsber, d. Ges. nat. Fr. Berlin, v. 17. Nov. 1885. 2) Auch an der Aussenseite der Beine scheinen die hellen Haar- spitzen weiter hinabzureichen als bei G. vittata. 3) Bell nennt sie geradezu „ b 1 a c k " ; nach einem Briefe von 0. Thomas erscheint sie (an der Unterseite des Körpers) jetzt als „a deep rieh dusky brown approaching to black and quite uniform from chin to anus." Vergl. die schöne Abbildung bei Bell, Transact. Z. S. 1841, Vol. n, Tab. XXXVII. Diese Abbildung scheint allerdings etwas zu dunkel ausgefallen zu sein ; sie weicht sehr bedeutend von meinen Exem- plaren ab. 186 ALFRED NEHRING, dein Origiiialexeniplare zu erkennen ist. Ich acceptire vorläufig diese Ansicht; doch wäre es immerhin möglich, dass in Zukunft eine dunk- lere und eine hellere Varietät des grossen Grison sich unterscheiden Hesse, ebenso wie J. J. von Tschudi eine dunklere Varietät der Ga- lictis barbara als var. peruana gegenüber der typischen G. barbara unterschieden hat, und ich behalte mir vor, den Namen G. crassidens eventuell der helleren Varietät des grossen Grison beizulegen. Immer- hin hat meine vorläufige Publication, in welcher ich den Namen G. crassidens aufgestellt habe, das Verdienst, die Aufmerksamkeit auf den grossen Grison gelenkt und die eigentlichen Artcharaktere dessel- ben festgestellt zu haben, auch wenn der von mir gewählte Name einem älteren weichen muss. Ueber das Verhältniss der G. intermedia Lund zu G, Allamandi Bell. Wenn man die zwischen dem BELL'schen Original-Exemplare und den von mir untersuchten Individuen bestehenden Differenzen in der Grösse des Schädels und der Zähne mit Oldfield Thomas als irre- levant ansieht, oder doch als nicht wichtig genug, um auf dieselben eine besondere Art oder selbst nur Varietät zu begründen, so wird man wohl auch die Galictis intermedia Lund als besondere Art ein- ziehen müssen. Denn diejenigen Unterschiede, welche ich an der von Lund abgebildeten lädirten Unterkieferhälfte gegenüber meinen Exem- plaren von G. Allamandi resp. G. crassidens feststellen konnte, sind ziemlich minutiös; sie fallen vermuthlich innerhalb der Variations- grenzen der Art. Nach dem abgebildeten Unterkiefer steht die fossile G. intermedia dem grossen Grison, welchen ich als G. crassidens be- zeichnet habe, in Grösse und Form sehr nahe, und wenn dieser Name fallen muss, so wird man wohl auch den LuNo'schen Namen G. inter- media nicht aufrecht erhalten können. Ich schlage vor, sie in diesem Falle als G. Allamandi fossilis zu bezeichnen, um sie dadurch als den fossilen Vorfahr der G. Allamandi zu charakterisiren ^). Volle Klarheit wird über das Verhältniss dieser fossilen Galictis zu den lebenden Arten erst dann sich verbrieten, wenn der Oberschädel bekannt sein wird. Es lässt sich aber schon aus der Form des Unter- kiefers schliessen, das sie nicht etwa in der Mitte zwischen G. bar- 1) Sie würde also dann nicht mehr als eine ausgestorbene Art („en uddöd Art") anzusehen sein, wofür Lund sie hält. Beiträge zux" Kenntniss der Galictis-Arten. | g7 bara und Cr. vittata steht, wie Lund aiinininit und der Name andeuten soll, sondern dass sie sich viel näher an die Grisons anschliesst als an die Hyrare. Vergleichende Betrachtung:en über den Schädel und die sonstigen Skelettheile der Galictis- Xrtem, 1. Der Schädel. Wie sich der grosse Grison in seinem Aeussercn nahe an den kleinen Grison (6r. vittata) anschliesst, so ist dieses im Allgemeinen auch in der Schädelbildung der Fall; trotzdem zeigen sich bei ge- nauerem Studium eine Anzahl constanter Unterschiede, welche ihn nach dem Schädel und dem Gebiss noch sicherer erkennen lassen als nach dem Aeusseren, a. Die Dimensionen des Schädels. Die bedeutendere Grösse und die Unterschiede in der Bildung der Reisszähne sind oben schon kurz erwähnt. Ich werde an dieser Stelle auf die Dimensionen und Formverhältnisse des Schädels über- haupt noch etwas genauer eingehen. Was zunächst die Grösse des Schädels anbetrifft, so geht dieselbe bei dem grossen Grison wesentlich über diejenige der G. vittata hinaus. Dieses gilt besonders hinsichtlich meines Schädels von Minas Geraes und des in Stuttgart befindlichen Schädels aus Surinam. Der erstere besitzt eine Basilarlänge von 88 0, eine Totallänge von 97 mm, der letztere misst 87, resp. 96 mm. Beide sind männlichen Geschlechts, aber nicht sehr alt; der erstere zeigt sogar deutliche Kennzeichen eines noch ziemlich jugendlichen Alters, da die Nasenbeine, welche bei den Grisons relativ früh mit den benachbarten Schädeltheilen ver- wachsen, noch völlig unverwachsen sind, das Gebiss ganz unabgenutzt erscheint und die Umrandung des Hinterhauptes noch ein jugendliches Gepräge trägt. Der grösste männliche Schädel der G. vittata^ den ich untersuchen 1) Ich messe die Basilarlänge des Schädels bei Kaubthieren nach Henst.l's ch er Methode, d. h. von der Mitte des vorderen (un- teren) Kandes des Foramen magnum bis zum Hinterrande der Alveole eines der mittleren oberen Incisivi. Ueber die Gründe, welche zu Gunsten dieser Methode sprechen, verweise ich auf HE^SEL, Säugeth. Südbrasiliens p. 7. Uebrigens kann sich Jeder aus dieser Basilarlänge diejenige bis zur Spitze der Intermaxilla leicht berechnen. 188 ALFRED NEHRING, konnte, gehört zu einem montirten Skelet (Nr. 6901) des Berliner Anatomischen Museums ; er stammt von einem sehr alten Thiere, dessen Zähne völlig verbraucht sind. Seine Basilarlänge beträgt 76, seine Totallänge 84 mm. Der nächstgrösste männliche Schädel befindet sich im hiesigen Zoologischen Museum ; er stammt ebenfalls von einem alten, völlig ausgewachsenen Individuum und misst 75, resp. 84 mm. Die übrigen von mir gemessenen männlichen Schädel zeigen, sofern sie von älteren Exemplaren herrühren, eine Basilarlänge von 70 — 73,6 mm, eine Totallänge von 77 — 80 mm. Hiernach glaube ich annehmen zu können, dass die stärksten und ältesten Männchen der G. vittata in der Basilarlänge ihres Schädels kaum über 76 mm , in der Totallänge desselben kaum über 84 mm hinausgehen werden. Die Messungen , welche mir durch Oldfield Thomas aus London und durch Jentink aus Leiden hinsichtlich der dortigen Schädel von G. vittata zugegangen sind, bleiben sämmtlich hinter diesen Maxiraalmaassen zurück. Man kann also mit gutem Grunde behaupten, dass erwachsene Männchen des grossen Grison ihrem Schädel nach -^ bis | grösser sind als erwachsene Männchen des kleinen Grison {G. vittata). Hensel hat in seinen Beiträgen zur Kenntniss der Säugethiere Südbrasiliens (p. 84 i) die Meinung ausgesprochen, dass die G. vittata in den tropischen Gegenden eine bedeutendere Grösse erreiche als in Südbrasilien. Dieses mag bis zu einem gewissen Grade der Fall sein, aber sicherlich nicht in dem Maasse, wie Hensel es annehmen zu müssen glaubt. Die beiden Schädel, auf die er jene Meinung gründet, gehören nicht zu G. vittata, sondern zu G. Allamandi resp. G. cras- sidens, und zwar zu weiblichen Exemplaren. Von dem einen (Nr. 17007 des hiesigen Anat. Mus.) kann ich dieses mit voller Bestimmtheit be- haupten; von dem andern, den Hensel selbst als $ bezeichnet, kann ich die Zugehörigkeit zu G. Allamandi nur vermuthen, da ich den- selben nicht in Händen gehabt habe. Aber diese Vermuthung darf mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgesprochen werden, da die von Hensel für letzteren Schädel angegebene Basilarlänge von 79,5 mm weit über das Maximum der weiblichen Schädel der G. vittata hinaus- geht, dagegen auf ein kleines Weibchen der G. Allamandi sehr wohl passt. Nach den Mittheilungen von Oldfield Thomas hat der Schädel des Original-Exemplars von G. Allamandi., eines Weibchens, eine 1) Abhandlungen d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1872. Beiträge zur Kenntniss der Galictls-Artön. j^39 ungefähre Basilarlänge von 77, eine ungefähre Totallänge von 85 mm. (Ganz bestimmt lassen sich diese Maasse nicht angeben, da der Schädel hinten etwas lädirt ist). Es würde also der letzterwähnte weibliche Schädel, welchen Hensel zu G. vittata rechnet, noch ein wenig über diesen Originalschädel der G. Allamandi hinausgehen. Bei dem zweiten in London befindlichen Exemplare des grossen Grison ^), welches ohne Geschlechtsbezeichnung ist , aber sicherlich auch als weiblich angenommen werden darf, beträgt die Basilarlänge des Schädels 82, die Totallänge 90,5 mm. Diese Maasse stimmen fast genau mit denen der von mir gemessenen weiblichen Schädel, welche ich zu G. crassidens gerechnet habe, überein ^). (Siehe die Messungs-Tabelle). Weibliche Schädel der typischen G. vittata sind weit kleiner. Die Basilarlänge scheint bei ihnen kaum über 66, die Totallänge kaum über 73 mm hinauszugehen; meist beträgt die erstere Dimension nur 62 — 64, die letztere nur 68 — 70 mm, d. h. sie bleiben durchschnittlich um 8—10 mm hinter den entsprechenden Dimensionen der Männchen zurück. Besonders kleine Exemplare der G. vittata scheinen in Chile vorzukommen. Das hiesige Zoolog. Museum besitzt den Schädel eines von dort stammenden alten Grisons, welcher eine Basilarlänge von nur 58, eine Totallänge von nur 65 mm besitzt und sich durch eine sehr abgeplattete Form und durch einige Eigenthümlichkeiten in der Gestalt des oberen Höckerzahnes ^), der Choanen und der Bullae auditoriae auszeichnet. Zwei andere Schädel der G. vittata aus Chile, welche ich untersuchen konnte, waren ebenfalls auffällig klein, wenn- gleich in der Form nicht so abweichend, wie der zuerst erwähnte. Danach darf man die Vermuthung aufstellen, dass in Chile über- haupt oder in einem Theile des Landes eine besondere, durch kleine 1) Mit Brandt's Namen bezeichnet. 2) Nr. 944 des Zoologischen Museums und Nr. 17007 des Anato- mischen Museums hierselbst. Den Schädel des Bremer Exemplars habe ich nicht messen können, da er im Balge steckt; er scheint jedoch mit denen der Weibchen übereinzustimmen, soweit man dieses nach einer äusseren Untersuchung und nach den Dimensionen des Gebisses beur- theilen kann. 3) Der Höckerzahn ist an der Aussenseite breiter als an der Gaumen- seite; er sieht ungefähr wie der Milchhöckerzahn unserer iMusf. foina aus, obgleich er dem definitiven Gebiss angehört. Der betr. Schädel ge- hört zu dem (von Philippi gesammelten) ausgestopften Exemplare Nr. 4085. 190 ALFRED KEHRING, Gestalt ausgezeichnete Varietät der G. vittata vorkommt, die man etwa als varietas Chilensis bezeichnen könnte'). Vergleichen wir die Schädelgrösse des grossen und des kleinen Grison mit derjenigen der Hyrare, sowie anderer Musteliden, so er- geben sich folgende Resultate: Der Schädel der Hyrare {Galictis barhara) ist wesentlich grösser oder doch wesentlich länger als der des grossen Grison; denjenigen des kleinen Grison übertriti't er sogar etwa um die Hälfte. Die von mir gemessenen ausgewachsenen Hyrare-Schädel (2 cJ u. 4 $) zeigen eine Basilarlänge von 97 — 106 mm, eine Totallänge von 109 — 116,5 mm. Dagegen sind die Grison-Schädel an den Schläfenbeinen relativ breit; ja, die beiden männlichen Schädel des grossen Grison sind in dieser Partie sogar absolut breiter als mehrere der weiblichen Hyrare- Schädel, indem sie dieselben um 2 mm übertretien. Dagegen pflegen die Hyrare-Schädel eine relativ grosse Jochbogenbreite zu haben, die älteren Exemplare natürlich mehr als die jüngeren. Die weiblichen Schädel des grossen Grison lassen sich in der Länge einigermassen mit männlichen Schädeln unseres Baummarders {Mustela martes) vergleichen; in der Gestalt gleichen sie dagegen mehr den Schädeln unseres Iltis {Foetorius putorius). Der Schädel des kleinen Grison {G. vittata) hat in Grösse und Form sehr viel Aehulichkeit mit dem des Iltis; doch geht er in der Grösse etwas darüber hinaus, da das von mir beobachtete Maximum der Basilarlänge bei G. vittata S 76 mm beträgt, während diese Dimension bei sehr starken männlichen Iltissen nicht über 67 mm hinauszugehen pflegt^). Man kann sagen: das Minimum des männlichen Schädels bei G. vittata ist ungefähr gleich dem Maximum- des männlichen Schädels bei Foetor. putorius, das Minimum des weib- lichen Schädels bei G. vittata ungefähr gleich dem Maximum des weib- lichen Schädels bei Foetor. putorius. 1) Freilich hat ein in London befindlicher Schädel einer G. viltala aus Chile, deren Geschlecht mir leider nicht mitgeteilt ist, eine Basilar- länge von 65, eine Totallänge von 72 mm; er würde also, falls er weib- wäre , relativ gross sein. Vielleicht ist er aber männlich , während die oben erwähnten Schädel aus Chile vermuthlich weiblich sind. Auch ist es möglich, dass die G. vittata in den Gebirgen von Chile kleiner bleibt als in den Küstengebieten, 2) Vgl. die auf ein sehr reiches Material gestützten -Messungen von Iltis-Schädeln in Hensel's „Crauiolog. Studien", in: Nova Acta, Bd. XLII, Nr. -1. Halle 1881. Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. l9l Ich schliesse hieran gleich einige Bemerkungen über die Grösse der Extreraitätenknochen. Dieselben zeigen bei weiblichen Exem- plaren G. ÄUaniandi resp. crassidens * ) etwa die Dimensionen von kräftigen Exemplaren der Mustela foina. Doch bezieht sich dieses mehr auf die Knochen der vorderen Extremitäten, als auf die der hinteren ; die letzteren sind bei G. Allamandi relativ kürzer, was sich besonders an der Tibia zeigt. G. vittata lässt sich, wie im Schädel, so auch in der Form und Grösse der Extremitätenknochen am besten mit einem starken Iltis vergleichen. G. barbara geht in der Grösse und Stärke ihrer Extremitäten- knochen ein gutes Stück über unsere europäischen Marder hinaus. Das von mir gemessene Skelet ist das kleinste des hiesigen Anatom. Museums; es gehört wahrscheinlich einem Weibchen an. Die übrigen Skelete zeigen zum Theil bedeutend grössere Dimensionen; besonders gross sind die beiden männlichen Skelete, Nr. 23093 und 25271. Hensel nennt die Hyrare „den Riesen unter den Mardern"; doch kommt ihr Mtist Pennanti von Nordamerika in der Länge des Schädels nahe. b. Die Formverhältnisse des Schädels. Wenden wir uns nun den Formverhältnissen des Schädels zu, so bemerken wir bei genauer Vergleichung, dass zwischen der Hyrare einerseits und den beiden Grisonarten andrerseits viele wichtige Ditfe- renzen bestehen. Der Schädel der Hyrare ist im Ganzen gestreckter als derjenige der Grisons , was besonders im Schnauzentheil hervor- tritt; in der Gegend der Schläfenbeine ist er schmaler, und die Schädelkapsel zeigt sich höher und gewölbter als bei den letzteren, bei welchen die Schädelkapsel mehr abgeplattet erscheint. Der Schädel der Hyrare erinnert, wie überhaupt das ganze Thier, an denjenigen eines Baummarders {Mustela martes) , der Schädel des grossen und des kleinen Grison erinnert an denjenigen eines Iltis {Foetorius putorius). Bei der Hyrare sind die Augenhöhlen weit , offen , nach der Schläfengrube hin wenig abgeschnürt, die Jochbogeu schmal (niedrig) und weit abstehend; bei den Grisons finden wir die Augenhöhlen enger, rundlicher und mehr abgeschnürt, die Jochbogen relativ breit (hoch), aber selbst bei alten Männchen nicht sehr weit abstehend. 1) Männliche Skelete dieser Species sind mir bisher leider nicht bekannt; sie sind ohne Zweifel wesentlich stärker als die weiblichen. 192 ALFRED NEHRING, Das Foramen infraorbitale ist bei der Hyrare relativ weit und von abgerundet dreiseitiger Form, bei den Grisons ist es enger und zeigt eine mehr gedrückte Gestalt. Die vordere Nasenöffnung erscheint bei der Hyrare, im Profil betrachtet, schräg abgeschnitten, bei den Grisons steil abgeschnitten, wodurch bei letzteren die Nasenöffnung (von vorn betrachtet) sich rundlicher darstellt. Trotz des relativ kurzen Schnauzentheils sind die Nasenbeine bei den Grisons , zumal bei der grossen Art, ziemlich lang, länger als man es erwarten sollte. Bei dem grossen Grison hat die Mittelnaht der Nasalia eine Länge von 17 — 18 mm^). Fig. 1. Schädel der G. Allamandi resp. (i. crassidens J von Theophilo Ottoni, Prov. Minas Geraes, Brasilien. In natürlicher Grösse auf Holz photographiert und ge- schnitten. Die Backenzähne sind nach HENSEL'scher Methode hezeichnet. Sehr beachtenswerth sind die Unterschiede in der Bildung des Processus mastoideus, der Bullae auditoriae und der benachbarten Foramina. Bei der Hyrare zeigt der Proc. mastoideus, von der Seite betrachtet, nur eine schmale, scharfe Kante, bei den Grisons erscheint der Proc. mastoideus als eine breite, sich nur allmählich nach der Gehörötinung hin verschmälernde Fläche, etwa so, wie bei dem Japanischen Dachse (Meles anakuma Temm.), oder auch wie beim Iltis. Dagegen ist der Paroccipitalfortsatz bei der Hyrare relativ stark entwickelt, während er bei den Grisons wenig hervortritt. (Fig. 2, M und P). 1) Bei der Hyrare finde ich die Nasalia meistens auffällig kurz und ausserdem ziemlich stark variirend; die Mittelnaht hat bei den von mir untersuchten 4 jüngeren Exemplaren eine Länge von resp. 13, 16, 18 und 20 mm. Bei ^r'. vitlata messe ich 10 — 12,5 mm. Bei alten Schädeln sind die Nasenbeine durchweg verwachsen, und somit die Nähte nicht erkennbar. Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. 193 Die Bullae auditoriae finde ich bei der Hyrare relativ schmal und besonders im Meatus auditorius wenig entwickelt, bei den Grisons breiter und mit stark ausgebildetem , schräg nach vorn gerichtetem Meatus. (Vergl. Fig. 2, 3Ie). Bei dem grossen Grison erscheinen die Bullae auffällig flach. Die in der Umgebung der Bullae liegenden Foramina, auf deren Bildung Turner und Flower mit Recht eine wesentliche Be- deutung bei der Classification der Säugethiere legen ^ ), zeigen mehrere wichtige Unterschiede. Fig. 2. Schädel der G. AUamandi, resp. G. crassidens (^ von Theophilo Ottoni, Minas Geraes. In natürlicher Grösse auf Holz photographirt und gesclinitten. Gaumenseite, ein wenig schräg gesehen. Gl = For. glenoideum. M = Proc. mastoideus. P = Proc. paroccipitalis. Ju == For. jugulare. Ca :^ Canalis carotieus. Tti = Tuba Eustachi!. Co = For. condyloideum. Me = Meatus auditorius. Ov == For. ovale. Bei den Grisons, zumal bei dem grossen Grison, finde ich das Foramen jugulare (= Foramen lacerum posticum bei Flower) regel- 1) TuENEK, Observations relating to some of the foramina in the base of the skxül in Mammalia etc. in: Proc. Zoolog. Soc. 1848, p. 63 ff. und Flower, On the value of the characters of the base of the cranium in the Classification of the order Carnivora etc. in : Proc. Z. S. 1 869, p. 4 ff. Zoloog. Jahrb. I. J 3 194 ALFRED NEHRING, massig in zwei Löcher getheilt, (Fig. 2, Jw), ähnlich wie bei den Dachsen (Meles), während bei der Hyrare durchweg nur ein weites For. jugulare zu sehen ist, freilich hie und da mit einer leisen Ten- denz zur Abschnürung des hinteren Theiles. Eine völlige Theilung des Foramen jugulare ist bei den Raub- thieren im Allgemeinen selten; ich habe sie, abgesehen von den Gri- sons, nur bei den Meles-Arten (M. taxus, M. chinensis und M. ana- huma) und nicht selten auch bei Lutra canadensis gefunden ^). Bei G. vittaia pflegt die Scheidewand zwischen den beiden Theilen des P'or. jugulare nur sehr dünn zu sein; bei dem grossen Grison ist sie stärker, so wie es unsere Abbildung zeigt. Die Öffnung des Canalis caroticus liegt bei G. harhara, wenn man den Schädel von der Gaumenseite betrachtet, frei und offen da, Aehnlich ist es bei G. vittata. Bei den mir vorliegenden Schädeln des grossen Grison liegt diese Oeffnung mehr versteckt; man sieht sie am besten , wenn man den Schädel von hinten betrachtet , weil die Oefinung nach hinten gerichtet ist. Eine wesentliche Differenz zwischen der Hyrare und den Grisons zeigt die Bildung des For. glenoideum. Es hat zwar bei beiden dieselbe Lage, dicht vor dem Meatus auditorius , aber während es bei der Hyrare relativ weit und deshalb leicht zu beobachten ist , ist es bei den Grisons so klein und liegt so versteckt, dass man es kaum auffinden kann '''). In unserer Abbildung deutet der von Gl ausgehende Strich die Lage an; die von dem Foramen ausgehende sanfte Furche ist übertrieben dargestellt. Die Foramina palatina sind bei den Grisons oft unsymmetrisch gebildet; sie scheinen aber durchweg weiter nach vorn zu liegen als bei der Hyrare. Bei letzterer finde ich sie regelmässig gegenüber dem Innenhöcker des oberen Keisszahnes (pl Hensel), bei den Gri- sons liegen sie meist zwischen p 2 — p 2. Ein auffallender Unterschied zeigt sich noch in der Form und Grösse der Foramina incisiva. Bei der Hyrare sind sie weit, von 1) Ygl. CouEs, Fur-bearing animals, Washington 1877, p. 304. 2) Wenn Mivart in seiner kürzlich publicirten Arbeit „On the Arctoidea" (in: Proc. Zool. Soc. 1885, p. 340 ff.) in dieser Verschieden- heit des For. glenoideum und in der Bildung des Meatus auditorius externus die einzigen Schädel-Differenzen zwischen Hyrare und Grison findet, so dürfte seine Vergleichung wohl nicht sehr eingehend ge- wesen sein. Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. 195 länglicher Form und nach hinten divergirend , bei den Grisons eng, von rundlicher Form ^ ) und parallel neben einander liegend. Der Choanen-Ausschnitt erscheint bei der Hyrare relativ weit und oflen, bei den Grisons relativ eng und schmal. Bas (xeMss. Die Bildung der Zähne, welche für die Systematik der Säuge- thiere, zumal der Raubthiere, so wichtig ist, bietet auch in dem vor- liegenden Falle die besten und zuverlässigsten Anhaltspunkte dar. Die Zahnformel, d. h. die Zahl der Zähne, ist bei allen Galictis- Arten gleich ; sie würde lauten müssen : .31 4 / 3 , 1\ *3'r*^5l^3+^2) Es ist aber zu bemerken, dass bei G. harhara der vorderste Lückzahn (pS Hensel) sowohl im Oberkiefer, als auch im Unter- kiefer häufig fehlt. Bei den Grisons habe ich dieses nur selten beo- bachtet 2), doch sieht man bei ihnen diesen Zahn im Oberkiefer meist nach innen aus der Zahnreihe herausgedrängt. Wenn man das Gebiss der Hyrare mit dem der Grisons ver- gleicht, so wird man leicht erkennen, dass letzteres schärfer, spitziger, raubgieriger ist. Besonders bei dem grossen Grison finden wir eine auöällige Stärke des Gebisses, zumal derjenigen Zähne, welche den Raubthiercharakter am meisten ausprägen. Eine genauere Betrach- tung wird dieses lehren. Die Schneidezähne sind bei der Hyrare relativ stark und breit entwickelt; die obere Reihe derselben pflegt eine Breite von 18 mm zu haben. Bei den Grisons sind die Schneidezähne zierlich; ihre obere Reihe misst bei dem grossen Grison 11,5 — 13,5 mm, bei dem kleinen 8 — 9 mm. Die Eckzähne (Canini) zeigen bei der Hyrare eine kräftige, etwas plumpe Form; bei den Grisons sind sie zierlicher, aber schneidiger. Im Oberkiefer sind sie bei den Grisons steiler gestellt und an der Vorderseite abgeplattet, was ich bei der Hyrare nicht in derselben Weise beobachte. Die Lückzähne besitzen bei den Grisons eine spitzigere Gestalt 1) Die zu ihnen gehörigen Gruben (an der Gaumenseite) sind auch länglich ; obige Angabe bezieht sich nur auf die eigentlichen Foramina. 2) Er fehlt bei einer G. viltata (Nr. 2625 Zool. Samml. d. Land- wirthsch. Hochsch.) in beiden TJnterkietem spurlos. 13* 196 ALFRED NEHRING, als bei der Hyrare; ihre Krone ist bei letzterer mehr in sagittaler, bei den ersteren mehr in verticaler Richtung entwickelt ^). Dieses gilt besonders von p 2 superior. Wesentlich verschieden sind die Reisszähne. Bei der Hyrare sind dieselben relativ kurz, zumal bei weiblichen Exemplaren ; bei den Grisons, besonders bei den Männchen des grossen Grison, sind sie auffallend stark entwickelt. Setzen wir die Basilarlänge des Schädels (nach HENSEL'scher Methode gemessen) = 100, so beträgt die Länge des oberen Reisszahnes {pl Hensel) bei der Hyrare nur 9— lO^/^, bei den Grisons dagegen 11,1 — 12,5*'/o, diejenige des unteren Reiss- zahns bei der Hyrare 9,4— 10,2 o/^,, bei den Grisons 11,8— 13,6 »/^ ^). Ganz besonders hervorragend durch die Länge und Breite seiner Reisszähne ist der Schädel von Theophilo Ottoni, welcher den Aus- gangspunkt dieser ganzen Untersuchung gebildet hat. Bei ihm hat der obere Reisszahn eine Länge von 11 mm, eine transversale Breite (an der breitesten Stelle) von 7 mm ; der untere Reisszahn ist 12 mm lang, 5 mm breit. Auch die Form zeigt wesentliche Abweichungen. Bei der Hyrare springt der innere Höckeransatz des oberen Reisszahns (^1 Hensel) plötzlich vor und ist vorn am Rande mit einer Spitze ver- sehen, wie dieses bei unseren Mardern, wenn auch weniger ausge- prägt, der Fall ist; bei den Grisons springt der innere Höckeransatz nicht plötzlich vor, sondern ist breiter entwickelt und steht mit einem schmalen Basalkragen in Verbindung. Bei dem grossen Grison zeigt dieser Höckeransatz eine deutlich entwickelte Schmelzspitze neben der Mitte des Zahnes ; bei dem kleinen Grison fehlt diese Spitze meist ganz oder ist nur schwach angedeutet. (Vgl. Fig. 2.) Der obere Höckerzahn ist bei der Hyrare meist nicht sehr stark entwickelt, aber an der Gaumenseite durchweg breiter als an 1) Vgl. die Abbildungen der Zähne von G. harbara bei Blainville, Oste'ographie, Mustela PI. 13. 2) Vgl. die etwas abweichenden Berechnungen bei Mivart a. a. 0. Tabula VII. Zum Theil beruhen diese Abweichungen darauf, dass Mi- VAET die Basilarlänge des Schädels vom Foramen magnum bis zum Vor- derrande der Zwischenkiefer rechnet, zum Theil aber auch darauf, dass das von Mivaht gemessene Exemplar der Hyrare sehr zierliche Zähne besitzt. Endlich scheinen auch einige kleine Druck- oder Kechenfehler untergelaufen zu sein. — Die von Blainvillk in der Ost^ographie {Mustela, PI. 13) abgebildeten beiden Zähne (ob. Reiss- und Höckerzahn), welche mit ,,G. viltatu'^ bezeichnet sind, scheinen nach ihrer Grösse zu G. Allummidi resp. crassidens zu gehören. Beiträge zur Kenutuiss der Galictis-Artcn. 197 der Aussenseite. Bei dem grossen Grison finde ich ihn sehr ent- wickelt, nach der Gaumenseite ein wenig verbreitet und mit 2 deut- lichen Schmelzhöckern versehen'). (In unserer Abbildung ist dieser Zahn in der einen Kieferhälfte beim Photographiren etwas verkürzt worden, und zwar in transversaler Richtung). Bei G. vitfata ist der obere Höckerzahn an der Gaumenseite meist ebenso schmal wie an der Aussenseite und nur mit einem schneidigen Schmelzhöcker be- setzt. Bei dem kleinen Grisonschädel aus Chile (Nr. 4085 d. Zoolog. Mus., gesammelt von Philippi) ist dieser Zahn an der Aussenseite relativ breit und mit zwei deutlichen Schmelzhöckern, an der Gaumen- seite aber verschmälert, abweichend von der gewöhnlichen Bildung. Der untere Reisszahn (m 1 inf.) lässt bei G. barhara eine bedeutende Aehnlichkeit mit dem unserer Mustela foina erkennen; es ist ein massig entwickelter Innenzacken und ein ziemlich stumpfer Talon vorhanden. Der untere Reisszahn des grossen Grison ist ähnlich, aber der Innenzacken spitziger und der Aussenrand des Talons etwas schneidiger. Der untere Reisszahn des kleinen Grison ent- behrt völlig des Innenzackens ^); sein Talon ist ebenso schnei- dig wie bei unserem Iltis, wie denn überhaupt der untere Reisszahn der G. vittata dem des Iltis sehr ähnlich ist. Fig. 3. Rechter Unterkiefer der G. Allamandi resp. G. crassidens (^ von Theo- pliilo Ottoni, Minas Geraes. In natürlicher Grösse von der Innenseite. Was die Form des Unterkiefers anbetrifft, so verweise ich auf Fig. 3 ^). Ich will nur auf einige Punkte kurz aufmerksam machen. Bei der Hyrare sind die Unterkieferknochen gestreckter ge- baut als bei den Grisons ; der Proc. coronoideus steigt schräger empor, 1) Auf der palatinen Hälfte. 2) Vgl. Wiegmann im Arch. f. Naturgesch. 1838, Bd. I. p. 273. 3) Gute Abbildungen von Unterkiefern der Hyrare und des kleinen Grison siehe bei Lund a. a. 0. Vergl. auch Blainville a, a. 0. 198 ALFRED NEHRING, die Massetergrube erstreckt sich weiter nach vorn, etwa bis unter den Höckeransatz des Reisszahns, der Winkelfortsatz ist hakig gebildet. Bei den Grisons, zumal bei der grossen Art, ist der Unterkiefer kurz, dick und gedrungen gebaut, der Kronfortsatz steil emporsteigend, der Winkelfortsatz breit und ohne die scharfe hakige Spitze , welche wir bei der Hyrare finden. Die Massetergrube pflegt nur bis unter m2 zu reichen. Nach diesen Charakteren stimmt die fo s sile G. intermedia Lund im Wesentlichen mit dem grossen Grison überein. Nach den Dimen- sionen des von Lund abgebildeten Unterkiefers könnte man denselben einem Weibchen des grossen Grison zuschreiben ; dieselben harmoniren sehr gut mit den entsprechenden Dimensionen von Nr. 17007 des hiesigen Anatomischen Museums, abgesehen davon, dass der horizon- tale Ast des fossilen Kiefers etwas stärker erscheint, etwa so wie bei meinem Schädel von Theophilo Ottoni. Ueber das Milchgebiss. Obgleich schon von Rengger und Burmeister einige Angaben über das Milchgebiss von G. barhara und 6r. vittata gemacht sind *), so halte ich es doch nicht für überflüssig, dasselbe zu besprechen, da die früheren Angaben mir nicht zu genügen scheinen. Es liegen mir drei Schädel von jugendlichen Individuen vor. Einer gehört zu 6r. harhara (Anatom. Mus., Nr. 23114), der leider im Schnauzentheil stark verletzt ist, aber doch alle Zähne mit Ausnahme der oberen Schneidezähne erkennen lässt; er zeigt das reine Milchge- biss, da noch gar kein Zahn gewechselt wurde. Die beiden anderen Schädel stammen von G. vittata, und zwar gehört der eine (in meiner Privatsammlung befindliche) einem jüngeren weiblichen ^), der andere (Anatom. Mus., Nr. 24389) einem älteren, zum grössten Theil schon mit definitivem Gebiss versehenen Individuum (wahrscheinlich S) an. Das Milchgebiss der Hyrare und des kleinen Grison zeigt die 1) Vergl. Renggee, Säugethiere von 'Paraguay, Basel 1830, p. 122 und 127., BüRMEisTEE, Thiere Brasiliens, I., p. 107, wo übrigens man- ches Unrichtige über das Gebiss der Gattung Galiclis gesagt ist. 2) Ich habe dieses Exemplar zusammen mit einem andern gleich alten in Spiritus von meinem Bruder Carl aus Pii'acicaba (Prov. St. Paulo, Brasilien) zugesandt erhalten. Beide Exemplare sind Geschwister; die Grisons scheinen regelmässig nur zwei Junge bei jedem Wurfe zu pro- duciren, während unser Iltis gewöhnlich 1—5 Junge wirft. Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. 199 gleiche Zahl von Zähnen; auch die Formen sind ähnlich, aber bei der Hyrare gröber und stumpfer. Ausser den sechs oberen und sechs unteren Schneidezähnen, sowie den vier Eckzähnen (Canini) zeigt das Milchgebiss sechs obere und sechs untere Backenzähne, also in jeder Kieferhälfte drei, und zwar im Oberkiefer einen kleinen Lückzahn, einen relativ stark entwickelten Reisszahn und einen quergestellten Höckerzahn, im Unterkiefer zwei Lückzähne und einen Reisszahn. Die Milchschneidezähne der G. vittata sind ausserordentlich zart, ebenso der vorderste kleine ein wurzelige Lückzahn sowohl im Ober- ais auch im Unterkiefer. Interessant ist der Umstand, dass die Milch- eckzähne, besonders im Oberkiefer, an ihrer Hinterseite mit einer deutlich entwickelten accessorisch en Spitze versehen sind, so dass sie wie stark entwickelte liückzähne erscheinen. Bei der Hyrare finde ich diese Bildung nicht ' ) ; hier sind die Milchcaninen ungefähr von der Form der definitiven und relativ sehr stark. Auffallend gross finde ich die oberen Reisszähne des Milchgebisses sowohl bei G. vittata, als auch bei G. barbara; in der Form zeigen sie viel Aehnlichkeit mit den entsprechenden Zähnen des Milchgebisses unserer Mustela foina. Der obere Höckerzahn des Milchgebisses ist bei G. barbara und G. vittata, wie überhaupt bei den Musteliden, am Aussenrande breiter als am Gaumenrande, also umgekehrt, wie es meistens bei dem definitiven Höckerzahn (w 1) des Oberkiefers der Fall ist; er zeigt am Aussenrande zwei, am Innenrande einen Schmelz - höcker. Bei der Hyrare gleicht er dem Milchhöckerzahn der M. foina i doch ist er etwas plumper gebaut. Bei G. vittata ist er sehr schmal und erinnert an die Höckerzähne gewisser Viverriden. Im Unterkiefer haben wir sowohl bei G. barbara, als auch bei G. vittata hinter dem Eckzahn zunächst einen kleinen einwurzeligen Lückzahn, der später durch den vordersten Lückzahn des definitiven Gebisses ersetzt wird. Dann folgt ein zweiwurzeliger Lückzahn , der einen kleinen vorderen und hinteren Nebenzacken besitzt ; bei der Hyrare ist er relativ gross und stark, bei dem kleinen Grison zierlich. Der untere Reisszahn des Milchgebisses hat zwei hohe, schneidige Lappen; der Talon erscheint sehr klein, besonders bei G. vittata. Bei letzterer ist die Form dieses Zahnes (wie überhaupt des ganzen Milch- gebisses) fast ganz so wie bei Foetor. putorius, bei G. barbara unge- 1) Dagegen habe ich die kleine accessorische Spitze an den Milch- caninen einiger anderer Musteliden , z. B. bei Gt//n, in deutlichster Aus- bildung beobachtet. 200 ALFRED NEHRING, fähr so wie bei 3Iust. foina. Im Uebrigen weicht das Milchgebiss der M. foina dadurch von dem der Galictis- Arten ab, dass noch ein kleiner Milchlückzahn mehr vorhanden zu sein scheint, d. h. also in Summa oben jederseits zwei, unten jederseits drei Milchlückzähne. Nach dem einzigen mir augenblicklich vorliegenden juvenilen Steinmarder-Schädel bin ich über diesen Punkt nicht völlig in's Klare gekommen ; jedenfalls aber besteht ein anderer Unterschied darin, dass diejenigen Milchlück- zähne, welche den kleinen e i nwurzeligen Milchlückzähnen der Galictis- Arten und unseres Iltis entsprechen, bei M. foina zweiwurzehg sind. Ich könnte über das Milchgebiss von Lutra und Meles noch einige vergleichende Bemerkungen beifügen, doch würde mich dieses hier zu weit führen. Ich gebe nur noch einige Notizen über die Reihenfolge des Zahnwechsels bei G. harhara und viftata. Zuerst werden die Schneidezähne gewechselt, natürlich mit dem mittelsten Paare beginnend. So zeigt der kleine Grison von Piraci- caba, bei welchem im Uebrigen das Milchgebiss noch ganz intact ist, im Unterkiefer schon vier, in den Zwischenkiefern zwei definitive Schneidezähne. Nachdem letztere sämmtlich erschienen sind, werden die Canini und die vordersten Lückzähne gewechselt. Inzwischen brechen die definitiven Reisszähne und Höckerzähne hervor; im Ober- kiefer wird der Milchhöckerzahn durch den definitiven Reisszahn weg- gestossen. Am längsten halten sich die Reisszähne und der hintere untere Lückzahn des Milchgebisses, bis sie schliesslich durch ^) 2 suj). und durch p 1 resp, p 2 inf. verdrängt werden. Ich füge noch einige Messungen (in Millimetern) hinzu: G. Bar- bara piiU. G. V pull. ittata juv. Süd- Pira- Süd- Brasil. cicaba Brasil. ca. 73 53 62 ? 60 69 ? 38 38 46 35 35 8 6,3 6,6 7.2 5,5 6,2 5 4.8 ? , 52 35v-^ 40,5 Must. foina juv. Foet. putor. juv. Deutschland 1. Basilarlänge des Schädels 2. Totallänge des Schädels 3. Jochbogenbreite des Schädels .... 4. Grö.sste Breite an den Schläfenbeinen 5. Länge des oberen Milchreisszahns 6. Länge des unteren Milchreisszahns 7. Querdurchmesser des oberen Milchhöckerzahns 8. Länge des Unterkiefers incl. Condylus 66,5 75 44 38 6,4 6,4 4,8 47,5 52 30.5 29 5 5.1 ? 32 Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. 201 Die Wirbelsäule. Interessant ist die Thatsache, dass die Zahl der Brust- und Len- denwirbel, sowie diejenige der Schwanzwirbel constante Unterschiede zwischen der Hyrare und den Grisons zeigt. Bei G. harhara scheint die Zahl der Brustwirbel regelmässig 14, die der Lendenwirbel sechs zu betragen. So ist es bei den fünf Skeleten des hiesigen Anatomischen Museums (Nr. 17013, 4177, 4178, 25093, 25271), ferner bei einem Skelet des Stuttgarter Naturalien- Cabinets, sowie auch bei dem von Mivart gemessenen Skelett- Hiernach stimmt G. harhara in dieser Hinsicht mit unseren Mardern, Iltissen und Wieseln überein, welche regelmässig 14 Brust- wirbel und sechs Lendenwirbel besitzen. Die Grisons dagegen haben, wie es scheint, regelmässig 15 Bru st- und fünf Lendenwirbel, ausnahmsweise 1 6 Brust- und fünf Len- denwirbel. Die letzteren Zahlen fand ich an dem Skelet einer alten männlichen G. vittafa des hiesigen Anatomischen Museums (Nr. 6901) ; auch Burmeister constatirte einmal bei einer G. vittata 16 Brust- wirbel. Mivart betrachtet diese Zahl sogar als die normale; doch scheint dieses nicht richtig zu sein. In der Mehrzahl der Fälle wer- den nur 15 Brustwirbel (nebst der entsprechenden Zahl von Rippen) beobachtet^). So ist es (teste 0. Thomas) bei einer G. vittata aus Chile im Britischen Museum in London; so ist es ferner nach einer Mittheilung des Herrn Dr. Jentink bei zwei Skeleten der G. vittata im Reichsmuseum zu Leiden, ferner nach einer Mittheilung des Herrn Dr. Langkavel bei einem Skelet derselben Art im Zoologischen Mu- seum zu Hamburg, ebenso bei einem der jugendlichen Individuen dieser Art, welche mein Bruder Carl mir aus Piracicaba (Prov. St. Paulo, Brasilien) zugeschickt hat ^) ; endlich zeigt auch das zu G. crassidens 1) Giebel giebt in Beonn's Klassen u. Ordnungen, Mammalia, p. 245 für G. barbura 15 rippentragende Wirbel als von ihm selbst beobachtet an. Ich muss diese Zahl nach meinem Material als Ausnahme betrachten. Vergl. auch E. Gebeard, ßones of Mammalia in the Brit. Mus, 1862, p. 95, und Blainville, Osteographie. Mustela, p, 15. 2) Giebel giebt a. a. 0. für G. vitlnln ebenfalls 15 rippentragende und fünf Lendenwirbel als in zwei Fällen von ihm beobachtet an ; in dem einen Falle constatirte er zehn wahre und fünf falsche Rippenpaare, in dem andern elf wahre und vier falsche. Blainville hat bei einem Grison 16 Brust- und vier Lendenwirbel beobachtet. 3) Das andere Exemplar wurde nach dieser Richtung nicht unter- sucht. 202 ALFRED NEHR1N6, gehörige Skelet des hiesigen Anatom*. Museums (Nr. 17007) 15 Brust- und fünf Lendenwirbel. Auch Hensel, der fünf Skelete der G. vittata in SüdbrasiUen gesammelt hat, giebt 15 rippentragende und fünf Lendenwirbel für diese Species an. Hiernach kann es nicht zweifelhaft erscheinen, dass die Zahl von 15 rippen tragen den Wirbeln bei den Grisons die normale ist; doch ist zuzugeben, dass eine Vermehrung dieser Zahl auf 16 hie und da vorkommt. Nach der normalen Zahl der Brust- und Lendenwirbel lassen sich die Grisons mit Rhabdogale ' ) , Meles und Taxidea ver- gleichen ; besonders der Vergleich mit Rhabdogale ist nicht ohne Literesse. Als normale Zahl der Sacral- Wirbel dürfen wir ohne Zweifel die von drei ansehen ; doch scheint zuweilen bei G. harbara eine Verminderung auf zwei vorzukommen, wie dieses Herr Oberstudien- rath Dr. v. Krauss mir bezüglich eines Skelets der Stuttgarter Samm- lung {S adult., var. alba) angegeben hat. (Vergl. auch Blainville a. a. 0.). Eine so geringe Zahl von Sacralwirbeln findet sich in der Jetztwelt nur bei wenigen Carnivoren. Nach MivART haben Rhabdogale {Ictonyx) und Mephitis nur zwei Sacralwirbel ; aber dieses scheint auch nicht constant zu sein, da eines der beiden Skelete von Rhabdogale in unserer Sammlung (Landwirthsch. Hochschule), welche beide von ausgewachsenen Exemplaren herrühren ^), drei deutlich verwachsene Kreuzwirbel besitzt, und für Mephitis von manchen Autoren (z. B. Giebel) drei Kreuzwirbel (nicht zwei) als normal angegeben werden s). Burmeister giebt in der Description phys T. HI, p. 159 die normale Zahl der Kreuzwirbel für G. vittata auf zwei an * ) ; ich muss die Richtigkeit dieser Angabe bezweifeln. Wir werden zwei Kreuz- wirbel nur als Ausnahme bei G. vittata anzusehen haben, ebenso wie bei 6r. barbara^). 1) Als Ictonyx bei Mivakt bezeichnet. 2) Bezeichnet als Rhabdogale zorilla Wiegm. , beide von Kenena am weissen Nil, also wohl gleich Zorilla fre/iala Grat. 3) Blainville's Abbildung in der Osteographie zeigt für Mephitis nur zwei Kreuzwirbel. 4) In seiner Systemat. Uebersicht der Thiere Brasiliens hat Bub- MEisTEB für G. vittata drei Kreuz wirbel angegeben. Ich wundere mich, dass er diese Angabe in dem kürzlich erschienenen Werke verändert hat. 5) Gikbkl's Angaben über die Kreuz- und Schwanzwirbel von G. bar- hara und G. vittata (a. a. 0. p. 245) stimmen mit meinen Beobachtungen überein. Beiträge zar Kenntniss der Galictis-Arten. 203 Was die S c h w a u z w i r b e 1 anbetrifft, so entspricht ihre Zahl bei den einzelnen Galictis-Arten so ziemlich dem äussern Eindrucke, den die Länge des Schwanzes an den lebenden Thieren macht. Die lang- schwänzige G. harbara hat 23—26, G. vittata, welche bedeutend kurz- schwänziger ist, pflegt 20 — 21 Schwanzwirbel zu besitzen; bei dem noch kurzschwänzigeren grossen Grison, von dem ich freilich nur ein Skelet untersuchen konnte, fand ich 18 Schwanzwirbel, von denen der letzte ein sehr kleines Rudiment darstellt. Wenn Mivart 23 Schwanzwirbel für G. harbara als normal an- giebt, so muss ich dem entgegentreten; ich habe bei den von mir untersuchten (vollständigen) Skeleten als Minimum 24, als Maximum (in zwei Fällen) 26 Wirbel gefunden. Das Stuttgarter Skelet hat (teste Krauss) 25, das Skelet des Hamburger Museums (teste Lang- kavel) ebenfalls 25 Schwanz wirbel. Ich theile zum Vergleich die Wirbelzahlen einiger Musteliden- Skelete unsrer Sammlung^) mit, indem ich bemerke, dass bei den Schwanzwirbeln das letzte Wirbelrudiment mitgerechnet, und dass die Zahlen derselben in den Fällen, wo etwa ein gewisser Zweifel an der Vollständigkeit der äussersten Schwanzspitze möglich erscheint, mit Fragezeichen versehen sind. Die Halswirbel sind fortgelassen. 1. Mustela morfes $ 14 + 6 + 3 + 22. 2. » » ? • 14 + 6 + 3 + 21. 3. >> j> ? 14 + 6 + 3 + 20? 4. j> foina $ 14 + 6 + 3 + 21. 5. j> j> $ 14 + 6 H- 3 -h ? 6. » » ? • 14 + 6 -h 3 H- 22. 7. » j> ' ? 14 + 6 + 3 -H 19? 8. Foeforius putorius $ 14 + 6 -h 3 + 18. 9. » >t ? 14 + 6 + 3 -+- 18. 10. » Everstnan ni ? . 14 + 6 + 3 + 18. 11. >> furo . s 14 + 6 4- 4 -h 17. 12. » » s . r4 + 7 + 3 + ? 13. >> >f ' ? 15 + 6 + 3 + 15? 14. )> itatsi . . s : 14 + 6 + 3 + 19. 15. » >> $ 14 + 6 + 3 4- 17? 16. » vison . s 14 -h 6 + 3 H- 18. 17. fj •> • . s : 14 -h 6 + 3 -h 17. 18. » erminea ■ ? : 14 + 6 -i- 3 + 17. 19. » }> ? 14 + 6 + 3 + ? 20. >j vulgaris ? 14 -h 6 + 3 + 13. 21. Rhabdogale zorill a S 15 + 5 4- 3 + 24. 22. >> >> ? 15 + 5 + 2 4- 24. 1) Zool. Samml. d. Landwirthsch. Hochschule. 204 ALFRED NEHRING, Aus diesen Zahlen, welche um so mehr Vertrauen verdienen, als die betreffenden Skelete unserer Sammlung fast sämmtlich als sog. Bänderskelete hergestellt sind und somit noch den ursprünglichen Zusammenhang der Wirbel zeigen, ergiebt sich mit voller Evidenz, dass die Gattungen Mustela und Foetorius mit grosser Zähigkeit an der Zahl von 14 (rippentragenden) Brustwirbeln und 6 Lendenwirbeln festhalten ^). Nur das Frettchen {Foet. furo) macht scheinbar eine Ausnahme, indem das eine Skelet 15 Brust-, das andere 7 Lendenwirbel, und das dritte sogar 4 fest verwachsene Kreuzwirbel zeigt ^j. Aber diese Aus- nahme beweist nur, dass die Domestication einer Säugethierart, selbst wenn es sich um eine so geringe Domestication wie beim Frettchen handelt, sehr häufig eine Veränderung in der Zahl der Wirbel mit sich bringt. Der wilde Stammvater des Frettchens hatte ohne Zweifel 14 Brust-, 6 Lenden- und 3 Kreuzwirbel, mag man nun den gemeinen Iltis oder den Steppeniltis {Foetor. Eversmanni) als solchen betrach- ten. Es wäre ganz verkehrt, die obigen (unter sich noch dazu diffe- rirenden) Wirbelzahlen des Frettchens als Beweise gegen die Ab- stammung desselben von einer der beiden oben genannten Arten an- zuführen, ebenso verkehrt wie es ist, wenn Sanson die meistens ab- weichende Zahl von Lendenwirbeln des Hausschweins gegenüber dem Wildschwein als durchschlagenden Beweis gegen die Abstammung des ersteren von letzterem betrachtet^). lieber die generische Verschiedenheit zwischen der Hyrare und den Grrisons. Wenn man die Gesammtheit der Unterschiede, welche zwischen 6r. harhara einerseits und den Grison-Arten andrerseits vorliegen, ins Auge fasst und mit den Unterschieden vergleicht, welche sonst als 1) Nach Giebel soll Foetorius viso/i 13 rippentragende und 7 Len- denwirbel haben, sowie 20 Schwanzwirbel. Unsere beiden Skelete zeigen mit grösster Deutlichkeit 14 rippentragende und 6 Lendenwirbel; ich halte diese Zahlen für die normalen, zumal da die nahe verwandte Lulreola nach Giebel ebenfalls 14 -|- 6 Rückenwirbel zeigt. 2) Auch Daübenton hat ein fz/ro-Skelet mit 15 Brustwirbeln be- obachtet. Vergl. Blainville a. a. 0. 3) Vergl. Sanson, Sur la pretendue transformation du Sanglier en Cochon domestique und Sur l'opinion d'IsiDOKE Geoffeoy St.-Hilaike au sujet des Cochons domestiques in: „Coraptes Kendus" 1866, T. 63, p. 843 ff. und p. 928. Ich bin im Stande, die SANSON'schen Einwürfe gegen die Ab- Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. 205 ausreichend für eine generische Trennung angesehen werden, so wird man, glaube ich, zu dem Resultate kommen, dass eine generische Trennung in dem vorliegenden Falle sich sehr wohl motiviren lässt. Ich erinnere daran, wie verschieden die Schädelbildung in vielen wich- tigen Punkten ist, wie verschieden das Aeussere; nimmt man hierzu noch die Abweichung in den sonst meistens sehr zähe festgehaltenen Zahlen der Brust- und Lendenwirbel, so wird man sagen müssen, dass die von Gray vorgenommene Trennung der BELL'schen Gattung Galidis in die Gattungen Galera und Grisonia ebenso viel Berech- tigung für sich hat, wie etwa die Zertrennung der alten Gattung Mustela in die Gattungen Mustela (s. str.) und Foetorius^). Warum aber Gray für die Grisons den Gattungsnamen Grisonia gewählt hat, ist mir unklar. Der Name Galidis ist von Bell speciell für die Grisons aufgestellt worden; Wiegmann hat dann die früher zu Gulo gerechnete Hyrare in die Gattung Galidis mit eingereiht, und so ist es in den meisten zoologischen Handbüchern bis jetzt geblieben. Wenn man aber nachträglich die Hyrare generisch wieder von den Grisons trennen will, so dürfte es doch wohl logisch sein, den letzteren ihren von Bell speciell für sie aufgestellten Genus-Namen zu belassen und nur für die Hyrare einen neuen Genus-Namen zu wählen. Besonders auffallend erscheint es mir, dass Mivart den Namen Galidis speciell für die Hyrare anwendet und den kleinen Grison als Grisonia bezeichnet. Nach meiner Ansicht muss man entweder die Hyrare und die Grison-Arten unter dem gemeinsamen Genus-Namen Galidis zusam- menfassen , wie es in der deutschen Litteratur üblich ist , oder den Namen Galidis auf die Grisons beschränken und der Hyrare einen anderen Genus-Namen, also etwa Galera, beilegen. Obgleich sich Manches für die Zusammenfassung zu einem Genus sagen lässt, so möchte ich mich dennoch aus den oben angedeuteten Gründen für eine generische Trennung der Hyrare von den Grisons aussprechen. stammung des alten europäischen Hausschweins von dem europäischen Wildschwein mit dem Material unserer Sammlung völlig zu widerlegen. 1) Im Sinne von Ketseblingk und Blasius! Mivabt gebraucht den Namen Mustela ebenso; für Fnelnrias setzt er Pulorius. Ich verstehe aber seine bezüglichen Angaben über die Basilarlänge und das Gebiss in Tabelle III und IV durchaus nicht. Die Dimensionen sind viel zu Idein, überhaupt ohne nähere Angabe der Species und des Geschlechts völlig unbrauchbar. 206 ALFRED NEHRING, Von diesem Standpunkte aus würden sich die besprochenen süd- wk amerikanischen Musteliden in folgender Uebersicht zusammenstellen lassen : I. G^enus: Gälera GRAY. 1. Species: G. barhara (L.). Die Hyrare. Ueber einen grossen Theil von Südamerika verbreitet, und wie es scheint, in mehreren Localrassen vorkommend, z. B. varietas peruana von TscHUDi in Peru. Vielleicht ist auch die unter dem Namen Gulo la'ira von Fr. Cuvier beschriebene Hyrare aus Guiana als besondere Varietät anzusehen. 2. Eine oder mehrere fossile Species (nach Lund) aus den brasilianischen Knochenhöhlen. n. Genus: Gälictis Bell. 1. Species: G. Allamandi Bell. Der grosse Grison. Heimath vorläufig unbekannt, wenigstens für die typische Form. Dagegen ist die von mir als G. crassidens beschriebene und vielleicht als besondere Varietät aufrecht zu erhaltende Form vor- läufig für Surinam und die tropischen Theile Brasiliens constatirt. 2. Species: G. vittata Bell. Der kleine Grison. Sicher constatirt in den brasilianischen Provinzen St. Paulo, Rio grande do Sul, in Paraguay, Argentinien, Patagonien etc. Wie weit diese Art neben dem grossen Grison vorkommt , muss noch näher constatirt werden. Ausser der typischen Form der G. vittata ist wahrscheinlich eine kleine Varietas chilensis zu unterscheiden. 3. Species: G. intermedia Lund. Aus einigen Knochenhöhlen der Provinz Minas Geraes, wahr- scheinlich in Zukunft als G. Allamandi foss. (mihi) zu bezeichnen, da sie mit dem grossen Grison der Jetztwelt identisch oder sehr nahe verwandt ist. Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. 207 Nachschrift. Nach Beendigung dieser Abhandlung ging niir noch aus dem Zoologischen Museum in München von Herrn Prof. Dr. Hert- wiG eine interessante Sendung nebst brieflicher Mittheilung zu. Leider konnte dieses wichtige Material in dem zusammenhängenden Texte nicht mehr berücksichtigt werden; ich erwähne es daher hier am Schluss in einer besonderen Nachschrift. Die Sendung umfasst ein ausgestopftes, (wie es scheint) weibliches Exemplar von G. Allamandi nebst zugehörigem Schädel, 1843 von Brandt in Hamburg bezogen, und einen isolirten Schädel einer an- geblichen G. vittata. Ferner hat mir Herr Prof. Dr. Hertwig einige Angaben über das im Münchener Museum befindliche Skelet einer angeblichen G. vittata gemacht. (Auch ist mir der zugehörige Schädel nachträglich übersendet worden.) Was zunächst das ausgestopfte Exemplar betrifft, so entspricht dasselbe in allen wichtigen Punkten den oben angegebenen Charakteren des grossen Grison, und zwar schliesst es sich sehr nahe an das aus- gestopfte Exemplar des hiesigen Zoologischen Museums (Nr. 944) an. Sehr deutlich tritt an dem Münchener Grison die geringe Ausdehnung der Stirnbinde nach der Schulter hin hervor, was Bell als charakte- ristisch für G. Allamandi erwähnt. Die Grundfärbung ist braun, nicht schwarz, wie bei dem Original-Exemplare in London. Der zu- gehörige Schädel, der leider am Hinterhaupte stark verletzt ist, zeigt alle Charaktere des grossen Grison in ausgeprägter Form; in der Grösse stimmt derselbe ungefähr mit Nr. 170U7 des hiesigen Anatom. Museums überein. Der isolirte Schädel gehört nach den Charakteren seines Gebisses nicht zu G. vittata, sondern auch zu G. Allamandi, und zwar rührt er nach meinem Urtheil von einem jungen, sehr schwachen Weibchen her. Er geht in der Grösse bis zu dem Maximum der ältesten Männ- chen von G. vittata hinab ' ) , aber er zeigt in seiner Form und speciell 1) Die Basilarlänge beträgt etwa 75 — 76 mm; ganz genau lässt sich dieselbe nicht angeben, da das Foramen magnum verletzt ist. 208 ALFRED NEHRING, in der Bildung des Gebisses die Charaktere der G. Ällamandi so deutlich, dass über seine Zugehörigkeit gar kein Zweifel herrschen kann. Auch das in München befindliche Skelet, welches als G. vittata S bezeichnet ist, muss nach dem Schädel und den mir zugekommenen brieflichen Mittheilungen auf G. Ällamandi, resp. auf G. crassidens bezogen werden, und zwar auf ein Männchen dieser Art. Die Basilar- länge des Schädels (v. Foramen magnum bis zu den Schneidezähnen) beträgt 86 mm, also fast genau so viel, wie bei den oben besprochenen männlichen Schädeln von Theophilo Ottoni und Surinam; die Länge der Beinknochen geht weit über die des stärksten Männchens der G. vittata hinaus. Die Zahlen der Wirbel sind folgende : 7 + 15 + 5 + 3 + 17, es sind also nur 17 Schwanzwirbel vorhanden, während G. vittata 20—21 aufzuweisen pflegt. Auch im Gebiss sind die Charaktere des grossen Grison sehr deutlich zu er- kennen. lieber die Provenienz der Münchener Exemplare sind in dem Kata- loge keine genaueren Angaben enthalten ; bei dem von Brandt bezoge- nen Balge der G. Ällamandi ist Südamerika im Allgemeinen, bei dem Skelet ist Brasilien als Heimath angegeben. Zum Schluss theile ich einige Messungstabellen mit, in wel- chen die Dimensionen der in den obigen Erörterungen besprochenen Galictis-Arten , sowie der verglichenen Musteliden übersichtlich zu- sammengestellt sind. Ich füge jeder Tabelle einige Angaben über die betreff'enden Exemplare bei, was für eine anderweitige Verwer- thung derartiger Messungen sehr nothwendig ist. Alle Dimensionen sind in Millimetern angegeben. Die nicht ausgefüllten Columnen sind so zu verstehen, dass die betreftenden Messungen nicht ausgeführt wurden. Beiträge zur Kenntniss d( ir Oalictis- Arten 209 Tabelle I. G. barbara 0. AUamandi (resp. crassidens) G. vittata d" d" $ 2 d cT 2 2 2? Orig. d ? 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 IBasilarlänge des Schä- dels (nach Hensel's Me- thode) io6 102 97.5 98 88 87 83 82 82 77? 72 66 58 Totallänge des Schädels vom Hinterrande der Condyli occip. . . 116.5 112,5 109 5 110 97 96 92? 89,5 90,5 85? 78 71 65 iGrösste Breite an den (Jochbogen 72 68 69 66 56 56 54 51 52 49 45 38,6 37 •Grösste Breite an den ISchläfenbeinep (Proc. mastoid.) . ._ . 59 56,5 51 52,3 53 53 49 47,5 49 42 40 35 33,5 Breite der oberen In- cisiv-Reihe .... — — 18 i7,ri 13,5 13,5 11,5 12 — — 9,3 — 8 Breite des Schädels am Alveolenrande des Hin- terendes von p 1 (Hen- sel) — — 36 34,5 33 31,5 30 3o,.5 — — 25 — 22 Länge der oberen Zahn- reihe incl. Eckzahn — — 29 27,5 26 26 25 25 — — 20 — 17 Länge des oberen Secto- rius {p 1) (aussen ge- 10,5 10,3 9.4 8,8 II 10 9,4 9,2 9,5 9,1 8 7,4 7 Transversale Breite des * oberen Höckerzahns(w 1) 9 8 7,7 7,8 9,5 8,5 8 8,5 8,8 7,9 6,7 6,5 5,5 1 Länge einer Unterkiefer- hälfte bis Hinterrand des Condylus 77 74 70 70 58 59 57 55,5 56 50,2 46 41,5 38 1 Länge der unteren Zahn- reihe incl. Eckzahn — — 38 37 33,5 34 32 32 — — 25,5 — 21 l' Länge des unteren Sec- torius (ml).... 10,8 10 9,6 9,2 12 11,3 10,3 10 II 10,2 8,.'. 8 7,5 Bemerkungen zu Tabelle I. Die 4 Schädel der G. barbara sind ausgewählt aus einer Anzahl von ca. 30 Schädeln derselben Species. Nr. 1 und 2 (N"r. 23096 u. 23095 des Anatom. Mus. hierselbst) ge- hören zu den von Hensel in Eio Grande do Sul gesammelten Schädeln; sie stammen von Exemplaren mittleren Alters. Nr. 3 aus der v. NATHUsius'schen Collection (jetzt Landwirthsch. Hochschule Nr. 2108) stammt von einem alten Weibchen aus der Gegend der Colonie Blumenau, Prov. St. Catharina, Brasilien. Nr. 4. Altes Weibchen aus der Gegend von Piracicaba, Provinz St. Paulo, Brasilien. Privatsammlung des Verfassers. G. AUamandi resp. G. crassidens. Nr. 5. Schädel von Theophilo Ottoni, Prov. Minas Geraes, Bra- silien, von einem Männchen mittleren Alters. Privatsammlung des Verfassers. Zoolog. Jahrb. I. ' J4 210 ALFRED NEHIRNG, Nr. 6. Altes Männchen aus Surinam, Naturalien-Cabinet in Stutt- gart Nr. 6271/3. Nr. 7. Wahrscheinlich aus der Prov. Kio de Janeiro, wenigstens von dort bezogen , Schädel zu dem ausgestopften alten Weibchen Nr. 944 des hies. Zoolog. Museums. Nr. 8. Schädel zu dem Skelet Nr. 17007 des hies. Anat. Mus., welches von einem noch nicht ganz erwachsenen Weibchen her- rührt. Als Heimath ist nur im Allgemeinen Süd-Amerika an- gegeben. Nr. 9. British Museum (bezeichnet : Brandt) , wahrscheinlich von einem Weibchen. Gemessen von 0. Thomas. Nr. 10. Schädel des Original - Exemplars von G. Jllamandi Bell, weiblich, gemessen von 0. Thomas. Sammlung der Zoolog. So- ciety of London. G. vitlata. Nr. 11. Altes Männchen von Piracicaba. Privatsammlung des Yerf. Nr. 12. Ausgewachsenes Weibchen aus Süd-Brasilien, gesammelt von Hensel. Anat. Mus. Nr. 24386. Nr. 13. Schädel des ausgestopften, alten, ohne Zweifel weiblichen Exemplars aus Chile im hiesigen Zoolog. Mus. Nr. 4085. Der kleinste untersuchte Gfl/^■<:•/^>-Schädel ! Tabelle H. G vittata Foe puto J d" 2 Chile d 1 2 3 4 5 6 Must. foina M. martes 10 Muit. Peimanti 11 1. Basilarlänge des Schädels 2. Totallänge vom Hinter- rande der Cond. occip. 3. Grösste Breite an den Jochbogen 4. Grösste Breite an den Schläfenbeinen .... 5. Obere Incisiv-Reihe 6. Breite des Schädels am Hinterende des oberen Sec- torius {p \) 7. Obere Zahureihe incl. Eck- zahn 8. Länge des oberen Sectorius 9. Transv. Breite des oberen VI \ 10. Länge des Unterkiefers incl. Condylus .... 11. Untere Zahnreihe incl. Eckzahn 12. Länge des unteren Secto- rius (rti i) 76 75 66 60 ;6i i 65 84 84 73 67 67,5 71,5 48 47 41 37,7 37,8 43,5 44 43>5 36 34 34,4 39,5 ^" — — 8 7,6 — — — — 22 24,6 — 17 20 — 9 7,4 7 7,7 7,8 — 7,3 6,5 6 6 6,3 51 52 44 40 39 43 — — — — 22, T) 25 — 9,5 8 7,8 8,2 8,3 57 62,4 36 33 6,2 22 18 7 5,5 35 22 7,5 77 50,5 40 9,2 29 29 9,2 8,2 55 35 IG 80 8g,.^ 87,5 87,5 51,5 50 41 9 41 9 28 28 30,5 8,8 30 8,4 8,8 9 58 59 36,5 37 IG I0,G IG4 III 61 50 IG,3 32 40 12 IG 77 48 13,3 Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. 211 Bemerkungen zu Tabelle IL G. vütata. Nr. 1. Sehr altes, starkes Männchen mit völlig abgenutzten Zähnen (Anatom. Mus., Nr. 6901), der grösste unter den untersuchten 20 Schädeln dieser Species. Nr. 2. Altes starkes Männchen. Zoolog. Mus. Berlin. Nr. 3. Altes Weibchen. Zoolog. Mus. A. 3418. Nr. 4. Altes Exemplar von zweifelhaftem Geschlecht, gesammelt von PoEPPiG in Chile. Zoolog. Mus. A. 2753. Nr. 5. Schädel mittleren Alters von zweifelhaftem Geschlecht, aus Chile. Landwirthsch. Hochsch. Nr. 311. Foetorius putorius. Nr. 6. Starkes Männchen mittleren Alters aus der Gegend von Hundisburg. Landwirthsch. Hochsch. 2789. Nr. 7. Altes Weibchen aus der Gegend von Nordhausen. Privat- sammlung des Verfassers. Muslela foina. Nr. 8. Kräftiges Männchen mittleren Alters von der „Asse" bei Wolfenbüttel. Privatsamml. d. Yerf. Mustela martes. Nr. 9. Altes Männchen aus dem Anhalt'schen. Durch Naumann an H. V. Nathusius. Landwirthsch. Hochsch. Nr. 317. Nr. 10. Kräftiges Männchen mittleren Alters, von meinem Bruder Robert geschossen bei Allrode im Harz. Muslela Pennanti. Nr. 11. Kräftiges Männchen mittleren Alters, durch Gekrard aus Nordamerika. Landwirthsch. Hochsch. Nr. 2490. Tabelle HI. G. bar- Gal AUamandi hara (resf . crassidens) $? d 9 $ ? 1 2 3 4 99 86 82 82 III 9S 89,. -j 90,5 71 .59 55>5 5Ö 64 — 53 — 95 71 68 70 90 76 67 — 74 .5,5 52,5 — 77 80 69 65,5 100 88 75 75 91 80 71 72 Mustela 1 da ^ vütata 1 foina martes cf d d cf? Chile 5 6 7 8 9 77 80 76 70 65 84 87,5 84 — 72 55 5« 51 — 43,3 46 48 44 — — 67,4 73 56 55 46 66 70,5 54 — 44 52 59 3« 3« 34 60,2 61 56 — 43,5 77,5 80 58 60 48,0 80,5 88 60 58 49 Foet. putorius d d 10 11 1. Basilarlänge des Schädels 2. Totallänge des Schädels von den Cond. occip. ab. S. Unterkieferlänge 4. Grösste Länge der Seapula 5. Grösste Länge des Hu- merus 6. Grösste Länge der Ulna . 7. Grösste Länge des Radius 8. Grösste Länge der Pelvis 9. Grösste Länge des Femur 10. Grösste Länge der Tibia . 61 40,8 35 41,6 32 47 52,3 52,8 63 69 43 37,5 50 46,5 36 49 55 57 14 212 ALFRED NEHRING, Beiträge zur Kenntniss der Galictis-Arten. Bemerkungen zu Tabelle III. G. barbara. Nr. 1. Montirtes Skelet der hies. Anatom. Mus., Nr. 17013, wahr- sciieinlicli weiblich. Von Bahia. G. jtllamandi^ resp. G. crassidens. Nr. 2. Männliches Skelet des Zoolog. Mus. in München. (Die Mes- sungen der Beinknochen sind von Herrn Dr. Pauli ausgeführt.) Nr. 3. Montirtes Skelet des hies. Anatom. Mus., Nr. 17007, von einem nicht ganz erwachsenen, wahrscheinlich weiblichen Exem- plar. Vgl. Tab. I, Nr. 8. Nr. 4. Unvollständiges Skelet des Brit. Mus. Zu Tab. I, Nr. 9. Musteta foina. Nr. 5. Zerlegtes Skelet von einem ausgewachsenen Männchen aus der Gegend von Wolfenbüttel. Zu Tab. II, Nr. 8. Privatsamml. des Verfassers. Mustela martes. Nr. 6. Zerlegtes Skelet von einem ausgewachsenen Männchen aus dem Herzogth. Anhalt. Landw. Hochsch. Nr. 317. Zu Tab. II, Nr. 9. Galictis vittata, Nr. 7. Montirtes Skelet von einem sehr alten Männchen mit ab- genutzten Zähnen. Anatom. Mus., Nr. 6901. Zu Tab. II, Nr. 1. Nr. 8. Skeletmaasse nach Mivaet a. a. 0. Nr. 9. Skelet des Brit. Mus., gemessen von 0. Thomas. Foetorius putorius. Nr. 10. Zerlegtes Skelet von einem alten Männchen aus der Gegend von Wolfenbüttel. Privatsammlung des Verfassers. (Die Knochen des Unterarmes und des Unterschenkels sind auffallend kurz.) Nr. 11. Zerlegtes Skelet von einem alten Männchen aus der Gegend von Wolfenbüttel. Privatsammlung des Verfassers. I M i s c e 1 1 e n. Biologische Miscellen aus Brasilien von Prof. Dr. E. A. Göldi. (Rio de Janeiro.) I. Ein pathologischer Faca - Schädel. (Mit Figur.) Bekanntlicli sind die beiden grossen Paare von meisselförmigen Nage- zähnen der Eodentia, bei denen bloss die Yorderfläche mit Schmelz aus- gestattet ist, im Yerhältniss zur Abnutzung mit fortschreitendem Wachs- thum ausgestattet. Wird durch irgend einen Zufall einem dieser Zähne — die Geoffkoy St.-Hilaike ^) für Homologa der „Dentes canini" erklärt im Gegensatz zu der so verbreiteten Ansicht, dass die Nagezähne mit Schnei- dezähnen identisch seien — sein Pendant genommen, so ist natürlicher Weise für eine pathologische Verlängerung des einen übrig gebliebenen Raum gegeben. Solcher Fälle sind, wie ich mich erinnere, mehrere in der Literatur verzeichnet. Sie betreffen Mäuse, Katten, Eichhörnchen u. s. w. 2). 1) Et. Geoffkcy St. Hilaire, „Memoire sur les dents anterieures des Mämmiferes rougeurs, dans lequel on se propose d'etablir que ces dents, dites jusqu'ici et determinees „incisives" sont les analogues des dents canines". (In; Mem. Acad. Sc. Paris, Tom. 12, 1833. pag. 181—222). 2) Mehrere Literatur - Angaben , die ich jedoch nicht selbst vergleichen konnte, stehen in der „Bibliotheca zoologica" von Cakus & Engelmann, Leipzig 1861, Bd. II, pag. 1298, als: 1) Farrar , W., „Observations on the praeternatural growth of the incisor teeth occasionally observed in certain Rodents" in : Loudon's Mag. Nat. Hist. Vol. III, 1830, pag. 27. 2) Jenyns, Leon, „Observations" etc. (mit Abbild.), in: Loudon's Mag. Vol. II, 1829, pag. 134—137. 3) Lavagna , ,,Saggio di sperienze sopra la riproduzione di denti negli animali rosi- canti" in: Giornale di Fis., Chim. e Storia nat. di Brungatelli. Tom. 5, 1812, pag. 226—232, pag. 249—277. 4) Oüdet, J. E., ,,De l'acroissement continu des incisives chez les Rongeurs etc." Paris (Bailiiere et fils), 1850. 214 Mis c eilen. In Brasilien habe icli einen Schädel von Coe/ogeni/s paca erlangt, angeblich aus Campos (Provinz Bio de Janeiro) stammend, der in dieser Hinsicht das Abenteuerlichste bietet, was ich je gesehen und gehört. (Vergl. Figur, welche die Vorderansicht veranschaulicht). Der zugehörige Unterkiefer war leider nicht mehr zu beschaffen. Die rechte Backentasche, aus einer nach unten gewölbeartig vor- springenden Proliferation des Processus zygomaticus ossis jugalis gebildet, ist normal und äusserst geräumig, nach aussen mit harten knöchernen Tuberositäten übersäet, wie dies für diese Thierspecies ja als besonders bezeichnend gelten kann. Von der linken fehlt jedoch die ganze untere Hälfte ; die Bruchfläche läuft nahezu parallel der Medianlinie des Schä- dels und ist ziemlich ebenflächig. Was am Unterkiefer fehlte, kann ich nicht wissen ; ohne Zweifel war derselbe nicht minder arg mitgenommen durch einen bösartigen chirurgischen Eingrifl^, der vielleicht in einer von der linken Seite her erfolgten Schusswunde bestanden haben mochte. Jedenfalls waren am Unterkiefer die beiden Nagezähne weggehoben. Es ergiebt sich dies aus der abenteuerlichen Länge der oberen Nage- zähne, denen es an Gelegenheit zur Abnutzung fehlte und zwar wäh- rend längerer Zeit — bis zum Tode des Thieres durch die Hand eines Jägers. M i s c e 1 1 e n. 215 Der linke, obere Nagezalm, also auf der vorzüglich beschädigten Kopfhälfte, bildet von einer Spirale einen vollständigen Umgang, sogar noch mehr, wenn man in Betracht zieht, dass der in der Alveole ver- steckte Theil noch auf eine ziemliche Strecke sich ausdehnen wird. Dieser Zahn durchbohrte die Vorderecke des Processus zygomaticus, um sich sei- nem Wachsthumsgesetze gemäss, das wir mit Entlehnung eines der bo- tanischen Physiologie entlehnten Terminus mit ,,epinastisch" bezeichnen könnten, nach vorne und unten zu wenden Genanntes Loch ist in sei- ner Form ähnlich dem Querschnitt des durchziehenden Zahnes, immer- hin aber mindestens 3 mal grösser. Die durch die verschiedenen Stellen des Zahnes gedachten Querschnitte stimmen unter sich überein. Im Gegen- satz zu der entsprechenden Stelle der rechten Backentasche erweist sich die Umgebung des Loches dünn, stellenweise durchscheinend. Die Spirale hat c. 4^ cm. Durchmesser. Während der linke, obere Nagezahn also innen verläuft und zur Durchbrechung des Processus zygomaticus Veranlassung gab , blieb der rechte, obere auf der Aussenseite dieses Knochens, im Leben sich zwi- schen diesem letzteren und die fleischig-häutige Beckenwandung einschie- bend. Die Höhe des Umgangs musste dementsprechend höher werden, dieser selbst aber kürzer im Vergleich zu den Verhältnissen an der lin- ken Kopfhälfte. Die ursprünglichen Abnutzungsflächen an den Enden der beiden Zähne sind noch zu erkennen, wenn auch uneben, stellenweise splitterig geworden. Es erscheint räthselhaft, wie ein so verstümmeltes Nagethier noch leben konnte. Und dass es noch geraume Zeit hindurch sein Leben zu fristen vermochte, wird bewiesen durch die ausserordentliche Entwick- lung dieser oberen Nagezähne. Rio de Janeiro, im Januar 1886. Verfahren zur Herstellung Ton Zoologischen und Anatomischen Präparaten mittelst der Grlycerindurchtränkung, von Dr. Johannes Frenze 1. Als vor wenigen Jahren die Zusammensetzung der sog. Wickkrs- HEiMEE'schen Flüssigkeit und deren Anwendung bekannt gegeben wurde, sind allenthalben zahlreiche Versuche damit angestellt worden, die aber, wie es scheint , nur in seltnen Fällen günstige Resultate ergeben haben. Es hat daher diese Methode nur wenig Anklang gefunden und sich kei- nen Eingang in die Wissenschaft zu verschaffen vermocht. Im Beson- deren erhoben sich auch Kritiken gegen die irrationale Zusammensetzung der Flüssigkeit selbst. Mir schien dann noch ein anderer Punkt von Wichtigkeit, der, obzwar eine hervorragende Eolle spielend, doch kaum genügend betont worden sein dürfte. Bekanntlich nämlich besteht der Thierkörper zum grossen Teil aus flüssigen und h al b f lüssi gen Ei- weisskörpern, ferner auch aus festeren Körpern, die ihrerseits viel- fach in Wasser, in Salzlösungen, Glycerin oder schwachem Alkohol lös- lich sind, also in Stoffen, die, abgesehen von einem zum Härten nicht hinreichenden Zusatz von Methylalkohol, die Bestandtheile obiger Flüssig- keit ausmachen. Es ist daher einleuchtend, dass diese die schon flüssigen Eiweisskörper extrahiren, die anderen aber theilweise wenigstens vor- her auch noch löslich machen und dann ebenfalls extrahiren , oder doch aus einem erst festeren in einen minder festen Zustand überführen muss Dies ist somit der eigentliche Grund, warum die auf solche Weise behandelten Präparate collabirten, ihre Gestalt verloren und weich und schmierig wurden, da sie oft in hohem Grade ihrer sie prall haltenden Bestandteile verlustig gingen. Wie andere organische Materie sind die Eiweisskörper, die leim- gebenden Substanzen , der Schleim etc. ferner den Fäulnissprozes- sen ausgesetzt. Die genannte Flüssigkeit wirkt zwar vermöge ihres Gehalts an einem Alkohol etc. auch antiseptisch. Da aber dieser Gehalt kein allzu hoher, der Alkohol ferner flüchtig ist, so ist keine genügende Garantie für eine hinreichende Desinfection vorhan- den, aus welchem Grunde sich mithin erklärt, warum die so präparirten MiBcellen. 217 Objekte nach vielseitiger Erfahrung allmählich in stinkende Fäulniss übergingen. Mir schien es daher nothwendig, von diesen beiden Punkten, nämlich von der Weichheit der Gewebe und von deren Fäulnissfähig- keit auszugehen. Freilich spielen sie nicht immer eine bedeutende Rolle, z. B. nicht bei Knochen- und Bänderpräparaten u. s. w. , so dass hier obiges Verfahren in der Regel günstige Resultate ergiebt. Auch Stieda ') hat vor nicht langer Zeit empfohlen, ähnliche Präparate ein- fach mit Glycerin zu behandeln , wobei er mit vollem Recht behauptet, dass die übrigen Zuthaten zum mindesten überflüssig sind. Der gleiche Gedanke drängte sich auch mir schon vor mehreren Jahren auf und ver- anlasste mich zu einer Reihe verschiedener Versuche, deren Erfolge ich hier kurz angeben möchte, aber nur um das Prinzip meines Verfahrens zu erläutern, während praktische Rathschläge und Bemerkun- gen, soweit sie Resultate der Erfahrung sind, vorläufig nur in be- schränktem Mafse Platz finden sollen. Eine Methode, welche es ermög- licht, ganze Thiere oder Theile derselben ohne Anwendung umfangreicher Hilfsmittel und unbequemer Vorrichtungen in einem Zustande aufzube- wahren, welcher dem des Lebens am nächsten kommt, inso- fern, als sie das Erloschensein desselben sogar verdecken und dafür seine Gegenwart, wenn auch nur gewissermafsen in latenter Form (Ruhe oder Schlaf), vortäuschen kann, hat doch gewiss ihre grossen Vortheile. Dabei ist diese Methode noch einfacher und weniger kostspielig als die von Semper angegebene, welche in der Durchtränkung der Präparate mit Terpentinöl besteht. Diese hat dabei ferner den Nachtheil, dass sie die natürliche Farbe gänzlich zum Verschwinden bringt und die Geschmeidigkeit und Biegsamkeit der Objekte vermindert, wobei sie allerdings die höchst vollkommene Unverwüstlichkeit derselben er- reicht, was bei der Durchtränkung mit Glycerin nicht in dem hohen Mafse der Fall sein dürfte. Das Verfahren nun , dessen Anwendung ich vorschlage , ist dem Princip nach höchst einfach , ja ich möchte sagen , nach obiger Aus- einandersetzung fast selbstverständlich. Man härte nämlich, gerade wie es in der mikroskopisch-histologischen Technik üblich ist, ganze Thiere oder deren Organteile nach den gebräuchli.chen Methoden, am zweckmäßigsten mit Sublimat, wobei zugleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, indem Hand in Hand damit eine höchst vollkommene Desinfection erreicht wird. Die Härtung darf nicht einen solchen Grad erlangen, dass die Präparate brüchig wer- den, kann aber je nach den Umständen etwas übertrieben werden, da später wieder eine mehr oder weniger weitgehende Erweichung der erstarrten Form eintritt. In den meisten Fällen wende ich eine Lösung von Quecksilbersublimat in schwachem, etwa 50 procentigem Alkohol an. Gewiss kann man dies aber ebenso gut durch Chromsäure, Pikrinsäure u. s. w. ersetzen, wobei man jedoch gut thut, gleich von vorne herein ein Desinfectionsmittel , in erster Linie Sublimat , oder auch Carbolsäure, 1) In: MüUer's Archiv, Abtheil, für Anatomie 1885 Heft I u. II p. 112 bis 119. 218 Miscollen. Salicylsäure u. s, w. beizufügen. Nach der Härtung werden dann die Präparate , ohne dass ein Auswässern zweckmäfsig ist , mit einer G 1 y - cerinmischung durchtränkt. Reines, d h. unverdünntes Glycerin zu nehmen, ist dabei in fast allen Fällen nicht nur unnöthig, sondern kann sogar schädlich werden , da erstens leicht Schrumpfung eintritt und da zweitens eine langanhaftende Klebrigkeit zurückbleibt. Es genügt daher im Allgemeinen , l Theil gewöhnlichen Glycerins mit 1 Theil etwa 70 bis 80 procentigen Alkohols zu versetzen, welcher Mischung man , wenn die Präparate noch nicht antiseptisch gemacht sind, etwas Dementsprechendes (Sublimat etc.) hinzufügt. Bei besonders weichen und schlaffen Objekten hat man diese Flüssigkeit je nach Bedarf mit einer Leim-(Gelatine-)lösung zu vermengen, worauf die Durchtränkung unter vorsichtigem Erwärmen geschieht. Wo ferner die Gefahr einer Schrumpfung grofs ist, führt man die Objekte nur allmählich in die stärkere Glycerinmischung über. Man sieht, dass der Gang ein möglichst einfacher und rationeller ist ; und Jeder , der mit der modernen histologischen Technik vertraut ist, wird wenigstens die Möglichkeit zugeben, auf diese "Weise be- friedigende Erfolge zu erzielen. Die Gefahren und Nachtheile , welche vorhanden sein könnten , wären etwa , dass trotz der Desinfection, wenn nicht gerade Fäulniss , so doch eine derartige chemische Umwandlung eintreten könnte , dass die Präparate nach kürzerer oder längerer Zeit etwa schmierig werden und zerfliefsen. Freilich sind meine Erfahrungen in dieser Hinsicht noch geringe; doch kann ich als Entkräftigung jenes Bedenkens einen Flusskrebs aufführen , der , in ähnlicher "Weise behan- delt und seit dem Mai 1880 trocken aufbewahrt, sich fast unverändert gut, geschmeidig und beweglich in seinen Gelenken gehalten hat. Das- selbe lässt sich von einer grossen Maja sqiänado berichten , die , mit Sa- licylsäure desinficirt, 2 oder 3 Winter hindurch auf einem geheizten Ofen zugebracht hat. Zum Schluss sind eine Anzahl zoologischer und anatomischer Präparate vom Frosch, Salamander, von Schwämmen u. s. w. namhaft zu machen, die im Frühling und Sommer dieses Jahres (1885) angefertigt wurden. Ein anderes Bedenken wäre darin zu suchen , dass das Glycerin schrumpfend wirkt vind dadurch die natürliche Form der Objecto nach- theilig verändert. Eine solche Gefahr ist nun in der That vorhanden, sie lässt sich aber bei genügender Vorsicht unzweifelhaft vermeiden, wie es ja das Einschliefsen von Geweben u. s. w. in ein Glyceringemisch (z. B. Gly- cerinleim) zu mikroskopischen Zwecken gelehrt hat. Es ist aber nicht einmal nöthig, den Objekten ihr Wasser völlig zu entziehen, wie es bei der Terpentinöl-Durchtränkung der Fall ist und wo demnach die Schi'umpfungsgefahr eine viel gröfsere ist. Ich bin aber weit entfernt , das hier angegebene Verfahren als ein unfehlbares dahinstellen zu wollen. So wird man auch auf diesem Wege die natürliche Farbe nicht immer retten können. Nach meiner An- sicht giebt es aber überhaupt kein Universalmittel dafür, und die An- gaben derjenigen, die ein solches zu haben glauben, beruhen, wenn auf nichts Aergerem , so doch wenigstens auf grober Unkenntniss ; denn der \ Miscellen. 219 Hauptfaktor beim Verschwinden der Farbe ist die bleichende Wirkung des Tageslichts , gegen die kein Kraut gewachsen ist. Man kann sich aber leicht mit künstlichen Farben helfen , indem man die Präparate, nachdem sie trocken genug sind , einfach mit Aquarell- , Leim- oder Eiweifsfarben anstreicht, bis sie bunt genug aussehen. Gehen wir jetzt auf die Behandlung der verschiedenen Thierklassen im Einzelnen über. Die Spongien zunächst sind freilich nicht schwer zu erhalten ; doch werden sie beim gewöhnlichen Trocknen unansehnlich, und in Spi- ritus werden sie nicht nur entfärbt, sondern auch schwer kenntlich. Grofse Exemplare nehmen aufserdem grofse und kostspielige Gefafse in Anspruch. Für sie ist daher die Glycerinbehandlung ganz besonders am Platze. — Man lege die Spongien in eine Lösung von Sublimat in Seewasser oder schwachem Alkohol, wobei meist, da die Procedur in etwa ^Ig bis 2 Stunden beendigt ist, nur wenig Farbstoff entzogen wird. Einige, wie Cacospongia, Claihru coruUoides, Raspaigetia clathrus, Myxilla aiihelans u. s. w. bleiben dabei ganz unverändert. Dann kann man sie unmittelbar in halbverdünntes Glycerin legen oder damit wiederholt übergiefsen; und da die Schwämme bekanntlich sehr leicht durchtränkbar sind, so genügen hierfür einige bis 24 Stunden. Hierauf lässt man sie an der Luft liegend abtropfen, wozu mehrere Tage erforderlich sind. Leider geht bei einigen Schwämmen die ursprüngliche Farbe an der Luft schnell verloren ^). Für zartere Objekte ist ferner ein Leimzusatz zum Glycerin sehr rath- sam, so für Myxilla a/thelans, Clathra coralloides etc. Bei Coelente raten hingegen ist ein Durchtränken mit Glycerin entweder gar nicht zulässig oder doch ohne besonderen Nutzen ; allen- falls kann man anatomische Präparate von Actinien, Cerianl/ius etc. so behandeln. Das Gegentheil jedoch gilt für die Echinodermen, da bei diesen dadurch die leichte Zerbrechlichkeit aufgehoben wird und die Thiere ein äufserst lebensfrisches Aussehen erhalten , als wären sie soeben erst dem Wasser entnommen. Man weifs , dass diese Thiere, z. B. Echiniden und Ästenden , in einfach getrocknetem Zustande ein recht miserables Bild darbieten, während grofse Exemplare, z. B. von Jsleracanthion glacialis, nur mittelst gänzlichen Zusammenbiegens im Alkoholgefäfs Platz finden, wobei noch die Conservirungskosten erheblich gröfsere werden. Auch bei den Echinodermen verfahre man daher so , dass man sie vorsichtig abtötet, härtet und dann direkt in verdünntes Glycerin überträgt. Oft hat allerdings das Abtöten , wie bekannt , seine Schwierigkeiten , indem Crinoideen , ferner manche Schlangensterne wie Ophiolkrix dabei leicht in Stücke zerbrechen. Dies lässt sich aber vielfach vermeiden , wenn man diese Thiere etwa in dem sie beherbergenden Seewasser absterben lässt, oder auch in Süfswasser überbringt, das eine lähmende Wirkung auf sie auszuüben scheint. Man kann sie dann unmittelbar schon in an- tiseptisch gemachtes Glycerin legen , doch ziehe ich auch hier ein vor- heriges Härten vor. Mit Anledon rosacea erhielt ich gute Erfolge , in- 1) Nicht bei den obengenannten Arten. 220 Miscellen. dem ich die Individuen an der Luft absterben liefs, wobei sie nicht zerbrachen. Dann übergoss ich sie mit ein wenig Sublimat-Glycerin, wobei die Farbe sehr gut erhalten blieb, die bekanntlich nach dem Ab- sterben durch Wasser, Alkohol u. s. w. völlig und rasch entzogen wird. Sehr leicht ist weiterhin Jstropeclen aiirantiacus, jI. pentacanthus, A. hi- spiiiostis u, A. zu behandeln , indem man diese Thiere sofort härtet und dann durchtränkt, wozu selbst bei grofsen Exemplaren, namentlich wenn man per os injicirt, 24 bis 48 Stunden ausreichen. Will man auch die Füfschen lang ausgestreckt haben , so verfährt man wie Sempee , wenn ich nicht irre, zuerst angegeben, indem man zu dem Seewasser , in wel- chem sich die Objekte befinden , eine geringe sich allmählich steigernde Menge von Alkohol hinzufügt, bis Betäubung eingetreten ist. Nach etwa 24 Stunden kann dann die eigentliche Härtung und Weiterbehand- lung vor sich gehen , wobei jedoch eine Schrumpfung der zarthäutigen und hohlen Füfschen möglichst zu vermeiden ist. Die Echiniden, um nun zu diesen zu kommen, machen, einfach ge- trocknet, einen sehr schlechten Eindruck. Um sie gut zu erhalten, setze man sie sofort in eine Abtötungsflüssigkeit, nachdem man sie in der Nähe des Mundes angebohrt und soweit als möglich ihres Inhalts entleert hat; denn trocknet man sie unmittelbar, nachdem sie dem Seewasser ent- nommen sind , so fallen die radiär gerichteten Stacheln, der Schwerkraft folgend, durcheinander, während sie bei rascherem Töten in ihrer natür- lichen Stellung verhari'en. Sind sie bereits gehärtet, so kann man die Seeigel auch unbedenklich trocken aufheben, ohne dass eine Ver- änderung des Aussehens eintritt. Besser ist es freilich, um die Stacheln etwas gelenkig zu machen und sie ihrer Brüchigkeit zu berauben , wenn man auch diese Thiere der Glycerinbehandlung aussetzt. Ihr Aussehen kommt dabei dem des Lebens bedeutend näher. Die Holothurien endlich sind bekanntlich nicht leicht in natür- licher Form mit ausgestreckten Tentakeln etc. zu erhalten. Sempee be- täubte auch sie mit schwachem (,, verdorbenem'') Alkohol. Andere ziehen Chloroform zu diesem Zwecke vor, welches ebenfalls bei Cucumaria etc. gute Resultate ergiebt, wenn es auf einem Uhrschälchen verdampfend allmählich in das Seewasser eindringt. Ist die Betäubung geglückt, so kann man die Thiere in Sublimat konserviren, wobei man aber nicht ver- absäumen darf, vom After aus auch das Innere zu injiciren, damit kein Collabiren eintrete. Zum Härten gehören hier mindestens mehrere Stun- den, da später zu grofse Schlaffheit eintreten könnte. Nachdem nun mit Glycerin kurze Zeit durchtränkt worden, stopft man grosse Thiere {H. lubulusa) mit Werg aus. Wenig Anwendung wird unsere Methode bei den Würmern, zu denen wir jetzt gelangen, finden, da dieselben meist wegen ihrer geringe- ren Gröfse und bequemen Form passenderweise in Spiritus aufbewahrt werden können. Auch bei den Mollusken bleibt diese Anwendung nur eine be- schränktere, da diese Thiere zumeist oder theilweise in ihren Schalen ver- borgen sind , 80 dass von ihnen nur wenig oder gar nichts zu sehen bleibt. — Jedoch eignet sich das Verfahren wohl bei den Lamellibran- Miscellen. 221 chiern , bei denen man das Oeffnen der Schalen bewirkt, indem man sie in heifses Wasser bringt (A''e//w* verrucosa, Scrobicularia piperata, Cardium edule etc.), wobei man jedoch Yorsichtig sein muss , damit sich der Schliefsmuskel nicht loslöse. Hierauf härtet mau mit Sublimat, Chrom- säure oder dergl. und bringt das Objekt allmählich in die concentrirtere Glycerinmischung , um Schrumpfungen zu vermeiden. Land- und See- schnecken kann man ferner oft in Süfs-Wasser ersticken (unter Abschluss von Licht und Luft, wie als bekannt vorausgesetzt wird), so Helix, Arion etc.), worauf man wie oben verfährt. Manche Prosobranchier kann man wohl auch durch Alkoholzusatz wie die Asteriden betäuben. Für die nackten Opisthobranchier eignet sich gut eine Sublimatlösung mit geringem Zusatz von Salpetersäure, wie ich dies für andere Zwecke kürzlich angegeben i). Diese Objekte, namentlich so weichlappige Thiere wie Tethys fimbriata etc., muss man jedoch sehr hart werden lassen, da- mit sie später nicht zusammenfallen. Auch führt man sie vorsichtiger- weise durch stärker verdünntes Glycerin zum concentrirten über, wie es ferner sehr zweckmäfsig ist, das letztere mit einer Lösung von Gela- tine oder dergl. zu versetzen und die Durchtränkung bei etwa 40 bis 45 ** C, vorzunehmen. Eingehende Erfahrungen fehlen mir hier noch. Dagegen gelingt eine solche Behandlung bei den Octopoden ganz vor- züglich. Auch diese werden längere Zeit, etwa 24 Stunden, in Sublimat gehärtet, wobei man nicht vergessen darf, sie thunlichst auszuspritzen, Eledone z. B. vom Mund aus. Die Ueberführung in Glycerin geschehe nicht zu gewaltsam. In der oben angegebenen Temperatur werden sie sehr weich, so dass man sie nur mit Vorsicht anfassen darf, damit die Haut nicht zerreifse. Man nimmt sie aus dem noch warmen Leimglyce- rin und lässt sie an der Luft abtropfen , wo sie wieder beim Erkalten eine gröfsere Festigkeit erlangen. Ein Ueberschuss an Leim macht sie noch steifer, was dann aber die leichte Beweglichkeit beeinträchtigt, Ist die Haut nach einiger Zeit noch kleberig, so wäscht man sie mit lauem "Wasser ab. Es sei hervorgehoben, dass die so gewonnenen Resultate zu den besten gehören, die ich bis jetzt erzielt habe. An die Octopoden reihen sich als vorzügliche Objekte für unser Yerfahren die Arthropoden an, bei denen es auch am leichtesten ausführbar ist. Man härtet auch hier zweckmäfsigerweise mit Sublimat, wobei grofse und hartschalige Krebse, z. B. Maja squinado , anzubohren oder sonstwie zu öffnen sind, um ein besseres Eintreten der Flüssigkeiten zu erzielen. Eine Schrumpfung ist hier fast durchgängig nicht zu befürchten, da der starre Chitinpanzer seine Form unverändert bewahrt. Bei den Decapoden u. A. vermeide man aber ein Erwärmen , damit die Farbe nicht verändert werde. So behalten diese Kadaver jahrelang ein höchst lebensfrisches und natürliches Aussehen und eine annähernd voll- kommene Bewegungsfäbigkeit der Gelenke, Sollte übrigens, vielleicht aus Mangel an Glyceringehalt oder in einer sehr trockenen Umgebung, dennoch ein Steifwerden der letzteren eintreten, so hat man nur nöthig, 1) Einiges über den Mitteldarm der Insecten etc., in: Archiv f. mikrosk. Anatomie Bd. 26 p. 232. 222 M i s c e 1 1 e n. dieselben Präparate von Neuem zu durchtränken , um sie ad inj&nitum bis auf die Urenkel zu vererben. Es lassen sich ferner auch Spiritus- exemplare zur Glycerindurchtränkung noch recht gut verwenden , wenn sie nicht gar zu alt sind. Sie können, was weiterhin gleichfalls von anderen Thierklassen gilt, ganz gut ein bis zwei Jahre in etwa 70- bis 80 procentigem Spiritus gelegen haben. Doch darf man hierbei, was kaum noch gesagt zu werden braucht, die Desinfection nicht verabsäumen. Um Vertebraten endlich in toto zu konserviren (museologisch), ist das Ausstopfen bei grofsen Objekten immer am Platze. Bei klei- neren und zarteren ist jedoch unser Verfahren ebenfalls nicht nur an- wendbai", sondern sogar vorzuziehen. Dies bezieht sich namentlich auf kleinere Fische (z. B. Blennius, Clupea sardinn), sowie auf Plattfische und Embryonen. Auch hier härtet man mit Sublimatwasser, Sublimatalkohol oder Sublimat-Salpetersäure (Embryonen) , wobei man den Darm aus- spritzt. Bei dickeren Fischen injicirt man ferner durch Anstich die Lei- beshöhle. Um Schrumpfungen zu umgehen, hat das Einbringen in Gly- cerin hier jedoch mit Vorsicht zu geschehen. Bei vielen Fischen, namentlich den grofsschuppigen, bleibt die natürliche Farbe, ohne extra- hirt zu werden, z, B. bei Serramis scriba ; zartere Farben aber verschwin- den schon in der Flüssigkeit, wenn auch meist weniger schnell und gründ- lich als in reinem Alkohol, so die bunten Flecken bei Tn'g/a lineata {hi- rundo). Der Silberglanz scheint gut zu bestehen, wie auch das natürliche Aussehen der nackten Fische, wie Haie, Torpedo etc., wohingegen der Glanz der schuppigen Haut leidet. Man kann hier aber nach völligem Trocknen einen feinen Leim- oder Gummiüberzug machen, so dass der frühere Glanz ungefähr wieder erreicht wird. In Spiritus oder in Oelen lösliche Lacke dürften hier aber wohl kaum anzuwenden sein. Wo end- lich ein Zusammenfallen der Leibeswand eintreten sollte, injicirt man in Darm und Leibeshöhle antiseptischen Leim oder dergl. — Aus Mangel an hinreichender Erfahrung habe ich an gröfseren und zarthäutigen Fischen, wie etwa an Tn'g/a, bisher noch keine befriedigenden Resultate erzielt, da hier, wahrscheinlich in Folge übereilten Vorgehens, Schrumpf- ung eintrat. Man könnte übrigens wohl bei sehr grofsen Fischen, deren Durchtränkung mit Glycerin auch zu kostspielig werden würde, ein kom- binirtes Verfahren anwenden , das dann ebenso auf andere Wirbelthiere übertragbar wäre, indem man nach Entfernung des Skelets und der Weichteile den mit Glycerin präparirten Balg ausstopft, wodurch wenig- stens eine Beweglichkeit der Körperanhänge, der Flossen u, s. w. ver- bleibt. Freilich müsste dann auch einigermafsen für Abschluss von Staub Sorge getragen werden, so dass jener Vorteil oft wieder zu nichte ge- macht wir. Daher wird man also gut thun, sich auf kleinere Fische und auf Plattfische zu beschränken , von denen mir Ra/a wivnletiis , Torpedo jnarmora/a u. A. gut gerathen sind. Embryonen von Fischen und anderen Wirbelthieron (Schwein) haben, um es hier gleich abzuhandeln, so zarte Gewebe , dass die Glycerindurchtränkung recht schwierig ist. Ist die Schrumpfung innerhalb der Flüssigkeit glücklich vermieden , so tritt sie leicht beim Trocknen ein. Wie weit sich dies durch Zusatz von Leim M i s c e 1 1 e n. 223 oder Gummi arabicum verhindern lässt, steht noch aus. Vielleicht liefae sich aber dadurch etwas Brauchbares erreichen , dass man diese Objekte mit einer Lösung von Hühnereiweifs in Glycerin durchtränkt und dann kurze Zeit der Gerinnungsteraperatur aussetzt. In ähnlicher Weise wie die Fische kann man auch Amphibien und Reptilien behandeln, z. B. Eidechsen, Molche und Frösche. In den übri- gen Fällen, besonders bei Vögeln und Säugethieren , ist das Ausstopfen jedoch vorzuziehen. Wenn man will, so kann man aber auch kleinere Objekte, wie etwa Mäuse, mit Glycerin präpariren. Um den Haaren dann ihre Elasticität wiederzugeben, werden sie so oft mit Wasser abge- spült, bis sie trocken sind. Je nachdem übrigens hier wie auch an andern Orten die Be wegli chkei t und Biegungsfähigkeit der Ge- lenke erhalten bleiben soll, hat sich die Härtung zurichten, wie kaum noch zu betonen ist. Es genügt im äufsersten Falle ein schnelles Ab- töten der Gewebe, worauf unmittelbar verdünnteres Glycerin in Anwen- dung komme ^). Ich bin aber der Meinung, dass dann auf eine Erhal- tung der Form und besonders ihrer Prallheit verzichtet werden rauss, wenn die obige einleitende Auseinandersetzung richtig ist. Denn infolge mangelhaften Fixirens der Eiweifskörper wird ein so beträchtlicher Theil der- selben extrahirt werden müssen, dass nothwendig Collaps eintreten muss. Zum Schluss sei noch die Ueberzeugung ausgesprochen, dass sich das ganze Verfahren auch wird bei menschlichen Leichen anwen- den lassen, worüber leider noch keine Versuche angestellt werden konn- ten. Man müsste die Leichen von den Gefässen und von den Leibes- öffnungen aus zunächst mit Sublimatalkohol injiciren , bis völlige Här- tung eingetreten , wobei sie am zweckmäfsigsten auch in dieser Flüssig- keit gebadet werden. Dann könnte in derselben Weise die Glycerinbe- handlung ihren Anfang nehmen. So würde man zu einer möglichst ra- tionellen „Einbaisamirung" gelangen, die sich namentlich dann empfehlen würde, wenn Leichen öffentlich ausgestellt werden sollen. Das Verfah- ren wäre, nebenbei bemerkt, nicht übermäfsig theuer und in etwa 8 Ta- gen zu vollenden. Der eigentliche Zweck, welchen ich nun bei dieser Methode im Auge hatte, war nicht auf die Erhaltung der äufseren Körperformen. gerichtet. Ich trachtete vielmehr danach, für anatomische Präparate ein ge- eignetes Mittel zu gewinnen, damit diese sowohl trocken, i. e. an der Luft, aufbewahrt werden können und ferner Biegsamkeit genug be- sitzen, um Demonstrationen möglich zu machen. Es ist immer unbequem, wenn man ein Präparat aus dem Spiritusgefäss zu diesem Zweck ent- nehmen muss. Die mit Terpentinöl behandelten Objekte ferner sind kaum noch beweglich in ihren einzelnen Teilen und verhindern daher eine ge- nauere Demonstration. Obgleich nun allerdings meine Erfahrungen noch nicht weit genug reichen, so sind meine bisher erzielten Erfolge doch durchaus befriedigende. Das Verfahren ist mit dem oben angegebenen identisch. Kur braucht die Härtung keine so vollkommene zu sein, und die ganze Procedur ist einfacher und weniger umständlich, da es ja auf 1) Zufügung von Leim hat dann ganz zu unterbleiben. 224 Miscellen. geringe Schrumpfungen dabei niclit ankommt. Am besten stellt man na- türlich die Präparate am frischen Thier her, dann härtet man und durch- tränkt mit verdünntem Glycerin , wobei ein Zusatz von Leim nicht er- forderlich ist. In allen Fällen geschieht die Aufbewahrung der Präparate an einem staubfreien und trockenen Orte. Absolut staubdichte Verschlüsse sind jedoch nicht erforderlich, da man ja die Objekte jederzeit wieder mit Wasser resp. verdünntem Glycerin abwaschen kann. Die Bequemlichkeit der Auf- bewahrung ist daher eine sehr grofse und eignet sich namentlich für Instituts-, Schau- und Schulsammlungen. Die oben angedeuteten Versuche mit Wirbelthieren etc. werden noch fortgesetzt, sind aber bei weitem noch nicht dem Abschluss nahe. Da ich nun das Prinzip dieses Verfahrens schon seit mehreren Jahren ver- folgte, so möchte ich mit dessen Veröffentlichung nicht länger zögern. Diejenigen, welche mehr Gewandtheit, praktische Kenntnisse, Geduld und Zeit als ich besitzen , werden unzweifelhaft überall zu guten Resultaten gelangen. Tri est, im December 1885. FrommannBclic Buclidniekcrci (Ilcriuann Pohle) in Jena. — 243 Eine Studie über die Abstammung der Hunderassen. Von Auaiist von Pelzelii in Wien. Wohl kein anderes Hausthier bietet so mannigfache und bedeu- tende Verschiedenheiten dar wie der Hund; seine Grösse variirt von der eines starken Wolfes bis zu jener einer Katte. Der Leib ist bald voll und gedrungen, bald schlank und schmächtig, die Schnauze kurz und dick oder lang und zugespitzt. Die Beine sind hoch oder kurz, die Ohren aufrecht oder geknickt oder auch gänzlich hängend. Das Haarkleid ist kurz und glatt oder zottig, oft kraus, manchmal auch seidenartig. Unendlich verschieden sind Färbung und Zeichnung sowie Naturell und Fähigkeiten der Hunde. Die Abstammung des zahmen Hundes zu ergründen, gehört zu den schwierigsten Problemen der Zoologie ; die von einander abweichendsten Ansichten sind darüber aufgestellt worden. Während Buffon und andere ältere Naturforscher alle Haushunde als zu einer und derselben durch Klima und Lebensweise mannigfach modificirten Species gehörig betrachteten, erklärten Pallas, GtJLDEN- STÄDT und andere den Schakal als Stammthier, eine Ansicht, welcher sich auch verschiedene neuere, insbesondere französische Forscher an- geschlossen haben. Die erste wissenschaftliche Uebersicht der Hunderassen verdanken wir L. Reichenbach. Er nimmt eine Urrasse an, aus der sich im Laufe der Zeiten die übrigen entwickelt hätten, wobei die Einbildungs- kraft des Hundes bei der Entstehung der Kassen eine wichtige Rolle gespielt. Zoolog. Jaliib. I. J 5 226 AUG. VON PELZELN, Diese Ansicht von der Einwirkung der Einbildungskraft hatte be- reits früher Frisch aufgestellt. Sehr werthvoll ist die Arbeit von Major Hamilton Smith (in: The Naturalists Library, Vol. IX and X 1839—40), in welcher sowohl die wilden als zahmen Formen eingehend behandelt und ihre Be- ziehungen zu einander dargestellt werden. Der Verfasser war bestrebt, die Stammthiere der einzelnen Rassen aufzufinden und dürfte wohl im Allgemeinen den richtigen Weg betreten haben; natürlich sind durch die seitherigen Fortschritte in der Kenntniss der wilden und domesti- cirten Caniden in der Zoogeographie und in der Paläontologie viele von seinen Ansichten unhaltbar geworden. Dr. L. FiTziNGER hat sowohl in den Sitzungsberichten der k. k, Akademie der Wissenschaften in Wien (186(3, 1867) als in dem späteren Werke: „Der Hund und seine Rassen" (Tübingen, 1876) als Ergebniss seiner mit Gelehrsamkeit und Sorgfalt gepflogenen Untersuchungen die Ansicht ausgesprochen, dass die zahlreichen Formen des zahmen Hundes sich auf sieben Hauptformen zurückführen lassen , welche er als selbständige, jetzt nicht mehr wild vorkommende, also völlig domesti- cirte Formen betrachtet. Es sind dies : Der Haushund (Ganis domesticus), — der Seidenhund (Canis extrarius), — der Dachshund (Canis vertagus), — der Jagdhund (Canis sagax) , — der Bullen- beisser (Canis molossus), — der Windhund (Canis leporarius) — und der nackte Hund (Canis caraihicus). Von grosser Wichtigkeit ist Darwin's Abhandlung in: Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustand der Domestication. Sehr werthvoll sind die Untersuchungen („die Stammväter unserer Hunderassen", Wien 1877) von Prof. Jeitteles, welcher, ausgehend von seinen Forschungen über Reste aus der sogenannten Stein- und Bronceperiode, die kleineren Hunderassen vom Schakal, die grösseren vom indischen Wolf {Canis pallipes Syk.) ableitet. Es ist sehr zu l)eklagen, dass die Forschungen von Prof. Jeitteles durch dessen allzufrühen Tod nicht zum Abschlüsse geführt worden sind. Er hatte ein sehr reiches osteologisches und historisches Material gesammelt, so dass wichtige Ergebnisse zu erwarten gewesen wären. Dankenswerthe , vergleichend osteologische und paläontologische Untersuchungen haben in den letzteren Jahren die Professoren Nehring und Woldric'h zur Kenntniss der Hunde geliefert. Ich bin ihnen für manchen werthvollen Aufschluss Dank scliuldic:. Eine Studie über die Abstammung der Hunderassen. 227 In diesen Blättern beabsichtige ich die Ergebnisse vielfachen Stu- diums und langjähriger Erfahrung darzustellen. Ich habe hierbei in erster Reihe die äusseren zoologischen Kennzeichen, dann die geschicht- lichen Thatsachen, soweit sie verfolgt werden können, und die geo- graphische Verbreitung der Formen berücksichtigt. Arbeiten, welche die osteologische und paläontologische Seite dieses Gegenstandes vorwiegend behandeln, dürften von ausgezeichneten For- schern in Aussicht stehen. Meiner Ansicht nach kann es für die Wissenschaft nur erspriess- lich sein, wenn die Lösung der Frage von verschiedenen Standpunkten aus in Angriff genommen wird. Meinen herzlichsten Dank spreche ich hiermit Herrn Feanz Kohl, wissenschaftlichem Hülfsarbeiter am k. k. Hof-Museum aus, der mir bei dieser Arbeit vielfache Unterstützung gewährte. Dass die mannigfachen, über die ganze Erde verbreiteten Formen, welche wir unter dem Namen des zahmen Hundes begreifen, alle von derselben wilden Art abstammen sollten, ist meiner Ueberzeugung nach wohl nicht anzunehmen, besonders da sich darunter sehr charak- teristische Gruppen unterscheiden lassen. Die wichtigste Einwendung, welche gegen diese Anschauung er- hoben wird, besteht darin, dass die verschiedenen Rassen unter sich fruchtbar sind, während die wilden Arten durch eine un übers teigliche Schranke von einander getrennt werden; allein schon Pallas hat die Ansicht ausgesprochen, dass nach längerer Domestication diese Schranke falle und die Abkömmlinge verschiedener Species unter sich fruchtbar werden^). Unter dieser Voraussetzung dürfte es am geeignetsten erscheinen, die verschiedenen Rassen nach ihrer Verwandtschaft zu gruppiren und zu untersuchen, von welchen wilden Stammthieren der Ursprung dieser Gruppen hergeleitet werden könnte. Die einzelnen Gruppen betrachtend, beginnen wir mit der ersten Gruppe, den wolfsartigen Hunden. Hierher gehören die Wolfs- hunde des südöstlichen Europas, Ungarns, der Baikauhalbinsel u. s w. Sie dürften, wie Fitzinger richtig bemerkt, von den im Alterthume berühmten Albaneserhunden^) abstammen, deren Kennzeichen 1) In: Acta Acad. Petropolit. 1780. Ps. II. 84, 100. — Vergl. auch Ch. Daewin, Variiren der Thiere und Pflanzen Bd. I (3. Aufl.) p. 33. 2) Vergl. Reichenbach, Naturgeschichte. Kaubthiere p. 150, Taf. 17'' Fig. 555. 15* 228 AUG. VON PELZELN, uns durch antike Darstellungen überliefert worden sind. Es sind grosse, oft sehr grosse Hunde mit massig spitzer Schnauze, aufrecht- stehenden Ohren, ziemlich hohen Beinen und buschigem Schweife, der meist hängend getragen wird. Die Behaarung ist in der Regel ziem- lich lang, die Physiognomie gleicht der eines Wolfes. Mit ihnen nahe übereinstimmend sind die ungarischen Schäferhunde, welche sich nur durch eingeknickte oder hängende Ohren unterscheiden, eine Differenz, die wohl als eine Folge der Domestication zu betrach- ten ist. Ein von dem verstorbenen Gustos Herrn Zelebor aus der Land- schaft Licca in der Militärgrenze mitgebrachter Schäferhund glich im Sommerhaar, mit Ausnahme der an der Spitze eingeknickten Ohren, völlig einem Wolfe, so dass auf der Heimreise viele Leute Schwierig- keiten erhoben, ihn im Boot zu dulden. Im darauffolgenden Winter erhielt dieser Hund viel längeres, an der Kehle weisses Haar und da- durch ein anderes Aussehen. Er glich in diesem Kleide ausserordent- lich dem männlichen Bastard von Wolf und Hund erster Generation, welchen Bufpon T. VH. PI. 34, p. 165 abbildet. Das Exemplar ist im Wiener Museum aufgestellt. Ein von Herrn v. Oertzen vom Parnass (1883) mitgebrachter Schäferhund hatte die Grösse eines kleinen Bernhardiners, sehr kräf- tigen Bau, breite überhängende und ziemlich aufrichtbare Ohren, eine wolfsartige, aber nicht sehr spitze Schnauze, ziemlich lange Behaarung, einen schönen Fahnenschweif, der im Gehen wie beim Spitz und Eskimohunde über den Rücken gekrümmt getragen wurde. Die Farbe war weiss, an den Ohren jederseits ein graugelber, am Rücken ein mehr gelber Fleck. Die Farbe der Parnasser Schäferhunde ist sonst roth und nur sehr selten weiss. Sie vertheidigen die Herden gegen' die Wölfe und sind sehr schneidig und streitbar. Diese Rasse stammt ohne Zweifel vom alten M o 1 o s s u s , dem Albaneserhunde, ab. Zwei schöne als Wolfshunde bezeichnete Exemplare aus Istrien, grau mit schwarzen Flecken, waren in einer der letzten Hundeaus- stellungen in Wien zu sehen. Eine ausgezeichnete hierher gehörige Form bildet der Calabreser oder Abbruzzenhund. Auch die Schäferhunde des mittleren und west- lichen Europas, insbesondere der schottische Schäferhund, zeigen die Charaktere dieser Gruppe, doch sind sie von viel kleinerer Statur. Die Ohren sind meist eingeknickt, manchmal aber aufrecht, wie ich in der Hundeausstellung in Wien vom Jahre 1885 an einem schotti- schen Schäferhunde zu sehen GelegeuheiL hatte. Eine Studie über die Abstaimmuig der Hunderassen. 229 Der von Buffon dargestellte Pyrenäen- Wolfshund ist ein zienalicli typischer Vertreter dieser Gruppe. Hierher dürfte wohl auch der von Reichenbach („Naturgeschichte, ßaubthiere." Fig. 145) abgebildete orientalische Schäferhund gehören. Alle diese Formen zeigen mehr oder weniger ausgeprägt die oben, bei den typischen Wolfshunden angeführten Charaktere. Manche glei- chen dem Wolf zum Verwechseln, andere erinnern mehr oder minder an ihn. Das Verbreitungsgebiet dieser Rassen fällt mit jenem des Wolfes zusammen ; Kreuzungen mit diesem sind z. B. in Ungarn nicht selten und Buffon hat bekanntlich Kreuzungen zwischen Wolf und Hund durch mehrere Generationen durchgeführt. In anatomischer Hinsicht hat bereits ein so gründlicher und er- fahrener Forscher wie Blasius erklärt, keinen wesentlichen Unterschied zwischen Wolf und Hund finden zu können. Prof. Jeitteles und andere Forscher waren allerdings der An- sicht, dass der Wolf nicht als Urstamm zahmer Hunde betrachtet werden könne, weil sein Gebiss kräftiger und das Verhältniss der Länge des oberen Reisszahnes zu derjenigen der beiden oberen Höcker- zäline ein wesentlich anderes sei, als bei den Haushunden, auch wenn letztere an Grösse und Stärke sich dem Wolfe vergleichen Hessen. Jedoch hat Prof. Nehring jüngst in den Sitzungsberichten der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin (18. Nov. 1884 S. 158) überzeugend dargethan, dass die Wölfe im Stande der Freiheit be- deutend variiren, und dass in Gefangenschaft gehaltene schon in der ersten Generation merkliche Modificationen zeigen. Er sagt (1. c.) : „Es ist erstaunlich, welche Abänderungen die Gefangenschaft bei den Wölfen schon in der ersten Generation hinsichtlich der Grösse und Proportionen des ganzen Schädels sowie auch besonders in der Grösse, Form und Stellung der Zähne hervorbringt." Nehring bestreitet in der nämlichen Abhandlung, dass zwischen den Wölfen und gewissen Haushundrassen spezifische, durch bestimmte Zahlen ausdrückbare Unterschiede in der Grösse und den Proportionen „jener" Oberkieferzähne vorliegen. Aehnlich , sagt er später (1. c), steht es mit den übrigen Unterschieden, welche man im Gebiss oder im Schädelbau herausgefunden haben will. Unter diesen Umständen mag es gerechtfertigt erscheinen, die bisher erwähnten Rassen als Ab- kömmlinge des Wolfes zu betrachten, von denen einige dem Stamm- thiere noch sehr nahe stehen, andere durch die Zähmung und die ver- schiedene Lebensweise Veränderungen erlitten haben. 230 AUG. VON PELZELN, Hinsichtlich der Färbung, möge ein eigenthümlicher Fall hier er- wähnt werden. In der Menagerie des Herrn Kleeberg (1882) be- fanden sich zwei junge Wölfe von normaler Gestalt, ziemlich dunkel- braun, mit weissen „Vieräugelflecken", weisser Brust und ebensolchen Pfoten. Ich hielt dieselben anfänglich für Bastarde von Hund und Wolf, aber Herr Kleeberg versicherte, diese Thiere mit noch drei Geschwistern und ihren Eltern im zoologischen Garten zu Moskau gesehen zu haben. Von den Eltern war das Männchen ein normaler Wolf, das Weibchen eine bleichfarbene Wölfin mit rothen Augen ^). Es wäre dies eine Hindeutung auf die Entstehung der erwähnten Zeichnung, welche sich bei einer grossen Zahl von Hunderassen findet. Es lässt sich aber auch eine zweite Oruppe von Hunden un- terscheiden, welche mit den Wolfsartigen Analogien zeigen, aber doch durch geraeinsame Kennzeichen von ihnen abweichen. Es sind Thiere von gedrungenem Bau, dickem, breitem Kopfe, der in eine scharf abgesetzte, dünne, oft an den Fuchs erinnernde Schnauze ausläuft. Die Ohren sind aufrecht, die Beine ziemlich niedrig, die Behaarung ist lang und der buschige Schweif wird stark über den Rücken gekrümmt getragen. Man könnte die Hunde dieser Gruppe Spitzhunde nennen, da deren bekanntester Vertreter der Spitz ist, ein kleines Thier, das nach Norden hin viel grössere und mächtigere Verwandte hat. Graf Wilzek brachte von der Petschora einen der Hunde mit, welche dort von den Samojeden zum Hüten der Renthierherden ver- wendet werden. Dieser zeigte vollkommen alle Merkmale eines Spitzes, jedoch in vergrössertem Massstabe, da er die Dimensionen eines kleinen Jagdhundes hatte; die Farbe war gelblich weiss. Ich hatte Gelegenheit den vom Nordpolreisenden Payer aus Lappland mitgebrachten Hund zu sehen. Er hatte die Grösse eines kleinen Wolfes, war dem Eskimohund und dem Isländer Hunde Buf- fon's ähnlich. Seine Behaarung war dicht, die Schnauze sehr spitz, der Schwanz ein Fahnenschwanz, der sowohl über den Rücken ge- krümmt als auch hängend getragen wurde. Die Ohren waren schief aufrecht. Die Farbe war schwarz, Unterseite, ein halbes Halsband, Beine und Augenflecke („Vieräugel") weiss. Bei der Expedition war dieser Hund zum Schlittenziehen verwendet worden. 1) Herr Kleeberg äusserte die Vermuthung, dass diese Wölfin vielleicht früher mit einem Hunde gepaart gewesen sei, und dass sie in Folge dieses Eindruckes auch auf ihre von einem Wolf erzeugte Nachkommen hundcartigc Eii'enschafteu übertragen habe. Eine Studie über die Abstammung der Hunderassen. 231 Aehnlich sind nach den Beschreibungen und Abbildungen (Buf- FON , Vol. 5 PL V p. 46) die isländischen Hunde. Noch bedeu- tend stärker und grösser ist der Eskimohund des arktischen Amerika, und von ihm wenig verschieden sind die Hunde Sibiriens (vergl. BuFFON, Vol. 5 PI. VI p. 46 und Suppl. Vol. 7 PL XXXIX p. 249). Ohne Zweifel hierher gehörig ist auch der Hund der Hasen- indianer am Mackenzie-Fluss. Da die angegebenen Charaktere dieser Gruppe von jenen des Wolfes bedeutend abweichen und Beständigkeit bei weiter Ausbreitung bekunden, da ferner keine wilde Hundeart bekannt ist, welche diese Merkmale vereinigt, so dürfte die Vermuthung gerechtfertigt sein, dass das Stammthier dieser Gruppe in einer der fossilen Arten der Quater- närperiode zu suchen sei. Was die geographische Verbreitung betrifft, so sind die Spitz- hunde circumpolar und gehören mehr oder minder hohen Breiten der alten und neuen Welt an, nur der gemeine Spitz reicht bis in das südliche Europa herab. Es möge hier gestattet sein, einiger zweifelhaften Formen Erwäh- nung zu thun, welche sich noch zumeist den wolfsartigen, be- ziehungsweise spitzartigen Hunden anschliessen. 1) Der durch Herrn Zelebor von der Novara-Expedition aus Hon- kong mitgebrachte Hund; er war bedeutend grösser als ein Spitz, diesem bis auf die dicke Schnauze ähnlich, von robustem Bau, sehr dickem Kopfe, aufrechten Ohren und langhaarigem, schwarzem Felle und Schwänze. Eine Eigenthümlichkeit bestand darin, dass Zunge und Rachen schwärzliche Färbung zeigten, wie beim Eisbären. Von dieser Rasse sollen auch braune Individuen vorkommen. Eine von Herrn Zimmermann gemalte, schöne Abbildung dieses chinesischen Hundes wird im Kaiserl. Museum in Wien aufbewahrt. 2) Die tibetanischen Wachthunde, welche zuerst durch die vor Decennien im zoologischen Garten zu London gehaltenen Exemplare bekannt geworden sind. Sie haben eine dicke, kurze Schnauze mit hängenden Lippen ähnlich wie der Bullenbeisser , die Ohren sind kurz und hängend, aber der Bau, das zottige Fell und der Fahuenschwanz weisen auf die hier in Rede stehende Gruppe hin, wenn auch vielleicht eine Kreuzung stattgefunden haben dürfte. Ich hatte Gelegenheit auf der Wiener Hundeausstellung 1883 zwei dieser merkwürdigen Hunde, offenbar ein Pärchen, zu sehen, welche Graf Szechenyi von seinen Reisen aus Tibet mitgebracht hatte. Sie waren nicht so kolossal wie jene im Londoner zoologischen Garten, 232 AUG. VON l'ELZELN, sondern etwa von der Grösse eines kleineren Bernhardiners, von über- aus massivem Bau mit sehr dickem, fast an einen Bären erinnernden Kopfe, hängenden Ohren, langhaarigem Felle und schönem, über den Rücken gekrümmtem Fahnenschwanz. Die Lippen waren etwas hän- gend, aber nicht so stark wie beim Bullenbeisser. Die Färbung war schwarz, nur Vieräugelflecken und Pfoten gelb, welche Farbe hie und da an den Beinen ziemlich hoch hinaufreichte. Die Photographie eines dieser Hunde befindet sich im Kaiserl. Museum in Wien. 3) Eine zweifelhafte Form bildet ferner der in neuester Zeit be- liebt gewordene grosse russische Schäferhund; auch dieser hat hängende Ohren, zottiges Fell und etwas buschigen Schwanz, der aber nicht wie bei den vorhergehenden über den Rücken gekrümmt, son- dern hängend getragen wird. Die Schnauze ist kurz, gleicht aber nicht jener des Bullenbeissers, sondern der des Pintschers, wie über- haupt das ganze Thier an die letztgenannte Rasse erinnert. Die dritte Gri*upi)e bilden die s c ha kal ahn liehen Hunde. Hierher gehört der Alopekides der Alten oder der spartanische Hund , welcher auf antiken Denkmälern , besonders in den Ruinen Pompejis häufig dargestellt (vergl. Reichenbach, Raubthiere, Taf 11% Fig. 559) und ausserdem von Reichenbach nach einem lebenden Exemplar abgebildet worden ist (Taf. 17 '^ Fig. 569—70). Ein in der Sammlung des k. k. Thierarzneiinstitutes in Wien be- findlicher Hund aus Montenegro gleicht dem Schakal sehr. Ein anderer, aus Bosnien importirter , in der Wiener Hundeaus- stellung vom Jahre 1880 ausgestellter Schäferhund erinnerte ebenfalls im Ganzen an den Schakal; er war ziemlich klein, braungelb, kurz- haarig, die Ohren waren aufrecht. Hierher dürfte auch der Zigeunerhund gehören (Reichenbach, Raubthiere, Fig. 112—113). Alle diese Formen stammen aus dem Südosten Europas und zwar von der Balkanhalbinsel, von woher auch die Zigeuner ihren Hund erhalten haben mögen. Der Schakal ist ein Thier, welches in den meisten Mittelmeerländern heimisch ist, und daher stimmt die Heiniath der obigen Hunde ganz gut zu dem Verbreitungsbezirk ihres Stamm- thieres; aber auch in Central-Europa finden sich Reste des Torf- hundes (Canis familiaris palustris Rütimeyek) und anderer Hunde der sogenannten Steinzeit, welche den hervorragendsten Forschern zu- folge vom Schakal abstammen dürften. Auch der jetzt noch in Nord- deutschland lebende Heides])itz (vergl. Reichenbach, Raubthiere, pg. 149 Fig. 114—115) scheint ähnlichen Ursprungs zu sein. Einzeln Eine Studie über die Abstammung der Huuderassen. 233 trifft man oft Hunde, welche aulialleud dem Schakal gleichen; diese theils ausgestorbenen, theils lebenden Glieder der in Rede stehen- den Gruppe mögen wohl als Abkömmlinge gezähmter Schakale zu betrachten sein, welche die Völkerschaften bei ihren Wanderungen aus Asien nach Europa eingeführt haben. Als yierte Gfruppe dürften die Windhunde zu betrachten sein, welche sich durch schmale, in den meisten Fällen geknickte Ohren, schmalen Kopf mit langer, dünner Schnauze, sehr schlanken Bau und an den Weichen hoch aufgezogenen Leib charakterisiren. Der Schwanz wird meist hängend getragen; die Behaarung ist kurz, seltener lang. Die Rasse der Windhunde ist von hohem Alter. Auf den Monumenten Aegyptens finden sich Darstellungen mehrerer Formen derselben, worunter die wahrscheinlich ältesten mit aufrechten Ohren und buschigem Schwänze, welche sich noch in dem von Hamilton Smith abgebildeten Beduinenhund erhalten zu haben scheint (vergl. Hamilton Smith in: The Natural. Library. Mamm. Vol. 9, 1840, PI. 9. — Morton in: Proc. Acad. Nat. Scienc. Philadelphia, Vol. 5, 1850-51, p. 85). Bekanntlich werden die Windhunde von den Arabern des nördlichen Afrika zur Gazellenjagd verwendet und ausserordentlich hoch geschätzt. Ein von Dr. von Heuglin nach Schönbrunn gebrachter nubischer Windhund unterschied sich von den grossen, glatten , europäischen Windhunden nur durch eine längere Behaarung. Seine Farbe war semmelgelb. Wie bei vielen anderen Rassen finden sich auch bei dem Wind- hunde grössere und kleinere Formen, die sonst ganz miteinander über- einstimmen, einerseits das zierliche italienische Windspiel, anderer- seits der beinahe ausgestorbene riesige irische Windhund und die zottige russische Form. Von dieser letzteren waren in der Hunde-Ausstellung 1880 zwei Exemplare, von denen das eine an Grösse den grössten Bernhardinern nicht nachstand. Der griechische Windhund (vergl. Nolde „Gallerie edler Hunderassen". Tab.) zeigt eine längere Behaarung als seine Ver- wandten im mittleren Europa und stark behaarten Schwanz. Der persische weist noch viel dichtere Behaarung auf, während der rauhe schottische Windhund (Deerhound) grob zottige Be- haarung besitzt. 234 -^UG. VON PELZELN, Was die Abstammung der Windhunde betrifft, so stehen sie in ihren Formen manchen Schakalen ziemlich nahe. Wie oben bemerkt, können wir den Uebergang von den durch Klima, Zucht und Lebens- weise veränderten Windhunden durch die alten Formen mit spitzen Ohren und buschigem Schweif zurückverfolgen. Unter den bekannten wilden Schakalarten spricht die Wahrschein- lichkeit dafür, den abyssinischen Kaberu(Oaw. simensis 'RiJVF.^) für das Stammthier zu halten. Die eigentliche Heimath der Rassen dieser Gruppe wäre somit das an solchen Hunden heute noch reiche, nordöstliche Afrika, von wo aus sie sich weit nach Norden ausge- breitet haben. Wir kommen nun zur fünften Hauptgruppe, nämlich zu den Jagdhunden"^), welche sich durch gewölbte Stirn, ziemlich lange, hohe Schnauze, häufig hängende Lippen, durch beinahe ausnahmslos hängende, oft sehr lange und breite Ohren, einen starken Brustkorb, massig hohe Beine und mittellangen Schwanz, der meist gerade oder hängend getragen wird, auszeichnen. In keiner anderen Gruppe ist eine solche Zahl von Rassen vor- handen, was dadurch erklärlich ist, dass Jäger und Jagdfreunde der Zucht dieser Thiere die grösste Sorgfalt zuwenden und für verschie- dene Jagdzwecke entsprechende Rassen cultiviren. Ebenso haben bei den grossen Fang- und Luxushunden vielfache Einwirkungen der Züchter sich geltend gemacht. Aehnliches gilt auch von den kleinen Schooss- und Zimmerhunden, welche häufig nach Mode und Laune modificirt werden und die durch unnatürliche Lebensweise, Nahrung, meist auch durch Kreuzung solche Veränderungen erlitten haben, dass es in vielen Fällen kaum möglich ist, ihre Rassenange- hörigkeit zu bestimmen. Auch klimatische Einflüsse scheinen, namentlich in den das Mit- telmeer umgebenden Ländern, insbesondere auf die Behaarung Einfluss geübt und die Bildung von Rassen mit seidenartigem oder krausem Fell begünstigt zu haben. Es scheint mir, dass innerhalb der Gruppe der Jagdhunde vier Abtheilungen anzunehmen wären : 1. die eigen tlichen Jagdhunde, 1) Vergl. RüpPEL, Neue Wirbelthiere Abyss. Säugeth. Taf. 18 p. 39, und Grat, Cat. Brit. Mus. Carniy. etc. London 1869, p. 191 (Schädel). 2) Diese Gruppe ist hier in einem viel weiteren Sinne genommen, als es herkömmlich ist; sie umfasst ausser den Jagdhunden im engeren Sinne die sogenannten Bluthunde (Doggen, Bullenbeisser), die Pudel und Spaniols, endlich die meisten Schoosshunde. Eine Studie über die Abstammung der Hunderassen. 235 2. die Fanghunde (Neufundländer und Bernhardiner, Dog- gen, Bullenbeisser), 3. die Pudel und Seidenhunde, 4. die Schoosshun de, Pintscher u. s. w. Die eigentlichen Jagdhunde umfassen die Hühnerhunde und zwar die schweren deutschen, die leichten englischen — glatten (Pointers) und langhaarigen (Setters) — , die deutschen, englischen und französischen Parforcehunde, die durch langen Behang ausge- zeichneten Schweiss- und Stöberhunde, endlich die Bracken. Die Dachshunde sind wohl nur als Jagdhunde zu betrachten, bei denen die durch Rhachitis hervorgerufenen Erscheinungen erblich ge- worden sind. Zu den Fanghunden gehören die Doggen, die glatten und lang- haarigen Bernhardiner und Neufundländer. Letzterer ist wohl ohne Zweifel eine Kreuzung vom Eskimo- oder einem demselben sehr nahestehenden Hunde, welchen die Engländer bei ihrer Ankunft in Neufundland vorfanden, mit eingeführten englischen Hunden, ohne Zweifel Doggen oder Mastiffs ^). Der in früheren Jahrhunderten in Deutschland zur Jagd von Wildschweinen und Bären so hochgeschätzte Saurüde (C. familiaris suillus) scheint ein Blendling einer Jagdhundform mit einem wolfs- ähnlichen Hunde zu sein. Im Kaiserlichen Museum in Wien befindet sich ein Exemplar, welches zu dieser nunmehr beinahe ausgestorbenen Rasse gehören dürfte. Der Bullenbeisser, Bulldog und auch Mops sind offenbar grössere und kleinere Doggen, bei welchen eine pathologische Ver- kürzung der Gesichtsknochen erblich geworden ist. Analoge Bildungen finden sich auch bei anderen Hunderassen wie dem tibetanischen Wachthunde; höchst merkwürdig ist die Thatsache, dass Prof. Nehring unter den Mumien des altperuani- schen Inga-Hundes (C. ingae) eine Bulldog- resp. Mops -ähnliche Rasse (C ingae molossoides Nehr.) und eine dachshundartige (C. ingae vertagus) aufgefunden hat. 1) Capitän Rich. Weitboüene in seinem Berichte „Discovery of New- foundland" (publ. Lond. 1622, 4) nennt unter den einheimischen Thieren den Wolf, aber nicht den Hund. Ferner erwähnt er , dass sein eigener Bullenbeisser (Mastiffe-Dogge), yon welcher Art Thiere sonst zu Lande keines noch gesehen worden, sich mehrmals unter die dortigen Wölfe gemacht habe, mit ihnen zu Holze gezogen, neun bis zehn Tage bei ihnen geblieben und dann unversehrt wieder zurückgekehrt sei. (Blumenbach, Abbild, naturh. Gegenstände). — Näheres über die halbwilden Hunde der Eingebornen Neufundlands, die offenbar unter diesen Wölfen zu ver- stehen sind, vergl. in Nolde's „Gallerie edler Hunderassen" p. 11. 236 AUG. VON PELZELN, R, Hensel (in: Zool. Garten, 1872, p. 2) berichtet, dass bei in Süd-Brasilien eingeführten Hühnerhunden sich mit jeder Generation der Schädel verkürze, so dass der Kopf schliesslich vollkommen der einer Bulldogge werde. Dabei behielten die Ohren ihre gewöhnliche Länge und das Thier gewähre den Anblick eines Monstrums, Bei den Exemplaren mit sehr verkürztem Kopfe wären auch die Vorderbeine stark gekrümmt, so dass wohl die ganze Erscheinung auf einen rhachi- tischen Process zurückzuführen sei. Aber auch unter anderen Thieren treten ähnliche Erscheinungen auf, z. B. beim Nyatta-Rinde, selbst beim Karpfen. Die Seidenhunde und Pudel mögen wahrscheinlich gleich den Angoraziegen, Katzen und Kaninchen aus den Mittelmeerländern stam- men und von dort sich weiter verbreitet haben ^). Hierher gehören der grosse und Zwergpudel und das Bo- logneser-Hündchen, der King-Charles-Hund, der grosse Seidenhund (Spaniel) u. s. w. Auch die Terrier s, Pintscher und andere Schoosshuude dürften wohl am ehesten der gegenwärtigen Gruppe zuzuzählen sein. Die Rasse der eigentlichen Jagdhunde ist von hohem Alter; derartige Hunde erscheinen schon auf ägyptischen Monumenten, und noch heute werden im Sudan ähnliche gehalten. Ein solcher Hund wurde durch Dr. v. Heuglin aus dem Bari-Negerlande nach Schöubrunn gebracht und von Dr. Fitzinger als Canis sagax africanus beschrie- ben (vergl. „Der Hund und seine Rassen". Tübingen 1876). Er ist von leichtem, schlankem Bau, mit ziemlich dünner Schnauze und schmalen, nicht ganz von der Basis hängenden Ohren. Sehr inter- essant ist, das an ihm die dreifarbige Zeichnung, weiss mit gelben und schwarzen Flecken, welche noch für die heutigen Parforce-Hunde charakteristisch ist, bereits auftritt. Eine Abbildung dieses seltenen 1) Es ist eine bei vei'schiedenen Gruppen beobachtete Thatsache, dass liassen sowohl mit glatter, als mit Woll- oder seidenartiger, langer Behaarung auftreten, wie z. H. die Windhunde, die deutschen und eng- lischen Hühnerhunde (Pointer und Setter), die glatten und langhaarigen Bernhardiner. Es mag bei dieser Gelegenheit hervorgehoben werden, dass in verschiedenen Gruppen wesentlich übereinstimmende Kassen in zwei oder drei Grössenabstufungen vorkommen, so die Schäferhunde und Wolfshunde, der Spitz und die grossen arktischen Hunde, das kleine italienische Windspiel und die grossen kolossalen Windhuudrassen , der Mops, Bulldog und Bullenbeisser, der kleine und grosse dänische Hund, der grosse und Zwergpudel u. s. w- I Eine Studie über die Abstammung der Hunderassen. 237 Hundes befindet sich im k. k. zool. Museum in Wien. Dessen Skelet soll im k. k. Thierarzneiinstitut aufgestellt sein. Bei der Stabilität der Zustände in jenen Ländern und bei Völkern auf solcher Culturstufe ist anzunehmen, dass wir hier einen Abkömm- ling der alten ägyptischen Jagdhunde rein vor Augen hatten. Welchem Stammthier die Gruppe der Jagdhunde ihren Ursprung verdankt, ist dunkel; es ist keine wilde Art bekannt, welche die Charaktere der Jagdhunde an sich trüge und auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit mit demselben in Beziehung gesetzt werden könnte. Hinsichtlich der Abstammung des Jagdhundes hat Herr Fr, Fr. Kohl die Vermuthung geäussert, es könne sich derselbe aus dem Windhunde herausgebildet haben. In morphologischer Hinsicht hat diese Meinung Vieles für sich, indem durch die Bracke , den Tiger-, den Hühnerhund, den Parforce- und schweren deutschen Jagdhund, den grossen dänischen Hund und leichten Hetzhund einerseits zur Dogge, andererseits zum Bullenbeisser sich beinahe ununterbrochene Uebergänge darbieten. Gegen diese Anschauung spricht jedoch der Umstand, dass sowohl Windhunde als ein leichter Bracken-ähnlicher und ein ziemlich schwerer Jagdhund bereits auf den ägyptischen Denkmälern dargestellt worden sind, so dass beide Rassen sehr weit in die Vergangenheit zurück- reichen. Die Entscheidung darüber muss weiteren Forschungen an- heimgestellt werden. Ausserdem müssen noch einige aussereuropäische Hunde erwähnt werden, welche offenbar von verschiedenen wilden Caniden abstammen. Der Dingo (Canis dingo) ist meiner Ueberzeugung nach nicht ursprünglich in Australien heimisch, sondern durch die Eingeborenen auf deren Wanderungen dorthin gebracht worden , wo er verwilderte. Da, wie De Quatrepages näher ausführt, die Australier von den Dravidischen Völkerschaften Ostindiens abstammen, so dürfte der Dingo vielleicht mit dem noch wenig bekannten indischen Paria- hunde gemeinsamen Ursprungs sein. Dass der Dingo kein ursprünglich wildes Thier sei, dafür sprechen schon die verschiedenen Färbungen, in denen er vorkommt, wie Gould in den „Mammals of Australia" berichtet. Ein schönes weibliches Exemplar des Dingo , welches die kaiserl. Sammlung vor Kurzem acquirirte, ist von der Grösse eines Schakals und gleicht vollkommen den Abbildungen in Shaw's „General Zool." und Fredr. Cuvier's „Mammiferes" und in Wagner's „Säugethieren" ; es zeigt wie diese röthliche Färbung, schmächtige, gleichfarbige Schnauze und dünnbe- haarten Schwanz. 238 AUG. VON PELZELN, In manchen Punkten abweichend war ein Exemplar, das ich in der KREUzBERG'schen Menagerie 1874 gesehen hatte und von welchem Professor Jeitteles durch Herrn Zimmermann eine Abbildung anfer- tigen Hess. Dieser Dingo war etwa von der Grösse eines Hühner- hundes mit aufrechten, breiten, stumpfen Ohren und verhältnissmässig dicker Schnauze, kurzhaarig, mit wenig zottigem Schwanz. Farbe ockergelb , Mitte des Rückens und der Schnauze schwarzbraun. An den Seiten der Schnauze je ein weisser Fleck. Leib ziemlich schlank, hinten aufgezogen. Nahe verwandt und vermuthlich desselben Ursprungs ist die von Temminck und Schlegel in der „Fauna Japonica" abgebildete, schlankere Form des japanesischen Hundes, während die zweite stärkere Form wohl aus einer Kreuzung der ersteren mit einer massi- veren hervorgegangen sein dürfte. Auch der auf Tahiti als Schlachtvieh gezogene Hund kann ver- muthlich als ein durch Mästung und unnatürliche Lebensweise ver- änderter Abkömmling des nämlichen Stammes angesehen werden. Die bei den Eingeborenen Neu-Guineas und anderen Theilen Pa- puasiens sowie Neuseelands gehaltenen Hunde sind noch sehr wenig bekannt; auch sie stehen wahrscheinlich mit dem Dingo in Beziehung. Man könnte die zuletzt angeführten dem Dingo ähnlichen Rassen zu einer sechsten Grruppe vereinigen, welche als indisch -oceanische zu bezeichnen wäre. Als Stammthier des Dingo und Pariahundes ist mit vieler Wahr- scheinlichkeit der sogenannte indische Wolf (Canis pallipes) an- zusehen , von dem nach Jeitteles auch die europäische Rasse des „Broucehundes" (Canis matris optimae) abzuleiten ist * ). Die Hunde der nordamerikanischen Indianer scheinen doraesti- cirte Prairiewölfe (C. latrans) zu sein (vergl. Hamilt. Smith, X. Dogs PI. 8). Die ägyptischen Strassen- und wilden Hunde stammen ohne allen Zweifel von dem grossen Schakal oder sogenannten ägyptischen Wolfe 1) Mit dieser Gruppe nahe verwandt sind jene wilden Hunde Asiens, welche Gray unter dem Namen Ciinn als eigene Gattung zusammenge- fasst hat. Das Unterscheidungsmerkmal liegt darin, dass bei Cuon der hinterste untere Backenzahn des normalen Hundegebisses fehlt. Nachdem jedoch der Dingo und manche wahre Hunde in jeder anderen Beziehung den Cuon - Arten gleichen und auch, wie der ausgezeichnete Anatom Dr. MuEiE (in: Proc. Zool. Soc. Lond. 1872, p. 715 — 731 „on the Indian wild dog") bemerkt, dass beim Hunde Zahnvariation vorkommt, so glaube ich mich der A'on Dr. MuiiiE ausgesprochenen Ansicht anschliessen zu müssen, das sdie Trennung von ('anis und Cuon nicht berechtigt sei. Hierbei mag Eine Studie über die Abstammung der Hunderassen. 239 (C. lupaster Hempr. u. Ehrb.) ab, der bereits auf uralten Monumenten Aegyptens dargestellt ist und ein Zeichen der Hieroglyphenschrift bildet. In Central- und Südamerika sind schon vor Ankunft der Euro- päer mehrere Hunderassen gehalten worden. Der mexikanische Buckelhund oder Itzcuinteporzotli ist nur durch eine sehr schlechte Abbildung bekannt, so dass sich über seine Charaktere kein Schluss ziehen lässt; auch die unter dem Namen Alco von Hamil- ton Smith und Reichenbach dargestellten Hunde scheinen durch Zucht oder Kreuzung verändert zu sein, üeber die alten Hunderassen Südamerikas erhielten wir durch Herrn von Tschudi die werth- vollsten Aufschlüsse. Es sind dies der nackte Hund (C. carai- haeus) und der Inka-Hund (C. ingae). Der nackte Hund ist von kleiner oder mittlerer Statur, windhund- ähnlichem Bau, mit grossen, nackten Ohren und aufwärtsgebogenem Schwänze. Seine schiefergraue oder röthlichgraue Haut ist mit Aus- nahme eines Haarbüschels an Kopf und Schwanz haarlos. Er zeigt grosse Neigung zum Fettwerden. Stimme fehlend. Er lebt in den tiefgelegenen Gegenden Perus, Süd- und Centralamerika's und wurde nach Europa gebracht, wo er häufig gehalten wird. Die andere Form, der Inkahund (C. ingae), hat einen kleinen Kopf, ziemlich scharf zugespitzte Schnauze, kleine spitze, dreieckige auf- rechte Ohren, zottiges Fell, nach vorne gerollten, ganz behaarten Schwanz, er lebt in den gebirgigen Theilen Perus, wo er von dem Indianer als Wacht- und Jagdhund benützt wird. Er wird in Peru häufig mumi- ficirt aufgefunden. Prof. Nehring hat in dem Sitzungsberichte der Naturforschenden Freunde in Berlin die merkwürdige Thatsache nachgewiesen, dass unter den erwähnten Hundemumien sich eine Form mit krummen auch bemerkt werden , dass Nehbing den abnormen Fall eines überzäh- ligen Praeraolarzahnes bespricht, und dass es eine häufig sich wieder- holende Thatsache ist, dass beim Menschen der hinterste Backenzahn nicht zur Entwicklung gelangt. — Mueie betrachtet die vier von Gray als Species von Ctwn aufgeführten Arten für nicht specifisch verschieden und hält sie für eine einzige den C(i//is primuevus Hodg. in Hindostan, C. dukhiinensis Stk. in Hindostan, Catits alpinus Pall. in Hochasien und C. sumulretisis Habdw. in Sumatra umfassende Art. Diese Ansicht halte ich für sehr begründet, nur möchte ich den C. alpi/ius, von dem unsere Sammlung ein schönes vom Petersburger Museum erhaltenes Exemplar besitzt, für wahrscheinlich artlich verschieden halten. Dasselbe gilt wohl auch vom javanischen C. rulilatis und vielleicht dem C/iryso/s cey- lonicus Ham. Smith. Fossile Reste von Ciion sind in Europa beobachtet worden. 240 AUG. VON PELZELN, Eine Studie über die Abstammung der Hunderassen. I Beinen (Dachshundform) und eine andere, welche an den Mops oder Bulldog erinnert, vorfanden. Von welcher wilden Art die erwähnten beiden Rassen ihren Ur- sprung herleiten, ist schwer zu entscheiden. Hinsichtlich des nackten Hundes dürfte eine Beziehung zum Krabbenfresser (C. cancrivorus) am wahrscheinlichsten sein^). Was den C. ingae betrifft, so könnten wohl ausser C. cancrivorus noch C. vetulus Lund und C. fulvipes Martin in Betracht kommen ^). Bei den Hunden Patagoniens und des Feuerlands wäre eine Ab- stammung von C. antarcticus nicht ohne Wahrscheinlichkeit. Fassen wir nunmehr die allerdings grösstentheils hypothetischen Ergebnisse dieser Untersuchungen zusammen, so lassen sich unter den zahllosen Formen, die unter dem Namen des Haushundes (C. familiaris L.) inbegriffen werden, folgende Hauptgruppen unterscheiden: 1. die wolfsartigen, 2. die spitzartigen, 3. die schakalartigen Hunde, 4. die Windhunde, 5. die Jagdhunde, 6. die indisch-oceanischen Hunde. Von diesen wäre meiner Ansicht nach als Stammthier anzusehen von Gruppe 1 der Wolf (Canis lupus), von 2 eine ausgestorbene qua- ternäre Art, von 3 der Schakal {Canis aureus Fall.), von 4 eine Schakal-Art, wahrscheinlich C. simensis Rtjpp., von 6 der indische Wolf (0. palUpes Syk.). Für die 5. Gruppe, die Gruppe der Jagdhunde, lässt sich kein Stammthier nachweisen. Möglich, dass das Zuchtresultat aus der Gruppe der Windhunde hervorgegangen ist. Bei den südamerikanischen Hunden halte ich es dermals noch nicht für möglich ihren Ursprung nachzuweisen. Ausserdem haben einige wilde Caniden einzelnen Hunderassen der betreffenden Länder den Ursprung gegeben, so C. lupasier Hempr. u. Ehrb. den ägypti- schen verwilderten Hunden und C. latrans Say jenen der Indianer des gemässigten Nordamerika (vergl. A. S. Packard „Native American dogs" in: American Naturalist. Sept. 1885). 1) Leider war es nicht möglich, die Arbeit Nehbings, in der er die Abstammung der In ca - Hunde erörterte (Tagebl. der 57. Versamml. deutsch. Naturforsch, u, Aerzte in Magdeburg, 1884. p. 172 ff.), zu ver- gleichen. 2) Vergl. Chael. Daiuvin, Das Variiren d. Thiere u. Pflanzen Ed. \. p, 24. Die Bildung, Geltung und Bezeichnung der Artbegriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre^). Von Prof. K. Möbius. 1, Einleitung. Nachdem Ch. Darwin sein epochemachendes Werk über „die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" veröffentlicht hatte, glaubten manche Biologen, alle Mühe und Arbeit, welche Linne und seine Schule ein Jahrhundert hindurch aufgewendet hatten, um Art- begriff'e aufzustellen , sei vergebens gewesen ; denn die Species seien wandelbar und die Artbegrifi'e willkürliche Festsetzungen der Autoren. Zwischen Biologen, welche die Wandelbarkeit der Species be- haupteten, und Biologen, welche deren Beständigkeit vertheidigten, brach ein Streit aus, der eine Zeit lang mit steigender, dann aber mit ab- nehmender Heftigkeit fortgeführt wurde. Während des Kampfes lern- ten die Gegner von einander und die stillen kritischen Beobachter von beiden. Nach und nach wurde die Berechtigung der Abstam- mungslehre, die systematischen Verwandtschaften durch reale Ursachen 1) Die Grundzüge der hier mitgetheilten Gedanken habe ich schon in einem Vortrage ausgesprochen, den ich am 16. April 1873 in einer Generalversammlung des Naturwissensch. Vereins für Schleswig- Holstein hielt und der im 1. Bande der Schriften desselben, Kiel 1873 veröffent- licht, aber wenig bekannt geworden ist. K. M. Zoolog. Jahrb. I. 16 242 K. MOBius, zu erklären, immer mehr anerkannt. Indessen fuhr man aber nicht bloss ;in antidarwinischen Kreisen , sondern selbst in dem heisskäm- pfenden darvvinischen Lager fort, neue Artbegriffe aufzustellen, ohne sich jedoch überall klar zu machen, dass diese für beide Lager un- entbehrlich seien, wenn sie sich wissenschaftlich angreifen wollten. Die Abstammungslehre ist bereits ein so sicheres und frucht- bringendes Eigenthum der Biologie geworden , dass niemand, der nur einigermassen mit dem heutigen Stande derselben bekannt ist, noch irgend etwas über die in den sechziger Jahren viel behandelte Frage, ob die Species beständig oder umbildungsfähig seien, schreiben wird. Wohl aber werden immer noch Abhandlungen und Bücher veröffent- licht, in denen auffallende Unklarheit herrscht über die logischen Thätigkeiten , welche bei der Bildung von Artbegriffen und höheren systematischen Gruppenbegriffen und bei der Aufstellung von Um- wandlungshypothesen von den Autoren ausgeführt werden. Deshalb halte ich eine Untersuchung über das Verfahren bei der Bildung der Artbegrift'e, sowie über die logische Berechtigung und die wissenschaft- liche Geltung derselben nicht für überflüssig, sondern glaube dadurch sowohl Bekämpfern der Speciesbeständigkeit wie auch Gegnern der Abstammungslehre Anregung zu geben, sich klar zu machen, dass einerseits die Aufstellung bestimmter Artbegriff'e und anderseits die theoretische Ableitung verschiedener Species auseinander wissenschaft- lich berechtigte und einander ergänzende Seiten der biologischen Forschung; sind. Die ArtbegriflFe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 243 2. Die Bildung und Oeltung der Artbegriffe. Der angehende Naturhistoriker sucht die Namen der Pflanzen und Thiere, die er sammelt, dadurch zu finden, dass er die Eigen- schaften der vor ihm liegenden Individuen mit den Beschreibungen vergleicht, welche in seinen Büchern stehen. Gelingt ihm endlich die Bestimmung, so deckt er die Anschauung, welche er von den nach seiner Meinung übereinstimmenden Individuen gewonnen hat, mit der Artbeschreibuug, also mit einem geistigen Bilde, welches in dem Kopfe eines andern erzeugt worden ist, mag sein eigenes Vorstellungs- bild auch mangelhafter oder inhaltreicher sein , als die im Buche stehende Beschreibung. Hat er Pflanzen oder Thiere zu bestimmen, von denen es viele einander sehr ähnliche Formen giebt, z. B, Weiden, Laufkäfer, Unionen oder karpfenartige Fische, so wird ihm die Ent- scheidung, zu welchen beschriebenen Arten seine Exemplare gehören, oft sehr schwer. Nimmt er dann, um sicherer zum Ziele zu ge- langen , mehrere Autoren zur Hand , so wird er nicht selten noch schwankender als vorher, und wenn er, um sich zu beruhigen, seinen Exemplaren eine Stelle im System anweisen will, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich der Entscheidung irgend einer Autorität zu unterwerfen. Der Anfänger in der Naturgeschichte schaut also die von ihm bestimmten Individuen mit den Augen der Autorität, der er bei der Bestimmung folgt, als Vertreter der Species an; er deckt die Eigen- schaften der Individuen mit den wissenschaftlichen Artbegrififen, aus denen er die naturhistorischen Systeme aufgebauet findet. Diese Sy- steme imponiren ihm sowohl durch ihren reichen Inhalt als auch durch ihre wohlgeordnete Gliederung so sehr, dass ihm noch jeder Gedanke an eine Kritik der aufgestellten ArtbegriflFe fern liegt. Und so ge- wöhnt er sich, diese Begriffe für das Naturmaterial der Sy- steme zu halten und nur die Gliederung des Systems in Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen für eine geistige Schöpfung der Autoren anzusehen. Es sind aber nicht bloss die Anfänger, welche sich den Autori- täten der Artbegrifife unterwerfen ; sondern ihnen folgen alle, welche von Pflanzen oder Thieren wissenschaftlich sprechen , also alle Bota- niker, Zoologen, Anatomen, Histologen, Physiologen und Embryologen, einerlei, mögen sie an die Unveränderlichkeit der Speciesformen glau- 16* 244 K. MÖBius, ben, oder mit Darwin annehmen, dass sie veränderlicli seien. So findet man in den Schriften Darwins, Haeckels u. a. Vertreter der Abstammungslehre eine Menge Thier- und Pflanzennamen, mit welchen die Autoren bestimmte Begriffe bezeichnen, in deren Sinne angewendet. Bei der Bestimmung und Anordnung zoologischer Sammlungen folgt man denjenigen Autoren, welche man für die besten Bearbeiter der betreff"enden Abtheilung ansieht. Wer sich z. B. bei der Bestimmung der europäischen Süsswasserfische an die Schrift von Heckel und Kner über die Süsswasserfische der österreichischen Monarchie (1858) hält, der wird die Art Cyprinus carpio Linne in die folgenden Species spalten : Cyprinus carpio (die gewöhnliche Form), Cyprinus acuminatus Heckel u. Kner (eine hochrückige Form) und Cyprinus Jiungaricus Heckel (eine gestreckte Form). Diese drei Formen vereinigt aber Th. V. Siebold ^), weil sie durch Uebergänge verbunden werden, wie- der unter dem einen Speciesbegriff" Cyprinus carpio Linne. In seiner Philosophia botanica schreibt Linne § 157 : „Species tot nu- meramus^ quot diversae formae in principio sunt creatae." Diesem Satze gemäss hielten es die meisten Naturhistoriker der LiNNE'schen Schule für ihre Aufgabe, in den verschiedenen Formen von Pflanzen und Thieren die vorhandenen Species zu erkennen und sie durch Worte scharf von einander abzugrenzen. In dem ruhigen Glauben an eine geschaffene Anzahl von Arten bemerkten sie nicht, dass sie selbst erst feststellten, auf welchen Eigenschaften die Artverschiedenheit beruhe , ehe sie sagen konnten : dies sind die verschiedenen Formen, welche durch die Schöpfung ins Dasein gerufen wurden. In Wahr- heit creirten sie also so viele Arten, wie viele Artbegriffe sie auf die von ihnen untersuchten Pflanzen- und Thierformen grün- deten. Ihrer Praxis gemäss hätte daher die LiNNE'sche Schule statt des Satzes : „Species tot numeramus, quot diversae formae in principio sunt creatae" sagen müssen: Species tot numeramus, quot formarum notiones diversarum ab aucforihus sunt conceptae. Es giebt so viele Species, so viele Begriff"e verschiedener Formen die Autoren aufge- stellt haben Mit diesem Satze wird aber nicht blos die Praxis der LiNNiVschen Naturhistoriker sachgemäss bezeichnet, sondern auch die Praxis aller andern Biologen , welche in ihren Schriften wissenschaftliche Namen von Pflanzen und Thieren gebrauchen, um die von ihnen besprochenen 1) Die Süsswasserfische von Mitteleuropa, 1863, S. 84. Die Artbegriffe uud ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 245 organischen Wesen mit unzweifelhafter Bestimmtheit zu bezeichnen. In den biologischen Wissenschaften sind die Artbegriife ebenso unent- behrlich, wie die Nomina coniniunia in der Sprache. Auch sind sie nicht etwa erst von Linne oder seinen Vorgängern in der Aufstellung von Artdiagnosen erfunden, sondern so alt wie die Namen bestimmter Thier- und Pflanzenformen. Wenn Aristoteles an verschiedenen Stellen seiner Naturge- schichte der Thiere von einem Thiere, welches er Kvwv nennt, fol- gende Eigenschaften anführt: Es ist vierfüssig, vielzehig, am ganzen Körper behaart; es hat Bauchzitzen, einen einfachen Magen, spitze Zähne, welche ineinander greifen; es trägt 61 bis 63 Tage; während es harnt, hebt es ein Bein in die Höhe — so sind wir überzeugt, dass er mit diesen Sätzen Canis familiaris Linne charakterisirt hat, und dass daher sein Begriff von dem Haushunde mit unserm heuti- gen Begriffe von diesem Thiere zusammenfällt, obwohl er die Merkmale desselben nicht in der Form einer LiNNE'schen Diagnose zusammen- gestellt und binominal bezeichnet hat. In ähnlicher Weise hat Ari- stoteles noch von vielen anderen Thieren bestimmte Artbegriffe, die er sich von ihnen gebildet hatte, deutlich gezeichnet^). Artbegriff"e werden in der Volkssprache gebildet, ehe sie die Wis- senschaft aus vergleichenden Untersuchungen ableitet. Die Walfisch- fänger unterscheiden die verschiedenen Species der Wale nach Form, Farbe und Bewegungen genau von einander, ohne dass sie von wal- kundigen Zoologen über die Artunterschiede derselben belehrt worden wären. Die ostholsteinischen Fischer wissen den Sprott, Clupea sprai- tus L. an seinem etwas höher liegenden Auge, an dem weniger her- vorragenden Unterkiefer, an der schärfer gesägten Bauchkante, an der verhältnissmässig grösseren Höhe des Mittelkörpers und an der ins Messinggelbe spielenden Farbe sicher von dem Heringe, Clupea Jiarengus L., zu unterscheiden. Sie sehen niemals einen jungen Hering von der Grösse eines ausgewachsenen Sprottes für einen Sprott an. Es fallen also ihre Begriffe dieser beiden nahe verwandten Fischformen genau mit den von der Wissenschaft aufgestellten Artbegriff"en zu- sammen, mögen auch die wissenschaftlichen Artbegriffe inhaltreicher sein als die der Fischer, da die Wissenschaft zu den durch allmähliche 1) Die Merkmale der von Aeistoteles gekannten Thiere haben AuBERT und Wimmer in ihrer Ausgabe von Abistoteles' Thierkunde, Leipzig 1868, Bd. I, p. 60 — 184 zusammengestellt. 246 ^- MOBius, Erfahrung entstandenen Artbegriffen des Volkes noch viele neue durch planmässige Untersuchungen ermittelte hinzufügt. An wilden und gezähmten Thieren mussten Jäger, Fischer und Ackerbauer schon sehr früh die Erfahrung machen , dass die Eltern und ihre nächsten Nachkommen unter einander gewöhnlich eine weit grössere Aehnlichkeit besitzen , als sonst zwischen thierischen Indivi- duen vorzukommen pflegt. Den höchsten Grad der Aehnlichkeit fand man mit dem nächsten Grade der Blutsverwandtschaft vereinigt. Man erkannte in dieser die Ursache der grössten Aehnlichkeit und setzte sie auch bei solchen in gleichem Grade ähnlichen Individuen voraus, deren Abstammung von einander man nicht beobachtet hatte. Alle im nächsten Grade ähnlichen Individuen wurden wie nächstverwandte aufgefasst; die bekannten geraeinsanjen Eigenschaften derselben wurden zu einem Begriffe vereinigt, dem Artbegriffe, den man mit einem Namen bezeichnete, welcher für alle in gleichem Grade ähnlichen Indi- viduen gebraucht wurde. Dieses ohne Zweifel älteste Verfahren, ArtbegriÖe zu bilden, ist auch für die heutige Wissenchaft der sicherste Weg, sie festzustellen. Die gemeinsamen Eigenschaften, welche durch die Merkmale des Artbegriffes bezeichnet werden, beziehen sich auf die Form, Grösse und Farbe der verglichenen Individuen; auf die Gestalt, Lage, den histologischen Bau und die Thätigkeiten ihrer Organe; ausserdem gehen sie aber auch noch ein auf die Entwicklung der Individuen und das Verhältniss derselben zur Natur. Sind die Eigenschaften der Individuen eines nächsten Verwandtschaftsgrades in allen diesen Beziehungen ermittelt, so kann man ihrem Artbegriffe einen hohen Grad von Vollkommenheit geben. Absolut vollkommen kann jedoch kein Artbegriff" festgestellt werden, weil jeder durch eine unvollstän- dige Induction gebildet wird , bei welcher man eine allgemeine Be- hauptung nur von einem Theile aller einzelnen Fälle einer und der- selben Gruppe ableitet. Wir würden auch dann keinen absolut voll- kommenen Artbegriff gewinnen, wenn wir in der Lage wären, sämmt- liche gegenwärtig lebenden Individuen eines nächsten Verwandtschafts- grades aufs genaueste mit einander zu vergleichen, weil nicht auch die Eigenschaften ihrer sämmtlichen Vorfahren und Nachkommen desselben Verwandtschaftsgrades mit in Betracht gezogen werden könnten. Einen relativ hohen Grad von Vollkommenheit können wir den Artbegriffen erst dann geben, wenn wir mit dem Bau, der Fortpflan- Die Artbegriffe und ihr Verhältuiss zur Abstammungslehre. 247 Zungsgeschichte und der Biocönose ') einer grösseren Zahl von Indi- viduen eines nächsten Verwandtschaftsgrades bekannt sind. Von einer solchen relativen Vollkommenheit sind jedoch die meisten zoologischen Artbegritfe noch weit entfernt; denn für die meisten bekannt gewor- denen Thierforraen hat man sie aufstellen müssen, ohne ihre Fort- pflanzungsgeschichte zu kennen; sehr viele beruhen blos auf Ver- gleichungen späterer Entwicklungszustände conservirter Exemplare; viele sind nur auf Untersuchungen von Hüllen gegründet; nicht wenigen Artbegriffen liegen nur die Eigenschaften eines einzigen Exemplars oder sogar bloss Fragmente oder versteinerte Reste eines Thierkörpers zu Grunde. Und doch hat auch bei solchen mangelhaften Grundlagen die Wissenschaft den Beruf und das Recht, Artbegriffe zu bilden, weil sie unentbehrlich sind, neuentdeckten Thierformen ihre Stelle in dem System zoologischer Kenntnisse anzuweisen und dadurch die Biologen in den Stand zu setzen, sich ein Bild von ihrer Organisationsstufe zu entwerfen; denn bei der heutigen Ausdehnung der thierischen Morpho- logie bieten in den allermeisten Fällen schon Integument- oder Skelet- stücke oder Abdrücke solcher in Erd- und Gesteinschichten einen aus- reichenden Anhalt, nicht nur die Thierklasse, sondern oft auch Ord- nung, Familie und Gattung festzustellen, zu der die neue Form ge- hört, womit dieser alle Eigenschaften zugestanden werden, welche auf Grund früherer Inductionen zusammengehörige Merkmale dieser höheren Gruppenbegriffe bilden. Wenn gründliche Morphologen mangelhaft be- gründete Artbegrifle aufstellen, so thun sie es in der Erwartung, dass sie selbst oder andere Forscher durch weitere Funde von Individuen desselben Verwandtschaftsgrades in die Lage kommen werden, den ersten mangelhaften Begriff der neuen Art zu vervollkommnen. Nach den üntersuchungsgebieten, welchen die Merkmale der Art- begriffe entnommen werden können, giebt es folgende Werthstufen derselben : 1) Mit Bi ooönose, yon ßlog, das Leben und koivoeiv, etwas gemein- schaftlich haben, also Lebensgemeinschaft, bezeichne ich die Ge- sammtheit aller Einwirkungen des Wohngebietes, von denen die Eigen- schaften und die daselbst zur Ausbildung gelangende Anzahl der Indivi- duen einer Species mit bedingt werden. Diese Einwirkungen gehen aus von den chemischen und physikalischen Eigenschaften des Mediums, sowie auch von anderen Thieren und Pflanzen , welche dasselbe Gebiet bewohnen. Ich habe den Begriff Biocönose zuerst in meiner Schrift: Die Auster und die Austernwirthschaft, Berlin 1877, S. 72 aufgestellt. 248 K. MÖBius, A. Biossmorphologische Artbegriffe, B. Genetisch-morphologische, C. Physiologisch-genetisch-morphologische, D. Biocönotisch - physiologisch - genetisch-morpho- logische Artbegriffe. A. Zu den biossmorphologischen gehören folgende Ahstiifungen : 1. bloss hüllen-morphologische Artbegriffe, lediglich ge- gründet auf Untersuchungen von Bälgen, Schalen u. a. Integumenten ; 2. an atomi seh- m orphologis che Artbegriffe, gegründet auf makroskopische Untersuchungen äusserer und innerer Theile; 3. h istologisch - anatomisch - morph ologische Artbe- griffe, gegründet auf anatomische und histologische Untersuchungen äusserer und innerer Theile. B. Ahstiifungen der genetisch-morphologischen Arthegriife sind- 1. postembryologisch- morphologische Artbegriffe, ge- gründet auf Untersuchungen verschiedener postembryologischer Alters- stufen, auf Kenntniss der Metamorphose und des Generationswechsels; 2. ontogenetisch-morp h ologis che Artbegriffe, gegründet auf Untersuchungen der ganzen Entwicklung des abgelösten Keimes. C. Die physiologisch-genetisch-morphologischen ArthegrifiFe enthalten ausser Merkmalen aus dem Inhalte der Abtheilungen A. u. B. noch Angaben über specifische Leistungen der Organe. D. Die hiocönotisch-physiologisch-genetisch-morphologischen Arthegriffe sind die relativ inhaltreichsten, da sie ausser den Merkmalen der vor- hergehenden Werthstufen noch Angaben über die äusseren Lebensbe- dingungen der verglichenen Individuen umfassen. Artbegriffe, welche aus Merkmalen aller vier Werthstufen zusam- mengesetzt sind, findet man in der Regel nur in ausführlichen Mono- graphien einzelner Thiergruppen, von denen viele nächstverwandte In- dividuen morphologisch , ontogenetisch , physiologisch und biocönotisch untersucht werden konnten. Kurze Artbeschreibungen oder Speciesdiagnosen nach LiNNiä- scher Methode bestehen häufig nur aus makroskopischen Merkmalen und sollen nur dazu dienen, sämmtliche aufgeführten Species zu unter- scheiden, zu diagnosciren. Doch werden zu den Hauptmerkmalen I Die Artbegriffe und ihr VerLältniss zur Abstammungslehre. 249 solcher morphologisch-unterscheideiiden Ai tbegriffe oft auch noch gene- tische, physiologische und biocönotische Merkmale hinzugefügt. So wird durch die Angabe des Wohngebietes auf die Biocönose hingewiesen. Der von Linne aufgestellte Artbegriff Canis famiUaris enthält schon Merkmale aller Werthstufen ^). Je vielseitiger und eingehender eine Thierform untersucht ist, desto schärfer unterscheidende Speciesdiagnosen lassen sich aus ihren zahl- reichen bekannten Eigenschaften ableiten. Speciesdiagnosen, welche die unterscheidenden Artmerkmale zusammenfassen, hat man oft als Begriffe angesehen, welche nur aus den wesentlichen Merkmalen der verglichenen Individuen ge- bildet seien, nachdem man von den unwesentlichen abstrahirt habe. Wesentlich werden in der formalen Logik solche Merkmale genannt, welche den beständigen allgemeinen Grund anderer Merkmale bilden. Für die Ableitung von Speciesbegriflfen ist die Unterscheidung wesentliclicr und unwesentlicher Merkmale nur in dem Sinne brauch- bar, dass unter unwesentlichen solche verstanden werden, welche bestimmte Gradstufen der wesentlichen betreffen, z. B. b e- stimmte Grössen, Zahlen und Farben. Denn in den Inhalt der Artbe- griff"e können ebensoviele unbestimm te Merkmale, wie an den Indi- viduen dem Grade nach bestimmte gefunden worden sind, als diesen entsprechende wesentliche Merkmale aufgenommen werden. Wesent- liche Merkmale für Artbegriffe lassen sich auch nicht etwa dadurch von unwesentlichen ausscheiden, dass man jene nur von physiologisch und morphologisch wichtigeren Organen entnehme, ohne welche andere unwichtigere Organe nicht bestehen können. In lebenden Individuen sind alle Organe von einander abhängig; selbst rudimentäre Organe üben noch histologisch und anatomisch gestaltende Einwirkungen auf arbeitende Organe aus und sind als Verwandtschaftszeichen oft von grösster Bedeutung. Sind nicht die Wale ausgezeichnet charakterisirt durch rudimentäre Becken und die Bartenwale durch embryonale Zähne? Durch die Entdeckung der embryonalen Zähne der Bartenwale wurde ihre Verwandtschaft mit den Zahnwalen tiefer begründet, als sie vor- her war. Für eine nach höchster Vollkommenheit strebende zoolo- gische Systematik giebt es gar keine für die Kenntniss der Thiere werthlosen Eigenschaften, von denen man ohne Weiteres bei der Bil- dung der Artbegriff'e als unwesentlichen Merkmalen absehen könnte, da es keinen allgemeinen, für alle Thiergruppen brauch- 1) Systema Naturae I, Ed. XII, Holmiae 1766, p. 57. 250 K. MÖBIÜS, baren Massstab giebt, durch den bestimmt werden könnte, welche Merkmale für die Bildung von Artbegritlen überhaupt Werth hätten und welche dafür untauglich seien. Denn in jeder Klasse treten eigen thümlich e nur für die Bildung ihrer ArtbegrifFe verwend- bare Eigenschaften auf; auch ist uns keine einzige Thierform so durchsichtig bekannt, dass wir sämmtliche Eigenschaften derselben vergleichen und aus ihnen die für die Bildung der Artbegriffe besten Merkmale mit abgeschlossener Sicherheit auswählen könnten. Für diagnostische Uebersichte n, für Bestimmungs- tabellen sind unter den bekannten Merkmalen der aufgezählten Species manche mehr, manche weniger brauchbar, deswegen dürfen jene aber nicht als wesentliche und diese nicht als unwesentliche an- gesehen werden. Morphologische Artmerkmale erhalten sofort einen bestimmten diagnostischen Werth, sobald ei'kannt wird, dass sie stets mit gene- tisch trennenden Eigenschaften verknüpft sind. Nachdem Pflüger und Smith (in Pflüger's Arch. f. Phys. Bd. 32, 1883 S. 544 u. 581) nachgewiesen haben, dass sich Bana fusca Rösel und Rana arvalis NiLSSON nicht bastardiren lassen, ist an dem specifischen Werthe der verschiedenen morphologischen Eigenschaften dieser beiden Frosch- formen , die man früher als Varietäten von Rana temporaria L. be- trachtete, nicht mehr zu zweifeln. Ist eine stete Verknüpfung gewisser morphologischen Merkmale mit genetischen bei einigen Arten erkannt, so darf man sie auch bei andern Arten derselben Gattung erwarten, jedoch noch nicht als sicher annehmen. Zwei nahe verwandte Species haben oft mehrere völlig überein- stimmende Eigenschaften; aber diese kommen niemals in beiden Species in gleichen Verbindungen mit andern Eigenschaften vor, son- dern sind in jeder Species mit andern eigenthümlichen Eigenschaften verbunden. Dies darf bei der Abfassung von Artdiagnosen nicht un- beachtet bleiben. Das Material, welches die Natur zur Bildung der Artbegritie darbietet, lässt sich noch experimentell vermehren durch Befruch- tungsversuche mit Individuen einer Formenreihe, welche von der als typisch angenommenen Form nach entgegengesetzten Richtungen ab- weichen, um sichere Grundlagen zur Begrenzung des Umfanges eines Artbegriffes zu gewinnen. Denn die wichtigste Grundlage für die Ableitung der Spcciesbegriffe rauss immer die vergleichende Untersuchung von Individuen bleiben, deren Die Artbegriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 251 genetische Reihenfolge festgestellt ist^). Wo diese Grundlage fehlt, lassen sich Zweifel über die specifischen Abgrenzungen einer Reihe von Individuen, welche einander sehr ähnlich sind, aber doch gradweise unähnlicher werden , nur beseitigen entweder durch Beob- achtung freiwilliger fruchtbarer Vereinigung der am wenigsten ähn- lichen Formen der ganzen Reihe oder durch experimentell herbeige- führte vollkommen fruchtbare Kreuzung derselben. Bei Thieren, welche sich mit Metamorphose oder Generations wechs el entwickeln, sind genetische Untersuchungen unentbehrlich, um richtige Speciesbe- griffe bilden zu können. Wenngleich nur in wenigen Fällen diese sicher entscheidende In- stanz angerufen werden kann, da in den allermeisten Fällen die Art- begritfe auf biossmorphologische Merkmale gegründet werden konnten und in Zukunft wohl auch noch gegründet werden müssen, so kann ich doch nicht der Ansicht mancher Speciesautoren beistimmen, bei der Aufstellung diagnostischer Artbegriße von einer Ermittelung der Fortpflanzung fraglicher Formen überhaupt abzusehen, weil dadurch der Werth der biossmorphologischen Speciesmerkmale in keinem ein- zigen Falle auch nur das Geringste an entscheidender Kraft gewinnen würde. Wer sich gewöhnlich nur mit Brot sättigen kann , verschafft diesem dadurch keinen höheren Nährwerth, dass er freiwillig auf jeden Genuss von Fleisch verzichtet. Wer die Forderung stellt: Biossmorphologische Speciesbegriffe müssen für die Systematik genügen, weist die zunehmende Vervoll- kommnung derselben, die tiefere Begründung, die reichere und natür- lichere Gliederung des Systems zurück. Und wer, umgekehrt, die rein- morphologischen Artbegriffe als werthlose willkürliche Abgrenzungen zwischen Individuenreihen betrachtet, der man sich enthalten solle, untersagt der beschreibenden Zoologie und Paläontologie die Anwen- dung eines der wichtigsten Mittel, ihren Inhalt extensiv und intensiv zu bereichern. Rühmen wir etwa Linne als den Vater der neueren Naturgeschichte, weil er lauter genetisch-morphologische Artbegriffe aufstellte? Nim- 1) Auf dieses sichere Kennzeichen specifischer Uebereinstimmung hat mit klarem wissenschaftlichen Bewusstsein zuerst J. Ray (Rajus) hinge- wiesen. Pk. Willügbeii Ornithologiae libri tres. Totum opus recognovit, digessit, supplevit J. Rajus Londini 1676, p. 10. — J. Rajus, Histor. plan- tarum I, Londini 1686, p. 40. — Yergl. auch V. Cabüs, Geschichte der Zoologie, München 1872, S. 434, 252 K. MÖBIUS, mermehr! Die muthige Einführung zahlreicher biossmorphologischen Speciesbegrifte machte ihn zu dem anregenden Autor, dem ein Jahr- hundert hindurch andere Speciesautoren folgten und mit ihren Ar- beiten ein breites Fundament für genetisch-morphologische Artbegriffe und andere biologische Untersuchungen legten. Hätten biossmorpho- logische Speciesbegriffe keinen wissenschaftlichen Werth, so wären die zoologischen Ergebnisse der neueren Tiefseeuntersuchungen und die meisten paläontologischen Arbeiten viel unbedeutender, als sie allge- mein geschätzt werden. Die Merkmale der Artbegriffe verschiedener Thierklassen und Ordnungen müssen sehr verschiedenen morphologischen und physiolo- gischen Eigenschaften der Individuen entnommen werden. Je höher die l'hiere organisirt sind, desto zahlreicher und mannigfaltiger sind im Allgemeinen die Eigenschaften, welche sie den Autoren zur Bildung der Artbegrifie darbieten. Eine grosse Anzahl Species in äusserlich morphologisch wenig diff'e- renzirten Familien und Ordnungen erschwert die diagnostische Unter- scheidung sehr und nöthigt daher, genetische Unterschiede aufzu- suchen. Auch bei Thierklassen niederer Rangstufen mit geringer äusserer Differenzirung des Körpers ist die sichere Abgrenzung der Species oft recht schwierig. Die Beobachtung der physiologischen Thätigkeiten und die vergleichende Untersuchung genetischer Reihen- folgen von Individuen wird daher immer weniger entbehrlich, je weniger morphologische Eigenschaften sie besitzen und je mehr stufenweise an einander zu reihende Formen auftreten. Eine lange Reihe von Ueber- gängen entbindet aber den Systematiker durchaus nicht von der Auf- stellung von Artbegriffen oder giebt ihm sogar das logische Recht, von den ^Eigenschaften der verglichenen Individuen unmittelbar Merk- male für Gattungsbegriffe zu entnehmen. W. B, Carpenter*) glaubte dies bei den Foraminiferen thun zu dürfen. Wenn bei Rhizopoden, bei denen nach unseren jetzigen Kennt- nissen die Artmerkmale meistens nur auf die Form der Pseudopodien und die Beschaffenheit der Schale gegründet werden können, ein Typus in einer grossen Menge von Abstufungen auftritt, so müssen alle diese Abstufungen so lange mit der als typisch betrachteten Form unter einen Speciesbegriff gebracht werden , bis man morphologische oder genetische Gründe für eine Trennung derselben findet. Hat ein I 1) Introduotion to the study of Foraminifera, London 1862, p. X u. 65, Die Artbegriffe und ihr VerhältnisS zur Abstammungslehre. 253 Autor sich entschieden, welche Form die typische sein soll, so kann er auch feststellen, wie weit der logischbestimmende Einfluss des von ihm angenommenen Typus reichen darf. Und er muss es, wenn er nicht gegen den allgemeinen Gebrauch in andern Thier- klassen und gegen die Regeln der Logik Verstössen will^). Längere Reihen von gradweise differirenden Formen innerhalb des Umfanges eines Artbegriffes sind bei den Foraminiferen gerade ebenso berechtigt, wie bei Spongien, Insekten, Muscheln, Schnecken oder irgend einer noch höher ausgebildeten Thierklasse. Zoologen, welche der Ansicht sind, bei den Foraminiferen und andern niedrig organisirten Thieren seien ArtbegriÖe nicht nach der- selben Methode zu bilden, wie bei den höheren Thierklassen, hatten, wie ich annehmen muss, ungewöhnlich lange Reihen ähnlicher, aber stufenweis verschiedener Gerüst- oder Schalenformen vor Augen, für die sie eine Erklärung suchten. Eine solche ist auf zweifache Weise zu gewinnen. Entweder, indem man sämmtliche Formen, welche mau als Glieder einer Reihe ansieht, als Stufen einer genetischen Reihen- folge nächster Verwandtschaft betrachtet. Dann erklärt man sie für Individuen einer Species. Oder man betrachtet die verschiedenen Formen der ganzen Reihe als Abstufungen von Species innerhalb des Umfanges einer Gattung; dann gesteht man gewissen Abstu- fungen in der ganzen Reihe einen grössern Trennun gswerth zu als allen übrigen und stellt zwischen den Gattungs- oder nächsten höheren Gruppenbegriö und die angeschauten Individuen mehrere Begriffe von minderem Umfange. Diese Begriffe sind dann aber Art- begriffe, wie unklar und unbestimmt sie auch gedacht sein mögen. Es darf daher kein zoologischer Systematiker, der wissenschaftlich von Gattungen sprechen will, sich der Mühe entziehen, Artbe- griffe als Grundlagen der Gattungsbegriffe festzustellen oder von 1) „Denn würde es keine niederen Begriffe geben" sagt Kant, „so gäbe es auch keine höheren. Nun erkennt der Verstand alles nur durch Begriffe; folglich, so weit er in der Eintheilung reicht, niemals durch blosse Anschauung , sondern immer wieder durch niedere Begriffe. Die Erkenntniss der Erscheinungen in ihrer durchgängigen Bestimmung fordert eine unaufhörlich fortzusetzende Specification der Begriffe und einen Fort- gang zu immer noch bleibenden Verschiedenheiten, wovon in dem Be- griffe der Art und noch mehr in dem der Gattung abstrahirt worden." J. Kant, Kritik der reinen Vernunft, Anhang zur transscenden- talen Dialektik. Sämmtl. Werke herausgeg. von Hartenstein Bd. III, 1867, S. 443. 254 K. MÖBius, Andern schon aufgestellte zu vergleichen ; denn die logische Nothwen- digkeit derselben vor der Bildung aller höhern systematischen Gruppen- begrifte muss jeder Systematiker anerkennen. Die Ansicht Carpenter's, dass bei den Foraminiferen Artbe- griffe nach der bei höheren Thieren gebräuchlichen Methode nicht festzustellen seien, fand offenbar deswegen Beifall, weil sie als ein Beweis für die Wahrheit der Abstammungslehre begrüsst wurde. Nach dieser sind alle höheren Thierformen aus niederen, einfacheren Thieren durch allmähliche Umbildungen hervorgegangen und die niedersten Thiere, die Rhizopoden werden dann folgerichtig als die Wurzeln des ganzen Thierreichs angesehen. Weil nun deren Plasmaleib viel weni- ger differenzirt ist, als der aus differeuten Zellen zusammengesetzte Körper höherer Thiere, so hielt man sie auch fähiger als diese, sich umzubilden, und für so wenig formbeständig, dass sich bei ihnen be- stimmte vererbliche Eigenschaften, von welchen Merkmale für Artbe- griffe abzuleiten seien, noch gar nicht ausbilden könnten. Von solchen hypothetischen Gedanken erfüllt, begrüsste man die Behauptung Cae- PENTERS, welche aus unklaren Vorstellungen über die logischen Vorgänge bei der Bildung der systematischen Gruppen begriffe ent- sprang, als einen der schönsten Beweise für die Wahrheit der Abstam- mungslehre, welche Darwin wenige Jahre vorher in genialer Weise neu begründet hatte. So einfach in sich, so durchgehend gleichartig und morphologisch wandelbar, wie man sich damals die Sarkode sämmtlicher Rhizo- poden — den Forderungen der Abstammungslehre gemäss — gern vorstellte, hat sie aber kein Forscher gefunden, der sich seitdem ein- gehender mit dem Studium derselben beschäftigte. Es hat sich im Gegentheil gezeigt, dass jede Rhizopodenform, die lebend genau unter- sucht werden konnte, Eigenschaften besitzt, welche in Individuen der- selben Form immer wieder auftreten und daher ebensogut wie bei höheren Thieren als specifische, d. h. wissenschaftlich fest- zustellende Eigenschaften anerkannt werden müssen. Auch den Spongieuspecies schrieb man, so lange ihr innerer Bau nur ungenügend bekannt war, eine grosse Veränderlichkeit zu. So schrieb Oscar Schmidt in der „Spongienfauna des Atlantischen Meeres", 1870 S. 11 : „Unsere Kritik der wesentlichen Merkmale der Spongien ist eine sehr zersetzende gewesen , indem sie zeigte, dass eigentlich auf keinen der Faktoren dieser Organisation ein Verlass sei. Die Ursache liegt in der unerschöpflichen Waudelbarkeit der Sarkode". Dies würde der verdiente Begründer der neuern Spongienkunde wohl Die Artbegriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 255 nicht geschrieben haben, wenn er die histologische Zusammensetzung der Spougien so genau gekannt hätte, wie sie sein Nachfolger F. E. Schulze kennen gelehrt hat. Die Vertheidiger der unbestimmbaren Wandelbarkeit der Species gleichen den Vertheidigern der Urzeugung. Von höheren Thierklassen flüchten sie sich zu immer tiefer stehenden, weniger durchforschten und schwieriger zu untersuchenden Klassen, um sich doch noch auf eine reale Grundlage für ihre Hypothese berufen zu können. Aber ebenso wie den Vertretern der fortdauernden Urzeugung wird auch ihnen durch die weitergehende Durchforschung der niederen Thierklassen bis zu den Rhizopoden hinunter immer mehr Boden, worauf sie sich stützen könn- ten, entzogen. Mit diesen Bemerkungen will ich nicht etwa gegen den von W. B, Carpenter ausgesprochenen Gedanken auftreten, dass die zahl- reichen Foraminiferenformen , die er in seiner Schrift behandelt hat, nach dem Grade ihrer Formverwandtschaft zu classificiren seien ; noch will ich damit die Möglichkeit einer Abstammung aller Foraminiferen von einer Urform und die Hypothese von dem Ursprünge der höheren Thierformen von niederen bekämpfen. Hypothesen über die Entstehung der genetisch zusammenhängen- den Individuenreihen, welche die reale Grundlage unserer Artbegriflfe bilden, gehören einem andern Gebiete der Biologie an, als die Ver- gleichung von Individuen behufs Bildung von Artbegrifien, wobei man sich entweder auf beobachtete oder aus Inductionsgründen angenom- mene Blutsverwandtschaft ersten Grades stützt. Wer eine Abstam- mungshypothese aufstellt, kennt die directe Blutsverwandtschaft der verglichenen Thiere nicht, er will auch Blutsverwandtschaft nächsten Grades zwischen ihnen gar nicht beweisen, sondern die ferneren Ver- wandtschaftsgrade der Arten, Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen begründen. Er arbeitet also mit Gruppenbegriffen, welche die beschreibende systematische Zoologie unabhängig von phyletischen Hypothesen durch mehr als hundertjähriges Mühen und Arbeiten erst geschaffen hat. Wenn innerhalb der Verbreitungsgrenzen einer Species durch innere Ursachen oder unter dem Einflüsse verschiedener natürlichen Biocönosen oder durch Zucht, d. h. durch künstliche Umgestal- tung der Lebensbedingungen gut unterscheidbare Abstufungen ent- stehen, welche durch Vererbung auf Nachkommen übergehen, so hat man Grund, Begriffe von Varietäten und Rassen aufzustellen, 256 K. MÖBIUS, welche den Artbegriffen untergeordnet sind. Die Varietäten oder Rassen einer und derselben Species sind im nächsten Grade unter- einander verwandt. Verschiedengeschlechtliche Individuen verschie- dener Varietäten oder Rassen einer Species sind fruchtbar kreuzungs- fähig. Erlischt diese Fähigkeit, so hat sich die Varietät in ihrer natürlichen Biocönose, die Rasse unter der Einwirkung des Menschen in eine Speciesform umgewandelt. Nicht selten hat man auf Thierformen, welche nur wenig ver- schieden waren, deshalb verschiedene Artbegriffe gegründet, weil sie in weit von einander entfernten Gebieten gefunden wurden, indem man die ganz grundlose Voraussetzung machte, dass eine bereits be- kannte Species unmöglich auch in einem entfernten Gebiete leben könne, wenn sie nicht von dem seit lange bekannten Wohngebiete aus bis an den Fundort der ihr ähnlichen als neu beschriebenen Species verfolgt worden war. Die neueren Untersuchungen der Faunen zusam- menhängender Meere, besonders genauere Studien pelagischer und grosse Tiefen bewohnender Thiere haben viele Thatsachen ans Licht gebracht, die diese Voraussetzung widerlegen. Daher gewinnt die richtige Ansicht, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Artbe- griffe kein Gewicht auf die geographische und geologische Verbreitung zu legen ist, soweit diese weiter nichts betriff't als blosse Entfernungen in Raum und Zeit, immer mehr Anhänger. Findet man Thiere, die von bekannten Species anderer Fundorte bei vielen übereinstimmenden Eigenschaften doch in einigen vereinigten Merkmalen auffallend ab- weichen, so hat man in den zwischenliegenden Gebieten nach Ueber- gangsformen zu suchen und darf erst dann einen neuen Artbegrift' für die entfernt vorkommende abweichende Form aufstellen, wenn keine Uebergangsformen zu finden waren. Erweitert man den Umfang eines Artbegriffes, indem man nachweist, dass Thiere eines neuen mit eigen- thümlichen biocönotischeu Verhältnissen ausgestatteten Fundortes nur Varietäten bereits bekannter Speciestypen sind, so wird man den Ur- sachen der Entstehung und Ausbildung localer Varietäten zu neuen Species näher geführt, während eine vorschnelle Erhebung localer Varietäten zu neuen Species von der Erkennung dieser Ursachen ab- leitet. So ist mit der kleinen, kurzen, dünnschaligen Form von Nassa reticulata L. , welche im westlichen Ostseegebiet lebt , die grosse, schlanke, dickschalige Form, welche im Mittelmeer an der Nordküste Afrikas wohnt, unter einen Artbegriff" zu bringen, weil die verschie- denen Formen, welche in der Nordsee und an der Westküste Europas Die Artbegriflfe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 257 vorkommen, stufenweise Uebergänge zwischen jenen Extremen bilden. Die Polychätenspecies Polynoe cirrata Pall. (Harmotho'e imhricata L.) tritt innerhalb ihres grossen Verbreitungsgebietes im nördlichen atlan- tischen Ocean und Eismeere in verschiedenen Varietäten auf, die Malmgren in seiner sehr verdienstlichen Monographie der nordischen Polychäten für Repräsentanten von vier Gattungen ansah, die aber nur unbeständige Verschiedenheiten einer Species sind, weil schon bei Individuen aus der Kieler Bucht Uebergänge zwischen denjenigen Merk- malen vorkommen, welche Malmgren für gattungsverschieden ansah, Ch. Darvv^in sagt von den drei fossilen Formen des Hausrindes, auf welche die Artbegrifife: Bos primigenius Cuv., Bos longifrons Ow. und Bos frontosus Nils, gegründet wurden, „dass sie deshalb als drei verschiedene Species angesehen zu werden verdienen, weil sie während derselben Periode in verschiedenen Theilen von Europa gleichzeitig existirteu und dort sich auch verschieden erhielten. (Das Variiren der Thiere und Pflanzen, übers, v. V. Carus, I, 1868, S, 104). Wenn diese Ansicht des grossen Biologen allgemeine Geltung erhielte, so müssten alle weitverbreiteten Species, die sich unter ungleichen biocö- notischen Verhältnissen in verschiedenen Abstufungen ausbilden, in mehrere enger umgrenzte Species zerlegt werden. Jene drei Formen des Rindes haben nach den gebräuchlichen Regeln der Speciesbildung blos den Rang von Varietäten, weil „ihre domesticirten Nachkommen" wie Darwin (a. a. 0.) selbst sagt, „sich mit der grössten Leichtigkeit unter einander vermischen, wenn sie nicht getrennt gehalten werden." Einen bessern Beweis, dass alle drei Formen im nächsten Grade der Verwandtschaft stehen, giebt es nicht. Wollte man trotz dieses schla- genden Beweises jenen drei fossilen Rinderformen den Rang von Species lassen, so müsste man ihn auch den Pferderassen zuer- kennen , welche jedoch Darw^in selbst in Uebereinstimmung mit der gewöhnlichen Ansicht der Zoologen und Züchter nur für Variationen einer Species zu halten geneigt ist, indem er sich auf die Ver- suche Knights stützt, der die verschiedenen Rassen des Pferdes mit einander fruchtbar kreuzte (Darwin, das Variiren d. Thiere und Pflanzen, übers, v. V. Carus 1 , 1868, S. 63). Bei der Bildung der Artbegrifi"e dürfen wir uns nicht bald auf diesen, bald auf jenen logischen Stand- punkt stellen, sondern unverrückt müssen wir auf einem Standpunkt stehen bleiben. Vor einer grossen Anzahl üebergangsformen zwischen den äussersten Grenzen beständiger Eigenschaften wird eine scharfe, unbeugsame Logik nicht bange. Ein gutes Beispiel von logisch richtiger Behandlung einer varie- Zoolog. Jahrb. I. , ^- 258 K. MÖBIUS, tätenreichen Species hat F. Hilgendorf in seiner Abhandlung über Planorhis muUiformis im Steinheimer Süsswasserkalk geliefert (in: Monatsber. d. Berlin. Ak. d. Wiss. 1866 S. 475). Hier werden 19 Varietäten von Scheibenform bis zu Thurm- und Cylinderform „als Abänderungen einer grossen Art" zusammengestellt, „da sie säramtlich durch Uebergänge verbunden sind". Zeigen auch alle Exemplare inner- halb einer Schicht eine gewisse Gleichförmigkeit, so „liefern doch die Zwischenformen den Beweis, dass die andern Formen durch allmäh- liche Umbildung aus der frühern entstanden sind". Auf Tafel 18 seiner Monographie der Kalkschwämme stellt E. Haeckel sehr verschiedene Formen eines Kalkschwammes des Norwegischen Küstenmeeres dar : einfache Röhren mit und ohne Mund- öffnung, schlanke spindelförmige und sphärische Stöcke mit vielen Mundöffnungen, mit einer einzigen oder mit gar keiner Mundöönung. Alle diese mannigfaltigen Formen, welche nebst vielen andern nicht abgebildeten in einem Gebiete auftreten, vereinigt Haeckel unter dem Artbegriff Ascandra variabilis. Auf Tafel 57 desselben Werkes stellt er in 25 verschiedenen Figuren die Umrisse von lauter geschlechts- reifen Individuen seiner höchst polymorphen Species Sycandra com- pressa dar. Entrollen etwa solche formenreiche Species vor unsern Augen leibUch die Spaltung von Urformen in mehrere neue Arten und Gat- tungen ? wie Haeckel früher anzunehmen geneigt war, als er schrieb ' ) : Die am meisten ausgebildete Form der Sycometra (Sycandra) com- pressa erscheint als ein Schwammstock, welcher an einem und dem- selben Cormus die reifen Formen von acht verschiedenen Genera trägt. „Als generisch verschieden und nicht als blosse Entwicklungszustände einer Species muss man aber alle diese auf einem Stocke vereinigten Formen deshalb betrachten, weil jede derselben fortpflanzungsfähig ist und in ihren ausgebildeten Sporen das beweisende Zeugniss der vollen Keife bei sich führt. Bei diesen höchst merkwürdigen Schwämmen ist die organische Species gleichsam in statu nascendi zu beobachten," Eine solche Ansicht, die Haeckel später fallen Hess, wäre nur dann gerechtfertigt, wenn nachgewiesen werden könnte, dass die aus einer Urform hervorgehenden Zweigformen in ihren Nachkommen con- stant bleiben oder dass die Abänderung der Urform in einer ganz be- 1) Ueber den Organismus der Schwämme und Prodromus eines Sy- stems der Kalkschwämme in : Jenaische Zeitschr. für Naturw. IM. Y, 1869, S. 234. I Die Artbegriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 259 stimmten Richtung fortschreitet. Denn nur dann würden beide Fälle wissenschaftlich erfassbar sein, weil erst dann die neuen Formen ge- wisse übereinstimmende Eigenschaften zeigen würden, aus welchen allein Artbegriffe abstrahirt werden können. Tritt in einer Folgereihe von Individuen eine gradweise Umbildung in einer gewissen Richtung auf, so lassen sich alle unter einem Entwicklungsgesetz zu- sammenfassen. Verwandeln sie sich derartig, dass die verschiedenen Formen unter kein solches Gesetz zu stellen sind, wie in andern wissenschaftlichen Gebieten zu einer begritflichen Vereinigung gefor- dert wird, so müssen sie biologisch dennoch zusammengefasst werden, weil sie der Beobachtung zufolge direct von einander abstammen. Denn alle direct von einander abstammenden Individuen , mögen sie ähnlich oder verschieden gestaltet sein, sind im ersten Grade mit ein- ander verwandt , sind Individuen einer Species. Zeugt Ä die Form B, diese die Form C, C aber Ä oder B ; erzeugen sich nach Ablauf von Generationen immer wieder dieselben Formencomplexe, so bilden alle zusammen, mögen ihre Zahl und ihre Verschiedenheiten klein oder gross sein, doch nur eine Species. Eine neue Species tritt erst dann als ein neuer von einer Urform abgegliederter Zweig auf, wenn die Generation auf Generation aus ihm entspringenden Individuen be- stimmte abweichende, der Urform fehlende Eigenschaften haben, auf welche ein neuer Artbegriff gegründet werden kann. Denn Beschrei- bungen verglichener thierischer Individuen werden zu dem Zwecke ent- worfen und veröffentlicht, damit Andere veranlasst werden, sich ihren Inhalt als gesetzliche Erscheinungen vorzustellen, deren Verwirk- lichung wieder zu erwarten ist, und nicht etwa in der Absicht, Vor- stellungsbilder von zufälligen Individuen, welche nur einmal da waren, in Buchstaben festzuhalten. Dies kann keinem Zoologen, welcher durch seine Thierbeschreibungen die Wissenschaft erweitern und vertiefen will, in den Sinn kommen; denn „das Begriö'lose ist für die Wissen- schaft rechtlos wie der Zufall". (Trendelenburg, Logische Unter- suchungen 3. Aufl. Bd. II, 1870, S. 241). Jeder Art begriff fasst nicht bloss alle gleichzeitig lebenden Indivi- duen eines nächsten Verwandtschaftsgrades, sondern mit diesen auch noch alle verstorbenen und alle nachkommenden zu einer Gemeinschaft zusam- men ; soweit reicht sein Umfang. Der Artbegriff drängt die übereinstim- menden Merkmale aller im Raum und in der Zeit zerstreuten Individuen eines nächsten Verwandtschaftsgrades in eine geistige Gegenwart zusam- men; darin besteht sein Inhalt. Der Umfang ist die extensive, 17* 260 K. MÖBIUS, der Inhalt die intensive Seite der Artbegriife ; beide verhalten sich zu einander wie die Erscheinungen zum Gesetze. Alle Autoren von Artbegriffen messen dem Umfange derselben eine in Raum und Zeit weitreichende Geltung bei, indem sie sich mit Recht auf die Erfahrung stützen, dass in einer sehr grossen Zahl von Fällen in den Nachkommen immer wieder die Eigenschaften der Vor- fahren erschienen und dass Individuen eines und desselben nächsten Verwandtschaftsgrades über weite Räume verbreitet vorkommen und lange Zeiten hindurch aufeinander folgten. Sie verlangen keine räum- lich und zeitlich unbegrenzte Reihenfolge gleichartiger Individuen, aber sie würden mit Recht auch jedes Verlangen, im voraus Raum- und Zeitgrenzen festzustellen, innerhalb welcher noch reale Vertreter ihrer Artbegrifte erscheinen könnten, zurückweisen. Dennoch erheben die zoologischen Artbegriffe nicht den Anspruch, dass auch sämmtliche weit zurückliegenden Vorfahren derjenigen Indi- viduen, welche zur Gewinnung des Artbegrifies verglichen wurden, mit diesen im nächsten Grade verwandt gewesen wären , und dass auch ihre sämmtlichen Nachkommen in demselben Verwandtschaftsgrade beharren müssten und sich niemals von demselben entfernen könnten. Regelmässige Wiederkehr einer Erscheinung innerhalb einer längeren Beobachtungszeit ist nicht gleichbedeutend mit ewiger Stabilität. Die Artbegriffe sollen nicht ewige, sondern nur zeitlich reale Regel- mässigkeiten bezeichnen. In den Speciesbegriffen wollen die Autoren nur übereinstimmende Merkmale untersuchter Individuen darstellen. Ueber Merkmale ferner verwandter Vorfahren und Nachkommen dieser wollen sie nichts aussagen. Irgend etwas Bestimmtes könnten sie über diese auch gar nicht mittheilen, so lange genetische Beobachtungen über den Zusammenhang beider mit den untersuchten Individuen fehlen. Das Individuum und sein Artbegriff stehen zu einander in dem- selben Verhältniss wie eine einzelne physikalische Naturerscheinung zu dem sprachlichen Ausdruck ihres physikalischen Naturgesetzes, z, B. wie die bestimmte Zahlengrösse , mit welcher die Erde den Mond anzieht, zu dem allgemeinen Gesetze, dass die Stärke der An- ziehung zweier Massen sich umgekehrt verhält wie das Quadrat ihrer Entfernung. Physikalische Erscheinungen sind Resultanten der Wirkungsrich- tungen bestinnuter Kräfte. Weini wir experimentiren, so veranlassen wir, dass l)estimmte uns bekannte Kräfte zusammenwirken. Sind or- Die Artbegriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 261 ganische Individueu etwas anderes als Resultanten bestimmter zusam- menwirkenden Kräfte? Aber wie vieler und welcher Kräfte? Von keinem einzigen Organismus, wie klein und einfach er auch sein mag, kennen wir sie alle. Die Biologie arbeitet mit demselben logischen Werkzeuge wie die Wissenschaften der anorganischen Natur. Wie diese sucht sie aus Beobachtungen und Vergleichungen von Erschei- nungen , welche der reine Naturlauf hervorbringt oder zu denen sie selbst Veranlassung giebt , durch Induction allgemeine Gesetze ab- zuleiten. Weil sie aber selten in der Lage ist, diese mit so grosser mathematischer Bestimmtheit und Sicherheit festzustellen wie die Na- turwissenschaften des Unorganischen, darf ihre Methode deswegen nicht für weniger exact gelten. In allen Fällen, wo Beobachtungen über die directe Abstammung der verglichenen Individuen fehlen, lässt sich der Umfang und Inhalt der Artbegriffe nicht mit Sicherheit feststellen. Vergleichungen mit schon beschriebenen andern Species leiten dann die Autoren neuer Species bei der Bestimmung des Umfanges und Inhaltes der neuen Artbegriffe; trotzdem sind sie keine willkürlichen und subjectiven Ab- stractionen, wie behauptet worden ist. Wären sie das wirklich, so wären es auch die Begriffe der Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen, überhaupt alle zoologischen Systeme, und auch die verglei- chende Anatomie, Embryologie, Histologie und Physiologie wären keine Wissenschaften, d. h. keine geordneten Gedanken von regelmässig wiederkehrenden Erscheinungen in den Organismen, sondern nur will- kürliche Meinungen, dass es solche gäbe. Die Botaniker, Zoologen, Anatomen, Histologen, Physiologen und Embryologen sind auch durch- aus nicht der Ansicht, dass es nur nöthig wäre, eine Constanz in den organischen Erscheinungen zu fingiren, um zu wissenschaftlichen Re- sultaten zu gelangen, sondern sie setzen voraus, dass die Erscheinungen, welche sie beschreiben, innerhalb des nächsten Verwandtschaftsgrades der von ihnen untersuchten oder zu Experimenten benutzten Indivi- duen wiederkehren. Die Artbegriffe stehen den Individualvorstellungen , aus denen ihre Merkmale entnommen sind, näher, als die Gattungsbegriffe. Um- fasst eine Gattung viele Species, so entsteht das Bedürfniss, sie in Untergattungen zu theilen. Je mehr Species verglichen werden können, je mehr Eintheilungsmerkmale für Untergattungen lassen sich aus- wählen. Die Merkmale giebt die Natur ; nur ihre Auswahl und classi- ficatorische Verwerthung ist Autorensache. Je weiter sich die Autoren 262 K. MÖBIUS, von den realen Grundlagen der classificatorisclien Begriffe, von den Individualvorstellungen entfernen, je mehr Einfluss gewinnt ihre Lo- gik auf die Classification. Völlig frei von der Natur kann sie sich niemals machen und daher nie rein willkürlich werden. Speciesbegrifte sind geistige Bilder, Typen, aufgehoben aus dem Flusse der genetischen Individuen reihen. Diese sprachlich festge- setzten Typen werden so oft geistig wieder verwirklicht, so oft sie jemand denkt. Sie sind die Maasse, welche man an die untersuchten Individuen anlegt, um zu finden, ob sie sich im Vergleich mit ihren früheren Artgenossen specifisch abgeändert haben oder nicht. Sie sind beständigere Maasse als die Normal -Meter von Piatina in den akademischen Kellern. Mit dem Typus des Löwen, den uns alte Schrift- und Kunstwerke überliefert haben, messen wir die jetzt leben- den Individuen der Species Felis leo L. und finden, dass sie sich nicht specifisch umgeändert hat. Die Typen enthalten ebensoviele Merkmale, wie durch Analyse der verglichenen Individuen erkannt worden sind; aber während die Eigenschaften dieser individuell bestimmt sind, haben die Merkmale der Typen einen allgemeinen Charakter. Durch weiter gehende Ana- lyse werden immer mehr allen Individuen zukommende Eigenschaften gefunden und dann durch Synthese derselben die Typen inhaltreicher. Da wir in einem Artbegrifi" nicht einen bestimmten , sinnlich an- schaulich auftretenden Grad des Typus denken , sondern damit die ganze Schwankungsweite desselben umfassen, so kann der Typus rein als solcher nicht gezeichnet werden. Jedes Thierbild stellt daher immer auch individuelle Eigenschaften dar. Es muss die Organe in bestimmten Grössen Verhältnissen veranschaulichen, und wenn es gemalt wird, von den verschiedenen Farben, welche bei den lebenden Individuen auftreten, eine bestimmte erhalten. Man täuscht sich, wenn man glaubt, in schematischen Bildern den Typus der Art rein darzustellen. Sie sind weiter nichts als einfache, kahle Umrisse individueller Formen, welche sehr oft den individuellen Na- turformen gar nicht entsprechen, sondern bloss die Vorstellungen, welche sich der Zeichner von ihnen macht, symbolisch versinnlichen; weshalb man sich hüten muss, ihnen den didactischen Werth von Ab- bildungen nach der Natur beizulegen. Auf die schnelle Verbreitung des Glaubens an die thierische Na- tur des Eozoon canadense Dawson hat das ideale Bild, welches W. B. Carpenter davon entworfen hatte, einen grossen irreleitenden Die Aitbcgrifle und ihr Veiiiältuiss zur Abstammungslehre. 263 Einfluss ausgeübt. Dieses Bild ') stellt eozoonale Formverhältnisse vereinigt dar, die weder Carpenter noch irgend ein anderer Forscher jemals vereinigt gefunden hatten, die sich aber seine Leser dem Cau- PENTER'schen Bilde gemäss vereinigt vorstellten und daher an der Foraminiferennatur des Eozoon nicht zweifelten. Der Umfang eines Artbegriifes vereinigt alle Entwicklungs- stufen eines Entwicklungskreises, mögen sie an einem Individuum wie bei der Metamorphose oder an einer Reihe von Indivi- duen ablaufen wie beim Generationswechsel. Reale Repräsentanten eines Artbegriöes können sein: 1. ein her- raaphroditisches Individuum; 2. ein Männchen und ein Weibchen bei Thieren mit getrenntem Geschlecht; 3. bei polymorphen Species Indi- viduen jeder ergänzenden Form und Function des Stockes oder der Gesellschaft; 4. Individuen der verschiedenen Generationen eines Ent- wicklungskreises. Die Individuen enthalten nicht nur die realen Grundlagen der Species, sondern auch die der Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen. So beruhen also alle diese einander übergeordneten classi- ficatorischen Begriflfe auf realen Objecten mit vererblichen Eigenschaften. Doch nicht so, dass diese Begrifle derart, wie sie im Geiste existiren, Vorstellungsbilder realer Einzelwesen wären. Nein, alle diese Begriffe sind aus noch weniger Merkmalen zusammengesetzt als die Artbegriffe. Es können daher Gattungen, Familien, Ordnungen und Klassen rein als solche noch weniger in einem Bilde veranschaulicht werden als die Typen der Species. Je mehr Merkmale in den Artbegriff aufgenommen werden, desto reicher wird sein Inhalt und desto näher kommt er dem unabsehbaren Reichthum von Merkmalen eines Individuums. Nach dieser Seite hin liegt also die Grenze des Artbegriffes neben der Vorstellung eines be- stimmten Individuums. Nach der entgegengesetzten Seite nähert sich der Artbegriff durch Ausscheidung von Merkmalen dem Begriffe der Gattung. Werden die Merkmale der Gattungen als Zeichen der Bluts- verwandtschaft aller zu ihnen gehörenden Species aufgefasst, die Merk- male der Familien als die Zeichen der Blutsverwandtschaft der Gat- tungen, überhaupt die Merkmale jedes höheren Gruppenbegriffs stets als die Zeichen der Blutsverwandtschaft der darunter begriffenen Gruppen, so kommt man endlich zur äussersten Grenze zoologischer 1) In: Quart. Journ. of Geolog. Soc. Vol. 21, Febr. 1865 p. 61. 264 K MÖBIUS, Gruppenbildung, zum Begriff des Thierreichs, das freilich auch nur begrifflich von dem Pflanzenreich zu scheiden ist, da noch niemand auch nur ein einziges allgemein gültiges ausschliesslich thierisches oder ausschliesslich pflanzliches Merkmal gefunden hat. Wer sich bei der Bildung zoologischer Gruppenbegrift'e von der anschaulichen Seite der Begriffsmerkmale nicht trennen will, hat also nur zwei Grenzen, an denen er bei logischer Consequenz Halt machen muss: 1. beider Vorstellung eines Individuums, wo der reale Umfang des Begriffes am kleinsten, der Inhalt aber unüber- sehbar reich ist; und 2. bei dem Begriff Thierreich oder noch weiter gehend, bei dem Begriff Organismenreich, wo der reale Umfang am grössten, der begrifflich erfasste Inhalt aber am kleinsten ist. Wer die Abstammung aller Thiere und Pflanzen von einem einzelligen Urorganismus annimmt, wird logisch inconse- quent, wenn er, auf dem Wege von dem Vorstellungsbilde eines Indi- viduums zu den höheren Gruppenbegriff'en aufsteigend, etwa den Species, den Klassen oder den Stämmen reale Grenzen der Bluts- verwandtschaft beimessen wollte. 3. Bezeichnung der Artbegriffe, Die zweckmässigste Bezeichnung der Artbegrifte ist die LiNNE'sche binorainale. Der Gattungsname, welcher voransteht, weist der Species, die durch den nachfolgenden Namen bezeichnet wird, ihre Stelle im Systeme an. Der Inhalt des Gattungsbegriffes hebt aus den bekannten Merk- malen des ganzen Systems nur diejenigen Merkmale heraus, welchen die Merkmale des Artbegriffes untergeordnet sind. Die Vereinigung des Gattungsnamens mit dem Artnamen ist also ein höchst wichtiges Mittel, dem Geiste, vor welchem das ganze System liegt, eine bestimmte Richtung zum specifischen Unterscheiden zu geben. Alle Thierspecies, welche die Aufmerksamkeit des Volkes auf sich ziehen, erhalten in der Volkssprache Namen. Diese sind Symbole der bestimmten Artbegriffie, welche auch das Volk sich bildet. Jede Thier- species kann durch einen einzigen Namen, wie die Volkssprache lehrt, sicher bezeichnet werden. Wenn diese keine neuen Wurzelwörter mehr bildet, so wendet sie für neue Artbegriffe Wörter an, die ursprüng- lich eine andere Bedeutung hatten, stempelt sie aber durch Beiwörter zu specifischen Bezeichnungen, z. B. Fischlaus, Maikäfer, Blässhuhn, Seehund. Bei diesem Verfahren, Thieren Namen zu geben, reicht der begrenzte Wortschatz einer Sprache aus, eine unabsehbare Anzahl von Artbegriffen zu bezeichnen. Linne erhob dieses Verfahren der Die Artbegriffe und ihr Verliältniss zur Abstammungslehre. 265 Sprache zu einer terminologischen Methodo'), indem er seinen bota- nischen und zoologischen Speciesdiagnosen zwei lateinische oder lati- nisirte Namen gab. Dem zweiten Namen, der die Species bezeichnet, wird in wissenschaftlichen Schriften in der Regel ein vollständiger oder abgekürzter Autorname angehängt, lieber die Wahl dieses Na- mens bestehen bei den Botanikern und Zoologen zwei verschiedene Ansichten. L. Agassiz verlangte in der Praefatio seines Nomenciator zoologicus (Soloduri , 1846) , dass derjenige als Autor zu nennen sei, der aus anerkannten Gründen einen bestimmten Speciesnamen mit einem bestimmten Gattungsnamen verbunden habe, womit er der von R. Owen, Strickland u. a. Mitgliedern einer Berathungscommission der British Association entgegentrat, welche im Jahre 1842 empfoh- len hatte, denjenigen als Autor anzuführen, welcher die betreffende Species zuerst genügend beschrieben und benannt habe, ganz unab- hängig davon, ob sie später einem andern Gattungsbegriffe unterge- ordnet werde. Für das von L. Agassiz vertheidigte Verfahren hat sich auch der internationale botanische Congress ausgesprochen, wel- cher im August 1867 in Paris tagte '^). Gegen das von Agassiz empfohlene Verfahren erheben sich logische, historische und practische Bedenken. Die Artbegritfe sind die unentbehrlichen ersten systematischen Begriffe, aus deren Inhalt die Gattungs- und alle höheren Gruppenbegritfe abgeleitet werden; sie bleiben auch dann noch die Grundlagen des Systems, wenn ihr Inhalt durch weitere Untersuchungen vervollkommnet wird oder wenn, ihnen neue Artbegriffe angereihet werden. Ohne eine Vergleichung sämmtlicher nahe verwandten Artbegrifte kann niemand neue bessere Gattungsbegriffe bilden. Daher bleiben Artbegriffe, welche so abge- fasst sind, dass sie für immer zur sichern Bestimmung der Indivi- duen dienen können, auch für immer die ersten sichern Grundlagen des ganzen Systems, weshalb auch denjenigen, die sie geschaffen haben, das erste und einzige Recht zusteht, als Speciesautoren ge- nannt zu werden, sobald man beschliesst, Autorennamen mit den Be- nennungen der Species zu verbinden. 1) C. a Linke, Philosophia botanica 1751. — Keformatio botanices in: Amoenitates academicae VI, 1763, p. 305. 2) Alph. de Candolle, Regeln der botanischen Nomenclatur, angenom- men von dem internationalen botan. Congress zu Paris im Aug. 1867, nebst Einleitung u. Commentar. Basel u. Genf, 1868. 266 K- MÖBIUS, Führt man dagegen, wie h. Agassiz will, denjenigen als Autor hinter dem Speciesnamen an, der die besten Gattnngs- und Species- namen vereinigt hat, so giebt man die historische Treue auf und beseitigt das einfachste Zeichen der Anerkennung, welches die Syste- matik dem ersten genauen Beschreiber einer Species schuldig ist. Setzt ein Autor seinen Namen hinter einen älteren Speciesnamen, den er mit einem neuen oder älteren Gattungsnamen verbunden hat, so erlangt er dadurch gar kein dauerndes Recht auf diese Stelle, denn jeder, der auf Grund weiterer Studien das System verbessern kann, wird die Verbindung seines Vorgängers durch eine neue ersetzen, wenn sie den von ihm geltend gemachten Eintheilungsgründen nicht entspricht. Bei dieser Bezeichnungsweise kann der Wechsel der Autorennamen endlos fortgesetzt werden, weil die Wissen- schaft in der Untersuchung der Specieseigenschaften, aus denen alle besseren Gattungsbegriffe entnommen werden, nie zu einem Abschlüsse kommt. Nennt man dagegen denjenigen als Autor, der die erste zur sichern Bestimmung brauchbare Speciesbeschreibung veröffentlicht hat, so giebt es im System schliesslich nicht mehr Species-Autorennamen als gut beschriebene Species. Die Namen aller zweifelhaften Species sinken dann in die Synonymie herab oder werden dem Vergessen überlassen. Die von mir vertheidigten, vom logischen und historischen Standpunkte einzig und allein berechtigten Autorenbezeichnungen sind anwendbar, solange es eine zoologische Systematik giebt; sie werden auch dann noch Geltung haben, wenn die realen Vertreter ihrer Art- begritfe innerhalb der Periode menschlichen biologischen Denkens aus- sterben sollten. Die logische und historische Berechtigung der G enusautoren, im System genannt zu werden, findet am besten darin ihren Ausdruck, dass ihre Namen den von ihnen abgefassten neuen Gattungsdia- gnosen angefügt werden. Will man angeben, dass der Autor nur den Artbegriff auf- gestellt, den angeführten Gattungsbegriff ein Anderer, so setzt man hinter den Autornamen die Buchstaben sp., z. B. Tropitonotus natrix L. sp. Denn Linne vereinigte den Speciesnamen natrix mit dem Gattungsnamen Coluher; den Gattungsnamen Tropitonotus führte später BoiE für einen neufestgestellten Gattungsbegrifl" ein. Wie LiNNE sich zu der behandelten Frage gestellt haben würde, vermag ich aus seinen die Nomenclatur betreffenden Regeln nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen. L. Agassiz beruft sich, um seine An- Die Artbegrifle und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 267 sieht über die Autorenbezeichuung zu stützen, darauf, dass Linne der Vereinigung des specifischen mit dem Gattungsnamen grossen Werth beigelegt habe (Nomenciator zool., Praefatio p. XXV). Da Linne in seinen systematischen Schriften alle gemeinsamen Merkmale der ihm bekannten Species in Gattungsdiagnosen vereinigte, so hatten die Speciesdiagnosen, welche er nachfolgen Hess, ohne die Vergleichung mit den Gattungsdiagnosen keinen Werth ; auf die Ver- einigung der Namen für die Gattungs- und Speciesdiagnose Gewicht zu legen, war deshalb für Linne! selbstverständlich. Das Wichtigste waren ihm jedoch die Speciesnamen. Das geht aus folgenden Sätzen der Philosophia botanica hervor: § 256. Perfecte nominata est planta nomine generico et specifico instructa. Speciei notitia consistit in nota essentiali, qua sola ab Omnibus congeneribus distinguitur. Sine notitia generis nuUa certitudo speciei. Differentia specifica continet notas, quibus species a congeneribus ditiert. Nomen specificum autem continet differentiae notas essentiales. § 257. Nomen specificum legitimum plantam ab omnibus con- generibus distinguat. Fundamentum est hie canon nominum specificorum, quo neglecto lubrica erunt omnia. Nomen specificum est differentia essentialis. Wenn die Nennung des ersten anerkannten Speciesautors allge- mein angenommen wird, werden alle öftentlichen und privaten Samm- lungen endlich übereinstimmende Autorennamen führen, während die Annahme der Combinationsautoren die Museumsverwalter und privaten Sammler veranlasst, fast nach dem Erscheinen jeder neuen guten Monographie ältere Autorennamen zu verwerfen und neue dafür anzu- nehmen. Das Verständniss eines neuen vollkommeneren Systems wird durch die Nennung der Vereinigungsautoren nicht leichter gemacht, als durch das historisch treue Festhalten an den ersten guten Spe- ciesautoren. Die Vereinigungsautoren beschweren bloss das Papier und das Gedächtniss und erschweren die vergleichende Uebersieht der zoologischen Sammlungen. 4. Das Verhältniss der Artbegriffe zur Abstammiingslelire. Die Bildung und Anwendung der Artbegriffe ist gänzlich unabhängig von der Frage nach dem Ursprünge 268 K. MÖBIUS, der realen Vertreter derselben oder der Individuen, deren übereinstimmende Eigenschaften zur Ableitung der Artbegrifte dienen. Ch. Darwins Werk über „die Entstehung der Arten durch na- türliche Zuchtwahl" hat jedoch viele Biologen veranlasst, dies zu bezweifeln und Hypothesen über den realen Ursprung der orga- nischen Formen mit der logischen Auffassung der Species- be griffe zu vermischen. So gerieth man in Unklarheiten und in Streit sowohl über die Bildung und Geltung der Artbegriffe wie auch über die Bedeutung der Abstammungslehre und über die Werthschätzung beider für die systematische Zusammenfassung der Thierwelt. LiNNE versteht unter den Species die verschiedenen organischen Formen, welche erschaffen worden sind. Er lässt sie als fertige Formen durch einen Schöpfungsact auftreten. Die wissenschaftlich fassbare Wirkung lässt er durch eine wissenschaftlich unzugängliche Ursache entstehen. Das Ansehen Linnes und die scharfsinnige Abgrenzung seiner Species und der Species seiner Nachfolger haben offenbar viel dazu beigetragen, die Species nicht für Begriffe, sondern für constante reale Erscheinungen anzusehen. Die zahlreichen Bemühungen der Zoologen und Botaniker, Beweise aufzusuchen, dass die Species nicht von dem ursprünglichen Typus abweichen (der jedoch vorher begrifflich festgestellt war), sind hauptsächlich auf den Glauben an die Erschaffung und Formbeständigkeit aller lebenden und ausgestor- benen Species zurückzuführen. Vor diesem Irrthum sind diejenigen gesichert, welche annehmen, dass sich alle organischen Formen aus einer Urform entwickelt haben. Für sie sind bei consequentem Denken nur die Individuen real und die Species ebensogut wie alle höheren systematischen Thier- gruppen nur Begriffe, die aber Verwandtschaften ausdrücken, welche durch die gleichzeitig oder folgezeitig existirenden Individuen real repräsentirt werden. Für den Glauben an die Erschaffung und Formbeständigkeit der Species giebt es keine Erklärung der Verwandtschaften der Organismen aus realen Ursachen. Die Abstammungslehre Darwins dagegen ist ein vielfach begründeter und fruchtbarer Ver- such, die Verwandtschaften der Species, Gattungen, Familien, Ord- nungen und Classeu aus realen Ursachen zu erklären. Die Artbegriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 269 Das VariireD der Individuen einer Species müssen diejenigen, welche an die Erschaftung und Formbeständigkeit derselben glauben, nur als Gradschwankungen der typischen Eigenschaften auöassen, welche die schöpferisch festgestellten Grenzen niemals überschreiten können. P'ür die Abstammungslehre dagegen ist das Variiren eine höchst wichtige Erscheinung, ein Zeugniss, dass die Species nicht formbe- ständig sind, sondern sich ändern können, sei es aus Innern Ursachen oder durch äussere Einflüsse oder indem beide zusammenwirken. Für die Abstammungslehre ist das Variiren die wichtigste Grundlage, die verwandtschaftlichen Beziehungen der Organismen, ihre geographische Verbreitung und ihre geologische Folge zu erklären. Es ist das Hauptwerkzeug, mit dem sie arbeitet, mit dessen Hülfe sie erklärt, wie aus einem einfachen Protoplasmaklümpchen zuletzt das höchste Geschöpf der Erde, der Mensch, entstanden ist: ein Resultat von so erstaunlicher Grösse, dass die Ueberschauung dieses ganzen gross- artigen Entwicklungsganges wohl zu dem Glauben an eine „grenzen- lose Variabilität aller Species" hinreissen konnte. „Wenn auch bei Selbstbefruchtung jedes einzelne Eiproduct vollkommen den gesammten Formenkreis der Species repräsentiren könnte, so wird diese Möglich- keit durch die grenzenlose Variabilität aller Species vollkommen wieder aufgehoben", schrieb E. Haeckel 1866 in seiner Generellen Morpho- logie, Bd. II, S. 353. Wir finden an den gegenwärtig lebenden und an den ausgestor- benen Organismen keine Eigenschaften, aus denen wir schliessen müssten, dass nun schon alle Verhältnisse erschöpft seien, in welche die vorhandenen Elementarkräfte (Atome) treten können, um Orga- nismen zu bilden. Die Zahl der ausgestorbenen Pflanzen- und Thier- formen ist so gross, dass man annehmen darf, die jetzt lebenden seien noch nicht die letzten. Allein grenzenlos wandelbar können die organischen Formen nicht sein , wenn die anorganischen Elemente, aus denen sie sich aufbauen, constante Eigenschaften haben und wenn überhaupt die jetzige Weltordnung auf einer Constanz der Elemen- tarkräfte beruhet, eine Voraussetzung, die alle Naturwissenschaften machen müssen. Dass die Umbildung der Thierformen nicht ins Unbegrenzte geht, sondern gesetzlich gezügelt ist, darf wohl aus der Thatsache ge- schlossen werden, dass sämmtliche bekannten Species, mögen sie im Meere, im süssen Wasser, auf dem Lande, in warmen oder kalten 270 K. MOBIÜS. Gebieten wohnen, doch immer so viele übereinstimmende Eigenschaften besitzen , dass sie sich zu einer verhältnissmässig geringen Anzahl höherer Gruppen vereinigen lassen. Die Chemiker können aus den Elementen nicht alle beliebigen Verbindungen bereiten und die Thierzuchtvirtuosen ihre Thiere nicht lediglich nach ihren Wünschen umbilden. Sie arbeiten beide mit be- stimmten gegebenen Factoren, von deren Eigenschaften sie abhängig sind, wenn sie neue Producte erzielen wollen. Und so können sich auch die Species in der Natur nicht ins Grenzenlose umändern. Ihre Abänderungen hängen ab von immanenten Eigenschaften der Indivi- duen und von den biocönotischen Verhältnissen, in denen sie leben. In dem Gange der speciiischen Entwicklung eines Individuums oder mehrerer Individuen, welche zusammen einen Entwicklungskreis darstellen, drücken sich die ererbten immanenten Kräfte des Keimes aus. Da aber dieser seine immanenten Kräfte nicht isolirt von allen biocönotischen Lebensbedingungen arbeiten lassen kann, da kein or- ganisches Individuum jemals ein I sola tum ist, so ist das Wesen, das aus ihm hervorgeht, nicht bloss ein Kind seiner Eltern, sondern zugleich auch ein Kind seiner Biocönose, welche selbst ein räumlich und zeitlich bestimmtes Resultat der Kraftwirkungen unseres Sonnen- systems ist. Wenn die Abstammungslehre beweisen will, dass sich eine Species in eine andere umändert, so stellt sie sich die übereinstimmenden Eigenschaften genetisch verschiedener Individuenreihen begrifflich erst gegenüber; dann denkt sie sich zwischen beiden so vi eleUeb er- gang s stufen, als sie für eine ununterbrochene Zeugung von Gene- rationen für noth wendig hält. So kann sie z. B. die Species Clupea sprattus L. von Clupea harengus L. , die Species Elephas indicus L. von Elephas primigenius Blumb. oder beide Elephas- Arten von einer beiden gemeinschaftlichen Urform, die sie sich aber auch erst begrifflich vorstellt, ableiten. Immer aber bleiben doch zwischen diesen Formen, welche, begrifflich vergegenwärtigt, das sind, was auch die Abstammungslehre Species nennt, die Unterschiede so gross, wie die Summe der Schritte beträgt, die sie von einem Speciestypus bis zum andern machte. Die Individuen, welche die realen Vertreter der in Gedanken in einander übergeführten Species sind, hat man da- durch gewiss nicht in einen realen genetischen Zusammenhang gebracht. Um dies zu erreichen, müsste man nachweisen, dass die Kraftsysteme, welche die eine Form, also z. B. den Hering bilden, sich so umge- ändert hätten, dass sie endlich einen Sprott ins Leben treten Hessen. Die ArtbcgiiflFe und ihr Verliältiiiss zur Abstammungslehre. 271 Hiermit will ich nicht der Berechtigung der genialen ÜARWiN'schen Abstammungslehre oder andern berechtigten Versuchen, die Verwandt- schaft der Thierformen auf natürliche Ursachen zurückzuführen, ent- gegentreten. Mein nächstliegender Zweck war, deutlich zu machen, dass die classificatorischen Gruppenbegriffe nur auf beobacht- bare Thierformen gegründet werden dürfen. Auf specu- lative Formen darf sich die Classification nicht stützen, mögen auch noch so viele Gründe dafür geltend gemacht werden , dass sie gelebt haben müssten, um die verwandtschaftlichen Beziehungen der bekannten Formen verständlich zu machen. Die sicher gründende Classification wartet, bis die vorausgesetzten Formen gefunden werden; sobald sie gefunden sind, nimmt sie dieselben als willkommene Glieder in ein neues vollkommeneres System auf. Diese Betrachtungen sollen nur dazu dienen, klar zu machen, wie sich die Speciesbegrifie zur Abstammungslehre verhalten. Dass sie nicht unnöthig sind, lehren z. B. folgende Sätze des verdienten Spon- gienforschers Oscar Schmidt. Er sagt in der Schrift: „Descendenz- lehre und Darwinismus", (Leipzig 1873, S. 139): „Chalina und Re- niera sind zwei wohl unterschiedene , sogar verschiedenen Familien angehörige Gattungen". So heisst ihn die classificatorische Logik sprechen. Nun aber fährt er fort: „Höchst wahrscheinlich hat sich von Chalina die Gattung Chalinula mit ihren höchst unbeständigen Arten abgezweigt und die Formen von Reniera gehen ebenfalls in solche in keinem Character festzuhaltenden Arten über, die von den Chalinula - Arien auch von dem scrupulösesten Beschreiber nicht zu trennen sind." 0. Schmidt bildete also erst Art- Gattungs- und Familienbegrifie, indem er gewissen Spongienformen auf Grund seiner Untersuchungen vererbliche Eigenschaften des ersten, zweiten und dritten Verwandt- schaftsgrades zuschrieb. Gleich darauf aber nimmt er an, dass die- jenigen Eigenschaften, welche er vorher als vererbliche beschrieben hatte, nicht beständig seien. In einer andern Schrift („Spongien der Küste von Algier" 1868, S. 40) sagt derselbe Forscher: „Jedenfalls sehen wir hier eine Reihe sogenannter Arten in einem Zustande der Unsicherheit und Veränderlichkeit, welche sie theils als verkümmernde, theils als werdende Formen characterisirt und wodurch sie für die Descendenztheorie und die genealogische Systematik vom höchsten Interesse werden." 272 K MOBius, In ähnlicher Weise wie in diesen Beispielen sind in den letzten Jahrzehnten oft verschiedene Species erst begrifflich aufgestellt, dann in Gedanken die eine in die andere übergeführt wor- den, um zu beweisen, dass die realen Vertreter der Species, die Individuen, Nachkommen erzeugen, welche einem andern Fortpflan- zungskreise angehören. Man sieht vor sich liegen stufenweis von einander abweichende Exemplare, die in Zeit und Raum vertheilt waren; man scheidet sie in Abtheilungen, fasst die gemeinsamen Eigenschaften jeder Abthei- lung, weil man sie für vererblich hält, in einer Beschreibung zusammen, giebt dieser einen Gattungs- und Artnamen und weist ihr eine Stelle im System an. Man macht also Species. Darauf überblickt man die begrifflich geordneten Exemplare wieder und findet, dass es besser sei, sie nicht als unterscheidbare Abtheilungen aufzufassen, son- dern als eine einzige durch Uebergänge vermittelte Reihe mit difierenten Endgliedern, und beschliesst nun den Rang der vorher aufgestellten Gruppenbegriö'e herunterzusetzen. Was man vorher als Species- begriffe ansah, erklärt man nun für Varietätenb egrif f e. Gelegenheit für solche Beweisführungen bieten alle Thiergruppen mit morphologisch üppig wuchernden, weit verbreiteten, nahe verwandten Formen, z. B. viele Insectenfamilien, die Unioniden, die fossilen Cepha- lopoden, die Cyprinoiden, die Raubvögel. Erst verschiedene Species- begritie aufstellen oder von andern Autoren aufgestellte als Ausgangs- objecte für die Betrachtung annehmen, darauf durch erdachte Ueber- gänge eine Species in die andere überführen : das ist nicht der Weg, den der Naturforscher zu gehen hat, um zu beweisen, dass die realen Vertreter der Species, die Individuen, Nachkommen liefern, welche einem anderen Zeugungskreise augehören ; das ist die zügellos phan- tasirende Methode Lamarcks, nicht die gründlich untersuchende Me- thode Darwins. Für die morphologischen Verschiedenheiten muss man, wie Dar- win, reale Ursachen aufsuchen. Die Entfernung eines organischen Gliedes aus der Biocönose der fraglichen Species oder die Einführung eines neuen Gliedes in dieselbe, die Versetzung fortpflanzungsfähiger Individuen derselben in eine fremde Biocönose, die langsame Verän- derung aller anorganischen und organischen Factoren ihrer heimath- lichen Biocönose , den Kampf ihrer Individuen um Nahrung und Be- friedigung des Geschlechtstriebes muss man in Betracht ziehen, um Die Artbegriflfe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. 273 die Ursachen der individuellen Abweichungen zu erklären, auf welche Varietäten- und Speciesbegrifte gegründet werden können. Lässt man dazu noch die Organe aus Innern, freilich noch nicht näher bekannten Verschiebungen der individuellen Kräfte sich umbil- den, so gewährt man den alten und neuen biocönotischen Factoren neue Angriffspunkte für die Umänderung der genetischen Individuen- folgen und kann nun entweder bloss überlegend, oder in günstigen Fällen auch experimentirend prüfen, ob die Abänderungen auch wirk- lich auf die angenommenen Ursachen zurückzuführen sind. Um das Verhältniss der systematischen Gruppenbegriffe zur Ab- stammungslehre noch weiter zu beleuchten, entnehme ich aus C. Nä- GELis Schrift: „Entstehung und Begriff der naturhistorischen Art", 2. Aufl. 1865, S. 33 folgende Stelle: „Die Formen, welche gleichzeitig leben und die jetzige Pflanzen- welt ausmachen , sind je nach dem Stadium der divergirenden Be- wegung, in dem sie sich befinden, Varietäten, Rassen, Arten, Gattungen, Ordnungen oder Mittelglieder dieser Kategorien. Der Schwerpunkt der naturgeschichtlichen Betrachtung liegt nicht mehr in der Species, sondern darin, dass jede systematische Kategorie als eine natürliche Einheit gefasst wird, welche den Durchgangspunkt einer grossen ent- wicklungsgeschichtlichen Bewegung darstellt. Die Gattungen und höheren Begriffe sind keine Abstractionen , sondern concrete Dinge, Complexe von zusammengehörigen Formen, die einen gemeinsamen Ur- sprung haben." Dem letzten dieser beiden Sätze kann ich nicht beistimmen. Wä- ren die Gattungen und höheren Begriffe concrete Dinge, so müssten sie sinnlich wahrnehmbar sein, was doch nur Individuen oder Pflanzen- und Thierstöcke sind. Die Species und alle andern Complexe zusam- mengehöriger Formen können erst dann als Durchgangspunkte einer entwicklungsgeschichtlichen Bewegung betrachtet werden, nachdem sie begrifflich erfasst worden sind. „Zusammengehörige Formen" sind aus logischen Gründen vereinigte Formen. Eine phylogene- tische Bewegung ist immer nur eine theoretisch angenommene Bewe- gung, die zur Verbindung einer Stufenfolge organischer Formen gedacht wird. Die Glieder der Stufenfolge müssen begrifflich bestimmt sein, ehe sie mit einander verglichen und in eine Stufenfolge geordnet werden können. Die niedersten Glieder sind aber die Speciesbegriffe. Mit ihrer Bildung beginnt die Abstraction von den anschaulichen Eigenschaften der verglichenen Individuen und sie wird fortgesetzt Zoolog. Jahrb. I. -tn 274 K- MÖBIUS, Die Artbegriffe und ihr Verhältniss zur Abstammungslehre. bei der Bildung der Gattungen und aller böhern systematischen Be- griffe. Alle Complexe sind Gedankenverbindungen, denen aber con- crete Dinge: die anschaulichen Individuen zu Grunde liegen. Die Classification holt ihre Begriffe aus der Erfahrung; die Abstammungslehre geht, von Ideen geleitet, über die Er- fahrung hinaus. „Wir bescheiden uns", wie Goethe sagt^), „und bilden Be- griffe; wir erdreisten uns und wagen Ideen. Hier treffen wir nun auf die eigene Schwierigkeit, die nicht immer klar ins Be- wusstsein tritt, dass zwischen Idee und Erfahrung eine gewisse Kluft befestigt scheint, die zu überschreiten unsere ganze Kraft sich ver- geblich bemüht. Dessen ungeachtet bleibt unser ewiges Bestreben, diesen Hiatus mit Vernunft, Verstand, Einbildungskraft, Glauben, Ge- fühl, Wahn und, wenn wir sonst nichts vermögen, mit Albernheit zu überwinden." Die Abstammungslehre negirt zwar die Grenzen zwischen den Pflanzen- und Thierspecies ; aber dennoch ruht ihr ganzes Gebäude auf den Pfeilern, welche aus den als Bausteine dienenden Artbegriffen aufgeführt sind. Sie schliesst nur die Bogen über den Pfeilern durch gedachte Uebergänge ab. Wenn man jemanden anschaulich überzeugen will, dass zwei verschiedene Thierformen zu einer Species gehören, so legt man zwischen beide die vermittelnden Uebergangsstufen. Wäre es möglich, alle Thier- und Pflanzenformen durch reale Uebergänge zu verbinden, so wäre die Abstammungstheorie unnöthig gemacht. Aber wenn dann auch die Verwandtschaftsfolgen sämmtlicher Pflanzen- und Thiere wie zwei überaus reich verzweigte, an ihren Wurzeln vereinigte Stammbäume anschaulich vor uns lägen, so würde das Bedürfniss nach logischer Abgrenzung der Aeste und Zweige von einander doch wieder zu einer systematischen Verknüpfung näher und ferner ver- wandter Formen führen; und dann würden die Gruppen der nächst verwandten Zweige den Artbegriffen, die Zusammenfassungen der ferner verwandten Zweige und Aeste den umfangreicheren höheren Gruppen- begriffen der botanischen und zoologischen Systeme entsprechen. Art- begriffe als Grundlagen aller höhern systematischen Gruppenbegriffe wird man bilden, solange es biologische Wissenschaften giebt. 1) Zur Morphologie, Heft 2, 1820, S. 112. Sämratl. Werke in 40 Mn. 1854, Bd. 40, Bedenken u. Ergebung, S. 425. Echinodermen des Beringsmeeres, von Prof. Dr. H. Ludwig in Giessen. Hierzu Tafel VI. Die Herren Dr. Arthur und Aurel Krause brachten von der Expedition, welche sie 1881 im Auftrag der Geographischen Gesell- schaft zu Bremen nach der Tschuktschen-Halbinsel und Alaska aus- führten, auch eine Anzahl von Echinodermen mit, welche sie nament- lich in der Ploverbai und in der Lorenzbai, ferner an der S. Lorenz-, S. Matthew-, S. Paul- und S. George-Insel erbeutet hatten. Die Un- tersuchung derselben ergab die auf den folgenden Blättern mitgetheilten Resultate, aus welchen hervorgeht, dass die Echinodermenfauna des Be- ringsmeeres sich eng an die arktische Fauna anschliesst, wie solche insbesondere durch die Vega - Expedition erforscht und von A. Stux- BERG in seiner Abhandlung: Die Evertebratenfauna des Sibirischen Eismeeres, in der deutschen Ausgabe der wissenschaftlichen Ergebnisse der Vega-Expedition Leipzig, 1883, p. 481, näher geschildert worden ist. Unter den 15 im Folgenden aufgeführten Arten befinden sich nicht weniger als 9 (Thyonidium pellucidum, Cucumaria calcigera, Myriotroclms rinkii, Strongylocentrotus dröhachiensis , Ophioglyplia nodosa, 0. sarsii, OphiophoUs aculeata, Amphiura sundevalU, Cri- hrella oculata) , welche von der Vega als Bewohner des nördlichen Eismeeres nachgewiesen worden sind. Von den 6 übrigen Arten sind 2 (Asterias acervata und A. crihraria) bis jetzt nur von der Berings- strasse bekannt gewesen, die 4 anderen (Cucumaria pusilla, Ophio- glypJia maculata, Cienodiscus Tirausei und Fteraster aporus) sind neu. 18* 276 ^- LUDWIG, I. Holotliurioidea. 1. Thyoniditim pellueidum (Flem.), Düb. et Kor. DüBEN u. Koren, Vet. Akad. Handl. 1846 ; p. 303, Tab. IV, Fig. 15—17, Tab. XI, Fig. 57. Lampert, Seewalzen, 1885; p. 171. ? Cucumaria nohilis, Ludwig, Beiträge z. Kenntniss d. Holothurien 1874 ; p. 6, Fig. 14. ? Semperia nohilis, Lampert, 1. c. ; p. 153. Ein stark zusammengezogenes, 15 mm langes Exemplar; Farbe gelblich mit blassröthlichem Anflug. Die Anordnung der Füsschen, die Form des Kalkringes sowie die Kalkkörperchen stimmen mit den vorhandenen Angaben überein. Die mit den 5 Paaren grosser Ten- takel abwechselnden kleinen Tentakel sind sehr klein und paarweise so eng zusammengerückt, dass jedes Paar derselben wie ein einziger, zweitheiliger Tentakel aussieht; ähnliche Verhältnisse scheint auch Ljungmann (Öfvers. Vet. Akad. Förhandl. 1879, Nr. 9; p. 129) beob- achtet zu haben. Von den inneren Organen Hess sich feststellen, dass nur eine PoLi'sche Blase und nur ein Steinkanal vorhanden sind, ferner dass die Retractoren ^ vom Vorderende inseriren. Diese letzteren Verhältnisse, sowie die Gestalt der Kalkkörperchen u. s. w. forderten zu einem Vergleiche mit der früher von mir als neu beschriebenen Cucumaria nohilis auf. Wenn ich in der Lage wäre, das Original- exemplar der Cucumaria noUlis vergleichen zu können, würde eine Untersuchung der Tentakelzahl und -Stellung sehr bald erweisen, ob die Cucumaria nohilis mit Thyonidium pellueidum zu vereinigen ist ; denn in allen anderen Punkten stimmen beide Formen in auffallendem Grade mit einander überein. Da mir aber gerade das vorliegende Exemplar des Thyonidium pellueidum zeigt, wie leicht man die kleinen Tentakel übersehen kann, so stehe ich nicht an, es wenigstens als höchst wahrscheinlich zu bezeichnen, dass die C. nohilis identisch ist mit Th. pellueidum. Auch der Fundort des vorliegenden Exemplars ist von Interesse. Dasselbe stammt aus der Lorenzbai aus einer Tiefe von 15—17 Faden (feiner Thonschlamm). Bisher war die Art nur von den nordeuropäi- schen Küsten, von Spitzbergen und aus dem Barents-Meere bekannt, woselbst sie in Tiefen von 5—80 Faden, meistens auf steinigem Lehm- boden lebt. Soweit die bis jetzt verötientlichten Berichte der Vega- Echinodermen des Beringsmeeres. 277 Expedition reichen, wurde sie von dieser nirgends erbeutet, was um so auffallender ist, als das vorliegende Exemplar die Vermuthung sehr nahe legt, dass auch das von der Vega durchschiffte Eismeer unsere Art beherbergt. 3. Cucumaria calcigera (Stimpson) Selenka (Fig. 1 — 5). Pentacta calcigera Stimpson, Proceed, Bost. Soc. Nat. Hist. IV, 1851 ; p. 67. Cucumaria Jcorenü, Lütken, Overs. Grönl. Echinod. 1857; p. 4. „ calcigera, Selenka, Beitr, z. Anat. u. Syst. d. Holoth. 1867; p. 351. „ Jcorenii, v. Marenzeller, Verh. zool.-bot. Gesellsch. Wien Bd. 24, 1874; p. 309. „ „ Stuxberg, Öfvers. Vet. Ak. Förhandl. 1878, Nr. 3; p. 27. „ „ „ in : Die wissensch. Ergebn. d. Vega- Expedition (Deutsche Ausgabe) 1883; p. 500. „ calcigera, Duncan u. Sladen, Echinod. Arctic Sea 1881 ; p. 5, tab. I, fig. 3—8. „ „ Ludwig, XXII. Bericht Oberh. Gesell. Natur- u. Heilk., 1883; p. 160. „ „ Bell, Journ. Roy. Micr. Soc. 1883; p. 481, tab. VIII, fig. 2. „ Jcorenii, Lampert, Seewalzen, 1885; p. 142. 5 Exemplare aus der Plover-Bai aus Tiefen von 4 — 20 Faden. Diese Art war bis jetzt nur aus dem nördlichen atlantischen Ocean und östlich bis zum Karischen Meere aus Tiefen von 4 — 25 Faden bekannt. Um so bemerkenswerther ist der neue Fundort. — In Be- zug auf die Kalkkörper dieser Art verweise ich auf die Figur 1 — 5 und bemerke dazu das Folgende. Die zweierlei Kalkkörper der Haut liegen ganz deutlich in zwei Schichten übereinander; Lütken und Marenzeller haben dies Verhältniss nicht beachtet, woraus es sich erklärt, dass auch Lampert in seiner Diagnose dieser Art nichts da- von erwähnt; allerdings haben bereits Duncan u. Sladen darauf auf- merksam gemacht; Lampert hat aber bedauerlicherweise die Publi- cation der letztgenannten Forscher nicht benutzt^). Die Kalkkörper 1) In Bezug auf das von Lampert veröffentlichte Litteraturverzeich- niss benutze ich diese Gelegenheit, den mir dort p. 293 gemachten Vor- 278 ^- LUDWIG, der Innern Schicht (Fig. 1) haben 1 — 3 Längsreihen von Löchern und sind durchschnittlich 0,33—0,4 mm lang. Die der äusseren Schicht bestehen aus einer rundlichen bis vierarmigen, durchlöcherten Scheibe (Fig. 2), deren grösster Durchmesser 0,25—0,28 mm beträgt und auf deren Mitte sich ein nach der HautoberÜäche gerichteter 0,08—0,1 mm hoher Fortsatz (Fig. 3) erhebt, welcher in ganz ähnlicher Weise wie bei vielen anderen Holothurien sich aufbaut und an seinem abgestutz- ten Aussen ende eine mehr oder weniger grosse Menge kurzer Dornen trägt. Die vier Arme der Scheibe sind manchmal sehr kurz und kaum angedeutet, manchmal aber auch erheblich länger als in dem in Fig. 2 abgebildeten Falle. Seltener kommt es vor, dass einer der vier Arme wenig oder gar nicht entwickelt ist; alsdann sieht die Scheibe dreiarmig aus. In der von Lampert versuchten Diagnose macht sich auch in dieser Hinsicht die Unkenntniss der Duncan und SLADEN'schen Beschreibung und Abbildung bemerklich. Dass Lampert auch die BELL'schen Figuren der Kalkkörper unserer Art nicht be- nutzt hat, ist bei der Kläglichkeit dieser Figuren weniger belangreich. Aber zwei andere Fehler haben sich in Bezug auf die Form der Kalk- körper in die LAMPERT'sche Diagnose eingeschlichen. « 1. Lampert beschreibt die Kalkkörper der äusseren Schicht als „rundliche oder dreieckig abgerundete" Scheiben, erwähnt aber gerade die häufigen viereckigen und vierarmigen Formen nicht, obschon Lütken und Marenzeller, deren Angaben der LAMPERT'schen Diagnose offenbar zu Grunde liegen, ausdrücklich und ganz richtig angeben, dass die betr. Kalkkörper „rundlich oder abgerundet dreieckig oder mehr oder wurf, eine BELL'sche Abhandlung in meinem Jahresbericht für 1882 falsch citirt zu haben, zurückzuweisen. Wenn Lampeet den Jahresbericht noch einmal nachsehen will, so wird er sich überzeugen, dass ich p, 205 mit der Ziffer 6 vollständig correct auf das betreifende Citat des Litteratur- verzeichnisses verwiesen habe. Da ich aber einmal an der LAMPEBx'schen Zusammenstellung der Holothurienlitteratur bin, so gestatte ich mir die Frage, weghalb in diesem Verzeichniss über ein Dutzend Abhandlungen mit der Notiz citirt werden, dass sie nichts über Holothurien enthalten ? Wenn wir anfangen wollen, in unseren Litteraturverzeichnissen auch noch diese und jene Abhandlung nur deshalb anzuführen, weil sie nach dem Titel verrauthen lassen könnte, dass sie irgend etwas über den betr. Ge- genstand enthalte, obschon sie in Wirklichkeit nichts darüber enthält, wo sollen wir dann ein Ende finden ? Hoffentlich reisst diese von Lam- pert geübte Art, ein Litteratur- Verzeichniss unnöthig anschwellen zu lassen, nicht weiter ein. Echinodermeii des Beriiigsnieeies. 279 weniger im regelmässig sternförmig" seien; mit den bei Lampekt weggelassenen Worten der LüTKEN'schen Beschreibung sind zweifellos die vierarmigen Formen gemeint. 2. Der Fortsatz auf der äusseren Fläche der in Rede stehenden Kalkkörper wird von Lampert beschrieben als „eine grosse, dreieckige Erhöhung, welche in ein paar wegstehende Spitzen endigt." Lampert hat diese Worte aus der MARENZELLER'schen Uebersetzung des in dänischer Sprache geschriebeneu LüTKEN'schen Textes entnommen und in Folge dessen einen Fehler und eine Ungenauigkeit jener Ueber- setzung sich zu eigen gemacht. Der Fehler liegt darin, dass Maren- zeller „lav" = niedrig mit „dreieckig" übersetzt hat und die Unge- nauigkeit ist darin gegeben, dass aus dem dänischen „nogle" = einige bei Marenzeller „ein Paar" geworden ist. Dazu kommt, dass Lam- pert noch das bei Lütken und Marenzeller fehlende Wort „grosse' einschiebt und dafür die Worte „kegelförmige, abgestumpfte" weglässt. In richtigerer Uebersetzung heisst die betr. Stelle bei Lütken „eine niedrige (c. 0,8 mm hohe) kegelförmige, abgestumpfte Erhöhung, welche mit einigen , nach aussen stehenden Spitzen endigt" ; und in dieser Form passen die LüTKEN'schen W^orte ganz auf meine Prä- parate. — DuNCAN u. Sladen heben im Gegensatz zu Lütken hervor, dass sie in der Anordnung der Löcher in der Scheibe der äusseren Kalkkörper keinen Plan hätten erkennen können. Dem gegenüber möchte ich darauf hinweisen, dass man sehr wohl eine gewisse Regel- mässigkeit in der Anordnung jener Löcher wahrnehmen kann. Die- selben streben stets sich in Reihen zu ordnen, welche parallel mit einer die Armspitze und die Scheibenmitte verbindenden Linie ver- laufen. — In Bezug auf die Kalkkörperchen in der Wand der Füsschen (Fig. 4 u. 5) will ich nur bemerken, dass dieselben eine durchschnittliche Länge von 0,12—0,16 mm haben. 3. Cuctimaria i^usilla n. sp. (Fig. 6 — 10). Von dieser kleinen Art, welche ich für neu halte, da ich sie mit keiner bis jetzt beschriebenen Form identificiren kann, liegen mir im Ganzen 5 Exemplare vor. Das kleinste, kaum 5 mm lange stammt aus einer Tiefe von 4—17 Faden aus dem Emma-Hafen der Ploverbai; drei andere, 5, 5,5 und 7,5 mm lange Exemplare haben keine nähere Bezeichnung des Fundortes; das fünfte, grösste Exemplar endlich ist 11 mm lang und wurde nahe der Nordwestspitze der Lorenzinsel in 10—20 Faden Tiefe auf Thonschlamm gefischt. Die Farbe ist gelb- lichweiss. Der Körper hat im contrahirten Zustande eine nach hinten 280 H. LUDWIG, etwas veijüngte, tönnchenförmige Gestalt. Die Füsschen sind auf die Kadien beschränkt; bei dem grössten Exemplare bilden sie in jedem Radius eine deutliche Doppelreihe, während sie bei den kleineren Exemplaren , namentlich in der Nähe des hinteren Körperendes eine zickzackförmige bis annähernd einreihige Stellung einnehmen. Soweit ich an dem einen (grössten) darauf untersuchten Exemplar wahr- nehmen konnte, sind 10 gleichgrosse Tentakel vorhanden. Die Glieder des Kalkringes (Fig. 6) sind etwa 1 mm hoch; die 5 Radialstücke tragen an ihrem Hinterrande je 2 kurze, schwanzförmige Anhänge; das ventrale Radialstück ist mit den beiden benachbarten Inter- radialstücken verschmolzen. Die Retractoren inseriren etwa ^ vom Vorderende. Die Geschlechtsschläuche sind lang und ungetheilt. In der ziemlich weichen Haut finden sich zwei verschiedene Sorten von Kalkkörpern (Fig. 7, 8, 9). Die einen haben die Gestalt einer läng- lichen, in der Mitte eingeschnürten, 0,12 — 0,15 mm langen Platte, welche an beiden Enden gewöhnlich nur von einer Oeffnung durch- bohrt ist; die andern sind grösser, bis 0,2 mm lang, im Ganzen oval und von zahlreichen Oeflhungen durchbohrt. Beide Arten von Kalk- körpern stimmen darin mit einander überein, dass sie an ihrer äusseren (gegen die Hautoberfläche gerichteten) Fläche sehr characteristische, niedrig - kegelförmige , stumpfe Spitzen tragen ; die grossen , ovalen Kalkkörperchen sind weit weniger zahlreich als die kleineren in der Mitte eingeschnürten und scheinen auch in der Regel in einer etwas tieferen Hautschicht zu liegen. Die Füsschen besitzen grosse, runde, durchschnittlich 0,4 mm breite Endscheiben (Fig. 10), deren glatte Oberfläche keine Spitzen trägt; ausserdem kommen in der Wand der Füsschen einige wenige Stützstäbe vor, die sich in ihrer Form an die kleineren Kalkkörper der Haut anschliessen. 4. Myriotrochus rinkii Steenstr. Lampert, Seewalzen, 1885; p. 238. 16 Exemplare, von welchem 15 in der Lorenzbai in 15 — 17 Faden Tiefe auf feinem Thonschlamm, 1 in der Ploverbai erbeutet wurden. Das bisher bekannte Verbreitungsgebiet dieser nordischen Holo- thurie reichte von Labrador und Grönland bis ins Karische Meer. Nach den darüber vorliegenden Angaben lebt die Art in Tiefen von 2 — 120 Faden, sowohl auf Lehm- als auch auf Sandboden. Oestlich vom Karischen Meere ist die Art bis jetzt nicht constatirt gewesen. I Echinodermen des Beringsmeeres. 281 II. Ech-inoidea. 5. Strang t/7 ocentrottis dröbachiensls (Mült..) A. Ag. A. Agassiz, Revis. Echini, 1872—1874; p. 162, 277, 441. V. Marenzeller, Coelent., Echinod. u. Würmer d. öst.-ung. Nordpol- Expedition, 1877; p. 29. Stuxberg, Öfvers. Vet. Ak. Förhaudl. 1878, Nr. 3; p. 29. „ in : Die wissensch. Ergebnisse d. Vega-Expedition (Deutsche Ausgabe) 1883. A. Agassiz, Challenger-Echini 1881; p. 106, 211. Blake-Echini 1883; p. 36. Bell, Proc. Zool. Soc. London 1881 ; p. 427. DuNCAN u. Sladen, EcMnod. Aretic Sea 1881; p. 21. Hoffmann, Echinoderm. des „Willem Barents" 1882; p. 14, Diese durch ihre weite Verbreitung und ihre Variabilität ausgezeich- nete Art ist schon von Brandt (Prodroraus descriptionis animalium ab H. Mertensio observatorum , St. Petersburg 1835; p. 264 und in: V. Middendorff's Reise in den äussersten Norden und Osten Si- biriens, II, 1, St. Petersburg 1851 ; p. 34) unter dem Namen Echinus chlor ocentrotus im nördlichen Theile des Stillen Oceans, nämlich an der Insel Sitcha und an der Küste von Kamtschatka, nachgewiesen worden. Die Vega fand während ihrer ganzen Fahrt durch das nörd- liche Eismeer nur diese eine Seeigelart, zuletzt auf ihrer Station 73 an der Ostseite der Taimyr- Halbinsel. Es konnte demnach nicht überraschen, dass auch in der KRAuSE'schen Sammlung der Str. drö- hachiensis durch 14 Exemplare vertreten ist; 6 derselben wurden in der Lorenzbai, 4 im Emmahafen der Ploverbai (darunter ein junges von nur 9 mm Querdurchmesser) und 2 an einem „Pooten" genannten Orte, den ich auf meinen Karten nicht finden kann, gesammelt; das drei- zehnte Exemplar (juv., nur 8,5 mm Querdurchmesser) stammt von St. Paul; das vierzehnte endlich ist ohne Fundortsangabe. Eine Tiefen- angabe findet sich nur bei den 5 Exemplaren aus der Lorenzbai, welche in 15 — 17 Faden auf feinem Thonschlamm gefischt wurden, und bei dem jungen Exemplar aus dem Emmahafen, welches aus einer Tiefe von 4—8 Faden heraufgeholt wurde. Das ganze Verbreitungsgebiet der Art erstreckt sich von der Ostküste Nordamerikas nördlich über den Smith-Sund bis 81° 41' nörd- 282 H. LUDWIG, lieber Breite, geht durch das ganze nordatlantische, nordeuropäische und nordasiatische Meer und schliesslich durch die Beringsstrasse in den nördlichen Theil des Stillen Oceans. III. OpMuroidea. 6. Ophio(jlypha nodosa (Lütk.) Lym. LüTKEN, Addit. ad hist. Ophiur. I, 1858; p. 48, tab. II, fig. 9. Lyman, Illust. Cat. Mus. Comp. Zool. I, 1865; p. 49. Stuxberg, Öfvers. Vet. Ak. Förhandl. 1878, Nr. 3; p. 34. Bibang Vet. Ak. Handl. V, 1880, Nr. 22. „ in : Die wissensch. Ergebn. d. Vega - Expedition (Deutsche Ausgabe) 1883; Abbild, p. 551. Lyman, Challenger-Ophiurae, 1882; p. 78. 39 Exemplare, Melche, soweit sie genaue Fundorts-Angaben tragen, aus der Lorenzbai und der Ploverbai stammen. Die erwachsenen Indi- viduen stimmen vollständig mit den Beschreibungen von Lütken und Lyman überein; bei den halbwüchsigen sind die intermediären Platten des Scheibenrückens weniger zahlreich als bei den erwachsenen. Die von Stuxberg in der Deutschen Ausgabe der „Ergebnisse der Vega- Expedition" veröffentlichte Abbildung gibt den Habitus der vorliegenden Art in etwas vergrössertem Maassstabe zwar gut wieder, dagegen ist die Anordnung der Rückenschilder doch zu unregelmässig gezeichnet ; in dieser Hinsicht ist die ältere, LüTKEN'sche Abbildung viel besser. Der Verbreitungsbezirk von 0. nodosa reicht nach den bis jetzt bekannten Fundorten von Neufundland, Labrador und Grönland nach Osten durch das arktische Eismeer bis zur Vega-Station 99c, also nicht ganz bis zur Beringsstrasse. Unsere Exemplare lehren, dass die Art die Beringsstrasse durchschreitet. Nach den Angaben von Lyman und Stuxberg kommt 0. nodosa in Tiefen von 2—50 Faden vor und zwar besonders auf Stein- und Sandboden, seltener auf Lehm- boden. In Bezug darauf findet sich nur bei einem der mir vorlie- genden Exemplare die Notiz, dass dasselbe in 17 Faden Tiefe auf feinem Thonschlamm gefischt wurde. Ophloiflypha sarsii (Lütk.) Lym. Lütken, Addit. ad hist. Ophiur. I, 1858; p. 42, tab. I, fig. 3,4. Lyman, lUustr. Cat. Mus. Comp. Zool. I, 1865; p. 41, fig. 2,3. Echinodermeii des Beringsmeeres. 283 Stuxberg. Öfvers. Vet. Ak. Förhandl. 1878, Nr. 3; p. 34. Bihang Vet. Ak. Handl. V, lo80, Nr. 22. „ in : Die wissensch. Ergebn. der Vega-Expedition (Deutsche Ausgabe) 1883. DuNCAN u. Sladen, EcMnoderm. Arctic Sea 1881 ; p. 60, tab. IV, fig. 3,4. Hoffmann, Echinodermen des „Willem Barents" 1882; p. 6. Lyman, Challenger-Ophiurae, 1882; p. 40. HOYLE, Bull. Mus. Comp. Zool., X, Nr. 6, 1883; p. 241. Brit. Ophiur., Proc. Roy. Phys. Soc. Edinburgh, 1884; p. 150. 9 Exemplare, welche durchschnittlich einen Querdurchmesser der Scheibe von 2 cm und eine Armlänge von 7,5 cm haben. Die näheren Angaben über die Fundorte lauten: Lorenzbai, nördl. von Lütke's Insel, in 15 — 17 Faden Tiefe, auf feinem Thonschlamm 1 Ex.; Lütke's Hafen, 3 Ex.; Emma-Hafen (Ploverbai), 2 Ex.; bei der St. Matthews- Insel, 3 Ex. Aus den oben citirten Angaben erhellt, dass 0. sarsii in Tiefen von 3—358 Faden besonders auf Lehmboden, mit Lehm vermischtem Sandboden und reinem Sandboden vorkommt und einen horizontalen Verbreituugsbezirk besitzt, welcher von der Ostküste Nordamerikas sich in nordöstlicher Richtung bis zur Taimyr- Insel erstreckt. Die vorliegenden Exemplare lehren nun aber, dass das Wohngebiet der 0. sarsii noch etwa 90^ weiter nach Osten reicht und ebenso wie 0. nodosa die Beringsstrasse durchschreitet. 8. Ophioglypha maculata n. sp. (Fig. 11 u. 12). Das einzige Exemplar dieser neuen Art stammt aus dem Emma- Hafen in der Ploverbai aus einer Tiefe von 4 — 8 Faden. Von den typischen Ophioglyphen unterscheidet es sich durch den Mangel der Papillen an den Armausschnitten der Scheibe. Indessen sind schon durch Lyman (Challenger-Ophiurae 1882 p. 71 und p. 72, pl. VII, fig. 4—6 und 13—15; sowie Bull. Mus. Comp. Zool. X, Nr. 6, 1883, p. 238 u. p. 240, pl. III, fig. 25—27 u. pl. IV, fig. 34—36) 4 Arten (0. inermis^ 0. deshayesi, 0. dbyssorum u. 0. aurantiaca) beschrieben worden , welche dasselbe abweichende Verhältniss zeigen. Es wäre vielleicht zweckmässig, daraufhin eine neue, allerdings mit Ophioglypha eng verwandte Gattung zu gründen und derselben den Namen Ophio- glyphina zu geben. Die genannten LYMAN'schen Arten sind im Uebrigen, wie schon aus einem Vergleiche der Abbildungen zu ersehen ist, von der mir vorliegenden Form verschieden. 284 H. LUDWIG, Beschreibung des einzigen Exemplares. Die Scheibe hat einen Durchmesser von 8,5 mm und ist nur wenig gewölbt. Ihr Rücken ist mit ungleich grossen Kalkschuppen bedeckt, welche mit ihren distalen Eändern dachziegelig übereinander greifen. Die Rückenmitte wird von einem kreisrunden, 1 mm grossen Centrale eingenommen; die auf das Centrale folgenden Schuppen ordnen sich zunächst in alternirende Kreise von je 5, werden aber bald in ihrer Anordnung unregelraässiger (Fig. 12). Abgesehen von dem Centrale sind die Radialschilder die grössten ; sie sind, soweit sie nicht von den anstossenden Schuppen über- lagert werden, ungefähr 1 mm lang und etwa ebenso breit ; ihre Form erhellt am besten aus der Abbildung; mit ihren einander zugekehrten Seiten stossen sie im Winkel des Armausschnittes eine kurze Strecke weit zusammen oder, richtiger gesagt, es legt sich an dieser Stelle die eine etwas über die andere. Die Armausschnitte haben die Form eines stumpfen Winkels und sind nur 0,5 mm tief. Der Rand der Scheibe ist in den interbrachialen Bezirken stumpf zugeschärft. An der Unterseite (Fig. 11) sind die interbrachialen Bezirke in ähnlicher Weise beschuppt wie der Scheibenrücken; durch ihre Grösse zeichnet sich stets diejenige Schuppe aus, welche in der Mittellinie des Inter- radius den Scheibenrand erreicht. Die Mundschilder (Fig. 11) sind schildförmig, etwa 1 mm breit und lang; die Seitenmundschilder sind schmal. Die kegelförmigen Mundpapillen, von welchen die beiden über den Zähnen stehenden am grössten sind, setzen sich in gebogener Linie in diejenigen Papillen fort, welche am abradialen Rand des ersten Tentakelporus angebracht sind; an jeder Seite einer jeden Mundspalte zählt man im Ganzen sechs Papillen, von welchen die vier distalen am abradialen Rande des ersten Tentakelporus stehen. Am adradialen Rande des ersten Tentakelporus befinden sich 5—6 ähnliche Papillen in gedrängter Reihe. Die langen Bursalspalten beginnen an den Mundschildern und reichen bis zum Scheibenrande; ihr abradialer Rand ist mit einer dichten Reihe sehr kleiner, stumpfer Körnchen besetzt. Keiner der 5 Arme ist vollständig erhalten ; die beiden längsten, denen offenbar nur ein sehr kurzes Endstück verloren gegangen ist, haben eine Länge von 2 cm (vom Austritt aus der Scheibe an gemessen). Die unteren Armplatten, von denen die vier ersten die Strecke vom Munde bis zum Scheibenrand einnehmen, werden von einander getrennt durch die in der ventralen Mittellinie des Armes zusammenstossenden Seiten- schilder. Die oberen Armplatten sind in der unteren Armhälfte zwei- mal so breit wie lang; in der äusseren Armhälfte werden sie verhält- nissmässig länger und schmäler, sodass ihre Länge ihrer Breite gleich- Echinodermen des Beiingsmeeres. 285 kommt. Die beiden ersten oberen Armplatten sind verkürzt und füllen den Armaussclinitt der Scheibe aus. Die Form der oberen und unteren Armplatten im proximalen Armabschnitte ist in Fig. 12 und 11 dar- gestellt. Die Seitenplatten tragen vier von unten nach oben rasch an Grösse zunehmende, ziemlich schlanke Stacheln ; der unterste kleinste Stachel könnte auch als eine Tentakelschuppe aufgefasst werden; der oberste reicht, wenn er dicht anliegt, bis zur Basis des obersten Stachels des nächstfolgenden Armghedes. Die Farbe der ganzen Unterseite ist ein gelbliches Weiss. Die Oberseite ist olivengrau mit ziemlich unregelmässig vertheilten, gelb- lichweissen Flecken. Einer dieser Flecken nimmt das ganze Centrale ein. Einige andere liegen regellos auf dem übrigen Scheibenrücken. An den 10 Radialschildern aber ist stets die adradiale Hälfte der- selben olivengrau, dagegen die ab radiale gelblichweiss. Auf der Ober- seite der Arme sind die gelblichweissen Flecken so angebracht, dass einzelne obere Armplatten sich von den übrigen durch ihre gelblich- w^eisse Farbe auszeichnen ; an einem Arme z. B. waren gelblichweiss die 8., 11., 14., 17., 20., 23., 26., 27. u. 28. obere Armplatte. Im Gesammtaussehen erinnert die vorliegende Form an die 0. robusta (Ayres) Lym. (vergl. die Abbildungen bei Duncan u. Sladen, Echinoderm. Arctic Sea 1881; pl. IV, fig. 5 — 7); aber es fehlen der 0. maculata die Stachelchen an den Armausschnitten und die Papillen am zweiten Tentakelporus ; auch ist die Anordnung der Mundpapillen eine andere. 9. Ophiop7ioUs aculeata (Müll.) Gray. LüTKEN, Addit. ad. bist. Ophiur. I, 1858; p. 60, tab. II, fig. 15, 16. Lyman, Illustr. Cat. Mus. Comp. Zool. I, 1865; p. 96, tab. I, fig. 4—6. Stuxberg, Öfvers. Vet. Ak. Förhandl. 1878, Nr. 3; p. 36. Bihang Vet. Ak. Handl. V, 1880, Nr. 22. „ in: Die wissensch. Ergebn. d. Vega - Expedition (Deutsche Ausgabe) 1883. Hoffmann, Echinodermen des „Willem Barents" 1882; p. 5. Lyman, Challenger-Ophiurae, 1882, p. 112. Bull. Mus. Comp. Zool. X, Nr. 6, 1883; p. 249. HoYLE, Brit. Ophiur., Proc. Roy. Phys. Soc. Edinburgh, 1884; p. 151. Ein Exemplar von St. Paul (17. October). Auch diese Art ist bis jetzt nur weiter westlich bekannt gewesen. Ihr Verbreitungsbezirk reichte nach den bisherigen Angaben von der nordöstlichen Küste Nordamerikas durch den nördlichen atlantischen Ocean bis in das 286 H. LUDWIG, Karische Meeiv woselbst die Vega-Station 50 den östlichsten Fundort bezeichnet. Ihr Vorkommen an St. Paul lässt sich durch die An- nahme erklären, dass sie auch östlich vom Karischen Meere bis zur Beringsstrasse lebe, wenn sie auch von der Vega daselbst nicht auf- gefunden worden ist. Der Fundort des vorliegenden Exemplares ist auch deshalb von Interesse, weil alle diejenigen Oj>Moj)holis- Arten , welche neuerdings ausser der längst bekannten 0. aculeata aufgestellt worden sind, der nördlichen Hälfte des Stillen Oceans angehören. Es sind das die vier Arten : 0. japonica Lym. an der Küste von Japan ; 0. mirabilis (Dun- can) Lym., an der Küste von Korea; 0. kennerlyi Lym. an der cali- fornischen Küste ; 0. caryi Lym. ebenfalls an der californischen Küste. Diese vier Arten unterscheiden sich sowohl untereinander als auch von 0. aculeata nur durch unbedeutende Merkmale, Unter diesen Umständen lässt der Nachweis der echten 0. aculeata im nördlichsten Bezirk des Stillen Oceans die Vermuthung berechtigt erscheinen, dass jene vier anderen Arten Abkömmlinge der 0. aculeata sind, welche aus ihrem nordatlantischen und arktischen Wohngebiet durch die Be- ringsstrasse in den Stillen Ocean einwanderte und hier sowohl an der westamerikanischen als auch an der ostasiatischen Küste bis etwa zum 34 ^ nördl. Breite herabrückte , dabei aber in den veränderten Lebensverhältnissen variirte und sich dadurch zu den genannten vier Arten umformte. Von St. Paul liegt mir ferner ein kleines, jugendliches Exemplar vor, welches ganz und gar mit der von Duncan (Journ. Linn. Soc. Zool. vol. XV p. 73) als PolyphoUs echinata n. g. n. sp. beschriebenen und aus dem nordatlantischen ( )cean stammenden Form übereinstimmt. Schon IjYMAN (Challenger - Ophiurae p. 1 12) hat in der PolyphoUs echinata eine jugendliche 0. aculeata erblickt. Ich schliesse mich dieser Auffassung auf Grund des mir vorliegenden Exemplars an und thue dies um so mehr, als mir noch ein anderes etwas grösseres Exemplar zur Hand ist, welches einen Uebergaug von der als PolyphoUs echinata beschriebenen Form zu der erwachsenen 0. aculeata darstellt; auch möchte ich zum Vergleich mit der „PolyphoUs echinata" auf das schon von LüTKEN (1. c. Fig. IG) abgebildete Jugendstadium der 0. aculeata hinweisen. Echinodermen des Beringsmeeres. 287 10. Amphiura sundevalli (M. u. Tr.) Lj. Amphiura holböUi, Lütken, Addit. ad hist. Ophiur. I, 1858; p. 55, tab. II, fig. 13a,b. „ „ Lyman, Illustr. Cat. Mus. Comp. Zool. I, 1865; p. 118. „ „ DuNCAN u. Sladen, Echinodemi. Arctic Sea 1881 ; p. 67, tab. IV, fig. 15—17. „ sundevalli, Ljungman, Ophiur, viv., Öfvers, Vet. Ak. För- handl. 1868, Nr. 9; p. 320. „ „ Stuxberg, Öfvers. Vet. Ak. Förh. 1878, Nr. 3 ; p. 37. „ „ Bihang Vet. Ak. Handl. V , 1880, Nr. 22; p. 24. „ „ „ in : Die wissensch. Ergebn. d. Vega- Expedition (Deutsche Ausg.) 1883; p. 508. „ „ Lyman, Challenger-Ophiurae, 1882 ; p. 143. Ein Exemplar aus der Plover-Bai, woselbst dasselbe im Emma- Hafen in einer Tiefe zwischen 4 und 17 Faden erbeutet wurde. Bis jetzt war diese Art von Grönland an weiter östlich bis zur Vega- Station 68 aus Tiefen von 5 — 50 Faden bekannt; die erwähnte Vega- Station liegt etwa 7 " östlich vom Kap Tscheljuskin. Unser Exemplar rückt also die Grenze des Wohngebietes der Art um etwa 75*' weiter nach Osten und beweist, dass auch diese Art die Beringsstrasse durch- schreitet. 11. Asterias acervata Stimps. Stimpson, Proc. Boston Soc. Nat. Hist. VIII, 1862; p 271. Von dieser Art, welche durch Stimpson aus der Beringsstrasse aus einer Tiefe von 5 — 15 Faden bekannt geworden ist, liegen eine Anzahl von Exemplaren vor, deren grösstes 17,5 cm misst. Nach den Fundorten vertheilen sich die vorliegenden Exemplare folgendermaassen : 2 Ex. aus der Lorenzbai; 1 erwachsenes und 1 ganz junges Ex. aus dem Emmahafen der Ploverbai; 1 Ex, von der St. Matthews - Insel ; 1 Ex. nordwestlich von der St. Matthews - Insel aus einer Tiefe von 25 Faden; 1 Ex. von der St. Pauls-Insel; 3 Ex. ohne nähere Fund- ortsangabe, aus einer Tiefe von 23—25 Faden; alle diese Exemplare sind sechsarmig; ferner 1 fünfarmiges Exemplar von der St. Pauls- Insel. 288 H. LUDWIG, Demnach scheint A. acervata im Beringsmeere häufig zu sein. Sie steht in naher Verwandtschaft zu der an der Küste von Kamt- schatka lebenden Ä. camtschatica Brandt (vergl. Brandt, Prodroraus descriptionis animalium ab H. Mektensio observatorum , St. Peters- burg 1835 ; p. 270 und in : v. Middendorff's Reise in den äussersten Norden und Osten Sibiriens II, 1 St. Petersburg 1851; p. 32; vergl. ferner Grube, Beschreibungen neuer oder weniger bekannter See- sterne und Seeigel, in: Nova Acta, XXVII, 1857; p. 23) und zu der neuerdings von Duncan u. Sladen (Echinod. Arctic Sea, 1881, p. 23) aus dem nordatlantischen Eismeer genauer beschriebenen A. polaris (M. u. Tr.) Verr. Stuxberu erwähnt die A. camtschatica auch von der an der Nordseite der Tschuktschen-Halbinsel gelegenen Station 99 c der Vega (vergl. Wissensch. Ergebu. d. Vega - Expedition , Deutsche Ausgabe, 1883 ; p. 513). Da es mir an Vergleichs-Material fehlt, so kann ich es nur als Vermuthung aussprechen, dass sich bei weiteren Nachforschungen die A. acervata Stimps. als identisch mit der cam- tschatica Br. herausstellen wird. Auch will es mir scheinen als wenn die vom Perrier beschriebene A. douglasi (vergl. Perrier, Revision des Stellerides, 1875; p. 69) nicht wesentlich verschieden sei von der A. acervata Stimps. 13. Asterias crlbraria Stimps. Stimpson, Proc. Boston Soc. Nat. Hist. VIII, 1862; p. 270. Perrier, Revision des Stellerides, 1875; p. 65. Diese bis jetzt nur nördlich von der Beringsstrasse aus einer Tiefe von 20-30 Faden bekannte Art kommt nach den vorliegenden Exemplaren auch südlich von der Beringsstrasse vor. Das grösste Exemplar (6,5 cm gross) stammt von der St. Matthews - Insel , die 7 übrigen Exemplare aus der Lorenzbai. Unter diesen letzteren be- findet sich ein 5 cm grosses, welches nur 4 Arme besitzt, während alle anderen fünfarmig sind. Abgesehen von dem vierarmigen Indi- viduum sind die Exemplare aus der Lorenzbai junge Thiere, welche eine Grösse von 2 bis 3,3 cm haben. Bei 5 Exemplaren ist die Tiefe und Bodenbeschaffenheit angegeben; erstere beträgt 15—17 Faden, letztere wird als „feiner Thonschlamm" bezeichnet. 13 a. Asterias sp. Mehrere Exemplare einer dritten Art dieser Gattung liegen mir vor. Icli liabe mich vergeblich abgemüht, dieselbe mit einer der bis jetzt aus dem nördlichen Eismeer, sowie aus den nördliclien Gegenden Echinodermen des Beringsmeeres. 289 des pacifisclien Meeresgebietes bescliriebenen Arten zu ideiitificireii. Es wäre demnach möglich, dass wir es mit einer bisher unbekannten Art zu thun hätten. Da aber die nordpacifischen Ästerias- krten einer sorgfältigen Revision an der Hand von Originalexemplaren dringend bedürftig sind, so kann ich mich nicht entschliessen, zu der vorhan- denen Unklarheit in der Unterscheidung der Ästerias- Arten , die mir durch Bell's (Proceed, Zool. Soc. 1881 ; p. 492) darauf gerichteten Versuch keineswegs beseitigt zu sein scheint, durch Aufstellung einer n. sp. beizutragen. Für denjenigen, welcher sich einmal der mühe- vollen Arbeit unterziehen will, die Ästerias-Arten in sorgfältiger Weise kritisch zu revidiren, genügt die Mittheilung, dass Exemplare einer noch nicht bestimmten Ästerias -Art aus dem Beringsmeere in den Städtischen Sammlungen für Naturgeschichte zu Bremen aufbewahrt werden. Es sei nur noch bemerkt, dass die in Rede stehende Form fünfarmig ist und die Eier an der zusammengebogenen Unterseite (ähnlich wie z. B. Ä. mülleri) trägt. 13. Crihrella oculata (Linck) Forb. DuNCÄN u. Sladen, Echinod. Arctic Sea 1881 ; p. 32, tab. II, fig. 18—21. Sladen, Asteroidea of the „Triton", Transact. Roy. Soc. Edin- burgh XXXII, 1883; p. 159. Danielssen u. Koren, Norske Nordhavs-Expedition, Asteroidea, 1884; p. 34. Echinaster eschricJitii, Brandt, in: v. Middendorpp's Reise in den äussersten Norden und Osten Sibiriens II, 1, 1851; p. 32. Echinaster sanguinoUntus , Hoffmann, Echinod. d. „Willem Ba- rents" 1882; p. 12. Echinaster sanguinoUntus^ Stuxberg, in: Die wissensch. Ergebn. d. Vega-Expedition (Deutsche Ausgabe) 1883. Ein Exemplar aus der Metschigmenbai, aus einer Tiefe von 5 — 12 Faden; der grosse Radius misst 33, der kleine 10 mm. Die Art ist längst als eine charakteristische Form des Eismeeres bekannt. Von der Nordostküste Amerikas reicht ihr Verbreitungsgebiet durch den nördlichen atlantischen Ocean und das nordasiatische Eismeer bis zu der nahe an der Beringsstrasse gelegenen Station 99 c der Vega. Aus dem Ochotskischen Meere ist sie bereits im Jahre 1851 durch Zoolog. Jahrb. 1. j g 290 H LUDWIG, Brandt bekannt geworden. Sonach hat ihr Vorkommen im Berings- meere nichts Ueberraschendes. 14. Ctenodiscus krausei n. sp. (Fig. 13—16). Von der Gattung Ctenodiscus M. u. Tr. sind bis jetzt nur zwei Species bekannt : Ct. corniculatus (Linck) Perrier und Ct. australis LüTKEN. Die erstere ist eine der charakteristischsten Formen des nord- atlantischen Eismeeres ; sie erstreckt ihr Wohngebiet von der Ostküste Nordamerikas über Grönland, Spitzbergen, Novaja Semlja östlich bis ins Karische Meer und ist zuletzt ausführlich von Duncan u. Sladen (Echinod. Arctic Sea 1881; p. 49, tab. III, fig. 17-20) beschrieben worden (genauere Angaben über die Verbreitung finden sich auch bei Danielssen u. Koren, Norske Nordhavs-Expedition, Asteroidea, 1884; p. 83). Ct. australis hingegen gehört dem antarctischcn Meere an ; (vergl. LtJTKEN, Vidensk. Meddelels. Naturh. Forening, 1871; p. 238; ferner Studer, Verzeichn. d. von der „Gazelle" gesanim. Ästenden und Euryalideu, 1884; p. 42). Von beiden unterscheidet sich die neue in zwei Exemplaren vorliegende Art aus dem Beringsmeere , welche ich zu Ehren der beiden Forschungsreisenden, der Herren Dr. Arthur und Aurel Krause benenne. Beide Exemplare wurden südöstlich von St. George in einer Tiefe von 30 m erbeutet. Da Ct. australis sich nur durch die gröberen, weniger zahlreichen und mit mehr (15—20) Stachelchen besetzten Paxillen von Ct. corni- culatus unterscheidet, so beschränke ich mich im Folgenden auf eine Vergleichung meiner neuen Art mit der zuletzt genannten. Dabei muss ich die Bemerkung vorausschicken, dass mir keine Exemplare von Ct. corniculatus zur Verfügung stehen und ich mich deshalb nur auf die in der Litteratur vorhandenen Beschreibungen und Abbildungen beziehen kann. In der Grösse stimmen beide Exemplare von Ct. krausei mitein- ander überein ; sie haben eine grösste Länge von 34 mm ; der grosse Radius misst 18 mm, der kleine 9,5 mm. Sie schliessen sich also in dieser Hinsicht an die von Ct. corniculatus bekannten Verhält- nisse an. Die Paxillen des Rückens tragen gewöhnlich 6—8 kurze Stachel- chen, von denen eines oben auf der Mitte der Paxille, die übrigen rings um jenes mittlere angeordnet sind. Bei Ct. corniculatus geben DuNCAN u. Sladen die Zahl der Stachelchen auf den Paxillen auf Echinodeimen des BeriiigsmeereS. 291 5—10 an. Ganz ähnlich wie bei Ct. corniculatus sind die Paxillen auf der Rückenmitte kleiner und dichter zusammengedrängt, und es erhebt sich an dieser Stelle die Rückenhaut zu einem kurzen, kegel- förmigen Vorsprung. Auch darin stimmt der Rücken von Ct. Jcrausei mit Ct. corniculatus überein, dass er im Ganzen etwas gewölbt ist. Ein bemerkenswerther Unterschied bezüglich der Rückenhaut beider Arten ergiebt sich erst dann, wenn man die Insertion der Paxillen untersucht. Bei Ct. corniculatus geben nämlich Duncan u. Sladen an, dass sich in der Rückenwand ein compactes Netzwerk kalkiger Skelettheile befinde , welches die Paxillen trägt. Diese Angabe steht nicht ganz im Einklang mit dem Bau der Rückenhaut, wie man den- selben bei anderen Astropectiniden zu finden gewohnt ist (vergl. ViGuiER, Squelette des Stellendes, Arch. de zool. exp6r. VII, 1878; p. 225 — 234); denn dort sind es die Paxillen selbst, welche durch Verbreiterung und Aneinanderlagerung ihrer basalen Enden das Netz- werk in der Rückenhaut zu Stande bringen. Indessen wenn man auch annimmt, dass Duncan u. Sladen nicht behaupten wollen, es sei jenes Netzwerk bei Ct. corniculatus aus besonderen Skeletstücken auf- gebaut, so geht doch aus ihrer Beschreibung hervor, dass ein Netz- werk in der Rückenhaut von Ct. corniculatus überhaupt vorhanden ist. Bei Ct. krausei aber fehlt ein solches vollständig; die Paxillen verbreitern sich zwar an ihrem basalen Ende zu einer Fussscheibe, welche etwa doppelt so breit wie die Paxille selbst ist ; aber diese Fuss- scheiben berühren sich nicht, sondern bleiben stets durch skeletfreie Zwischenräume von einander getrennt. Die Zahl der oberen (und unteren) Randplatten beträgt an jedem Arme der beiden Individuen jederseits 10. Bei 0^. corniculatus zeichnen Duncan u. Sladen 11—13; Müller u. Troschel (System der Aste- riden 1842; p. 76; Ct. polaris = corniculatus) und Lütken (1. c.) geben 12 an; M. Sars dagegen fand, dass bei besonders grossen Exemplaren die Zahl der Randplatten auf 16 — 18 steigt (Overs. af Norges Echinod. 1861 ; p. 26; Ct. crispatus = corniculatus). Unter diesen Umständen ist es leicht möglich, dass auch bei Ct. krausei mehr als 10 Randplatten auftreten können und sonach die Zahl der Randplatten kein sicheres Merkmal zur Unterscheidung beider Arten abgiebt. Dies gilt um so mehr, wenn man die Beobachtungen v. Marenzeller's über die mit dem Wachsthum Hand in Hand gehende Vermehrung der oberen Rand- platten bei der Gattung Ästropecten mit in Betracht zieht (vergl. V. Marenzeller, Revision adriat. Seesterne in : Verhdl. zool. bot. Gesell- 19* 292 H- LUDWIG, Schaft Wien 1875; p. 364). Anders liegt die Sache, wenn man die Bestachelung der Randplatten ins Auge fasst. Der grössere Stachel, welcher auf dem oberen Rand der oberen Randplatten steht, sowie der ähnliche Stachel, welcher auf der unteren Randplatte dort einge- lenkt ist, wo ihre Aussenfläche sich ventralwärts zu wenden beginnt, verhalten sich zwar wie bei Ct. corniculatus. Jedoch die kleineren Stachelchen , welche rechts und links von der mittleren Läugsleiste der Randplatten in einer Reihe übereinander stehen, sind viel kleiner und zahlreicher als bei Ct. corniculatus; in den Armwinkeln zählt man zwischen je einem oberen und unteren Stachel in jeder Reihe etwa 20 kleinere Stachelchen, also etwa doppelt so viel als bei Ct. corniculatus; von diesen 20 Stachelchen gehören etwa 15 der oberen Randplatte, 5 der unteren Randplatte an (vergl. Fig. 14 und die citirten Abbildungen von Duncan u. Sladen). Hinter der soeben be- sprochenen, von aussen mit blossem Auge sichtbaren Stachelchenreihe besitzen die Randplatten eine abgeschrägte Fläche, welche von einer weichen Haut bekleidet ist, die sich in 3—4 parallele Längsfalten legt. Jede derartige Längsfalte umschliesst nun in ihrem Inneren eine Längsreihe sehr feiner, flach zusammengedrückter, kleinster Stachel- chen, deren Form und Grösse aus Figur 15 und 16 erhellt. Ob diese Längsfalten mit ihren kleinsten Stachelchen auch bei Ct. corniculatus vorkommen , bedarf einer weiteren Untersuchung. Eine solche würde auch zu zeigen haben, ob der schon von Agassiz versuchte Vergleich der zwischen den Randplatten der Astropectiniden befindlichen Strassen mit den Saumlinien (Semiten) der Spatangiden sich durchführen lässt (vergl. A. Agassiz, North American Starfishes, 1877; p. 119). An der Spitze der Arme schiebt sich zwischen die letzten Rand- platten eine grosse Terminalplatte ein , welche in ihrer Gestalt ganz mit derjenigen von Ct. corniculatus übereinstimmt. Ich verstehe aber nicht, weshalb Duncan u. Sladen die Terminalplatte von Ct. corni- culatus aus einer Verschmelzung oberer Randplatten entstehen lassen. Nach Allem, was wir über die Entstehung der Skelettheile der See- sterne bis jetzt wissen, scheint mir gar kein Grund zu einer solchen Annahme vorhanden zu sein; vielmehr muss man, solange nicht be- stimmte Beobachtungen uns eines anderen belehren , annehmen , dass auch bei Ctenodiscus, wie bei anderen Seesternen, die Terniinalplatte von Anfang an als ein unpaares Gebilde auftritt. Vielleicht ist die betreifende Angabe von Duncan u. Sladen nur eine unbeabsichtigte Reminiscenz an eine Stelle bei Lütken, wo dc^rsolbe ghüclifalls die Echinodermen des Beringsmeeres. 293 Terniinalplatte für eine Vereinigung von zwei oberen Randplutten er- klärt (vergl. LüTKEN Overs. over Grönlands Echinoderm. , 1857 ; p. 46). Bei Ct. corniculatus geben die verschiedenen Autoren nirgends etwas über die Lage der Geschlechtsöffnungen an. Ich möchte aber vermuthen, dass dieselben (an Spiritusexemplaren) ebensoleicht zu sehen sind, wie das bei Ct. Jcrausei der Fall ist. Hier liegen sie in der Rückenhaut der Scheibe, dicht über den oberen Randplatten, und zwar befinden sich deren in jedem Interradius zwei. Eine jede ist ge- nau über dem Zwischenraum zwischen der ersten und zweiten Rand- platte angebracht, also von ihrem Partner durch die Breite zweier oberen Randplatten getrennt. An der Unterseite (vergl. Fig. 13) unterscheidet sich Ct. Jcrausei fast nur darin von Ct. corniculatus, dass die Schuppenreihen, welche die interbrachialen Felder zwischen den unteren Randplatten und den Adambulacralplatten einnehmen, schon an der vierten unteren Rand- platte aufhören, während sie bei Ct. corniculatus sich viel weiter nach der Armspitze hin erstrecken (vergl. Duncan u. Sladen, 1. c, fig. 18, 19 und ViGuiER, 1. c, tab. XV, tig. 15). Nach ViGUiER (1. c. p. 79, p. 227) soll bei Ct. corniculatus der erste Wirbel nicht aus der Verwachsung der zwei, sondern der drei ersten Ambulacralstücke gebildet sein. Da ich schon früher in einem anderen Zusammenhang (Zeitschr. f. wissensch. Zool. XXXII, p. 678) die Ansicht vertreten habe, dass diesem Befunde nicht entfernt die- jenige Bedeutung beizumessen ist, welche der genannte Forscher ihm beilegt, so unterliess ich es nicht, an einem der beiden Exemplare von Ct. krausei die Zusammensetzung des sog. ersten Wirbels zu unter- suchen. Ich konnte mit Leichtigkeit feststellen, dass bei Ct. krausei das dritte Ambulacralstück ebensowenig wie bei anderen Asterien in die Bildung des sog. ersten Wirbels eintritt. Die von Viguier für Ct. corniculatus angegebene Verwachsung zwischen dem ersten (aus den beiden ersten Ambulacralstücken gebildeten Wirbel) und dem dritten Ambulacralstück ist bei Ct. Jcrausei nicht vorhanden. 15. Pteraster aporus n. sp. Von allen bis jetzt bekannten Pteraster-Arten (militaris M. u. Tr., pulvillus M. Sars, multipes M. Sars, capensis Gray, cribrosus v. Mart., danae Verr., afßnis Smith, rugatus Slad., stellifer Slad., semireticu- 294 H. LUDWIG, latus Slad., carihhaeus Perr.) unterscheidet sich das einzige mir vor- liegende Exemplar, welches leider keine nähere Fundortsangabe trägt, in auftauender Weise durch den Mangel der von Sladen sogenannten Oscular-Mündung in der supradorsalen Haut (vergl. wegen dieser und einiger anderen im Folgenden gebrauchten Bezeichnungen: Sladen, Asteroidea of the „Challenger"- Expedition [Prelimin. Not.], Part. I, Pterasteridae ; in: Journ. Linn.Soc. vol. XVI, 1882; p. 191). Wenn nicht alle anderen Merkmale mit denjenigen der Gattung Pteraster überein- stimmten, könnte man sich versucht fühlen, auf den erwähnten Maugel einer sog. Oscular-Mündung eine neue Gattung zu gründen. Indem ich eine nähere Besprechung der Organisation dieser neuen Art und eine Beschreibung der in zahlreicher Menge in ihrem Brut- raume aufgefundenen Jugendforraen an einem anderen Orte zu geben beabsichtige, begnüge ich mich hier mit einer kurzen Schilderung, aus welcher die Verschiedenheit von den bis jetzt bekannten Arten er- sichtlich werden soll. Der Scheibenradius beträgt 35 mm, der Arm- radius 98 mm. Da, wo die Arme von der Scheibe abgehen, haben sie eine Breite von 40—42 mm. Scheibe und Arme sind etwas abge- plattet. Die Supradorsalmembran ist ziemlich dick , weich , mit ge- runzelter Oberfläche, aus welcher keinerlei Kalkstachel hervorragen; in ihrer äussersten Lage findet man bei mikroskopischer Untersuchung zahlreiche netzförmige Kalkkörperchen , auf deren Aussenfläche sich kleine spitze Stachelchen erheben. Die Paxillen, welche die Supra- dorsalmembran tragen, bestehen aus einem 2 — 3 mm langen Stiel, auf dessen oberem Ende in der Regel vier viel dünnere , bis 5 mm lange Stacheln eingelenkt sind. Auf der inneren Rückenhaut sind die Paxillen in Abständen von durchschnittlich 3 mm inserirt. Das Kalknetz der inneren Rückenhaut, auf dessen Knotenpunkten die Paxillen stehen, ist aus länglichen Kalkplatten gebildet, die sich an den Knoten- punkten des Netzes zum Theil dachziegelig übereinander lagern. Im nächsten Umkreis der grossen, in den Brutraum mündenden After- öflFnung stehen einige auffallend dicke Paxillen, welche auf ihrem oberen Ende eine grössere Anzahl von Stacheln tragen. An der Unterseite des Seesterns zählt man an jedem Arme über 50 Füsschenpaare und eine entsprechende Anzahl Querflossen. Der nach aussen von letzteren gelegene Randsaum ist so breit, dass er bis zum Rand der Arme reicht. Alle Stacheln des Randsaumes und der Querflossen sind ihrer ganzen Länge nach von der ziemlich dicken und weichen Haut um- hüllt. In jeder Querflosse liegen 8 — 9 Stacheln, von welchen die beiden innersten, der Ambulacralfurche zunächst stehenden sehr schwach und Echinodermen des Beringsmeeres. 295 viel kürzer sind als die 6 — 7 äusseren, welche kräftig und unter sich fast gleich gross sind. Zwischen den Querflossen erkennt man die grossen, mit klappciiförmiger Aperturpapille ausgestatteten Segmental- öffnungen. Am Munde trägt jedes Mundeckstück eine Mundflosse, welche von sechs Stacheln („eigentliche Mundstacheln" Sladen) ge- stützt wird und sich mit ihrem Partner nicht verbindet; nach aussen von dieser Mundflosse steht auf jedem Mundeckstück ein leicht ge- bogener, ungemein kräftiger einzelner Stachel, der gleichfalls von weicher Haut überzogen ist („secundäre Mundstacheln" Sladen). Erklärung der Figuren. (Tafel VI.) Fig. 1 — 5. Kalkkörper von Cucumaria calci'gera ; llO/l. Fig. 1 — 3. Kalkkörper aus der Haut; 1 aus der unteren Lage, 2 und 3 aus der oberen Lage ; 2 von unten gesehen ; 3 von der Seite gesehen. Fig. 4 u. 5. Kalkkörper aus der Wand der Füsschen; 4 von unten; 5 von der Seite. Fig. 6. Ein Theil des Kalkringes von Cucumaria pusilla ; ver- grössert. n. das ventrale Eadialstück und die beiden benachbarten, damit verwachsenen Interradialstücke ; b. ein Eadialstück ; c. ein Interradialstück. Fig. 7 — 10. Kalkkörper von Cucumaria pusilla; 125/1. Fig. 7 u. 8. Zwei der kleineren Kalkkörperchen der Haut; Ansicht der äusseren Fläche. Fig. 9. Eines der grösseren Kalkkörperchen der Haut; Ansicht der äusseren Fläche. Fig. 10. Endscheibe eines Füsschens. Fig. II. Ein Theil der Rückenseite von Ophioglypha macutala ; 8/1. a. die Centralplatte ; h, b. die Radialscbilder ; c obere Armplatte. 296 ^' LUDWIG, Echinodermen des Beringsmeeres. Fig. 12. Ein Theil der Bauchseite von Ophioglypha maculata ; 8/1. Fig. 13. Ein Theil der Bauchseite von Ctenodiscus krauset, nach einem getrockneten Präparate gezeichnet; 4/1. Fig. 14. Ansicht einer oberen und unteren Randplatte (im Arm- winkel); 5/1. a, a. die beiden Flächen, welche die hier entfernten Haut- falten und kleinsten Stachelchen tragen ; b. der obere, c. der untere Randstachel. Fig. 15. Eines der kleinsten Stachelchen aus den Hautfalten der Randplatten, von der Fläche gesehen; 120/1. Fig. 16. Dasselbe von der Kante gesehen. Ueber die Kalkschwämme Menorcas. Beitrag zur Spongienfauna des Mittelmeers. Von Paiü Lackschewitz, Conserv. am Zool. Museum d. Kais. Uuiv. Dorpat. Hierzu Tafel VII. Das Material, das mir bei Bearbeitung der menorquinischen Kalk- schwämme vorlag, ist von Herrn Prof. Dr. M. Braun während des Frühjahrs und Sommers 1883 gesammelt worden. Als Conservirungs- flüssigkeit wurde absoluter Alcohol benutzt, mit dem die Schwämme direct behandelt wurden. Später wurden sie durch Färbung mit ammoniakalischem Carmin und Einbettung in Paraffin zum Schneiden und zur microscopischen Untersuchung vorbereitet. Ausserdem wurden Nadelpräparate angefertigt durch Maceration von Schwammstücken in Eau de Javelle oder einer schwachen Aetzkali-Lösung. Ich fühle mich verpflichtet, an dieser Stelle Herrn Professor Dr. M. Braun für die Liebenswürdigkeit, mit welcher er mir sein reichhaltiges Material an Kalkschwämmen zur Verfügung stellte, und für die Unterstützung, welche er mir bei Beschaffung der nöthigen Literatur zu Theil werden Hess, meinen innigsten Dank auszusprechen. Obgleich die Calcispongienfauna des Mittelmeers am genausten untersucht und am besten bekannt ist, so fehlten bisher doch in der Literatur Angaben über die Balearen. Unter den 15 Kalkschwämmen, die mir aus Menorca vorlagen, fanden sich 5 Arten, die aus dem Mittelmeer noch nicht bekannt waren. Es sind folgende: Leucosolenia canariensis H., Leucosol. minoricensis nov. sp., Leuconia pumila Bow., Leuconia halearica nov. sp. und Leuconia rodriguezii nov. sp. Die Zahl der aus dem Mittelmeer bekannt gewordenen Arten be- trägt demnach 32. 298 PAUL LACKSCHEWITZ, Was das System anbetrifft, so schliesse ich mich in dieser Arbeit dem von Polejaeff in seinem „Report on the Calcarea dredged by H. M. S. Challenger during the years 1873—76" aufgestellten an, dem auch R. von Lendenfeld, wenigstens in den Hauptsachen, ge- folgt ist. Die von R. v. Lendenfeld vorgeschlagene Eintheilung der Asconiden, Syconiden und Leuconiden in die bekannten sieben Genera nach HAECKEL'schem Princip habe ich nicht angenommen , da jene, wie ihr Urheber selbst zugiebt, nur provisorisch sein soll, sondern vereinige die hierher gehörigen Arten unter die PoLEJAEFP'schen Gattungen Leucosolenia, Sycon und Leuconia, Verzeiclmiss der Ton mir benutzten Literatur: 1. Häeckel, Ernst, Die Kalkschwämme. Berlin 1872. 3 Bde. 2. Keller, 0., Untersuchungen über die Anatomie und Entwicklungs- geschichte einiger Spongien. Basel 1876. 3. VON Lenbenfeld, Dr. E.., A Monograph of the Australian Sponges. The Morphology and Physiology of the Sponges in : Proceedings Lin- nean Society New Southwales 1884. Vol. 9. P. 1 p. 121—154 P. 2. p. 310—344. 4. VON Lendenfeld, Dr. R., Die Verwandtschaftsverhältnisse der Kalkschwämme in: Zool. Anzeiger 1885 Jahrg. 8 No. 192 p. 211 — 215. 5. Metschnikoff, Elias, Spongiologische Studien in : Zeitschrift für wissensch. Zoologie, Bd. 32, 1879 p. 349. 6. Polejaeff, N., Report on the Calcarea dredged by H. M. S. Chal- lenger during the years 1873 — 1876 in: Zool. Chall. Rep. Part. XXIV 1883. 7. Polejaeff, IsT. Ontrn> ecTecTBeHimoii CHeieMti uiiBecTKOBMHi ryöoKt. C. Ilexepöypn. 1885. 8. Schmidt, 0., Die Spongien des adriatischen Meeres. Leipzig 1862. 9. Schmidt, 0., Supplement der Spongien des adriatischen Meeres. Leipzig 1864. 10. Schmidt, 0., Zweites Supplement der Spongien des adriatischen Meeres. Leipzig 1866. 11. Schmidt, 0., Vorläufige Mittheilungen über die Spongien der grönländischen Küste in : Mittheil, des naturwiss. Vereines für Steiermark. IL Bd. 1869 p. 89. 12. Schulze, F. E., Ueber den Bau und die Entwicklung von Sycandra raphanus in: Zeitschr. f. wissensch. Zool XXV. Suppl. 1875. p. 247. 13. Vosmaer, G. C. J., Ueber Leucandra aspera H. in: Tijdschrift der Nederlandsche Dierk. Vereeniging V. D. 3. Afl. 1881. p. 144. 14. Vosmaer, G. C. J., Report on the Sponges dredged up in the Arctic Sea by the ,, Willem Barents" in the years 1878 and 1879 in: Nederl. Archiv für Zool. SuppL L 1881 — 1882. 15. Vosmaer, G. C. J, Dr. H. G. Bronns Classen und Ordnungen des Thier-Reichs. Bund 2. Porifera Lief. 1—11. 1882—1885. Ueber die Kalkschwämme INTcnorcas. 290 Calcispongiae. Spongien mit Kalkskelet. 1. Ordo: Homocoela Polejaeff. Kalkschwämme, (leren Entoderm ausschliesslich aus Kragenzellen besteht. 1, Fam. Äsconidae Cl. {Äscones Haeckel). Homocoela mit ein- fachem sackförmigem Magen, dessen Wand von unbeständigen Paren- chym-Lücken und nicht von bleibenden selbstständigen Canälen durch- setzt ist. Genus: Leucosolenia Bowerbank. 1. Leucosolenia pritnordialis Haeckel. S y n. : .Lscellu primordialis H. Die meisten Exemplare sind flache, polsterförmige Stöcke von 10 — 40 mm Durchmesser, ohne Mundöffnungen {Auloplegma primor- diale H.). Seltener sind Stöcke mit gemeinsamen Mundöö'nungen. Die Form der Dreistrahler ist regulär. Die Länge der Schenkel beträgt 0'8— 0-13 mm, die Dicke derselben O'OOö — 0*01 mm. var. protogenes Haekel. Spicula von gleicher Grösse, eine ein- fache Schicht im Mesoderm bildend. Gastralfläche nicht fächerig. var. dictyoides. Haeckel. Syn. Ascella dictyoides R. v. Lendenfeld. Spicula von gleicher Grösse, in mehrfacher Schicht im Mesoderm vorhanden. Gastralhöhle nicht fächerig. — R. von Lendenfeld trennt diese Form von Äsceita primordialis. Da ich jedoch alle Uebergänge zur var. protogenes, und oft am selben Stock angetroÖen habe, halte ich sie doch nur für eine Varietät von Äscetta primordialis H. Farbe: in Alcohol weiss. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon; Bucht Alcanfa an der Westküste von Menorca. Einer der verbreitetsten Kalkschwämme ; bisher bekannt aus dem Mittelmeer, Atlantischen Ocean , Rothen Meer, Indischen Ocean, Küste von Australien, Pacifischen Ocean. 2. Leucosolenia clathrus 0. Schmidt. Syn: Granlia clathrus 0. Schmidt. Ascetta clathrus Haeckel. Mir liegen 2 mundlose Auloplegma-'^VdckQ von 30 — 35 mm Durch- messer vor. Das lockere Geflecht wird von engen schlanken Röhren 300 PAUL LACKSCHEWITZ, gebildet. Beide Stöcke gehören zur var. maeandrina Haeckel. Das Entoderra ist verdickt, aus mehreren Zelllagen bestehend. Die für die var. clathrina H. characteristischen Septa fehlen. Dreistrahler regulär mit schlank cylindrischen Strahlen, die zuweilen schwach wellenförmig gebogen sind. Die Spitzen ein wenig köpfchenförmig angeschwollen. Länge der Schenkel 0.08—0.1 mm, Dicke 0.005—0.006 mm. Farbe: in Alcohol gelb. Fundort: Hafen von Mahon. Bisher aus dem Adriatischen Meer und aus dem Golf von Neapel bekannt. 3. Leucösolenia blanca Miklucho-Maclay. S y n. : Guancha blanca Miklucho-Maclay. Ascetta binnen Haeckel. Unter den wenigen Exemplaren, die mir aus Menorca vorliegen, finden sich einige, die als einzelne Individuen aus einem spindelförmigen Schlauch von 2 mm Länge mit nackter Mundöfifnung bestehen {Olyn- thus hlancus H.). Ein Exemplar ist ein monoblaster Nardorus-^tock mit einer gemeinsamen Mundöfifnung, und andere besitzen mehrere nackte Mündungen {Soleniscus hlancus H.). Bei letzteren Exemplaren theilt sich der gemeinsame schlanke Stiel des Stockes in dünne, zier- lich gebogene Aeste. Alle Exemplare gehören der var. guancha H. an. Der Basalstrahl der Dreistrahler ist 1'/^ — 2 mal so lang als die lateralen. Strahlen cylindrisch, grösstentheils gerade. Im Stiel linden sich Dreistrahler, deren Lateralstrahlen hornförmig gewunden sind, während der Basalstrahl gerade erscheint. Länge des Basal- strahles 0.08—0.1 mm. Länge der Lateralstrahlen 0.04 — 0.06 mm. Dicke der Schenkel 0.004—0.005 mm. Farbe: in Alcohol grau. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. Bekannt aus dem Golf von Neapel, von den Azoren, den Canari- schen Inseln, der Küste von Brasilien und von den Philippinen. 4. Leucösolenia canariensis Haeckel. S y n. : ^senilis canariensis Haeckel. Taf. YII Fig. 1. Alle Exemplare, die mir aus Menorca vorliegen, sind polster- förmige, polyblaste Stöcke von 15—20 mm Durchmesser und von 5 — 8 mm Dicke. Diese Stöcke besitzen ausnahmslos keine Mund- öffnungen , sind aber mit einem oder mehreren Pseudostomeu ver- Ueber die Kalkschwämme Menorcas. 301 sehen, die in die Lücken des Canalsystems hineinführen. Die Drei- und Vierstrahler sind regulär und von gleicher Grösse. Strahlen schlank-cylindrisch , in der ganzen Länge fast von gleicher Dicke, kurz zugespitzt. Der Apicalstrahl nur wenig dünner als die facialen, am Ende scharf zugespitzt. Die Länge der Strahlen beträgt 0.05 — 0.07 mm, die Dicke 0.004 — 0.005 mm. Der Apicalstrahl der Vier- strahler erreicht gewöhnlich nur die Länge von 0*05 mm. Unter den menorquinischen Exemplaren finden sich beide Varie- täten. Die durch die eigenthümliche Zottenbildung des Entoderms ausgezeichnete Äscuris papillata H. und die Äscuris arrecifae H. mit glatter Darmwand und frei hervorragendem Apicalstrahl der Vier- strahler. Einzelne Stöcke bestehen zum Theil aus Äscuris papillata H. zum Theil aus Äse. arrecifae H. Beide Varietäten gehen an solchen Exemplaren ganz unvermittelt in einander über. Es sind dieses ebenso unmittelbare Uebergangsformen wie Haeckel sie bei Clathrina cla- thrus und Nardoa labyrinthus beschreibt. Farbe: in Alcohol weiss oder grau. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. Der einzige Fundort von Leucosolenia canariensis H. waren bis- her die canarischen Inseln. 5. Leucosolenia minoricensis nov, sp, Taf. VII Fig. 2, 3. Species-Character: Dreistrahler und Vierstrahler regulär (gleich- winklig und gleichstrahlig) und von gleicher Grösse. Strahlen 7 — lOmal so lang als dick, schlank konisch. Der Apicalstrahl der Vier- strahler gerade, 3 — 4mal dünner als die drei facialen. Farbe: in Alcohol weiss oder braun. Mir liegen von Menorca 3 Exemplare dieser Species vor. Zwei derselben sind grosse mundlose Äuloplegma-Stöcke von rundlichem Umriss, deren Durchmesser 40 — 50 mm beträgt und die eine Dicke von 20 — 30 mm besitzen. Ein drittes Exemplar ist ein einmündiger Stock mit einer gemeinsamen, rüsselförmig verlängerten Mundöflnung. Leucosolenia minoricensis m. steht am nächsten der Leucosol. ca- nariensis H., jedoch sind die Spicula schon durch ihre bedeutendere Grösse leicht von denen der Leucosol. canariensis H. zu unterscheiden. Während bei dieser die Strahlen cylindrisch sind, zeigen die von Leucosol. minoricensis m. eine schlank conische Gestalt. Characte- ristisch ist ferner der lange Apicalstrahl, der 3— 4mal dünner ist als die 3 facialen. 305> PAUL LACKSCHEWITZ. Die Länge der Schenkel, sowohl bei Drei- als auch bei Vier- strahlern beträgt O'IO— 0-11 mm, die Dicke 0-007— 0-01 mm. Die Länge des Apicalstrahls beträgt 0-08 — 0-11 mm,, seine Dicke 0-002. Die Zottenbildung des Entoderms, wie sie die var. papülafa H. von Leucosol. canariensis H. aufweist, findet sich bei Leucosol. minor'i- censis nicht. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. (In geringer Tiefe). 2. Ordo. Heterocoela Polejaeff. Kalkschwämme, deren Entoderm zum Theil aus Plattenepithel (im Magenraum) zum Theil aus Kragen- zellenepithel (in den Geisseikammern) gebildet wird. 1. Fam. Syconidae Gl. {Sycones Haeckel) Heterocoela mit regelmässig, radial-gestellten cylindrischen oder conischen Geisseikam- mern (Radial-Tuben), welche direct in einen sackförmigen Gastral- raum münden. Genus: Sycon Risso (Polejaeff). 6. Sycon coronatuni Ellis and Sol ander. Syn. : Granlia ciliata Bowerbank, Sycundia coronala Haeckel. Alle Exemplare sind einzelne Personen von eiförmiger oder spindel- förmig-cylindrischer Gestalt. Ihre Länge beträgt 12 — 15 mm, ihre Dicke 5 — 7 mm. Die Dermalfläche ist abstehend behaart. Das Peri- stom ist von einer zierlichen Krone umgeben {Sycar'mm coronatuni Haeckel). Nur ein einziges Exemplar besitzt eine einfache nackte Mundötfnung {Sycurus coronatus H.) Die menorquinischen Exemplare gehören der var. Sycandra com- mutata H. an, da ihre Radialtuben an der Basis mit einander ver- wachsen sind und der basale Schenkel der Dreistrahler deutlich ver- längert ist. Die Stab nadeln , die in Bündeln aus jedem Distalconus hei-vorragen, sind ungefähr P/^ — ^msii so dick wie die Dreistrahler, Farbe: in Alcohol weiss oder gelblich. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. Weit verbreitet: Mittelmeer, Atlantischer Ocean, Pacifischer Oeean, Küste von Australien. 7. Sycon raphcmus O. Schmidt. Syn.: Sycandra idi>/iaiias Haeckel. Die menorquinischen Exemplare; dieser verbreiteten Art sind einzelne Personen von spindelförmiger Gestalt mit bekränzter Mund- Ueber die Kalkschwämme Menorcas. 303 Öffnung {Sycarium raphanus H.). Sie gehören der var. Sycandra tcrgestina H. an. Ein einziges Exemplar, das einen üebergang zur var. Syc. proboscidea H. bildet , indem jeder Distalconus ein Büschel- chen kurzer Stabnadeln trägt, aus dem eine oder ein paar dickere hervorragen, ist von keulenförmiger Gestalt mit nackter Mundöffnung {Sycurus raphanus H.) Farbe: in Alcohol weiss. Fundort: Hafen von Mahon, Bucht Alcanfa. Im Mittelmeer sehr verbreitet, ausserdem im Atlantischen Ocean, im Rotheu Meer, im Indischen Ocean an der Küste von Australien, im Pacifischen Ocean. 8. Sycon setosum 0. Schmidt. S y n. : Sycandra selosa Haeckel. 2 Exemplare, die mir vorliegen, sind einzelne Personen von spindel- förmiger Gestalt mit langem, trichterförmigem Peristomkranze. Ihre Länge beträgt 8 — 10 mm, ihre Dicke 4 mm. Die Gastralfläche durch die langen Apicalstrahlen der Vierstrahler zottig. Farbe: in Alcohol grau. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. Bisher aus dem Mittelmeer bekannt. 9. Sycon schmidtii Haeckel. Syn. : Sycandra schmidtii H. Das einzige Exemplar, das ich unter den menorquinischen Schwäm- men fand, hat eine Länge von 7 mm bei einer Dicke von 5 mm. Die Länge des dünnwandigen Rüssels beträgt l'/-2 nim (Syconella Schmidtii). Die Radialtuben sind alle vierseitig, ebenso die Inter- kanäle; die Distalconen tragen ein Bündel von nur wenigen (2 — 3) Stabnadeln. Farbe: in Alcohol weiss. Fundort: Menorca, Bucht Alcanfa. Sonst nur im Adriatischen Meer. 10. Sycon elegans Bowerbank. Syn.: Sycandra elegans Haeckel. Alle Exemplare (etwa 15 an der Zahl), die ich von den Balearen erhielt, sind solitäre Personen und mit einem doppelten Peristom- 304 PAUL LACKSCHEWITZ. kränz, ausser dem verticalen noch mit einem horizontalen Stabkranz, versehen. (Sycarium elegans H.). Ihre Gestalt ist kuglig oder ei- förmig; die grössten Exemplare erreichen eine Länge von 12 mm. und eine Dicke von 7 mm während die kleinsten in ihrer Längsaxe kaum 5 mm, in ihrem Querdurchmesser 3 mm messen. Sie gehören zu keiner der 5 HAECKEL'schen specifischen Varietäten. Der Apicalstrahl der Vierstrahler ist hakenförmig gebogen, kurz zugespitzt, aber nicht spindelförmig angeschwollen wie bei der var. tesselata Haeckel. Die dermalen Stäbchen sind grösstentheils Keulen und Stricknadeln. Zu- weilen ragen aus den Büscheln einzelne längere spindelförmige Nadeln hervor. Farbe : in Alcohol weiss. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon, Bucht Alcanfa. Verbreitet im Mittelmeer, ausserdem im Atlantischen Ocean, und an der Küste von Süd-Africa. 11. St/con humboldtii ßisso. S y n. : Dunstervillia corcyj'ensis 0. ScHMIDT. Sycaridra hmnboldtii Haeckel. Ein Exemplar, das in der Skeletstructur mit Si/con humholdtii übereinstimmt, besitzt eine rüsselförmig verlängerte Mundöft'uung. Die Längsaxe ist gekrümmt und misst 14 mm, von denen 2V2 n:mi auf den Rüssel kommen. Der Querdurchmesser beträgt 4 mm , die Dicke der Wandung P/^ mm. Das Exemplar gehört zu der var. Syc. sco- paria H. Farbe: in Alcohol braun. Bisher aus dem Adriatischen Meer bekannt. 2. Fam. : Leuconidae Cl. {Leucones Haeckel). Heterocoela mit kugeligen Geisseikammern, die durch ein verzweigtes Canalsystem mit der Centralhöhle in Verbindung stehen. Genus: Leuconia Bov^^erbank (Polejaeff) 12. Leuconia ^junilla Boweebank. Syn. : Leucaltis pumüa Haeckel. Dieser Kalkschvvamm scheint im Hafen von Mahon in grosser Menge aufzutreten. Die Exemplare, die ich von dort erhielt, sind zum grössten 'i'lieil mächtige polyblaste Stöcke, die mit mehreren nackten, rüsselförniigen Mundötfnungen versehen sind. Seltener sind mundlose Stöcke mit verengter Magenhöhle. Die grössten Exemplare 1 lieber die Kalkscliwäinuie Menorcas. 305 erreichen einen Durchmesser von 70 mm. , Auffallend ist es , dass Haeckel nur solitäre Personen von geringer Grösse vorgelegen haben, während die menorquinischen Exemplare zu den grössten Kalkschwäm- men gehören. In der Skeletstructur stimmen sie mit Leuc. pumila H. überein. Die Hauptmasse des Skelets besteht aus subregulären und sagittalen Dreistrahlern. Das feste Gerüst wird durch grosse Dreistrahler ge- bildet, deren Strahlen eine Länge von 0.5 — 0.6 mm, eine Dicke von 0.03 — 0.06 mm erreichen. Zwischen ihnen liegen in grosser Menge mittlere und kleinere Dreistrahler von 0.1—0.4 mm Schenkellänge und O.Ol — 0.02 mm Dicke. Durch letztere wird an der glatten Der- malfläche eine vollständige Rindenschicht gebildet. — Die Vierstrahler kleiden die Gastralfläche und die grösseren Canäle aus. Die Länge ihrer Facialstrahlen beträgt 0.08 — 0.25, ihre Dicke O.Ol — 0.02 mm. Der Apicalstrahl erreicht gewöhnlich nur eine Länge von 0.1 mm. Leuconia pumila aus Menorca bildet einen Uebergang zwischen den Varietäten Leuc. hleehii H. und Leuc. normanni H. Auch bei dieser Art findet sich, ähnlich wie es Vosmaer bei Leuconia aspera H. beschrieben hat, ein doppeltes System von Ca- nälen und Lacunen, ein einführendes, das durch die sehr dicht stehenden Hautporen mit der Aussenwelt in Verbindung steht, und ein ausführendes, das in den Magenraum (Cloacalhöhle) durch grössere Canäle mündet. Mit diesen Canälen stehen die Geisseikammern in Verbindung. Farbe: in Alcohol weiss. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. Bisher bekannt aus denä Atlantischen und dem Indischen Ocean. 13. Leuconia aspera Bowerbank. Syu. : Sycon asperutn 0. Schmidt. Grantia aspera 0. Schmidt. Sycinula aspera 0. Schmidt. Leucundra aspera E. Haeckel. Ein einziges Exemplar mit rüsselförmiger Mundöffnung {Byssy- conella aspera H.). Farbe: in Alcohol weiss. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. Im Mittelmeer sehr verbreitet. Zoolog. Jahrb. I. OA 306 PAUL LACKSCHEWITZ, 14. Leuconia rodrigtiezii nov, sp, Taf. yn Fig. 5 a— f. Species-Charakter : Dermalfläche borstig-stachelig, Gastralfläche schwach borstig, fast glatt. Die Hauptmasse des Skelets wird durch schlanke Dreistrahler gebildet. Die grösseren Dreistrahler, die das Gerüst bilden, sind subregulär. (Ihr Basalstrahl ist immer kürzer als die beiden lateralen). Die kleineren Dreistrahler, die als Füllungs- masse dienen, sind subregulär oder sagittal. In die dermale Schicht, die auch eine grosse Menge kleinerer Dreistrahler enthält, sind grosse spindelförmige Stabnadeln eingelagert, die aber bis in die Region der Geisseikammern hineinragen. Zwischen diesen grossen spindelförmigen Nadeln treten, zu Bündeln geordnet, sehr dünne, lange stricknadelförmige Spicula auf. Die Magenhöhle (Cloacalhöhle) und die grösseren Canäle sind von sagittalen Vierstrahlern ausge- kleidet, deren Apicalstrahl in die Höhle hineinragt; ausserdem sind sie mit einem dichten Stäbchenmörtel, bestehend aus winzigen Stab- nadeln, tapezirt; diese füllen den Raum zwischen den Apicalstrahleu der Vierstrahler fast ganz oder stellenweise auch vollständig aus, so dass die Gastralfläche beinahe glatt erscheint. Das Canalsystem besteht aus einem verzweigten System von ein- führenden und ausführenden Canälen. Ausserdem finden sich grössere Höhlungen, sowohl dermale als auch gastrale, die mit den Canälen in Verbindung stehen. Durch Poren treten die sehr dicht bei einander liegenden kugeligen Geisseikammern mit den Canälen und Höhlen, um die sie radiär gruppirt sind, in Verbindung. Die mir vorliegenden Exemplare sind zum grössten Theil Stöcke mit einer Mundötfnung (Auswurfsöffnung), die zuweilen bekränzt ist. Nur wenige sind solitäre Personen. Sie erhalten durch die mit einem Drittel ihrer Länge über die Dermalfläche hervorragenden Stabnadeln ein starrendes Aussehen. — Die grössten Exemplare erreichen eine Länge von 45 mm, einen Querdurchmesser von 30 mm ; bei den kleineren misst die Längsaxe 20 mm, während der Querdurchmesser 10 mm beträgt. Die Wand hat bei den grösseren Exemplaren eine Dicke von 15 mm. Die Magen- höhle ist sehr verengt. Das Canalsystem hat viel Aehnlichkeit von dem bei Leuconia aspera H. Es finden sich ausser den zuführenden Canälen recht regelmässig angeordnete, subdermale Höhlungen, die ein Lumen von 0.45 — 0.55 mm im Durchmesser besitzen. Ueber die Kalkschwämme Menorcas. 307 Sehr deutlich treten bei dieser Art die 3 Regionen der Wandung auf. Die dermale Region, die durch die colossalen spindelförmigen Stabnadelu und die dicht gelagerten kleinen Dreistrahler eine be- trächtliche Festigkeit besitzt, erreicht eine Dicke von 0.56 — 0.61 mm. Hierauf folgt die mittlere Schicht, die den grössten Theil der Wandung einnim.mt, in der die sehr dicht bei einander liegenden Geisseikammern vorherrschen. Auch in dieser Region finden sich Canäle und Lacunen. Die gastrale Region wird durch eine Stütz- lage von Vierstrahlern und Stäbchenmörtel gebildet. Ausser der Magenhöhle sind auch grössere Canäle, die aus den Höhlen der mitt- leren Schicht heraustreten, von Vierstrahlern und Stäbchenmörtel aus- gekleidet. Skelet: die colossalen, dermalen Stabnadeln (Taf. VH Fig. 5 c) sind von spindelförmiger Gestalt, gerade oder gekrümmt. Das eine Ende ist gewöhnlich schärfer zugespitzt als das andere. Sie erreichen eine Länge von 1.11 — 2.39 mm, eine Dicke von 0.027 bis 0.55 mm. Die geraden, dünnen, stricknadelförmigen Spicula (Taf, VII Fig. 5 d) erreichen eine Länge von 0.89 mm bei einer Dicke von nur 0.002 — 0.003 mm. Die Dreistrahler (Taf, VII Fig. 5 a) sind alle subregulär und sa- gittal; der eine Schenkel ist immer kürzer als die beiden anderen, die selten gerade, gewöhnlich mehr oder weniger verbogen sind. Die Grösse der kleinen dermalen Dreistrahler: die Länge der beiden längeren Strahlen 0.16 — 0.27 mm ; des kürzeren (Basal-) Strahles 0.07—0.24 mm. Die Dicke der Strahlen 0.005^0.011 mm (an der Basis). — Die grösseren Dreistrahler der mittleren Region erreichen eine Länge von 0,36—0,44 mm bei einer Dicke von 0.016—0.038 mm. Doch kommen auch hier kleinere Dreistrahler vor, wie sie über- haupt in Grösse, Form und Vertheilung sehr zu variiren scheinen. Die gastralen, sehr schlanken Vierstrahler (Taf. VII Fig. 5 e) sind alle sagittal und subregulär, mit kürzerem Basalstrahl und schwach gekrümmten Lateralstrahlen. Die Länge der Lateralstrahlen: 0,22 bis 0,27 mm; die der Basalstrahlen 0.14—0.16 mm. Ihre Dicke beträgt 0.005—0.01 mm. Der aufwärts gekrümmte Apicalstrahl erreicht eine Länge von 0.06 — 0.11 mm. Die winzigen Nadeln des Stäbchenmörtels, die in grosser Menge, bald in Bündeln, bald unregelmässig durcheinander, die Gastralfläche auskleiden, sind nadeiförmig, an beiden Enden zugespitzt, entweder 20* 308 PAUL LACKSCHEWITZ, gerade oder schwach gekrümmt. Ihre Länge beträgt 0.012—0.014 mm, während sie eine Dicke von 0.001 mm erreichen. Farbe des Schwammes: in Alcohol weiss oder grau. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon und Bucht Alcanfa. 15. Leucowia balearica nov, sp, (Taf. VII Fig. 6 a— e). Species-Charakter : Dermalfläche kurz-stachelig. Gastralfläche fast glatt. Die Hauptmasse des Skelets bilden reguläre und sagittale Dreistrahler. In der Wand stecken zerstreut grosse, spindelförmige Stabnadeln, die aber nur wenig über die Oberfläche hervorragen. Die Magenhöhle ist von Vierstrahlern ausgekleidet, die mit ihrem Apicalstrahl in die Höhle hineinragen. Umhüllt werden dieselben von einer dichten Schicht winziger Stabnadeln (Stäbchenmörtel). Das Canalsystem ebenso wie bei vorhergehender Art. Diese Art, die der vorher beschriebenen Leuconia rodriguezii in vielem gleicht, ist vielleicht nur eine Varietät derselben, jedoch be- wogen mich die Unterschiede in der Skeletstructur , sie von dieser zu trennen. Es fehlen die bei Leuc. rodriguem vorkommenden langen, sehr feinen, stricknadelförmigen Spicula in der dermalen Kegion. Die grossen spindelförmigen Stabnadeln sind alle kürzer und kommen nur zerstreut in dem dermalen Theil der Wand vor, über dessen Ober- fläche sie nur wenig hervorragen. Die Drei- und Vierstrahler unter- scheiden sich ausser durch die geringere Grösse noch dadurch von denen der vorhergehenden Art, dass sie — wenigstens die grösseren — fast immer regulär und die Strahlen nicht gekrümmt oder ver- bogen sind. Mir liegen 3 kleine Exemplare vor, die alle solitäre Personen von kugeliger Gestalt sind und nur die geringe Grösse von 8 — 9 mm im Durchmesser besitzen. Eins von diesen Exemplaren hat eine Muud- ött'nung, während die beiden anderen keine besitzen. Die Mageuhöhle ist sehr verengt. Skelet: die dermalen, grossen Stabnadeln (Taf. VII Fig. 6 e) haben eine spindelförmige Gestalt, sind leicht gekrümmt und an beiden Enden zugespitzt. Ihre Länge beträgt 0.45 — 1 mm, die Dicke 0.03 bis 0.05 mm. Die grösseren Dreistrahler sind regulär mit couischen, geraden Ueber die Kalkschwämme Menorcas. 309 Strahlen, die 7— 9mal so lang wie dick sind, l^änge derselben 0.26 bis 0.38 mm, Dicke 0.02—0.05 (an der Basis). Die kleineren Dreistrahler sind sagittal, indem der eine Winkel gewöhnlich grösser ist als die beiden anderen. Ihre Schenkel erreichen eine Länge von 0.11 bis 0.14 mm, eine Dicke von O.Ol — 0.016 mm. Ebenso gross und von gleicher Gestalt sind die kleinen Vier- strahler (Taf. VII Fig. 6 b), welche die Gastralfläche auskleiden. Der Apicalstrahl ist schwach gekrümmt und wird 0.05—0.01 mm lang. Die winzig kleinen Stäbchen, die mit den Vierstrahlern die Gastral- höhle auskleiden, sind ebenso gestaltet wie die von Leuc. rodriguesii, jedoch erreichen sie eine etwas bedeutendere Länge: 0.012 — 0.024 mm und eine Dicke von 0.001 mm. Farbe des Schwammes: in Alcohol weiss. Fundort: Menorca, Hafen von Mahon. Erklärung der Figuren. (Tafel VII). Fig. 1. Drei- und Vierstrahler von Leucosolenia canariensis Haeckel. Vergr. 450. Fig. 2. Drei- und Vierstrahler von Leucosolenia minoricensis nov. sp. Vergr. 450. Fig. 3. Querschnitte durch 2 Röhren eines Stockes von Leucosolenia minoricensis nov. sp, Vergr. 40. Fig. 4. Tangen tialschnitt durch einen Theil der Wandung von Leuconia rodrigi/ezii nov. sp. (Durch die dermale und ein Stück der Geisselkammer-Region). Vergr. 40. Fig. 5. Kalknadeln von Leuconia rodriguezii nov. sp. a. Dreistrahler. Vergr. 100. b. Winzige Stabnadeln von der gastralen Fläche. Vergr. 100. c. Spindelförmige Stabnadeln der dermalen Schicht. Vergr. 100. d. Stricknadelfdrmige Nadeln der dermalen Schicht. Vergr. 100. 310 PAUL LACKSCHEWITZ, Ueber die Kalkschwämme Menorcas. e. Vierstrahler von der gastralen Fläche. Vergr. 100. f. Winzige Stabnadeln von der gastralen Fläche. Vergr. 450. Fig. 6. Kalknadeln von Leuconia hulearica nov. sp. a. Dreistrahler. Vergr. 100. b. Vierstrahler von der gastralen Fläche. Vergr. 100. c. Winzige Stabnadeln von der gastralen Fläche. Vergr. 100. d. Dieselben. Vergr. 450. e. Spindelförmige Stabnadeln der dermalen Schicht. Vergr. lüü- Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. Von Dr. J. E. V. Boas in Kopenhagen. (Hierzu Tafel VIII). 1. Ueber das Verhältniss der Thecosomen uiid Cryinnosomen zu einander und zu anderen Mollusken. Die Errichtung der Abtheilung Pteropoda verdankt man bekannt- lich CuviER, welcher in dieser Gruppe eine Haupt - Abtheilung der Mollusken, den Cephalopoden, Gastropoden etc. gleichwerthig, erblickte. Aber schon Cuvier musste erkennen, dass die Uebereinstimmung des Baues der Pteropoden und Gastropoden eine sehr grosse war, und Blainville hat bald die Consequenz hiervon gezogen, indem er die Pteropoden den Gastropoden unterordnete, ohne jedoch zunächst für seine Auffassung Anhänger gewinnen zu können. Die Frage wurde später von Souleyet in seiner classischen Bearbeitung der Pteropoden im Reisewerke der „Bonite" i) wieder aufgenommen. Dieser wies darin mit grosser Klarheit und hinlänglicher Ausführlichkeit nach, dass die Pteropoden echte Gastropoden sind, welche sich durch gewisse Eigen- thümlichkeiten auszeichnen, die eine Folge der pelagischen Lebensweise sind. Wenn die Erkenntniss hiervon noch kaum allgemein durchge- drungen ist, so ist dies gewiss nur dem Umstände zuzuschreiben, dass die Arbeit Souleyets — obgleich dieselbe ohne Frage als die wichtigste, 1) Voyage autour du monde sxir la corvette la Bonite. Zoologie par Etdoux et Souleyet. Tome 2 par Soctleiet, 1852, p. 37 — 288, pl. 4 — 15 bis Die oben berührte Frage wird p. 88 — 99 discutirt. 312 J- E- V. BOAS, welche je über Pteropoden geschrieben ist , betrachtet werden muss, — sehr wenig benutzt worden ist ; denn die systematische Stellung der Ptero- poden kann, was diesen Hauptpunkt betrifft, für denjenigen nicht mehr zweifelhaft sein, welcher mit einiger Sorgfalt die Darstellung Souleyets studirt hat, auf welche ich deshalb verweise. Von den Gastropoden sind es weiter dieOpisthobranchier, mit welchen sie am nächsten verwandt sind ; sie stimmen mit diesen in dem sehr wichtigen Cha- rakter überein, dass sie euthyneur^) sind; sie sind ferner Hermaphroditen, und zwar ist der Geschlechtsapparat (vergl. unten) nach einem Plane gebaut, den wir nur innerhalb der Abthei- lung der Opisthobranchier wiederfinden; weniger Gewicht lege ich darauf, dass das Atrium bei den meisten Pteropoden (nicht bei allen) hinter dem Ventrikel seinen Platz hat, ebenso wie bei den meisten Opisthobranchiern. Dass einige Pteropoden (die Limaciniden) mit einem Operculum versehen sind, kann nicht als Zeichen einer Verwandtschaft mit den Prosobranchiern angeführt werden ; denn es giebt ja auch, wenn auch nur wenige, Opisthobranchier, welche ein Operculum be- sitzen (Tornatella). Bekanntlich werden die Pteropoden von neueren Verfassern allge- mein in zwei Hauptgruppen, die Thecosomen und die Gjrano- somen, getheilt; zu jener gehören die Limaciniden, Hyalae- iden und Cymbuliiden, zu dieser die Gl ioniden ('CZiowe, Pneu- modermon, etc.). Vergleicht man die beiden Gruppen mit einander, so zeigt es sich bald, dass sie in hohem Grade verschieden sind. Bei allen Gymnosomen fehlt eine Mantelhöhle, während alle Thecosomen eine solche besitzen ; die Thecosomen haben eine schwache Radula 1) Bekanntlich hat Spengel in seiner für die Systematik und Mor- phologie der Gastropoden so bedeutungsvollen Arbeit „Die Geruchsorgane u. d. Nervensystem d. Mollusken" (in : Zeitschr. f. wiss. Zool. 35. Bd. p. 333) dargelegt, dass die Visceralcommissur bei den Prosobranchiern eine 8-Figur bildet, indem die Coramissur, wenn wir von dem Ende der- selben ausgehen, welche von dem linken Pleuralganglion entspringt, nach rechts (und hinten) unterhalb des Darmes läuft, um dann sich nach der Oberseite desselben zu wenden, nach links zu laufen, dann wieder nach rechts (und vorn\ um schliesslich im rechten Pleural- ganglion zu enden; die Commissur kreuzt sich somit während ihres Ver- laufs: die Prosobranchier sind stroptoneur. Bei den Op i st h ob ran- chiern findet dagegen eine solche Kreuzung nicht statt; bei diesen bildet die Visceralcommissur eiiien einfachen längeren oder kürzeren Bogen, welcher unterhalb des Darmcanales liegt: sie sind euthyneur. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 313 mit den Zähnen in drei Längenreihen, einen mit starken Platten und einer kräftigen Musculatur versehenen Kaumagen, und eine vom Darm- canal ganz gesonderte Leber, — während die Gymnosomen eine kräf- tige Radula, gewöhnlich mit vielen Längenreihen von Zähnen ausge- stattet, besitzen, keine Spur eines Kaumagens haben, und mit einer Leber versehen sind, welche in innigster Weise mit dem betreffenden Abschnitt des Darmcanales („Magen") verbunden ist. Auch das Nervensystem ist bei den beiden Abtheilungen sehr verschieden; bei den Thecosomen sind die Cerebralganglien z. B. immer durch eine lange Commissur mit einander verbunden, während dieselben bei den Gymnosomen einander eng angelagei't sind etc. Es bleiben schliesslich nur solche Aehnlichkeiten übrig wie die des Genitalsysteraes , welche allerdings gross sind, sich jedoch ganz ebenso bei gewissen Opistho- branchiern wiederfinden, — und die Flossen. Ein Vergleich der „Flossen" der Thecosomen und Gymnosomen zeigt jedoch unschwer, dass die Aehnlichkeit derselben eine sehr ge- ringe ist. Bei den Thecosomen sind die Flossen einfach Theile des Fusses : es ist die vordere, sehr breite und besonders musculöse Partie desselben , welche man als „Flossen" bezeichnet. Die Flossen der Thecosomen sind somit integrirende Theile des Fusses und erscheinen, wie FoP) nachgewiesen hat, als solche von ihrer ersten Anlage an. Ganz anders bei den Gymnosomen. Bei diesen stehen die Flossen in keinerlei Verbindung mit dem Fuss, sondern sind von diesem gänzlich unabhängige Organe, welche von der ersten Anlage an, wie eigene und Anderer Beobachtungen lehren, vom Fuss gesondert sind. Dem- nach muss es gewiss in hohem Grade zweifelhaft erscheinen, ob die Flossen der Gymnosomen überhaupt denjenigen Theilen homolog sind, welche bei den Thecosomen mit demselben Namen bezeichnet werden^). Und dieser Zweifel wird noch durch den Umstand bestärkt, dass die Flossen der Gymnosomen auch in anderen Hinsichten keine näheren Vergleichspunkte mit denjenigen der Thecosomen darbieten (die Lage der Mundötfnung zu den Flossen ist eine andere etc.). 1) Etudes s. 1. developpem. d. Mollusques. Prem. Mem. Sur le devel. d. Pterop. in: Archiv. Zool. exper. et gen. T. 4, 1875. 2) Es ist übrigens hier hervorzuheben, dass es schon von Souleyet (Bonite p. 94) ausgesprochen wurde, dass die Flossen der nackten Ptero- poden accessorische Locomotionsorgane seien, ohne dass jedoch die weiteren Consequenzen hiervon gezogen wurden. 314 J- E- V. BOAS, Mit der Homologie der Flossen bricht aber das letzte Band, wel- ches die beiden Gruppen enger mit einander verknüpfen könnte. Die Consequenz hiervon ist nun, dass die Abtheilung Pteropoda in zwei von einander un abhängige aufzulösen ist. Diebeiden Gruppen stehen aber den Opisthobranchiern so nahe, dass es ange- messen erscheint, dieselben in die Gastropoden-Ordnung als zwei be- sondere Unterordnungen oder Tribus einzufügen, von welchen die eine, die der Thecosomen, drei Familien, die andere nur eine umfasst. Da die Namen Thecosomata und Gymnosomata jedoch ungemein un- passend erscheinen, wenn die genannten Gruppen Glieder der Opistho- branchier-Ordnung sind, erlaube ich mir vorzuschlagen, jene künftig mit dem Namen Eupteropoda, diese mit dem Namen Pterota zu bezeichnen. In der vorliegenden Abhandlung werden wir uns jedoch noch der älteren Namen bedienen. Was die Stellung betrifft, welche die erstere unserer Gruppen, die Thecosomen, in systematischer Beziehung unter den Opisthobran- chiern einnimmt, so ist dieselbe sehr klar. Es sind ganz offenbar die Tectibranchier und besonders diejenigen Formen, die sich um die Gattung Bulla ^) gruppiren, welche als ihre nächsten Verwandten in Anspruch genommen werden müssen. Besonders charakteristisch ist in dieser Hinsicht das Verhältniss der Geschlechtsorgane, namentlich des Penis. Bei den meisten Opistobranchiern spaltet sich der gemeinschaftliche Ausführungsgang der hermaphroditischen Geschlechtsdrüse in zwei Gänge, einen Eileiter und einen Samenleiter, welcher letzterer den Penis durchsetzt. Bei den Tectibranchiern (mit Ausnahme der Pleurobranchiden) ist das Verhältniss dagegen ein anderes; hier ist der Ausführungsgang der Geschlechtsdrüse einfach, ungespalten, und mündet an der Oberfläche des Körpers mit einer einfachen Oeffnung; der Penis ist undurchbohrt und steht in keiner inneren Verbindung mit den übrigen Geschlechts- organen; es ist ein ausstülpbarer Sack, welcher seinen Platz vorne hat, weit von der Geschlechtsöffnung entfernt, mit welcher er jedoch durch eine Rinne auf der Seite des Thieres verbunden ist. Genau dasselbe finden wir bei den Thecosomen : auch hier ist die Geschlechts- 1) Die Familien TornateUidae und Bullidae bei Woodwaed, mit Ausschluss der abweichenderen Formen Doridium und Gastropteron. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 315 Öffnung einfach, der Penis ein ausstülpbarcr "Sack, welcher weit vorne angebracht ist und nur mittels einer Rinne, welche rechts oberhalb des Fusses verläuft, mit der weiter hinten befindlichen Geschlechts- öflfnung verbunden ist. Auch die Verhältnisse der Verdauungsorgane sind recht be- zeichnend. Die Thecosomen besitzen alle einen musculösen Kaumagen, welcher mit vier grossen chitinösen Platten versehen ist, die in einem Kreise der inneren Seite des Magens aufsitzen ; ausserdem sind noch einige kleinere Platten vorhanden. Auch bei einem grossen Theil der Tectibranchier ist ein ähnlicher musculöser Kaumagen vorhanden, welcher innen mit einer verschiedenen Anzahl von hornartigen Dornen oder Platten^) besetzt ist, die bei den Bulliden'*) (Bulla, Philine, Scaphander) nach Zahl, Grösse und Anordnung lebhaft an die Ver- hältnisse der Thecosomen erinnern: bei den genannten Formen finden wir drei grosse Platten in einem Kreis und ausserdem noch einige kleinere. — Es mag hier auch im Vorübergehen daran erinnert werden, dass die Leber sowohl bei den Thecosomen wie bei den Bulliden ein ziemlich compactes Organ ist, welches vom Darmcanal gänzlich ge- sondert hinter dem Kaumagen mit einer oder ein paar Oeffnungen in den Darm mündet. Von geringerer Bedeutung, aber doch nicht ohne Interesse für die vorliegende Frage ist das Verhältniss des Nervensystems, Die Thecosomen zeichnen sich bekanntlich dadurch aus, dass die Cere- bralganglien durch eine sehr lange Commissur verbunden sind, während übrigens alle Commissuren und Connective bei ihnen sehr verkürzt sind, so dass die grossen Ganglien sämmtlich eng an einander gelagert sind. Es ist nun interessant zu finden, dass von allen Opistobran- chiern, deren Nervensystem beschrieben ist, es eben die Bulliden sind, welche in diesen Punkten jenen am ähnlichsten sind. Auch bei ihnen ist die Cerebralcommissur gewöhnlich von bedeutender Länge, während die Connective zwischen dem jederseitigen Cerebral- , Pedal- und Pleuralgauglien stark verkürzt sind; sie unterscheiden sich dagegen dadurch, dass die Pedal- und Visceralcommissur eine ansehnliche Länge besitzen. 1) Eine einigermaassen ähnliche Einrichtung findet sich noch ausser- dem bei gewissen Tritoniaden, sonst aber, so viel ich weiss, bei keinem anderen Opisthobranchier. 2) Die oben gemachten Angaben über den Bau der Bulliden sind der Monographie von Vatssi^iee (Annales Sc. Nat., Zool., 6. Ser. T. 9) ent- nommen. 316 J- E. V. BOAS, Endlich muss auch das Vorhandensein einer Schale bei den meisten Thecosomen, und zwar einer wohlentwickelten Schale, in welche das Thicr sich vollständig zurückziehen kann, als ein Anzeichen ange- führt werden, dass es die Tectibranchier und besonders die Bulliden sind, an welche die Thecosomen sich anschliessen. Auch das Vorhan- densein eines Operculums bei den Limaciniden weist entschieden nach derselben Richtung hin, indem ein solches innerhalb der Opistho- branchier nur bei der den Bulliden (in erweitertem Sinne) angehörigen Gattung Tornatella vorkommt. Wenn wir auf die hervorgehobenen Momente zurückblicken, kön- nen dieselben in Kürze folgendermaassen resumirt werden: Das Vor- handensein einer Schale, eines Kaumagens, eines ungespaltenen Ge- schlechtsgangs und eines undurchbohrten Penis, welcher durch eine Hautrinne mit der Geschlechtsöffnung verbunden ist, beweisen, dass die nächsten Verwandten der Thecosomen unter den Tectibranchiern zu suchen sind; — die specielleren Verhältnisse des Kaumagens, das Nervensystem, das Vorhandensein einer wohlentwickelten Schale und eines Operculums bei den Limacinen weisen darauf hin , dass es die Bulliden (incl. Tornatelliden) sind, denen sie sich am engsten an- schliessen. Es ist nach alle dem deutlich, dass die Thecosomen von Tectibranchiern , welche den jetzt lebenden Bulliden nahe verwandt sind, phylogenetisch abzuleiten sind. i Die nächsten Verwandten der Gymnosomen sind ebenfalls unter den Tectibranchiern zu suchen, was namentlich deutlich aus einer Be- trachtung des Genitalapparates ersichtlich ist, welcher sich ganz ge- nau demjenigen der Thecosomen und Tectibranchier anreiht (vergl. oben), während er von demjenigen anderer Opisthobranchier sehr ab- weicht. Auf anderen Punkten des Baues der Gymnosomen finden wir zwar keine ähnlich enge und charakteristische Uebereinstimmung, andererseits aber auch nichts, was dieser Ansicht widerspricht oder deren Richtigkeit unwahrscheinlich macht. Von Charakteren, welche für dieselbe sprechen, können wir das Vorhandensein einer Kieme auf der rechten Seite bei mehreren Gymnosomen - Gattungen (Pneumo- dermon, Spongiohranchaea, Dexiohranchaea) und den Bau der Radula (meistens mit vielen Zähnen in jedem Gliedej anführen. Welchen Tectibranchiern sich unsere Gruppe am nächsten anschliesst, kann ich vor der Hand nicht übersehen ; sie schliesst sich jedenfalls keineswegs derartig eng an irgend ein mir bekanntes Mitglied der Tectibranchier- Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 3J7 Abtheilung an wie die Thecosomen an die Bulliden. Die Zwischen- glieder zwischen unseren hochdifferenzirten , mit vielen eigenartigen Werkzeugen ausgestatteten pelagischen Räubern und den Tectibran- chiern sind somit ausgefallen oder unbekannt; dass wir jedoch eben in diesen den Ausgangspunkt der Gruppe zu suchen haben, ist trotz- dem zweifellos. Nach dem, was ich oben von dem Verhältniss der beiden Ptero- poden-Abtheilungen zu den Opisthobranchiern angeführt habe, brauche ich kaum ausdrücklich hervorzuheben , dass ich kein Anhänger der Meinung bin, dass eine nähere Verwandtschaft zwischen den Ptero- poden und den Cephalopoden bestehe, vielmehr der Anschauung bin, dass die Verwandtschaft unserer Gruppen mit den Cephalopoden keine grössere ist als zwischen irgend einem anderen Gastropoden- Tribus und der genannten Classe, das heisst, eine ganz entfernte. Da die entgegengesetzte Meinung jedoch noch immer zahlreiche Anhänger hat, glaube ich, dass es nicht ganz unpassend sein wird, die Frage etwas näher zu betrachten. Der Gedanke einer Verwandtschaft zwischen Pteropoden und Cephalopoden ist alten Datums; er hat z. B. schon bei Cuvier einen Ausdruck gefunden in dem Platz, den er seiner Pteropoden -Classe zuwiess: nach den Cephalopoden und vor den Gastropoden. Von neueren Forschern, welche denselben Gedanken festgehalten und näher entwickelt haben, können Gegenbaur und v. Jhering genannt werden. Sehr bestimmt hat jener ausgezeichnete Gelehrte sich in dieser Rich- tung in der 1. Ausgabe der „Grundzüge d. vergl. Anat." (1859) p. 289 ausgesprochen; mehr reservirt in der 2. Ausgabe desselben Werkes (1870) p. 473 1) (ähnlich in der 1. Ausg. des „Grundrisses", dessen 2. Ausgabe mir nicht zugänglich ist). Während somit Gegenbaur etwas von seiner ursprünglichen Anschauung abgekommen war, sprach sich v. Jhering in seiner „Vergl. Anat. d. Nervensystems und Phylo- genie d. Mollusken" (1876) p. 272 ff. mit grosser Energie für dieselbe 1) Hier wird von den Cephalopoden Folgendes gesagt: „Am meisten noch finden sich in der allgemeinen Organisation Anklänge an die Ptero- poden. Die seitliche Differenzirung des Fusses, wie auch die Lagerung der Kiemenhöhle können als solche Uebereinstimmungen hervorgehoben werden. Immerhin muss aber diese Verwandtschaft als eine sehr ferne betrachtet werden." 318 J- E. V, BOAS, Auffassung aus, ohne übrigens wesentlich neue Momente vorzuführen. Es sind besonders die ventrale Mantelhöhle der Hyalaeiden und die mit Saugnäpfen versehen Arme (resp. die „Kopfkegel") der Clioniden, in welchen man Annäherungen an die Cephalopoden zu sehen geglaubt hat. Hierzu kommen ferner solche Punkte, wie die von v. Jhering hervorgehobene vermeintlich so grosse Aehnlichkeit zwischen dem Fuss der Clioniden und dem Trichter der Cephalopoden etc. , denen doch wohl jedenfalls nur eine sehr untergeordnete Bedeutung zugeschrieben werden kann. Bei der Untersuchung des Werthes der genannten Autfassung muss nun erstens daran erinnert werden, dass es, wie oben hervorgehoben, keineswegs dargethan ist, dass die beiden Pteropoden - Gruppen , die Thecosomen und Gymnosomen, eine natürliche Abtheilung bilden, sondern dass sie vielmehr in der That wahrscheinlich nichts mit ein- ander zu thun haben. Unter diesen Umständen ist es natürlich ganz unzulässig, ein Pteropoden-Schema wie das von v. Jhering 1. c. con- struirte, welches mit der ventralen Mantelhöhle der Hyalaeiden und dem Fuss und den „Cephaloconi" von Clione ausgestattet ist , mit einem Cephalopoden zu vergleichen und danach seine Schlüsse zu ziehen ' ). Es ist vielmehr nothwendig, die beiden Gruppen — Thecosomen und Gymnosomen — jede für sich mit den Cephalopoden zu vergleichen. Es zeigt sich dabei, was erstere Abtheilung betrifft, dass in der That kein anderer möglicher Vergleichspunkt mit den Cephalopoden vor- handen ist als die Mantelhöhle , welche bei den meisten Thecosomen ebenso wie bei den Cephalopoden ventral ist. Wenn wir uns jedoch einerseits der gewiss sehr isolirten Stellung erinnern, welche die Cepha- lopoden unter den Mollusken einnehmen, und besonders die tiefe Kluft, welcher sie auf fast jedem Punkt der Organisation von den Gastro- poden sondert^), in Rechnung ziehen, und andererseits festhalten, dass die Thecosomen verhältnissmässig gering modificirte Opisthobranchier sind, so ist es ohne weiteres klar, dass man nicht von einer solchen alleinstehenden Aehnlichkeit dafür argumentiren kann, dass die beiden Abtheilunijen näher mit einander verwandt seien. Wir brauchen dann 1) Es fällt mir begreiflicherweise dabei nicht ein, v. Jhkring vor- zuwerfen, dass er im Jahre 1876, als noch Keiner sich gegen die Zu- sammengehörigkeit der Thecosomen und Gymnosomen ausgesprochen hatte, dieses Schema entworfen hat. y) Die Gastropoden sind hier immer s. str. zu verstehen mit Aus- schluss von Chitonen etc. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 3J9 gar nicht näher darauf einzugehen, zu welch sonderbaren Consequenzen für den ganzen Mollusken-Stammbaum die Annahme einer wirklichen näheren Verwandtschaft zwischen den Thecosomen, einem Seitenzweig der Opisthobranchier, und den wesentlich symmetrisch gebauten Cepha- lopoden führen würde; es ist, wie gesagt, nicht nothwendig, der Ge- danke einer solchen Verwandtschaft wäre einfach als ungenügend motivirt abzuweisen. — Eine ganz ähnliche Betrachtung macht sich für die Gymnosoraen geltend. In einem einzelnen Punkt : den mit Saugnäpfen ausgestatteten Armen, bieten die Gymnosomen eine übrigens weder sehr überraschende 0 noch besonders prägnante Analogie zu dem, was wir bei den Cepbalopoden finden, dar; in ihrem Baue sind sie übri- gens unverkennbar Opisthobranchier. Wir sind somit nothwendig zu dem Resultat gekommen, dass die Aehnlichkeiten mit den Cepbalopoden, welche verschiedene Pteropoden darbieten, als einfache Analogieen aufzufassen sind. Dieses Resul- tat ist übrigens keineswegs neu. Schon im Jahre 1852 hat Souleyet sich in der „Bonite" (p. 96) ganz in demselben Sinne ausgesprochen. Nachdem er die von mehreren Verfassern ausgesprochene Anschauung von einer Verwandtschaft zwischen Pteropoden und Cepbalopoden er- wähnt und die Aehnlichkeiten zwischen denselben angeführt hat, fährt er fort: „Mais il est facile de reconnaitre, par un examen plus appro- fondi, que toutes ces ressemblances sont plutot apparentes que reelles, et que des differences extremement tranchöes dans toutes les parties essentielles de l'organisation, dans le Systeme nerveux, dans les organes de sens, dans les appareils de la digestion, de la circulation et de la g6n6ration , etc. , separent profondement les Pteropodes des Cephalo- podes. Ainsi le rapprochement de ces Mollusques ne nous sem bleut justifi6 en aucune matiere" .... Wenn ich mich trotzdem in dieser Sache ausgesprochen habe , so ist es geschehen , weil die Worte SouLEYETS nicht genügend beachtet worden sind ; die entgegengesetzte Anschauung hat zu tiefe Wurzel geschlagen. Uebrigens ist hervorzu- heben, dass in der letzten Zeit die richtige Auffassung im Begriff ist, sich Bahn zu brechen, v. Jhering hat später (1880) in einem Artikel über die Verwandtschaftsbeziehungen der Cepbalopoden ^) erklärt, dass 1) Wenn wir uns erinnern, dass die Clioniden ebenso wie die meisten Cephalopoden gefrässige Raubtliiere sind, welche grosse Beute angreifen, wird eine ähnliche Ausstattung der Mundöffnung sehr begreiflich. 2) Zeitschr. f. wiss. Zool. 35. Bd. p. 4. 320 J E V. BOAS, er seinen früheren Standpunkt verlassen hat; gleichzeitig hat Spengel'), wenn auch mit allem Vorbehalt, seine Bedenken ausgesprochen, auf den Gedanken einer näheren Verwandtschaft der Pteropoden und Cephalopoden einzugehen; und neuerdings hat sich Grobben bestimmt in demselben Sinne geäussert ^). Andererseits können wir aber con- statiren , dass Ray Lankester^) kürzlich derartig die Stellung der Pteropoden verkannt hat, dass er dieselben geradezu in die Classe der Cephalopoden aufgenommen hat. 2. Das gegenseitige Verhältiüss der Limaciiiideii, Hyalaeiden und Cymbuliiden. Von den drei Familien, aus welchen die Thecosomen bestehen, ist es unschwer zu erkennen — und schon von verschiedener Seite erkannt worden — , dass die der Limaciniden die ursprünglichste ist, diejenige, welche dem Ausgangspunkte, den Tectibranchiern, am nächsten steht. Bei dieser Familie haben wir noch eine spiralige Schale, ein Operculum, eine dorsale Mantelhöhle, — bei den übrigen, den Hyalaeiden und Cymbuliiden, ist jene (wenn vorhanden) gerade geworden, das Operculum verloren gegangen, die Mantelhöhle ventral geworden. Es ist namentlich der letztere Charakter von be- sonderem Interesse; die Lage der Mantelhöhle ist sonst innerhalb der Gastropoden ungemein constant, und hier finden wir bei zwei Familien, den Limaciniden und Hyalaeiden (von den Cymbuliiden werden wir vorläufig absehen), welche sonst sogar in den Einzelheiten ihres Baues sehr eng mit einander verwandt sind, eine gänzlich verschiedene Lagerung derselben. Es dürfte deshalb wohl der Mühe werth sein, sich die bezüglichen Verhältnisse etwas näher anzusehen, um womöglich ein Verständniss dieses Unterschiedes zu erzielen. Die Frage ist bisher nur von wenigen Verfassern, namentlich von SouLEYET und Grobben, berührt worden. Beide behandeln die Sache in aller Kürze und beide stehen eigentlich, unabhängig von einander, auf demselben Standpunkt, wenn auch dieses in etwas verschiedenen Worten ausgedrückt wird : die verschiedene Lagerung der Mantelhöhle ist vermeintlich eine unmittelbare Folge davon, dass die Hyalaeiden 1) Geruchsorg. u. Nervensystem d. Moll., Z. f. wiss. Zool. 35. Bd. p. 381. 2) Morphol. Studien ü. d. Hurn- u. Geselilechtsapp. d. Cephalop. in: Arb. Zool. Inst. Wien 5. Bd. p. 44—67. 3) Art. Mollusca in: Encyclop. Britann. 9. Ed. Vol. 16, 1883. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 321 eine gerade Schale und einen geraden Eingeweidesack besitzen, während die Limacinen eine Spiralschale und einen spiralgewundenen Einge- weidesackbesitzen. „Les Spirales [Limacina] — sagt Souleyet*) — se rapprochent tout ä fait, par leurs caracteres extörieurs, des genres pr6cedents [Hydlaea, CleodoraJ ; on peut s'en faire une idee assez juste en les considerant comme des Cleodores dont la partie posterieure du Corps et la coquille qui la recouvre seraient contournees en spirale" . . „La partie posterieure ou abdominale est enroulee en spirale, ainsi que la coquille dans laquelle eile est contenue" .... „le sac branchial, au Heu de se trouver ä la partie inferieure, comme dans les Hyales et les Cleodores, est place en dessus, comme dans les Gasteropodes pectinibranches ou pulmones, par suite de Tenroulement de l'animal autourdeson axe" [hervorgehoben von mir]. Grobben ^) spricht sich , nachdem er erwähnt hat, dass die Mantelhöhle bei den Limacinen dorsal ist, folgendermaassen aus: „Wie erklärt sich aber die ventrale Lage der Mantelhöhle bei den übrigen Pteropoden : Ich glaube, dass dieselbe einfach durch Rückdrehung des bei den Stammformen gedrehten Eingeweidesackes [hervorgehoben von mir] zu Stande gekommen ist. — Die dorsale Lage der Mantelhöhle, wie sie bei allen spiralig gedrehten Gastero- poden vorkommt, ist erst bei der Drehung des Eingeweide- sackes zu Stande gekommen, somit secundär". — Beide Verfasser sind also der Ansicht, dass die Spiralwindung des Einge- weidesackes eine Umlagerung der Mantelhöhle von der Bauch- nach der Rückenseite unmittelbar veranlasst hat, resp. dass die Aufhebung der Spiralwindung eine Verlagerung derselben von der Rücken- nach der Bauchseite direct mit sich bringt. Diese Meinung ist jedoch un- richtig, denn die Spiralwindung der Schnecken kann, wie wir gleich sehen werden, ihrer Natur nach keine solche Umlagerungen veranlassen. Betrachtet man eine Schnecke, welche mit Vorsicht ihrer Schale beraubt worden ist {Limacina helicina ist in dieser Hinsicht wegen der grossen Zerbrechlichkeit der Schale besonders günstig), so erkennt man ohne Schwierigkeit, dass die spiralgewundene Form des Einge- weidesackes in erster Linie darauf beruht, dass die Ventralseite des- selben bedeutend kürzer ist als die Dorsalseite; hierdurch wird der Eingeweidesack zusammengerollt. In zweiter Linie kommt 1) Bonite, Zool. T. 2 p. 208—210. 2) Harn- u. Geschlechtsapp. d. Cephalop. in : Arb. Zool. Inst. Wien Bd. 5, p. 63. Zoolog. Jahrb. I. g-i 322 J E. V. BOAS, hierzu noch eine gewisse eigenthümliche Schiefheit des Einge- weidesackes, wodurch das mehr oder weniger ausgeprägte thurmförmige Aussehen der Schalen bedingt wird; bei denjenigen Schnecken, deren Windungen in einer Ebene liegen (Planorbis etc.) fehlt diese Schief- heit, welche unter allen Umständen ohne wesentliche Bedeutung für die gegenseitige Lagerung der Organe ist. Denkt man sich jetzt eine Limacina gerade gerichtet: die Ven- tralseite ebenso lang wie die Dorsalseite gemacht und die geringe Schiefheit des Eingeweidesackes ausgeglichen, dann wird dieses, wie man ohne Schwierigkeit begreift — und wie ein Versuch mit einer aus ihrer Schale genommenen Schnecke oder mit einem einfachen Modell aus Modellirwachs jedenfalls mit Leichtigkeit zeigen wird — , gar keine Aenderung der Lage der Kiemenhöhle nach sich ziehen. Der Unterschied in dieser Beziehung zwischen limaciniden und Hyalaeiden ist somit nicht eine einfache Folge davon, dass der Eingeweidesack bei jenen spiralgewunden ist, bei diesen nicht. Er muss in anderer Weise er- klärt werden. Man könnte sich nun verschiedene Möglichkeiten denken. Es wäre zum Beispiel möglich, dass die dorsale Mantelhöhle der Lima- ciniden in der Weise ventral geworden wäre, dass die rechte Seite derselben sich allmählich gegen die Ventralseite gestreckt hätte, wäh- rend die linke Seite gleichzeitig zusammengeschrumpft wäre, ohne dass übrigens in der Lage irgend eine Aenderung eingetreten wäre. Eine genauere Untersuchung des Baues der zwei Gruppen zeigt aber, dass der Unterschied in Wirklichkeit ein weit eingreifenderer ist. In der That muss man sich vorstellen, dass der Uebergang von Limaciniden zu den Hyalaeiden in folgender Weise vor sich gegangen ist: Zunächst ist das Thier gerade gerichtet, und dann ist der grössere hintere Theil des Körpers, der Eingeweidesack, welcher mit dem vorderen kleineren fusstrageuden Theil des Körpers durch eine halsartig eingeschnürte Partie verbunden ist, um 1 8 0 '^ um die Axe des Thieres gedreht worden, während der vordere Theil die ursprüngliche Lage bewahrt hat; betrachtet man das Thier vom vorderen Ende des Körpers, so ist die Richtung der Bewegung die entgegengesetzte der Zeiger einer Uhr gewesen. Was am hinteren Theil des Körpers der Limaciniden Rücken ist, ist bei den Hyalaeiden Bauch geworden, und umgekehrt. Der gedrehte Theil umfasst: den Darmcanal mit Ausnahme des Mundes und der Buccalpartie, die Leber, den grcissten Theil der Geschlechtsorgane (mit Ausnahme des Penis und der Endpartie des Geschlechtsganges), das Herz, die Niere, Zur Fiystematik und Biologie der Pteropoden. 323 die Mautelhöhle, die Schale; der vordere un gedrehte Theil besteht aus dem Fuss (mit den Flossen), den Tentakeln, dem Penis, der Ge- schlechtsöö'nung , der Buccalpartie , dem ganzen Centralnervensystem, welche Organe sämmtlich ihre ursprüngliche Lagerung beibehalten haben. So auH'ällig es auch erscheinen mag, dass ein so durchgreifender Unterschied in der gegenseitigen Lagerung der Theile bei zwei Thier- gruppen, welche in den Einzelnheiten ihres Baues einander so nahe stehen wie die Limaciniden und die Hyalaeiden — so nahe, dass SoiiLEYET dieselben in eine Familie vereinigte — so zeigt doch eine genauere Analyse ihres Baues aufs unzweideutigste, dass das Ver- hältniss in der That ein solches ist. Besonders instructiv in dieser Richtung sind die Lagerungs - Be- ziehungen des Darmcanales und des Geschlechtsapparates. Bei den L i m a c in en (vergl. Taf. VIII Fig. 1) läuft der Darm nach hinten und rechts, dann in einem Bogen nach der linken Seite, dann nach vorn und nach der rechten Seite, sich mit seinem Anfangstheil dicht am Magen derartig kreuzend , dass der proximale ^ ) Theil an der Kreuzungsstelle unter dem distalen liegt, und mündet auf der rechten Seite. Bei den Hyalaeiden (Fig. 3) ist dieses alles in Folge der Drehung umgekehrt geworden : der Darm läuft hier nach hinten und links, dann in einem Bogen nach der rechten Seite, dann nach der linken Seite, auf welcher ebenfalls die Ausmündungs- stelle befindlich ist; an der Kreuzungsstelle liegt der proximale Theil des Darmes oberhalb des distalen. — Bei den L imacinen (Fig. 1) liegt der Geschlechtsgang auf der rechten Seite des Thieres, unter- halb des distalen Abschnittes des Darmes, und mündet weit vorne auf der rechten Seite. Die Oeffnung findet sich auch bei den Hyalae- iden (Fig. 3) auf der rechten Seite, sie hat nämlich ihren Platz auf dem vorderen, nicht gedrehten Theile des Körpers; die grössere Partie des Ganges liegt dagegen im gedrehten Theile des Körpers und findet sich demgemäss auf der linken Seite oberhalb des Darmes; indem aber der Gang an der auf der rechten Seite liegenden Oefinung befestigt ist, wird der distale Theil desselben nach rechts gezogen und läuft quer unterhalb der Speiseröhre nach der rechten Seite. Theorie und Thatsachen können sich nicht schöner decken. Auch die übrige anatomische Analyse giebt dasselbe Resultat. Die Niere und das Herz liegen bei Limacina auf der Rückenseite 1) Proximal nennen wir den Theil des Darmes, welcher dem Magen am nächsten liegt, distal denjenigen, welcher dem Anus am nächsten. Aehnlich für den Geschlechtsgang. 21* ä24 J- E. V. BOAS, des Thieres links; bei Cleodora (Creseis) acicula, der den Limacinen nächststehenden Hyalaeide, welche auf diese Verbältnisse hin unter- sucht wurde, liegen dieselben Theile auf der Ventralseite rechts, sonst aber in derselben gegenseitigen Lagerung^). — Der Schalen niuskel (Spindelmuskel), welcher bei den Limacinen ganz auf der Ventral- seite liegt, hat (mit Ausnahme seines vordersten Theiles) bei den Hyalaeiden seinen Platz auf der Dorsalseite oberhalb der Eingeweide- masse'*) (Taf. VIII Fig. 4—6). — Bei den Limacinen findet sich am vorderen Eande des Mantels rechts ein tentakelähnlicher Fortsatz, welcher beim lebenden Thiere zu einer bedeutenden Länge ausgestreckt werden kann ; derselbe findet sich auch bei verschiedenen Hyalaeiden, namentlich bei denjenigen Formen, welche den Limacinen am nächsten verwandt sind — Cleodora virgula, acicula, striata — , aber auf der linken Seite. Ferner wird auch durch unsere Theorie eine Eigenthümlichkeit der Schale der Hyalaeiden erklärlich. Bekanntlich ist dieselbe gerade, jedoch nicht in ihrer ganzen Länge, indem der hintere Theil gewöhn- lich gebogen ist. Diese Biegung ist anscheinend von derjenigen, welche wir sonst bei den Gastropoden finden, diametral verschieden, indem die Concavität bei den Hyalaeiden auf der Dorsalseite, die Convexität auf der Ventralseite sich findet — also wie bei den Nau- tilen — , während das Schalenrohr bei den übrigen Schnecken, die Limacinen nicht ausgenommen, immer derartig gebogen ist, dass die Concavität auf der Ventralseite liegt (es macht in dieser Hinsicht keinen Unterschied, ob die Schale rechts- oder linksgewunden ist). In Wirklichkeit ist dieser Unterschied eine einfache Folge der Drehung des Eingeweidesackes und der mit diesem verbundenen Schale. Auf jedem Punkt, den ich habe untersuchen können, wird somit die oben aufgestellte Theorie bestätigt: dass die ventrale Lage der Mantelhöhle der Hyalaeiden als die Folge einer Drehung des ganzen hin- teren Theils des Körpers um 180*^ um ihre Axe aufzufassen ist. Diese Drehung ist auch theilweise während der Ontogenese nachweisbar. 1) Bei anderen Hyalaeiden ist die Lagerung des Herzens und der Niere mehr oder weniger secundär verändert (vergl. unten). 2) Man sollte der Theorie gemäss vermuthen, dass der vordere Theil des Schalenmuskels sich bei den Hyalaeiden einseitig (links) nach der Bauchseite wendete, um sich dem Fusse anzuheften. In Wirklichkeit sendet derselbe jedoch eine Spange jederseits von der Speiseröhre nach unten, von welchen die eine — die rechte — als eine Neubildung aufge- fasst werden muss. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 325 Die Mantelhöhle wird nach Fol^) auf der rechten Seite des Thieres angelegt, und noch nachdem dieselbe — bei jüngeren Larven — • eine recht ansehnliche Entwickelung erlangt hat, ist sie nicht genau ven- tral, sondern schief, nach der rechten Seite hin gelagert; nach der Theorie soll die Mantelhöhle eben auf einem Zwischenstadium (vergl, Fig. 2) auf der rechten Seite gelagert sein. Hiermit steht auch in Verbindung, dass die Spitze der Schale bei denjenigen Formen, welche eine gebogene Schalenspitze besitzen, bei jungen Larven nicht nach oben wie beim Erwachsenen (vergl. oben), sondern nach der linken Seite gerichtet ist — ebenfalls ganz den Forderungen der Theorie entsprechend, wovon ein Versuch mit einem einfachen Modell leicht überzeugen wird. Ferner wird auch der Anus in der Medianlinie an- gelegt und rückt später nach Hnks^) (vergl. Fig. 2). Den Anfang der erwähnten Drehung des hinteren Theiles müssen wir uns demnach in einer Periode der Entwickelung denken, in welcher die Mantelhöhle und der Anus noch nicht angelegt sind (die Mantelhöhle wird verhält- nissraässig spät gebildet, nachdem z. B. der Fuss schon stark ent- wickelt ist). Die dritte Familie, die Cymbuliiden, ist diejenige, welche das entschiedenste Gepräge einer Anpassung an das pelagische Leben an- genommen hat; mehrere von denjenigen Charakteren, welche andere ausgeprägt pelagische Typen auszeichnen, finden wir hier wieder: ein grösserer Theil des Thieres ist halb gallertig (die sogenannte „Schale"), die Eingeweide sind zu einem „Nucleus" zusammengedrängt, die Muskeln sind rückgebildet, die Pigmentirung ist auf den Nucleus beschränkt, der übrige Theil des Körpers ist wasserklar, die wirkliche Schale ver- loren gegangen. Das Verhältniss dieser Familie zu den übrigen Theco- somen ist ein ähnliches wie z. B. zwischen Firola und Atlanta. Im Uebrigen schliessen sich die Cymbuliiden an die Hyalaeiden an, namentlich in dem Hauptpunkt, dass die Mantelhöhle ventral ist, wenn auch dieselbe andererseits bei den Cymbuliiden stark modificirt erscheint. Der Unterschied in dieser Richtung zwischen einer Hya- laeide und einer Cymbuliide beruht in erster Linie darauf, dass die Rückenseite des Thieres sich bei diesen derartig verkürzt hat, dass 1) Developpem. d. Pteropodes, in: Arch. Zool. exp^r. et g^n. T. 4 p. 141 und verschiedene der Figuren. 2) Fol, 1. c. p. 146, 326 J. E. V. BOAS, die Mantelhöhle sich bis an den Nacken des Thieres erstreckt (vergl. Holzschnitt A, welcher eine nähere Erklärung überflüssig macht). f^ /^ "==="^^^^^^^^^?— ^ ( Holzschnit A. 1. Schematischer Sagittalsclinitt einer Cleodora (ohne Sehale). 4. Aehnlicher von Cymbulia Peronii. 2 — 3 Hypothetische Zwischeustadien zwischen laeiden. — m Mund, / Puss, in Eingeweidemasse, a-b Epithelschild, c Kand des Mantels, sk sogenannte „innere Schale". Ferner ist für dieselben charakteristisch die bedeutende Weite, welche die Mantelhöhle erlangt hat. Als der inneren Fläche des Mantels der Hyalaeiden entsprechend muss nämlich nicht nur die Bekleidung der vorderen Höhlung {a-a') der pantoffelförmigen Schale von Cymhulia betrachtet werden, sondern ausserdem noch die Bekleidung der oberen Fläche der hinteren Partie derselben, jedenfalls zum grossen Theil {a'-h). Es ist dies aus der BeschaÖenheit des Epithels zu er- kennen. Auf der inneren Seite des Mantels findet sich bei den Hya- laeiden wie bei den Limaciuen bis in einige Entfernung von dem vor- deren Rande desselben ein sehr eigenartiges Epithel, aus ungemein grossen hohen Zellen bestehend, auf dessen nähere Beschreibung übri- gens hier nicht eingegangen werden kann. Dieses „ E p i th e 1 s c h i 1 d ", Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 327 wie wir es genaunt haben, findet sich ebenfalls bei den Cyiiibuliiden, und erstreckt sich hier nicht nur über die vordere Höhlung der pan- totfelförniigen Schale, sondern auch über einen grossen Theil der hin- teren Partie derselben, so dass jedenfalls dieser Theil (a'-b), wahr- scheinlich aber die Oberfläche der ganzen hinteren Partie des Pan- toifels der inneren Seite des Mantels der Hyalaeiden entspricht. Die Lagerungs - Beziehungen der Organe der Cymbuliiden ent- sprechen, mit einigen geringfügigen Aenderungen, denen der Hyalaeiden. Der distale Abschnitt des Darmes kreuzt den proximalen dicht am Kaumagen und liegt unterhalb desselben — wie bei den Hyalaeiden; der mittlere Theil des Darmes bildet eine Schlinge, welche grösser ist als die entsprechende der Hyalaeiden, und dessen hintere Partie (a in Holz sehn. B) in Harmonie damit, dass die Ventralseite des Eiugeweidesackes so stark gekrümmt ist, hinter dem übrigen Theil des Darmcanales zurückge- bogen ist. Der Anus liegt links; weil aber der Magen etwas nach rechts gerückt ist, liegt derselbe der Medianlinie näher als bei den Hya- laeiden. Die Geschlechtsöfihung befindet sich auf der rechten Seite; der distale Theil des Ge- schlechtsganges kreuzt die Speiseröhre und liegt unterhalb derselben — wie bei den Hyalaeiden. Die Cymbuliiden dürften demnach wohl als ^ . , ,.,T, Holzschnitt B. em in Anpassung an das pelagische Leben aus- Der Darmcanaivon Cym- bulia von unten, a ent- spricht der ebenso bezeich- neten Stelle in Fig. 1 u 3, Taf. VIII. gebildeter Seitenzweig des Hyalaeiden-Typus auf- zufassen sein. 3. Einige Bemerkungen über die Familie der Hyalaeiden. Von den verschiedenen Pteropoden-Familien ist die der Hyalaeiden ohne Vergleich diejenige, deren specielleres Studium am meisten Interesse darbietet. Sie erlangt ein solches unter anderem dadurch, dass ihre Mitglieder eine zusammenhängende aufsteigende Reihe bilden, deren ein- zelne Glieder eng verknüpft sind, während die Familie andrerseits be- deutungsvolle Verschiedenheiten umfasst. Die Formen, welche das eine Ende der Reihe bilden, schliessen sich eng an die Limacinen — ohne dass man jedoch in dem Hauptpunkte, welcher die Limaciniden und Hyalaeiden trennt, nämlich was die Lage des Eingeweidesackes bei letzteren betrifft, irgend eine Andeutung eines üeberganges zwischen beiden Familien findet — und dadurch an den normalen Gastropoden- 328 J. E. V. BOAS, typus an, während das andere Ende derselben sich, jedenfalls im Habitus, sehr weit von diesem entfernt. Holzschnitt C. Schematische Figuren zur Illustration der Formenänderungen der Schale der Hyalaeiden. Von der Veutralseite. 1 entspricht den C'reseis-Arten, 2 der Cieodora australis (vereinfacht), 3 der Cl. pyramidata, 4 ungefähr der Cl. cuspidata, 5 den Jfyalaeen. Es spricht sich dies sehr schön in dem Verhalten der Schale aus. Bei den niederen Cleodoren (den Arten der Untergatt. Creseis) finden wir eine einfache gestreckt - kegelförmige Schale, deren Quer- schnitt überall ungefähr kreisrund ist. Bei Cieodora australis ändert sich die Schale in einem wichtigen Punkt. Nur der hintere Theil der- selben hat einen kreisrunden Querschnitt; der vordere grössere Theil ist jcderseits mit einer hervorspringenden Kante (einer Falte der Schalenwand) versehen. Cieodora australis weicht aber noch in einem anderen Punkte von den Cresm-Arten ab. Die Mündung der Schale kann in eine Oberlippe und eine UnterJippe gesondert werden; beide zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Mittelpunkt etwas stärker hervortritt als die Seitentheile , was bei den entsprechenden Theilen der Creseis -Schale nicht der Fall ist. Bei Cieodora pyramidata ist die Schale in der angedeuteten Richtung weiter entwickelt, die Seiten- kanten sind stark hervortretend, die Querdimension der Mündung über- wiegt weitaus die Höhe derselben, die seitlichen Theile der letzteren sind eng in Vergleich zum mittleren Theile derselben, die Mitte der Unter- und (besonders) der Oberlippe ist stark hervortretend. Hierzu kommt noch, dass die Seitenkanten, welche bei Cl. australis noch un- gefähr parallel sind , bei Cl. pyramidata nach vorne divergiren , was besonders bei einer Varietät der Art {lata mihi == Cl. lanceolata Zur Systematik und Biologie der Pterododen. 329 autt.) hervortritt. All dies ist uoch weit stärker ausgeprägt bei Cl. cuspidata^ bei welcher die Seitenkauten so stark divergiren, dass das vordere Ende derselben schräg seitlich gerichtet ist, und bei welcher die Mittelpartien der Lippen weit länger hervorragen als die engen Seitenpar- tien der Mündung. Zu dieser starken Entwicklung der Ober- und Unterlippe steht eine Rückbildung der hinteren Partie der Schale in nahem Verhält- niss. Endlich finden wir bei Gl. cuspidata ein Moment angedeutet, welches für die folgenden Formen charakteristisch ist: man findet bei der er- wachsenen Schale eine leichte Einengung der Mündung, deren Höhe (Weite) ein wenig geringer ist als die Höhe der Schale etwas weiter hinten. — Bei den typischen Eyalaea-Arteu sind nun diese Eigen thüm- Hchkeiten der Schale bis aufs äusserste gesteigert: die Mündung ist bedeutend eingeengt, fast nur eine Spalte geworden, was um so auf- fallender wird, als die Unterlippe hinter der Mündung stark bauchig erscheint; die Seitentheile der Mündung sind auch hier enger als die Mittelpartie, nach hinten gerichtet (ähnlich wie bei Cl. cuspidata), und durch einen Zapfen, welcher in eine Grube am Rande der Ober- lippe hineingreift, sogar fast ganz von jener gesondert; der mittlere Theil des Vorderrandes der Oberlippe ist ferner, was wir bei keiner Cleodora finden, vor die Mündung hinabgebogen; der vordere Theil der Seitenkanten ist gerade seitwärts gerichtet; der hintere Theil der Schale ist auf ein Minimum rückgebildet (Enddorn, pointe terminale), so dass die Schale fast nur aus der Ober- und Unterlippe gebildet wird, wenn wir unter diesen Namen diejenigen Theile der Schale verstehen, die vor einer Linie liegen, welche von der einen Ecke der Mündung zur anderen gezogen wird. Zwischen Cl. cuspidata und den typischen Hyalaeen stehen Hyalaea trispinosa und A-dentata., welche die Reihe noch vollständiger machen, indem sie sich in einigen Punkten den Cleodoren nähern; es ist namentlich bei diesen der „Enddorn". kräftiger entwickelt'). Der F u s s der Thecosomen (Taf. VHI Fig. 7) besteht aus zwei Theilen, einem hinteren schmäleren Theil (f) und einem vorderen breiteren Theil , dessen zwei Hälften als Flossen (v) bezeichnet werden. Bei den Limacinen (Fig. 9) ist der hintere Fussabschnitt schmal, zungenförmig , und die Flossen tragen auf ihrem Vorderrand einen 1) Die Schale der Hyalaeiden bietet noch sehr viel Interessantes dar, worauf wii' aber in diesem Zusammenhang nicht eingehen können. 330 J. E. V. BOAS, kleinen tentakelälinlichen Lappen (v' ). Ganz ähn- lich verhalten sich einige Arten der Untergattung Creseis, nämlich Cleodora virgula (Fig. 10), acicula und chierchiae, bei welchen der Fuss mit denselben Worten beschrieben wer- den müsste. Bei Cleodora striata (ebenfalls aus der UntergattuDg Cres'eis) ist der kleine Lappen auf dem Vorderrande der Flossen bedeutend grösser und der hintere Fussabschnitt ist breiter geworden (Fig. 11). Bei Cleodora (Cres'eis) su- hula (Fig. 12) ist jener Lappen zu einem Haupt- abschnitt der Flosse ge- worden, und ebenso gestal- tet sich die Sache bei allen übrigen Cleodoren (Subg. Cleodora) und bei den Hpa- laea- Arten (Fig. 13 — 15. Auch der hintere Fussab- schnitt hat bei Cleodora ^ subula au Breite zugenom- men, was noch mehr bei den übrigen Cleodoren Holzschnitt D. Sche- matische Kifjurea zur Illustration der Formen - Aenderungen der Schale der Thceosomen , von der linken Seite. 1 Limacina. 2 u. 3 hypothetische Zwisehenstadieu zwischen Limaciniden und Hya- laeiden. 4 entspricht den Creseis- Arten, 5 der Cleodora australis (vereinfacht), G der OL ciispidata, 7 den Hyalaeen. / hinterer Fuss- abschnitt, V Flosse, op Operculum, k Mantelhöhle. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 331 (Fig. 13) und bei Hyalaea trispinosa (Fig. 14) und 4:-dentata der Fall ist; bei allen Cleodoren und bei den beiden genannten Hyalaea- Arten bewahrt jedoch der hintere Fussabschnitt die ursprüngliche Zungenform, Bei den übrigen Hyalaea- Arten (Fig. 15) hat der hintere Fussabschnitt sich weiter geändert; er wird sehr breit, fast ebenso breit wie die Flossen, gleichzeitig wird aber die Zuugeuform verwischt, er bekommt ungefähr die Form eines sehr breiten abgestutzten Dreiecks, welches wie ein Gebräme hinter dem Flossenpaar seinen Platz hat. Eine ähnliche Reihe finden wir für die Verhältnisse der Niere und des Herzens (Holz sehn. E). Die Niere ist bei den Theco- somen ein länglicher Sack, welcher mit dem einen Ende in der Nähe des hinteren Randes des vorhin genannten Epithelschildes gelagert ist, während das Herz immer am entgegengesetzten Ende der Niere seinen Platz hat. Bei den Limacinen liegt die Niere auf der linken Seite des Körpers und hinter derselben liegt das Herz; das Atrium links und etwas vor dem Ventrikel. Bei Cleodora virgula und acicula ist die Lage der beiden Organe zu einander und zu anderen Eingeweiden ungeändert, sie liegen aber, weil der ganze hintere Theil des Körpers gedreht ist , auf der rechten Seite des Körpers und das Atrium liegt rechts und vor dem Ventrikel. Bei den folgenden Arten findet nun eine successive Wanderung der Niere und des Herzens über die Ventralseite des Körpers statt, so dass das Herz schliesslich auf die linke Seite geräth, mit dem Atrium hinter dem Ventrikel, während die Niere eine transversale Lagerung auf der Bauchseite des Körpers erlangt. Bei Cleodora striata hat die Wanderung angefangen : die Niere ist noch longitudinal gelagert, ist aber auf die Ventralseite hinabgewandert ; das Herz hat eine Querstellung erhalten, das Atrium und der Ventrikel liegen neben einander, jenes rechts von diesem. Bei Gl. subula hat die Niere eine schrägere Stellung eingenommen, das hintere Ende ist nach links gezogen; auch das Herz ist nach der linken Seite gerückt, aber das Atrium liegt noch rechts vom Ventrikel. Bei 67. pyramidata ist die Aenderung endlich wesentlich abgeschlossen : die Niere ist quergestellt mit ihrem früher vorderen Ende rechts, dem hinteren links ; das Herz liegt links , das Atrium gerade hinter dem Ventrikel. Aehnlich verhalten sich die übrigen Hyalaeiden. Eine ähnliche Reihe lässt sich auch für die R a d u 1 a etc. aufstellen ; überall spricht sich sehr schön diese graduelle Entfernung von dem Ausgangspunkt, dem Limacinen-Typus, aus. 332 J. E. V. BOAS, «»3 2 !? S S ** 2 ro 5' hj ^ ^ te-^ ' JL n r/7 n ^* M* ts' a •^^ a- *"*■ (0 < o to H B ri q (^ ö a. rl TT ►^ o B ü ä w «j O N rr (D rr' a s r* a 3- » 1 it>- a o *§ C^« ~ a, W (» •n rr ^ tT' ft. a ^ (B rr Ut c • B o- ^^,^ , r- er B ^ 2 ö d § (TQ H B* J.* w •' rr ~j »: ^, 3 S (15 JD o rr B B ö <1 > o B (0 e a a S •-! a> ä ^ N < B 5= •-1 .s^ B er f "^ Ol er <6 B a n Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 333 4. Die Nahriini» und die Njihriingsauftiahme der Pteropoden. In der Beschaffenheit der Nahrung und in der Weise, in welcher die- selbe aufgenommen wird, spricht sich ein sehr entschiedener Gegensatz zwischen den Thecosomen und Gymnosomen aus. Die betreffenden Verhältnisse, welche bisher fast gar keine Berücksichtigung fanden, sind, namentlich was die Thecosomen betrifft, von keinem geringen Interesse. Wir betrachten zunächst letztere Gruppe. Zwischen den beiden Flossen, welche zusammen den vorderen breiteren Abschnitt des Fusses ausmachen, liegt vorne die Mund- öffnung. Dieselbe ist bei den Limaciniden und Hyalaeiden seitlich von einem Paar longitudinaler Lippen (Taf. VIII Fig. 7, l) um- geben, welche sich vor der Mundöffnung mit einander vereinigen. Diese Lippen, welche kräftige, stark hervortretende Hautfalten sind, gehen zunächst nur wenig divergirend nach hinten, biegen sich dann nach aussen, immer niedriger werdend, hören als Hautfalten beim Punkte ß auf, setzen sich aber mit einer scharfen Linie (ßyS) fort, welche am Hinterrande der Flossen ausläuft. Die Partie der ünterfläche des Fusses, welche vorn von den Lippen und deren Fortsetzung, hinten vom scharfen Fussraude begrenzt wird, hat schon für das blosse Auge ein anderes, mehr sammetartiges Aussehen als der übrige Theil des Fusses, und eine mikroskopische Untersuchung zeigt, dass der Unter- schied darauf beruht, dass dieser ganze Abschnitt mit einem Wimper- epithel bekleidet ist, dessen Zellen je mit einer grossen Anzahl dicht- gestellter, sehr langer Wimperhaare versehen sind, während das übrige Epithel des Fusses wimperlos ist. Da ich leider selbst keine Gelegen- heit gehabt habe, lebende Thecosomen zu untersuchen, kann ich nicht aus Autopsie sagen, in welcher Richtung die Wimperbewegung erfolgt; nach einer Bemerkung Gegenbaurs ^ geht dieselbe jedoch in der Richtung gegen die Mundöffnung, Nach meinem Dafürhalten dient die oben beschriebene Einrichtung den Limacinen und Hyalaeiden zur Be- schaffung ihrer Nahrung: alle kleinen Organismen, welche 1) Pteropoden und Heteropoden p. 6 : „Das Epithelium der Flossen ist pflasterförmig , an der Oberfläche mit feinen Cilien besetzt, welche gegen die Flossenbasis zu länger werden und dort eine regelmässige, ge- gen die Mundöffnung gerichtete Strömung unterhalten". Dass die ganze Epithel der Flossen bewimpert sein sollte, kann ich übrigens, wie oben erwähnt, nicht bestätigen. 334 J- E. V. BOAS, mit der grossen wimperbekleideten Fläche in Berüh- rung kommen, werden von dem Wimperstrora gegen die Ecke, in welcher der Mund liegt, und schliesslich in die Mundöffnung hineingetrieben — insofern sie nicht so gross oder kräftig sind, dass die Wimperbewegung sie nicht bewältigen kann. Die Geschöpfe, welche in dieser Weise als ihre Nahrung dienen müssen, sind, wie meine zahlreichen Analysen des Magen-Darm-In- haltes zeigen, eine grosse Anzahl verschiedener Protophyten und Protozoen, ferner einzelne Metazoen, besonders sehr kleine L i m a c i n e n . während Crustaceen, welche bekanntlich in grosser Anzahl die oberen Wasserschichten des olfenen Meeres bevölkern, so gut wie ganz fehlen : letztere Thiere haben eine zu kräftige Eigenbe- wegung, als dass der Wimperstrom sie bewältigen kann. Dass bei einer derartigen Nahrungsaufnahme übrigens von keiner Auswahl der an derselben Localität vorhandenen Körperchen die Rede sein kann, ist selbstverständlich, und es ist deshalb nicht wunderbar, wenn man im Magen einer Lnnacina helicina zahlreiche Körperchen anorganischer Herkunft (Quarzkörnclien etc.) findet, welche vielleicht von Eisbergen herstammen oder möglicherweise einfach Schmutzpartikelchen sind, die von dem Schiffe ausgeworfen wurden, welches die betreffende Limacina erbeutete; — oder wenn man in einer Hyalaea tridentata von der Zoologischen Station zu Neapel Bruchstücke von Menschen- haaren , gefärbte und ungefärbte baumwollene Fäden , kleine carmin- rothe Partikclchen etc. findet, welche offenbar daher stammen, dass das Thierchen einige Zeit in der Station lebend gehalten worden und das „Staub" ins Wasser gerathen ist. Bei den Cymbuliiden fehlt die oben beschriebene Einrichtung, die longitudinalen Lippen und das Wimperfeld. Die Mundöffnung — welche bei Tiedemannia auf einem kürzeren oder längeren Fortsatz ihren Platz hat — ist hier von einer vorderen und einer hinteren transversalen Hautfalte begrenzt, welche seitlich in einander übergehen und auf ihrer inneren Fläche mit einem Wimperepithel bekleidet sind. Hiermit ist ein Ersatz für das Fehlen jener Einrichtung gegeben ; die Nahrung der Cymbuliiden ist genau dieselbe wie der übrigen The- cosomen. Ueber die mikroskopischen Organismen, welche die Nahrung der Thecosomen ausmachen, habe ich noch Folgendes zu bemerken. Das Resultat der Analysen des Mageninhaltes ist etwas verschieden, je nachdem die untersuchten Thiere von den nördlichen kalten Meeren oder von den heisseren Meeren (den tropischen und I Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 335 warm-temperiiten Meeren) stammen. Die aus den letzteren zeichnen sich dadurch aus, dass sie Gl obig er inen und die anderen mit diesen verwandten pelagischen Foraminiferen, mit welchen die „Chal- lenger" - Expedition uns bekannt gemacht hat^) {Pulvinulina, Hasti- gerina), und Radiolarien {Dictyocha, Acanihometra, Amphilonclie etc.) enthalten; bei Thecosomen aus den arktischen und kalt- temperirten Meeren (Limacina helicina und halea , Cleodora pyramidata) ist der Mageninhalt durch zahlreiche Cilioflagel- lat e n^) (namentlich Feridinien und Dinophysis) charakterisirt, während Radiolarien niemals und Globigerinen nur selten darin gefunden werden. Diatomeen finden sich sowohl in den arktischen als in den anderen, immer jedoch ziemlich sparsam, obgleich Diatomeen bekanntlich zu gewissen Zeiten in ungeheuren Mengen die arktischen Meere füllen (während dieselben nach Murray 1. c. in den wärmeren Meeren sparsam sind). Den nördlichen und den heisseren Meeren gemeinsam sind ferner die Coccosphaeren, welche öfters in grosser Menge in dem Magen- inhalt vorhanden sind, und Mitglieder der Infusorien - Gruppe Tin- tinnoidea, welche offenbar in dem mikroskopischen Leben an der Oberfläche des Meeres eine weit grössere Rolle spielen , als es nach den bisherigen mir bekannten Berichten ersichtlich ist, und welche von den genannten Gruppen mikroskopischer Geschöpfe diejenige ist, welche das grösste Contingent zur Nahrung der Thecosomen liefert^) Als Beispiele mögen hier folgende Analysen des Magen - Inhaltes einzelner Exemplare verschiedener Arten augeführt werden : 1) Vergl. namentlicli Mükkat, in: Proceed. Eoy. Soc. London Vol. 24 p. 532 u. flg. — Ferner Sam. Owen, in : Journ. Linn. Soc, Zool. Vol. 8 p. 202—205; Vol. 9 p. 147—157. 2) Cilioflagellaten fehlen übrigens keineswegs in dem Magen von Thecosomen aus den heisseren Meeren ; es findet sich z. B. häufig in denselben die von Stein (Organism. d. Infusionsthiere, 3. Abth. 2. Hälfte p. 18 Taf. 2 Fig. 7 — 8) beschriebene Chulopyiis. 3) Unter den Formen dieser Gruppe, welche ich in den Thecosomen gefunden habe , können folgende genannt werden : Dictijocysta (Haeckel in: Jm. Zeitschr. 7. Bd., 1873, p. 561 u. flg.); Formen, welche mit den von Clapakede-Lachmann (Etud. s. 1. Infus., in : M^m. Inst. Geneve T. 5 p. 195 u. flg.) beschriebenen Tintinnus deiiticiilalus u. acuininatus Aehn- lichkeit haben (sehr häufig); ferner die von denselben Verfassern 1. c. PI. 9, Fig. 5a— b abgebildeten Arten, u. a. 336 J. E. V. BOAS. I 1. Limacina balea, von der Disko- Bucht. Globigerina, 1 Ex. Dinophijsis, mehrere Ex. Peridinium. Coccosphaeren, viele Ex. Tintinnus , denticulato Clap.-Lachm. äff,, mehrere Ex. Diatomeen. Verschiedene unbestimmbare Orga- nismen. 2. Limacina helicina, Omenak (Grönland). Dinophysis, in Menge. Diatomeen. Einzellige Algen ? von einer klaren Hülle umgeben. 3. Limacina helicina, Davis-Str. Peridinien, in sehr grosser Anzahl. Diatomeen. Tintinnus sp., mehrere Exempl. Einzellige Algen? wie in Nr. 2. 4, Cleodora pyramidata, 59 "^ N. Er. 18" W. L. Peridinium. Dinophijsis. Gtenodinium ? Coccosphaeren, in grosser Anzahl, Schachteiförmige Diatomeen. Tintinnus. 5. Hyalaea trispinosa, ohne Local. (jedenfalls von einem wärmeren Meere). Globigerina. Dictyocha. Jcanthometra. Dorataspis, in zieml. Anzahl. Ceratium. Andere Cilioflagellaten. Tintinnoiden. 6. Cuvierina columnella, 27 •^ 40' S. Br. 58 0 ö. L. Globigerina, viele Ex. PulvinuUna, ^clinomma. Acanthometra. ji niphilonche-^ia.G\Lxe\n. Dorataspis, mehrere Ex. Cladopii-vis. Andere Cilioflagellaten. Ueberrest eines Copepoden. 7. Tiedemannia sp., 20** 14'SBr. 10 4' W. L. (sehr reichhaltiger Mageninhalt). Globigerina, mehrere Ex. Dicliioc/ia, in Menge. yicanthonielra. Andere Radiolarien, in zieml. An- zahl. Cladopyxis. Ceratium. Andere Cilioflagellaten. Coccosphaeren, in Menge. üictyocystu, sehr zahlreich. Tintinnus , acuminato Clap.-Lachm. äff. Andere Tintinnoiden. Einzelne Ueberreste von Crustaceen. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 337 Gänzlich verschieden ist das Resultat der Untersuchung des Mageninhaltes der Gymnosomen. In der Regel findet man gar nichts oder richtiger einen geringen unbestimmbaren Inhalt : der Magen scheint bei diesen Thieren eine ungemein grosse Verdauungskraft zu besitzen, so dass die aufgenommene Beute schnell verdaut wird. Wenn man aber ein grosses Material dieser Thiere durchgeht, bemerkt man einzelne Exemplare, deren ganzer Körper stark aufgeschwollen oder deren durchschimmernder Magen stark ausgedehnt erscheint. Solche habe ich nicht wenige untersucht — Pneumodermon , Clione — und als Inhalt immer ein oder zwei Exemplare grösserer The cosomen gefunden. Letztere Thiere sind demnach vor der Hand als die Haupt- nahrung jedenfalls der beiden genannten Gattungen aufzufassen. Merk- würdig war es dabei, dass die Schalen der aufgenommenen Theco- somen, jedenfalls der von Pneumodermen gefressenen spurlos ver- schwunden waren (ob von den in den Clionen befindlichen noch Spuren der Schalen vorhanden, habe ich mir leider nicht notirt, jedenfalls waren aber dieselben dann sehr unbedeutend), obgleich die Weich- theile recht gut conservirt und leicht bestimmbar waren. Da davon keine Rede sein kann, dass die Thiere die Schalen ihrer Beute mechanisch entfernen sollten, müssen wir annehmen, dass dieselben im Magen sehr schnell aufgelöst werden, was um so auffallender ist, weil die in den Pneumodermen gefundenen Thecosomen solche waren, welche mit einer starken Schale versehen sind. — Die Beute der Clionen war immer Limacina helicina, die der Pneumodermen grössere Hyalaeiden (Hyalaea tridentata). Zur Bewältigung ihrer Beute sind diese Räuber mit einem grossen Apparat von Greifwerkzeugen ausgestattet, welche sämmtlich in der Mundhöhle ihren Platz haben. Letztere, welche sich mit einer medianen Spalte auf dem vorderen Ende des Körpers öffnet, ist meistens eine geräumige sackförmige Cavität, welche umgestülpt werden kann. Am hinteren Ende derselben findet sich eine kräftige Radula und ein Kiefer und fast immer zwei ausstülpbare , stachelbewaffnete Organe, die Hakensäckchen ; weiter vorne meistens eine Anzahl von Saugnäpfen , welche gewöhnlich auf besonderen Fortsätzen, sogenannten Armen ihren Platz haben — oder (bei Clionen) eigen- thümliche conische Warzen, welche ebenfalls als Fangapparate die- Züolog. Jahrb. I. 22 338 J. E. V. BOAS, nen. Mit dieser furchtbaren Ausrüstung gehen die Gymnosomen auf die Thecosomen und vielleicht auf andere friedfertige Thiere los, welche natürlich diesen saugnapf- und hakenbewaifneten Feinden als wehrlose Opfer fallen. Die voranstehenden kurzen Mittheilungen sind der Hauptsache nach Bruchstücke einer kürzlich in dänischer Sprache erschieneneu monographischen Arbeit ' ). Dieselben sind auf Wunsch meines ver- ehrten Freundes, des Herausgebers dieser Jahrbücher, dem meine Studien bekannt waren, ausgearbeitet, und enthalten einige Ergebnisse jener Arbeit, welche von allgemeinerem Interesse sein dürften. Meine grössere Abhandlung enthält noch Verschiedenes, was ich gern an dieser Stelle mitgetheilt hätte, was jedoch nicht aus dem Zusammen- hange des Ganzen losgerissen werden konnte. 1) Spolia Atlantica. Bidrag tiJ Pteropodernes Morfologi og Syste- matik samt til Kuadskaben om deres geografiske Udbredelse. Avec im resHine en fraiipuis. In : Danske Videnskab. Selsk. Skrifter , 6. Raekke, naturvid. og mathem. Afd. 4. Bd. Nr. 1 p. 1—231, Tab. 1—8. Zur Systematik und Biologie der Pteropoden. 339 Tafel-Erklärung. Tafel VIII. Fig. 1. Schema der Lagerungs-Beziehungen des Darmcanals und der Geschlechtsorgane einer Lirnacina (gerade gerichtet und ver- kürzt), von der Ventralseite. Die Anhänge des Geschlechts- ganges sind fortgelassen. — / hinterer Fussabschnitt , nach vorn geklappt; v rechte Flosse; m Kaumagen; a After; 0 Geschlechtsdrüse; g Geschlechtsöffnung; t tentakel artiger Anhang des Mantelrandes. Fig. 2. Hypothetisches Zwischenstadium zwischen Limaciniden und Hyalaeiden, ebenfalls von der Ventralseite ; der hintere Theil des Körpers ist um 90*^ gedreht. Fig. 3. Schema derselben Theile wie in Fig. 1 bei einer Cleodora, von der Ventralseite; Buchstaben wie vorhin. Fig. 4 — 6. Schemata von Lirnacina , von einem Zwischenstadium und von Cleodora , um das Verhältniss des Schalenmuskels zu illustriren, alles von der Bauchseite. Derselbe ist bei Lirna- cina ventral , bei Cleodora dorsal (vergl. den Text). In Fig. 6 ist derjenige Theil, welcher vom Kaumagen, — wel- cher allein von den Eingeweiden mitgezeichnet wurde — , verdeckt ist, mit Punkten angedeutet; die rechte vordere Spange (vergl. den Text) ist nur in Contouren gezeichnet. Fig. 7, Fuss mit den Flossen von Lirnacina kelicina, von der Unter- seite ; / hinterer Fussabschnitt ; v Flosse ; v' vorderer Flossen- lappen ; a der Winkel des hinteren Fussabschnittes und der Flosse (für die übrigen griechischen Buchstaben vergl. den Text); / die rechte longitudinale Lippe. Fig. 8. Vorderer Theil von Pneumodermon peronii , von der Bauch- seite, um den Bau des Fusses zu zeigen ; rn Mundöffnung, /) Oeffnung des eingestülpten Penis, v zusammengeschrumpfte Flosse ; f Fuss ; / lippenartiger Hautwulst des Fusses. 22* 340 J. E V. BOAS, Zur Systematik und Biologie der Pteropoden, Fig. 9 — 15. TJmriss des Fusses mit den Flossen verscliiedener Theco- somen, von der Unterseite; der hintere Fussabschnitt (/) ist nach vorn geklappt; Buchstaben wie in Fig. 7. Fig. 9. Limacina helicina. „ 10. Cleodora virgula. „ 11. ,, striata. „ 12. ,, subula. „ 13. ,, pyramidata. „ 14. Hyalaea trispinosa ; die Flosse etwas stärker als bei den übrigen contrahirt. „ 15. Hyalaea tridentala. lieber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. Von Dr. Emil y. Marenzeller in Wien. Hierzu Tafel IX. Litteratur. (1) 1805—1830. EsPEE, Die Pflanzenthiere. III. Th. S. 38. Alcyon. Taf. IX. (2) 1833. QuoT et Gaimakd, Voyage de 1' Astrolabe. T. IV pg. 270. Zooph. PI. XXII Pig. 11, 12. (3) 1834. Lesson, in: Belanger, Voyage aux Indes orientales par le nord de l'Europe. Zoologie, Zoophytes, pg. 517 PI. II ebenso in: DüPEEEEY, Voyage autour du monde sur la corvette la Co- quille. Zoologie 1830—38. T. II deux. divis. Zooph. pg. 92. (4) 1834. Eheenbeeg, Die Corallenthiere des rotben Meeres. S. 56. (5) 1848. Dana, Zoophytes, pg. 622, 623, PI. 58 Pig. 3, 6, 7. (6) 1855. Stimpson, Descript. of some of the marine Inyertebr. from the Chinese and Japanese seas in : Proceed. Acad. Nat. Sc. Philadelphia. Vol. VII pg. 375. (7) 1864. Veeeill, A., List of the Polyps and Corals etc. in: Bullet. Mus. Comp. Zool. Harvard College Cambridge. N. 3 pg. 39. (8) 1865. Veeeell, A., Synopsis of the Polyps and Corals of the North-Pacific Exploring Expedition in : Essex Institute. Vol. IV pg. 91. (9) 1867. KöLLiKEE, Bemerkungen etc. in: Verh. Phys. Medic. Ge- sellschaft, Würzburg. (10) 1869. Geay, J. E., Kotes on the fleshy Alcyonoid corals. in: Ann. and Mag. Nat. Hist. (4. ser.) Vol. III pg, 117. (11) 1872. Geay, J. E., Alcyonoid corals and sponges from the gulf of Suez collected by K. M' Andrew in 1868 in: Ann. and Mag. Nat. Hist. (4. ser.) Vol. X, pg. 124. 342 EMIL V. MARENZELLER, (12) 1872. Taegioni - TozzETTi , A., Nota intorno ad alcune forme di Alcionari e di Gorgonacei etc. in: Atti See. Ital. Scienze Nat. Yol. XV Milane, pg. 453-459. (13) 1875. Haeckel, E., Arabische Korallen. Berlin, pg. 44 u. 46, Taf. I Fig. 10, Taf. II I Fig. 11. (14) 1877. Klunzingeh, Die Korallthiere des rothen Meeres, I. Theil, pg, 27—29, Taf. I Fig. 8, II Fig. 2. (15) 1878. Studeb, Th,, Uebers. d. Anthozoa Alcyonaria, w. während d. Reise S. M. S. Gazelle ges. w. in: Monatsber. Preuss. Akad. Wiss. a. d. J. 1878. Berlin 1879. S. 634. (16) 1879. Bbüggemann, F., Corals in: An account of the petrologic. botan. & zoolog. collections made in Kerguelen's Land and Eodriguez, in : Philosoph. Trans. Roy. Soc. London 1879. Vol. 168. pg. 569. (17) 1880. MosELET, H. N,, Report on certain Hydroid, Alcyonarian and Madreporarian Corals procured during the voyage of H. M. S. Challenger in: Zool. Chall. Exp. Part. VII pg. 117. Helioporidae PI. I Fig. 2, PI. II Fig. 3. (18) 1883. RiDLEY, S. 0., The Coral-fauna of Ceylon in: Ann. and Mag. Nat. Hist. (5. Ser.) Vol. XI, pg. 251, 252. (19) 1883. Koken, Joh. og D. C. Danielssen, Nye Alcyonid. Gorgonid. og Pennatulid. tilhörende Norges Fauna. Bergen, pg. 7. Taf. IV Fig. 1—25. (20) 1884. HicKSON, S. J., On the ciliated groove (Siphonoglyphe) in the stomodaeum of the Alcyonarians in : Philos. Trans. Royal Soc. London. Vol. 174 Part. III, pg. 695. PL 50 Fig. 4. 5. Lesson (3) nannte 1834 eine Alcyoniide von Neu-Irland mit eigen- thümlichem hutpilzartigera Habitus Sarcophjton lobidatum. Die eigent- liche Begründung erfuhr jedoch diese Gattung erst viele Jahre später durch KöLLiKER (9), als dieser an ihr neben den normal entwickelten Polypen auch „Zooide" entdeckte, welche in grosser Zahl den Raum zwischen jenen ausfüllen. Die meist geschlossenen, fast punktförmigen Mündungen derselben verleihen der Oberfläche des Zoanthodemes ein areolirtes chagrinartiges Aussehen, und ihr Vorhandensein ist das beste Merkmal, die Zuständigkeit zu erkennen, wenn das Zoanthodem von der typischen Hutpilzform wesentlich abweichende Veränderungen durch- macht. Lesson hatte die Oeffnungen der Zooide wohl gesehen; man beachtete jedoch in der Folge diesen Umstand, dessen Bedeutung dunkel geblieben war, nicht und Hess die Gattung Sarcophyton un- berücksichtigt. Verwandte Formen wurden meist der weiten Gattung Alcijonium eingereiht. Auch das Beginnen Gray's (10), die „Sarcophyten" lieber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 343 aus ihren Verstecken hervorzuholen und sie in einer eigenen Familie (Sarcopht/tida) unterzubringen, blieb für die Systematik ohne Bedeutung, da diese Gruppirung, ohne eingehende Untersuchung der aufgenommenen Arten gemacht, zu einer Vereinigung sehr verschiedener Elemente führte. Die Kenntniss der Arten machte von Lesson bis auf unsere Tage nur wenig Fortschritte, und man kann eigentlich nur mit den zwei von Klunzinger (14) beschriebenen Sarcophyten aus dem rothen Meere rechnen; denn eine dritte, jüngst mit allem Detail von Koren und Danielssen (19) beschriebene, Sarcophytum purpureum genannte Alcyoniide aus dem atlantischen Ocean gehört, wie ich weiter unten begründen will, wohl nicht in den Rahmen jener Formen, welche in unmittelbarster Beziehung zu dem alten LESSON'schen Typus stehen, lieber die Anatomie der eigentlichen Sarcophyten wissen wir erst durch Moselet (17) Genaueres, der die auch in dieser Schrift ge- brauchten Ausdrücke, Autozooid für die vollständig entwickelten Polypen, Siphonozooid für die „Zooide" Kölliker's einführte. Moseley stellte unter Anderem fest, dass sich hier die Siphonozooide von jenen der Pennatuliden dadurch unterscheiden, dass das dorsale und das ventrale Septen-Paar länger sind. Ergänzt wurden diese Untersuchungen durch die Studien Hickson's (20) über die Verbreitung der Wimpergrube bei den Alcyonarien, indem er fand, dass dieses Organ bei Sar- cophytum in den Autozooiden nur eine sehr unbedeutende, in den Siphonozooiden dagegen eine viel mächtigere Entwicklung erlangt. Was die Stellung der weiter unten beschriebenen Arten im Systeme anbelangt, so gelangte auch ich auf einem anderen Wege als Hickson zu der Ueberzeugung , dass sie sich unmittelbar an „Alcyonium" an- schliessen oder besser an eine Reihe von Arten, die heute noch unter diesem Gattungsnamen verstanden werden, wie: A. polydactylum Ehbg., A. leptoclados Ehbg., A. gyrosum Elz. Klunzinger (14) erkannte das Verhältniss ganz richtig. Der bereits bei den heterogensten Al- cyonarien constatirte Dimorphismus allein berechtigt nicht zu einer besonderen Isolirung. Das Material, welches mir zur nachfolgenden Uebersicht über die durch Dimorphismus ausgezeichneten Sarcophytum-QxiigQn Alcyoniiden Gelegenheit bot, stammte zum grössten Theile aus der Südsee und war von dem Museum Godeffroy bezogen worden. Schon die aufmerksame äusserliche Prüfung einer grösseren Reihe von Zoanthodemen verschie- denen Alters ergiebt, dass allein der Habitus derselben gestattet, neben der Gattung Sarcophytum Lesson eine zweite aufzustellen, welche ich Lobophytum nenne. Diese Trennung wird auch durch die Verschieden- 344 EMIL V. MARENZELLER. heit der Spicula, insonderlich jener im Innern der polypentragenden Ausbreitung des Zoanthodemes (Scheibe), gerechtfertigt. Von Sarcophytum lagen ganz junge Zoanthodeme vor. Die Ge- stalt solcher ist eine vollkommen hutpilzförmige. Die polypentragende Scheibe ist mit dem Hute, der sterile Stiel mit dem Strünke eines Champignons zu vergleichen. Wenn das Zoanthodem wächst, vergrössert sich nicht allein die Scheibe, sondern es beginnt auch deren Rand sich zu falten. Der Rand wird wellig, Wellenberg und Wellenthal wechseln ab. Die einander zugekehrten Flächen der Falten verwachsen aber niemals unter einander, bleiben frei. Bei Sarcophytum hängt das Gesammtgepräge von der Entwicklung der Wellenberge ab, die Wellen- thäler beeinflussen nur den Contour der überragenden Scheibe. Die Wellenberge erheben sich steil und springen stark vor. An ihrer Convexität oder an ihren Seiten finden weitere Faltungen und dadurch neue Theilungen statt. Je reicher die primären Faltungen des Randes sind und je häufiger secundäre auftreten, in je kleinere und kürzere Windungen die Scheibe zerfällt: um so befremdender wird ihr Aus- sehen. Meist ziehen sich auch die Zoanthodeme bei dem Einlegen in Alcohol zusammen und die Falten und Fältchen legen sich so aneinander wie die Blumenblätter einer sich schliessenden Blüthe. An solchen reichfaltigen Exemplaren ist dann nichts mehr von der Oberfläche im Centrum der Scheibe selbst zu sehen. Hierher das Alcyonium glau- cum QuOY et Gaim. (2), Sarcophyton lohulatum Lesson (3), Halcyo- nium pulmo Ehrenberg (4), non Esper, Alcyonium agaricum Stimp- SON (6), Sarcophytum pulmo Klunzinger (^14) {non pulmo Ehrbg. nee pulmo Esper). Von Lohophytum mihi konnte ich leider keine jugendlichen Exem- plare untersuchen. Ich kann daher über die Beschaffenheit der Scheibe in den ersten Stadien nichts sagen. Sie wird gleichfalls von einem sterilen Stiele getragen, überragt jedoch nie denselben wie bei Sar- cophytum. Untersucht man den Rand, so bemerkt man auch hier Falten, allein die Berührungsflächen sind nicht frei, sondern mit- einander verwachsen. Eine seichte Furche deutet dies an. Diese Falten wachsen zu Lappen aus, welche tief gegen das Centrum der Scheibe hineinragen. Die Kuppen dieser Lappen bleiben selten un- getheilt. Meist zerfallen sie wieder in Läppchen, deren Gestalt von der Dicke der Lappen , der Tiefe der Einschnitte und der eigenen Breite abhängig ist. Oft sind die Läppchen schmal und wachsen zu fingerförmigen Fortsätzen aus. Es finden hier die verschiedensten Combinationen statt. Dass diese Lappenbildung vom Rande ausgeht, Ueber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 345 erkennt man an kleineu Zoanthodemen , wo die vertiefte Mitte der Scheibe noch glatt zu Tage liegt. An grösseren, älteren Exemplaren wird die ganze Scheibe von den Lappen eingenommen. Hierher das Alcyonium pulmo Esper (1) {non Ehrenberg nee Klunzinger), Lo- bularia pauciflora Ehbg. (4), Alcyonium murale Dana (5), Alcyonium latum Dana (5), Alcyonium submurale Ridley (18). Der bedeutsame Unterschied zwischen Sarcophytum Lesson und Lohophytum besteht also darin, dass die bereits verschieden veran- lagten Zoanthodeme sich auch in ganz verschiedener Weise weiter entwickeln. Die Art des Wachsthums ermöglicht sowohl bei Sarcophytum als bei Lohophytum eine so reiche Fülle von Gestalten, dass ein Zusam- menfassen der Formen zu Arten einzig und allein nach dem Habitus zu den grössten Irrthümern führen muss und eine makroskopische Beschreibung ohne Untersuchung der Spicula gar keinen Werth haben kann. In die Museen kommen meist „handsame Stücke", die wenig Alcohol verschlingen. Wie sich dieselben weiter entwickeln , ob alle zu den vielfach erwähnten 30 — 60 Ctm. grossen Polstern auswachsen, weiss man nicht, und bekommt man solche grosse Stücke zur Unter- suchung, so weiss man wieder nicht, wie diese in früheren Zuständen aussahen. Die Angabe des Fundortes ist gleichfalls kein Behelf zur Wiedererkennung der Arten, weil nach meinen Erfahrungen die Zahl der Species eine weit grössere ist, als man bisher annahm, und an dem- selben Punkte mehrere Arten mit ganz gleichem Habitus vorkommen können und auch factisch vorkommen. Ich habe von den älteren Arten nur das Alcyonium glaucum Quoy et Gaim. angenommen, weil ich die abgebildeten Spicula in mir vorliegenden Sarcophyten der gleichen Localität fand. Wenn ich also dem Habitus nur eine ganz untergeordnete Bedeutung beimesse und die Spicula als das leitende Mittel zur Unterscheidung der Arten ansehe, so legte ich mir doch bei Beurtheilung des Werthes der Differenzen in deren Form eine grosse Reserve auf. Ob ich immer das Richtige getroffen, wird erst die Zukunft ergeben. Es ist ein Leichtes, auch allein nach den Spicula, die Gattung Lohophytum abzutrennen und innerhalb dieser wie der Gattung Sarcophytum Gruppen aufzustellen, also einen Gesammt- Charakter, der durch die Spicula aus den verschiedenen Theilen des Stockes gebildet wird, zu fixiren; dann aber mit Sicherheit zu ent- scheiden, bis zu welchem Grade die Modificationen in der einen oder der andern Kategorie der Spicula gediehen sein müssen, um zur Auf- stellung einer eigenen Art zu berechtigen oder mit anderen Worten, 346 EMIL V. MARENZELLER, einen klaren Einblick in die Grenzen der Variabilität dieser Gebilde zu gewinnen: dies halte ich erst bei einem viel grösseren Unter- suchungsmateriale für möglich, als mir zu Gebote stand. Entwicklungs- formen der Spicula sowie Verbildungen müssen gleichfalls im Auge behalten und entsprechend taxirt werden. Die Spicula in zusammen- gehörigen Zoanthodemen einer und derselben Localität zeigten manch- mal nur leicht fassliche Variationen, ein andermal wichen sie wieder beträchtlicher von einander ab. Stammten die Exemplare von ver- schiedenen Fundorten, so war der Grad der Schwankung gewöhnlich ein viel bedeutenderer. Da ich nun annehmen kann, dass ich nur einen geringen Bruchtheil der so verbreiteten und häufigen, nur bisher nicht näher untersuchten Sarcophytum-SirügeTi Alcyoniiden vor mir hatte, so müsste bei einem sehr stricten Festhalten an einer einmal aufge- tretenen Bildung der Spicula die Zahl der daraufhin begründeten Arten in bedenklicher Weise anwachsen. Fast für jeden neuen Fund- ort müsste eine neue Art gemacht werden. Meine Ueberzeugung geht dahin , dass die von mir bei Sarcophytum einerseits und Lohophytum andrerseits aufgefundenen leicht kenntlichen und unter einander wesent- lich differirenden Grundformen der Spicula an der Basis des Strunkes der Zoanthodeme innerhalb der beiden Gattungen nicht als Merk- male von Gruppen, welche erst in Arten zu gliedern sind, sondern als Artmerkmale selbst anzusehen sind. Aus den beobachteten Ab- weichungen von diesen Grundformen bilde ich Varietäten einer na- türlich nur willkürlich angenommenen Stammart, wenn noch weitere Veränderungen in der Form des Zoanthodemes selbst oder in den andern Spicula auftreten. Eine endgültige Entscheidung beansprucht diese Arbeit nicht. Da man aber die Verschiedenheiten und Analogien genau verzeichnet finden wird, wie sie sich aus meinem, wenn auch nur zufällig zusammengewürfelten , Material ergeben , so dürfte es mindestens in der Folge leichter sein, den wirklichen Verhältnissen auf den Grund zu kommen. Ich glaubte nicht, die Kenntniss der bisher als Sarcophytum bezeichneten wenig beachteten Alcyoniiden zu fördern, indem ich, in das entgegengesetzte Extrem verfallend, mit der Zer- splitterung in Arten das Beispiel gebe. Bie Spicula. Man muss vier Kategorien von Spicula unterscheiden: Eine, welche eine periphere Lage um das ganze Zoanthodem bildet (Rinden- spicula), eine zweite, welche sich im Cönenchym des polypentragenden Ueber die Saroophytum benannten Alcyoniiden. 347 Theiles des Zoanthodemes (Spicula der Scheibe), eine dritte, welche sich in dem sterilen Basaltheile (Spicula des Strunkes) findet und eine vierte den Autozooiden selbst angehörige. 1. Rindenspicula {a in Fig. 1 — 12). Das ganze Zoanthodem wird bis auf mehr oder minder ausgedehnte Stellen unmittelbar oberhalb der Ansatzstelle des Basaltheiles von einer Rinde umgeben, die aus keulenförmigen, warzigen Spicula von verschiedener Grösse, 0.084 bis 0.24 mm besteht, welche ihr breites Ende nach aussen kehren. Zur Bildung der Rinde der Scheibe tragen auch Spicula bei, die Ueber- gänge darstellen zu den Spicula des Cönenchyms. Im sterilen Basal- theile ist die Rinde besonders stark und natürlich zusammenhängend. Man bemerkt hier unterhalb und zwischen den keulenförmigen Spicula, welche im Wesen mit denen der Scheibe übereinstimmen, andere, die meist beträchtliche Differenzen von den weiter im Innern gelegenen charakteristischen Spicula zeigen. Es sind kleinere Spindeln, die sich den Spicula des Cönenchyms der Scheibe nähern. Bei Lobophytum sind die eigentlichen keulenförmigen Rindenspicula in dem polypentragenden Theile des Zoanthodemes weniger ausgebildet und die Spicula des Innern ragen häufig unverändert mit ihrer Spitze in die Rinden- schicht. 2. Spicula der Scheibe (& in Fig. 1 — 12), lange schlanke mit zerstreuten Dornen oder kleinen Warzen besetzte, selten über 0.02 mm breite Stäbe oder Spindeln (Sarcophytum) oder mit viel grösseren, gürtelbildenden Warzen, gewöhnlich über 0.05 mm breite Spindeln (Doppelspindeln) (Lobophytum). 3. Spicula des Strunkes (c in Fig. 1 — 12). Besonders ausge- prägt der Basis zu. Grosse mit vielen Stachelwarzen besetzte Spindeln von 0.5 bis über 2.0 mm Länge und 0.12 — 0.3 mm Breite {Sar- cophytum glaucum Quoy et Gaim. Fig. 1, 2); mit groben und ent- fernt stehenden Warzen besetzte Spindeln höchstens von 0.35 mm Länge und 0.035 — 0.1 mm Breite (Sarcophytum ehrenhergi n. sp. (Fig. 3. 4) Lobophytum crebriplicatum n. sp. (Fig. 1)); fast halb so breite als lange, gedrungene, reich Stachel warzige Walzen (Doppel- Walzen) von 0.19 — 0.26 mm Länge und 0.98—0.16 mm Breite und ähnliche nur etwas grössere und mehr zugespitzte Gebilde (Doppel- spindeln) (Sarcophytum trocheliophorum n. sp. (Fig. 5. 6), Lobophy- tum crassum n. sp. (Fig. 8. 9. 10. 11), Lobophytum pauciflorum Ehbg. (Fig. 12);. Für die Lo&op%^wm-Spicula ist die Tendenz der Warzen, Gürtel zu bilden, charakteristisch. 348 EMIL V. MARENZELLER, 4. Spicula der Autozooide {d in Fig. 2 und 6). Leider scheint eine nicht ganz vorzügliche Beschaffenheit des Alcohols diesen zarten Gebilden nachtheilig zu sein. Besonders die Spicula der Tentakel werden leicht angegrifien und vollständig gelöst. Ich musste deshalb verzichten, ihnen bei der Beschreibung der Arten einen Platz einzu- räumen. Nur bei einem S. glaucum var. pauperculum (Fig. 2 d) und S. trocheliopJiorum var. amhoinense (Fig. 6 d) fand ich sie so erhalten, um über sie berichten zu können, und selbst da waren die Spicula in den Fiedern bereits in Auflösung begriffen. Am Vorderleibe der Autozooide bilden lange Spicula wie die zwei längsten in Fig. 2 d und die drei längsten in Fig. 6 d wie gewöhnlich nach vorn convergirende Reihen, welche bei der erstgenannten Art dichter und regelmässiger sind. Hinter diesen Reihen, also auf dem Hinterleibe, folgen noch bei S. trocheliopJiorum var. amhoinense in grösseren Zwischenräumen zahlreiche kleinere Stäbe der Quere nach gelagert, bei der anderen Art nur einige wenige nicht so regelmässig angeordnete. In den Kielen der Tentakel gleichfalls nach vorn convergirende Reihen ge- bildet von ähnlichen, nur viel kleineren Spicula wie im Vorderleibe, kleinen fast glatten Stäbchen und an einem oder beiden Enden ver- breiterten und rauhen oder zerschlitzten Plättchen. Die letzte Art nur bei S. trocheliophorum var. amhoinense. Auch in den Fiedern der Tentakel ebensolche, nur kleinere Plättchen. An einem Lohophytum konnte ich im Vorderleibe der Form und Anordnung nach gleiche Spicula constatiren. Verlbreitung der Sarcoxthyttim- und Loboj^hytu^n-Avteji. Ihr Verbreitungsbezirk ist der Indische Ocean und ein Theil des Stillen: sie gehen von Suez bis an die Küsten Japan's und an die Südseeinseln. Ich stelle zunächst die Localitäten zusammen, von welchen mein Material herrührte, und füge die Namen der dort gefundenen Arten bei. Bei dem Fundorte „Rothes Meer" erwähne ich auch die von Klunzinger gefundenen Arten, wiewohl ich selbst sie von dort nicht gesehen. Im Anhange führe ich noch andere mir aus der Litteratur bekannt gewordene Fundorte von zweifellos hierher gehörigen, aber meist nicht näher zn definirenden Arten auf. Rothes Meer: S. glaucum Quoy et Gaim. var. pauperculum mihi, S. ehrenhergi mihi, S. trocheliopJiorum mihi, L. pau- cißorum Ehbg. lieber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 349 Insel R^union: L. crassum var. horbonicum mihi. A m b 0 i n a : S. glaucum Quoy et Gaim. var. paupercuhim mihi, S. trocheliophorum var. amboinense mihi, L. pauci- florum Ehbg. Andamanen: >S. trocheliophorum var. amboinense mihi, L. pauci- florum Ehbg. var. validum mihi. Cebu: S. ehrenhergi var. acutangulum mihi. Australien: S. glaucum Quoy et Gaim., S. ehrenhergi mihi, S. trocheliophorum mihi, L. crassum mihi, L. cras- sum var. proliferum mihi. Neuseeland: L. pauciflorum Ehbg. Tonga-Inseln: S. glaucum Quoy et Gaim. S. ehrenhergi var. acutangulum mihi, S. trocheliophorum mihi, L. cre- hriplicatum mihi, L. crassum var. crista galli mihi, L. pauciflorum Ehbg. var. validum mihi. Viti-Inseln: S. glaucum var. pauperculum mihi, S. ehrenhergi mihi. Insel Rodriguez, Ceylon, Celebes, Admiralitäts-Inseln, Kagosima- bay (Japan), Neu-Irland. Die Sarcophytum- und Lobophytufn-Arten der Litteratur. Älcyonium pulmo EsFEii.{l). Die älteste einschlägige Art. Esper's Beschreibung giebt an: „Auf einem breiten unförmlichen Stamme theilen sich verschiedene, lappenförmige, kurze Aeste, die theils in stumpfe, theils in kugelförmige Auswüchse sich endigen und ineinander verwachsen." Daraus erhellt, dass diese, wie Esper bemerkt, aus Indien stammende Form in meine neue Gattung Lohophytum zu stellen ist, während den Beschreibungen der von Ehrenbeeg (4) Hälcyonium pulmo Esper und von Klunzinger (14) Sarcophytum pulmo Esp. benannten Formen wirkliche Sarcophytum-kvten zu Grunde liegen. Der EsPER'sche Name kann nur verwendet werden, wenn das Original noch vorhanden und neu untersucht wird. Klunzinger's S. pulmo Esp. nenne ich S. trocheliophorum (Siehe dies). Alcyonium glaucum Quoy et Gaimard (2) = S. glaucum. Sarcophyton lobulatum Lesson (3). Die typische Art der Gat- tung Sarcophytum. Ist vielleicht mit S. ehrenhergi mihi identisch. Hälcyonium pulmo Esp. ; Ehrenberg (4). Dass diese Art nicht die Esper's sein kann, wurde bereits oben erwähnt. Ehrenberg fand 350 EMIL V. MARENZELLER, sie bei Tor. Die zahlreichen Exemplare unseres Museums von der- selben Localität vertheilen sich auf zwei Arten (S. glaucum var. pau- perculum mihi, S. Ehrenher gi mihi), die von dem S. pulmo Esp. Klun- '£inger's bei Koseir verschieden sind. Wahrscheinlich ist mein S. Ehrenhergi das Halcyonium pulmo Ehrenbeeg's. Lobularia pauciflora Ehkenberg (4). Klunzinger erkannte darin ein Sarcophytum. Die Art ist meiner Gattung LdbopJiytum ein- zureihen. Älcyonium mwale Dana (5) von Tonga. Ich halte diese Form für ein Lobophytum, etwa zu meinem L. crassum gehörig. Älcyonium latum Dana (5) von Tonga und den Viti-Inseln. Wurde bereits von Verrill (7) als Sarcophytum aufgefasst. Es ist ein Sar- cophytum in meinem Sinne und möglicherweise S. ehrenbergi var. acutangulum mihi. Älcyonium agaricum Stimpson (6) aus der Kagosima-Bay (Japan). Verrill (8) sah an dieser Art die punktförmigen Oeffnungen der Siphonozooide , aber ohne deren Bedeutung zu erkennen, und stellte sie zu Sarcophytum. Es ist ein Sarcophytum s. str. Sarcophyton n. sp. J. G. Gray (11) von Suez. (Nur der Name). Sarcophytum lohatum Lesson, Lobularia pauciflora Ehbg. ; Tar- gioni-Tozzetti (12). Ausserdem werden auch noch 2 andere hierher gehörige Formen erwähnt, die aber wie die erstgenannte Art nicht mit Sicherheit einzutheilen sind. Sarcophytum pulmo Ehbg. ; Haeckel (13) dürfte mein S. glaucum var. pauperculum oder ehrenbergi sein. Sarcophytum pulmo Esp.; Klunzinger (14) ist mein S. trochelio- phorum. Sarcophytum pauciflorvm Ehbg.; Klunzinger (14) ist mein Lobophytum pauciflorum. Sarcophytum virescens Audouin; Klunzinger gehört sicherlich nicht hierher. Sarcophytum glaucum Quoy et Gaim. ; Studer (15), von Neu- Irland. (Nur der Name). Sarcophytum latum Dana; Brüggemann (16), von Rodriguez. (Nur der Name). Sarcophyton sp. Moseley (17) von den Admiralitäts-Inseln. Älcyonium submurale Ridley (18). Ist ein Lobophytum. Soviel sich aus der Beschreibung der Spicula ohne Abbildungen urtheilen lässt, haben sie die Bildung der von mir unter Fig. 12 fe u. c wieder- gegebenen, nur sind die Spicula des Strunkes noch dicker. Danach I üeber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 351 scheint diese Form eine Varietät von Lobophytum pauciflorum, vielleicht meine Varietät validum zu sein. Sarcophytum pauciflorum Ehbg.; Ridley (18) von Ceylon. (Nur der Name). Sarcophytum purpureum Koren et Danielsen (19) aus dem Helle- fjord (Söndfjord) und Trondhjemfjord. Ich kann mich nicht bezüglich der Stellung dieser interessanten Älcyoniide der Auffassung ihrer Beschreiber anschliessen. Sie theilt zwar mit Sarcophytum den Habi- tus und das Vorhandensein von Siphonozooiden , im Uebrigen stört sie aber die harmonische Vereinigung der anderen bisher bekannten Arten, welche neben gemeinsamen Merkmalen auch einen gemeinsamen Verbreitungsbezirk besitzen. Die Scheibe ist gewölbt, überragt kaum den Basaltheil und trägt, im Vergleiche mit den anderen Sarcophytum- und Lohophytum-Arten, wenige, aber ungewöhnlich grosse Autozooide. Bei den echten Sarcophytum- Arten finden sich Autozooide nur auf der Scheibe, nie am Basaltheile ; bei S. purpureum werden die zwei oberen Drittel des Basaltheiles von Siphonozooiden eingenommen und ganz zu Oberst treten ausserdem noch unentwickelte Autozooide auf. Die Siphonozooide spielen eine andere Rolle, da in ihnen die Geschlechts- producte entstehen, was bei den eigentlichen Sarcophytum- Arten nie der Fall ist. Es ist keine Rindenschicht keulenförmiger Spicula ausgebildet. Die Spicula haben durchaus ein anderes Gepräge, selbst eine eigenthümliche Färbung. Es wird sich empfehlen, für diese Älcyoniide eine eigene Gattung zu errichten, welche ihren Platz in der Nähe der typischen Sarcophyten finden mag. Sarcophytum pulmo, Hickson J. (20). Sarcophytu/m Lesson (char. emend). (Fig. 1—6. Zoanthodem hutpilzförmig, dimorph. Autozooide und punktförmige Siphonozooide nur auf der oberen Fläche der scheibenförmigen Aus- breitung des Zoanthodemes, die von einem schmäleren sterilen Basal- theile (Strunk) getragen wird. Die Scheibe im entwickelten Zustande vom Rande aus gefaltet. Die Falten bis auf Grössenzunahme stets unverändert oder höchstens abermals gefaltet. Die Oberfläche der meist weichen und elastischen Scheibe durch die Mündungen der Siphonozooide chagrinartig. Die Autozooide vollkommen retractil, 352 EMIL V. MARENZELLER, am Rande der Scheibe gedrängter stehend, mit unbedeutender Wimper- grube. Die Siphonozooide mit vier sehr kurzen und vier längeren Septen, stark entwickelter Wimpergrube, geschlechtslos. Eine dichte Rindenschicht kleiner, keulenförmiger Spicula, die nur an der Basis des Strunkes fehlt. Die Spicula des Cönenchyraes der Scheibe vor- wiegend lange, schlanke, mit zerstreuten Dornen oder Warzen besetzte Stäbe oder Spindeln, die selten eine Breite über 0.02 mm erreichen. Die Spicula des Cönenchyms im Strünke mit vielen Stachelwarzen besetzt, grosse oder kürzere mit groben und entfernt stehenden Warzen besetzte Spindeln oder meist nur halb so breite als lange stachel- warzige Walzen (Doppelwalzen) oder ähnliche etwas grössere reich- warzige Spindeln (Doppelspindeln). Löbophyttimi n, g. (Fig. 7—12). Zoanthodem nicht hutpilzförmig, dimorph. Autozooide und punkt- förmige Siphonozooide nur auf der zu Lappen, Läppchen oder finger- förmigen Fortsätzen ausgewachsenen oberen Fläche des Zoanthodemes, welche den sterilen Basaltheil (Strunk) kaum überragt. Die Ober- fläche des derben, resistenten, polypentragenden Theiles durch die Mündungen der massenhaften Siphonozooiden chagrinartig. Die auf den Kuppen der Auswüchse gedrängter Autozooide und Siphonozooide wie bei Sarcophjtum (?). Die kleinen keulenförmigen Spicula der Rindenschicht nicht so ausgeprägt, reichlich nur am Strünke. Die Spicula des Cönenchymes des polypentragenden Theiles des Zoantho- demes zahlreiche mit vielen und grossen gürtelbildenden Stachel- warzen besetzte Spindeln (Doppelspindeln) von meist über 0.05 mm Breite. Die Spicula des Cönenchymes des Strunkes längere mit grossen, entfernt stehenden Gürtelwarzen besetzte Spindeln, kurze Walzen (Doppelwalzen) oder nur etwas längere breite Spindeln (Doppel- spindeln). Beide Arten mit ebensolchen Gürtelwarzen. Sarcophytum glaucum, (Taf. IX Fig. 1, 2). Akyonium glaucum Quoy et Gaimaed, Yoyage de l'Astrolabe. Paris 1833. T. IV pg. 270, Zoophytes PI. XXII Fig. 11, 12. Auch diese Beschreibung und Abbildungen würden keinen Anhalts- punct zum Wiedererkennen der Art bieten, wenn nicht unter Fig. 11' Ueber die Sarcopliytuin benannten Alcyoniiden. 353 Spicula abgebildet wären. Es sind dies zweifelsohne Spicula aus dem nackten Saume der Basis, weil diese zu Tage liegen und leicht auf- fallen. Da ich ein Exemplar eines Sarcophytum von Tonga, dem gleichen Fundorte, woher die genannte Art stammt, untersuchen konnte, welches mit derartigen langen Warzenspindeln versehen ist, halte ich mich einigermassen für berechtigt, darin die alte Art von QuoY und Gaimaed zu erblicken, den Namen beizubehalten und dem- selben meine Beschreibung zu unterlegen. Das wenig ansehnliche Exemplar hat in der Scheibe einen Durch- messer von 60 und 50 mm. Der Strunk 35 mm hoch und 18 mm breit; ganz an der Basis ein 11 mm hoher nackter Saum. Der Rand der Scheibe vorstehend, herabgebogen und stark gefaltet, kaum 5 mm dick. Die Falten sind sehr zahlreich und gehen bis in die Mitte der Scheibe, die Ränder der primären Falten selbst wieder einge- bogen. Bis 9 Autozooide auf 1 cm Länge. Die Mündungen der Siphonozooide deutlich, vertieft. Die Rindenspicula (Fig. 1 a) 0.084, 0.126, 0.182 und auch 0.224 mm lang. Die Keulenform ist bei den kleineren gut ausgeprägt, nimmt aber mit der Zunahme der Grösse immer mehr ab. Man findet endlich in der Rinde längere, spärlich mit Warzen besetze Spicula, die sich nach dem einen Ende nur wenig verjüngen, an dem anderen eine Andeutung der Dornenkrone der Keulen haben. Sie können als Derivate der letzteren angesehen werden. Im Innern der Scheibe (Fig. 1 h) bis 0.56 mm lange, gewöhnlich 0.018 mm breite, dornige, schwach gebogene, an den Enden nicht spitze, sondern etwas rauhe Stäbe, darunter auch solche von gleicher Länge, aber bis 0.07 mm Breite, welche mit starken Warzen besetzt sind und sich den Spindeln der Basis nähern. Die Spicula der Basis (Fig. 1 c) gewöhnlich 0.56 mm, selten 0.7 mm lang und 0.12 mm breit, rein spindelförmig zugespitzt, nicht sehr dichtwarzig, die Warzen echinulirt. Ausser diesen grossen Warzenspindeln kommen auch kleine, armwarzige vor. Die Rinde des Stieles über dem nackten Saume wird von ähnlichen Keulen wie die der Scheibe und einer dichten Schicht kleiner Warzenspindeln gebildet. Zu Sarcophytum glaucum stelle ich ferner zwei Exemplare von Australien. Das eine von Port Denison ist gleichfalls niedrig, stark seitlich zusammengedrückt. Die Scheibendurchmesser betrugen 110 und 42 mm, die Höhe des Ganzen war 45 mm, die des nackten Saumes an der Basis 11 mm. Der Scheibenrand nicht stark ge- faltet, die Scheibe in grosser Ausdehnung sichtbar. Die Spicula der Scheibe gleich denen der eben beschriebenen Form von Tonga, Zoolog. Jahrb. I. ii3 354 EMIL V. MARENZELLER, die des Strunkes (das grösste Spiculum unter Fig. 1 c) sind aber etwas verschieden. Sie sind breiter und meist länger, weniger spindel- förmig, reichwarziger. Man sieht häufig solche von 0.7 mm Länge und darüber. Das andere Exemplar von Port Bowen weicht im Habitus von den vorher erwähnten ab. Es ist 66 mm hoch, der Durchmesser der Scheibe beträgt 1 05 und 55 mm. Der nackte Saum an der Basis war 13 mm, stellenweise 25 mm hoch. Der Rand der Scheibe ziem- lich gefaltet, mit gegen 18 aufsteigenden Falten. Die Spicula der Rinde dichtwarziger, viele grössere und besonders die zweite oben geschilderte Art reichlich vertreten. Die Stäbe des Innern etwas kürzer, meist 0.42 mm lang und etwas warziger. Die Spicula der Basis fast gar nicht abweichend, höchstens einige etwas reichwarzigere eingemischt. Sehr dicht ist die Schichte der kleinen und stark warzigen Spindeln in der Rinde des Strunkes. Ich übergehe nun zur Schilderung eines Sarcophytum aus dem Rothen Meere, das mir in mehreren Exemplaren von Tor und Dschidda, welche untereinander vollkommen übereinstimmen, vorliegt, manches Abweichende von den eben beschriebenen Formen zeigt, aber nach meinem Dafürhalten dennoch nur als Varietät zu bezeichnen ist, weil zwei kleine Zoanthodeme von Amboina und Levuca (Viti-Inseln), über welche ich am Schlüsse kurz berichten will, die Unterschiede aus- gleichen helfen. Ich nenne das Sarcophytum aus dem Rothen Meere Sarcophytum glaucum var, paiiperculuni. Das ganze Zoanthodem fühlt sich weicher, elastischer an als bei obigem S. glaucum. Die Scheibe dick, stark herabgebogen. Die pri- mären Falten sehr hoch, gross, meist mit nur wenigen groben, secun- dären Falten versehen ; die Mitte derselben ist daher frei. Die Auto- zooide weit abstehend , nur 6 — 7 auf 1 cm ; bei jenem S. glaucum stehen sie gedrängter. Die Siphonozooide deutlich, leicht vertieft. An der Basis ein nackter Saum, der in einem Falle, wo das Zoantho- dem mit schiefer Grundfläche aufsass, zum Theile bis 40 mm hoch war. Die hier eingelagerten Spicula sind schon mit freiem Auge wahr- nehmbar. Die an drei Exemplaren vorgenommeneu Messungen er- gaben folgende Dimensionen: grösster Durchmesser der Scheibe 50, 90, 100 mm. Querdurchmesser 50, 70, GO. Höhe des Strunkes 25, 40, 40 mm. Breite 30, 60, 80. An dem grössten Exemplare fanden sich 8 hohe primäre Falten, an dem mittleren 7, alle zahlreiche secun- däre Faltungen aufweisend. Das kleinste Exemplar hatte 7 noch wenig entwickelte und wenig aufrechte Falten, welche stark den Strunk ^k Ueber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 355 überwölbten ; die Oberfläche der Scheibe war daher in ganzer Aus- dehnung sichtbar. Die kleinen Rindenspicula (Fig. 2 a) 0.098 bis 0.112 mm lang, mit längeren, durchschnittlich 0.182 — 0.238 mm messen- den untermischt. Sie unterscheiden sich von den vorhin beschriebenen darin, dass sie gewöhnlich an dem periferen Ende mit zahlreichen Ex- crescenzen versehen sind, namentlich die längeren, und weniger grosse Warzen an dem sich verjüngenden Theile besitzen. Die Spicula des Innern der Scheibe (Fig. 2 b) nicht zahlreich , meist klein warzig, bald nur 0.182 mm lang und höchstens 0.017 mm breit, bald 0.39 mm lang, meist 0.33 mm lang und 0.024 mm breit, selten 0.43 mm lang und 0.04 mm breit und dichtwarzig. Auch sie sind mit kleineren Warzen versehen als die der anderen S. glaucum. Wesentlich unter- scheiden sich die Spicula des Strunkes (Fig. 2 c) von den gleichen der S. glaucum von Tonga und Australien. Es kommen grosse, breite an den Enden nicht fein zulaufende mit vielen, aber kleinen Warzen besetzte Spindeln von 0.71, 0.81, 0.91 mm Länge und 0.14, 0.15, 0.21 mm Breite vor. Daneben feine mehr spindelförmige von 0.56, 0.74 mm Länge und 0.08, 0.011 mm Breite und ebenso ge- bildete, aber etwas stärkere von 1 mm Länge und 0.18 mm Breite vor. Die Warzen sind nicht nur kleiner, weniger vorstehend, sondern auch nicht so spitz echinulirt wie bei den früher beschriebenen Formen. Die breiten Spicula zeigen Neigung zu Unregelmässigkeiten und De- formitäten. Hält man diese Beschreibung des Sarcophytum glaucum aus dem Rothen Meer jenen aus der Südsee stammenden Exemplaren entgegen und vergleicht man die Abbildungen der Spicula, so wird man sich fast geneigt fühlen , eine eigene Art aufzustellen. Stösst man dann aber wieder auf Formen, welche man streng genommen weder S. glaucum noch pauperculum einreihen kann, trotzdem oder weil man Anklänge an beide findet, so lernt man einsehen, dass es, wenigstens vorläufig, noch nicht möglich ist, diesen Abweichungen einen grösseren Werth beizulegen. Man müsste sonst für jedes von einer neuen Lo- calität stammende Sarcophytum eine neue Art machen. Ein Sarcophytum von Amboina ist durch die Länge seiner Spicula ausgezeichnet. Die Spicula des Strunkes werden bis über 2 mm lang bei einer Breite von 0.3 mm. Sie sind wie die gleichfalls längeren Scheiben-Spicula leicht gekrümmt und ihre Granulation hält die Mitte zwischen Fig. 1 c und Fig. 2 c. Ein Sarcophytum von Levuca end- lich verbindet direct S. glaucum und S. pauperculum, indem man so- wohl die unter Fig. 1 c als die unter Fig. 2 c abgebildeten Spicula 23* 356 EMIL V. MARENZELLER, vorfindet. Die Spicula sind grösser als bei varietas pauperculum aus dem Rothen Meere, aber kleiner als bei dem Sarcophytum von Am- boina. Beide Zoanthodeme haben übrigens wegen der Beschaffenheit der grossen Spicula des Strunkes und auch nach der Zahl der Auto- zooide nähere Beziehungen zur Varietät als zu der von mir aufge- stellten Stammart. Ich wies ihnen deshalb diesen Platz an. Verbreitung: Rothes Meer (Tor, Dschidda); Amboina, Port Deni- son, Port Bowen (Ostaustralien); Tonga-, Viti-Inseln. Sarcophytum ehrenbergi n, sp, (Taf. IX Fig. 3, 4). Die Zoanthodeme scheinen bei dieser Art bedeutende Dimensionen zu erreichen. Die Scheibe ist dick, fühlt sich weich an und überwölbt nur wenig den Strunk. Die Falten sind grob, im Verhältnisse nicht zahlreich und gehen nicht weit auf die Scheibe ; diese daher in grösster Ausdehnung von oben sichtbar. Der Strunk glatt ; kein rauher Saum. Die Mündungen der Autozooide entfernt stehend (7 — 10 auf 1 cm Länge), jene für die Siphonozooide sehr undeutlich. Die Oberfläche nicht so areolirt wie bei anderen Arten. Von Tor (Rothes Meer) lag mir ein kleines Exemplar von 50 bis 70 mm Scheibendurchmesser und einer Höhe von 50 mm vor. Die Scheibe ist auffallend dick und weich. Sie zeigt 6 primäre Falten. Ein zweites Exemplar von demselben Fundorte mass 20 cm im grossen^ 8 cm im kleinen Durchmesser — die Scheibe war zusammengefaltet — bei einer Höhe von 8 cm. Elf primäre, durch tiefe Thäler getrennte grobe Falten waren vorhanden, die häufig auf ihrem Gipfel abermals eingebuchtet waren. Aehnlich war ein Exemplar von Port Denison, nur ist die Faltung noch unbedeutender, wenig tief gehend, der Rand ist förmlich nur gelappt. Es war ein Fragment eines gut 20 — oO cm in der Quere messenden Zoanthodemes , das 60 mm hoch war. Die Scheibe wie der Strunk waren dunkelbraun und hell gefleckt. Ein zweites, ebenfalls grosses Exemplar derselben Provenienz war hingegen viel zarter gebaut, die Scheibe greift sich dünn an. Die Falten waren klein und zeigten die auffallende 'l'endenz der Ränder untereinander zu verwachsen. Auch die Autozooide waren etwas kleiner. Endlich ist noch ein kleines Exemplar von den Viti-Inseln zu erwähnen, dessen nierenförmige , faltenlose Scheibe 35 und 50 mm misst. Es ist con- sistenter als die anderen. Ueber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 357 Die Rindeuspicula ^) (Fig. 3 a) 0.1 — 0.2 mm lang, ausgezeichnet durch ihre breite und reichzackige Krone. Die Spicula des Innern der Scheibe nicht sehr dicht gelagert, durchschnittlich 0.2 mm, aber auch 0.25 mm lang. Man kann zwei Hauptformen unterscheiden: schlanke Stäbe mit seitlich stark vorspringenden Warzen, die wohl rauh, aber nicht echinulirt sind. Die Warzen wachsen manchmal geweihartig aus (Fig. 3 &), wodurch das Spiculum ein sehr auffallendes Gepräge erhält. Die Enden derselben sind fein zerschlitzt. Ferner breitere mit gröberen Warzen besetzte Spicula von unregelmässiger Walzen- oder Spindelform. Unter den Spicula des Strunkes (Fig. 3 c) fallen manche durch die Feinheit und den Reichthum der Excrescenzen auf. Der Strunk scheint auf den ersten Blick bis zur Basis von der Rinden- schichte überzogen zu sein, der nackte Saum somit zu fehlen. Bei einer näheren Untersuchung stellt sich jedoch heraus, dass die Rinde unmittelbar über der Ansatzfläche des Stockes, allerdings in nur ge- ringer Ausdehnung, dennoch rudimentär ist, indem hier nur spärliche Rindenspicula zu sehen sind , mit und unter welchen die gleich zu schildernden Spicula des Strunkes (Fig. 3 c) liegen. Es sind dies durchschnittlich 0.26 mm (aber auch 0.3 mm) lange, 0.056 mm breite mit nicht zahlreichen, groben , rauhen Warzen besetzte Spindeln oder seltener etwas kürzere und breitere walzenförmige Gebilde. Sie ähneln den breiten Spicula der Scheibe, nur sind sie viel massiger. Da im Innern des Strunkes dieser Species untermischt solche Spicula vor- kommen, welche hinsichtlich Form und Grösse jenen der Scheibe ent- sprechen, so ist bei derselben der Unterschied zwischen den Kalk- gebilden der Scheibe und des Strunkes dem Wesen nach geringer als bei anderen Arten. Die Spicula der Exemplare von Port Denison zeigen ganz geringe Modificationen, namentlich ist das feine Astwerk an den Warzen der stabförmigen Gebilde der Scheibe besonders entwickelt. An dem Exemplare von den Viti-Inseln möchte ich hervorheben, dass die Spicula der Scheibe dichter gelagert, auch stärker und länger sind. Dadurch mag die grössere Derbheit des Zoanthodemes bedingt werden. Die Rindenspicula sind sehr reichzackig. Varietät: acutangulum mihi. Von Tonga lagen mir zwei Stücke aus dem Museum Godelfroy vor, von welchen namentlich eines in seinem Habitus so verschieden 1) Es werden hier die Spicula des Exemplars aus dem Eothen Meere beschrieben und abgebildet. 358 EMIL V. MARENZELLER, von den eben geschilderten Formen war, dass man sich bestimmt fühlen könnte, eine eigene Art anzunehmen, wenn nicht die Spicula grosse Verwandtschaft zeigen würden. Möglicherweise gehört das Alcyonium latiim Dana hierher. Der Durchmesser der Scheibe des einen besonders charakteristischen Exemplars betrug 70 und 80 mm, die Höhe des Ganzen 75 mm. Das, was diese Varietät auszeichnet, ist die grosse Masse dichtgedrängter, kleiner Fältchen. Die Scheibe ist in der Mitte sehr vertieft, indem die Höhe der Kuppen der groben Falten 50 mm beträgt, der Rand kaum überhängend. 14 primäre Falten. Die grossen Falten zeigen jederseits meist zwei secundäre Falten, ihr Ümriss wird dadurch an- nähernd der eines Eichenblattes. Vom Rande aus erstrecken sich die Falten 30, 37, 45 mm weit in das Innere der Scheibe, wo sie auf die Spitzen der gegenüberliegenden treffen oder sich mit denselben kreuzen. Die Scheibe ist dünn, aber härter und steifer und der Rand der Falten auffallend scharf. Von der Fläche der Scheibe ist nichts zu sehen. Die Fältchen der Falten ragen ungleichmässig vor, legen sich aber dicht aneinander, die Convexitäten in die Einbuchtungen der Nach- barfalten , so dass die Oberfläche ein mäanderartiges Aussehen be- kommt. Die Oeifnungen für die Autozooide wie bei der Stammform. Die Siphonozooide sehr undeutlich. Ein ausgeprägter Saum an der Basis ist nicht vorhanden. An dem zweiten, grösseren Exemplare (längerer Scheibendurch- messer 120 mm) tritt der Charakter des Steifen, Scharfrandigeu gleich- falls zu Tage, es sind jedoch im Verhältnisse zur Grösse und im Vergleiche mit dem ersten Exemplare viel weniger Falten (nur 8 pri- märe Falten) vorhanden, auch sind sie etwas dicker. Die Oeffnungen für die Autozooide deutlich. Die Rindenspicula (Fig. 4 a) etwas reichzackiger. Die Spicula des Innern der Scheibe (Fig. 4 &) grösser, stärker und reichwarziger, 0.27—0.32 mm lang 0.04 — 0.06 mm breit. Die bei der Stammform erwähnten schwächeren mit dendritischen Verzweigungen der Warzen sah ich bei dem erst beschriebenen Exemplare, dem die abgebildeten Spicula entnommen sind, nicht, wohl aber bei dem zweiten. Die Spicula des Strunkes (Fig. 4 c) meist 0.33, 0.35 mm lang und 0.07 mm breit, also länger als die der Stammart, mit etwas zahlreicheren und mehr vorspringenden Warzen. Die kürzeren und breiteren Formen 0.266, 0.28 mm lang und 0.08 mm breit. In dem zweiten Exemplare sind die Spicula des Strunkes gleichfalls länger als die der forma lieber die Sarcophytum beiiannteu Alcyoniiden. 359 typica aus dem Rotheu Meere und ähnlicher jenen des von der gleichen Localität stammenden. Zu dieser Varietät stelle ich auch ein noch hutpilzförmiges Zoan- thodem von Cebu mit 4 cm Durchmesser. Die Rindenspicula ent- behren die reichzackige Krone, sehen wie verkümmert aus. Die Spicula der Scheibe mit nicht so stark vorspringenden Warzen, aber dicker und die Spindelform tritt besser hervor. Auch die Spicula des Strunkes sind stärker , 0.08, 0.09 mm breit und meist 0.26 höchstens 0.3 mm lang, also kürzer. Die Warzen sind gleichfalls an Grösse und Zahl geringer. Verbeitung: Tor (Rothes Meer); Cebu; Port Denison (Australien) ; Tonga-Inseln ; Viti-Inseln. Sarcophytum trochellophorum n. sp, (Taf. IX Fig. 5, 6). Sarcophytum pulmo Eheenbeeg, Klunzingeb {non Espeb). An zwei ziemlich gleich grossen Exemplaren von Tonga, welche im Habitus dem S. glaucum Quoy et Gaim. gleichen , ist der Durch- messer der Scheibe 50 und 90 mm, die Höhe des ganzen Zoanthodemes 70 mm. Die ganze Fläche der Scheibe von oben sichtbar, der Rand sehr stark den Strunk überwölbend. Falten wenig zahlreich und nicht hoch. 8 primäre, darunter zwei ganz kleine, an denen bereits secun- däre Fältchen. Die Consistenz der Scheibe in dem einen Exemplare derb, fest, in dem anderen weich. Die Oberfläche glatt, nicht so chagrinirt wie bei S. glaucum, weil die Mündungen der Siphonozooide nicht vertieft liegen. 8 — 10 Autozooide auf 1 cm Länge. An beiden Zoanthodemen ein 14—30 mm hoher, rauher, nackter Saum um die Basis deutlich ausgeprägt. Ein Exemplar von Port Denison ist viel höher (80 mm). Der grosse Durchmesser beträgt 90 mm. Die Scheibe dünn, weich, der Rand wenig gefaltet, mehr unregelraässig ausgerandet. Ich beschreibe zunächst die Spicula eines Zoanthodemes von Tonga, welche auch abgebildet sind. Keulenförmige Rindenspicula der Scheibe (Fig. 5 a) 0.112, 0.14, selten 0.16, 0.19 mm lang, nicht auffallend reichzackig. Ausserdem Uebergangsformen zu den Spicula des Innern der Scheibe von ca. 0.2 mm Länge (das grössere Spiculum in Fig. 5 a). Diese sind dornige oder kleinwarzige nicht sehr spitz zulaufende Stäbe von höchstens 0.32 mm Länge und nicht 0.028 mm Breite, meist nur 0.23, 0.26 mm lang 360 EMIL V. MARENZELLER, oder breitere von höchstens 0.29 mm Länge und bis 0.056 mm, aber gewöhnlich gegen 0.042 mm breite Gebilde, selten von reiner Spindel- form, häufiger unregelmässig (Fig. 5 h). Die Spicula des Strunkes sind einundeinhalb- bis höchstens zweimal so lange als breite, mit scharfspitzigen Stachelwarzen besetzte Walzen oder Doppelwalzen. Zwei gröbere, durch eine Art pjnschnürung getrennte, gewöhnlich gut abgegrenzte Gürtel nehmen die Mitte ein und je ein etwas ver- schobener liegt vor den Enden. Man kann gedrungenere Formen (Fig. 5 c) von 0.25 Länge und 0.16 mm Breite und schlankere mit entfernt stehenden Warzen, 0.22 mm lange, 0.12 mm breite unter- scheiden; dazwischen Mittelformen, 0.23, 0.24 mm lang, 0.13, 0.16 mm breit. Das zweite Exemplar derselben Localität zeigt von dieser Be- schreibung etwas abweichende Spicula. Die des Innern der Scheibe sind viel besser entwickelt. Die schlanken sind spitzer und werden bis 0.504 mm lang. Unter den breiteren trifit man vereinzelt solche von 0.56 mm Länge und bei 0.098 mm Breite. Auch die Spicula des Strunkes sind grösser 0.29—0.32 mm lang und 0.18—0.19 mm breit; selten sind solche von 0.33 mm Länge und 0.19 mm Breite. Auch hier sieht man deutlich die Einschnürung in der Mitte. Die Warzen sind nicht scharf echinulirt wie bei dem andern Exemplare. Ihre Oberfläche sieht wie die der entsprechenden Spicula bei Lobophytuni crassum var. horhonicum (Fig. 9 c) aus. Ferner sind die mittleren Warzengürtel nicht immer so deutlich abgesetzt und zerfallen in kleinere Antheile, so dass die Zahl der allerdings nicht regelmässigen Gürtel an einzelnen und zwar grösseren Spicula zunimmt. Das Zoanthodem von Port Denison besitzt Spicula, welche gleich- falls mit den eingangs beschriebenen und abgebildeten Differenzen zeigen. Die Spicula des Innern der ScTieibe sind fein zugespitzt, länger und mit besser vorspringenden Stacheln oder Stachelwarzeu besetzt. Sie werden 0.35, 0.43, 0.47, 0.49 mm lang. Auch die breitere Gattung erreicht eine entsprechend grössere Länge als bei dem zweiten Zoanthodeme von Tonga und deren Warzen sind kräftigst entwickelt. Ein wesentlich anderes Gepräge haben aber die Spicula des Strunkes, Die Grössenverhältnisse sind noch annähernd dieselben — 0.19, 0.21, 0.22 selten 0.25 mm Länge, 0.098, 0.11, 0.12, 0.98 mm Breite — aber die W^arzen sind viel kleiner, theils entfernt stehend und nicht zahlreich, wodurch die Spicula ein kahles Aussehen bekommen, theils zahlreich und gedrängter. Dann sehen die Spicula der unter Fig. 6 c abgebildeten Spindel ähnlich. Die Spicula sind durchgehends an den Ueber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 361 Enden spitzer und haben eine viel mehr krause, dornige Oberfläche. Einige erinnern jedoch immer durch ihre mittlere Einschnürung und die Gruppirung der wenn auch kleineren und locker stehenden Warzen an den in der Figur 5 c gegebenen Grundtypus. Ausserdem sieht man viel schmälere, ebenso lange Spicula von Spindelform mit mehr oder minder zahlreichen und krausen Warzen. Ich halte sie nur für nicht ausgebildete Spicula der eben geschilderten Form. Trotz dieser Ab- weichungen kann ich mich nicht entschliessen , das Zoanthodem von Pt. Denison als eine eigene Varietät hinzustellen, indem ich in dieser Form der Spicula eher eine Bildungsanomalie vermuthe. Nach den von Klunzinger angegebenen Massen der Spicula scheint die von ihm beschriebene Art hierher zu gehören. Unter den mir vorliegenden Sarcophytum aus dem Rothen Meere fehlte sie leider. Varietät: amboinense mihi. Diese Varietät ist hauptsächlich durch ihre bis 0.7 mm langen Spicula des Strunkes ausgezeichnet. Die vorliegenden Zoanthoderae, welche bei Amboina gefunden wurden, sind klein. Die Scheibe des grössten mass 40 und 50 mm in die Quere und die Höhe des Ganzen betrug 32 mm. Es zeigt drei Falten. Das kleinste Exemplar von 20 und 25 mm Querdurch- messer war noch ungefaltet. Die Scheibe überragt stark den Strunk und ist auf denselben herabgebogen. Sie fühlt sich derb und sandig an. 9 — 10 Autozooide auf 1 cm Länge. Die Mündungen der Sipho- nozooide sehr deutlich. An den älteren Zoanthodemen ein nackter Saum oberhalb der Ansatzfläche des Strunkes gut ausgebildet. Die keulenförmigen Rindenspicula 0.098 — 0.182 mm lang (Fig 6 a). In die Rinde der Scheibe ragen auch noch grössere ca. 0.26 mm lange Uebergangsformen zu den Spicula des Innern (das grösste Spiculum in Fig. 6 a) ; die Spicula des Innern der Scheibe (Fig. 6 b) bis 0.5 mm lange, schlanke, häufig gebogene, dornige oder dornig- warzige Stäbe und breitere spindelförmige oder meist unregelmässige Gebilde bis zu 0.49 mm Länge und 0.07 mm Breite mit sehr vorspringenden , scharfspitzigen oder auch getheilten Warzen. Diese kleineren (0.26 mm) Spicula sind sehr übereinstimmend mit jenen des S. trocheliopliorum von Pt. Denison und auch des zweiten Exemplars von Tonga. Im Strünke (Fig. 6 c) sieht man nie Spicula von der Grundform , die in Fig. 5 c wiedergegeben ist. Die seltenen einfachen Formen nähern sich noch am meisten den aus dem Exemplare von Pt. Denison beschriebenen, zeigen die mittlere Einschnürung, tragen zahlreiche nicht regelmässig angeordnete, stark 362 EMIL V. MARENZELLER, vorspringende und stachlige Warzen, sind aber grösser, 0.33 nim lang, 0.17, 0.22 mm breit. Vorwiegend sieht man dichtwarzige bald citronen- förmige Spicula von 0.42, 0.46 mm Länge und 0.21 mm Breite, bald mehr gleich breite, an den Enden weniger spitze (Fig. 6 c unten). Diese sind oft nur 0.25, 0.42 mm lang und bis 0.18 mm breit. Sie wachsen aber auch bis zu einer Länge von 0.57 und einer Breite von 0.25 mm. Einzelne sind zwar lang (0.49 mm), bleiben jedoch schmal (0.12 mm). Man findet auch Spicula, die an dem einen Ende spitz, an dem andern breit sind. Die eben geschilderten Spicula waren dem grössten Exemplare entnommen. Etwas anders war das Bild bei kleineren. Auch hier sieht man die Spicula von Citronenform , auch spärlich die mehr gleich breiten Formen , beide jedoch nicht so ge- drängt-warzig, ausserdem aber zahlreiche Spindeln von der Länge der eben erwähnten Formen und bis zu 0.7 mm, aber von nur 0.07, 0.08, 0.98 bis höchstens 0.14 mm Breite mit sehr weit abstehenden Warzen. Es sind dies hinsichtlich der Breite und Anzahl der Warzen unent- wickelt gebliebene Spicula, allein der Typus ist dennoch auch in diesen unfertigen Zuständen bereits vollständig ausgeprägt. Zu der Varietät amboinense gehören auch Zoanthodeme von den Andamanen. Die Spicula des Strunkes nähern sich denen der kleineren Exemplare von Amboina, nur sind die Warzen lockerer gestellt. Verbreitung: Koseir (Rothes Meer); Amboina; Andamanen; Port Denison (Australien); Tonga-Inseln. Lohophyturifi crebrii^licatum n, sp, (Taf. IX Fig. 7). Das Zoanthodem hat 10 und 12 cm im Durchmesser und ist 5 cm hoch. Vom Rande erstrecken sich bis 53 gewundene, meist 5 mm dicke Lappen gegen das Centrum der Scheibe, dieses erreichend. Ihre Kuppen sind entweder nur wellig oder eingeschnitten und gehen dann in stumpfe comprimirte Fortsätze aus, die centripetal zunehmen. Die Oberfläche der Lappen ist etwas uneben höckerig. Auch Lappen, deren Rand in grosser Ausdehnung ungetheilt ist, zeigen kurz vor ihrem centralen Ende wenigstens einen solchen Fortsatz. Im Ganzen geben jedoch diese Fortsätze, da sie nicht zahlreich sind, dem Zoan- thodeme kein auffallendes Gepräge und ich sehe sie an einem anderen Exemplare ganz unbedeutend entwickelt. Nur im Centrum der Scheibe sieht mau dieselben gehäuft. Es rührt dies von der angedeuteten Beschatfenheit der Lappen her. Die Färbung gegenwärtig bräunlich. Ueber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. 363 Die Autozooide spärlich, bis 2 mm von einander entfernt, auf den Kuppen der Falten gedrängter als auf den Seiten, weitmündig. Die Siphonozooide nicht zahlreich, nicht gedrängt, aber ihre Mündungen sehr deutlich vertieft, die Oberfläche daher chagrinartig. An der Basis kein abgesetzter nackter Saum bemerkbar. Die Rindenspicula der Scheibe (Fig. 7 a) nicht dicht gelagert, gross, 0.2 — 0.24 mm lang, von etwas abweichendem Habitus. Die Spicula des Inneren der Scheibe (Fig. 7 h) meist 0,25, 0.33, 0.35 mm lange, 0.05 — 0.07 mm breite, schlanke Spindeln mit nicht vielen und auch nicht grossen Warzen; daneben breitere, an den Enden stumpfe Ge- bilde, die nie so lang werden wie jene. Die Rindenspicula des Strunkes, welche auch ganz an der Basis nicht fehlen, nehmen hier mehr den gewöhnlichen Typus an, sind keulenförmig. Die Spicula des Strunkes (Fig. 7 c) meist 0.25 mm lange und 0.07, 0.08 mm breite Warzenspindeln. Man sieht aber auch solche von 0.28, 0.3 mm Länge und 0.1 mm Breite. Verbreitung: Tonga (Museum Godetfroy). Lohoi^hytum crassum n, sp, (Taf. IX Fig. 8, 9, 10, 11). Sowohl der Habitus als die Spicula der von drei verschiedenen Localitäten herrührenden Zoanthodeme, welche ich unter diesem Namen zusammenfasse, zeigen manche Differenzen, es fehlen aber auch nicht die Berührungspunkte. Ich lege diesen mehr Gewicht bei als jenen und stelle nur Varietäten auf. Als typische Form nehme ich zwei Zoanthodeme von Port Dehison an. Das grössere, aber auch nicht ganz vollständige Exemplar 13 und 18 cm breit, 12 cm hoch. Die Lappen sind gross, derb, 8 mm dick, bis 47 mm hoch, locker stehend. Sie erstrecken sich weit gegen das Centrum und sind oft durch grosse Zwischenräume, in welchen man nur die randständigen Ansätze zu neuen Lappen sieht, von einander getrennt. Der Rand der Lappen nicht verdickt, eher verjüngt, mehr oder weniger eingeschnitten. An einem Exemplare bleiben die so ent- stehenden Läppchen breit, vorwiegend 25 mm, und fingerförmige Fortsätze sind selten, an dem anderen waren die überhaupt dünneren, aber steifen und derben Lappen schon dem Rande der Scheibe zu häufiger und tiefer eingeschnitten, daher fingerförmige Enden auch im peripherischen Antheile der Scheibe zahlreicher. Die Oefi"nungen der Autozooide klein, stellenweise schwer bemerkbar, auf den Kuppen der Lappen häufiger und deutlicher, auf den Seitenflächen durch auch 364 EMIL V. MARENZELLER, etwas dunkler gefärbte P'urchen untereinander verbunden, wodurch eine netzartige Zeichnung entsteht. Die Mündungen der Siphonozooide an einzehien Stellen sehr auffallend, an anderen weniger, im Ganzen jedoch schon mit freiem Auge leicht erkennbar. Ein rauher Saum an der Basis nicht ausgeprägt. Die Rindenspicula (Fig. 8 a) sehr unbedeutend an Zahl und Grösse, 0.11, 0.13 mm lang. In die Rinde ragen auch die Spicula des Innern, ohne besonders modificirt zu sein. Diese (Fig. 8 l) durch die ziemlich regelmässigen und dichten Gürtel von Warzen sehr zierlich, theils länger, fein spindelförmig, meist 0.25, 0.29, 0.31, 0.32 mm lang und 0.07 mm,, selten 0.08 mm breit, theils kürzer und breiter, 0.21 mm lang und 0.09 mm breit oder 0.24 mm lang und 0.1 mm breit. Selten sieht man Spicula von der Gestalt der unter Fig. 9 & abgebildeten, nur etwas kleiner und nicht so reich- warzig — 0.19, 0.2 mm lang, 0.09 mm breit. Am Strünke sind die Rindenspicula dichter gelagert und besser ausgebildet, grösser keulenförmiger, mit gröberen Warzen und mehr Excrescenzen am Ende, ähnlich den Rindenspicula unter Fig. 9 a. Vereinzelte Rindenspicula auch ganz an der Basis. Spicula des Strunkes (Fig. 8 c) höchstens noch einmal so lang als breit, meist etwas kürzer, gewöhnlich 0.17 mm lang, 0.09 mm breit, selten 0.16 mm lang und 0.07 mm oder 0.09 mm breit oder 0.18 mm lang und 0.1 mm breit. Meist sieht man nur zwei Gürtel von Warzen, manchmal sondern sich jedoch die den Enden aufsitzenden mehr ab und es werden dann drei oder selbst vier Gürtel sichtbar. Varietät: borbonicum mihi von der Insel Reunion. In der Form und Vertheilung der Lappen gleicht diese Varietät, welche nur in einem trocknen Exemplar vorliegt, ganz der Stammform. Die Rindenspicula (Fig. 9 a) reichzackig. Im Innern der Scheibe fehlen die langen, rein spindelförmigen Spicula der typischen Form. Die längsten Spindeln überhaupt nur 0.26 mm lang und 0.07 mm breit, gewöhnlich 0.21 mm lang und 0.06 mm breit. Es überwiegen die kurzen breiteren (Fig. 9 &), welche wir auch bei der typischen Form (Fig. 8 h) sehen, und zweimal so lange als breite (0.22 mm lang, 0.1 mm breit), mit dichten VVarzengürteln, an die gewöhnlichen des Strunkes erinnernd. Die Spicula des Strunkes (Fig. 9 c) hauptsäch- lich dadurch charakteristisch, dass die Warzen gross, gedrängt und confiuirend und mit vielen Rauhigkeiten besetzt sind, wodurch die Spicula brombeerartig werden. Sie sind häufig nicht mehr als einund- einhalbraal so lang wie breit. Die Contouren solcher Spicula sind weicher als die bei S, crassum forma typica, weil die Warzengürtel an vielen nicht Ucber die Sarcophytuiii benannten Alcyoniiden. ßß5 SO vorspringen. Ausserdem finden sich auch solche der gewöhnlichen Form. Die Länge und Grösse der Spicnla des Strunkes ist annähernd dieselbe wie bei der Stammform, geht aber nicht auf 0.15 mm herab. Varietät: crista galli mihi von Tonga. Das Zoanthodem 10 und 15 cm im Querdurchmesser. Der sterile Basaltheil ist 10 cm. hoch. Die zahlreichen Lappen 5 mm dick, bis 90 mm hoch und 60 mm breit, von der Gestalt von Hahnenkämmeu. Die Zacken der Lappen sind abgerundet, leicht konisch, an der Basis nicht unter 7 mm breit. Schmale wechseln mit breiteren (15 mm), kürzere mit längeren (bis 20 mm) ab. Die Farbe ist grau-bräunlich. Die Autozooide deutlich, etwas gedrängter als bei S. crassum f. typica, stellenweise leichte Zickzacklinien bildend. Sie stehen auf der Fläche der Lappen in der Richtung von rechts nach links von einander weniger entfernt (manchmal kaum 1 mm) als in der Richtung von unten nach oben. Die Mündungen der dicht stehenden Siphonozooide nur wenig vertieft liegend, Oberfläche dennoch schon für das freie Auge chagrinartig. Ein schmaler, wenig deutlicher Saum an der Basis. Die Rindenspicula (Fig. 10 a) schwach keulenförmig, 0.12—0.17 mm lang, neben ihnen Uebergänge zu den Spicula des Innern. Diese (Fig. 10 &) 0.22, 0.25, 0.26, 0.29, 0.3 mm lang und 0.06, 0.07 mm breit, ziemlich spindelförmig oder mehr walzenförmig. Die Warzen nicht scharf echinulirt. An einzelnen sind die Warzen ungefähr in der Mitte etwas auseinander gerückt und zeigen derart ein Ver- halten, das an das Eigenthümliche der Spicula des Strunkes er- innert. Neben diesen längeren Spicula finden sich auch kürzere, den letzteren ähnliche von 0.17 mm Länge und 0.07 mm Breite. Im Strünke (Fig. 10 c) 0.16, 0.17, selten 0.18 mm lange und 0.07, 0.09 mm breite Doppel- Walzen , welche in regelmässig ausgebildetem Zustande nur je eine den rauhen Enden genäherte Warzenreihe tragen, während die Mitte in geringerer oder grösserer Ausdehnung glatt bleibt. Es sind dies entschieden Hemmungsbildungen. Diese Varietät würde sich also von der Stammart durch ihren Habitus, dünnere, hohe, mehrfach getheilte Lappen und namentlich die Spicula des Innern des polypentragenden Theiles des Zoanthodemes unterscheiden, indem dieselben minder spindelförmig sind und durchschnittliche eine ge- ringere Ausbildung der Warzengürtel zeigen. Auch von der Varietät horhonica weicht sie in beiden Hinsichten ab. Varietät: prolifera mihi von Port Denison. Von dieser Form liegt nur ein Bruchstück vor, ein Sector mit 366 EMIL V. MARENZELLER, einem 83 mm breiten und 65 mm hohen Lappen und vier kleineren. Der Lappen hat vier Einschnitte und zerfällt dadurch in fünf Läppchen, deren Gestalt eine ziemlich auffallende und abweichende ist. Diese Läppchen schieben sich etwas übereinander, sind nicht compress, son- dern auf der einen Seite etwas concav, auf der anderen stumpfwinklig, also gefaltet. Ein Querschnitt würde annähernd dreieckig ausfallen. Ihr Rand ist wieder eingeschnitten und ungleich zertheilt. Die so entstehenden Zacken sind nicht fingerförmig abgerundet, sondern et- was unregelmässig comprimirt. Von den zwei innersten Läppchen er- heben sich zwei grosse solche Fortsätze, die mit zahlreichen Höckern wie mit Anfängen neuer Fortsätze besetzt sind. Diese Beschaffenheit der Oberfläche zeigt sich auch noch in leichtem Grade auf der convexen Seite der Läppchen. Da diese, wie erwähnt, gefaltet sind, werden die Zacken aus der Ebene gebracht, einander genähert und ein Läppchen macht mit seiner höckerigen Oberfläche den Eindruck gewisser Stein- corallen. Die Oeflnungen der Autozooide deutlicher als bei L. crassum f. typica, ähnlich angeordnet und zahlreich. Die Mündungen der Siphouozooide gleichfalls leicht kenntlich. Die Rindenspicula (Fig. Ha) wenig ausgebildet, 0.12 — 0.14 mm lang. Die Spicula des Innern am nicht sterilen Theile (Fig. 11 b) 0.22, 0.26, 0.28 mm lang, 0.04, 0.05 mm breit. Sie unterscheiden sich von jenen der Stammform und der früher angeführten Varietäten durch ihre geringe Breite und dadurch, dass die Warzen in grossen Zwischenräumen folgen, kleiner sind und keine Gürtel bilden. Die Spi- cula des Strunkes (Fig. 11c) gewöhnlich 0.14, 0.15, selten 0.17 mm laug und gewöhnlich 0.07, 0.08 mm breit. Man kann an ihnen hervor- heben, dass die zwei Warzengürtel von den rauhen Enden ziemlich abgerückt sind, ohne in der Mitte mehr genähert zu sein. Die Spicula sehen schlanker aus. Einen auffallenden Unterschied dieser Varietät von den früheren Formen findet man, abgesehen von dem Habitus, vorwiegend doch nur in dem Charakter der Spicula des polypen- tragenden Thciles des Zoanthodemes, aber auch unter diesen begegnet man einzelnen, die, indem sie reich warziger sind, wieder an die typischen erinnern. Verbreitung: Insel R6union; Port Denison (Austral.) ; Tonga-Inseln. LohoplnjtMm paucißoruni Ehbg. var. validum mihi. (Taf. IX Fig. 12), Ich erwähnte bereits, dass das Sarcophytum pauciflorum Ehbg. lieber die Sarcopliytnm benannten Alcyoniiden. 367 Klunzinger's (14) meiner Gattung Lohophjtum einzureihen sei. Als typische Form kann man daher nur Exemplare des als Lohularia paucißora Ehrenberg (4) längst bekannten Lobopliytiim aus dem Rothen Meere betrachten. Leider liegen mir solche nicht vor. Ich hatte nur ein junges Zoanthodem von Amboina und ein Bruchstück eines anderen von Neuseeland in Händen, die sich von der unten zu beschreibenden Varietät validum unterschieden und, soweit man nach den kurzen Angaben Klunzinger's schliessen kann, wohl mit den Formen aus dem Rothen Meere zusammenfallen. Ich wollte aber dennoch nicht auf diese hin die Beschreibung der Stammform machen. Die Unterschiede von der var. validum, welche sich durch ihr mächtiges Zoanthodem und die starken Spicula auszeichnet, sind kurz folgende: In dem Exemplare von Amboina sind die Spicula des polypentragenden Theiles schmäler und Hemmungsbildungen. Die Spicula des Strunkes sind kleiner, schmäler und nicht so regelmässig in ihren Warzen- gürteln. In dem anderen von Neuseeland sind die Spicula des polypen- tragenden Theiles gleichfalls schmäler (0.07 mm breit) spitz-spindel- förmig, die des Strunkes kleiner, häufig nicht völlig entwickelt und die Warzen nicht so regelmässig gürtelförmig angelegt. Varietät: validum mihi. Das Zoanthodem hat einen Scheibendurchmesser von 110 und 140 mm, seine Höhe beträgt 50 und 60 mm. Die gegen das Centrum ziehenden Lappen sind nach oben verdickt, gewöhnlich fast bis zum Grunde eingeschnitten. Die obere Fläche erscheint so von regel- mässigen, walzenförmigen, oben sanft abgerundeten Fortsätzen von durchschnittlich 10 mm im Querdurchmesser bedeckt, zwischen welchen einzelne breitere an ihren Seitenflächen gekehlte Läppchen bemerkbar werden. Das sind Antheile der einspringenden Lappen, welche sich nicht weiter theilten. Auch sie sind nach oben verdickt, doch nicht in dem Masse wie die schmäleren Fortsätze. Das Zoanthodem hat gegenwärtig eine grauliche Färbung. Die Ränder der Oeönungen für die Autozooide sind dunkler, schwärzlich. Sie stehen weit (mindestens 2 mm) auseinander, auch auf den Kuppen der Lappen nicht viel ge- drängter als an deren Seitenflächen. Die Mündungen der Siphonozoide dicht stehend, wenig vertieft. Die Oberfläche erscheint dadurch dem freien Auge glatter als bei anderen Arten. Erst unter der Lupe tritt das Chagriuartige derselben mehr hervor. Ein niederer etwas dunklerer Saum umzieht die Basis des Strunkes. Die Rindenspicula des polypentragenden Theiles (Fig. 12 a) sehr 368 EMIL V. MARENZELLER, Ueber die Sarcophytum benannten Alcyoniiden. klein, 0.09 — 0.12 mm, und nicht reichlich. An der Bildung der Rinde participiren Spicula von der Form jener des Inneren , nur kleiner (0.2 mm), etwas breiter und nicht so spindelförmig. Die Spicula des Innern (Fig. 12 b) reichwarzige, nicht sehr zugespitzte Spindeln von 0.32 — 0.4 mm Länge und 0.09 — 0.12 mm Breite, wobei jedoch die kürzeren Spindeln immer die breiteren sind. Selten sieht man Spicula von 0.4 mm Länge und 0.09 mm Breite. Die Spicula des Strunkes (Fig. 12 c) noch einmal so lang als breit oder meist etwas länger, 0.24, 0.26, 0.28 mm lang; 0.11, 0.12, 0.13 mm breit mit sehr regel- mässigen Warzengürteln. Ganz ähnliche Spicula zeigt ein Exemplar von den Andamanen, höchstens sind die Warzen der Spicula h weniger vorragend. Das Zoanthodem hat aber viel kleinere Dimensionen und die Theilung der Lappen ist eine feinere. Verbreitung: Andamanen, Tonga-Inseln. Erklärung der Figuren. (Tafel IX). a. Rindenspicula. b. Spicula im Cönenchyme des polypentragenden Theiles. c. Spicula im Cönenchyme des sterilen Basaltheiles. d. Spicvila der Autozooide. Fig. 1. Sorcujihytnm glnuciim Qtjoy et Gaim. a, die kleineren ^y", die grösseren ''^^^ vergr. b, '^^ c, '^^ ; das grösste Spiculum aus einem anderen Exemplare (Port Denison). Fig. 2. Sarcophytum glaucum var. pauperculum a, ^^^ ; b, c, "'^ d. '■"y". Die langen Spicula von dem Vorderleibe, die kleineren von den Tentakeln der Autozooide. Sarcophytum ehreribergi mihi, a, b, c, y". Sarcophytum ehrenbergi var. acutangulum mihi, a, b, c, y*^. Sarcophytum trocheliophorum mihi a, '^y*^, b, c, \**. Sarcophytum trocheliophorum var. amboineiise mihi a, •'," ; b, c, "^^ d, \". Die drei längsten Spicula von dem Vorderleibe, die kleinen von den Tentakeln der Autozooide. Lobophytum crebriplicatuni mihi a, b, c, 'y*. 8. Lobophytum crassum mihi a, b, c, ^y". Lobophytum crassum var. borbonicum mihi a, b, c, "^^ . Fig. 10. Lobophytum crassum var. crisla ga/li mihi a, b, c, 'y*. Fig. 11. Lobophytum crassum var. proliferum mihi a, b, c, y*. Fig. 12. Lobophytum puucißorum Ehbo. var validum mihi a, b, c, ^y". Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Ueber Manatherium delheidi, eine Sirene aus dem Oligocän Belgiens. Von Dr. Clemens Hartlaul). Während eines einmonatlichen Aufenthaltes in Brüssel, der vor- wiegend der Fortsetzung meiner Untersuchungen über die Manatus- arten^) gewidmet war, machte ich durch die freundliche Vermittelung des Herrn L. Dollo, welchem ich für viele Beweise wirklich auf- opfernder Liebenswürdigkeit für immer aufs tiefste verpflichtet bin, die Bekanntschaft des Herrn E. Delheid, des Besitzers einer höchst interessanten Sammlung belgischer Fossilien. Ich fand in seinem kleinen Museum unter andern Sirenenresten (Crassitherium?? , Hali- therium?) einige Bruchstücke, die ich auf den ersten Anblick unsrer heutigen Gattung Manatus zusprach und in Folgendem zur allgemeinen Kenntniss bringen möchte. Herrn E. Delheid, der mir sein werthvolles Material bereitwilligst zur Publication überliess, spreche ich meinen verbindlichsten Dank aus; ich schulde ihn nicht minder Herrn Director E. Dupont für die mir gütigst ertheilte Erlaubniss, am Königl. Museum arbeiten zu dürfen, wo meine Untersuchungen durch die grösste Liberalität, auch Seitens des Herrn Alph. Dubois, in jeder Weise erleichtert wurden. Die Schädelfragmente, um die es sich handelt, wurden bei Hoboken in der Nähe von Antwerpen gefunden, und zwar in derselben 1) Siehe diese Zeitschrift, Band I. S. 1. Zoolog, Jahrb. 1. _ 24 370 CL. HARTLAÜB, Schicht, aus der van Beneden's Crassitherium^) und die übrigen, viel- leicht einem Halüherium angehörigen Knochen stammen , dem soge- nannten oberen Rupelthon (Rupelien sup6rieur). Die einzelnen Stücke sind: a. Ein Theil des rechten Oberkiefers, den dritten Molaren und die Alveolen der beiden ersten Backenzähne enthaltend; b. Ein kleines Bruchstück des linken Oberkiefers, mit der Alveole des ersten Backenzahnes; c. Die vordere Partie des rechten Frontale, mit dem Processus orbitalis ; d. Derselbe Theil des linken Frontale ohne jenen Fortsatz; e. Das Basisphenoid mit dem Processus pterygoideus des Keilbeins ; f. Ein paar nicht genau zu bestimmende Splitter. Prüfen wir zunächst den rechten Oberkiefer (Fig. \a). — Wie überhaupt sämmtliche Reste des Schädels weist er durch seine ge- i Fig. I. a. Fragment des rechten Oberkiefers, ß. Fragment des linken Obei-kiefers. ringe Grösse darauf hin, dass wir es mit einem ganz jungen Indivi- duum zu thun haben. Würde man die fehlenden Theilc desselben reconstruiren, so würde man einen Oberkiefer von der Grösse erhalten, wie ihn der Schädel eines Neugeborenen Manatus senegalensis besitzt, 2) Van Beneden, TJn Sir^nien nouveau du terrain rupelien. in: Bull. Acad. Belg. (s^r. 2) T. 32. 1871. Ueber Miinatlieriiim delheidi, einei- Sirene aus dem Oligocan Belgiens. 371 den ich 1. c. abgebildet habe. Das erhaltene Stück ist der vordere Alveolartheil mit dem Ansatz des Processus zygomaticus und der wohl medialwärts ziemlich vollständigen hinteren Gaumenfläche. Es interessirt vor Allem, dasGebiss zu betrachten, welches uns ebenfalls auf die Jugend des Thieres hinweist, besonders bemerkens- werth aber dadurch ist, dass es im Wesentlichen mit dem Ge- biss unserer Manaten vollkommen übereinstimmt. Der erhaltene Molar, kurz hinter welchem der Kiefer abgebrochen ist, (Fig. II und III) lässt sich aus seinen Alveolen leicht herausheben. Fig. II. Fig. III. Fig. II. Der dritte Molar von oben n. Gr. h hinterer, v vorderer, m medialer. l lateraler Rand. Fig. III. Der dritte Molar von unten n. Gr. Er ist über den medialen Alveolarrand noch nicht ganz herausge- treten, und war offenbar noch nicht recht im Gebrauch, was seine vortrefflich conservirte, jeder Abnutzung entbehrende Krone des Wei- teren bestätigt. Die Grösse seiner Krone ist etwa die der Molaren eines Manatus latirostris Harl. mittleren Alters, 16 mm breit und lang. — Von den Wurzeln sind nur kurze hohle Stummel erhalten (s. Fig. III). Die beiden lateralen sind stark comprimirt, der mediale kreisrund auf dem Querschnitt. Vor diesem Molaren liegen die Alveolen eines ebenfalls dreiwur- zeligen, aber bedeutend kleineren Backenzahnes , von dem kleine Wurzelreste noch vorhanden sind, und vor diesem endlich die eines noch viel kleineren zweiwurzeligen Molaren. Letztere bilden allerdings nur ein Loch, aber eine von der lateralen Wand desselben entspringende, deutlich sichtbare Leiste deutet an, dass ein zweiwurzeliger Zahn in demselben sass. Da der Kiefer vor dieser Alveole bis auf 13 mm unversehrt ist und keine weitere Grube in demselben sich befindet, so dürfen wir wohl mit Recht die vordere Alveole als die des ersten Backenzahnes betrachten. Die Aehnlichkeit mit dem Gebiss des jungen Manatus ist eine sehr auffallende. Auch bei ihm finden wir die sprungweise Grössen- 24* 372 CL. HARTLAUB, zunähme des zweiten und dritten Molaren, auch bei ihm ist der erste Backenzahn zweiwurzelig und die folgenden dreiwurzelig. Der Unterschied von den ersten Zähnen des Lamantins liegt aber darin, dass die Molaren unseres Fossils beträchtlich grösser sind als die der jungen Manati und der dritte Molar bei genauester Prüfung auch einige kleine Abweichungen seiner Form erkennen lässt. Während Molar 3 beim afrikanischen Manatus etwa 10 — 11 mm breit und lang ist und bei dem jungen M. inunguis Natt. eine noch geringere Grösse besitzt, betragen diese Maasse bei unserm Fossil 16 mm. Die kleinen Formdifferenzen bestehen darin, dass die beiden Querjoche der Krone etwas auf die laterale Seite gerückt erscheinen, und die Krone dadurch von dem medialen Tuberkel der Joche aus schräger nach unten abfällt als bei den Manatuszähnen , die ich augenblicklich vergleichen kann; sodann ist die hintere Hälfte der Krone von der vorderen auf ihrem lateralen Rande durch eine auf- fallend tiefe Einkerbung getrennt, während auf ihrem medialen Rande sich keinerlei Vertiefung findet. Auch die Wurzeln des Zahnes, nament- lich die beiden lateralen, scheinen mir fast im Verhältniss zur Krone von geringerer Stärke als die der Manatusmolaren zu sein. — Von dem übrigen Verhalten unseres Maxillarrestes wären noch zwei Punkte erwähnenswerth. Der erste ist ein fernerer Beweis für die Jugend des Individuums und zeigt uns deutlich, dass hinter dem erhaltenen dritten Molar nicht etwa eine noch grössere Anzahl von Backenzähnen folgte; es ist das die stark schräg nach innen gewen- dete Richtung des äusseren Alveolarrandes hinter dem Processus zygo- maticus. Diese weist mit Bestimmtheit darauf hin, dass unmittelbar hinter dem vorhandenen Molaren der Keimsack der Zähne lag, denn bei grösserer Länge der eigentlichen Zahnreihe würde derselbe ohne Zweifel eine viel geradere Richtung haben. Der zweite Punkt betrifft eine ziemlich tiefe Rinne (Fig. 1 jt), die etwa 15 mm vor der vordersten Alveole, auf der vorderen Bruchfläche beider Oberkieferhälften sichtbar ist. Sie könnte fast für die hintere Wand einer Alveole, etwa eines Caninen, gehalten werden, wenn nicht ihre Lage etwas gegen eine solche Deutung spräche. Sie verläuft nämlich in schräg transversaler Richtung von innen nach aussen und unten und mündet dicht über der Kante, welche die Gaumenfläche von der Seitenfläche des Kiefers trennt, auf letzterer. Welche Bedeutung dieser Rinne beizumessen ist, vermag ich nicht zu entscheiden. lieber Miinatherium delheidi, eine Sirene aus dem Oligoiän Belgiens. 373 Das Bruchstück des linken Oberkiefers (s. Fig. I /S), welches, wie erwähnt, die gleiche vordere Bruchfläche mit der rechten Maxilla be- sitzt und auf der hinteren Bruchfläche die vorderen Wände der Alveolen des zweiten Molaren zeigt, bietet weiter nichts Erwähnenswerthes dar, und wir können uns somit den Frontalien zuwenden. Es ist ohne Frage als ein besonderes Glück zu betrachten, dass uns diese, den vordem Theil des Schädeldaches bildenden Knochen bewahrt worden sind und wir somit Gelegenheit haben, einen der wich- tigsten Abschnitte des Schädels prüfen zu können. Die hintere obere Kante der beiden Fragmente entspricht dem wohl erhaltenen Margo coronalis des Schädeldaches und der Schläfen- wand, während die hintere Fläche der Stücke uns die vordere Wand des Sinus frontalis zuwendet. Vorne haben wir einen vortrefflich con- servirten vorderen Stirnrand mit der linken Hälfte des Processus nasalis, und einen tadellosen rechten Processus orbitalis. Was dem einen Stücke fehlt, wird erfreulicher Weise von dem andern ergänzt. Die Hauptdimensionen sind folgende: Die Breite des Schädeldaches an seinem hinteren Rande beträgt circa 3.9 cm. Die Breite des vorderen Stirnrandes etwa 2.5 cm. Die Breite des Processus orbitalis an seiner Wurzel wie an seinem distalen Ende circa 9 mm. Die Länge der Sutura frontalis, incl. Processus nasalis, ist 3.4 cm. Die grösste Länge des Stirnbeins, von der vorderen Spitze des Processus orbitalis bis zum hinteren Ende der Frontalnaht, beträgt 5.5 cm. Die Frontalia (Fig. IV.), deren allgemeiner Habitus, wie das auch vom Oberkiefer gesagt werden muss, ein relativ ziemlich dickknochiger ist, bilden ein vollkommen glattes, ebenes, ziemlich breites Schädeldach, welches in die Temporalwände, deren Richtung eine steil senkrechte ist, durch glatte abgerundete Kanten übergeht. Die relativ grosse Breite ist ein den neugeborenen Manaten ebenfalls zukommender Cha- rakter, wie denn überhaupt ähnlich den Dimensionen des Oberkiefers auch die des vorderen Schädeldaches denen des von mir untersuchten jungen Manatus senegalensis annähernd gleichkommen. Der Margo coronalis auf dem Schädeldache bildet jederseits mit der Temporalkante einen rechten Winkel und hat einen fast gestreckten Verlauf. Der bei Manaten zwischen die beiden Stirnfortsätze der Parietalia eingekeilte Theil der Stirnbeine fehlt also vollkommen, wenn man nicht eine geringe etwas rechtsseitig gelegene nach hinten gerich- 374 CL. HARTLAUB, tete AusbieguDg des Margo coroiialis als Andeutung eines solchen auf- fassen will. Ich glaube indessen diesem Mangel, da der betreffende pxorli Fig. IV. Die Frontalia. fn fossa nassalis. p die Stelle wo vermuthlich der Proc. front, des Parietale auflag, prn Proc. nasalis. pr.orb Proc. orbitalis. Theil auch bei unsern Lamantins in der Jugend noch sehr kurz ist, keine wesentliche Bedeutung beimessen zu müssen, glaube vielmehr, dass man, Angesichts der grossen Jugend des Thieres, annehmen darf, dass dieser hintere Abschnitt der Frontalia auf dem Schädeldach noch nicht verknöchert war. Dafür spricht, dass der vortrefflich erhaltene Coronalrand keine Spur von Suturzahnung besitzt, sondern vielmehr ganz glatt und zugeschärft ist, sowie der Umstand, dass sich auf dem rechten Frontale genau an der Stelle eine rauhe Impression be- findet (Fig. IV p.), wo beim Manatus das vordere Ende des Parietal- fortsatzes dem Stirnbeine aufliegt. Besassen aber die Parietalia der- artige Fortsätze, so werden sie auch einen hinteren Theil der Frontalia eingeschlossen haben. Die sehr vertical stehenden Schläfenwände der Stirnbeine zeigen eine deutliche Trennung in eine obere und untere tiefer eingesenkte Partie, eine Trennung, die auch bei den Manaten, namentlich stark bei M. senegalensis, durch eine scharfe Leiste vollzogen wird. Nach hinten wird die Temporalwand begrenzt durch den verticalen Theil des voll- kommen glatten, nach vorne leicht eingebogenen Margo coronalis. Der Processus nasalis des vorderen Stirnraudes ist scharf zuge- spitzt und verhältnissmässig gross. Die Form der Processus orbitales entspricht ganz der, wie sie Manaten häufig zeigen, während dagegen diese Fortsätze bei Hali- Ueber Manatherium delheidi, eine Sirene aus dem Oligocäu Belgiens. 375 therium durch die starke Verbreiterung ihres distalen Endes einen wesentlich verschiedenen Charakter besitzen. Die Länge der Fortsätze beträgt etwa 2.6 cm, ihre Breite, wie erwähnt, an der Wurzel wie an ihrem distalen Ende circa 9 mm. Sehr interessant ist es, dass uns der erhaltene Orbitalfortsatz auf seiner der Nasenhöhle zugewandten Fläche eine Grube erhalten zeigt, in welcher das Nasale geruht haben wird. Diese Vertiefung hat durch- aus die Gestalt, die man gewöhnlich an Manatusschädeln findet. Sie ist eine ovale flache Impression, allerdings von relativ bedeutender Grösse, etwa 13 mm lang und 8 mm breit. Darf man von der Form dieser Grube auf die des entsprechenden Nasale schliessen, so muss dieses wenigstens vorne eine ähnlich mandel- förmige Gestalt gehabt haben wie die der Surinam'schen Manati latiro- stres Harl. Von der Grube aus erstrecken sich ziemlich starke Leisten und Rinnen etwa 12 cm weit unter das Schädeldach ; dieselben dürften gleichen Erhabenheiten auf der lateralen Wand des Wurzelstückes des Nasale entsprochen haben, deren Zweck offenbar der Befestigung des Knochens galt. Ganz wie das nicht selten bei Manaten der Fall ist, scheint das andere Nasale bedeutend kleiner gewesen zu sein; auch von diesem ist nämlich die entsprechende Grube sowie jene Rinnen unter dem Schädeldach erhalten. Das letzte Stück der uns gebliebenen Reste des Schädels besteht aus dem Basisphenoid und den damit verbundenen Pterygoid- proc essen des Keilbeins (Fig. V.). Betrachten wir es von hinten so haben wir einen vollkommen unver- sehrten, glatten hinteren Rand des Ba- sisphenoids vor uns, der natürlich mit dem Basale des Hinterhauptes noch nicht vereinigt war, und die ebenfalls glatten hinteren Flächen der Pterygoid- processe. Von den tiefen Muskelim- pressionen, welche diese im späteren Alter erhalten, ist noch keine Spur vorhanden. Der äussere Pterygoid- process ist mit dem inneren bereits verschmolzen. Von vorne betrachtet wenden sie uns die glatte Vertiefung zu, welche zur Aufnahme des Pterygoidprocesses des Gaumenbeines gedient hat. Die Länge der Fortsätze beträgt circa 2.9 cm ; die Breite des Basisphenoids an seinem hinteren Rande ist 12 mm. Fig. V. Fragment des Keilbeius von hinten gesellen. bs Basisphe- noid, prpt Proc. pterygoideus. 376 ^^- HARTLAUB, Wir haben die beschriebenen Fossilien ausschliesslich mit den ent- sprechenden Schädeltheilen von Manatus verglichen, weil ich der An- sicht bin, dass dieselben, wenn nicht der gleichen, so doch einer auf's nächste verwandten Gattung angehören. Doch dürfte es nicht über- flüssig sein, in aller Kürze zu sagen, weshalb wir es nicht mit einem jungen Individuum einer der andern in Frage kommenden Formen zu thun haben. Zu dem Zwecke werden folgende Notizen, die ich vor- zugsweise Lepsius^) entlehne, genügen. JPrörastofnus Owen =*), die Sirene aus alttertiärem Kalkstein Jamaikas, besass vier einwurzelige Praemolaren. Salitherium Kavp ^), dessen Molaren, abgesehen von ihrer Grösse, denen des Manatus ziemlich ähnlich sehen, besass drei ein- wurzelige Praemolaren und, wie Lepsius meint, auch ein wurzelige Milchzähne. Unser fossiler Oberkiefer, der seiner geringen Grösse wegen event. jedenfalls noch die Milchzähne zeigen müsste, besitzt überhaupt keine einwurzeligen Zähne oder deren Alveolen, sondern nur die Alveole eines zweiwurzeligen Zahnes und dahinter typische dreiwurzelige Molaren und gleicht darin vollkommen dem Manatus, der, soweit bis jetzt bekannt, überhaupt kein Milchgebiss besitzt. Metaxitheriuni de Cristol*), welcher Gattung der „Lamantin fossile'' Cuvier's^) angehört, besass keine Praemolaren; seine Molaren sind aber „durch Vermehrung der Zapfen und tiefer einschneidende Furchen" complicirter als die von Halitherium. Felsmotherlufu Capellini'') und CrassitheyHtmi van Be- neden 1. c. waren Sirenen von ungemein grossen Dimensionen; der Schädel der ersten Gattung wurde bis 62 cm lang , und ihre Zähne waren ziemlich conisch, mehr denen des Dugong verwandt. Botherium Owen^), aus den Makatam clitfs in der Nähe von Cairo, besass ein Gehirn von bedeutend niedrigerer Organisation als das 1) Lt:psius R. Halitherium Schinzi, Darmstadt 1883. 2) Owen R. in: Quart. Journ. Geolog. Soc. London. Vol. 11 1855 p. 541 und vol. 31 1875 p. 559 3) In: Neues Jahrb. Min. 1838 p. 319. 4) In: Compt. Rend. Acad. Sc. de Paris 1840 T. 8 p. 322. 5) CuviEE, G. Sur l'ost^ologie du Lamantin. In: Ann. Museum Hist. Nat. T. 13. Paris 1809. 6) Capellini, G. Sul Felsinotherio sirenoide halicoreforme dei de- positi littorali jjliocenici dell'antico bacino del Mediterraneo e del Mar nero. Bologna 1872. 7) OwKN 11. in: Quart. Journ. Geol. Soc. London. Vol. 31, 1875, p. 100. lieber Manatlierium delheidi, eine Sirene aus dena Oligocäu Belgiens. 377 des Ilanatus. Die gefundenen Knochenreste sind sehr spärlich und gestatten keinen Vergleich mit den unsrigen. I*ac7ij/acanthiis Brandt 0 wurde als Gattungsname für bei Wien gefundene Fossilien aufgestellt, welche der Autor als Cetaceen- reste betrachtete. P.-J. van Beneden 2) hat später dargethan, dass nur ein Theil dieser Knochen wirklich von Cetaceen herrühre, die Rippen und Wirbel dagegen einer Sirene angehörten, für welche er den Genusnamen Pachyacanthus beibehielt. Da Schädelreste absolut fehlten, ist ein Vergleich mit unsern Fossilien nicht möglich. Chrono^oon W. de Vis. ^) ist pliocänen Ursprungs und stammt „from the Cinchilla (Darling Downs) drift" in N. S. Wales. Die aus den Parietalien und dem Supraoccipitale bestehenden Reste, von denen ein Gehirnabguss gemacht und abgebildet ist, wurden von dem Autor, wie es scheint, nicht ohne einiges Bedenken, einer fossilen Sirene zu- gesprochen. Ein Vergleich mit unserm Objecte ist ebensowenig wie bei der vorhergehenden Gattung ausführbar*). Da Halicore und Rhytina selbstverständlich gar nicht in die Dis- cussion gezogen zu werden brauchen, so ständen wir nun vor der Frage, ob unser Fossil der Gattung Manafus oder einer bisher nicht bekannten Form angehöre. Obwohl ich die Möglichkeit des ersteren Falles für keineswegs ausgeschlossen halte, ziehe ich es doch einst- weilen vor, eine neue Gattung für dasselbe zu schaffen, in der Meinung, dass die besprochenen Reste nicht ausreichend sind, um die Identität mit unsern Lamantins sichern zu können. Zur Vorsicht mahnen be- sonders zwei Umstände : die etwas verschiedene Form der Krone des dritten Molaren und die nicht abzuweisende Möglichkeit, dass die oben beschriebene Rinne auf der vorderen Bruchfläche der Oberkiefer die hintere Wand einer Caninenalveole repräsentirt. Die bedeutendere Grösse der Molaren bildet dagegen ebensowenig wie die ziemlich auf- fallende Dicke der Knochen einen Factor, der uns abzuhalten brauchte, die beschriebenen Knochen für Manatus-Reste zu halten, da wir unter 1) Bbahdt, J. f. Untersuchungen über die fossilen und subfossilen Cetaceen Europas, in : Me'm. Acad. Imp. Sc. St.-Petersbourg (ser. 7) T. 20. No. I. 1875. 2) VAN Beneden. Les Pachyacanthus du Musee de Vienne. in : Bull. Acad. E. Belg. (s^r. 2) T. 40, 1875, p. 323. 3) DE Vis, W., On a fossil calvaria. in: Proc. Lin. Soc. N. S. Wales. Vol. 8, p. 392, pl. 17. 4) Siehe ferner Delfoktkie, De'couverte d'un squelette entier de Ky- tiodus, in: Acte^ Soc. Linn. Bordeaux T. 34 (ser. 4, T. 4) 1880. 378 ^^- HARTLAUB, lieber Manatherium delheidi eine Sirene u. s. w. den lebenden Lamantins eine Art kennen, deren Zähne viel kleiner sind als die der beiden andern, und die Stärke der Schädelknochen den ausserordentlichsten Variationen unterworfen ist. In Anspielung an die jedenfalls sehr nahe Verwandtschaft mit. Manatus möchte ich vorschlagen, für unsre oligocäne Sirene einstweilen den Namen ,, Manatherium** zu acceptiren, dem ich, zu Ehren des Besitzers ihrer Ueberbleibsel , den Speciesnamen ,fdelheidi** hinzufüge. Manatherium delheidi ist die erste in Europa gefundene zweifellos Manatus-artige Sirene, während wir deren aus dem Tertiär, namentlich Pliocän, Amerikas mehrere kennen, die als fossile Manatusarten ^) be- schrieben worden sind. Ebenfalls wurde in Afrika an demselben Orte wie Eotherium ein Unterkiefer gefunden, welcher von Filhol^) der Gattung Manatus zugesprochen wurde. Da keine dieser Arten die- selben Schädelknochen erhalten zeigt wie Manatherium, sondern diese theils auf Unterkiefermolaren, theils auf Wirbel und Rippen gegründet wurden, so ist ein Vergleich mit diesen Species leider ausgeschlossen- Brüssel, den 5. April 1886. 1) Manatus inornatus Leidy, Contrib. Extinct Vertebrate Fauna of the Western Territories p. 336. pl. 37, Fig. 16, 17. Manatus antiquus Leidy in: Proc. Acad. Nat. Sc. Philadelphia 1856 p. 165. Harlan, Notice of the Plesiosaurus and other fossil reliquiae from the State of New Jersey in : Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia Vol. 4. part. 2, 1824, p. 232. 2) FiLHOL , H. , Note sur la d^couverte d'un nouveau mammifere marin (Manatus Coulomb i) en Afrique etc. in: Bull. Soc. Philomat. Paris (ser. 7) T. 2 1878 p. 124. Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars Dr. H. Lenz iu Lübeck. (Hierzu Tafel X.) Die vorliegende Arbeit wurde veranlasst durch eine grössere Sammlung von Arachniden, welche Herr Carl Reuter, ein junger Lübecker Kaufmann, während seines Aufenthaltes auf der Insel Nossib6, nahe an der Nordwestküste Madagascars, zusammenbrachte und neben vielen anderen zoologischen Gegenständen dem hiesigen naturhistori- schen Museum in uneigennützigster Weise überwies. Das SENCKENBERGische Museum in Frankfurt ajMain erhielt um dieselbe Zeit eine von Herrn Stumpfe auf der nämlichen Insel ge- sammelte kleinere Sendung von Spinnen , welche mir durch die Güte des d. Z. zweiten Directors Herrn Major z. D. Dr. von Heyden be- reitwilligst zur Bearbeitung anvertraut wurde. Diese Sendung ent- hielt 24 Arten, darunter manches Interessante, und diente zur Ergän- zung der REUTER'schen Sammlung, Ich spreche auch an diesem Orte der Verwaltung des Sencken- BERGischen Museums meinen aufrichtigsten Dank aus für die gütige Ueberlassung des werthvollen Materials. Die Spinnen Madagascars fanden, abgesehen von einigen wenigen von Walkenaer und Anderen beschriebenen Arten in Gemeinschaft mit denjenigen der benachbarten Inseln zuerst eine umfassendere Bearbeitung in dem Werke von Vinson, Aran6ides des iles de la Il6union, Maurice et Madagascar. Paris 1863; später wurden einzelne Arten hier und da von Graf Keyserling, Thorell, Butler, Cam- 380 H. LENZ, BRIDGE, Lucas, Peckham, Karsch beschrieben. Das bedeutende von Hildebrandt auf Nossibe und Madagascar selbst gesammelte Material liegt leider noch immer unbearbeitet im Berliner Museum. Ich hielt es unter diesen Umständen doppelt für meine Pflicht, das durch den Sammelfleiss des Herrn Carl Reuter uns zugegangene Material einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen, deren Resultate ich in Nach- folgendem veröffentliche. Ich sehe diese Veröffentlichung nur als einen kleinen Beitrag zur Erweiterung der Kenntniss der interessanten Fauna jener Insel an. Hoffen wir, dass die HiLDEBRANDT'schen Schätze recht bald von berufener Hand gehoben und dadurch die Kenntniss dieses Theiles der madagassischen Fauna zu einem vorläufigen Abschluss gebracht werde. Alsdann erst dürfte es angezeigt sein, vergleichende und andere Betrachtungen anzustellen, welche mir jetzt noch verfrüht erscheinen und von denen ich deshalb auch gänzlich Abstand ge- nommen habe. Die bei einzelnen Arten hinzugefügten Bemerkungen über die Lebensweise derselben verdanke ich mündlichen Mittheilungen des Herrn Carl Reuter, dem ich für die Bereicherung unserer hie- sigen Sammlung und den damit zugleich der Wissenschaft erwiesenen Dienst nochmals aufrichtigen Dank ausspreche. Herrn Dr. F. Karsch in Berlin bin ich gleichfalls zu Dank ver- pflichtet für manche mir in freundlichster Weise ertheilte Auskunft. 1. Gasteracantha formosa Vins. 1863. A. ViNSON, Araneides des iles de la Röunion, Maurice et Ma- dagascar, p. 244, pl. IX, fig. 7. 1863. G. tJiorellii Keyserl. in: Sitzungsber. d. Isis. Dresden p. 67, Taf. I, Fig. 4. 1878. G. petersii Karsch, in : Monatsb. d. Berl. Acad. p. 322, pl. 1, Fig. 6. 1879. G. formosa Cambridge, in: P. Z. S. p. 285, pl. XXVI, Fig. 11. 1881. „ „ Karsch, in: Abh. d. Naturw. Ver. in Bremen Bd. VII, p. 191. „ G. thorellii Karsch, 1. c. p. 191. Von dieser Art liegen mir eine grosse Anzahl weiblicher Exem- plare vor. Cephalothorax braun, Mandibeln, Taster, Beine braun, nur die äussersten Spitzen schwarz. Die Unterseite des Abdomens gelb- braun, nach der Epigyne hin kegelförmig ansteigend ; diese mit starker, kreisrunder Chitineinfassung. Nach den Seiten verlaufen tiefe Furchen; zwischen der Epigyne und dem Hinterrande drei horizontal verlau- fende Furchen, in der letzten rechts und links je vier eingedrückte Beiträge zur Kenntniss der Sphineufauna Madagascars. 381 Narben, vor der dritten noch eine weitere Narbe, unmittelbar am Hinterrande. Zwischen dem grossen gebogenen und dem lileiuen da- vorstehenden Seitendorn eine sehr grosse Narbe; am Vorderrande als- dann noch zwei kleinere Narben. Vor der Vulva ein starker, kurzer, am Ende schwarz gefärbter Dorn. Die ganze Unterseite mit braunen (nicht schwarzen) Punktwärzchen bedeckt. Die Oberseite des Abdomens gelbbraun, die Ränder mehr gelb gefärbt, querüber von einem der grossen Seitendornen zum andern ein Querstreif von der Farbe der Ränder. Die Narben sämmtlich von einem rothbraunen Wulste eingefasst mit einem schwarzbraunen Punkt in der Mitte. Die oben angegebene Figur des Grafen Keyserling stimmt fast völlig mit unsern Exemplaren, nur ist bei diesen der Vorderrand stets in der Mitte eingebogen, wie bei Vinsons Figur von G. formosa und der dieselbe Art darstellenden Zeichnung von Cambridge in: P. Z. S. 1879, pl. XXVI, Fig. 11. Die Dornen entsprechen im Allgemeinen der KEYSERLiNG'schen Abbildung; jedoch zeigen sich, namentlich bei den grossen Seitendornen, vielfache Variationen. Diese Seitendornen sind schwarz, stumpf zugespitzt, an der Vorder- und Hinterseite dicht schwarz behaart und stets nach rückwärts gebogen, jedoch hinsichtlich ihrer Krümmung grossen Schwankungen unterworfen, was schon von Cambridge 1. c. p. 285—286 hervorgehoben wird. Verbindet man die Spitzen durch eine gerade Linie, so fällt diese bei den am wenigst gekrümmten Dornen mit der hinteren Furche des Abdomens oberhalb der Enddornen zusammen , bei den am stärksten gekrümmten volle 4mm hinter jene Furche. Die Spitze selbst ist meist seitwärts nach hinten, ebenso oft auch gerade nach hinten gerichtet, und bei einigen wenigen ist die Krümmung der Dornen eine so starke, dass die Spitzen sich wieder nach innen wenden. Die vorderen Schulterdornen und die Dornen des Hinterrandes sind klein, am vorderen Ende schwarz. Der Vorderrand des Abdomens trägt rechts und links je drei grosse Narben von der oben bereits angegebenen Beschaffenheit, dazwischen vier kleinere; genau in der Mitte einen eingedrückten Punkt. Der Hin- terrand trägt in der Mitte fünf gleich grosse Narben, seitwärts davon je zwei grössere. Die Mittelfläche ist durch vier im Trapez stehende Narben gezeichnet, von denen die vorderen etwas kleiner sind und näher zusammenstehen, als die hinteren. Zwischen den vorderen Narben sieht man mit der Lupe in der Mitte drei eingedrückte Punkte, seitwärts, etwas nach hinten je einen, zwischen den hinteren Narben 382 H. LENZ, vier im Quadrat stehende Punkte, zu welchen meist noch ein fünfter im Kreuzpunkt der Diagonalen kommt. Diese Sculptur ist bei allen Exemplaren übereinstimmend. Vergleicht man mit dieser Beschreibung dasjenige, was Karsch in den Monatsberichten der Berl. Acad. 1878, p, 322—323 über seine G. petersii sagt, so stimmt beides fast genau überein. Das dort Ge- sagte findet auch auf unsere Exemplare Anwendung mit der einzigen Ausnahme, dass die Ocellen und Wärzchen nicht schwarz, sondern braun, etwa von der Farbe der Beine sind. In der 1. c. auf Taf. I, Fig. 6 gegebenen Zeichnung sind die grossen Seitendornen im Ver- hältniss etwas länger, als bei unseren Exemplaren, desgleichen die vor- deren Schulter- und die Hinterrandsdornen grösser und stärker; dem Vorderrande fehlt in der Mitte die Einbiegung. Nach allem diesem glaube ich zu der Annahme kommen zu müssen, dass den von Cambridge 1. a. p. 285 als Synonyme v. G. for- mosa ViNS. genannten Arten anderer Autoren auch noch G. thorellii Keys, hinzuzufügen ist. Zahlreiche Weibche nim Museum Senckenberg. und Museum Lubec. Diese Spinnen leben sehr zahlreich an sonnigen Stellen im Ge- büsch und spannen dort ihre kleinen flachen Netze aus. Gasteracantha niadagascariensis Vins. 1. c. p. 242, pl. IX, Fig. 6. Zahlreiche Weibchen im M. S. und M. L. Die Zeichnung des Abdomens weicht bei sämmtlichen Exemplaren soweit etwas von der VmsoN'schen Abbildung und Beschreibung ab, als die gelbe mittlere Querbinde nicht durch eine Längslinie mit der gelben Linie des Vorderrandes zusammenhängt, sondern durch einen breiten schwarzen Zwischenraum von diesem getrennt ist, noch mehr, als dies schon in der Figur, welche Cambridge in: P. Z. S. 1879, Taf. 26, Fig. 10 giebt, dargestellt ist. Die langen Seitendornen sind nicht nach hinten, sondern ein wenig nach vorne gerichtet. Diese Art sucht sich stets schattige Stellen aus und hält sich mehr im Innern der Gebüsche auf. Sie ist weniger häufig, als die vorige Art. Gasteracantha [Isocantha] reuterl nov. sp. Taf. X. Fig. 3. Cephalothorax schwarz, etwas breiter als lang, vorne gerade ab- geschnitten, so breit wie in der Mitte; der vordere Thcil gewölbt. Beiträge zur Kenntiuss der Spinnenfauna Madagascars. 383 Die liinteren Mittelaugen stellen ein wenig weiter auseinander, als die Vorderaugen und von diesen so weit entfernt wie die Vorderaugen unter sich. — Alle vier Mittelaugen stehen auf einer rundlichen Er- höhung; die Seitenaugen stehen dicht neben einander auf den Seiten- vorsprüngen des Kopfes. Abdomen: Oberfläche schwarz mit gelben Flecken. Von diesen markiren sich drei in Form eines gleichseitigen Dreiecks auf der Mitte des Rückens; der vorderste steht unmittelbar am Vorderrande; an beiden Seiten zwischen diesem und dem Eckdorn, etwas weiter nach jenem hingerückt, ein kleinerer Fleck. Neben den beiden unteren Flecken des Dreiecks in der Nähe des Seitenrandes je ein kleiner gelber Punkt und dicht daneben, unmittelbar am Rande ein ganz kleiner gelber Punkt. Auf der Mittellinie in der Nähe des Hinter- randes endlich noch zwei hintereinander stehende gelbe Punkte. Ausserdem am Vorderrand acht eingedrückte schwarze Makeln; zwi- schen dem Schulter- und Seitendorn, unmittelbar vor und hinter dem gelben Fleck je eine schwarze Makel , desgleichen eine zwischen den beiden gelben Flecken, welche sich hinter dem Seitendorn befinden. Am Hinterrande vier etwas kleinere schwarze Makeln, welche einen schwach nach vorne gekrümmten Bogen bilden. Die ganze Oberfläche gleichmässig gekörnt. Von den sechs spitzen geraden Dornen stehen zwei von den Schultern schräg nach vorne und aussen, zwei an der Seite schräg nach hinten und zwei am Hinterrande schräg nach hinten und aussen gerichtet. Die Unterseite ist ganz schwarz mit seitlichen Falten, welche am Ende in der Nähe der Epigyne je einen ganz kleinen gelben Punkt erkennen lassen. Zwischen dem Hinterrande und der Epigyne drei horizontale Wülste mit je einem kleinen gelben Punkte in der Mitte, so dass diese mit einem Kranz gelber Pünktchen um- geben ist. Sternum schwarz, Beine schwarz. Länge des Abdomens ohne Dornen 4.5 i^m. Breite „ „ „ „ 5.5 mm. Drei weibliche Exemplare im M. L. Gasteracantha [Isocantha] tnaculosa n. sp. Taf. X, Fig. 4. Der vorigen Species ähnlich. Die äussere Form des Abdomens ist die nämliche, die grösseren gelben Flecken auf dem Rücken finden sich in derselben Anordnung, dazwischen jedoch noch zahlreiche, regelmässig symmetrisch gestellte runde und längliche Flecke und Punkt. 384 H. LENZ, Die Querfurche vor den beiden Enddornen ist bei dieser Art merklich tiefer, als bei der vorigen. Die Unterseite ist nicht so tief schwarz, wie bei reuteri; Seitenfalten sind gleichfalls vorhanden; die gelben Punkte sind grösser und deutlicher und stehen in Form eines Hufeisens um die Epigyne herum; von dieser nach hinten drei gelbe Punkte in einer Reihe. Ausserdem finden sich am ganzen Seitenrande herum unregelmässig gestellte gelbe Punkte und auf jedem Seitendoru ein gelber spitzauslaufender Längsstreif. Sternum mit einem vorderen grossen, gelben Fleck und kleinen gelben Punkten am Hinterrande. Beine schwarz, gelbbraun geringelt. Die zwei vorliegenden Exemplare sind ein wenig grösser, als die vorige Art. Länge des Abdomens ohne Dornen 5 mm, Breite 6.5 mm. Gasteracantha [IsocanthaJ reuteri und maculosa wurden beide von Herrn Reuter in wenigen Exemplaren auf Nossi cumba, einer kleinen zwischen Nossibe und der Küste von Madagascar, oben auf dem ca. 800 m hohen Plateau im Gebüsch , ganz nahe der Erde, ge- fangen. Ob diese Art auch auf Nossib6 vorkommt, ist fraglich, jeden- falls findet sie sich wohl nicht in der Nähe der im flachen Lande unmittelbar am Rande des Urwaldes gelegenen Factorei; es scheint, als ob diese Arten höher gelegener Oertlichkeiten als Wohnort wählen. Caerostris rutenbergi Karsch. 1881 in: Abhandl. d. Naturw. Ver. in Bremen Bd. VII, p. 191, Taf. XII, Fig. A. ($ juv.). Zwei fast entwickelte Weibchen im M. S. , welche mit der von Karsch 1. c. gegebenen Beschreibung übereinstimmen. Caerostris tuherculosa (Vins.). 1863. Epeira tuherculosa Vins. 1. c. p. 228, pl. XIV, Fig. 2. Zwei ausgebildete Weibchen im M. L. Der Vorderleib hat eine braunschwarze Färbung und ist auf dem Rücken zwischen den Höckern mit bräunlich grauen Härchen bewachsen. Der Hinterleib ist zwischen den Schultern etwa noch einmal so breit, wie der Vorderleib. Die Farbe ist lederfarben gelb -braun. Das eine Exemplar trägt in der Mitte eine breite Längsbinde, welche nach hinten ein wenig schmäler wird und in die zwei Enddornen ausläuft. Das zweite Exemplar zeigt diese Längsbinde ebenfalls, jedoch ist dieselbe bedeutend schmäler und verliert sich allmählich nach hinten. Auf der Mitte eine feine dunkelbraune Längslinie , welche sich zu einem dunklen Fleck aus- Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. 385 breitet. Eingefasst wird dieser helle Mittelstreif seiner ganzen Länge nach durch ebenso breite dunkle Seitenstreifen, Das üebrige des Rückens ist lederfarben. Dieses Exemplar ist das weiter entwickelte. Die sogleich zu beschreibende Sculptur tritt überall weit deutlicher und kräftiger hervor. Am Vorderrande des Abdomens stehen vier kleinere, unter sich ziemlich gleich grosse spitze Höcker, neben diesen seitwärts je drei grössere, zu denen sich vom Schulterdorn nach innen ein vierter gesellt. Auf der Mittellinie, dicht hinter den Höckern des Vorderrandes ein kleiner alleinstehender Höcker, mit zwei eingedrückten Narben zur Seite, Auf der Mitte des Rückens vier eingedrückte Narben, welche bei dem zweiten Exemplar tiefe Gruben bilden. Seit- wärts von diesen je ein kleiner Höcker, welche etwa um die Hälfte der Entfernung der Schulterdornen von einander auseinander stehen. Weiter nach rückwärts am Seitenrande selbst je ein etwas grösserer Höcker. Das Ende wird durch zwei weit vortretende Endpapillen ge- bildet. Von der Mitte des Abdomens laufen radienförmig in concen- trische Kreise geordnete Reihen eingedrückter schwarzer Punkte, welche bei dem einen Exemplar sich nur schwach angedeutet finden, bei dem zweiten aber sehr deutlich ausgebildet sind. Je ein solcher schwarzer eingedrückter Punkt befindet sich auch hinter den acht Vorderrandshöckern. Die Unterseite des Abdomens grau behaart, ist bei einem Exemplar lederfarben, bei dem andern fast schwarz und mit ähnlichen eingedrückten Punktreihen versehen wie die Oberseite. Beine schwarzbraun, grau behaart. Länge des Vorderleibes 5 und 6 mm, Breite 7 und 7.5 mm. Länge des Hinterleibes incl. Enddornen 16 und 18 mm , Breite hinter den Schulterdornen 15 und 17 mm. Hinter der Factorei befand sich ein Wassergraben und über diesen hinweg pflegte diese Art ihr Netz zu spinnen. Caerostris stygiana Butl. 1879. Coerostris stygiana Butl. in: P. Z. S. p. 731, pl. LVIII, Fig. 4, 4% 4^ Ein etwas defectes weibliches Exemplar, welches genau mit But- ler's Beschreibung und Abbildung übereinstimmt, im M. L. Caerostris mitralis (Vins.) 1863. Epeira mitralis Vins. 1. c. p. 230, pl. IX, Fig. 2, 3, 4. 1879. Coerostris „ Butler in: P. Z. S. p. 731. Ein $ im M. S. Zoolog. Jahrb. I. 25 386 H. LENZ, Foltys reuteri nov. sp. Diese Art steht der P. Jcochii Keys, sehr nahe, unterscheidet sich jedoch durch die Sculptur des Abdomens und die Form der Epigyne. Die vom Grafen Keyserling in seiner Beschreibung neuer und wenig bekannter Arten aus der Familie der Orbitelae in den Sitzungs- ber. der Isis 1863 p. 84 für den Cephalothorax von Poltys kochii ge- gebene Beschreibung passt auch auf das vorliegende Thier, nur würde ich für den hinteren Theil des Cephalothorax noch hinzufügen, dass derselbe nach der tiefen Mittelfurche rasch abfällt, so dass diese Ränder wie geschwollen aussehen. Die feinen Härchen auf dem vor- deren Theil des Kopfes erscheinen nicht weiss, sondern ganz hellbraun, wie die Haare der Beine. Das seitliche zurückliegende Auge ist etwa dreimal so weit von dem vorderen Seitenauge entfernt wie dieses von dem Mittelauge. Die hinteren Mittelaugen und die seitwärts zurück- liegenden Augen sind von gleicher Grösse und sämmtlich etwas kleiner, als die gleich grossen und gleich weit von einander entfernten vier Vorderaugen. Die für Jcochii angegebenen drei stumpfen Zähnchen der Man- dibeln sind bei dieser Art stark, aber spitz. Im üebrigen sind Man- dibeln, Maxillen, Lippe, Brust, wie bei JcocJiii. Die Taster erreichen nicht ganz das Ende des Femurs des ersten Fusspaares und sind ähnlich diesen, bis auf das Endglied, etwas platt- gedrückt. Die Behaarung nimmt nach den Enden bedeutend zu. Die lange, schwach gekrümmte Kralle ist in der hinteren Hälfte mit vier grösseren und vier ganz kleinen Zähnchen versehen. Die Beine sind kräftig. Das Femur des ersten Paares stark ge- krümmt, das des zweiten etwas weniger, das der übrigen gerade. Die Patella ist fast halb so lang wie die nach aussen und unten gekrümmte Tibia, die Metatarsen sind nach unten gekrümmt, die Tarsen am Ende mit drei Krallen versehen. Die beiden längeren sind weniger gebogen mit 5—7, die kürzere, dickere und plötzlich gekrümrate mit 3 starken Zähnchen versehen. Das Abdomen ist oval, wenig gewölbt, nach vorn ganz flach wer- dend und muldenförmig ausgehöhlt, es überragt den Cephalothorax bis an den Kopftheil. Der Vorderand trägt jederseits in ziemlich gleichem Abstand von einander vier runde Papillen, an welche sich die den Seiten- und Hin- terrand begleitenden Runzeln anschliessen, zwischen denen hie und da noch einige ähnliche Papillen zu bemerken sind. Die Mitte des Vor- 1 Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. 387 derraudes wird durch vier Papillen, zwei untere, etwas weiter ausein- anderstehende grössere und zwei obere, dicht neben einander stehende kleinere, gebildet. Seitwärts von diesen je ein dunkelbrauner Fleck. Ein heller Streif zieht sich, allmählich schmäler werdend, nach hinten, etwa bis zur Mitte; derselbe zeigt ähnliche, dicht neben einander stehende dunkle Flecke wie der Vorderrand. Etwas vor diesen, etwa doppelt so weit von einander entfernt, zwei Papillen. Auf der Grenze des ersten Drittels zwei grosse mammenartige Erhöhungen mit je einer grösseren, mittleren und einer kleineren, seitlichen Papille. Auf der Grenze des hinteren Drittels zwei Vertiefungen unmittelbar vor den hier beginnenden Querwülsten. Die Vertiefungen zeigen nach der Mitte und vorne zusammengeneigte gelbbraune Zeichnungen und am Hinterrande zwei dunkle Bögen mit der Krümmung nach hinten. Die Mitte des Rückens wird endlich von vier dicht neben ein- ander stehenden dunklen Punkten eingenommen. Die Unterseite des Abdomens ist im centralen Theil dunkelbraun, im peripheren hellbraun. Die Geschlechtsöffnung wird nicht von einem runden, sondern ziemlich langen, spateiförmigen, stumpf-dreilappigen Vorsprung bedeckt' dessen Ränder stark verdickt sind. Totallänge 16 mm, Länge des Cephalothorax 8, grösste Breite 6.3, Länge des Abdomens 15.5, Breite 11.5 mm. Länge des ersten Beines 31, des zweiten 28.5, des dritten 19.0, des vierten 25 mm. Ein ausgebildetes Weibchen im M. L. Poltys rnadagascariensis nov. sp. Diese Art ist kleiner als die vorige und in der allgemeinen Fär- bung weit weniger ins Rothbraune gehend, auch ist die Form des Ab- domens eine wesentlich andere. Der Cephalothorax ist im hinteren Theil verhältnissmässig etwas breiter, als bei der vorigen Art. Die den Kopf theil abtrennende Furche ist schärfer. Mandibeln , Maxillen, Lippe und Brust wie bei reuteri. Die Taster sind dreiviertel so lang wie das Femur des ersten Beines, mit schlanker, schwach gekrümmter Kralle, welche auf der hinteren Hälfte vier kleine Zähne trägt; die Füsse weniger kräftig als bei reuteri. Form und Behaarung wie bei jener, die zwei End- krallen schlanker, mit vier Zähnchen am Grunde, die dritte stärker gebogen mit drei deutlichen Zähnchen. Das Abdomen eiförmig, behaart, der Vorderrand gleichmässig ge- bogen, die vorderen Seitenhälften fast gerade, die hintere Hälfte etwas 25* 388 H. LENZ, gebogen. In der Mitte des Rückens die vier Trapezgruben ; die hinteren noch einmal so gross wie die vorderen. Zwischen diesen ein Complex von behaarten Wärzchen, nach den Seiten hin je eine Gabelreihe kleiner Grübchen. Der ganze vordere Rand des Abdomens ist mit mehrfachen Reihen solcher Grübchen besetzt; in der Mitte sind drei hinter einander stehende Paare zu erkennen. An den Seiten gleich- falls eine Reihe von Grübchen, welche nach dem hinteren Rande zu allmählich Furchen Platz machen. Die Unterseite im mittleren Theile dunkel, in der Randpartie hell. Epigyne mit ähnlichem, aber weniger deutlich dreilappigem Vor- sprunge, wie bei reuteri. Farbe des Abdomens bräunlich gelb, auf dem hinteren Theil in der Mitte eine dunklere Längszeichnung. Zwei entwickelte Weibchen im M. L. JEpeira albomaculata n. sp. Taf. X, Fig. 1. Von dieser interessanten kleinen Spinne liegt mir ein entwickeltes Weibchen vor. Die Art ist leicht kenntlich an der charakteristischen Zeichnung des Abdomens. Der Cephalothorax ist etwas länger als breit. Der ziemlich grosse Kopftheil, in der Mitte hochgewölbt und unbehaart, an den Seiten weiss behaart, ist von dem hinteren Theil durch eine scharfe P'urche getrennt. Von den vier Mittelaugen sind die vorderen grösser als die hinteren, springen ziemlich vor und sind um etwas mehr als ihre Breite von einander entfernt. Die hinteren Mittelaugen springen sehr wenig vor und sind nur um die Hälfte ihrer Breite von einander entfernt. Die Seitenaugen sind klein und stehen dicht zusammen auf einem Hügel. Die Entfernung derselben von den vorderen Mittelaugen ist etwas über doppelt so gross wie die Entfernung der Vorder- und Mittelaugen von einander. Die Mandibeln sind etwas kürzer als das Sternum, vorne stark gewölbt, hinten flach, dunkelbraun, am Ende schwarz. Die Maxillen so lang wie breit, braun, am Ende hell. Das Sternum ist länglich, dreieckig , im mittleren Drittel mit einer flachen Quermulde , dunkel- braun, am Rande behaart. Die Beine sind bräunlich gelb, die ein- zelnen Glieder mit dunkleren Enden, behaart. Die Palpen wie die Beine gefärbt, am Ende schwarz mit einer neunzähnigen Kralle. Das Abdomen ist oval, weiss behaart. In der Mitte des Vorder- randes ein grosser weisser Fleck, welcher hinten abgestutzt, vorne spitz ist. Auf der Mitte eine doppelte Längsreihe von je fünf runden weisslichen Flecken, deren Grösse nach hinten zu abnimmt. Zu beiden Seiten je ein weisser, im ersten Drittel unterbrochener Längsstreif. Beiträge zur Keuntniss der Spinnenfauna Madagascars. 389 Die Unterseite ausser den Mittelflecken vorne mit je einem gebogenen weissen Längsstreifen. Epigyne weit vorspringend mit gekerbtem, wul- stigem Rande. Dieses niedliche Thier lebt in den Fensternischen, ist ausseror- dentlich lebhaft in seinen Bewegungen, sehr bissig und raubgierig. Die in ihr Netz gerathenen Fliegen und selbst grössere Insecten spinnt es mit unglaublicher Schnelligkeit ein. JEpeira lanuginosa nov. sp. Cephalothorax etwas länger als breit, dunkel rothbraun und bis auf den mittleren Theil des Kopfabschnittes mit langem, gelblich weissem Haar bedeckt. Der kahle mittlere Theil des Kopfabschnittes lässt zerstreute kleine spitze Wärzchen mit der Lupe erkennen. Eine deutliche dunkle Mittellinie zieht sich fast bis zu dem mittleren Augen- hügel. Von den auf diesem befindlichen vier Mittelaugen sind die vorderen etwas kleiner als die hinteren, aber etwas weiter als diese von einander entfernt. Die hinteren Augen stehen um ihren halben Durchmesser von einander ab, von den vorderen um ihren ganzen Durchmesser. Die Seitenaugen stehen dicht neben einander auf einem kleinen Hügel und um fast doppelte Augenbreite von den Mittelaugen entfernt. Die Vorderaugen sind bedeutend grösser als die Hinter- augen. Die Mandibeln sind stark und dick und an der Innenseite etwas behaart. Das Sternum ist oval, nach hinten ein wenig stumpf spitzig, in der Mitte heller gefärbt. Füsse rothbraun, behaart, die beiden ersten Paare fast einfarbig, bei dem dritten ist das Ende der einzelnen Glieder etwas dunkler, das Ende der Tarsen schwarz. Am vierten Fusspaar tritt die dunkle Färbung der Enden der einzelneu Glieder noch weit mehr hervor als am dritten. Der Hinterleib ist eiförmig, wenig länger als breit, an den Schul- tern am breitesten , der Vorderrand etwas weniger gebogen. Farbe bräunlich gelb, ganz mit langem, aber nicht sehr dicht stehendem, gelblichem Wollhaar, das dunklen Wärzchen entspringt, bedeckt. Der vordere abschüssige Theil des Abdomens ist mit fünf bis sieben dicht zusammenstehenden parallelen, querlaufenden, in der Mitte gebrochenen schwarzen Linien gezeichnet. Auf der Oberseite befinden sich drei Paar schwarze Punkte. Das mittlere Paar ist das grösste, die beiden andern Paare sind kleiner, aber unter sich gleich; das vordere Paar 390 H. LENZ, ist weiter von dem mittleren entfernt als das hintere. Ueber den Hinterleib ziehen sich fünf schmale, helle Querlinien, von welchen die drei vorderen durch jene Punkte gehen. Die Bauchseite zeigt in der Mitte rechts und links zwei schwarze längliche Flecken oder breite Streifen, welche bis zu den Spinnwarzen verlaufen, im letzten Drittel aber durch zwei deutliche gelbe Flecke unterbrochen werden. Epigyne stumpf, vorragend, hell. Diese Art ist vielleicht identisch mit Vinsons Ep. isahella (1. c. p. 157, pl. IV, Fig. 2) jedenfalls derselben sehr nahe verwandt. Auch Kochs Ep. hicolor (die Arachniden Vol. V, p. 57, Fig. 374) aus Bra- silien dürfte dieser Art nahestehen. Leider habe ich das Exemplar zur Zeit nicht mehr in Händen, um obige, bereits vor Jahresfrist abgefasste Beschreibung nochmals vergleichen zu können. Gesammtlänge 12 mm ; Abdomen 8 mm , Abdomenbreite an den Schultern 7.5 mm. Ein weibliches Exemplar in M. S. JEpeira cinerea n. sp. Taf. X, Fig. 13. Diese niedliche Art hat Aehnlichkeit mit unserer Ep. angulata. Das Kopfbruststück länglich, hinten noch einmal so breit wie vorne, behaart. Das Kopfstück an den hinteren Rändern mit langem, weissem Haar, etwas dunkler als der übrige Theil. Die Mittelaugen stehen auf einem niedrigen Vorsprung, die hin- teren sind etwas grösser, stehen mehr zusammen als die vorderen und sind um die Entfernung dieser von einander von den Vorder- augen entfernt. Die Seitenaugen sind kleiner, die vorderen, etwas grösser als die hinteren, stehen so weit von einander wie die halbe Entfernung der vorderen Stirnaugen von einander. Die vier Seiten- augen bilden unter sich ein Trapez, dessen Vorderseite zwischen den Mittelaugen, unmittelbar vor dem Rande der hinteren hindurchgeht. Die Mandibeln stark, mit kräftigen Haken, Maxillen länglich, ge- rundet, nach innen behaart, Lippe abgerundet, dreieckig. Siernum eiförmig, gleichmässig behaart, Taster stark behaart, am stärksten nach der Spitze ; Kralle schlank mit acht allmählich kleiner werdenden Zähnen. Füsse stark behaart. Abdomen im allgemeinen Umriss eiförmig mit spitzen, kräftig hervortretenden Schulterhöckei n, welche durch eine gerade Kante mit einander verbunden sind. Der Vordertheil schräg abfallend, fast eben, nur in der Mitte eine geringe Längserhebung; der hintere Theil Beiträge zur Eenntniss der Spinnenfauua Madagascars. 391 schwach gewölbt, oberhalb der Spinnwarzen ijlötzlich abfallend. Das ganze Abdomen mit zerstreut stehenden, aus schwarzen Grübchen- punkteu entspringenden kurzen Borstenhaaren bekleidet. Der vordere Theil des Abdomens in der Mitte mit einem hellen nach vorne verjüngt zulaufenden Streifen , von dunkleren Eckenaus- fülluugen beiderseits begrenzt. Der hintere Theil mit dunkler, drei- eckiger Mittelpartie, welche seitlich je zwei stärkere und eine letzte schwächere Seitenausbiegung zeigt. In der Mitte dieses Blattes ein dunkler, verschwommen viereckiger Fleck, der übrige Theil mit zer- streuten unregelmässigen Punkten. Von den drei Bogen des Rücken- schildes nach auswärts und hinten schräg verlaufend dunklere Quer- streifeu. Unterseite gleichmässig hellgrau, nur mit den zwei Wappen- flecken versehen. Spinnwarze weit vorragend. Ein jungfräuliches Weibchen im M. L. Mpeira undulata Vins. 1863. ViNSON 1. c. p. 207, pl. V, Fig. 3. Der ausführlichen Beschreibung Vinsons, welche vollkommen auf das mir vorliegende Exemplar passt, habe ich nur wenig hinzuzu- fügen. Die vorderen Mittelaugen stehen ein wenig dichter zusammen als die hinteren und sind von diesen etwas weiter entfernt als die Ent- fernung der hinteren Mittelaugen untereinander. Die Seitenaugen stehen unmittelbar hinter einander und sind um das Einundeinhalbfache der Entfernung der hinteren Mittelaugen von diesen entfernt, d. h. etwas weiter als die vorderen Mittelaugen von den hinteren. Die hinteren Mittelaugen übertreffen die übrigen etwas an Grösse. Die Mandibeln sind verhältnissmässig sehr stark, oben bedeutend dicker als unten, mit schwarzen Spitzen. Die Maxillen braun, gerundet, noch einmal so lang wie breit. Die Lippe klein, halbrund. Das Sternum herzförmig, ein wenig länger als breit. Die Taster mit schlanker, dünner Endkralle, welche in der Mitte sehr klein gezähnt ist. Von den Silberstreifen des Abdomens ist der mittlere an jeder Seite nicht unterbrochen und erstreckt sich von den schwarzen Schul- terflecken bis zum Hinterleibsanhang. Der innere Streif ist in der Mitte zweimal schräg unterbrochen, der Seitenstreif endlich erstreckt sich etwa bis zum Beginn des letzten Drittels des Abdomens. Der Endanhang ist stumpf, behaart und quergerunzelt. 392 H. LENZ, Die Spinnwarzen treten weit vor. Länge des ganzen Tliieres 10 mm, des Abdomens 7 mm. Ein Weibchen im M. L. Upeira (Cyrtophora) opuntiae Dufour. 1820. Dufour in: Annal. g6n. Sc. Phys. T. IV, p. 359, tab. 69, fig. 3. 1863. Epeira opuntiae, flava et purpurea Vins. 1. c. p. 212 — 226 pl. 8, Fig. 3, 4; pl. 9, Fig. 1. Zahlreiche Exemplare der verschiedenen Variationen. Argyope coquereli (Vins.). 1863. Epeira coquerelii Vins. 1. c. p. 201, pl. 8, Fig. 1. 1873. Argyope suavissima Gerst. in: v. d. Deckens Reisen in Ost- afrika, Bd. III, 2, p. 495, Taf. XVIII, Fig. 10. 1878. Argyope coquerelii (Wi^^.)^ Karsch. in: Berl. Monatsber. p. 321. Zahlreiche weibliche Exemplare im M. S. u. M. L. Diese Art lebt im Freien. Nephila madagascariefisis (Vins.) 1863. Epeira madagascariensis Vins. 1. c. p. 191, pl. VII $. 1879. Nephila madagascariensis Karsch. in : Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Bd. 52, p. 838—841, Taf. XI, Fig. 7—9 $. 1875. Nephila madagascariensis Thorell in: P. Z. S. p, 134. Zahlreiche weibliche Exemplare im M. S. und M. L. Diese Art ist sehr häufig ; sie lebt im Innern der Wohnungen und spinnt ein grosses Netz in den Ecken der^ Lagerräume , hinter den Gitterwänden der Veranden und an ähnlichen Orten. Herr Reuter erinnerte sich nicht, diese Spinnen im Freien gesehen zu haben. Nephila inaurata (Walck). 1837. Epeira inaurata Walckenaer, Ilist. des Insectes Apteres, T. II, p. 94. 1863. Epeira inaurata Vins. 1. c. p. 183, pl. V, Fig. 1 und 2. 1876. Nephila inaurata Blackwall in: Proc. of the Roy. Irish Acad. (Ser. II) Vol. III, p. 19. Zahlreiche Weibchen im M. S. und M. L. ; ein Männchen im M. S. Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. 393 Nephileifigys borbonica (Vins.). 1863. Epeira borbonica Vins. 1. c. p. 170, pl. IV, Fig. 1. „ „ livida „ „ p. 175, pl. XIV, Fig. 1. 1873. Nephilengys genualis Geest. 1. c. p. 502. 1878. „ borbonica Karscii. in: Berl. Monatsber. p. 318 (var.). 1881. „ diadela (Walck.) Karsch, in: Abhandig. d. Na- turw. Ver. in Bremen Bd. VII, p. 191. Mehrere weibliche Exemplare im M. L., welche der Form livida Vins. entsprechen. Diese Spinne pflegt mit Vorliebe für ihr Netz den Platz unter den weit überragenden Dächern der menschlichen Wohnungen zu wählen. Arachnura scorpionoides Vins. 1863. Ärachnoura scorpionides Vins. 1. c. p. 291, pl. XIII, Fig. 1, 1*. „ Hapalochrota caudata Keyserl. Beschr. neuer u. wenig bek. Orbitelae in: Sitzungsber. d. Isis. Dresden p. 82, Taf. III, Fig. 6-11. 1875. Arachnura scorpionoides Thorell in: P. Z. S. p. 137. Den von Keyserling und Thorell 1. c. gegebenen Beschreibungen kann ich folgendes an dem mir vorliegenden Exemplar Beobachtete hinzufügen : Die vorderen Mittelaugen sind die grössten, dann folgen die vor- deren Seitenaugen und endlich die vier übrigen Augen, welche unter sich von gleicher Grösse sind. Die Entfernung der einzelnen Augen von einander stimmt mit den von Keyserling 1. c. p. 83 gemachten Angaben. Das Sternum finde ich etwas länger als breit. Die Schulterspitzen sind ziemlich lang, der Ausschnitt am Vorderrande des Abdomens endigt hinten spitz. Die Farbe des ganzen Thieres fahl graugelb, der Schwanzanhang etwas dunkler; auf der Mitte des Rückens drei Paar hintereinander- stehende dunkle Punkte. Die Beine sind bräunlich. Länge des ganzen Thieres 12 mm. Länge des Cephalothorax 3.5 mm. Breite 2 mm. Länge des Abdomens 9 mm. Breite 3.6 mm. Das Vorkommen dieses merkwürdigen Thieres wäre hiermit auch für Madagascar nachgewiesen. 394 H. LENZ, TTlohorus borbonicus Vins. 1863. 1. c. p. 258, pl. I, Fig. 3 und 3\ Zu der von Vinson 1. c. p. 258 gegebenen Beschreibung bemerke, dass nach dem mir vorliegenden Spiritusexemplar (und um solche wird es sich in unsern europäischen Sammlungen fast immer handeln) der Abdominalhöcker allerdings dunkler als der übrige Theil des Abdomens, aber nur einfach braun und nicht schwarz ist. Das Abdomen ist hell bräunlich-grau, auf dem Rücken einfarbig, an den Seiten mit regel- mässigen helleren Schrägstreifen und dunkleren Flecken. Die von Vinson erwähnten „4 ou 6 points blancs, comme perles", sind nur undeutlich oder gar nicht mehr sichtbar. Die Färbung der Unterseite und des Kopfbruststückes scheint mit Vinsons Beschreibung überein- zustimmen. Der von ihm erwähnte weisse, halbkreisförmige Endfleck in der Mittellinie ist bei manchen Exemplaren kaum oder gar nicht zu bemerken, bei anderen ganz deutlich. Der helle Seitenrand ist stets deutlich. Zahlreiche Weibchen im M. S. und M. L. Ein einziges junges Männchen im M, L. Das ganze Thierchen ist von fahler grau-gelblicher Farbe, Cephalo- thorax braun, ohne merkliche Grube in der Mitte mit hellen Seiten- streifen und hellem Hinterfelde ; der vordere, die Augen tragende Theil ebenfalls etwas heller. Die Abdomiualschultern sind ein wenig ge- schwollen; der Höcker von massiger Höhe, nach vorne schräg ab- fallend, nach hinten allmählich in die übrige Rückenfläche übergehend; die Spinnwarzen basalwärts, dicht zusammenstehend, lang vortretend. Die Bauchseite ebenfalls einfarbig, mit zwei deutlichen eingedrückten Längslinien; unmittelbar vor den Spinnwarzen ein heller Querstreif. Sternum länglich eiförmig, Maudibeln nach der Spitze stark verjüngt zulaufend, nur wenig dunkler als die allgemeine P'arbe des Thieres; Maxillen vorne gerade abgeschnitten, Lippe dreieckig. Die einzelnen Glieder der Beine in der unteren Hälfte scharf abgegrenzt dunkel gefärbt. Die Tasterkolben stark geschwollen, aber noch nicht ihrer letzten Hülle entkleidet. Theridium quadrilineatutn nov. sp. Diese Art ist vielleicht identisch mit Vinsons Th. borbonicum. Der Cephalothorax ist breit oval mit stark vorspringemieni Kopftheil. Dieser ist etwa ein Drittel so breit und vom Bruststück durch tiefe Seitenfurchen getrennt, an welche sich nach hinten die flache, dunkle Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. 395 Mittelfurche anschliesst. Farbe gleichmässig röthlichbraun ; in der Nähe der Augen einzelnstehende lange Borsten. Die hinteren Mittel- augen stehen um ihren Durchmesser von einander, von den Seiten- augen um etwas weniger entfernt; die vorderen Seitenaugen stehen unmittelbar vor den hinteren. Die vorderen Mittelaugen stehen auf einer hellen, stark vorspringenden Erhöhung und sind von einander ebenso weit wie die hinteren, von diesen aber um das Eineinhalbfache entfernt. Ihrer Grösse nach folgen die Augen so aufeinander: Vordere Mittelaugen, hintere Mittelaugen, hintere Seitenaugen, vordere Seiten- augen. Das Abdomen ist kugelig, mit vortretenden Spinnwarzen versehen und ganz mit kurzem braunem Haar bekleidet; P'arbe dunkelgrau, lieber die Mitte des Rückens zieht sich ein heller Streif, welcher auf der Höhe fast ganz verschwindet und nach hinten sich in zwei scharf markirte helle Flecke auflöst. An beiden Seiten je zwei schräg nach hinten verlaufende helle Linien, welche nach der Bauchseite zu in grösseren Flecken endigen; diese sind auf der Bauchseite durch eine schmälere Brücke verbunden; vor derselben rechts und links ein grosser heller Fleck; zwischen diesen die Epigyne. Der Vorsprung ist dunkelbraun, einfach gerundet und zeigt einen stark verdickten Rand. Sternum dreieckig herzförmig, fast um die Hälfte länger als breit. Die Mandibeln schlank, Maxillen sehr lang, vorne abgerundet, behaart. Lippe sehr klein. Beine schwach, röthlichbraun, stark behaart. Länge des ganzen Thieres 7.5 mm , des Cephalothorax 2.5 mm, des Abdomens 5 mm. Zwei ausgebildete Weibchen im M. L. Latrodectus menavodi Vins. 1863. 1. c. p. 122, pl. VIII, Fig. 5. Ein Weibchen im M. L. welches, ganz der VmsoN'schen Beschrei- bung entspricht. JPliolcus borbonicus Vins. 1863. 1. c. p. 132, pl. III, Fig. 4, 4=» ? Zahlreiche weibliche und einige männliche Exemplare im M. S. und M. L. JPfiolcus elongcitMS Vins. 1863. 1. c. p. 135, pl. III, Fig. 5, b\ Ein weibliches Exemplar im M. S. 396 H. LENZ, Brachythele capensis Auss. Ein Männchen im M. L., das ich nach den AussER'schen Bei- trägen zur Kenntniss der Territelarien I, p. 175 für diese Art halte. Die dort gegebene Beschreibung passt in Betreff Cephalothorax, Rüclien- grube, Augen, Länge der Füsse, Abdomen, Spinnwarzen auf das mir vorliegende Exemplar. Nur in der Bestachelung der Beine zähle ich hier und da anders. Tibia I unten 2. 2. 1. Metatarsus I unten 2. 2. 1. Tibia III unten 1. 1. 2., vorne 1. 1., oben 1. 1. Metatarsus III unten 2. 2. 2., vorne 1. 1. 1., Tibia IV unten 2. 2. 3. Metatarsus IV unten 2. 2. 3., oben 1. 1. 1., vorne 1. 1. 1., hinten 1. 1. 1., Patella III hinten 1., Patella IV vorne 1, 1., hinten 1. Die Taster so lang wie Cephalothorax + Mandibeln ; bis auf das letzte Glied stark behaart und bestachelt gleich den Beinen. Das letzte Glied nur behaart, am Ende mit starkem Haarbüschel; Bulbus birnenförmig mit langer dünner Spitze, kürzer als das vorletzte, aber länger als das letzte Glied. Länge des ganzen Thieres incl. Mandibeln und Spinnwarzen 12.5 mm; Cephalothorax ohne Mandibeln 5 mm, Breite im hintern Drittel 4 mm ; Abdomen ohne Spinnwarzen 4.7 mm ; Spinuwarzen 2 mm. Sapalothele nov. gen. Die vorliegende Spinne ist in keiner der bestehenden Gattungen recht unterzubringen. Mit Brachyihele hat sie die kurzen Spinn warzen und die Augenverhältnisse gemein, unterscheidet sich jedoch durch den Mangel jeder Scopula und die einreihigen Zähne an den Tarsal- klauen. Für die Gattung Ischnothele stimmen Augenstellung und Grösse, die Kürze der Lippe und der Mangel einer Scopula, dagegen stimmen nicht die Länge (?) der Spinnwarzen, die Form des Sternums und die doppelte Bezahnung des Falzrandes. Ebenso stimmen die Merkmale der neuen von Bertkau in seinem Verz. der Brasilianischen Arachuiden 1880 p. 123 aufgestellten Gattung Thalerothele nicht. Unsere Spinne hat mit dieser Gattung gemein: Form des Cephalo- thorax , Grösse und Stellung der Augen , einreihige Bezahnung der Mandibeln, Längenverhältnisse der Beine, Mangel der Scopula, unter- scheidet sich jedoch von ihr durch die kurzen Spinn warzen, welche nicht die halbe Abdominallänge erreichen, und die einfache Zahnreihe der Tarsalklauen. Ich schlage deshalb für diese Spinne eine neue Gattung vor: \ Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. 397 Maindotiiele, Cephalothorax länglich, vorne stumpf abgeschnitten, Kopf durch eine tiefe Furche vom Thorax getrennt, Rückengrube quer, so breit wie die vordere Augenreihe, diese wenig gebogen, mehr als doppelt so lang wie breit. Mittelaugen von einander ein wenig mehr, von den Seitenaugen um etwas weniger als ihren Radius entfernt. Man- dibeln am oberen Rande mit starken Borstenhaaren [nicht mit Stacheln] besetzt , nur der innere Falzrand mit Zähnen besetzt; Verhältniss der Beinlängen 4. 1. 2. 3., keine Scopula, einreihig bezahnte Tarsalkrallen und eine kleine unbezahnte Afterkralle ; obere Spinnwarzen kürzer als das halbe Abdomen. Hapalothele reuteri nov. sp. Cephalothorax oval , Verhältniss der Länge zur Breite wie 4:3; vorne gerade abgestutzt; Rückengrube hinter der Mitte, scharf einge- drückt; der Kopf durch tiefe Seitenfurchen abgetrennt, aber nur massig gewölbt, die übrigen Seitenfurchen kaum angedeutet. Augenhügel massig erhoben, etwas gebogen, mehr als doppelt so lang wie breit, vom Stirnrande um den Durchmesser der Mittelaugen entfernt. Vor- dere Mittelaugen grösser als alle übrigen, rund, schwarz, um etwas mehr als ihren Radius von einander entfernt, den Seitenaugen etwas mehr genähert, diese, wie die Augen der hinteren Reihe oval, gelb. Die hinteren Mittel- und Seitenaugen sind einander sehr genähert und stehen paarweise hinter den vorderen Seitenaugen, von denen sie eben- falls nur sehr wenig mehr entfernt sind. Die Entfernung zwischen den hinteren Mittelaugen ist fast so gross wie die Entfernung der Aussenränder der vorderen Mittelaugen von einander. Mandibeln massig lang, innerer Falzrand mit etwa neun Zähnchen, äusserer mit langen Borsten besetzt, aber ohne Zähnchen. Maxillen doppelt so lang wie breit, an der Basis schräg, vorne gerade abge- schnitten, ohne Zähnchen zwischen den Haaren des Innenrandes, aber an der hinteren Innenkante mit einer Doppelreihe kleiner Wärzchen. Lippe rechteckig, halb so lang wie breit, mit sehr kurzen Borsten besetzt. Sternum etwas länger als breit, eiförmig, hinten etwas aus- gezogen, vorne gerade abgeschnitten, kurz behaart. Beine 4. 1. 2. 3., dicht behaart, Tibien und Metatarsen bestachelt ; die beiden Hauptkrallen schlank, mit einer gebogenen Reihe von Zähnen [die beiden letzten Zähne sind fast auf die andere Seite der Krallen gerückt]; die Nebenkralle klein, stark gebogen, ohne Zähne. 398 H. LENZ, Abdomen länglich, oval ; obere Spinnwarzen kürzer als das halbe Abdomen, dreigliedrig; das 2. und 3, Glied von gleicher Länge, das 1. ein wenig kürzer; untere Spinnwarzen sehr kurz, halb so dick wie die oberen.; Farbe: Cephalothorax einfarbig dunkelbraun, dicht behaart; Ab- domen weniger behaart, graubraun, auf dem Rücken mit einer Doppel- reihe von fünf hinter einander stehenden hellen Fleckenpaaren. Von jedem Paar seitwärts eine etwas nach hinten gekrümmte Querreihe einzelner kleinerer Flecke; unmittelbar vor den Spinnwarzen noch ein einzelnstehender grösserer heller Fleck; Seiten und Unterseite unregel- mässig heller und dunkler gesprenkelt. Beine hellbraun, die Enden der einzelnen Glieder dunkel, an den Patellen nur die Seiten an den Enden dunkel, oben läuft die hellbraune Färbung bis zu Ende aus. Spinnwarzen von der Farbe des Abdomens. Gesammtlänge incl. Mandibeln und Spinnwarzen 13 mm. Länge des Cephalothorax 4 mm , Breite 3 mm ; Länge des Abdomens 6 mm, Breite 4 mm. Ein Weibchen im M. L. Telechoris rutenhergi Karsch. 1881. Abh. d. Naturw. Vereins in Bremen, Bd. VII, pag. 196, Taf. XII, Fig. C. Zahlreiche Exemplare dieser von Kaesch ausführlich beschriebenen Art. Die Zeichnung der einzelnen Exemplare weicht etwas von ein- ander ab. Bei einigen zeigt die Rückseite des Abdomens die von Kaesch in seiner Zeichnung deutlich wiedergegebenen bogenförmig nach hinten gekrümmten Punktreihen. Bei andern ist die Zeichnung undeutlich und selbst gar nicht vorhanden, höchstens lassen sich noch hier und da einzelne Punkte mit der Lupe erkennen. Die Füsse er- scheinen zuweilen durch die starke Borstenbehaarung wie längsge- streift. Die Thiere sitzen nach Mittheilung des Herrn Reutee sehr häufig an den Baumstämmen fest angedrückt ; springen fort, wobei sie die langen Spinndrüsen zu Hülfe nehmen. Zahlreiche Exemplare im M. S und M. L. Alles Weibchen. Sarotes venatorius (L.) 1758. Äranea venatoria L. Syst. nat. Bd. X, I, II, p. 1035. 1793. „ re(jia Fbr. Ent. Syst. II, p. 408, Nr. 4. Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. 399 1837. Olios leucosius Walck. Apteres I, p. 566. 1863. „ „ ViNS. 1. c. p. 98, pl. II, Fig. 3. 1873. „ regius Gerst. v. d. Decken III, 2 p. 482. Zahlreiche weibliche und auch einige männliche Exemplare im M. S. und M. L. Holconia malagasa Karsch. 1881. Karsch in: Abhd. d. Naturw. Vereins in Bremen, Bd. VII, p. 192—193, Taf. XII, Fig. B, ? Die vorliegenden Exemplare stimmen vollkommen mit der von Karsch 1. c. gegebenen Beschreibung. Die Färbung des Abdominalrückens ist variabel ; selten treten an unsern Exemplaren die Flecke so deutlich hervor, wie sie Karsch ab- bildet und beschreibt, und zuweilen ist der Rücken ganz einfarbig gelblichbraun. — Das grösste $ misst mit Einschluss der Mandibeln 38 mm; Länge des Vorderleibes 17 mm, Breite 19.5 mm. Erstes Bein 42 mm, zweites 50 mm, drittes 36 mm, viertes 32 mm, ohne Hüften und Schenkelring. Herr Reuter hat diese Spinne am häufigsten im Lagerraum der Factorei zwischen den Blöcken von Ebenholz gefunden und in einem ausgemauerten, mit Kraut überwachsenen Graben hinter dem Hause; vereinzelt auch platt gegen die Wände gedrückt, sitzend. Die Thiere schleppen ihre sehr grossen 2 — 3 cm langen, weissen, eiförmigen Cocons mit sich herum, lassen dieselben jedoch, sobald sie angegriffen werden, fallen; auch finden sich die Cocons nicht selten an den genannten Aufenthaltsorten der Spinne. Zahlreiche Exemplare, aber leider nur Weibchen, im M. S. und M. L. Selenops Tnodestus n. sp, Taf. X, Fig. 6 u. 6\ Der S. sansibaricus Gerst. (v. d. Decken III, 2, p. 479) in Zeich- nung und Färbung ähnlich, jedoch durch die ungleichen Längenver- hältnisse der Beine und die Grössendifierenzen der Augen abweichend. Von S. madagascariensis, Vms. 1. c. p. 83, durch den Mangel jeder deutlichen Zeichnung des Abdomens verschieden. Mit Sicherheit ist hier die Entscheidung schwer zu trefien, da Vinsons Beschreibung sehr allgemein gehalten und sich überdies auf das Weibchen bezieht, während hier zwei Männchen vorliegen. 400 H. LENZ, Der Cephalothorax flach, breit gerundet mit vortretendem Kopf- abschnitt, welcher durch die V-Furche deutlich vom Thoraxtheil ab- getrennt ist; gegen die Augen hin ein wenig ansteigend, Stirn senk- recht abfallend; von der Mittelgrube gehen nach den Seiten hin zwei weitere divergirende Furchen ; dunkelbraun , fast kahl , nur mit sehr spärlichem gleichfarbenem Filze und einzelnen sehr kurzen schwarzen Borsten besetzt; die Randpartie mit reichlicherem, hellem Filz; ganz am Rande eine sehr schmale, helle Filzlinie. Von den vier, die Mittelgruppe bildenden Augen sind die äusseren etwas kleiner als die inneren und stehen ein wenig zurück. Eine Linie von den inneren durch die äusseren Mittelaugen trifft die äusseren Seitenaugen, welche den inneren Mittelaugen an Grösse gleich sind. Die jetzt noch fehlen- den beiden Augen sind die kleinsten von allen, gleichweit von den äusseren Seitenaugen und den äusseren Mittelaugen entfernt, mit den- selben einen stumpfen Winkel bildend, und ein wenig weiter nach unten gerückt als die inneren Mittelaugen; eine Verbindungslinie derselben würde den Vorderrand dieser letzteren berühren. Man- dibeln gekrümmt, dick, stark behaart, rothbraun mit schlanker, nicht sehr starker dunkelbrauner Kralle; Maxillen nach vorne ein wenig verbreitert, schräg abgeschnitten; Lippe abgestutzt. Sternum oval mit hellbraunem Filz und vereinzelt stehenden schwarzen Borsten. Abdomen vorne gerade, Seiten wenig gebogen, nach hinten etwas schmäler werdend und abgerundet. Der mittlere Theil kurz filzig, die Randpartie hell, kahl, sonst ohne besondere Zeichnung. Unter- seite hell, wie das Sternum, die Hüften, die Beine und wie diese mit kurzem, hellbraunem Filz und einzelstehenden Borsten bekleidet. Die Oberseite aller sechs Oberschenkel mit je drei runden, hellen Filzflecken versehen, Patella einfarbig, am oberen Ende der Tibia je ein heller Filzfleck. Tibien und Metatarsen an der inneren Seite mit 6—8 starken Stacheln bewehrt. Länge der Beine 2. 4. 3. 1. (20, 19 18, 17 mm). Taster mit kugeligem Endgliede aussen stark behaart, zwischen den Haaren einzelne lange, schwarze Borsten. Solche Borsten finden sich auch auf den Tasterstielen, auf der Oberseite der vortre- tenden Theile der Hüften und dichter stehend auf den Schenkelringen und den Seitenrändern des Cephalothorax. Länge des ganzen Thieres 10 mm; Länge des Cephalothorax ohne die Mandibeln 5 mm ; Breite 5 mm ; Länge des Abdomens 5 mm ; Breite 4 mm. Zwei erwachsene Männchen im M. L. Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. 401 Ptirynarachne foka (Vins). 1863. Thomisus foka Vins. I. c. p. 69, pl. XIV, Fig, 4. 1875. Phrynarachne foka Thorell in: P. Z. S. p. 144. Ein entwickeltes Weibchen im M. L., das in allen Einzelheiten, auch in der Grösse, mit der ausführlichen Beschreibung Thorell's 1. c. übereinstimmt. Von einer eventuellen Giftigkeit dieses Thieres hat Herr Reuter nie gehört. Vergleiche das von Vinson und Thorell 1. c. Gesagte. Lycosa melanogastra nov. spec. Taf. X, Fig. 11. Cephalothorax hoch gewölbt, doppelt so lang wie breit, im hinteren Drittel am breitesten, vorne plötzlich abgestumpft. Der dunkle Längs- streif nur ganz kurz , die Strahlenlinien kaum augedeutet ; Farbe fast ganz einfarbig dunkel rothbraun, auf der Höhe des Rückens und an den Seitenrändern unmerklich heller. Die vordere Augenreihe ein wenig länger als die Entfernung der Aussenränder der vorderen Scheitelaugen , aber kürzer als die der hinteren. Die vorderen Scheitelaugen sind die grössten, dann folgen die hinteren, dann die mittleren Stirnaugen und endlich die seitlichen Stirnaugen. Die Entfernung der vorderen Scheitelaugen von den hinteren ist etwas grösser als die Entfernung der vorderen Stirnaugen und et- was geringer als die Entfernung der hinteren Stirnaugen von einander. Die vorderen Stirnaugen liegen vom Gesichtsrande so weit entfernt, wie ihr eigener Abstand beträgt. Mandibeln sehr kräftig, stark behaart, schwarzbraun, Maxillen länglich abgerundet, heller, nur in der Mitte schwarzbraun, am Rande stark hellbraun, behaart; Lippe abgerundet; Sternum oval, schwarz; Hüften dunkelbraun; Unterseite des Abdomens schwarz. Epigyne mittelbraun, nur wenig vortretend. Spinnwarzen mit hellen Haaren bekleidet, wie die scharf abgetrennten Seiten des Abdomens. Die obere Seite des Abdomens überall kurz braungrau behaart, mit zwei hellen Linien, welche etwas divergirend vom Vorderrande bis zur Mitte verlaufen und einen dunkleren Raum einschliessen. An der Innenseite der hellen Linien undeutliche schwarze Längsstrichpunkte, an der Aussen- seite je ein breiterer, dunkler Längsstreif. Die hintere Hälfte gleich- massig braungrau, ohne besondere Zeichnung. Beine hellbraun, stark mit Haaren und Stacheln besetzt. Zoolog. Jahrb. I. oft 402 H. LENZ, Länge des Cephalothorax 6.5mm Länge, des Abdomens 6.5mm. Mehrere Weibchen im M. S. und M. L. Lycosa signata n. sp. Taf. X, Fig. 10. Diese Art ist kleiner als die vorige. Form und Farbe des Cephalo- thorax wie oben, nur sind die Seitenränder nochmals schmal schwarz eingefasst. Die Augenpartie ist dadurch ausgezeichnet, dass die Scheitelaugen breit schwarz gesäumt sind, diese Säume fliessen zwischen den Seitenaugen und vorderen Scheitelaugen in einander, zwischen den hinteren Scheitelaugen bleibt ein brauner Raum frei. Die vordere Augenreihe ist etwas länger als die Entfernung der äusseren Ränder der anderen Stirnaugen und etwa gleich der Entfernung der inneren Ränder der hinteren Stirnaugen. Die Grösse der Augen, wie bei der vorigen Art. Der Zwischenraum zwischen den vorderen Stirnaugen ist mit einem Büschel langer schwarzer Haare besetzt, desgleichen stehen einzelne solcher Haare auf dem schwarzen Theile zwischen den vorderen und hinteren Stirnaugen. Das Abdomen ist behaart, zeigt auf dem Rücken zwei schmale parallele dunkle Linien, welche vom Vorderrande zur Mitte laufen, sich hier gegeneinander wenden und in einen dunklen Fleck zusammen- fliessen. Der Zwischenraum zwischen diesen Linien ist hell gelblich- braun ; nach aussen zu beiden Seiten ein heller etwas breiterer Streifen und zu beiden Seiten hiervon wieder je ein dunkler Streif von der nämlichen Breite; der Rest ist hell. Die hintere Hälfte des Abdomens ist dunkel melirt. Die ganze Unterseite des Thieres ist gleichmässig gelbbraun, ohne jede Zeichnung. Sternum breit-herzförmig. Mandibeln etwas dunkler als die allgemeine Färbung, kräftig; oberer Falzrand nur am Ende mit zwei kleinen, nahe zusammenstehenden Zähnen, unterer Rand im mittleren Theil mit drei etwas grösseren Zähnen. Beine gelbbraun, stark behaart und bedornt, nur die Krallen schwarz. Länge des ganzen Thieres 7.5 mm, des Cephalothorax 3.5 mm, des Abdomens 4 mm. Mehrere junge und ausgebildete Weibchen im M. L. Ocyale niadagaseariensis nov. sp. Taf. X, Fig. 8 $, Fig. 14 S Diese Art unterscheidet sich von der von Vinson beschriebenen Dolomedes borbonica durch den längeren Hinterleib und die spärlichere Behaarung desselben. Cephalothorax eiförmig, der Kopftheil nur schwach abgetrennt, in der Mitte ein breiter dunkelbrauner Längs- streif. In der Verlängerung der Mittellinie zwischen den Augen hin- Beiträge zur Kenntniss der Spinnen fauna Madagascars. 403 durch eine von hellen Härchen gebildete Linie, zwei ähnliche helle Linien entspringen vom Innenrande der hinteren Seitenaugen und er- strecken sich rückwärts fast bis zum Rande des Kopftheils. Zu beiden Seiten des breiten Mittelstreifens ein etwa halb so breiter, von weissen Haaren gebildeter Streifen, der von dunkelbraunen Aussenrändern ein- gefasst wird. Abdomen schlank, vorne senkrecht abfallend, braun, auf dem Vorderrande mit zwei kurzen dunklen Längsstreifen, welche wiederum einen kleinen weissen Haarfleck zeigen; daneben nach aussen zwei dunkle Punkte; auf dem mittleren Theile des Abdomens vier im Trapez stehende runde dunkle Punkte. Der hintere Theil zeigt zwei unregelmässige dunkle Längsstreifen, welche, nach hinten zusammen- laufen und an den Innenseiten vier allmählich kleiner werdende Aus- kerbungen zeigen. Alle hellen Stellen des Abdomens kurz behaart; Unterseite mit zwei feinen , hellen Längsstreifen. Sternum fast kreis- rund, kurz behaart, einfarbig braun. Mandibeln kräftig, behaart. Unterer Falzrand mit drei gleich grossen starken Zähnen , oberer mit drei ungleichen Zähnen, der mittlere ist stärker und grösser. Maxillen länglich, vorne erweitert, abgerundet; Lippe viereckig. Alle Theile stark behaart. Taster lang, nach den Enden zu stark behaart, da- zwischen zerstreute lange Borstenhaare. Vordere Augenreihe schwach gebogen , die mittleren ein wenig kleiner als die Seitenaugen , welche etwas tiefer stehen. Die mittleren Augen stehen um etwas weniger als ihren eigenen Durchmesser von einander, von den Seitenaugen nur um ihren Radius, von den mittleren Scheitelaugen um etwas weniger als das Doppelte ihres Durchmessers entfernt. Die Entfernung der vier Scheitelaugen unter einander ist gleich, ebenso ihre Grösse. Die Seitenaugen stehen weiter zurück. Verbindet man die Vorderränder derselben durch eine gerade Linie, so bleibt dieselbe um den Radius von den Hinterrändern der mittleren Scheitelaugen entfernt. Die Seitenaugen werden an ihren Innenrändern etwas von Härchen ver- deckt. Die Beine sind schlank, in den oberen Theilen spärhch, nach den Enden stärker behaart mit einzelnen Borsten. Länge des Cephalothorax 7 mm, Breite 5 mm, Länge des Abdomens U.5 mm, Breite 5 mm. Beine 2, 4, 3, 1 (41, 38, 30, 29 mm). Das Männchen ist dem Weibchen durchaus ähnlich in Färbung und Behaarung, nur etwas kleiner. Gesammtlänge 11 mm (Cephalothorax 4.5 mm, Abdomen 6.5 mm). Die Taster (Fig. 14) behaart, Hülle mit pinselförmigem Zipfel. Die Behaarung des Cephalothorax und Abdomens ist bei dem einzigen mir vorliegenden Exemplar etwas weniger stark als bei dem Weibchen. 26* 404 H. LENZ, Das Abdomen zeigt vier in gleichen Abständen stehende Querreihen aus je vier kleinen schwarzen Punkten gebildet. Die beiden vorderen sind nach vorne, die beiden hinteren nach hinten gebogen. Im Uebrigen stimmt die Zeichnung genau mit der des Weibchens überein. Mehrere Weibchen im M. S. und M. L. ; ein Männchen im M. L. Flioneutria fasciata n. sp. Tai X, Fig. 7 S- Von dieser Species liegen mir ein trocknes, ausgewachsenes Männ- chen und zwei Weibchen vor. Das ganze Aussehen erinnert an Tri- claria longitarsis Koch Arachn. XV, tab. 72, Fig. 1462. Der Cephalothorax ist gerundet, mit vortretendem Kopftheil, tiefer, schmaler Rückengrube und schwachen Randstrahlen. Der Mitteltheil dunkel rothbraun , die Ränder und der Kopftheil reichlich lang, hellgrau behaart. Die Mittelaugen bilden ein Rechteck, dessen verticale Seiten kaum länger sind als die horizontalen. Diese vier Augen sind unter sich und mit den hinteren Seitenaugen gleich gross. Diese stehen um das Eineinhalbfache ihres Durchmessers von den hinteren Mittelaugen entfernt und so weit zurück, dass eine Linie, am Hinterrande der Mittelaugen entlang gezogen, den Vorderrand jener Seitenaugen tangirt. Die vorderen Seitenaugen sind bedeutend kleiner und gleich weit von den Mittelaugen und den hinteren Seitenaugen entfernt. Die Entfernung der vorderen Mittelaugen vom Stirnrande ist gleich der Breite des Mittelaugenrechtecks. Mandibeln kräftig, stark behaart, dunkelbraun mit schwarzer Klaue; Maxillen lang, abgestutzt; Lippe lang. Sternum rund, gleich- massig behaart. Das erste Glied des männlichen Tasters so lang wie das dritte und vierte zusammen, kurz behaart, am Ende mit drei kurzen Dornen, dahinter noch ein Dorn. Die vorderen Glieder stärker behaart mit vereinzelt stehenden Dornen am zweiten und dritten Gliede. Das vordere Glied lang und stark behaart, ohne Dornen, mit weit vorgezogenem Schnabel. Am vorletzten Gliede ein langer Greifliaken , welcher in der Mitte eine kleine Spitze und am Grunde eine stärkere Spitze trägt. Beine kräftig, Längenverhältnisse 4, 1, 2, 3 (58, 53, 52, 46 mm). Oberschenkel kurz, die übrigen Glieder lang und dicht behaart, mit zahlreichen Dornen. Die Oberseite der Oberschenkel aller Beine mit drei dunklen Zeichnungen, die hintere und mittlere fleckenartig, die vordere ringförmig um den Schenkel herumgehend, jedoch auf der Unterseite weit schwächer; diese hellbraun. Die Zwischenräume zwischen den dunklen Partien sind hell silbergrau. Die Patellen schwarz, stark Beiträge zur Kenntniss der Spinneufauna Madagascars. 405 behaart; die Tibien mit zwei schwarzen Ringen, welche ganz herum- gehen und auf der unteren Seite ebenso deutlich vorhanden sind, wie auf der oberen ; oberes Ende schwarz. Metatarsus im mittleren Drittel mit silbergrauem Ring, der auf der unteren Seite meist weniger deut- lich ist. Tarsen ebenfalls in der Mitte silbergrau. Abdomen oval, schmäler als der Cephalothorax , dicht und lang behaart, grau, ohne besondere Zeichnung. Länge des ganzen Thieres 21 mm; des Cephalothorax 11 mm; Breite 9, 5; Länge des Abdomens (etwas eingetrocknet) 10 mm; Breite 6 mm. Ein entwickeltes Männchen und zwei Weibchen im M. L. Dlnojris ftiadagascariensis nov. s^x Taf. X, Fig. 9. Cephalothorax schwach gewölbt, länglich, mit wenig gebogenen Seiten; in der Gegend der kleinen hinteren Augen etwas eingeschnürt; der grosse Augenvorsprung nach vorne wieder etwas an Breite zu- nehmend; gleichmässig kurz behaart; Farbe fahlgelblich. Zwischen den hinteren Seitenaugen ein nach vorn convexer röthlicher Bogen- fleck, mit kurzen, nach hinten gerichteten Endanhängen und einem etwas längeren Mittelanhang. Beim Abtrocknen verschwindet mit der stärker hervortretenden Behaarung dieser Fleck etwas. Der Kopf- theil kaum vom Thorax abgetrennt. Mittelgrube dreieckig, mit der Spitze nach vorne gerichtet. Abdomen schmal, lang, mit parallelen Seiten, kaum behaart, heller als der Cephalothorax, mit schmalem, kaum wahrnehmbarem Längsstreif; Unterseite mit einer doppelten Längsmittellinie und zwei stärkeren Seitenlinien. Sternum eiförmig- lanzett, mit der Spitze nach hinten gerichtet, am Rande mit abstehen- den, röthlichen Haaren besetzt. Mandibeln an der äusseren Seite gerade und an der inneren gebogen, massig behaart, Klaue schlank, dunkelbraun; Maxillen lang, vorne gerundet, Lippe lang, nach vorne verjüngt, schwach gerundet. Die männlichen Taster behaart, mit stark geschwollenem Endgliede, das aber noch nicht geöffnet ist (Fig. 9 &). Die Spitze ist mit einem kleinen Haken versehen; die Oberfläche lässt einzelne schwarze Punkte, aus denen stärkere schwarze Haare entspringen , erkennen. Einzelne solcher Haare finden sich auch auf den übrigen Theilen der Taster. Beine sehr lang und dünn, fahlgelblich, Behaarung schwach, nach den Enden der einzelnen Glieder etwas zunehmend. Die Oberschenkel des ersten Paares am Vorderrande lang be- wimpert. Länge 1. 2. 3=4 (46, 40, 27, 27 mm). Die Mittelaugen sehr gross, sich unmittelbar berührend, mit 406 H. LENZ, einem kurzen Kranz umgeben, dazwischen eingeklemmt die kleinen Mittelaugen, die Entfernung ihrer Aussenränder ist etwa gleich dem Radius der grossen Augen, Die vorderen Seitenaugen stehen auf kurzen Vorsprüngen, ihr Durchmesser beträgt etwas mehr als derjenige der kleinen Mittelaugen; die hinteren Seitenaugen sind vom Vorderrande der grossen Augen um das Eineinhalbfache des Durchmessers dieser Augen entfernt; ihre Grösse entspricht derjenigen der kleinen Mittel- augen. Länge des ganzen Thieres 19 mm, Länge des Cephalothorax 6, Breite 3.5, Länge des Abdomens 13, Breite 2 mm. Ein Männchen im M. L. Herr Reuter fing dieses Thier im Lagerraum auf einem Reis- haufen. Peucetia lucasii (Vms). 1863. SpJiasus lucasii Vins. 1. c. p. 35, pl. XIII, Fig. 3. 1875. Peucetia lucasii Tiiorell P. Z. S. p. 148. Mehrere Männchen und Weibchen im M. S. und M. L. Peucetia tnadagascariensis (Vins). 1863. Sphasus madagascariensis Vins. 1. c. p. 38. Ein Weibchen im M. S. Attus alho-oculatus Vins. Taf. X, Fig. 12. 1863. ViNSON 1. c. p. 49, pl. X, Fig. 2. Mehrere Exemplare dieser durch die charakteristische Zeichnung des Abdomens leicht kenntlichen Art im M. S. und M. L. Attus alho-tnarginatus nov. sp. Unter den mir bekannt gewordenen Arten nicht vertreten, auch von ViNSON nicht beschrieben. Die Art ist charakterisirt durch die Zeichnung des Hinterleibes. Der Cephalothorax etwa noch einmal so lang als breit, der Kopf- theil durch einen Quereindruck abgetrennt, etwas höher, glänzend schwarz mit spärlichen Härchen, die Seiten glänzend weiss behaart. Die Entfernung der hinteren Seitenaugen von denen der vorderen ist drei Viertel ihrer eigenen Entfernung. Die mittleren Seitenaugen stehen den hinteren ein wenig näher als den vorderen. Beiträge zui* Eenntniss der Spiiinenfauna Madagascars. 407 Das Abdomen lang, schmal, in der Mitte mit schwarzbraunem Längsstreif, kurz behaart, an den Seiten von ebenso breiten, lang be- haarten, weissen Säumen eingefasst. Die Taster dunkelbraun, auf der oberen Seite lang weiss behaart, stark geschwollen, aber noch nicht geöffnet. Die ganze Unterseite des Thieres einfarbig mittelbraun. Länge des ganzen Thieres 7 mm, des Cephalothorax 3.7, Breite 2 mm. Ein junges Männchen im M. L. Attus madagascariensis Vinson. 1863. ViNSON 1. c. p. 61. Mehrere weibliche Exemplare, welche ich mit dieser Art identi- ficiren möchte. Erklärimg der Abbildungen Tafel X. Fig. 1. Epeira albo-maculata n. sp. 2/1. „ 2. Poltys madagascariensis n. sp. 1/1. „ 3. Gasteracanlha maculosa n. sp. 2/1. „4. ,, reuteri n. sp. 2/1. „ 5. Epeira undulata Vins. 2/1. „ 6. Seleiiops modestus cj 1/1. a das Endglied des männl. Tasters vergrössert. „ 7. Phoneutria fasciata n. sp. $ \j\. a Endglied des männl. Tasters vergrössert. „ 8. Ocyale madagascariensis n. sp. 1/1. 408 H* LENZ, Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna Madagascars. Fig. 9. Dinopis madagascarietisis n. 9,-^. 1/1. ö Kopf von vorne, ^ männl. Taster vergrössert. 10. Lycosa signata n. sp. 5/2. 11. ,, melanogastra n. sp. 1/1. 12. Allus albo-oculatus Yins. Abdomen vergrössert. 13. Epeira cinerea n. sp. 14. Männlicher Taster von Ocyale madagascariensis vergrössert. Miscellen. Taenia echi/nococcus in Australien. Von Dr. R. v. Lenden fei d. (London). In keinem Erdtheile kommen so viele durch Taenia-echinococcus- Hydatiden in der Leber verursachte Todesfälle vor wie in Australien. Selten finden sich die Cysticercusblasen wohl auch in der Lunge. Die Bewohner der Städte und civilisirteren Gegenden werden von diesem Para- siten lange nicht so heimgesucht wie die Bewohner des Urwaldes. Es scheinen jedoch auch hier Unterschiede zu bestehen, indem einige Districte einen viel grösseren Procentsatz von an 7'öe/^^rt -ec//<>/ococc«*-Hydatiden Erkrankten liefern als andere. Die meisten Fälle kommen in den wasserarmen Gebieten des Inneren und namentlich in jenen vor, wo die wilden Hunde, Dingos, häufig sind. In dem wasserreichen Gebiete der australischen Alpen , wo die Dingos besonders massenhaft auftreten, kommen solche Erkrankungen jedoch nur selten vor. Dass die betreffenden Hydatiden wirklich Cysticercusblasen sind, ist eine den australischen Aerzten längst bekannte Thatsache. Um den zu den Blasenwürmern gehörigen Bandwurm zu finden, suchte ich im Darme der von mir bei meinen vielfachen Reisen erlegten Dingos und fand da häufig — in 80 <^/q der untersuchten Hunde — einzelne Bandwürmer, welche mit unserer Taenia echinococeus in jeder Hinsicht übereinstimmen, jedoch etwas grösser werden, indem sie öfters 10 mm. an Länge über- trefi'en und einzelne sogar 30 mm. lang werden. Gewöhnlich finden sich nur wenige im Darm der Hunde, ich habe nie mehr als 5 in einem Hunde gefunden, dürfte jedoch wahrscheinlich bei der im australischen Urwalde nothwendigerweise flüchtigen Untersuchung einige und besonders die kleineren Exemplare übersehen haben. Da das Taenia-Stadium so nahe und das Cysticercus-Stadium ganz mit Taenia echinococeus überein- stimmt, so glaubte ich, dass diese beiden wirklich in einen Zeugungs- kreis gehörten, was denn auch durch Füttern von Cysticercus am Haus- hunde erwiesen wurde. Weiters glaube ich auch, dass die Species mit der europäischen identisch ist, und dass man auf die bedeutendere Grösse des Bandwurm - Stadiums hin die australische Individuengruppe von der europäischen nicht specifisch trennen soll. 410 Miscellen, Ausser in Australien wird der Bandwurm besonders in Island ge- fährlich, und es ist sehr auffallend, dass in zwei so gänzlich verschie- denen Klimaten dasselbe Thier gedeiht, während zwischen diesen antipo- dial gestellten Inseln durch Taenia echinococcus verursachte Todesfälle zu den Seltenheiten gehören. Die Verhältnisse Islands sind mir aus eigener Anschauung nicht be- kannt, aber in Australien liegt die Ursache der verderblichen Verbreitung dieses Parasiten auf der Hand. Ich habe oben erwähnt, dass Erkrankungsfälle besonders in jenen Theilen des trockenen Inneren vorkommen , wo Dingos leben , dass je- doch in den wasserreichen Alpen, wo Dingos häufig sind, sowie in Städten, wo Dingos fehlen, jedoch Haushunde gehalten werden, solche Erkrankungen nur ausnahmsweise vorkommen. In den Alpen giebt es genug Wasser und der Reisende wählt sich Quellwasser zum Trank. Im trockenen Inneren giebt es keine Auswahl, und man muss froh sein , wenn man überhaupt eine Pfütze mit süssem, trinkbarem Wasser findet. Diese seltenen Wasserlöcher werden aber von den wilden Hunden ebenso Avie von den Menschen aufgesucht, und so kann es leicht geschehen , dass einzelne Proglottiden der Taenia echino- coccus oder die darin enthaltenen jungen Embryonen in das Wasser ge- rathen. Der durstige Wanderer — das weiss ich aus eigener Erfahrung — stürzt sich ohne Ueberlegung ins Wasser und säuft dasselbe, mag es durch Lehm noch so getrübt oder durch Algen noch so verschleimt sein, und mit dem Wasser mag da wohl auch häufig eine todbringende Bandwurm- larve verschluckt werden. Es wird nicht viele von Europäern bewohnte Landstriche geben, wo so elendes Wasser mit Genuss getrunken wird, wie im Innern des australischen Continents. In Städten und Ortschaften trinkt man meist Ilegenwasser, und es ist daher hier, wie in den quellenreichen Alpen der Genuss Bandwurm- Embryonen führenden Wassers in den meisten Füllen ausgeschlossen; da- her kommt es, dass hier, wo mit Taenia echinococcus inficirte Dingos, be- beziehungsweise Haushunde häufig sind, nur sehr selten Erkrankungen vorkommen. Zweifellos muss auch in Thieren der Cysticercus gedeihen, da ein an Hydatiden verstorbener Mensch wohl nie den Hunden zum Frasse dienen dürfte ; es ist mir jedoch nicht gelungen , in den Schafen oder in den daraufhin untersuchten Känguruhs eine unserem Cysticercus velerinorum ähnliche Bildung aufzufinden. Gleichwohl halte ich es für wahrscheinlich, dass die Schafe die natürlichen Zwischenwirthe unseres Bandwurmes sind, und glaube, dass viele verderliche Leberkrankheiten der australischen Schafe, die gewöhnlich als durch IJisloinum hepaticum verursacht hingestellt wer- den, dem Cysticercus unseres Bandwurmes zuzuschreiben wären. Biologische Miscellen aus Brasilien von Prof. Dr. E. A. Göldi (Rio de Janeiro). II. Eripns heterogaster — eine brasilianische Spinne mit Lock- färbung. Hierzu Tafel XI. Wallace giebt in seinem trefflichen Buche „Tropical Nature", -welches dem in der Tropenwelt weilenden Naturforscher doppeltes Vergnügen ge- währt, über die Färbungen in der Organismen weit folgenden Ueberblick: 1. Protective colours. _ -ry . , I a. Of creatures specially protected. Animals. { ' ° ' 1 b. Of defenceless creatures, mimicking. 3. Sexual colours. 4. Typical colours. Plants, 1. Attractive colours. In der deutschen Literatur wird „protective colours" in der Kegel mit „Schutzfärbung" übersetzt, „warning colours" dagegen mit ,,Schreckfärbung". So sehr mir die Disposition der letz- teren Gruppe gefällt und die Uebersetzung , so wenig will mir Name und Anordnung der ersteren behagen; ich glaube sie weiterer Discussion fähig. Aus Wallace selbst geht hervor (pag. 172 fF.), dass er in ersterer Gruppe, „protective colours", zweierlei Erscheinungsreihen untergebracht, „The more the habits of animals are investigated, the more numerous are found to be the cases in which their colours tend to conceal them, either from their enemies or from the creatures they prey upon." Zu der ersten dieser beiden Eeihen, die er aber eben nicht scheidet, sondern in einander übergehen lässt, zieht er die weisse Färbung der arktischen Fauna, die Sandfärbung der Wüstenthiere, die grüne Färbung der Insecten und Vögel der Tropenwälder. Als typi- sches Beispiel der zweiten citirt er die Mittheilung von Sie Charles DiLKE, wonach auf Java eine rothe Mantis-Kxi vorkomme, die genau eine rothe Orchideen-Blüthe siraulire. Bei der ersten Reihe haben wir es mit dem Princip der De- fensive zu thun, bei der zweiten mit demjenigen der Offensive. Bei Anwendung der Termini „protective colours" und „Schutzfärbung" nun wird dieser Unterschied verwischt, denn an „protection" und „Schutz" 412 Miscellen. bindet der Sprachgeist lediglich den Begriff des Defensiven. Man kann für die erstere Reihe den Ausdruck „Schutzfärbung" belassen. Ich schlage jedoch vor, die zweite Reihe aus dem Verbände der „protective colours" auszuscheiden und der ersteren als gleichwerthig gegenüberzustellen. Die Bezeichnung „Lockfärbung" dürfte sich einstweilen empfehlen, da sie nicht bloss das Verhältniss zu der „Schutzfärbung" (im eigentlichen Sinne), sondern auch sehr gut den Gegensatz zu der „Schreckfärbung" hervortreten lässt. (Eine Confusion , die aus der nahen Verwandtschaft zu dem von Walläce für die Pflanzenwelt gebrauchten Ausdrucke „at- tractive colours" zu resultiren droht, kann durch wohldurchdachte Ueber- setzung sicherlich vermieden werden.) Der Beispiele auffallender Anpassung an die äussere Umgebung kennt man aus der Ordnung der Arachniden noch wenige, so zahlreich sie auch sind in den übrigen Gliederthier- Ordnungen i). Neuerdings ist jedoch ein hübsches Exempel von H. 0. Forbes beigebracht worden , der in Sumatra eine Spinne — Thomisiis decipiens — entdeckte, welche auf Pflan- zenblättern abgesetzten Vogelexcrementen täuschend ähnlich sehen soll 2). Es gereicht mir zum besonderen Vergnügen, aus der Spinnenwelt Brasi- liens eine nicht minder frappante Erscheinung mittheilen zu können. Gegen Ende des Monat August 1885 überbrachte man mir in einem Schächtelchen eine Anzahl von Orangenblüthen nebst einer noch leben- den Spinne. Die Erau, welche mir diese Dinge gab, erzählte mir, dass sie in ihrem Garten einen blühenden Orangenzweig abgepflückt hätte. Zufällig berührte sie mehrere dieser Blüthen, entblätterte sie und war nicht wenig erschrocken, als eine dieser Blüthen sich von der Stelle bewegte und als — „bicho" entpuppte. Auch jetzt wäre ihr nicht leicht geworden, unter den Orangenblüthen die „lebendig gewordene, verhexte" herauszufinden; abermaliges Berühren aller derselben lieferte indessen den Beweis der thierischen Natur der einen. Ich muss gestehen , mir ging es nicht anders. Die Aehnlichkeit dieser Spinne, die einer mir bis dahin noch nicht vorgekommenen Gattung angehörte, mit einer Orangenblüthe war hinsichtlich Grösse, Habitus, Farbe und Haltung eine so vollendete , dass ich beim jeweiligen Oeffnen des Schächtelchens ebenfalls behufs Erkennung zu demselben Hülfsmittel sy- stematischen Absuchens mit den Augen und der Berührung die Zuflucht nehmen musste. Ich sah mich einem Beispiel von Anpassung gegen- 1) Neuerlich hat C. Bkunnkk von Wattknwvl in den „Verhandlungen der k. k. zoologisch - botanischen Gesellschait in Wien" (XXIII. Bd. p. 247 flf.) eine intere^5- sfinte Arbeit: ,,Ueber hypertelische Nachahmungen bei den Orthopteren" erscheinen lassen, die von einer schönen Tafel begleitet ist. Sie bringt Nachricht über 3/i/iineco- jihana fallax — eine Laubheuschrecke Afrikas, die in ihrer Gestalt eine Ameise imitirt — und eine Serie von 4 Locustodeen aus der Gattung Ptcrochroza. Die Flügel dieser 4 brasilianischen Orthopteren „bilden eine vollständige Sammlung der verschiedensten coloristischen Studien des dürren Blattes" (ganz braunes Blatt: Pt. colorata ; vergilben- des Blatt: Pt. dcflorata ; starker Insectenfrass : Pt. arrosa ; Minirraupen- Imitation : Pt-. injectd). 2) H. 0. Forbes, ,,0n the habits of Thomisus decipiens, a spider from Suatra. (Mit Tafel.) (in: Proceedings Zool. Society, London 1883, p. 586.) M i s c e 1 1 e n, 41 3 Über, das stets von neuem meine Bewunderung herausforderte — einem der schlagendsten , die mir in der Naturforschung entgegengetreten sind. Bezeichnend für die Orangenblüthe sind gewiss 1) die porcellan- weissen Blumenkronblätter und 2) die hochgelben Stamina, welche aus dem Trichter hervorragen. Unsere Spinne täuscht beides in ergötzlich- ster Weise vor. Die Nachahmung ist freilich keine auf alle Details sich erstreckende, keine pedantische Nachäffung, keine „Hypertelie" im Sinne von C. Bruner von Waxtenwtl^). Ich möchte es eher als eine künst- lerische Copie bezeichnen, die, ohne jede Einzelheit des Originals zu repro- duciren, doch in ihrer Gesammtheit vollkommen ihrer Aufgabe gerecht zu werden weiss. Die Grundfarbe der Spinne, welche lebend 13 mm. lang war, ist weiss und zwar ist der Cephalothorax matt-durchscheinend, etwa wie Paraffin, während das Abdomen dem schönsten Porcellan (Milchfarbe) nahe kommt. Die Farbe der Beine ist auf ihrer grössten Ausdehnung gleich derjenigen des Cephalothorax; der distale Kndartikel jedoch ist hier violett, der Aussentheil des nach innen folgenden geht ins Erdgrüne über und diese Eärbuug wiederum geht allmählich ins paraffinartig, durchscheinend Weisse über. Gleicherweise verhalten sich die Antennen (Fig. 1, 2, 7.) Was dem unterwärts milchweissen Abdomen sein besonderes Gepräge verleiht, das wohl bei keiner anderen Spinnengattung wiederkehrt, sind 7 fingerförmige Fortsätze, die symmetrisch sich über die Dorsalseite er- heben : 2 kürzere von rechts und links von der Medianlinie , 2 weitere, etwas weiter von letzterer abstehend, auf die durch die Mitte des Ab- domens gedachte Uueraxe fallend, 2 andere rechts und links den Hinter- rand überragend. In ihrer unmittelbaren Nähe befindet sich auch der einzige auf der Medianlinie stehende Fortsatz. (Fig, 1, 2, 3.) Alle diese 7 Fortsätze sind der Hauptsache nach gelb; hochgelb an ihrer Spitze, von oben nach unten matter werdend und dann an ihrer Basis in dem Milchweiss des Eückens aufgehend. Auf ihrer Innenseite weisen sie etwas unterhalb der Spitze einen schwarzen, halbmondför- migen Punkt auf, der nach der Basis des Fortsatzes zu sich in einen kommaartigen Strich auszieht, (Fig. 1 und 2.) Zwischen den Fortsätzen erscheint in der auf der Medianlinie gelegenen Vertiefung eine T- förmige, grünlich-schwarze Figur, die im Leben bald deutlicher, bald matter hervortritt. Es sind die Contractionen des Eücken- gefässes, welche sich auf diese Weise äusserlich manifestiren (Fig, 1). Fig, 3 veranschaulicht sowohl die relative, als auch annähernd die wirkliche Länge der 4 Beinpaare und zeigt das den Thomisiden eigenthümliche Verhältniss (Beinpaare I und II erheblich länger als III und IV). Ich brachte mein Thier in einer geräumigen Glasglocke unter, in der Hoff'nung, es noch längere Zeit am Leben zu erhalten und noch weitere Beobachtungen gewinnen zu können. Vorher wurde es gezeich- net, gemalt und gemessen , wobei es sich sehr zahm benahm und sogar dem Anlegen des Zirkels keinen erheblichen Widerstand entgegensetzte. 1) loc. citat. sub (1). 414 Miscellen. Ich bot ihr als Nahrung Fliegen, Mücken, auch den Eiersack einer klei- neren Spinne, welchem bald eine zahlreiche, sehr bewegliche Brut win- ziger Spinnchen entschlüpfte. Trotzdem schien mir das Thier gar keine oder nur geringe Speise zu sich zu nehmen und sass niedergeschlagen bald da, bald dort an der Wand der Wohnglocke. Obwohl es ihr darin weder an Raum noch an Befestigungspunkten gebrach, schritt sie doch nie zur Anfertigung eines Netzes. Sie spann bloss vereinzelte Fäden, ohne dass aus ihrer Anlage irgend ein System hätte deducirt werden können. An der Stelle, wo sie sass, hinterliess sie in der Regel einen kleinen Fleck als Produkt einer reichlicheren Ablagerung von Spinnsub- stanz. Ich untersuchte ihre Fäden unter dem Mikroskop , um aus der Anzahl der Specialdrähte einen sicheren Schluss auf die Anzahl der Spinn- drüsen zu gewinnen ; ich fand den Faden aus 5 feineren Drähten zusam- mengedreht. Nach ungefähr 5 wöchentlicher Gefangenschaft fand ich eines Morgens (zu Anfang Oktober) meine Spinne todt. — Als Resultat meiner Beobachtungen glaube ich mit ziemlicher Sicherheit annehmen zu kön- nen, dass diese interessante Art kein Netz anfertigt. Dies stimmt auch mit den Lebensgewohnheiten der Thomisiden überein, die allgemein ihre Beute aus dem Hinterhalte und im Sprunge überrumpeln. So berichtet auch FoBBEs von seiner sumatranischen Thomisus decipiens : „This spider does not make an ordinary web" (pag. 588). — Da leider die in Brasilien, selbst über hier einheimische Arten, vorhan- dene (kaum mehr als kärglich zu nennende) Literatur mir eine Species- bestimmung in den meisten Ordnungen des Thierreiches nicht vergönnt und zumal über Arachniden Süd-Amerikas mir so gut wie nichts zu Ge- bote steht, sandte ich den Cadaver mit den nöthigen Angaben an einen deutschen Spinnen-Kenner mit der Bitte um gefällige Determination. Der Zufall Hess mich jedoch die Frage noch vorher mit eigenen geistigen Mitteln lösen. Beim Durchblättern verschiedener Abhandlungen aus der Feder des gewiegten englischen Arachnologen Rev. 0. P. Cambridge ^) stiess ich auf die Beschreibung einer neuen brasilianischen Art aus der Gattung Eripus [E. (///ifiqt/egibbo.sus)'^). Diese sowohl, wie auch einige allgemeine Notizen über die Gattung En'piis, in Verbindung mit der bei- gegebenen Figur zu vorgenannter Species (Taf. 56, Fig. 5, a — e) brach- ten mich zur Ueberzeugung, dass ich es mit Eripus helerogasler zu thun haben müsse ^). Rev. Cambridge schreibt: ,,The genus, indeed, which is closely allied to Stephannpis (Camb.) consists at present of but three spe- cies , E. helerof^aster Latr., E. spinipes Bl., and E. (/i/üu/i/ef^ihbosa , all being found in Brazil. The present species cannot be confounded with either of the other two, not only differing in the number of the abdo- 1) Rev. O. P. Camuridge . ,,0n some new species of Araneidea etc." (in: Procce- diugs Zool. Soc. London 1877, p. 557 ff). 2) p. 564. 3) In einem Briefe vom 11. Dec. 1885 wird meine IJestimmung bestätigt durch den competenten Aruchuidenkenner Graf Eugkn von Kkyskulino in Gross-Glogau. Die Synonymie lautet : Thomisus hctcrogaster Gu^RiN. (Iconographie du rfegne animal, pl. 1. fig. 4.) Eripus hctcrogaster Walckenaee. (Insectes apt. t. I. p. 541. pl. Xll. fig. 6.) Miscellen. 415 minal prominences, but in their form and colour also: these prominences are three in E. spinipts , five in E. qiii/iqitegibhosa and seven in E. helero^asler, the last being also of a large size, while the other two are quite small," {E. (luÜKjiiegibbosu ist nach der Figur kaum 3 mm. gross.) Die Stellung und Zahl der Augen ist bekanntlich wichtig für die Systematik der Arachniden. Ich führe somit des Vergleiches halber an, was derselbe Autor hinsichtlich der Augen der verwandten Art (E. quin- tiut-^ibbosa) berichtet: „The eyes are in three transverse rows 2, 2, 4; the lower or foremost row is the shortest; and the hinder one is curved, the convexity of the curve being directed backwards. Those of the first row are aruber-coloured and divided by rather over two diameters' interval; those of the next row are larger and are placed in front of the base of the two conical eminences on the Caput, being separated by an interval of double the extent of that between the eyes of the first row ; and their colour is black, with a narrow orange margin ; the laterals of the hinder row are placed rather behind and near the summit of the eminence, aud are divided from those of the second row by an interval equal to that between the second and first rows. The two cen- trals of the hinder row are seated behind the bases of the eminences and are considerably further apart than each is form the lateral of the some row, on its side. The lateral eyes of the three rows form on each side a very nearly straight line; and its length is rather greater than the height of the clypeus." Diese Beschreibung enthält, glaube ich, mehr generische als speci- fische Charaktere, denn sie passt, bis auf ganz unwesentliche Verhältnisse, auch auf Eripus /lelerogasit-r. Vielleicht würde sich die Augenstellung folgendermassen rascher und übersichtlicher ausdrücken lassen : 8 Augen, die auf die Katheten zweier rechtwinkligen, mit ihren Hypothenusen ein- ander zugekehrten Dreiecke fallen, so dass auf die Mitte der längeren Kathete jeweils ein Auge föllt, während die der Medianlinie parallel ver- laufenden Hypothenusen leer ausgehen. Oder: 8 Augen auf den Umriss- linien eines Kreisausschnittes, so dass die Spitze leer ausgeht, während die übrigen Augen (der Keihe nach aufeinander folgend) je in nahezu gleichen Abständen von einander abstehen. Es würde meiner Ansicht nach auch naturgemässer sein, von 4 Augenreihen zu je 2 zu sprechen, als von 3 mit den Zahlen 2, 2, 4. (Fig. 4, 5.) Die FarbendiflPerenz zwischen dem vordersten Augenpaar einerseits und den 3 hinteren andererseits, wie sie der englische Arachnidenkenner für E. quinquegtbbosa angiebt, habe ich auch bei E. heterogaster consta- tirt. Allein hier erglänzten die vorderen in brennendem Carminroth, während die hinteren mir tiefschwarz erschienen (solches im Leben). Bei Eripus helerngasler können ebensowenig wie bei der verwandten Art alle diese Augen auf einmal überblickt werden. Es erheischt ein längeres Studium und vielfaches Umkehren , bis man sich völlige Klar- heit verschafi't hat über ihre gegenseitige Lagerung. Dies wird hier wie dort bewirkt durch die beiden erhöhten (bei Eripus heterogaster schwarz gefärbten) Firsten, in denen sie in verschiedenen Ebenen liegen (Fig. 2, 416 Miscellen. Fig. 5). Bei Frontalansicht sieht man die Augenreihen I und II; die Reihe III tritt, hloss zur Hälfte sichtbar, rechts und links an der Aussen- seite der Firsten hervor (Fig. 5). Dorsalansicht zeigt bloss die Reihe IV ; um die Reihe III (nach aussen-hinten gedreht) richtig zu gewahren, ist eine Betrachtung schief von der Seite nöthig. Die Tropenfauna ist reich an absonderlich gestalteten und wunder- sam gefärbten Spinnen. Namentlich sind solche merkwürdigen Arachniden in besonderer Anzahl aus Südamerika bekannt geworden. Ich gedenke zumal der abenteuerlichen Epeiriden Brasiliens aus der Gattung Gasfcra- cuiilhion. Von diesen radverfertigenden Spinnen, von denen ich eine Art täglich im Garten meiner Wohnung in Rio de Janeiro beobachte, weiss man nicht, ob zwischen Form und Farbe einerseits und den Lebensge- wohnheiten andererseits irgend welcher Causaluexus existirt. Der Wink, dass nunmehr bei zwei nicht radbauenden Gliedern aus der überhaupt ihre Beute im Sprunge erhaschenden Familie der Thomisiden ein solcher Causalnexus nachgewiesen ist, verdient meiner Ansicht nach die Auf- merksamkeit der Biologen. Figuren - Erläuterung. (Taf. XI). Fig. 1. Eri/Jt/s helerogasler im Leben, von oben gesehen. 3 — -4mal ver- grössert. Fig. 2. Von vorne gesehen. Diese Ansicht ist besonders bemerkens- werth, weil sie die Aehnlichkeit mit einer Orangenblüthe am besten veranschaulicht. Fig. 3. Graphische Darstellung der relativen Längen der vier Beinpaare. Fig. 4. Kopf und Vordertheil der Spinne zur Veranschaulichung der Augenstellung. Dieselbe ist so gezeichnet, als lägen sämmt- liche Augenpaare in der nämlichen Ebene. Die erhöhte Leiste, welche die hinteren von den vorderen trennt, ist weggelassen. (Stärkere Vergrösserung.) F i g. 5. Die Stirne von vorne gesehen. Man gewahrt die Stellung der beiden vorderen Augenpaare; das dritte, links und rechts von vorgenannter Leiste, bloss zur Hälfte sichtbar; das hinterste liegt verdeckt. Fig. 6. Abdomen von Eripus helerogasler , von unten gesehen. (Stär- kere Vergrösserung.) Fig. 7. Kopf und Vordertheil der Spinne in seitlicher Ansicht. (Stärk. Vergr.) Die beiden vorderen Beinpaare sind an ihrer Insertion abgetragen. Frommauuflcho Buchdruckerei (Hermann Pühle) in Jena. — 257 Südamerikanische Nymphalidenraupen Versuch eines natürlichen Systems der Nymphaliden von Dr. Wilh. Müller in Greifswald. Hierzu Tafel XII— XV. InhaltsYerzeichniss, Die gesperrt gedruckten Gattungen sind nach eigenen Untersuchungen an lebendem Material, die gewöhnlich gedruckten nach couservirten Exemplaren, die eursio gedruckten nach fremden Angaben beschrieben. Seite Acraeinae 424 Acraea 424 pellenea 424 anteas 426 Entwicklung der Zeichnung . . . 427 Litteratur 428 Heliconinae 428 Heliconius 428 apseudes 428 eucrate 429 doris 430 Litteratur 430 Eueides 430 isabella 430 aliphera 432 pavana 433 Litteratur 433 Colaenis 433 dido 433 Julia 435 Litteratur 436 Dione 436 vanillae 436 Zoolog. Jahrb. 1. Seite Litteratur 437 Bückblick auf die Heliconinae 437 Bedorn ung 438 Zeichnung 438 Anhang zu den Heliconinae . . 440 Argyunis 440 Litteratur . 440 Cethosia 440 Litteratur 440 Nytnphalinae 441 Hypanartia 441 lethe 441 Pyrameis 443 Vanessa 443 Litteratur 444 Grapta 444 Phyciodes 444 sp. ign 444 langsdorfii 445 teletusa 445 Litteratur 445 Melitaea 445 27 418 WILII. MÜLLER, Seite Victorina 446 trayja 446 Anartia 447 ainalthea 447 Litteratur 448 Junonia 448 Doleschallia 449 Precis 449 Hypolimnas 449 Gynaecia 450 dirce 450 Litteratur 452 Siriynia 463 blomfieldii 453 Ageronia 453 sp. ign 453 epinome 456 fornax 456 amphinome 458 arete 459 Litteratur 460 Ectima 461 lirina 461 Myscelia 461 orsis 461 Catonepliele 463 acontius 463 penthia 465 Litteratur 467 Eunica 467 margarita 467 Temenis 468 agatha 468 Litteratur 47O Pyrrhogyra 4 70 Epiphile 471 orea 47 1 Callicore 473 meridionalis 473 Haematera 474 pyrainus 474 Catagramma 474 pygas 474 Dynamine 475 mylitta 475 tithia 477 Didonis 479 biblis 479 Athyma 481 casa 481 Litteratur 481 Adelplia 481 isis 481 div. spec 484 Litteratur 487 Limenitis 487 Neptis 488 Prep 011 a 489 ampbiniachus 489 demophon sp- ign laertes Gewohnheiten undZeich- nung Litteratur Ag7-ias Siderone ide strigosus Anaea sp- ign stheno phidile Litteratur Hypna Protogonius drurii Gewohnheiten und Zeich- nung von Anaea, Side- rone, Protogonius Nymphalis Litteratur Apatura laure lauretta kalina Litteratur Thaleropis Rückblick auf die Nymphalinae Zeichnung der Raupen Bedeutung der Zeichnung Entwicklung der Zeichnung . Zeichnung und weisse Wärzchen . Zeichnung der abwechselnd hellen und dunklen Segmente . Anhangsgebilde P r i m ä r e B 0 r s t e n . Das Segment XII .... SecundäreBorsten, weisse Wärzchen Do r n e n Entstehung Ursprüngliche Anordnung auf 4—11 Ursprüngliche Anordnung auf 1—3 und 12 Gestalt der Dornen Anordnung am Körper Differenzirung zwischen den Dornen Rückbildung der Dornen . . Anbaugsgebilde des Kopfes Das Blattrippenbauen der Raupen . Beziehung zwischen Dornenform und Gewohnheit Die Futterpflanzen Die Puppen Seite 491 492 493 I 493 495 495 496 496 497 498 498 500 501 502 502 503 503 503 505 506 506 506 508 508 508 509 509 509 509 516 517 518 529 529 529 530 532 532 534 536 538 541 544 547 549 55:; 55G 5(;2 567 Südamerikanische Nymphalidenraupen. 419 Seit« Lichtempfindliche Puppen . . 569 System der Nymphalinae . . 578 Nachtrag zu den Nymphalinae . . . 588 Cirrochroa 588 Cynthia . . 588 Atella 588 Euptoieta 588 Eryolis 589 Callizona 589 Megalura 589 Parthenos 590 Euthalia 591 Symphaedra 591 Aganisthos 591 BrassoUnae 593 Opsiphanes 593 tamarindi 593 Litteratur 594 Dynastor 595 darius 595 Litteratur 596 Caligo 597 eurylochus 597 beltrao 598 rivesii 598 Litteratur 601 Narope 601 cyllastros 601 Brassolis . . . .. . . 602 astyra 602 Litteratur 603 Bückhlick auf die Brassolinae '603 Schwauzgabel 603 Charakteristik der Familie . . 604 Zeichnung der Brassolinae . . 605 Morphinae 606 Morpho 606 achillides 606 menelaus 608 hercules 609 epistrophis 609 Litteratur 610 Borsten und Zeichnung in der Gattung Morpho . . • . . 610 Litteratur über sonstige Morphinae 611 Amathusia 611 Discophora 611 Satyrinae 6ii Pedaliodes 611 phanias 611 Taygetis 612 yphthima 612 Euptychia. . '. . . 615 Antirrhaea 615 Seite Rückblick auf die Brassolinae, Mor- phinae, Satyrinae und die gesamm- ten Nymphalidae 616 Beziehung der 3 Unterfa- milien zu einander . . 617 zu den übrigen Nymphalidae . Rückblick aufdiegesara ra- ten Nymphalidae . . . 618 Phylogenese der Raupe . . 621 Phylogenese der Puppe . . . 623 System der Nymphalidae . . . 624 Ontogenese und Phylogenese bei Nymphaliflenratipen . 626 Rückblick 626 Die phylogenetische Bedeutung des ersten Stadiums . . . 629 Die Bildung der Hörner . . 631 Beziehungen der einzelnen Sta- dien zu einander . . . 632 Selbständige Abände- rung früherer Stadien 633 Beziehungen zwischen Raupe und Puppe . . . 642 Körperform von Raupe u. Puppe . 642 Zeichnung von Raupe u. Puppe . 649 Nachtrag I Danainae ■ . 659 Danais erippus 659 plexaure 661 Dircenna 661 xantho 661 Creatinia 662 eupompe 662 Ithomia 662 neglecta 662 Thyridia 662 themisto 662 Mechanitis 664 lysimnia 664 Rückblick auf die Danainae . . . 665 Nachtrag II. Die primären Borsten in anderen Schmetterling sfaniilien . 667 Vorkommen derselben . 667 V e r m e h r un g d e rs e 1 b en . 668 Beziehungen der Anhangsge- bilde zu den primären Borsten . • 668 Scheindornen der Papi- lionidae 668 Dornen der Saturniadae. 670 Schwanzhorn der Sphin- gidae 672 Genese der Dornen über- haupt • 673 Litteraturverzeichniss 674 27 4.20 WILH MÜLLER, Vorwort. Die in den folgenden Zeilen wiedergegebenen Beobachtungen wurden angestellt während eines längeren Aufenthaltes in Südbrasi- lien, und zwar in Blumenau (Prov. St. Catharina), wo ich bei meinem Bruder Fritz Müller als Gast weilte. Kleine, zufällige Beobachtun- gen über sonderbare Gewohnheiten der Raupen von Ageronia, die eine genaue Feststellung des Thatbestandes erwünscht erscheinen Hes- sen, bildeten den Ausgangspunkt, es wurden andere Gattungen zum Vergleich herangezogen, was neue, unerwartete Erscheinungen zu Tage förderte, zu einer immer weiteren Ausdehnung der Beobachtungen führte, und so fand ich mich schliesslich im Besitz eines Materials von Larven der Nymphaliden , wie es , soweit aus der Litteratur er- sichtlich, niemand vor mir zur Verfügung gestanden. Es drängte der Formenreichthum nothwendig zu einem Versuch, die Gattungen zu gruppiren, die natürlichen Verwandtschaftsverhältnisse festzustellen. Dass wir berechtigt, die Larven zur Feststellung der Verwandt- schaft heranzuziehen, das darf wohl als allgemein anerkannt ange- nommen werden ; verwerflich mag es erscheinen , dass die Schmetter- linge so durchaus unberücksichtigt geblieben sind. Das ist nun zu- nächst nur in beschränktem Maasse der Fall; wenn auch im Text die Schmetterlinge kaum erwähnt sind , so habe ich mich doch bemüht, mich einigermaassen auf diesem Gebiet zu unterrichten , doch steht mir keine grössere Sammlung zur Verfügung, um mir jederzeit über auftauchende Fragen ein Urtheil zu bilden, und bin ich übrigens nichts weniger als Specialist auf dem Gebiete der Schmetterliugskunde. Ab- gesehen davon erwecken die verschiedenen Versuche, die Gattungen der Nymphaliden zu gruppiren, in ihrer geringen Uebereinstimmung nur wenig Zutrauen zu den Resultaten einer Untersuchung der Schmetterlinge. Es sind ja gewisse Gruppen, die sich bei den ver- schiedenen Systematikern in gleicher oder ähnlicher Anordnung wie- derholen, dieselben finden aber auch, so weit sie in Betracht kommen, ihre Bestätigung in der Untersuchung der Raupen. Im Anschluss an den Versuch, die in Brasilien beobachteten Gat- tungen zu gruppiren, wodurch einiger Anhalt für Werth oder Unwerth Südamerikanische Nymphalidenraupen. 421 gewisser Merkmale gegeben war, habe ich dann noch untersucht, was in einigen Samnihmgen von conservirten Raupen und Puppen vorhan- den, die betreffenden Gattungen, so w^eit das möglich, eingereiht, wei- ter die in der Litteratur zerstreuten Notizen gesammelt, so weit mir die Litteratur zugänglich. (Ein Litteraturnachweis folgt am Schluss). Die aus der Litteratur übernommenen Beschreibungen sind, so weit die Stellung der Gattungen aus dem gebotenen Material ersichtlich, an der betreffenden Stelle eingefügt, übrigens in einem Nachtrag zu- sammengestellt, und zwar möglichst kurz , mit Beschränkung auf die wichtigen Punkte. Auch Beschreibungen von Arten, die durch eigene Untersuchungen bekannten Gattungen angehören, oder die selbst un- tersucht worden, sind aufgenommen; sie können die gemachten An- gaben zum mindesten bestätigen, wobei sich freilich die Bestätigung meist nur auf die allgemeinsten Züge bezieht, in Folge der Art der Beschreibung. Ueber die Art und Weise, wie die Litteratur benutzt wurde, müs- sen noch einige Worte hinzugefügt werden. Unsere europäischen Ar- ten kenne ich aus conservirten Stücken, die im Besitz von Dr. Stau- dinger; so durfte mit einigem Fug und Recht die zahlreiche bezüg- liche Litteratur vernachlässigt werden. Die Futterpflanzen sind nach Wilde angegeben. Auch in der Litteratur über fremde Formen musste einige. Auswahl getroffen werden. So ist das bekannte Werk der Madame Merian ignorirt worden. Es mag seiner Zeit Werth gehabt haben als Anregung zu ähnhchen Untersuchungen, als Quelle ist es durchaus zu verwerfen. Die Dame hat gelegentlich ganz will- kürlich Raupe, Puppe, Schmetterling, Futterpflanze combinirt, wohl auch einmal ihrer Phantasie beim Zeichnen freien Lauf gelassen. Auch bei anderen Autoren finden sich nachweisbar falsche Angaben, doch erscheinen sie im ganzen glaubwürdig. Wenn die Referate über zahlreiche Berichte recht spärlich er- scheinen, so möge man berücksichtigen, dass doch eben nicht mehr zu geben ist, als man mit einiger Sicherheit aus Beschreibung oder Zeichnung ersehen kann. Man findet bei verschiedenen Systematikern die Angabe, dass uns doch die Kenntniss der Raupen der Nym- phaliden recht wenig für die Erkenntniss des Systems nützt. Ver- gleicht man nun die Genauigkeit, mit der man beim Schmetter- ling das Längenverhältniss der Adern und andere Verhältnisse studirt, um einen Anhalt für die Erkenntniss des Systems zu erlangen (oft mit recht geringem Erfolg), mit den Angaben über Raupe und Puppe, so erscheint es als eine sonderbare Zumuthung, wenn man 422 WILH. MÜLLER, aus Angaben wie etwa „Raupe dornig, Puppe höckrig" speciellc Schlüsse ziehen soll. Diese Art der Angaben erklärt sich ja zum Theil aus der Zeit, in der sie entstanden — doch sind die ältesten Angaben nicht immer die schlechtesten — , zum Theil daraus, dass sie von Leuten gemacht, die der Wissenschaft fern gestanden; es kann daher von einem Vorwurf nicht oder nur zum Theil die Rede sein, auch fehlt es nicht an rühmlichen Ausnahmen, doch erscheint, denke ich, die Kürze der Referate entschuldigt. In der Anordnung des Stoffes habe ich eine Trennung der spe- ciellen Angaben von den daraus gezogenen Schlüssen, die dann im Rückblick auf die betreffende Unterfamilie enthalten sind, angestrebt, doch ist die Trennung nicht streng durchgeführt Besonders Betrach- tungen über Bedeutung von Zeichnung, Bildung des Körpers sind häufig gleich in den speciellen Theil aufgenommen. Um einigen Anhalt für eine Trennung des ziemlich umfangreichen Stoffes zu haben , wurden zunächst die Unterfamilien von Bates bei- behalten, einzeln besprochen, (auf den Werth dieser Unterfamilien komme ich an anderem Ort zurück), nicht ohne sie in etwas zu modi- ficiren, besonders ohne die von Kieby gewählte Reihenfolge beizube- halten. Die gewahrte Reihenfolge ist aus dem Inhaltsverzeichniss zu ersehen. Die Danainae-Ithomiinae, von denen ich auch einiges Material untersucht, sind aus der Reihe der eigentlichen Nymphaliden entfernt. Ich finde in der Untersuchung der Larven keinen zwingen- den Grund, sie mit den übrigen Nymphaliden zu vereinigen ; auch die bei der Untersuchung des Schmetterlings gefundenen sind von zweifel- haftem Werth. Will man die Danainen den Nymphaliden einreihen, so muss man sie als gleichwerthige Unterfamilie allen übrigen gegen- überstellen. Sie werden hier als Anhang zu den Nymphaliden be- sprochen. Ich habe in mehr als einer Richtung die bereitwilligste Unter- stützung bei der Arbeit gefunden, wofür ich den Betreffenden zu be- sonderem Dank verpflichtet bin. Wenn Eingangs erwähnt wurde, dass die Untersuchung während eines längeren Aufenthaltes in Blumenau, im Haus von Fritz Müller angestellt wurde, so ist damit schon eine wesentliche Hülfe angedeu- tet, die mir zu Theil wurde. Die Beobachtungen knüpften zum Theil an ältere Untersuchungen des Genannten an, die dabei gesannnelten Erfahrungen kamen mir sehr zu Statten; vorläufige Bestimmungen der Thiere wie der Pflanzen , die nur auf Grund des hier zur Verfügung stehenden Materials an bestimmten Exemplaren, der vorhandenen Lit- Südainerikanisclie Nyinphalideiiraupen. 423 teratur und der Sachkenntniss von Fritz Müller möglich waren, boten willkommenen Anhalt. Grösseren Werth hatte wohl die An- regung, die aus dem täglichen Verkehr floss. Für Bestimmung der Schmetterlinge bin ich Herrn Dr. O. Stau- dinger verpflichtet. Derselbe hat sich selbst der Mühe unterzogen, die Typen mit seiner Sammlung zu vergleichen ; von den mir zugäng- lichen Wegen, die Thiere bestimmt zu erhalten, jedenfalls der, welcher die zuverlässigsten Resultate lieferte. Die Bestimmung der Mehrzahl der Pflanzen ist im Berliner bota- nischen Museum ausgeführt nach getrockneten Exemplaren, wofür ich nächst dem Direktor des genannten Instituts, Herrn Prof. Eichler, Herrn Dr. Schumann verpflichtet bin. Die Bestimmung der Sapinda- ceen hatte Herr Prof. Radlkofer in München die Güte zu über- nehmen. Für Einsicht in die unterstellten Sammlungen, Mittheilung von Beobachtungen bin ich ferner verpflichtet Herrn V. v. Benninghausen in Rio de Janeiro, Herrn Dr. 0. Staudinger und Herrn Dr. H. De- wiTZ. Allen genannten Herren auch an dieser Stelle meinen wärm- sten Dank. Nomenclatur. Ich schliesse mich eng den WEiSMANN'schen Bezeichnungen an (1. c. p. 8), gebe den Dornenreihen den gleichen Namen, wie den an gleicher Stelle verlaufenden, die Basis der Dornen verbindenden Li- nien und Streifen. Danach ist Dorsallinie die in der Mitte des Rü- ckens verlaufende einfache oder doppelte Linie, Dorsalia {Ds) sind die auf dieser Linie stehenden Dornen. Dieselben sind Dorsalia an- teriora (Ds anf), wenn sie vor, Dorsalia posteriora {Ds pst) , wenn sie hinter der Verbindungslinie der Subdorsalia stehen. Subdorsal- linien, Subdorsalia {Sds) sind diejenigen Linien resp. Dornen, welche annähernd mitten zwischen Dslinie und Stigma verlaufen, resp. stehen. Suprastigmale Linie, Suprastigmalia {Sst) , Infrastigmallinie , Infra- stigmalia (Ifst) sind Linien und Dornen, welche sich dicht über oder unter dem Stigma finden, dazu kommt eine noch tiefer stehende pe- dale (Ped) Dornenreihe. Weiter brauche ich den Namen eines Late- ralstreifs für einen den Raum zwischen Sst und Sds füllenden Strei- fen, den Namen infrastigmale , suprastigmale Region für alles über oder unter der Stigmalinie Liegende. Bei der Bezeichnung der Segmente zähle ich von Prothorax als 1. bis zum 9. Abdominalsegment als 12, führe den Kopf besonders. 424 WILH. MÜLLER, Acraeinae. Äcraea Fabr. Acraea pellenea Hübn. Die Eier sind oval, stark längs, fein quergestreift, sie werden un- regelmässig neben, zum Tlieil über einander in Gesellschaften von über 100 Stück an die Unterseite der Blätter von Micania scandens ab- gelegt. 1. Stadium 2 — 3 mm. Kopf rund, braun, Körper cylindrisch, durchscheinend. Das Thier ist mit schwarzen Borsten besetzt, und zwar finden wir auf den typisch gebauten Segmenten 4 — 11 oberhalb des Stigmas jederseits drei: eine, welche dem vordem Segmentrand genähert, etwas höher als die ^St^slinie liegt (Borste 1); eine zweite, wenig tiefer liegende, dem hintern Seg- mentrand genäherte (Borste 2) ; eine dritte senkrecht über dem Stigma liegende, (Borste 3); ferner unterhalb des Stigmas: eine schräg hinter, wenig tiefer als das Stigma liegende (Borste 4) , eine senkrecht unter dem Stigma liegende (Borste 5), eine nur an den Segmenten 2 — 5, 10, 11 (12?) auftretende Borste 6, welche noch tiefer liegt. Vergl. Taf. XII, Fig. 1—7. Anders ist die Stellung der Borsten auf 1 — 3, 12, und kommen wir auf diese Segmente an anderer Stelle zurück. Wir finden diese Borsten in gleicher Anordnung bei allen zu besprechenden Arten wieder und bezeichnen dieselben als die „primären Borsten". Stets stehen sie auf kleinen Wärzchen. Bei Äcraea pellenea sind sie gerade oder wenig gebogen, fein geknöpft, ziemlich lang, zum Theil länger als der Körperdurchmesser. 2. Stadium 3 — 4 mm. Kopf rund , mit Borsten bedeckt. Am Körper finden wir Dornen, und zwar Sds auf 1 — 11, Sst &u{ 2 — 11, Ifst Siui 4 — 11, ausserdem zwei Dornenpaare auf 12, die wir als Sds und Sst 12 bezeichnen. Die Dornen stehen auf 4 — 11 annähernd in senkrechter Reihe, in gleicher Linie mit dem Stigma, auf 2.3 sind die Sst gegenüber denen der folgenden Seg- mente heruntergerückt, sie stehen mit dem Stigma in gleicher Höhe, 9ind ausserdem dem vordem Segmentrand derart genähert, dass sie sich Südamerikanische Nymphalidenraupen. 425 fast auf der Grenze zweier Segmente , weit vor den Sds finden. Die Dornen sind konische Fortsätze, welche auf kleinen Höckern 5 — 10 massig lange Borsten tragen. Im übrigen ist der Körper dünn mit Borsten be- setzt , welche kurz , von gleicher Gestalt wie die der Dornen und die primären Borsten des ersten Stadiums; die primären Borsten sind nicht mehr nachweisbar. Das Thier ist anfangs ganz hell, bis auf den Kopf und die Sds auf 1 , gegen Ende erscheint ein dunkler Lateralstreif, der indessen von einer hellen Zone um die Sst fast ganz verdrängt wird. In den folgenden Stadien ändert sich in der Gestaltung des Körpers nichts, als dass der Borstenbesatz der Dornen stetig dichter, die Dornen zugleich länger werden. Wir beschränken uns für die folgenden Stadien auf Angabe der Färbung. 3. Stadium 4 — 6 mm lang. Körper hellbraun angehaucht, mit Andeutung eines dunkleren Lateral- streifens, Dornen bräunlich durchscheinend, nur die Sds 1, 2, Sds und Sst 12 schwarz. 4. Stadium 6 — 8 mm. Wesentlich wie das vorhergehende, nur hat sich die dunkle Farbe der Sds am vorderen Körperende auch auf die Sds 3 und 4 erstreckt, doch gehen die dunkel gefärbten Sds ohne scharfe Grenze in die hell gefärbten über. Die Thiere hatten zum Durchlaufen dieser 4 Stadien annähernd einen Monat gebraucht ; ich war gezwungen, das weitere Ziehen der Gesell- schaft aufzugeben, da ich auf mehrere Wochen verreisen musste ; nach meiner Eückkehr suchte ich eine Gesellschaft, welche noch nicht viel weiter entwickelt als das letztbeschriebene Stadium, doch ist hier eine Lücke in der Entwicklung. 6.? Stadium. — 1 cm. Körper auf dem Rücken auf 1 — 6 hellbraun, auf 7 — 10 schmutzig weiss, auf 11 braun, auf 12 schwarz. Die Farben gehen ohne scharfe Grenze in einander über. Darunter ein ziemlich scharf abgesetzter schwarzer Lateralstreif, welcher zum Theil verdrängt wird von einem hellen Ring um die Basis der Sst und helle Querstreifen, welche auf den beiden letzten Querfalten jedes Segmentes vom Rücken in den Lateral- streifen hineinreichen. Ifstregion weiss. Ifst. ebenfalls weiss. Die Sds, Sst von 1 — 5, 11, 12 sind schwarz mit braunen Borsten, die Sds und Sst 7 — 9 rein weiss oder weiss mit bräunlichem Anflug, die an der Grenze zwischen dunkel und hell gefärbten Dornen stehenden Sds, Sst 6—10 bilden den Uebergang, sind sehr variabel, sie sind entweder be- reits ganz schwarz oder hell mit schwarzer Basis, so die Sst; hell mit schwarzer Spitze, so die Sds. 7.? Stadiu m. Die Färbung des Körpers ist im wesentlichen die gleiche, doch ist auf dem Rücken die Trennung zwischen vorderer dunkler (l — 6) und 426 WILII. MÜLLER, mittlerer heller Kegion ziemlich scharf geworden , während nach hinten die helle Region ohne Grenze in die dunkle 10 — 12 übergeht. Von Dornen sind wieder die Ifst weiss oder liohtbraun, die Sds und Sst 1 — 6, 10 — 12 schwarz mit glänzend braunen Borsten. Bezüglich der Sds und Sst 6 — 9 kommen folgende Varietäten vor: 1) Sds ganz, Sst überwiegend weiss, letztere stets mit schwarzer Basis, oft auch kleiner schwarzer Spitze, Borsten weiss; 2) Sds weiss mit kleiner schwarzer Spitze, Sst überwiegend schwarz, mit kleiner weisser Spitze, Borsten weiss (häufigster Fall); 3) Sst ganz schwarz, Sds obere Hälfte oder fast ganz schwarz, stets bleibt bei den Sds 6 — 9 die Basis hell. — Borsten weiss. 8.? Stadium. — 2 cm. "Wesentlich, wie das vorhergehende, die dunkle Färbung der Dornen auf 6 — 9 noch weiter vorgeschritten, die Borsten an den genannten Dornen stets weiss. Das Thier erscheint im ganzen braun , die braune Farbe unter- brochen durch eine die Segmente 6 — 9 einnehmende helle Querbinde. Letztere wird hervorgebracht vorwiegend durch die weisse Farbe der Borsten an den Sds und Sst 6 — 9. Auffallend ist die grosse Zahl von Häutungen, welche die Raupe durchmacht; die Gattung Acraea steht in dieser Beziehung unter den mir bekannten Nymphaliden ziemlich isolirt da. Auf die Genese der Zeichnung komme ich nach Besprechung der Raupe Acraea anteas var. zurück. Puppe. (T. XV, Fig. 1). Die Puppe ist schlank, auf 2 — 5 wenig eingeschnürt, mit kurzen konischen Fortsätzen am Kopf und an der Flügelwurzel , Flügelkante wenig entwickelt, kleine 5^(^s höcker auf 1 — 3, grössere dornartige Gebilde auf 5 — 9. 3 bewegliche Segmentverbindungen (7 — 8, 8 — 9, 9 — 10). Die Puppe ist lebhaft schwarz und weiss oder gelblich gefärbt. Auf weissem Grund hebt sich ein schwarz und gelb gezeichneter Streif auf 5 — 11 von der /S'(Zslinie bis halbwegs zu dem Stigma reichend; seine obere Grenze ist als schmale /St^slinie nach vorn bis zum Kopf fortgesetzt. Ferner findet sich ein doppelter schwarzer ifst und ein einfacher ped Streifen, schwarz gezeichnet ist ferner das Flügelgeäder , die Sds 5 — 9 und der Cremaster. Acraea anteas Doubl. Hkw. var lebt in Gesellschaften von 20 bis 50 an Mikania sericea Hook. Die Art ist bei Blumenau bei weitem seltener, als die vorhergehende, ich habe sie nur während der 2 letzten Stadien beobachten können. Vorletztes Stadium. Körpergestalt wie pellenea, die Dornen weniger dicht mit Borsten besetzt; Kopf grauschwarz, Körper schmutzig graugelb, einzelne Indivi- duen mit deutlichem dunkleren Lateralstreifen. Die Dornen sind eben- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 427 falls schmutzig graugelb und nach der Spitz(> zu bräunlich angelaufen, diejenigen von 1 und 12 schwarz, bisweilen auch die Sst 11, seltner die Sds 11 und Sst 12 schwarz, letztere stets nur zum Theil (Spitze). Letztes Stadium. Kopf weiss, fein schwarz punktirt. Körper braungelb, feine schwarze Linien über den Rücken in den Furchen zwischen den Hautfalten. Schwarz ist ein Lateralstreif, das Segment 1 und die hintere Hälfte von 12. Die Dornen haben Körperfarbe oder sind schwarz, letzteres die sämmtlichen Sst, die Sds 1, 2 und 10 — 12, die Sds 10 bisweilen nur in der oberen Hälfte, ferner bisweilen auch die obere Hälfte der Sds 3. Puppe wie die von Acraea pellenea. Wir können die Entwicklung der Zeichnung von Acraea pellenea ungefähr in folgender Weise kurz charakterisiren. Ausgangs- punkt ist ein hell gefärbter Körper mit dunklem Ijateralstreifen, hellen Dornen. Nun finden sich oder treten im I.aufe der Entwicklung auf am hinteren und vorderen Körperende Anfänge einer dunkleren Fär- bung, auf dem Rücken, wie an den Dornen. Diese dunklere Färbung schreitet gleichmässig von beiden Körperenden nach der Mitte hin vor ; für die Färbung des Rückens finden sie ihre Grenze im 6. und 9. Segment, die Segmente 6—9 bleiben hell; für die Färbung der Sds und Sst bemächtigt sie sich des ganzen Körpers, bis auf wenige Reste am Stamm der Sds und Sst 6 — 9 und die Borsten der Sds und Sst von 6 — 9. Dabei findet in der Umfärbung der Dornen ein Unter- schied statt, die schwarze Farbe kann zuerst an der Spitze auftreten, sich von da aus des Dorns bemächtigen, oder an der Basis. Den ersten Modus der Umfärbung finden wir stets bei den Sds dornen^ bisweilen auch neben dem zweiten bei den Sst, den zweiten vorwie- gend bei den Sst Es hängt dies augenscheinlich damit zusammen, dass die Sds auf hellem, die Sst auf dunklem Grunde stehen. Vergleichen wir mit dieser Entwicklung die von Acraea anteas, von der wir leider nur die beiden letzten Stadien kennen, so bietet uns die letztere annähernd zwei Glieder aus der Entwicklung von Acraea pellenea, nur finden wir die Glieder, die bei pellenea unge- fähr am Anfang der Entwicklung standen, hier am Ende. Ein wesent- licher Unterschied der Acraea anteas der pellenea gegenüber besteht darin, dass die 5s^ dornen, im Anschluss an die Färbung des Lateral- streifs, mit der letzten Häutung sofort sämmtlicb eine dunkle Färbung annehmen. Eine dritte Species von Acraea, die mir nicht bestimmt ist, habe ich an Mikania hederifolia gefunden , die Raupe lebt einzeln , ist ganz schwarz. 428 WII.H. MÜ[>LEE, Folgende Angaben über Äcraea aus der Litteratur sind mir be- kannt geworden. C. Stoll 1. c. p. 6, T. I, Fig. 6 Äcraea thalia Lin. HoßSFiELD und Moore 1. c. p. 135, 36 T. V. Fig. 1. Acraea violae Fabr. enthalten beide keine Angabe über Futterpflanze, bieten nichts Neues. K. Trimen 1. c. p. 93, T. I, Fig. 4. Äcraea horta Lin., lebt an Kiggleria africana, nach andrer Beob- achtung au Passiflora coerulea. Raupe braungelb, mit breitem dunk- len Lateralstreifen (also ungefähr der Ausgangspunkt der Entwick- lung bei Äcraea pellenea). Puppe der von pellenea ähnlich, doch ohne Dornen. H. Burmeister 1. c. p. 13, T. IV, Fig. 7. Äcraea sp. Raupe ungefähr wie anteas. F. Moore, 1. c. 1, p. 66, T. 33, Fig. 1. Äcraea violae Fabr. an Cucurbitaceen. Raupe wie die von pel- lenea, Puppe? F. Moore, 1. c. 2 a, p. 340 , T. IV , Fig. 7, Äcraea pellenea , au ver- schiedenen Compositen. Abbildung der Puppe 1. c. 2 b , p. 234 Äcraea alalia Feld. Futterpflanze? übrigens wie pellenea. Aus den säramtlichen Angaben über Äcraea geht hervor, dass die Zeichnung, ein dunkler Lateralstreifen auf hellerem Grund, weit verbreitet in der Gattung, vielleicht, wenigstens im Lauf der Ontoge- nese, bei allen Arten auftritt. Was an der Bedoniung für 'die Gat- tung charakteristisch, das werden wir erst beim Vergleich mit andern Familien kennen lernen. Heliconinae. Heliconius Latr. HeliconiuH apsetides Hübn. Die Eier werden in grösserer Anzahl an die Spitzen der Zweige von Passiflora sp. abgelegt. (Die Art war nicht zu bestimmen). 1. Stadium. 0.3 — 0.45 cm. lang. Kopf rund, bräunlich, Körper gelb, primäre Borsten schwarz, ange- ordnet wie bei Äcraea., ebenfalls geknöpft. Die Borsten des vordem Körperendes nach vorn, die des hintern Körperendes nach hinten gebogen, die mittleren nahezu gerade, die Borste 2 und das sie stützende Wärz- chen bedeutend kleiner als die übrigen. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 429 2. Stadium. 0.45—0.85. Kopf glänzend schwarz mit 2 kurzen, stumpfen Hörnern, welche ähnlich wie die Dornen mit Borsten besetzt sind. Am Körper finden wir zerstreute kleine Borsten und Dornen , letztere sind angeordnet wie bei Äcraea pellenea, nur fehlen die Sds 1. Die Dornen sind kurz, dünn mit Borsten besetzt. Die Sds 2 am längsten, wenig länger als die übrigen Sds, diese länger als die Sst, und diese wieder länger als die Ifst. Körper gelb, 1 — 4 mit schwarzem Anflug. Im weiteren Verlauf der Entwicklung nehmen die Dornen und Hörner au Länge stärker zu als der Körper, so dass schliesslich das Verhältniss zwischen Dornen und Körper ein anderes ist; die convergirenden spitzen Hörner haben im 5. Stadium ^ — ^ Gesichtslänge, die Sds 2 nicht ganz Körperdurchmesser, im übrigen bleibt die Bedornung und Bildung des Körpers unverändert. Puppe (T. XV, Fig. 2). Schlank, Flügelscheiden ziemlieh weit vorgezogen, entsprechend auf dem Kücken 2 — 6 eingezogen. Dornig und höckrig, zwei mit welligem Band versehene stark divergirende Hörner, doruartig entwickelte Sds auf 2 — 10, die von 6 — 10 lang, 6 und 7 auf blattartig verbreiterter Basis, 7 stark nach aussen gerichtet, Sst deutlich als kleine Warzen auf 6, 7, undeutlich auf 8 — 10, undeutliche ifstüöcker auf 7 — 11, pedale auf 8 und 9. Die einzelnen Fühlerglieder in Dornen ausgezogen, 3. be- wegliche Segmentverbindungen; rein seitlich beweglich. Grundfarbe weiss, darauf eine schwarze Zeichnung. Schwarz sind die Dornen, die Hörner und die Flügeladern, ferner finden sich zerstreute schwarze Punkte, die auf 1 — 7 eine doppelte Dorsallinie bilden. 2, 4, 5 mit silberglänzenden Flecken. Seliconius eucrate Hübnbk. Die gelben Eier werden einzeln an die Spitzen der Zweige, mit Vorliebe an die jungen Ranken von Passiflora alata Ait. , seltner Passi- flora edulis Sims abgelegt. 1. Stadium. Kopf gelb, im übrigen wie apseudes. 2. Stadium. Kopf gelb mit 2 langen (Gesichtslänge) massig divergirenden, schlan- ken Hörnern, welche nach hinten gebogen sind. Am Körper sehr wohl entwickelte Dornen in gleicher Anordnung wie bei apseudes. Dieselben sind unter sich annähernd gleich, wenigstens die einer Reihe, zeigen aber folgende eigenthümliche Differenzirung. Die Sds sowohl wie die Sst divergiren auf den verschiedenen Segmenten verschieden stark und zwar wechseln Segmente stärkerer Divergenz mit solchen geringerer ab. (Vergl. die Zeichnung von Eueides isabella, wo das Thier an der Grenze von 6 und 7 durchschnitten und dann von vorn gesehen gezeichnet ist; 430 WILH. .MULLER, man bemerkt, wie sich die Sds und ^Ss^ dornen von 7 und 8 nicht decken ; Taf. XII Fig. 9). Segmente mit geringerer Divergenz sind 4, 6, 8, 10. Kopf und Körper gelb, letzterer mit Andeutung der im folgenden Stadium erscheinenden Zeichnung. Dornen und Hörner schwarz. Bildung von Kopf und Körper bleiben während der 3 letzten Stadien unverändert, ihre Zeichnung ist die folgende : Kopf gelb, mit 2 schwarzen Hörnern; Körper weiss, die Dornen schwarz , ausserdem auf jedem Segment 3 Querreihen von schwarzen Punkten, 1 vor, 2 hinter der Dorneureihe. Von diesen Punktreihen zeigt die hinterste jederseits 2 Punkte, welche in gleicher Höhe mit den Sds und >Ss^ dornen liegen; die erste und dritte (dicht vor und hinter den Dornen liegende) besteht aus einem Punkt in der Mitte des Rückens und jederseits einem in halber Höhe zwischen Sds und Sst dorn, so dass wir, da die Dornen ähnlich wie die schwarzen Punkte wirken, auf jedem Segment 4 regelmässig wechselnde Reihen von schwarzen Punkten haben. Puppe der von apseudes ähuhch, das Längenverhältniss der Dornen etwas anders, die Sds 7 kurz ; Sds 7 divergiren wenig, 9 bedeutend mehr als die übrigen Sds. Grundfarbe ein lichtes Braungelb , mit Schwarz- braun gemischt, letztere Farbe bildet einen undeutlichen Ds und Spst- streifen ; alle Dornen schwarz, silberglänzende Flecke auf 3, 4, 5. Helicoflius dovis Lin. (Leere Puppenhiiute aus Staudingebs Sammlung, Dr. Hanel, unterer Amazonas). Au Stelle der bei H. apseudes wohl entwickelten Dornen finden sich nur kleine aber deutliche Wärz- chen, übrigens wie apseudes; braun und schwarzgefärbt. Die jedenfalls geselligen Raupen hängen sich auch nebeneinander auf; ich sah eine Ranke, an der die Thiere in grösserer Anzahl dicht zusammengedrängt hingen. Li tter a tur. J. C. Sepp, 1. c. Taf III, IV, p. 13, 95. Heliconius 2 sp.? Raupe und Puppe richtig gezeichnet, als Futter- pflanze Passifloren. W. Edwaeds, 1. c. Part. X, Heliconius chariionia L., gute Abbildung von Ei, Raupe und Puppe, auch von den verschiedenen Raupenstadieu. Die Dornen sollen angeblich verschiedene Länge haben, doch dürfte das auf die verschiedene Divergenz, die nicht genau beobachtet, zu- rückzuführen sein. H. Dewitz , 1. c. 2 , Heliconius chariionia Lin. auf Passifloren , Pas- sionaria. Eueides Hübn. JEkieides Isabella Gram. Die Eier werden einzeln au die Unterseite der Blätter von Passi- flora edulis Sims, abgelegt. Südamerikanische Nymphaliden raupen. 331 1. Stadium uach dem Ausschlüpfen 1.5 mm. Gestalt von Kopf und Körper wie bei Heliconius , doch endigen die primären Borsten nicht wie bei Acraea und Heliconius geknöpft, sondern sind spitz, wie aus T. XII, Fig. 2 ersichtlich, eigenthümlich ge- bogen, stehen zum Theil (1, 3, 4 und 5) auf grösseren Warzen. Der Kopf ist graubraun, der Körper anfangs grünlich, später, am 3. Tag, er- scheint die vordere Segmenthälfte von 4, 6, 8, 10 zwischen Stigma und Borste 1 braun, die Segmente 5, 7, 9, 11 zeigen 3 grosse weisse Flecke, einen zwischen den Borsten 1, 2, 3, einen zwischen Borste 3 und Stigma, einen die Borsten 4 und 5 umfassend; ähnlich wie die letztgenannten ver- halten sich auch die Segmente 2, 3 und 12, doch sind hier die Gegen- sätze weniger scharf ausgesprochen , so dass wir in Zweifel sein können, ob wir diese Segmeute zu den hell oder dunkler gefärbten rechnen sollen. Wegen des Gegensatzes in der Färbung der Segmente vergleiche T. XII, Fig. 2 ; die dort mit den Namen der Dornen bezeichneten Kreise werden später ihre Erklärung finden. 2. Stadium. Länge 4 mm. Kopf mit 2 wenig gebogenen und wenig divergirenden Hörnern. Der Körper mit langen Dornen , welche angeordnet wie bei Heliconius eucrate, auch wie dort verschiedene Divergenz zeigen. Kopf schwarz. Hörner durchscheinend grau. Segment 1 weiss, 11, 12 gelblich, 2 — lü oberhalb der Stigmalinie rothbraun bis schwarz, die Segmente 2, 3, 5, 7, 9 mit hellem Ring um die Basis der Sds und Sst , beides fehlt auf 4, 6, 8, 10, wo die Basis der genannten Dornen schwarz. Auch sonst lässt sich an helleren Individuen ein Unterschied in der Färbung der Segmente nachweisen, indem die Segmente 4, 6, 8, 10 in der Gegend der Sds und Sst dunkler. Ifst region gelblich, Sds und Sst von 2 — 10, wie gesagt, zum Theil mit heller Basis, übrigens alle schwarz mit heller Spitze. Ifst und Dornen auf 11, 12 blassgrau mit heller Spitze. In den folgenden Stadien gehen die Unterschiede in der Färbung der Segmente 4, 6, 8, 10 und 3, 5, 7, 9 verloren, doch sind bisweilen noch Beste (heller King um die Basis der Sds) direkt nach den Häutungen, selbst nach der 4. Häutung nachweisbar. Im übrigen zeigen die 3 letzten Stadien die bereits im 2. ziemlich ausgeprägte Färbung: Kopf schwarz, Körper auf 1 — 10 über dem Stigma glänzend schwarz, auf 11, 12 orange, Ifst region blassgelb. Die Dornen zeigen an der Basis die Färbung der betreflPenden Region des Körpers, sind darüber blassgrau, durchscheinend. Puppe (T. XV, Fig. 3). Das zur Verpuppung aufgehängte Thier wird gelblich durchscheinend. Direkt nach der Häutung hat das Thier die gleiche Farbe, hängt anfangs vertical, biegt sich im Verlauf einiger Stunden in der Weise, dass der Körper, die Bauchseite nach oben gerichtet, horizontal oder wenigstens der Anheflungsfläche parallel, erhärtet in dieser Lage. Die Puppe an der Bauchseite eingezogen , was mit der eigenthüm- lichen Stellung zusammenhängt, die Flügelscheiden wenig vorgeschoben, 432 WILH. MULLER, entsprechend der Rücken (2 — 6) nur wenig eingebogen. Flügelkante wenig ausgeprägt. Die Puppe sehr höckrig; wir finden Hörner, i)s hock er am vordem Segmentrand auf 6 — 10, Sds höcker auf 1 — 11, Ssthöckex auf 5 — 7. Von diesen Fortsätzen sind die Sds auf 2 — 10 zweitheilig, diejenigen von 6 und 7 mit enorm entwickeltem vorderen Ast. Cremaster mit eigenthümlich lang gezogener Anheftungsfläche. Der Körper ist grau, weiss und weissgelb. Weissgelb sind die Dornen oder wenigstens ihre Spitze, weiss 2 Längsstreifen auf den Flügeln, der Kopf, die Ifst region und eine spstLinie, der Rest grau mit Weiss gemischt. Die höchst eigenthümlich gestaltete Puppe ahmt eines jener Insekten nach, welche von den Hyphen eines Pilzes durchzogen, zum Theil damit bedeckt sind. Der Pilz pflegt unregelmässige Höcker oder lange faden- förmige Fortsätze zu bilden, wie wir sie ähnlich in den Dornen der Puppe finden. Man findet solche Insekten nicht selten der Unter- und Oberseite der Blätter angeklebt. Eueides aliphera Godt. Au Passiflora amethystina Mek. Eiablage und erstes Stadium wie isabella. 2. Stadium. 3 — 4.5 mm. Hörner ungefähr von Gesichtslänge , im übrigen Gestalt von Kopf und Körper wie bei isabella. Der Kopf ist weiss und braun oder schwarz, die Farben in verschiedener Vertheilung. Der Körper ist weisslich mit brauner Uuerbiude auf 4, 6, 8, 10. Die Dornen schwarz mit heller Spitze, sie stehen auf grauer, scharf umgrenzter Warze. 3. Stadium. 4.5 — 7 mm. Körper unterhalb des Stigmas weiss , darüber schwarz. In der Ds- linie finden sich gelbe Punkte und zwar ein kleinerer am vorderen , ein grösserer am hinteren Segmentrand auf 3, 5, 7, 9; nur ein kleinerer am hintern Segmentrand auf 4, 6, 8, 10. Die Dornen sind schwarz, so Sds und Sst 1 — 4; weiss, die Ifst und Sst 12, oder schwarz mit weisser Binde unter der Spitze, so die übrigen. 4. Stadium. Wie das vorhergehende. Neben der oben beschriebeneu Anordnung der gelben Fleckein der J)slinie kommen noch folgende Varietäten vor: 1) Die Flecke auf 3, 5, 7, 9 vergrössert, dann kommen auf 4, 6, 8, 10 auch jt' 2 Flecke vor, von denen indessen der grössere hintere nicht grösser als der kleine vordere auf 3, 5, 7, 9. 2) 4, 6, 8, 10 ganz ohne Flecke, dann die auf 3, 5, 7, 9 klein. 5. Stadium. Zu Anfang im wesentlichen wie das vorhergehende Stadium, soweit beobachtet in der Anordnung der gelben Punkte stets der sub. Var. 1 beschriebene Fall. An den Segmeuten 2, 3, 5, 7, 9 finden wir hinten an der Basis der Sds einen hellen Fleck, welcher bisweilen später auch Südamerikanische Nymphalidenraupen. 433 an den Segmenten 4, 6, 8, 10 erscheint, häufig unterbleibt die Anlage hier, ferner können erscheinen: ein heller Fleck, dicht vor den Sds, einer schräg hinter und unter den Sds, ein schmaler querer am hintern Kand. Die Anlage dieser Flecke kann unterbleiben; treten sie auf, so erscheinen sie zuerst an den Segmenten 2, 3, 5, 7, 9, später an 4, 6, 8 10. Die gelben Punkte in der Mittellinie nehmen stets an Grösse zu so dass sie schliesslich den grössten Theil des Rückens bedecken, wobei die der Segmente 4, 6, 8, 10 die ursprünglich viel grösseren der anderen Segmente ganz oder nahezu einholen (Vergl. T. XII, Fig. 13). Puppe nach Anheftung und Gestalt der von isdbella ähnlich, die Dornen weniger entwickelt, nur die Sds 6, 7 stark entwickelt, nach aussen gerichtet, die übrigen Sds kleine Höcker, zum Theil (8, 9, 10) noch zweitheilig. Sst 6, 7, 8 kleine Warzen, andere Dornen nicht nachweis- bar. Die Puppe ist weiss und schwarz, weiss ist die Grundfarbe, schwarz die Dornen und Hörner, eine unterbrochene Ds\m\e, ein stigmaler und pedaler Streif, ferner das Flügelgeäder. JEJueides pavana Men. lebt an Passiflora sp. (gleiche sp. wie apseudes). Die Eier werden neben einander zu über 100 an die Unterseite eines Blattes geklebt: Ueber die Zeichnung der Raupe fehlen mir ge- nauere Notizen , doch fehlt in den ersten Stadien jede Andeutung von Unterschieden in der Färbung der Segmente. Litteratur. H. Dewitz, 1. c. 2 p. 166. Eueides cleobaea HtJBNKR auf Asclepias. (? aut). F. MöOEE, 1. c. 2 a p. 341. Eueides dianasa Hübn. An Passiflore. Raupe nicht weiter beschrieben, Puppe sehr dornig. Colaenis Hübner. Colaenis dido Lin. Entwicklungsdauer. Ausgeschlüpft 12/X; 1. H 16/X; 2. H 20/X ; 3. H 24/X; 4. H 28/X; 5. H 4/XI; Schmetterling 18/XI (4, 4,4,4,7, 14, Tage). Die gelben Eier werden einzeln an die Unterseite der Blätter von Passiflora sp. (gleiche sp. wie apseudes) abgelegt. 1. Stadium. 3.5 — 4.5mm. Kopf rund, Körper cylindrisch, primäre Borsten wie bei apseudes geknöpft; in Folge starker Entwicklung der Warzen, auf welchen die Borsten 1 und 3 stehen , erscheinen die einzelnen Segmente durch tiefe Querfurchen geschieden. Kopf schwarzbraun , Körper gelb, Borsten und Zone um ihre Basis schwarz. Zwischen den Segmenten 4, 6, 8, 10 und Zoolog. .Jahrb. I. 28 434 WILH. MÜLLER, den übrigen findet sich ein ähnlicher Gegensatz wie bei Eueides isdbella. Der Unterschied in der Färbung der Segmente wird erst gegen Ende des Stadiums deutlich, 2. Stadium. 0.45—0.75 cm. Gestalt des Kopfes und Körpers in diesem und den folgenden Stadien der von Heliconius eucrate überaus ähnlich, auch bezüglich der verschie- denartigen Divergenz der Dornen. Zu Anfang des Stadiums ist das Thier annähernd gleichmässig braungelb , die Segmente sind unter sich wenig verschieden, gegen Ende zeigt es folgende Zeichnung: Kopf gelb, Hörner schwarz. Grundfarbe des Körpers braun, auf allen Segmenten am hinteren Segmentrand 2 weisse Streifen, die sich dem Segmentrand parallel über das ganze Segment wegziehen. An den Segmenten 3, 5, 7, 9 , weniger deutlich an 2 und 11 eine breitere die Sds und eine schmalere die Sst umziehende helle lebhaft gelbrothe Zone, die Basis der betreffenden Dornen ähnlich gefärbt; die hellen Flecke um die Sds auf jedem Segment an ihrem vordem und hintern Rand durch helle Linien verbunden. Ferner an den genannten Segmenten an der Basis der Ifst und unter derselben ein breiter heller Fleck, welcher sieh weniger deutlich auch an den Seg- menten 4, 6, 8, 10 wiederholt. 3. Stadium. 1.1 cm. Der Gegensatz in der Färbung der Segmente hat sich annähernd erhalten , nur haben 2 und 3 ziemlich vollständig die Färbung eines dunklen Segmentes angenommen , indem die helle Zone um die Dornen bei den Sds 3 bis auf einen hellen King, bei den Sds 2 bis auf einen kleinen hellen Fleck , bei den Sst 2, 3 ganz zurückgedrängt ist. Im übrigen ist die Grundfarbe schwarz geworden, die hellen Uuerstreifen am hintern Segmentrand aller Segmente sind zum Theil der schwarzen Fär- bung gewichen. 4. Stadium. (T. XII Fig. 12) Zu Anfang des Stadiums (Fig. 12 a) finden wir die Zeichnung gegen- über der des vorhergehenden Stadiums in etwas verändert, doch existirt der Gegensatz in der Färbung der Segmente fort ; an den hellen Seg- menten, zu denen 3 wieder deutlich zählt, hat sich die helle Zone um die Basis der Sds und Sst in der Weise vergrössert, dass beide fast ohne Grenze zusammenÜiessen; auch auf dem Rücken hat das Weiss sich auf Kosten des Schwarz vermehrt. An den dunklen Segmenten 2, 4, 6, 8, 10 findet eine Annäherung an die Bildung der hellen Segmente insofern statt, als Anfänge einer hellen Zone um die Basis der Sds und Sst als schmale helle Ringe sichtbar werden. Ferner finden wir auf allen Segmenten einen hellen Stigmastreif, etwas tiefer einen hellen Fleck. Im Lauf des Stadiums finden auftällende Veränderungen statt, das Weiss nimmt bedeutend auf Kosten des Schwarz an Umfang zu, das Schwarz wird zurückgedrängt (vcrgl. Fig. 12 b). Dieser Vorgang macht sich auf den dunklen Segmenten in dem Maasse stärker geltend , dass dieselben die hclleu schliesslich fast vollständig einholen, ihnen bis auf Südamerikanische Nymphalidenraupeti. 435 ^ unbefleutende Differenzen gleichen. Als Eost des zu Anfang des Stadiums so auffallenden Unterschiedes bleibt ein schwarzer Punkt an der Basis der Sds auf den Segmenten 2, 4, 6, 8, 10. 5. Stadium. Die Zeichnung verändert sich gegenüber der vom Ende des 4. Sta- diums nur insofern , als das Schwarz noch mehr zurückgedrängt wird, das Thier im ganzen heller wird. Der geringe Unterschied zwischen den hellen und dunklen Segmenten erhalten oder ganz verwischt. Während der 2 ersten Stadien frisst das Thier derai't , dass vom Blatt ein schmaler Band stehen bleibt, und zwar frisst es dabei nur einen schmalen Gang, der so entstandene schmale Blattstreif, welcher an einem Ende frei , kann eine Länge von über 2 cm erreichen , er dient dem Thier während der genannten Stadien (1. und 2.) als Aufenthaltsort wäh- rend der Buhe. Puppe. Im ganzen der von Heliconius apseudes ähnlich, doch finden wir an Stelle der Dornen und Hörner mehr oder weniger grosse höckrige Warzen. Als kleine Warzen sind die Sds erhalten auf 2 — 5 und 11, als grössere höckrige Vorsprünge auf 6 — 10, besonders gross auf 6. /Ss^höcker aut 5 — 7, Ifsthöcker auf 8 — 10. Pe(^a?höcker auf 8, 9, ausserdem klei- nere Höcker, und zwar der Mittellinie genähert 3 — 5 Paare auf 2, unpaare Höcker am vordem Band von 8 — 10. Die Färbung der Puppe zeigt die Farben schwarz, weiss und grau eigenthümlich gemischt. Wir finden einen breiten weissen , nach oben in Grau übergehenden suprastigmalen und lateralen Streifen und einen ebenso gefärbten Streifen an der Bauchseite von 7, 8, 9. Die ÄcZshöcker auf 7 , 9 sind überwiegend weiss, die andern schwarz. Flügel, Kopf und Beine sind hellgrau, der Rest schwarz oder schwarzbraun, mit Weiss und Grau gemischt; silberglänzende Flecke auf 1, 3, 4. Colaenis Julia Fabr. Eiablage wie bei dido, an Passiflora ichthyura Masz. 1. Stadi um. Dem von dido überaus ähnlich, auch bezüglich des Unterschiedes in der Färbung der Segmente. Ueber das 2. und 3. Stadium fehlen mir genauere Notizen , im 2. Stadium erhalten sich die Unterschiede in der Färbung der Segmente, ebenso im 3., welches dem abgebildeten 4. ähnlich, doch ohne die helle Zeichnung in der Gegend des Sds von 4, 6, 8, 10. 4. Stadium. Kopf mit 2 schlanken , wenig nach vorn gerichteten , gebogenen, schwach convergirenden Hörnern von nicht ganz Gesichtslänge. Im übrigen ist die Gestalt des Körpers und der Dornen wie bei dido, doch sind die Sds von 2 — 4 und 11 etwas länger als die übrigen. 28* 436 WILH. MULLER, Zeichnung: Der Kopf ist gelb, an der Vorderseite mit grossen schwarzen Flecken, welche die Grundfarbe bis auf wenige helle Linien verdrängen. Der Körper ist schwarz mit folgender hellen Zeichnung (T. XII Fig. 10 a), auf allen Segmenten in der ifst llegion ein grosser chromgelber Fleck auf der Grenze der Segmente, nach hinten aufsteigend, und zwei ebenso gefärbte kleinere tiefer liegende in der Mitte des Segmentes, ferner vier weissgelbe Querbinden , bis in die Gegend des Stigma reichend, 1 vor, 3 hinter der Doruenreihe liegend. Diese Uuerbinden sind auf Segment 1 — 3 fast ganz verdrängt durch die schwarze Grundfarbe; auf den fol- genden Segmenten sind die Querbinden 1 und 2 (dicht vor und dicht hinter den Dornen) entweder breit, reichen bis arr die Basis der Dornen (5, 7, 9, 11) oder schmal, nicht breiter wie die folgenden (4, 6, 8, 10) (Taf. I Fig. 10 a). 5. Stadium. Fig. 10 b. Die helle Färbung hat sehr auf Kosten der dunklen an Umfang zu- genommen, die gelben Flecke der ifst Region sind bedeutend grösser ge- worden, an Stelle der weissen Färbung in der spst Region ist ein blasses Grau mit einer Beimischung von Rosa getreten, nur die Gegend der Ifst 5, 7, 9, 11 ist fast rein weiss. An den genannten Segmenten ist die dunkle Farbe in der vordem Hälfte der Segmente fast ganz verdrängt, auch die Dornen haben in ihrer untern Hälfte eine hellere Färbung ange- nommen, während auf 4, 6, 8, 10 grosse schwarze Flecke um die Basis der Sds und Sst geblieben sind, so dass der Gegensatz in der Färbung der Segmente jetzt augenfälliger als im vorhergehenden Stadium. Die Segmente 2 und 3 schliessen sich in ihrer Zeichnung enger den hellen Segmenten an. Im 1. und 2. Stadium zeigt das Thier ähnliche Gewohnheiten wie dido. Puppe der von dido überaus ähnlich. Raupe, Puppe, Futter- pflanze von Julia finden sich im ganzen treu abgebildet bei J. C. Sepp, 1. c. T. V. Ferner ist mir Colaenis delila Fabk. , Raupe 5. Stadium, be- kannt geworden (1 Expl. in Spiritus Mus. Berol.) , sie gleicht der von dido, dasselbe Exemplar findet sich abgebildet und beschrieben H. Dewitz 1. c. 3; H. Dewitz 1. c. 2 p. 166/67 giebt als Futterpflanze der Art Pas- siflora an. Bione Hübner. Diane vanillae Lin. Lebt an Passiflora vellozii Gaedn. Die Eier werden einzeln an Blätter oder Stengel abgelegt. Ich habe die Art nie an anderen Arten von Passiflora gefunden. 1. Stadium. Körperform wie die anderer Heliconier, die primären Borsten ziem- lich kurz, gerade, geknöpft, Borste 2 fast ganz zurückgebildet. Grund- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 437 färbe hell brauugrüü mit ähnlichen Gegensätzen in der Färbung der Seg- mente, wie wir sie bei JEueides isdbella finden. 2. Stadium. Körperform, Anordnung der Dornen annähernd wie bei Heliconius eucrate. Grundfarbe braunschwarz, ein gelbgriiner Dsstreif, die ganze Breite des Rückens einnehmend, und ein schmaler heller Stigmastreif. An der Basis der Sds und Sst 5, 7, 9 findet sich ein feiner weisser Streif, den Dorn ungefähr zur Hälfte von unten umfassend. 3. Stadium. Der gelbgrüne Z)sstreif ist dunkel orange geworden, er wird durch eine schwarze Mittellinie in 2 Parallelstreifen zerschnitten, auf den 2 hintern Querfalten des Segmentes und am vordem Segmentrand treten kleine weisse Wärzchen auf, welche je eine kleine schwarze Borste tragen. Der weisse Fleck unter den Sds und Sst 5, 7, 9 noch vorhanden, doch kaum nachweisbar. 4. Stadium. Der weisse Fleck unter den Sds und Sst 5, 7, 9 nicht mehr nach- weisbar, zwischen den Sds und Sst erscheint eine undeutliche orange Linie. Im übrigen die Zeichnung wie im 3. Stadium, ebenso das 5. Puppe. Der von Colaenis dido ähnlich, die Höcker kleiner, die Färbung heller. Raupe und Puppe sind häufig beobachtet. C. Stoll (1. c. p. 7 T. 1 Fig. 7), Abbot and Smith (1. c. p. 23 T. 12), J. C. Sepp (p. 117 T. 55) bilden Raupe und Puppe mehr oder weniger gut, doch sämmtlich erkennbar ab; alle geben als Futterpflanze Passifloren an, wenn auch verschiedene Arten; diese Angabe wird bestätigt von H. Dewitz 1. c. 2 p. 167 und F. MooEE 1. c. 2 b p. 235. Nur die Madame Meeian lässt die Raupe an der Orchidee leben, die uns die Vanille liefert, und dieser falschen Angabe verdankt das Thier seinen Namen. Dione juno Cram. lebt nach mündlichen Mittheilungen meines Bruders gesellig an Passifloren; in der Bedornuug gleicht sie andern Heliconinen , doch finden sich , wie bei Äcraea, Sds auf 1, welche nach vorn über den Kopf geneigt sind; Hörner fehlen. Die Angaben werden im ganzen bestätigt von F. Mooee 1. c. 2 b p. 235. Rückblick auf die Heliconinen. Fritz Müller hat an anderem Ort auf die Gründe hingewiesen, die uns zwiogen, die vier Gattungen, trotz der Verschiedenartigkeit des Geäders, zu einer Subfamilie der Nymphalidenzu vereinigen. 438 WILH. MÜLLER, Aus dem hier gebotenen Material verdient noch einmal hervorgehoben zu werden, was Fritz Müller schon betonte, dass alle an Passifloren leben. Ich finde in der Litteratur (abgesehen von denen der Merian) nur eine widersprechende Angabe (H. Dewitz Eueides cleöbaea auf Asclepias), die mir, obwohl das fragliche Verzeichniss von Futterpflanzen übrigens durchaus zuverlässig erscheint, in ihrer Isolirtheit wenig glaubhaft ist. ' Bezüglich der Bedornung will ich besonders auf die bei allen Gattungen sich findende verschiedene Divergenz der Dornen hinweisen, da übrigens eine gleiche Bedornung * auch ausserhalb der Heliconinen vorkommt. Diese Einrichtung einer verschiedenartigen Divergenz erscheint von besonderem Interesse. Was kann die Be- deutung dieser Differenzirung innerhalb der Dornen ein und derselben Reihe sein? Augenscheinlich wird eine Bedornung um so wirksamer sein, um so sicherer die Feinde abhalten, je länger die Dornen sind; indessen wird dem Ijängenwachsthum der Dornen eine Grenze gesetzt sein durch die Mechanik der Bewegung, erreichen die Dornen eine gewisse Länge, so werden sie dem Thier ein Hinderniss bei der Bewegung sein, das Thier kann sich nicht biegen, ohne dass die benachbarten Dornen zusammenstossen ; je länger die Domen , um so mehr ist die Beweglichkeit des Thieres eingeschränkt, vorausgesetzt, dass die Dornen unbewegliche starre Gebilde bleiben und sich segmental wieder- holen, Voraussetzungen, die beide für die Heliconier eiijtreften. Dem genannten Uebelstand, wie er aus der starken Entwicklung der Dornen bei den Heliconiern für die Bewegung erwüchse, ist nun abgeholfen, indem die Dornen der auf einander folgenden Segmente in verschie- denen Ebenen angeordnet, oder, wie wir es oben bezeichneten, die Dornen verschieden stark divergiren. Wie leicht ersichtlich, wird dadurch sehr einfach ein gegenseitiges Ausweichen der Dornen bei jeder seitlichen Krümmung des Körpers bewirkt. Wir werden im weitern Verlauf unsrer Untersuchung sehen, wie das Gleiche auch auf anderem Wege erreicht wird. Die Färbung der Raupen ist durchweg eine sogenannte Trutz- färbung, die Thiere sind durch Dornen und widrigen Geschmack hin- reichend geschützt, haben es nicht nöthig, sich zu verbergen, im Gegentheil S6'i(höcker (5 — 7). 3 bewegliche Segmentverbindungen, Südamerikanische Nymphalidenraupen. 443 rein seitliche Bewegung, der Creiuaster ziemlich breit, flächenhaft abge- schnitten. Puppe weissgrüu mit reiugrünen, von hinten nach vorn abstei- genden Schrägstrichen, Sds 3, 4, 5 silberglänzend. Die Puppe ist überaus beweglich, schlägt, wenn sie gestört wird, sehr lebhaft und längere Zeit nach rechts und links. Pyrameis Hübner. JPi/ranieis myrinna Doubl, lebt an Achyrocliue flaccida Des. und einer verwandten Art. Das Thier baut sich aus zerfressenen Blüthen einen unregelmässi- gen, annähernd kugligen Cocon , der zwischen den Zweigen der Futter pflanze befestigt; in diesem verbirgt es sich. Die ersten Stadien sind mir unbekannt geblieben. 3. Stadium (drittletztes Stadium) 9 mm. Kopf wie bei Hypanartia. Körper cylindrisch, Bedornung wie bei Hypanartia, (auch Wärzchen auf 11), doch kommen zu den dort vorhan- denen Dornen noch Pedalia, und zwar auf 1 — 10 oder 11; auf 4—9 findet sich vor dem grössei'n Pe^Zdorn noch ein kleiner. Die Dornen (T. II Flg. 1 a) {Sds mit Endborste 1 mm lang) tragen nur wenig Borsten, von denen die der Spitze genäherten auf kleinen Höckern stehen. So die Sds, Sst, Ifst; die Ped sind kleine borstentragende Warzen. Der Körper ist braunroth , bis auf eine schmale weisse Querbinde am hintern Rand jedes Segments, welche bis zur Stigmagegend reicht, und einen weissen J/*S^-Streifen. Die Dornen schwarz, die Spst mit heller Zone um die Basis. 4. Stadium (vorletztes). 8 — 15 mm. Wie das vorhergehende. An den Dornen haben sich die kleinen Höcker, auf denen die obern Borsten standen, zu kurzen conischen Neben- dornen vergrössert (T. XIII Fig. 1 h). Die Sds mit Borste 1.6 mm laug. 5. Stadium (letztes). 15 — 28 mm. Die Nebendornen im Verhältniss zum Hauptdorn bedeutend ver- grössert, an der Basis sind ebenfalls kleine Nebendornen entstanden. Die Färbung ist einigermaassen verändert, die weisse Querbinde am hintern Band ist verbreitert, nimmt jetzt annähernd die Hälfte des Segments ein, die vordere Hälfte ist nicht mehr braunroth , sondern schwarz , bis auf eine carminrothe Zone um die Basis der Dornen. Wegen Entwicklung der Dornenform vergl. T. XIII Fig. 1 a, b, c. Puppe. Denen der europäischen Vanessa - A.Yten überaus ähnlich, schlank, Flügelöcheiden wenig vorragend, ohne deutliche Kaute, höckrig. Zwei massig lange spitze Höruer und eine unpaare Spitze auf 2; Ds ani als kleine Höcker auf 6 — 10, Sds ebenso auf 2 — 4 und 11, als stärkere conische Spitzen auf 5 — 10. Cremaster schlank, mit kleiner Spitze anhaf- tend. 3 bewegliche Segmentverbinduugen, nur seitlich beweglich. In der Färbung dimorph. Grundfarbe röthlich- weiss oder matt goldig glänzend, 444 WILH. MÜLLER, darauf, bei beiden Formen gleich, eine unbestimmte verwaschene graue Zeichnung, aus der sich ein Stigmastreif und Sdse,tre\{ deutlicher abhebt. Spitzen der Dornen und Hörner schwarz. Hier würde sich , was kaum besonders hervorzuheben , die Gattung Vd/tiessa anschliessen. Dieselbe zeigt im wesentlichen die gleiche Bedornung, doch fehlen (allgemein?) die Pedalia; ferner sind ausgefallen die Ds ant 4 bei Van. antiopa L., die sämmtlichen Ds und die Sst 2, 3 bei Van. io L. Bei Vanessa (Araschnia) levana L. finden sich 2 Hörner auf dem Kopf. Die Mehrzahl der Arten zeigt mehr oder weniger weit entwickelte Neben dornen. Unter den Futterpflanzen unsrer Arten finden wir sehr verschiedene Familien vertreten, am häufigsten Urticaceen. Weitere Mittheilungen Abbot and Smith , 1. c. p. 2 1 T, 1 1 , Vanessa C-aureum Lin. an Tilia alba. F. MooEE, 1. c. 1 p. 49 T. 25 Fig. 2, Vanessa haronica Mooee an Smilax. Beide Beschreibungen bieten sonst nichts Neues. Hier reiht sieh ferner an die Gattung CrVapta, W. H. Edwaeds 1. c. I. Series. Grapta comma Haeeis an Humulus, Urtica, Boehmeria, schliesst sich in der Bedornung {Ds ant 4 — 11, 2 Dornenpaare auf 12) und Gestalt der Puppe eng der Gattung Pyrameis an , ebenso Grapta dryas Edw. und interrogationis Fabe. ; von ersterer fehlen genauere Angaben, letztere, auch Futterpflanze, ganz wie comma. Phyciodes Hübner. Alle (3) mir bekannt gewordenen Arten von Phyciodes leben gesellig an Cyrthantera pohliana N. Ab Es. liiyciOiles Sp, ign, (n. sp.?). Die Thiere sitzen in grösserer Anzahl (gefunden 35) auf der Unterseite der Blätter, fressen hier während der ersten Stadien in der Weise , dass die obere Epidermis stehen bleibt. 1. S tadi um. 3 mm. Aehnlich wie das erste Stadium der früher beschriebenen Arten, die Segmente tief geschieden , die primären Borsten in typischer Anord- nung, massig lang, nicht ganz Körperdurchmesser, spitz gebogen. Kopf schwarz, Körper durchscheinend, weisslich. 2. Stadium. Kopf rund, schwarz, borstig, ohne Hörner. Der Körper mit Dornen besetzt, welche, ähnlich denen unserer Melitaea - A.vteü , ziemlich kurze conische Fortsätze darstellen, die dicht mit längeren schwarzen Borsten besetzt sind, doch finden wir nie Anfänge einer Bildung von Nebendorueu ; die Pedalia sind nur flache borstentrageude Warzen. Wir finden folgende Dornen: Ds ant 4 — 11, Ds pst 11, Sds 2—12, Spst 2— 12, Ifst (1.2?) 4 — 11, Ped 1 — 10, auf 6 — 9 je 2 Ped. Körper über der Stigmaliuie Bchwarz, darunter weisslich. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 445 3. Stadium, Kopf schwarz mit heller Mundgegend und hellem Scheitel. Am Körper finden wir einen breiten grauen i)sstreif, bis zu den Sds reichend, einen weissen Sdsstreii, einen schwarzen Lateralstreif; Ifstregiou hell, durchscheinend. Die Doi-nen sind schwarz (Sst 2, 3), bräunlich {Sst 4 — 12), oder hell durchscheinend (alle übrigen Dornen). 4. Stadium. Kopf gelb mit schwarzer Querbinde, welche eventuell zu zwei grauen Punkten reducirt ist, übrigens wie 3. Stadium. 5. Stadium. Erreicht eine Länge von 1.5 cm. Ifstdornen hell, andern Dornen grauschwarz. Uebrigens wie das 4, Stadium. Wegen Beschreibung der Puppe verweise ich auf PJiyciodes langs- dorßi; die hierher gehörige ist ähnlich, die Höcker weniger entwickelt als dort. Phyciodes langsdorßi Godt. Lebensweise, soweit bekannt, wie sp. ign. 5. Stadium erreicht eine Länge von 22 mm ; Bedornung wie sp. ign. Grundfarbe gelbbraun, ein schwarzer Lateralstreif und eben solcher feiner Dsstreif. Segment 4 oder 3 und 4 auch auf dem Rücken schwarz, alle Dornen schwarz. Puppe (T. XV Fig. 4) schlank, Flügel etwas, doch wenig vorgezogen, eine deutliche Flügelkante: Körper höckrig, wir finden 2 kurze stumpfe Höcker am Kopf, ferner kleinere oder grössere Höcker an Stelle aller Raupendornen, soweit die- selben nicht durch die Flügel verdeckt, an den Segmenten 2 — 10. Von diesen sind indessen die der Ifst- und Ped - Reihe kaum nachweisbar, deutliche kleine Warzen sind die Ds 4—6, Sds 3 — 6, Sst 5, 6, 8 — 10, grössere conische Höcker Ds 7 — 10, Sds 2, 7 — 10, Sst 7. Die Färbung ist ein Gemisch von Braun , Schwarz und Gelb , heller sind die Flügel und der Stigmastreif. Ifiyciodes teletusa Godt. verhält sich im wesentlichen wie die beschriebenen Arten. Weitere Mittheilungen über Phyciodes C. Stoll, 1. c. p. 17 T. IV Fig. 1. Phyciodes liriope Ceam. Raupe und Puppe erkennbar abgebildet. J. C. Sepp, 1. c. p. 261 T. 119, ebenfalls Phyciodes liriope, wie bei Stoll. W. Edwaeds, 1. c. Phyciodes tharos Dku. an Aster, sonst wie die andern Phyciodes- Arten. Melitaea Boisd. Hier würde sich die Gattung JKelitaea anschliessen, alle Arten der- 446 WILH. MÜLLER, selben, die mir bekannt geworden {äidyma, trivia, ])hoebe, aurinia, cin- xia, maturna, cyntJiiä) zeigen die gleiche Bedornung wie Phyciodes, abgesehen von kleinen Unterschieden in der ifst und ped Reihe, die wohl nicht einmal constant. Unter den Futterpflanzen unserer europäischen Arten herrscht einige Mannigfaltigkeit, doch überwiegen die Scrophula- riaceen. Von Puppen einheimischer Arten hat mir vorgelegen die von JMLelitaect aurinia Rott; dieselbe gleicht im Gesammthabitus der von Phyciodes; wie dort sind die Raupendornen als undeutliche Warzen erhalten {Ds-, Sds-, Sst-, Ifstreihe), sind ebenfalls z. Th, zurückgebildet, als solche nicht mehr nachweisbar, doch bleibt auch bei vollständiger Rückbildung der Warzen die dieselben auszeichnende orange Färbung, und bleiben sie auf diese Weise nachweisbar. Grundfarbe weiss oder gelblich (?) , alle Dornenreste orange, jeder orangefarbene Fleck durch einen vor demselben liegenden, ihn z. Th. umgebenden schwarzen Fleck gehoben. Die schwarzen Flecke verschmelzen auf 6 — 11 in der spst Region zu schwarzen Quer- binden. Dazu kommen schwarze und orange Flecke in der ifst und ped Region, auf den Gliedmaassen, Flügeln, so dass das ganze Thier ein Ge- misch der Farben weiss, orange, schwarz darstellt. Weitere Mittheilungen über Melitaea W. H. Edwards, 1. c. I. Series. Melitaea chalcedona Doubl. , soweit ersichtlich , gleicht die Raupe denen der andern Arten. Puppe im Habitus wie Phyciodes. Victorina Blanch. Victorina trayja Hübn. lebt an Stephanophysum longifolium N. ab Es. und anderen Acanthaceen. Die Eier sind weiss, kuglig, unten abgeplattet, mit 9 — 11 schmalen, aber scharfen Längsrippen, welche den Pol nahezu erreichen. Sie werden einzeln an die Oberseite der Blätter abgelegt. Entwicklungsdauer 1 H 31 XII, 2 H 2 I, 3 H 5 I, 4 H 8 I, 5 H 13 I. 1. Stadium. 4 — 7 mm lang. Kopf rund, borstig, schwarz. Körper cylindrisch, Segmente massig tief geschieden. Die primären Borsten enden spitz, stark entwickelt sind 1, 3, 4, von denen 1 und 3 nach vorn, 4 nach hinten gebogen. 2, 5 schwach entwickelt. 2. Stadium. 7 — 12 mm. Kopf mit 2 nach vorn geneigten, stark divergirenden Hörnern (T. XIII Fig. 9 a). Am Körper finden wir die gleichen Dornen wie bei Phyciodes. J)s ant 4—10, Bs pst 11, Sds 2—12, Sst 2—12, Ifst 1—11, Ped 1 — 10 oder 11; Ped je 2 au 6 — 9 oder 5 — 9. Die Dornen sind lang, schlank, nur dünn mit Borsten besetzt (Taf. XIII Fig. 2 a). Die Ds , Sds, Sst, Ifst 9 — 11 sind unter sich annähernd gleich lang, die Sds wenig länger als die übrigen, unter diesen wieder die von 2, 3 etwas durch Grösse ausgezeichnet. Körper braungrüu, Kopf, Dornen, Borsten schwarz. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 447 In den folgenden Stadien ändert sich die Gestalt des Körpers nicht wesentlich, Dornen und Hörner werden wenig länger und schlanker, die Zahl der Borsten wird vermehrt, doch sind diese Veränderungen unbe- deutend. 8. Stadium. 12 — 19 mm. Kopf schwarz, Körper dunkelbraunschwarz, glänzend, Segment 11, 12 und die falschen Beine hell braungelb. 4. Stadium. 19 — 30 mm. Kopf und Körper schwarz, säramtliche Ds, Sds, Sst und die Ifsf 4 — 11 gelb, die Sds mit gelbem Hof um die Basis; andern Dornen schwarz. 5. Stadium. 30 — 42 mm. Kopf schwarz. Hörner roth, Körper sammetartig schwarz. Die Sds- Dornen wie im vorhergehenden Stadium gelb mit gelber Zone, alle übrigen Dornen orange mit gelblicher Spitze. Die Puppe hängt mit langem schlankem Cremaster an einem aus Gespinnst gefertigten Stiel. Puppe. T. XV Fig. 5 Gerundet, massig gedrungen , Flügelscheiden nicht weit vorgestreckt, ohne deutliche Flügelkante. Am Kopf 2 kurze conische Hörner, eine unpaare Spitze auf 2, die Sds 6, 7 als grössere, die Sst 6, 7 und Ifst 7 als kleinere conische Warzen erhalten, welche gelb mit schwarzer Spitze; an Stelle der übrigen Dornen und der falschen Beine, soweit beide nicht durch die Flügel verdeckt, schwarze Punkte; diese Punkte bisweilen mit gelbem Ring. Ferner sind noch schwarz die Spitze auf 2 , die Oberseite der Hörner und ein Punkt auf der Flügelwurzel. Im übrigen ist die Puppe durchscheinend, matt hellgrün. 3 bewegliche Segmentverbindungen. Änartia Hübnee. Anartia arnalthea Lin. An Acanthaceen. Gestalt der Eier und Ablage derselben wie bei Victorina. 1. Stadium. Nach dem Ausschlüpfen 2.5 — 4.5 mm. Im wesentlichen wie das 1. Stadium von Victorina, die primären Borsten, besonders 1, 3, 4 sehr stark entwickelt, ähnlich gebogen wie bei Victorina. Körper weisslich. Segment 4 braun. 2. Stadium. 4.5 — 7 mm. Bedornung wie bei Victorina, die Hörner nach der Spitze zu kolbig verdickt. Das Thier ganz schwarz. 3. Stadium. 7 — 11 mm. Wie das vorhergehende. 448 WILH. MULLER, 4. Stadium. 11 — 19 mm. Dornen grau, glasartig durchscheinend, vor den Dornen eine unregel- mässige, hinter den Dornen 2 regelmässige Querreihen von kleinen weissen Warzen, welche je eine kleine schwarze Borste tragen. In der Gegend des Stigmas gruppiren sich ähnliche weisse Punkte zu einer ifst Linie. Uebrigens wie das vorhergehende Stadium. 5. Stadium. Wie das vorhergehende Stadium, die weissen Wärzchen bedeutend vermehrt. Puppe. In Gestalt und Färbung wie die von Victorina, doch fehlen die Spitzen am Kopf, auf 2, auf 6 und 7. An Stelle der Spitzen auf 6 und 7 finden wir, wie an Stelle der andern Raupendornen, schwai'ze Punkte. Aufhängung ebenfalls wie bei Victorina. Weitere Notizen: J. C. Sepp, 1. c. p. 323. T. 150. Änartia iatrophae Lik. Die Eaupe soll an latropha manihot leben; nach der Zeichnung ist sie ohne Dornen, aber dicht behaart, gleicht viel eher der eines Nacht- schraetterlings. Aus der Abbildung der Puppe ist wenig zu entnehmen; im ganzen passen Futterpflanze, Raupe und Puppe so wenig zu einer Anartia , dass ich die ganze Angabe als irrthümlich bezeichnen würde, wenn sie sich nicht mit der der Mebian deckte. Trotzdem glaube ich vorläufig die Angabe ignoriren zu dürfen; sollte sie sich bestätigen, so wäre eben Anartia iatrophae aus der Gattung Anartia zu entfernen, würde einer ganz andern Gruppe einzuordnen sein. Ich reihe hier einige Gattungen an, die zu der natürlichen Gruppe Victorina - Anartia in engen verwandtschaftlichen Beziehungen stehen dürften. Junonia Hübn. Junonia lavinia Cram. Nach Mittheilungen meines Bruders frisst die Raupe ebenfalls Acan- thaceen, gleicht in der Bedornung der von Anartia. Mittheilungen in der Litteratur finden sich ziemlich häufig: Abbot and Smith 1. c. p. 15 T. 8. Junonia oritJiyia Lin. an Antirrhi- num canadense Lin. HoESFiKLD and Moobe 1. c. p. 140, 41, 42 T. V Fig. 4. 5, 6. T. XV Fig. 12. Junonia laomedia Lna. slo. Achyranthes; Junonia orithyia Lin. an Vitex, Junonia asterie Lin. an lusticia, Junonia almana LiN. Futterpfl? BuRMEisTEE 1. c, p. 19. Junonla lavinia Ceamee. Futterpflanze? F. Moore 1. c. 1 p. 41 T. 21 Fig. 3. Junonia lemonias Lin. Futter- pflanze? Junonia orithyia an Acanthaceen. Idem 1. c. 2a p. 342. Junonia coenia Hübn. an Antirrhinum, R. W. FoESAJETH 1, c. p. 377. Junonia orithyia und oenone Lin. Fut- terpflanze eine Labiate (vermuthlich wenigstens eine Labiatiflore. Yergl. die Angabe über Precis). Südamerikanische Nymphalidenraupen. 449 Aus allen diesen Angaben ist über Gestalt der Eaupe kaum mehr zu ersehen, als dass die Raupe dornig, der Kopf z. Th. mit Hörnern, z. Th. ohne Hörner. Nach Burmkistek würde lavinia nur Ds ant auf 4 — 1 1 haben , doch hat er vielleicht den Ds J9S^ übersehen. F. Mooke giebt für lemonias 8 Dornen auf jedem Segment an. Es lohnt nicht, sich mit diesen ungenügenden .Angaben länger zu befassen. Die Puppen sind der Mehrzahl nach als höckrig gezeichnet und beschrieben. Nur die von orWiyia scheint ungefähr den Habitus wie Victorina zu haben. Doleschallia Feld. Doleschallia hisaltide Cram. F. MooBE, 1. c. 1 p. 38 T. 19 Fig. 1. Die Raupe lebt an Acan- thaceen, trägt eine dorsale und verschiedene laterale Dornenreihen , 2 Ds auf 11, 2 Dornenpaare auf 12, 2 Hörner; alle Dornen unverzweigt. Die Puppe ist schlank, bis auf 2 Hörner glatt. I^recis lemonias, bei R. W. FoKSAJETH, 1. 0. p. 377 f. Raupe, Puppe, Futterpflanze wie Juno- nia orithyia und oenone. Der Verfasser hält eine Verwechslung der 3 Arten seinerseits mit Rücksicht auf die grosse Aehnlichkeit dorselben für möglich. Hypolimnas Hübn. {Biadema Boisd.). SLypolimnas bolina Lin. (2 Expl. in Spiritus, Mus. Berol, ge- sammelt von Koch auf Luzon). Beide Exemplare dürften verschiedenen Arten, doch derselben Gattung angehören. Die Bedornung stimmt in der Anordnung der Dornen bei beiden Exemplaren vollständig mit Victorina überein. Am Kopf 2 lange, stark divergirende, wenig nach vorn geneigte Hörner, Ds mit 4—11, Ds pst 11, Sds 2—12, Ifst 2—11, Ped 2—10, je 2 an 4 — 9. Dornen derselben Reihe annähernd gleich lang. Das kleinere Individuum (29 mm lang) zeigt an Hörnern und Dornen zer- streute Nebendornen, ungefähr wie die Dornen von Pyrameis, das grössere (34 mm) hat unverzweigte Dornen. Weitere Mittheilungen. HoESFiELD and Mooke 1. c. p. 160 T. V Fig. 9. 9a Hypolimnas äuge Ceam. (bolina Lin.) von Ceylon. Abbildung der Raupe passt zu der gegebenen Beschreibung, Puppe höckrig. F. Moore 1. c. 1 p. 59 , 58 T. 29, 30 Fig. 1. Hypolimnas holina Lin. {Apatura bolina Äut). Die Abbildung der Raupe, aus der ausnahms- weise die Anordnung der Dornen zu erkennen , passt zu der gege- benen Darstellung; Puppe gedrungen, sehr dornig. Ibidem. Hypolimnas misippus an Abutilon. Die Bedornung ist hier weniger genau gezeichnet, im allgemeinen stimmt die Zeichnung mit der von bolina überein. R. W. FoBSAjETH. Hypolimnas avia. Nichts Neues. Zuulüg. Jalub, 1, 29 450 WILH. MÜLLER, Gynaecia Doubl. Gynaecia dirce Liisr. Das Thier lebt an Cecropia pachystachia Tkei (anderweitig als Cecro- pia palmata bestimmt). Der Schmetterling wählt fast ausschliesslich solche Pflanzen, die noch nicht über manneshoch, also erst wenige Jahre alt sind. Die Eier, die kuglig, 11 stark vorspringende fast bis zum Pol reichende Längs- und zahlreiche feine Querrippen tragen , werden in kleinen Gesellschaften (bis 12) auf die Oberseiten eines Blattzipfels der Futterpflanze abgelegt. 1. Stadium. 2.5 — 5 mm. Kopf und Körper wie gewöhnlich. Die primären Borsten annähernd gerade, undeutlich geknöpft, fein ge^ähnelt, 0.15 mm lang. In der zweiten Hälfte des Stadiums erscheint die Anlage der Dornen und zwar (vergl. T. XII Fig. 4) der Sds zwischen den Borsten 1, 2 und 3 , der Spst zwischen Borste 3 und Stigma, der Ifst zwischen Borste 4 und 5. Diese Anlagen sind entweder grössere runde weisse Warzen, so auf 2, 3, 5, 7, 9, 11, 12, oder schwer nachzuweisende braune Warzen mit blassweissem Mittel- punkt, so auf 4, 6, 8, 10. Ferner existiren einzelne weisse Wärzchen in der Umgebung des Stigmas auf allen Segmenten (Taf. .XII Fig. 4). 2. Stadium. 5 — 8 mm. Kopf schwarz, mit 2 stumpfen höckrigen Fortsätzen von pp ^/^ Ge- sichtslänge (vergl. die Figur von Myscelia T. XIII Fig. 10 b). Kopf und Hörner borstig. Am Körper folgende Dornen vorhanden. Sds 2 — 11^ Sst 2 — 12, Ifst 4 — 11 (Auf 12 nur ein Dornenpaar, das wir als Sst bezeichnen, vergl. unten). Die Dornen sind einfache conische Fortsätze, mit einer einzigen endständigen Borste, nur Sds 2, 3 haben einen kurzen Nebenast. T. XIII Fig. 5 a. Wie bei Hypanartia finden wir kleine Borsten tragende Wärzchen, welche ähnlich angeordnet wie dort, indessen nicht weiss, sondern schwarz, deshalb schwerer nachzuweisen. Diese Wärzchen sind übrigens so ange- ordnet, dass keines in der Mittellinie des Rückens steht, jede ihr Gegen- stück hat; nur an Stelle der Ds ant auf 4 — 11 findet sich je ein unpaares Wärzchen mit einer Borste, ferner eines an Stelle des Ds pst auf 11, letzteres mit mehreren Borsten. Kopf schwarz , Körper braun. Dornen weiss — so die sämmtlichen auf 2, 3, 5, 7, 9, II, 12 — oder schwarz mit weisser Spitze, so die Sds 4, 6, 8, 10 — oder ganz schwarz, so die übrigen. 3. Stadium. 8 — 13 mm. Sowohl in der Bildung des Kopfes, wie in der der Dornen hat eine weitgehende Aenderung Platz gegrift'en. Der Kopf (T. XIII Fig. 12) trägt einzelne kleine Dornen und 2 massig stark divei'girende Hörner von annähernd doppelter Gesichtslänge, Diese Hörner sind mit Nebendorneü besetzt, deren Anordnung aus der Figur ersichtlich und endigen mit einef Südamerikanische Nymphalidenraupen. 451 Stheiligeu Krone; die kleinen Kopfdornon, wie auch die Nebendornen und Endspitzen dei' Hörner endigen in je eine stärkere Borste, ausserdem sind die Hörner, wie auch die Nebendorneu massig dicht mit Boraten besetzt, die auf kleinen Höcljern stehen. Am Körper sind an Stelle der einfachen eine Borste tragenden Höcker complicirt gebaute Dornen getreten. Dieselben sind über 3mal so lang wie die "Warzen an deren Stelle sie getreten, tragen ungefähr in der Mitte einen Kranz \Qgt> 4 — 6 regelmässig angeordneten Nebendornen, welche ebenso wie der Stamm mit Borsten besetzt sind. In der angegebenen Weise angeordnet finden wir Nebendornen: 6 an Sst 2, 5 an Sd 2, 3, 10, 11, Sst 12, 4 an allen übrigen. Kopf schwarz , Körper braun ; mit einem weissen Punkt vor dem Stigma an 1 und 5 — 11. Dornen alle schwarz mit kleiner weisser Spitze. In den folgenden Stadien bewahren Kopf und Körper ziemlich voll- ständig die Gestalt des 3, Stadiums, nur das Verhältniss von Haupt- und Nebendornen ändert sich in etwas (T. XIII Fig. 5). 4. Stadium. Kopf schwarz. Hörner gelblich durchscheinend, mit schwarzer Spitze, Körper matt schwarz, mit gelben Punkten wie im 3. Stadium. Dornen gelb, mit schmaler schwarzer Basis. 5. Stadium. Färbung des Körpers wie im 4. Stadium ; an den Dornen ist die schwarze Basis geschwunden, die Dornen sind ganz schwefelgelb; nach wenigen Tagen werden die Dornen auf 1 — 4 erst weissgelb, später weiss; am folgenden Tage wird die Spitze der übrigen Dornen weiss, doch schreitet hier die weisse Färbung nicht weiter fort. Wegen der gesammteu Entwicklung der Dornen vergleiche Taf. XIII Fig. 5. Die Eaupe hat folgende eigenartigen Gewohnheiten : Die jungen Bäupchen vertheilen sich nach dem Ausschlüpfen auf den Band des be- treifenden Blattzipfels, bauen sich dort jedes an einem vorspringenden Punkt aus dem eigenen Koth eine Sitzstange , an der sie sich während der Ruhe aufhalten. Ich komme auf diese höchst eigenartige Gewohnheit a. a. 0. zurück. Diese Sitzstange benutzen sie nur während der 2 ersten Stadien. Nach der 2. Häutung gehen die sämmtlichen Thiere auf die Unter- seite des betreffenden Blattes, fressen dort die starken Blattrippen an der Basis durch, so dass das grosse Blatt wie ein Schirm zusammenklappt. Unter diesem Schirm verstecken sich die Thiere während der 3 folgenden Stadien. Beachtung verdient die eigenartige Entwicklung, der Gegensatz zwischen 2. und 3. Stadium. Bei den bis jetzt besprochenen Arten fehlte es durch- aus an Beispielen für einen ähnlichen Verlauf der Entwicklung, das 2. Stadium war den folgenden stets ähnlich, die folgenden Arten schliessen sich in dieser Beziehung Gynaecia eng an. Auch auf diesen Punkt werden wir zurückkommen. 29* 452 WILH. MÜLLER, Die Puppe (T. XV Fig. 19) ist langgestreckt, die Flügelscheiden liegen dem Körper dicht an. Sie ist hückrig und dornig. Wir finden am Kopf ein Paar kurze höckrige Hörner, ferner als deutliche runde Warzen die Sds 1 — 5, 7, 10, 11; die Sst 5—11, die Ifst 6—11, Pedalhöckev auf 7—9. Die Sds 7, 9, 10 sind nach hinten gerichtete Dornen , welche auf langgezogener Basis stehen. Zu den genannten Anhängen kommen noch eine höckrige Kante auf 2 und Ds ant (runde Wärzchen) auf 7 — 10, Spitzen auf der Flügelwurzel und kleine Wärzchen an Stelle der Beine. Der Cremaster endigt spitz; 3 bewegliche Segmentverbindungen, Bewegung rein seitlich. Die Puppe ist dunkelgrau und hellgrau, beide Farben derart gemischt, dass sie undeutlich wellig längsgestreift erscheint; sie gleicht einem dürren Zweigstück, und ist die Aehnlichkeit eine sehr weitgehende. Von den verschiedenen Angaben über Gynaecia will ich zunächt eine erwähnen, die meine Beobachtung bestätigt. H. Dewitz 1. c. 2 p. 166. Gynaecia dirce auf Cecropia peltata Lin. Die Gewohnheit der späteren Stadien richtig beschrieben. Von den beiden folgenden Beobachtungen , die zum Theil überein- stimmen, denen also jedenfalls eine Thatsache zu Grunde liegt, wäre es sehr erwünscht, dass sie wiedei*holt würden . C. Stoll 1. c. p. 12, 13 T. II Fig. 3 A, B 4 A, B. Der genannte Autor bildet die Baupen der Männchen und Weibchen als verschieden gefärbt ab (3 S, 4 $). Beide gleichen in der Gestalt der Raupe, wie ich sie beobachtet, die Grundfarbe ist bei beiden schwarz; bei den Weibchen sind alle Dornen gelb, ferner finden sich gelbe Punkte in der Stigmagegend und gelbe Querbindeu an der Grenze von 3 und 4, 4 und 5 — 10 und 11. Dem Männchen fehlen die gelben Querbinden, die Dornen sind gelb bis auf die Hörner und die Dornen auf 1 — 3 , welche weiss (also wie die Thiere nach meiner Beobachtung einige Tage vor der Häutung), Die Puppe wird für beide Geschlechter gleich gezeichnet, sie ist richtig dargestellt. Als Futterpflanze wird Cassave angegeben und auf Merian T. V verwiesen, wo latropha manihot abgebildet ist; ge- nannte Pflanze hat in der Blattform einige Aehnlichkeit mit Cecropia, und glaube ich um so eher an eine Verwechselung, als Stoll weiter unten (p. 28 T. VI Fig. 3) eine Baupe auf Manihot leben lässt , die nach den übereinstimmenden Angaben verschiedener Autoren an Cecropia lebt (angeblich eine A.craea; die Baupe stimmt, worauf Bijbmeisteb hinweist, vollständig mit der von Äganisthos übereiu). J. C. Sepp 1. c. p. 313, 329 T. 145, 149 giebt ähnliche Zeichnungen von der Baupe wie Stoll, lässt aber beide Formen verschiedenen Arten angehören : die eine {Gynaecia dirce) gleicht der von Stoll abgebildeten Raupe des Weibchens, sie lebt an Carica raameia , wo man sie in Gesell- schaften von 30 — 40 auf der Unterseite eines Blattes finden soll. Die andre Art (dirceoides Sepp) gleicht der Abbildung des Männchens bei Stoll; sie lebt auf Carica micranthera; die Puppen beider Arten gleichen der mir bekannten von dirce. Der Schmetterling von dirceoides soll Jcleiner als der von dirce sein , sich sonst in nichts unterscheiden. Südamerikanische Nympbalidenraupen. 453 Ich habe nur eine Form von Kaupen kennen gelernt, doch ist es ja wohl denkbar, dass im Norden Brasiliens eine zweite überaus ähnliche Art lebt. Immerhin bleiben verschiedene Widersprüche (so bezüglich der Futter- pflanze) zu lösen und wäre eine erneute Untersuchung der interessanten Verhältnisse sehr erwünscht. Smyrna Hübner. Sniyrna Monifieldii Fabr. Lebt an Urera baccifera Gaud. Leider habe ich das Thier nie selbst ziehen können, es ist bei Blumenau in der untern Colonie sehr selten. In der oberen Colonie scheint es häufiger zu sein. Mein Bruder erhielt von dort einige Raupen durch Herrn Lehrer Scheidemai^tel. Diese Rau- pen, die sich wohl unterwegs an der stark brennenden Futterpflanze ver- letzt hatten, starben sämmtlich; eine derselben bewahrte mein Bruder in Spiritus auf und nach ihr ist die folgende Beschreibung gefertigt: Länge 2,5 mm. Der Kopf mit sehr starken Dornen bewehrt, die Hörner dick, wenig über Gesichtslänge, mit starken Höckern, deren An- ordnung aus dem vorliegenden Exemplar nicht deutlich ersichtlich, und ötheiligem Endknopf. Körper dornig, und zwar haben wir, Ds ant 4 — 11, Ds pst 11, Sds (1) 2—11, Sst 2—12, Ifst 1—11, Ped 1 — 11. Diese Dornen ha- ben ähnliche Gestalt wie die von Gynaecia, tragen regelmässig angeord- nete Nebendornen und zwar: die Ds ant 4 — 6 je 4, 7 — 11 je 3; bei diesen ist die Mittelaxe nicht verlängert, was bei den Ds pst, Sds, Sst, Ifst 4 — 1 1 stets der Fall. Hier finden wir, wie bei Gynaecia, die Ne- bendornen regelmässig um einen Punkt ungefähr in der Mitte des Stam- mes angeordnet, und zwar je 6 an Sst 12; 5 au Sds 2, 3, 11, Sst 2; 4 an Ds pst 11, Sds 4—10, Sst 3 — 11, Ifst 4—11, je 3 an Sds 12. Die übrigen Dornen {Ifst 1 — 3, Ted) sind einfach. Fed finden wir auf 6—9 je 2. Ägeronia Hübner. Alle mir bekannt gewordenen Arten von Ägeronia leben an Dale- champia , und zwar scheinen sie die verschiedenen Arten, die bei Blu- menau vorkommen (triphylla Lam., ficifolia Lam. , stipulacea MtJLL. Aeg.) unterschiedslos zu fressen. Ägeronia sp, ign. {n. sp.). Der Schmetterling ist der epinome Feld, überaus ähnlich, doch sind beide Arten auch als Schmetterling deutlich unterschieden ; wie mir Herr Dr. Stäudingee mittheilt, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob diese I oder die als epinome Feldee geführte Species die wahre epinome Feldee. Die Eier werden einzeln an die Unterseite der Blätter abgelegt. 1. Stadium. Wie gewöhnlich, die primären Borsten sehr klein (0.15 mm), ge- knöpft. Kopf schwarz, Körper glänzend braun. Gegen Ende des Sta- 454 WILH. MÜLLER, diums erscheinen weisse Wärzchen , und zwar oberhalb des Stigmas an- nähernd in Querreihen angeordnet (vergl. die Fig. yon Myscelia orsis T. XIV Fig. 14). Von diesen weissen Wärzchen fällt je eines mit einer primären Borste zusammen , soweit dieselben nicht auf einem grössern weissen Fleck stehen (Borste 4, 5). Unter den weissen Wärzchen sind einzelne durch Grösse ausgezeichnet. Diese zeigen, ganz wie bei Gynae- cia, Unterschiede in der Färbung, entsprechend der Färbung der bei der Häutung an gleicher Stelle erscheinenden Dornen. Das Thierchen baut sich, wie die Räupchen von Gpnaecia, aus sei- nem Koth eine Sitzstange , gewöhnlich als Verlängerung der Mittelrippe des Blattes, bisweilen an der Seite. Es bedeckt sich mit seinen eigenen Kothballen, welche zwischen den Borsten haften. 2. Stadium. Kopf mit 2 kurzen höckrigen Hörnern von pp. ^/g Gesichtslänge, wie die Dornen mit kurzen in eine Borste endigenden Nebendoruen be- setzt. Körper mit Dornen bedeckt, welche ähnlich gestaltet wie die von Gynaecia im 2. Stadium, indessen schon zusammengesetzt sind , auf sehr kurzem Stamm kurze mit je einer Borste endigende Nebendornen tragen. Vorhanden sind folgende Dornen: Ds ant 4 — 10, Ds pst 10, 11, Sds 1—11, Spst 1 — 12, Ifst 4—11, Ped 1 — 11. In der Anordnung der Nebendornen, wie auch in der Grösse der einzelnen Dornen finden wir die Verhältnisse der folgenden Stadien bereits deutlich vorgezeichnet. Kopf und Körper sind schwarz, die gegen Ende des 1. Stadiums un- ter der Haut sichtbar werdenden weissen Wärzchen finden wir in glei- cher Anordnung wieder , abgesehen von den grösseren , an deren Stelle die Dornen getreten; sie tragen jetzt je eine Borste, welche von gleicher Structur wie die Borsten der Dornen und wie die primären Borsten. Zwischen diesen „secundären" Borsten sind die primären nicht mehr nachweisbar, das heisst die an gleicher Stelle befindlichen sind nicht durch Grösse oder Structur ausgezeichnet. Die weissen Wärzchen haben an den Segmenten 4 — 11 folgende Anordnung (vergl. T. XIV Fig. 14. 15): 2 Querreihen hinter den 5(?sdornen , zwei Wärzchen zwischen den Sds- dornen, einzelne davor. Aehnlich, doch etwas gestört ist die Anordnung der Wärzchen auf 1 — 3 und 12. Nirgends findet sich ein unpaares Wärzchen in der Mittellinie des Bückens. Die Dornen haben folgende Färbung : schwarz , z. Th. mit kleiner weisser Spitze sind die Sds 1 , sümmtliche Dornen von 3, 4, 6, 8, 10, die Ds und Sds 11, weiss sind Spst 1, Ds, Spst, Ifst 5, die sämmt- lichen von 7, 9, die Spst und Ifst 11; weiss mit schwarzer Binde in der Mitte die sämmtlichen von 2, die Sds 5, die Sst 12, so dass wir als rein schwarze Segmente haben 3, 4, 6, 8, 10, als rein weisse 7, 9, als gemischte 1, 2, 5, 11, 12. Andere Form: Sds 5, Sst 12 weiss, Sds 11 gemischt, übrigens wie erste Form. Das Thier bewahrt während dieses Stadiums die Gewohnheit, an der kahl gefressenen und verlängerten Mittelrippe zu sitzen, dieselbe zu ver- längern, ist aber nicht mehr mit Kothballen bedeckt. Mit der nächsten Häutung giebt es auch die zuerst genannte Gewohnheit auf. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 455 3. Stadium. Kopf dornig, mit 2 laugen (Sfache Gesichtslänge) Hörnern, welche ziemlich stark divergiren , nach vorn gerichtet sind. Dieselben enden kolbig, sind mit Nebendornen besetzt, deren Anoi'dnung aus Taf. XIII Fig. 13 ersichtlich. Der Körper ist mit Dornen bedeckt, welche sich dem vor- hergehenden Stadium gegenüber bedeutend gestreckt haben , so dass wir einen deutlichen Stamm , welcher mit schlanken Nebendornen besetzt, haben. Die Dornen zeigen Nebendornen in folgender Anzahl : Ds ant 4 — 10 einfach, Ds pst 10, 11 je 4 und 5 Nebendornen; Sds 1 je 2, Sds 2, 4 — 11 je 4 oder (10, 11) je 5, Sds 3 je 5 Nebendornen, Sst 1 je 2, 2, 3 je 4, 4 einfach, 5 — 11 je 3, 12 je 8 Nebendornen, Ifst 4 — II je 3 Nebendoruen , in der Ifstreihe vor dem Hauptdorn ein ein- facher, Ped einfach, auf den meisten Segmenten 2 hinter einander; nur die Sds 2, 3 mit verlängerter Mittelaxe. Zwischen den einzelnen Dor- nen finden sich, auch innerhalb derselben Reihe, bedeutende Differenzen in der Grösse, so ordnen sich Ds und Sds der Grösse nach wie folgt: Sds 3 und Ds pst 10 — Ds 1\ — Sds 2 , 10, l\ — Sds 5—9 — Sds 4 — Sds 1 , Ds ant 4 — 10. Besonders stark entwickelt sind die Sds 3 und Ds p)St. Die tiefer liegenden Reihen {Sst, Ifst, Ped) treten den Sdsäornen gegenüber zurück. Kopf und Körper sind schwarz, am Körper erhalten sich die weissen Wärzchen in der Anordnung des 2. Stadiums, ausserdem findet sich eine undeutliche gelbe Stigraalinie. Direct nach der Häutung sind die säramtlichen Dornen auf 2, 5, 7, 9, 11 (ohne Ds pst 11) weisslich durchscheinend, am reinsten weiss die von 7 und 9, die andern bräunlich. Der Gegensatz verliert sich bald, alle Dornen werden schwarz. Bisweilen bleibt der Stamm der Sds 5, 7, 9 weisslich. 4. Stadium. Wie das vorhergehende. Ifstreg'iou orange, bisweilen zwei undeut- liche gelbe Dslinien, Ifst- und Pe^Zdornen gelblich durchscheinend, ebenso die obere Hälfte der Sst. 5. Stadium, Bedornung im wesentlichen wie im 3. Stadium, die Unterschiede in der Grösse auffallender, der Stamm der Sds 2, 3, Ds pst 10, 11 ziemlich dicht mit kleinen Dornen besetzt. Zeichnung sehr variabel, in der Ifst- region rothe Flecke, >Sips^region meist überwiegend schwarz , mit undeut- lichen Resten einer gelben Spst- und einer doppelten Sds- und i)slinie. Diese Reste können mehr oder weniger deutlich sein, sie können eine Form annehmen, durch die sich die Zeichnung der Raupe der für fornax zu beschreibenden Zeichnung nähert. Das Thier nimmt während der 3 letzten, z. Th. auch während des 2. Stadiums die in Taf. XIV Fig. 1 ge- zeichnete Ruhestellung ein. Wie aus der Figur ersichtlich, ist dabei das Thier nur mit den Beinen auf 6 — 9 fixirt, vorderes und hinteres Körper- ende sind erhoben. Der Kopf wird dabei geseokt , so dass die Hörner 456 WILH. MULLER, horizontal , die Segmente 2 , 3 am weitesten vorgestreckt sind. Ich be- zeichne diese Stellung als „Tr utz stell ung". Puppe (Taf. XV Fig. 9). Die Puppe ist schlank, mit wenig vorragenden Flügelscheiden, 2 langen flügelartigen Fortsätzen (Hörnern) am Kopf, ohne starke Höcker. 3 bewegliche Segmentverbindungen ; sie kann sich nicht nur seitlich, son- dern auch dorsalwärts biegen. Grundfarbe hellgrün, darauf folgende matt weisse Zeichnung, welche die Grundfarbe nur z. Th. verdeckt : eine feine J)slinie auf 6 — 10, zwei breitere weisse Streifen, dieselben verschmelzen auf 3 — 5, entfernen sich dann wenig (6, 7), couvergiren darauf wieder bis H, wo sie verschmelzen; jederseits ein breiter weisser ifst Streifen, derselbe reicht bis zur Mittellinie des Bauches, nach oben fällt seine Grenze nicht ganz mit der Stigmalinie zusammen ; er setzt sich nach vorn in einen weissen Streifen fort, der den Raum zwischen Flügelkante und Flügelrand einnimmt, hier silberweiss wird, vereinigt sich schliesslich über der Antennenbasis mit dem der andern Seite. Flügel gelbgrün, mit einem von der Wurzel nach hinten verlaufenden dunkleren Fleck und zahlreichen, z. Th. dem Flügelgeäder entsprechenden, z. Th. dasselbe kreuzenden dunkleren Linien. Die Hörner mit weissem Saum. Das Thier richtet sich unter dem Einfluss des Lichtes in der Weise auf, dass das vordere Körperende (1 — 6) horizontal, in der Dunkelheit lässt es sich wieder sinken (vergl. Taf. XV Fig. 1 1). Agef'onia epinonie Feld. Gleicht fast durchgehends der beschriebenen Art. Auch die Gegen- sätze in der Färbung der Dornen des 2. Stadiums wiederholen sich. Ein bemerkenswerther Unterschied ist der, dass die Ds ant auf 5 — 10 fehlen; auf 5 finden wir an Stelle des Dorns ein weisses Wärzchen. Die Hör- ner der Puppe sind wenig kürzer, der weisse Streif zwischen Flügelkante und Flügelwurzel nicht silberglänzend, sondern matt weiss. Ageronia fornax Hübner. Die Eier, welche kurz, tonnenförmig, mit pp. 10 flachen, z. Th. am oberen Ende verschmelzenden Längsrippen versehen , werden perl- schnurartig aneinander geklebt, solche Kette an die Unterseite der Blät- ter in der Weise befestigt, dass sie senkrecht herabhängt. Nie findet man mehr als eine Kette an einem Blatt, die beobachteten Ketten, resp. Raupengesellschaften zeigten folgende Zahlen: 5, 5, 6, 6, 8, 10. Entwicklungsdauer: ausgeschlüpft 3/III, 1. H 6/III, 2. H 9/I1I, 3. H 12/III, 4. H 16/III, 5. H 20/III, Schmetterling 28/III. 1. Stadium. 2 — 5 mm. Wie die beschriebenen Arten, auch mit Kothballen bedeckt, verarbei- tet aber die Kothballen nicht in der beschriebenen Art und Weise. 2. Stadium. 5 — 8 mm. Gestalt wie sp. ign., doch fehlen alle Ds ant. An ihrer Stelle fin- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 457 det sich je ein unpaares weisses Wärzchen , von denen das auf 4 das grösste. Färbung der Dornen : 1) schwarz mit kleiner weisser Spitze, so alle Dornen von 3, 4, 6, 8, 10, 11, 12, ferner die Sds 1, 2, 5; weiss die sämmtlichen Dornen auf 7, 9, die Sst, Ifsf 1, 2, 5. — 2) (Andre Gesellschaft) schwarz mit weisser Spitze die sämmtlichen Dornen von 3, 4, 6, 8, 10, Ds, Sds 11, Sst 12, Sds l, grau mit weisser Spitze Sst 1, Sds, Sst 2, Sds 5 ; überwiegend weiss Ifst, Sst 5 , alle von 7,9, Sst, Ifst 11. Ich könnte hier noch eine 3. Varietät anführen, die sich in- dessen der beschriebenen 2. eng anschliesst; alle untersuchten Gesell- schaften unterschieden sich während des 2. Stadiums in etwas, die Glie- der jeder Gesellschaft waren unter sich gleich. 3. Stadium. 9 — 14 mm. In Gestalt und Zeichnung der erst beschriebenen sp. ign. überaus ähnlich, doch fehlen, wie gesagt, die Ds ant , die Sds 4 — 10 haben die Mittelaxe verlängert, tragen 4 Nebendornen. Färbung wie bei sp, ign. 4. Stadium. 15 — 20 mm. Zeichnung wie bei sp. ign. Gegen Ende des Stadiums erscheint die für das letzte Stadium beschriebene Zeichnung blassgelb auf schwarzem Grund. 5. Stadium. Der Stamm der Ds pst 10 11, der Sds 2, 3 sehr dicht mit kleinen Nebendornen besetzt, dichter als bei den beiden erst beschriebenen Arten. Die Dornen erscheinen dadurch ungefähr wie Cylinderbürsten , was dem Thier ein ziemlich sonderbares Aussehen verleiht. Dasselbe wird ver- stärkt durch folgende lebhafte Zeichnung : der Raum zwischen oberer Ä'fZslinie und Dslinie ist fast ganz gelb geworden, nur gegen die Sds hin finden sich Reste einer schwarzen Begrenzung. Von dem Spst&ireM zweigt sich nahe hinter dem Stigma eine gelbe Linie ab, die zum Sst- dorn des folgenden Segments aufsteigt, denselben umzieht, ihrem aufstei- genden Ast parallel wieder absteigt ungefähr bis zum Stigma, wo sie um- biegt, senkrecht zum Sds(lori\ aufsteigt. Ausserdem finden sich noch 3 oder 4 helle Punkte zwischen Stigmastreif und Sds^iveM. Ifstregion überwiegend roth. Pappe. Die Puppe ist dimorph (vergl. Taf. XV Fig. 10 a, h). Wir finden zunächst die für sp. ign. beschriebene matt weisse Zeichnung wieder, indessen zum Theil auf schwarzbraunem Hintergrund, wenig auffallend, z. Th. verwischt. Bei der Umwandlung der grünen Grundfarbe in eine schwarzbraune ist verschont geblieben: 1) bei der hellen Form die Ifst- region, die Flügel bis auf einen dunklen Fleck, die Beine und ein Fleck auf 2, 2) bei der dunklen Form ein schmaler Fleck am obern Flügel- rand. Die Puppe erhebt sich unter dem Einfluss des Lichtes nur bis zu einem Winkel von pp. 45*^, 458 WILH. MÜLLER, Ager, am/phinonie Lm. Eiablage der von fomax ähnlich; während indessen dort die Zahl der an ein Blatt abgelegten Eier gering (5 — 10), ein Thier seine Eier jedenfalls in verschiedenen Portionen ablegt, scheint amphmome bisweilen oder regelmässig seine sämmtlichen Eier an ein Blatt abzulegen ; ich fand einmal 33, einmal 111 Eier, sie waren dann in einer grösseren Zahl von Schnüren neben einander gehängt, beispielsweise 9 Schnüre von je 10 — 15, 6 Schnüre von je 2—13. Entwicklungsdauer: ausgeschlüpft l/III 84, 1. H 4/III, 2. H 6 und 7/III, 3. H 9 und lO/III, 4. H 14—16/111, 5. H 20— 23/III. Die gesammte Entwicklung schliesst sich der der beschriebenen Ar- ten eng an, doch fehlt jede Andeutung von weissen Wärzchen , auch die Dornen sind von Anfang an schwarz, nur z. Th. mit kleiner weisser Spitze. Die Gewohnheiten sind die gleichen wie bei fomax. Was An- ordnung und Gestaltung der Nebendornen betrifft, so schliesst sich das Thier ebenfalls eng den beschriebenen Arten an; es fehlen wie bei for- nnx Ds ant; die Anordnung der Nebendornen an den Hörnern ist ab- weichend, schwankend. Aus der Entwicklung der Dornen ist zu erwäh- nen, dass die Sds 4 — 10 im 2. Stadium dreitheilig mit einer sehr kleinen Spitze an der Basis des Stammes ; diese Spitze vergrössert sich dann, um schliesslich im 5. Stadium einen den übrigen gleichwerthigen Nebendorn zu bilden. Während der 4 ersten Stadien ist das Thier schwarz, nur die Ifstvegion z. Th. roth; im 5. Stadium erscheint dann eine sehr compli- cirte Zeichnung. 5. Stadium. Kopf schwarz , Hörner mit weisser Spitze , am Körper auf 5 — 9 (9 nur vordere Hälfte) eine überaus complicirte helle Zeichnung auf schwar- zem Grund: Wir finden hier eine gelbe, mehrfach unterbrochene Z)slinie; in der Höhe der Sds eine liegende <^^, in deren j\ritte der SdsAorn steht, ebenfalls gelb; 3 oder 4 gelbe Punkte ungefähr in der Höhe der Sst; eine rothe Querbinde zwischen den Sdsdornen und von den Sds bis zum Stigma herabreichend; eine ebensolche auf den Rücken beschränkte am hintern Segraentrand ; rothe Flecke um die Ifst und Pedaläornen. Von dieser complicirten Zeichnung finden sich auf 1 — 4 und 10 — 12 nur An- deutungen der in der Ds- und S'dslinie liegenden Zeichnung, am deut- lichsten am hintern Rand von 2. Die Dornen sind auf 1 — 4, 10 — 12 schwarz mit kleiner, weisser Spitze, auf 5 — 9 weiss mit schwarzer Quer- binde unter der Spitze. Im ganzen erscheint die Raupe schwarz mit einem breiten hellen Querband. Puppe. Die Puppe ist dimorph, wie die von fomax, doch fehlt es nicht an Mittelformen, die indessen den extremen gegenüber sehr in der Minder- zahl. Die Grundfarbe, welche au Stelle des Grüns tritt, ist ein tiefes Schwarz, dunkler als bei fomax. Südamerikanische Nymplialidenraupen. 459 Ageronia arete Doubl. Die Eier, welche rund mit flachen stumpfen Höckern bedeckt, wer- den einzeln an die Unterseite der Blätter abgelegt. Entwicklungsdauer: 1. H 14/X 84, 2. H 19/X, 3. H 24/X, 4. H 29/X, 5. H 9/XI, Schmetterling 22/XL 1. Stadium. 3 — 5 mm. Im wesentlichen wie die beschriebenen Arten, wie bei sp. ign. wer- den gegen Ende des Stadiums weisse Wärzchen , sowie die Anlage der Dornen sichtbar, letztere mit Unterschieden in der Färbung, entsprechend den Unterschieden im 2. Stadium. 2. Stadium. 5 — 9 mm. Die Dornen haben ähnliche Gestalt wie bei sp. ign.', es sind vor- handen DspsLlO, II, Sds 1 — 11, Sst 1—3, 5—12, Ifst an 4, 5, 10, 11 (schwankend, bisweilen auch an 3, 6 etc.), Ped 1 — 11. Die in den fol- genden Stadien sehr auffallenden Differenzen in der Grösse der Dornen machen sich bereits sehr deutlich bemerkbar. In der Färbung der Dor- nen finden wir ähnliche Gegensätze wie bei sp. ign.; schwarz mit weisser Spitze sind: die Sds 1, die Sds und &^ 3, 4, 6, 8, 10, Ds 10, 11; gemischt sind die Sds 11, weiss sind die Sst 1, Sds, Sst 2, 5, 7, 9, Sst 11, 12. An 4 fehlt oft fast jede Anlage der Sdsäovnen , sind sie vorhanden, so sind sie schwarz. Die Färbung der Dornen sehr constant, nur Sst 1 bisweilen schwarz. "Weisse Wärzchen ähnlich wie bei sp. ign. 3. Stadium. Kopf und Dornen von ähnlicher Form wie bei sp. ign. , doch sind die Differenzirungen in der Grösse der Dornen viel bedeutender, was sich g. Th. auch in der Zahl der Nebeudornen ausspricht. Es haben die Ds pst 10, 11 je 4 und 5, Sds 1 und 4 je 2, 6 — 10 je 2 oder 4, Sds 2 und 11 je 4, Sds 3 je 5 , Sst 5—11 je 2, Sst 2, 3 je 3, Sst 12 je 5 Nebendornen, die übrigen Dornen sind einfach; bei den Sds 2, 3, 5, 10, 11, den Sst 12 ist die Mittelaxe verlängert, bei den übrigen nicht. Be- züglich der Grösse finden wir folgende Verhältnisse (vgl. Taf. XIV Fig. 1): am längsten sind die Sds 3 und Ds pst 10, es folgen die Sds 11 — Sds 5 — Sds 2 — Ds pst 11 — Sds 7, 9, 10 — Sds e , S — Sst 12 — Sds 4 — Sds l — Sst, Ifst. Kopf gelb. Hörner schwarz. Körper oberhalb des Stigmas sammet- artig schwarz, darunter gelb. Von den weissen Wärzchen haben sich die der Mittellinie genäherten, die mit der Sds in gleicher Höhe stehen- den und ein tiefer liegendes erhalten. Durch eine Verschmelzung der beiden erstgenannten Reihen entsteht eine doppelte Z)slinie und ein durch die Sdsdovnen unterbrochener Sdsstreii. Die Dornen sind überwiegend schwarz, weiss kann sein : 1) Sds 7 , 9 , untere Hälfte (bei weitem der häufigste Fall), 2) von Sds 7, 9 ein breites, von Sds 5, Sst 2, 5, 7, 9 ein schmales Basalstück, 3) wie der vorhergehende Fall, ausserdem Sds 4, 6, 460 WILH. MÜLLER, 8 mit schmalem, kaum sichtbarem, hellem Ring um die Basis oder 4) eben- falls wie 2, Sds 4 zur Hälfte hell; 3 und 4 seltne, nur je einmal be- obachtete Fälle. 4. Stadium. (Taf. XIV Fig. 1.) Aehnlich wie das vorhergehende , über dem Stigma ein blassgrüner Spst-f^treif, von der gelben ifst Region durch eine unterbrochene schwarze Linie getrennt; Ds 10, 11, Sds 1 — 3 und 11 schwarz, andern Dornen gelb. 5. Stadium. 4 cm lang. Die Unterschiede in der Länge der Dornen treten stärker hervor als in den vorhergehenden Stadien, im übrigen ist die Körperform die gleiche geblieben ; auch die Zeichnung ist die gleiche geblieben , doch ist die Grundfarbe nicht mehr schwarz, sondern orange, nur an den Rändern der hellen Sds- und ^Ss^streifen hat sich die schwarze Farbe in schmalen, die hellen Streifen hebenden Säumen erhalten. An allen Dornen der Stamm gelb, z. Th. mit grünlicher Basis, die Nebeudornen mit schwarzer Spitze. Die Raupe hat ähnliche Gewohnheiten wie sp. ign. Die Puppe bietet ein wesentlich anderes Bild als die der beschriebenen Arten : es beruht das in erster Linie darauf, dass die Hörner nicht gerade nach vorn gestreckt, sondern dorsal wärts, senkrecht in die Höhe gebogen sind; ein fernerer Unterschied besteht darin, dass wir Reste der >S(?sdornen als kleine unscheinbare Knöpfchen auf 2, 3 und 6 — 11 finden, im übrigen ist die Gestalt dieselbe. Die Grundfarbe der Puppe ist ein lichtes Braun, darauf hellere, weiss- liche Flecke und dunklere Linien. Ueber die Bewegungen, welche das Thier unter dem Einfluss des Lichtes ausführt, vergleiche das Capitel „Puppen". Notizen über Ageronia. F. MooEE 1. c. 2 a p. 342 — 44 T. IV Fig. 8. Ageronia amphinome Lis. Die Raupe wird richtig beschrieben, auch die Puppe, die helle Form abgebildet. Ibidem 2h p. 237. Ageronia ferentina God. Wir erfahren, dass die Art an derselben Futterpflanze lebt wie atn- pJiinome, also auch an einer Dalechampia. Bukmeister 1. c. p. 18 T. V Fig. 3. 4. Ageronia arethusa Gram. Die Raupe hat ähnliche Gestalt und Zeichnung, ähnliches Längen- verhältniss der Dornen wie arete, nach Abbildung und Beschreibung nur Ds pst 11. Die abgebildete Puppe gleicht der von Agcr. epi- nome, soll, was auch mir wahrscheinlich, demselben Genus, nicht derselben Art angehören. ( Südamerikanische Nymphalidenraupen. 4ß]^ BüTiMEisTEE gruppirt die Arten von Ägeronia 1) feronia, ferentina, fornax, 2) amphinome, arete, aretJiusa, vermittelnd chloe; ich würde mit Rücksicht auf die Raupe und Puppe gruppiren 1 a) amphinome, b) epinome, sp. ign. fornax (ferentina), 2) arete, arethusa. Ich darf, um diese Eintheilung zu motivircn , nur an die Beschrei- bung der Puppen erinnern, auch in der Gestalt der Raupe verhalten sich arete und arethusa abweichend ; wollten wir die Gattung Peridromia aufrecht erhalten, so würde sie danach nur von diesen beiden Arten gebildet. Dass sich die gleiche Zeichnung in beiden Gruppen wiederholt^) (arete, amphinome), wäre eine auffallende Thatsache, die wohl in der Weise zn erklären, dass diese Zeichnung die ursprüngliche, welche sich bei diesen beiden Gliedern erhalten. Chloe wäre als vermittelnde Form zwischen amphinome und epinome etc. (1 a und b) aufzufassen. Ectima Doubl. JEctinia lirina Feld. Ich habe die Raupe nie selbst gefunden, der Schmetterling ist in Blumenau selten, doch konnte ich eine abgestreifte Raupenhaut und eine Puppe untersuchen, welche ich beide der Güte des Herrn L. Hetschko verdanke. Nach der Angabe des betreffenden Herrn lebt die Raupe an Dalechampia, doch will ich bemerken, dass ich in Arma^äo (Armagäo da Pietate , ein Fischerdorf südlich von Blumenau), wo der Schmetterling überaus häufig, an der genannten Pflanze stets vergeblich nach Raupen gesucht habe. Soviel ich aus der abgestreiften Haut ersehen konnte, ist die Raupe dornig, der Kopf (Taf. XIII Pig. 14) trägt zwei Hörner mit Nebeudornen, welche ebenso angeordnet wie bei Ägeronia sp. ign. Die Puppe hat viel Aehnlichkeit mit der der Ägeronia, die Hörner des Kopfes haben ähnliche Gestalt wie bei Ägeronia sp. ign., sind nur etwas kürzier, breiter, der Aussenrand wellig gebogen, wie bei Ägeronia arete finden wir Reste der Sds dornen als kleine Knöpfe und zwar auf 2 — 8. Die Grundfarbe der Puppe ist braun, besonders auf den Flügeln und 1 — 3 finden sich weisse oder blass durchscheinende Flecke. Auf 5 beginnt ein heller Ds- streif, der sich nach hinten verbreitert. Beweglichkeit und Reaction auf das Licht wie bei Ägeronia sp. ign. Myscelia Doubl. Myscelia orsis Dru. Futterpflanze Dalechampia triphylla Lam. 1) Beim Schmetterling. 462 WILH. MULLER, Das annähernd halbkugelige, etwas ovale Ei sitzt mit breiter Basis dem Blatte auf, es ist fein quer gestreift mit 10 oder 1 1 Längsrippen bedeckt, welche schmal, aber deutlich, nach der Spitze hin höher werden, den Pol nicht erreichen. Sie werden einzeln an die Unterseite der Blätter abgelegt. 1. Stadium. 4.5 mm. Gestalt von Kopf und Körper wie bei den Äg er onia - Arten , grün durchscheinend, weisse Wärzchen, Anlage der Dornen ebenfalls wie bei Ageronia (vergl. Taf. XIV fig. 14), die primären Borsten sehr kurz (0.045 mm), gerade geknöpft. Das Thiercben bedeckt sich mit Kothballen, doch nicht so dicht wie die ^(/erom'a-Arten, baut während der 2 ersten Stadien Kothballen an die Blattrippen. 2. Stadium. 4.5 — 6 mm. Kopf (Taf. XIII Fig. 10b) schwarz mit 2 kurzen, dicken Hörnern, welche ebenso wie der Kopf mit weissen Wärzchen bedeckt sind; diese weissen Wärzchen tragen, wie am Körper, je eine Borste, ihre Anord- nung ist aus Fig. 14, Taf. XIV ersichtlich. Der Körper ist mit Dornen bedeckt und zwar finden wir: Ds ant 4 — 10, pst 10, 11, Sds 1 — 11, Sst 1 — 12, Ifst 4—11, Ped 1 — 11. Die Dornen sind noch weniger entwickelt als bei den Ageronien, tragen auf sehr kurzem Stamm sehr kurze Nebendornen (T. XIII Fig. 4a). Körper braungrün ; von den Dornen sind die Ds grau, die Sst, Ifst, Ped weiss, die Sds der Mehrzahl nach weiss mit einem schwarzen Nebendorn, veränderlich, z. B. Sds 3 — 10 schwarz und weiss, übrigen weiss, oder 1, 3, 5 — 10 weiss und schwarz, 2, 11 weiss, 4 schwarz etc. Das Thierchen baut während dieses Stadiums noch seine Kothballen an, giebt die Gewohnheit mit der nächsten Häutung auf. 3. Stadium. 6 — 9.5 mm. Die Hörner haben eine bedeutende Streckung erfahren , haben jetzt 3 fache Gesichtslänge (Taf. XIII Fig. 10c), an Stelle der weissen, je eine Borste tragenden Wärzchen ist je ein deutlicher Nebendorn getreten, und wir haben jetzt an den Hörnern auf ^ und ^ je eine Rosette von 4 Nebeudornen, im untersten -^ die vordere Hälfte einer ähnlichen Rosette, ferner am Ende der Hörner einen Knopf. Wir bezeichnen den Endknopf, der bei verwandten Gattungen durch eine Rosette von 5 Nebendornen vertrett n, als Rosette 1 , die beiden folgenden von je 4 als 2 und 3, die unterste nur zur Hälfte ausgebildete als Rosette 4. Am Körper finden wir die für das vorhergehende Stadium bezeichneten Dornen ebenfalls bedeutend gestreckt (T. XIII Fig. 4b), sie tragen Nebendornen in folgen- der Anzahl : Ds ant je 3, Ds pst 10, 11 je 4 und 5 Sds l jo 2. Sds 2 und 4—11 je 3, Sds 3 je 5, Sst 4 einfach, Sst 1 je 2, Sst 2, 3, 4—11 je 3, Sst 12 je 10, lfst4—\l je 3, Ped 1 — 5, 10, 11 einfach, 6—9 je 2; nur die Sds 3 und Sst 12 mit verlängerter Mittelaxe. In der Ifst- und Pedreihe findet sich , besonders häufig au 5 — 9 , bisweilen auch an andren Seg- menten ein einfacher kleinerer Nebendorn vor dem Hauptdorn. Die Südamerikanische Nymphalidenraupen, 463 Ausbildung der Dornen ist eine sehr gleichmässige, Sds, Sst, Ifst haben annähernd gleiche Länge, die Ds ant sind weniger entwickelt, innerhalb der Sdsreihe sind die Sds 3 stärker, 1 und 4 weniger stark entwickelt als die übrigen. Zeichnung: Kopf und Hörner schwarz, letztere mit heller Quer- biude zwischen 1 und 2 , 2 und 3 Kosette. Körper und Dornen grün, letztere in den oberen Eeihen {Ds, Sds, Sst) mit breiten schwarzen Spitzen; die weissen Wärzchen, wie im vorhergehenden Stadium, sehr deutlich erhalten; sie haben eine gelbliche Färbung angenommen. 4. Stadium 9.5 — 16 mm und 5. Stadium 16 — 28 mm schliessen sich dem 3. in Gestalt des Körpers und Zeichnung im ganzen an; in folgenden Punkten hat sich die Zeichnung verändert: der Kopf ist nicht mehr schwarz , sondern grün , die Hörner auf der Eückseite hellbraun. Die weissen Wärzchen sind vermehrt, hinter den Sds^ornQu finden wir an Stelle der ursprünglichen 2 Querreihen 4, zwei von diesen, die vor- derste und hinterste, bestehen aus sehr kleinen Wärzchen und sind dies die neu hinzugekommenen Keihen ; in den beiden andern älteren E-eihen sind die der Mittellinie genäherten Wärzchen bedeutend vergrössort. Das Thier nimmt nach der 1. oder 2. Häutung in der Euhe eine Stellung ein , bei der der Körper in ganzer Länge dem Blatt flach auf- liegt, der Kopf ist derart gesenkt, dass die Spitzen der Hörner das Blatt berühren. (Vergl. Taf. XIV, Fig. 3, 4). Ich bezeichne diese Stellung als Schutzstellung. Die Puppe ist etwas breit gedrückt, besonders die Abdominalsegmente. Auf dem Eücken, abgesehen von 2 ohne jede Kante, in Folge dessen erscheint sie, von der Seite gesehen, ziemlich schlank, von oben besonders in der Ge- gend der Segmente 5 — 7 breit, von da nach vorn wenig, nach hinten bedeutend verjüngt. Die Puppe ist wenig höckrig, 2 kurze conische Spitzen am Kopf, eine zu einer Spitze ausgezogene Kante auf 2 , eine stark vortretende Flügelkante, übrigens glatt. 3 bewegliche Segmentver- bindungen , nach allen Seiten ziemlich frei beweglich ; der Cremaster endet, ähnlich wie bei Ägeronia, breit, flächenhaft. Das Thier befestigt sich auf der Oberseite der Blätter, es richtet sich unter dem Einfluss des Lichtes auf, wendet sich dem Licht zu (vergl. da«f Capitel über Puppen, wie auch Taf. XV Fig. 12, 14). Catonephele Hübn. Beide beobachtete Arten leben an Alchornia, häufiger an Alchornia iricura Cas., seltner an AI. cordata Müll. Aito. Catone2J7iele acontlus Lin. Eier, Körperform, Entwicklung ähnlich wie bei Myscelia orsis; in der ifst und ped Dornenreihe ist eine bedeutende Vermehrung der Dornen eingetreten , so dass wir in diesen Eeihen auf jedem Segment 2 — 4 Dornen finden; die Hörner sind bedeutend länger. Wesentlich 464 WILH. MÜLLER, anders ist die Zeiclinung, auf deren Entwicklung wir genauer eingehen müssen. 2. Stadium, Körper braungrün. Die Dornen zeigen folgende Färbung : ganz weiss sind die Spst, Ifst, Ped, ferner die Sds von 2, 5, 7, 9, 11, 12, weiss mit einem schwarzen Nebendorn die Sds 1, 3, 4, 6, 8, lü; grau die i)s ant 5, 7, 9 ; grau mit einem schwarzen Nebendoru die Ds mit 4, 6, 8, 10; die Ds pst 10, 11. Andere Varietät: alle Dorsal- dornen schwarz, nur die Ds pst H mit einer weissen Spitze, die Sst 2, 3, 4 schwarz, die von 6, 8, 10, 12 schwarz und weiss, übrigens wie die zuerst beschriebene Form. 3. Stadium. Körper bis zu den &^dornen sammetschwarz , Ifstregion heller. Auf dem schwarzen Grund sind die weissen Wärzchen deutlich sichtbar. Auf 7 und 9 findet sich um die Basis der Sds eine helle gelbliche Zone ; diese Zone ist von sehr verschiedenem Umfang, sie kann so klein sein, dass sich die beiderseitigen Zonen nicht berühren , die helle Färbung kann sich aber auch über die ganze vordere Hälfte des Segmentes, auch noch über das hintere | des vorhergehenden Segmentes erstrecken ; im weitern Verlauf des Stadiums breitet sich diese helle Färbung aus, in- dessen im wesentlichen nur nach vorn, sie ergreift nie das hintere ^ (die 2 letzten Hautfalten) von 9, wohl aber die Segmente 6 und 8; ge- wöhnlich bewahrt die vordere Hälfte von 8 ihre ursprüngliche schwarze Farbe, bleibt als Grenze zwischen beiden hellen Kegionen bestehen, doch kann auch diese Region , ebenso wie die vordere Hälfte von 6, eine hellere Färbung annehmen, stets bleibt aber hier ein dunkler E-ing um die Basis der Ds und Sds. Ausserdem sind noch hell die vordere Hälfte von 1, welche ebenfalls gelblich, und der Eaum zwischen den Sst 12, welcher weiss. Von Dornen sind weiss die der Ifstregion, die Sst 12, die Sst 7; die andern sind graugelb, durchscheinend, ohne schwarze Basis, so die Sds 7, 9, bisweilen auch die Sds 6, 8, die Ds 1, 9, oder graugelb durch- scheinend mit breiter schwarzer Basis, so die übrigen. Andere Varietät: Die Sp)st 1, 2, 5, 7, 9, 11 rein weiss, sonst wie die vorher beschriebene Form (nur einmal beobachtet). 4. Stadium. Kopf schwarz, stahlblau glänzend, Hinterseite von Kopf und Hörnern gelblich. Den Körper entlang zieht ein weissgelber, die Sst und Ifst umfassender Stigraastreif, die gleiche Färbung hat die untere Hälfte von 12. Der gegen Ende des vorhergeliendeu Stadiums mehr oder weniger deutlich ausgesprochene Gegensatz zwischen den Segmenten 2 — 5, 10, 11, welche dunkel, und den Segmenten 6 — 9, welche hell, ist hier sehr deut- lich, die helle Färbung hat wieder ihre Grenze auf | von 9; die dunk- len Segmente (2 — 5, hinteres -g- von 9, 10 und 11, obere Hälfte von 12) sind tief sammetschwarz, die hellen Segmente (1 , 6 — 8 und vordere -1 von 9) sind schmutzig giüu mit folgender Zeichnung : auf der Höhe der Südamerikanische Nymphalidenraupen. 465 Hautfalten am hintern Segmentrand findet sich je eine schmale braun- rothe Querbinde , jede dieser Querbinden umfasst 6 kleine , hellgrüne Punkte (Reste der weissen Wcärzchen). Ferner finden sich 2 braunrothe Flecke mit hellgrünem Punkt in der Mitte in der Gegend der S2)st. Diese Zeichnung verschwindet im Lauf des Stadiums auf dem Rücken, wo das Thier (auf den hellen Segmenten) eine rein grüne Färbung an- nimmt, sie erhält sich an den Seiten. Die Dornen sind weissgelb, die der Sst, Ifsf, Ped-Reihe, oder bräun- lich gelb, die Ds und Sds ; die von 3, 4, 10, 11 mit schmaler schwarzer Basis. Varietät (nur einmal beobachtet) : die Segmente 2 und 5 werden auf dem Rücken braungrün, welche Farbe unregelraässig mit der ursprüng- lichen schwarzen Farbe gemischt ist. 5. S ta dium. Der ganze Körper oberhalb des Stigmas grün , darunter weisslich, beide Regionen durch eine unterbrochene braune Linie getrennt. Auf 6 — 9 finden wir direct nach der Häutung an der Seite Reste der für das vorhergehende Stadium beschriebenen Zeichnung, welche Reste im Verlauf von 2 Tagen verschwinden; die Segmeute 2 — 5, 10, 11 sind von Anfang an rein grün , oder anfangs mit undeutlicher bräunlicher Schat- tirung an den Seiten, oder (nur einmal beobachtet) in der ganzen supra- stigmalen Region braungrün. Auch hier macht die braungrüne Färbung bald einer rein grünen Platz. Die Ds und /ScZsdornen haben einen gelblichen Stamm , schwarze Nebendornen, die andern Dornen sind weisslich. Das Thier hat ähnliche Gewohnheiten wie Myscelia orsis, bedeckt sich aber während des 1. Stadiums nicht mit Kothballen. Im 3,, seltner, im 4. Stadium nimmt es in der Ruhe eine annähernd S-förmige Stellung ein , wobei der Körper und Kopf dem Blatt flach aufliegen bleiben. Die Puppe gleicht im ganzen der von Myscelia orsis, ist etwas weniger breit ge- drückt. Grundfarbe grün, oberseits überwiegend weissgrün, besonders auf 6 — 9, zwischen Flügelkante und Flügelrand findet sich ein brauner Streif, der sich nach vorn fortsetzt, die Oberseite der Hörner und die Anten- nenbasis umfasst, sich dort mit dem der andern Seite vereinigt. Auf 6 und 7 finden sich kleine schwarze Punkte als Reste der Dornen. Die Puppe verhält eich unter dem Einfluss des Lichtes ähnlich wie Myscelia orsis. Catonephele penthia Cram. Entwicklung und Körperform ähnlich wie bei Myscelia orsis und Catonephele acontius, die Dornen der Ifst und Ped-Reihe wie bei acon- tius vermehrt. An den Dornen der Sds und . Sstreihe sind die Neben- dornen stark entwickelt, divergiren sehr stark, so dass das Thier beson- Zoolog. Jahrb. X. on 466 WILH. MÜLLEH, ders dicht mit Dornen bedeckt erscheint. Die Hörner am Ende mit 5- theiliger Kosette (Taf. XIII Fig. 16). Zeichnung: 2. Stadium braungrün, alle Dornen weiss, nur die Ds pst schwarz oder schwarz und weiss gemischt, bisweilen ganz weiss. 3. Stadium. Sehr variabel. Die dunkler gezeichneten Thiere entsprechen an- nähernd dem 4. Stadium von acontius, doch hat hier 1 überwiegend die Färbung der folgenden dunkleren Segmente ; nur seine vordere Hälfte zeigt eine hellere Schattirung; die helle Region umfasst die Segmente 5 — 9 (vordere ^). Wir finden überhaupt folgende Varietäten: 1) If stregion (die /Spstigmalia noch umfassend) gelbgrün, darüber 1 — 4 schwarz, vordere Hälfte von 1 heller, 5 — 9 (9 vordere |^) gelb- grün mit einem schwarzen Lateralstreif, der auf 5, 7, 9 zwischen den Sds und Sst unterbrochen ist, und undeutlichem J9sstreifen, Rest von 9, 10 und 11 schwarz, 12 gelbgrün. Die Dornen zeigen die Farbe des Körpertheils, auf dem sie entspringen (der häufigste Fall). 2) 1 und 2 schwarz und grün gemischt, alle Dornen blassgelb mit schwarzer Binde unter der Spitze, sonst wie 1. 3) Wie Varietät 2, ausser 1, 2 auch 10 schwarz und grün gemischt, 1 1 dunkelgrün. 4) Grundfarbe der hellen Region nicht grün, sondern blassroth, rein schwarz sind riTlr 3 , 4 und die vordere Hälfte von 1 0 ; röthlich und schwarz gemischt 1, 2, 11, hinteres ^ von 10. Schwarz sind die Ds und Sds 4, weiss mit schwarzer Basis die Sds 3, Sds 10, Ds ant 10, alle andern Domen ganz weiss. 5) Die Segmente 1 — 4, 10, 11 haben die Färbung und Zeichnung der Segmente 5 — 9 angenommen, 3, 4, 10, 11 sind dunkelgrün, nicht wie die übrigen hellgrün, 3, 4 mit einem breiten schwarzen Dssiieit 4. Stadium. Kopf schwarz, stahlblau glänzend, mit einem rothen Fleck über dem Mund, Hörner schwarz, mit hellen Binden zwischen den Rosetten, Rück- seite der Hörner und nach hinten gerichtete Nebendornen blassgrün. Der Körper zeigt folgende Varietäten : 1) Gleich nach der Häutung ist die hintere Hälfte von 1 , 2 — 4, hinteres ^ von 9, 10 und 11 in der sps^ Region dunkelgrün, r/s^ Region blass gelbgrün ; die Segmente 5 -9 mit dunklerer Zeichnung wie im 3. Stadium ; dasselbe Individuum am folgenden Tag gleichmässig lebhaft grün, alle Domen blassgrün. 2) Segmente 3 und 4 in der iJjps^Region schwarz , hinteres -^ von 9 und 1 0 schwarzgrün , Ds und Sds - Dornen auf 3 , 4 , 10 mit schwarzer Basis ; übrigens das Thier gleichmässig grün. Dasselbe Indi- viduum 2 Tage später: 9 und 10 wie die benachbarten Segmente, nur noch die Jiasis der Dornen schwarz , 3 schwarzgrün, 4 allein noch rein schwarz. Südamerikanische Nymphalideuraupen. 467 3) Segment 4 schwarz, Sds 3 mit schwarzem Eing um die Basis, Sds 10 mit schwarzem Fleck an der Basis der Sds, übrigens grün. 5. Stadium. Der rothe Fleck über dem Mund ist derart vergrössert, dass das Schwarz auf 2 von der Basis der Hörner herunterziehende Streifen be- schränkt ist. Das Thier ist lebhaft grün, die den früheren Stadien gegen- über vermehrten weissen Wärzchen erscheinen wie Glasperlen, das Thier wie mit Glasperlen bestreut. Die Basis der Ds und Sds dornen ist leb- haft roth , der übrigen Dornen blassgelb ; darüber sind alle Dornen bis zur Mitte der Nebendornen grün, es folgt eine schwarze Spitze oder eine schwarze Querbinde, eine weisse Spitze. Gewohnheiten wie bei Mt/s- celia orsis. Puppe wie die von acontius, die Spitze auf 2 weniger stark vor- ragend. Weitere Mittheilungen. C. Stoll 1. c. p. 8 T. I Fig. 8. Catonephele acontius (eupalemon a u t). Die Kaupe ist kenntlich abgebildet, auch die Eosetten an den Hör- nern wohl zu erkennen. Ibidem, p. 30 T. YI Fig. 5. Catonephele ohrinus Lin. Hörner mit zahlreichen Nebendornen be- setzt, welche unregelmässig augeordnet. Körper grün, mit kurzen ver- zweigten Dornen. (Yon der Bedornung kann man sich nach der Abbil- dung kaum eine bestimmte Vorstellung machen). Eunica Hübn. Eunica margarita Godt. lebt an Sebastiana, sp. Eier ähnlich wie die von Myscelia orsis. 1. Stadium. 3 mm. Kopf schwarz , Körper durchscheinend grün , Anlage der weissen Wärzchen und Dornen nicht nachweisbar. 2. Stadium. 3 — 5 mm. Kopf ähnlich wie bei Myscelia orsis im 2. Stadium, die weissen Wärzchen an den Hörnern nicht so regelmässig angeordnet. Dornen, soweit vorhanden, ähnlich wie bei Myscelia orsis vorgebildet, an Stelle der verloren gegangenen Dornen auf 4 — 10 finden wir einfache, unver- zweigte Wärzchen , welche wenig vor den übrigen durch Grösse ausge- zeichnet sind. Das Thierchen ist grünlich. Dornen und weisse Wärzchen nur wenig durch Färbung vor der Umgebung ausgezeichnet. 3. Stadium. 5 — 9 mm. Kopf (Taf. XIII Fig. 17) mit 2 langen (2 bis 3fache Gesichtslänge) schlanken Hörnern, welche unregelmässig mit gewöhnlich 6 Nebendornen besetzt; Dornen finden wir: Sds 1 — 3, 10, 11, Sst 1—3 und 12, an Stelle der übrigen Dornen (Sds, Sst, Ifst) weisse Wärzchen, welche 30* 468 WILH, MÜLLER, wenig grösser als die normal entwickelten, einfach, in eine Borste endigen. Von den erstgenannten Dornen sind die Sds 1, 2, Sst 1 — 3, 12 einfach, Sds 10, 11 unregelmässig 4theilig, Sds 3 ötheilig, letzterer mit verlän- gerter Mittelaxe , alle Dornen wenig entwickelt. Ausser den genannten Dornen finden wir einfache Spitzen neben den SjJStdornen von 12, deren morphologische Bedeutung zweifelhaft. Kopf und Dornen schwarz, Körper rothgrün. 4. Stadium. 9 — 16 mm. Wie das vorhergehende. 5. Stadium. 16—22 mm. Körperform wie im vorhergehenden Stadium , Kopf schwarz , mit hellen Flecken, Körper rein grün, mit einem weissen Stigmastreif. Das Thier baut sich während der 2 ersten Stadien seine Sitzstange aus Kothballen ; während der 4 ersten Stadien lebt es an den jungen Trieben der Pflanze, welche, wie das Thier, rothgrün gefärbt. Mit der 4. Häutung, wo sein Nahrungsbedürfniss ein grösseres wird, begiebt es sich an die älteren grünen Blätter, deren Farbe nun ebenfalls der Farbe des Körpers entspricht. Es nimmt die oben für die Ageronien charak- terisirte Trutzstellung ein. Die Puppe ähnelt in ihrer Gestalt der von Myscelia orsis , die Kante auf 2 ist wenig entwickelt. Sie ist grün gefärbt, verhält sich gegen das Licht wie die von Myscelia orsis. Temenis Hübn. Temenis agatha Fabr. lebt an PauUinia seminuda Rad. und Serjania meridionalis Cambes. Ei und Eiablage wie bei Myscelia orsis. 1. Stadium. 3 — 4.5 mm ähnlich wie das von Myscelia orsis, das Thierchen trägt einzelne Koth- ballen. 2. Stadium. 4.5 — 7 mm. Körpergestalt, Form der Dornen ähnlich wie bei Myscelia orsis, doch fehlen Ds ant; an ihrer Stelle ein unpaares Wärzchen. Körper schwarz, von Dornen schwarz die Ds pst 10, 11, Sds und Sst 3, 4, 6, 8, 10 {Sds 4, soweit der Dorn zur deutlichen Anlage kommt), andern Dornen weiss. 3. Stadium. 7 — 12 mm. In der Bildung der Hörner und Dornen findet sich ein ähnlicher Contrast gegenüber dem vorhergehenden Stadium wie bei Myscelia orsis etc. An den Hörnern, welche von mehr als doppelter Gesichtslänge (T. XIII Südamerikanische Nymphalidenraupen. 469 Fig. 1 8), finden wir die oben erwähnten 4 Rosetten , die Axe über die Rosette 1 hinaus verlängert. Von Dornen finden wir Ds pst 10, 11, Sds 1 — 11, Ssf 1 — 3, 5 bis 12; Ifst 4—10, Ped 1—3, 6 — 9. Von diesen tragen die Ds pst je 3 und 5, die Sds 1 und 4 je 2 (beide fast ohne Stamm), Sds 2, 5—11 je 3, Sds 3 je 5 , Sst 1—3, 5 — 11 je 2, 12 je 4, Ifst sämmtlich und Ped 6 — 9 je 2 Nebendornen, nur die Sds 3 mit verlängerter Mittelaxe. Innerhalb der Ds und Sds finden sich folgende Differenzirungen zwischen den einzelnen Dornen : besonders gross Sds 3, Ds 11, es folgen Ds 10 — Sds 2 — Sds 6, 8 — Sds 5, 7, 9, 10, 11 — Sds 1, 4, letztere sehr klein. Hörner schwarz mit weissen Binden; Körper schwarz mit weissen Wärzchen, 12 ganz weiss. Dornen schwarz, z. Th. glasartig durchschei- nend, oder hell durchscheinend, letzteres die Sds 5, 7, 9, Sst 12. 4. Stadium. 12 — 17 mm. Die Ds pst 10, 11, die Sds 2, 3 haben an Länge, mehr noch an Dicke zugenommen, übrigens ist die Körperform im wesentlichen die gleiche geblieben. Am Körper folgende complicirte Zeichnung: auf schwarzem Grund finden sich zahlreiche weisse Punkte, weisse Wärzchen. Aus den unregelmässig angeordneten weissen Punkten, die in der Mittel- linie fehlen , heben sich 2 Dorsallinien und eine Subdorsallinie, letztere die >S'6Zsdornen von oben berührend; die Linien entstehen durch An- häufung der weissen Punkte. Diese Zeichnung wird unterbrochen durch dunklere von hellen Punkten nahezu freie Querbinden auf der ersten Hälfte oder dem ersten | von 1, 2, 3, 6, 8, 10, 11. Der vordere Rand dieser Querbinden steigt schräg nach vorn und unten ab , so dass er von der Mitte des Rückens nach der Mitte des untern Segmentrandes verläuft. Um die Sds findet sich eine hellbraune Zone, die gross an 4, 5, 7, 9, klein an den übrigen Segmenten, die Sst 1 — 5, 7, 9 ebenfalls mit heller Zone, 12 bis auf die Beine hellbraun, weiss punktirt. 5. Stadium. Taf XIV Fig. 4. Die Nebendornen der Rosette 1 sind etwas blattförmig verbreitert, die von 2 , 3 schneiden sich an der Vorder- und Rückseite unter sehr stumpfem Winkel (die Rosette gewissermaassen von vorn und hinten zu- sammengedrückt), die Sds 2, 3, Ds 10, 11 sind zu unförmlichen kolbigen Fortsätzen angeschwollen, welche dicht mit kleineren und dünn mit grösseren Nebendornen besetzt; von den übrigen Dornen haben nur die Sst 12 eine bedeutendere Ausbildung erlangt, haben mit dem Wachsthum des Körpers gleichen Schritt gehalten , während die übrigen Dornen zu- rückgeblieben sind. Wir finden folgende Zeichnung. Kopf und Hörner auf der Vorderseite schwarzbraun, auf der Rückseite hellbraun, Hörner mit weissen Binden. Der Körper ist zwischen den Sdsäornen lebhaft grün, doch wird die Lebhaftigkeit der Farbe gemildert durch sehr zahl- reiche helle Punkte (weisse Wärzchen) , welche je eine winzige Borste tragen. Es folgt tiefer ein dunkelbrauner, oben hellbraun gesäumter 470 WILH MÜLLER, Lateralstreif, dieser entsendet Querbinden über den Rücken , welche die dort herrschende grüne Farbe verdrängen auf 1, den ersten ^ von 2, auf der vorderen Hälfte von 3, 6, 8, 10, der hintern Hälfte von 11 und 12 und dem obern Rand von 12. Die J/s^-Region ist ebenfalls braun auf l — Mitte 3, 11 und 12, sonst weissgrün ; in die weissgrüne Infrastigmalregion entsendet der braune Lateralstreif ebenfalls Fortsätze und zwar je einen in der Mitte jedes Segmentes, welcher schräg nach vorn absteigt. Diese Fortsätze sind entweder breit, umfassen den Sstdorn (6, 8), oder schmal, lassen den Spstdorn frei (5, 7, 9). Bs 10, 11, Sds 1—4, 6, 8 mit braunem, die übrigen mit blassgrünem Stamm. Das Thier nimmt in der Ruhe die Schutzstellung ein, im 3. Stadium biegt es sich ähnlich, wie wir das bei Catonephele acontius sahen. Es ist dies eine höchst sonderbare Raupenform, die kolbig verdickten Dornen geben dem Thier ein sehr eigenartiges Aussehen , über dessen Bedeutung für das Thier es schwer hält, sich Rechenschaft zu geben. Puppe, Taf. XV, Fig. 14. Sie ist denen von Myscelia und Catonephele ähnlich, doch ist sie schlanker, Flügelkante und Rückenkante auf 2 sind fast ganz unterdrückt, dagegen sind die Hörner bedeutend stärker entwickelt als bei allen ver- wandten Gattungen, sie sind lang, spitz, etwas breit gedrückt. Das Thier ist oberseits weissgrün, mit dunkleren Flecken besonders in der Mittel- linie und der ^(^slinie; während die Segmente 7 — 12 oberseits ganz weissgrün, verschmälert sich die weissgrüne Fläche von 7 au nach vorn stetig, so dass die Spitze des so entstandenen weissgrünen Keils auf den Kopf zu liegen kommt. Der Raum zwischen weissgrüner Fläche und Flügelwurzel ist sammetartig dunkelgrün ; die Flügelwurzel und die Hörner weissgrün. Das Thier reagirt ähnlich auf das Licht wie Myscelia orsis , doch viel rascher und energischer als alle anderen mir bekannten Arten mit ähnlichen Gewohnheiten. Weitere M i tf heilu ng en. C. Stoll 1. c. p. 19 Taf. IV Fig. 4. Temcnis ariadne (= agatha) Raupe und Puppe gleichen ganz den hier beschriebenen Formen. Pyrrhogyra Hübner. Ueber die Gattung JPf/rrhogyra finden sich an zwei Stellen No- tizen, die genügen dürften, um die Stellung dieser Gattung im System festzustellen. C. Stoll 1. c. p. 18, T. IV, Fig. 3. Pyrrhogyra neaerea Ceam. Auf Cafi'ee (? aut). Der Kopf der Raupe trägt 2 Hörner, an denen, wie wohl erkennbar, sich Rosetten in gleicher Anordnung wie bei Catonephele penthia und Temenis finden; Axe der Hörner über die Eudrosette verlängert; Grösse und Gestalt der Hörner erinnern am meisten an Temenis. Am Körper finden sich verzweigte Dornen, über deren Stellung man sich allerdings Südamerikanische Nymphalidenraupen. 471 kein Urtheil bilden kann. Der Körper ist gelb und braun mit schwarzen, die Sds umfassenden Querbinden auf 3, 4, 6, 8, 10. Puppe grün, mit stark vorspringender Kante auf 2; sonst vom Habitus wie Myscelia etc. J. C. Sepp 1. c. p. 29 T. XI bildet einen Schmetterling ab, der einem von mir in Blumenau gefangenen ziemlich genau gleicht ; derselbe wurde mir von Staudingek als Pyrrhogyra sp. ? (n. s^?. ?) bestimmt, nehme ich die gleiche Bezeichnung für die bei Sepp auf Tafel XI dar- gestellten Thiere in Anspruch. Raupe und Puppe gleichen in der Ge- stalt den von Stoll dargestellten, die Puppe ist, wie das für alle Glieder der fraglichen Gruppe charakteristisch, auf der Oberseite des Blattes be- festigt. Die Futterpflanze, von der nur ein Blatt gezeichnet, würde ich für eine Paullinia halten, die Blattform ist charakteristisch, besonders der breit geflügelte Blattstiel, der bei PauUinia-Arten nicht selten. Das Ver- hältniss der gezeichneten Ranke zum Blatt oder zur Pflanze ist leider aus der Figur nicht zu ersehen, was die Deutung weniger sicher macht. Im ganzen stimmen beide Angaben, die sich auf Pyrrhogyra beziehen, über- ein, weisen unzweifelhaft auf die nächste Verwandtschaft dieser Gattung mit Temenis hin. Epiphüe Doubl. JEpiphile orea Hübn. Lebt an den gleichen Sapindaceen wie Temenis agatJia. Es erscheint bemerken swerth, dass beide Arten von Schmetterlingen aus 2 Pflanzen- Gattungen die gleichen Species auswählen, die gleichen vermeiden ; ich habe an andern Arten besonders von S e r j a n i a stets vergeblich nach Raupen und, was leichter zu finden, angesponnenen Kothballen gesucht. Gestalt der Eier und Eiablage wie bei Myscelia orsis. 1. Stadium. Wie gewöhnlich, trägt keine Kothballen. 2. Stadium. Kopf verhältniasmässig gross , mit 2 sehr kurzen (^ Gesichtslänge) Hörnern. Körper mit borstentragenden Wärzchen bedeckt. Zwischen diesen Wärzchen zeichnet sich die Anlage der Dornen (Ds pst 10, 11, Sds 2 — 11, Sst 12) lediglich dadurch aus, dass sie wenig grösser als die übrigen, und dass sie 2 oder mehr Borsten tragen je nach der Zahl der zu bildenden Nebendornen. Kopf schwarz, Körper braun, Wärzchen und Anlage der Dornen weissgrün. Ein unpaares Wärzchen am vorderen Segmentrand auf 4 — 11. 3. Stad i um. Kopf gross, breit, mit kurzen Hörnern von nicht ganz Gesichtslänge; wir finden an ihnen die mehrfach erwähnten 4 Rosetten von Nebendornen, die Nebendornen indessen sehr klein. Die Sds dornen sind sehr kurze 2theilige Wärzchen , welche die kurzen Borsten der anderen Wärzchen nicht überragen, ähnlich die Ds pst^ nur die Sst 12 etwas weiter ent- 472 WILH. MÜLLER, wickelt. Das Thier bewahrt, im Gegensatz zu den besprochenen Arten, noch im 3. Stadium die Gewohnheit, Kothballen an die kahl gefressene Mittelrippe des Blattes zu befestigen. Der plötzliche Fortschritt in der Entwicklung der Dornen und Hörner, den wir bei den zuletzt besprochenen Arten mit der 2. Häutung ver- bunden sahen, knüpft sich hier an die dritte, doch ist er, in Folge der allgemeinen Rückbildung, welche Dornen und Hörner erfahren, weniger auffallend. 4. S tad ium. Hörner von Gesichtslänge, mit sehr kurzen Nebendornen. Die Dornen tragen auf kurzem Stamm kleine Nebeudornen, und zwar sind die Sds auf 2, 4 einfach, die Sds 5 — 11 tragen je 2, die Sds 3 je 4, die Ds 10 und 11 je 3 und 5, die Sst 12 je 4 Nebendornen; nur bei den letz- teren ist die Mittelaxe verlängert, sie sind am stärksten entwickelt. Die Sds 5 — 11 tragen bisweilen noch einen dritten kleinen Nebendorn. Sst fehlen an 1 — 11, Ifst finden wir je einen kleinen einfachen an 4 — 11 oder 5 — 11, Ped ebenso an 1 — 9 oder 2 — 9. Kopf und Hörner schwarz, ersterer mit 2 von der Basis der Hörner nach dem Munde zu ziehenden weissen Linien. Körper grün mit einem weissen Stigmastreifeu. Die sehr deutlichen weissen Wärzchen haben sich in der Weise angeordnet, dass sie den Verlauf der für das folgende Stadium zu beschreibenden hellen (gelben) Linien bereits andeuten. 5. Stadium. In der Körperform wesentlich wie das vorhergehende Stadium ; am Kopf (Taf. XIII Fig. 19) ausser den 2 von den Hörnern herabziehenden weissen Streifen noch ein weisser Fleck über dem Mund und ein eben- solcher zwischen den Hörnern ; Hinterseite des Kopfes und der Hörner blassroth. Körper sammetartig grün, Infrastigmalregion heller. Es finden sich folgende gelbe, dunkelgerandete Linien (durch Zusammenfliessen der weissen Wärzchen entstanden) : 2 ziemlich entfernt von einander verlau- fende Dorsallinien, 2 fi'cZslinien, die sich an der Grenze der Segmente nähern , die Sdsdornen im Bogen umziehen, eine stärkere gelbe Stigma- linie, die in der Gegend des Stigmas unterbrochen, ferner eine wellig ge- bogene Linie zwischen Sds und Stigmalinie. Das Thier nimmt ebensowohl die Trutz- wie die Schutzstellung ein. Puppe. Der von Myscelia ähnlich. Grundfarbe grün, unterseits blass weiss- grün , oberseits schön sammetartig grün auf 1 — Mitte 5, dahinter das Grün wie mit einer dünnen Wachsschicht überzogen , unter welcher es durchschimmert; beide Regionen sind scharf getrennt durch eine quer über Segment 5 verlaufende Linie, welche sich aus 3 nach vorn offenen Bogen zusammensetzt. Die Flügelkante entlang verläuft eine schmale braune Linie. Auf der Flügelwurzel und auf dem Kopf finden sich leb- haft perlmutterglänzende Flecke. Sie verhält sich gegen das Licht wie Myscelia orsis, reagirt nur träge. Südamerikanische Nymplialidenraupen. 473 Callicore Hübn. Callicore meridionalis Bates. Das Thier lebt eiuzeln an Trema micrautha Dcll. Ei und Eiablage wie bei Myscelia orsis. 1. Stadium. 3 mm. Aehnlich wie bei Myscelia orsis. 2. Stadium. 3 — 4.5 mm. Kopf klein, braun, mit zwei dicken höckrigen Hörnern von halber Gesichtslänge. Am Körper sind zwischen den Wärzchen, wie bei l^pi- phile , einige durch Grösse und durch den Besitz von 2 Borsten ausge- zeichnet, nämlich die an Stelle der Ds ant 4 — 10, der Sds 2 — 11 und der Sst 4^11 stehenden, die Sst 12 wenig stärker entwickelt, ein un- paares Wärzchen am vordem Rand von 11. 3. Stadium. 4.5 — 8 mm. Kopf (T. XIII Fig. 20) mit 2 sehr langen (3 mm), wenig divergirenden Hörnern , welche mit starken Nebendornen besetzt. Diese sind zu den mehrfach erwähnten Rosetten von 5, 4, 4, 2 Nebendornen angeordnet, die Mittelaxe ist über die Rosette 1 hinaus verlängert. Die Ds 4 — 10, Sds 2 — 11, Sst 12 erheben sich wenig über die benachbarten Wärzchen, von den beiden Nebeudornen ist ausser bei Sds 2, 3, Sst 12 stets der eine stärker entwickelt. Die Sst 4 — 11 haben sich nicht weiter ent- wickelt. Kopf schwarz mit helleren Flecken, Hörner schwarz mit durch- scheinenden Querbinden zwischen den einzelnen Rosetten. Körper gelb- lich grün mit einem nur angedeuteten helleren gelblichen Subdorsal- streifen und einem blassgrünen //sfetreifen. Die borstentragenden Wärz- chen sind nicht durch hellere Färbung ausgezeichnet. 4. Stadium. 8 — 12 mm. Wesentlich wie das vorhergehende Stadium. Die Nebendornen der Hörner in der Weise vermehrt, dass die Rosette 4 jetzt vollzählig, 4theilig; ausserdem sind noch kleine Dornen an der Basis der Hörner dazuge- kommen. Die Dornen des Körpers etwas stärker entwickelt. 5. Stadium. 12—22 mm. Die Dornen haben noch an Länge zugenommen, sie bestehen jetzt, ausser Sst 12, welche auf längerem Stamm Stheilig, aus einem sehr kurzen Stamm mit 2 Nebendornen , welche annähernd gleich bei Sds 2, 3, sehr ungleich bei den übrigen. Entweder ist die nach vorn ge- richtete Spitze stark entwickelt, die nach hinten gerichtete schwach (Ds ant 4 — 10, Sds 10, 11) oder umgekehrt (Sds 4 — 9). Im Lauf des Stadiums verliert das Thier seine rein walzige Körperform, wird in der Mitte dicker, wenig nach vorn, stärker nach hinten verjüngt, welche Körperform noch deutlicher zur Ausprägung kommt, während das Thier zum Verpuppen aufgehängt. Der Kopf ist grün , die Hörner bräunlich- 474 WILH. MÜLLER, grün mit helleieu Binden, wie beschrieben; die Rückseite der Hörner und nach hinten gerichtete Dornen sind überwiegend grünlich. Am Körper werden die in den beiden vorhergehenden Stadien nicht durch hellere Färbung ausgezeichneten Wärzehen wieder weiss ; der gelbe Sdssireif verschwindet gegen Ende des Stadiums. Gewohnheiten wie bei Myscelia orsis, doch l^edeckt sich das Thier- chen im 1. Stadium nicht mit Kothballen. Puppe ähnlich wie die von Myscelia orsis. Oberseits sammetartig grün, unter- seits blassgrün ; ein weiss und brauner Streif zieht die Flügelkante ent- lang, setzt sich nach hinten als Infrastigmalstreif fort. An Stelle der Sdsdorueu finden wir deutliche weisse Punkte, kleinere, wenig deutliche an Stelle der weissen Wärzchen. Bewegung unter dem Einfluss des Lichtes wie Myscelia. Haematera Doubl. Saeniatera pyranius Fabr. lebt an TJrvillea ulmacea Künth. Entwicklungsdauer 1. H 4/XI 84, 2. H 7/XI, 3. H 11/XI, 5. H 22/Xr. Schmetterling 2/XII. Verhält sich ähnlich wie Callicore meridionalis, doch bleiben die Dornen ungefähr auf der Stufe der Ausbildung stehen, die sie dort bei der zweiten Häutung erlangten , sie sind ohne Lupenvergrösserung nicht nachweisbar; nur die Sst 12 werden dornartig entwickelt. Bereits im Laufe des 4. Stadiums beginnt sich das Thier nach der Mitte hin zu verdicken, welche Eigenthümlichkeit dann deutlicher im 5. Stadium zum Ausdruck kommt. T. XIV Fig. 3. Das Thier ist gleichmässig grün, ohne Sds und Stigmaistreif, die weissen Wärzchen stets heller als die Umgebung. Puppe wie die von Cällicore, doch ohne dunkle 7/s^-Linie; die weissen Wärz- chen erhalten sich als deutliche weisse Punkte. Catagramma Boisd. Catagramma pygas Godt. lebt an Allophylus (Schmidelia) petiolatus Radlk i). Die Eier werden nicht nur an die Unterseite der Blätter, sondern auch an die Oberseite abgelegt; im letztern Fall stets an die Spitze. Das Thier verhalt sich überaus ähnlich wie Callicore meridionalis, doch bleiben die Dornen auf der dort mit der zweiten Häutung erreichten Stufe der Ausbildung stehen, das heisst, sie zeichneu sich vor den übrigen Wärzchen nur dadurch aus, dass sie wenig grösser und dass sie 2 Borsten Herr Prof. Radlkofer giebt folgende Diagnose der neuen Art: Allophylus petiolaUis : Ranii subglabri, cortice cinerascente lenticeIlo>o ; lolia ternata, foliolis ellipticovel subob- ovato-lanoeola tis, supra medium plus minus serratis, glabris vel subtus puberulis, in pe- tiolulos longiusculos attenuatis ; thyrsi basi ramis plerumque 2 — 3 divaricatis instructi ; fructus obovüidei; mediocris ; semina glabra. Speeies brasiliensis. Raulkufeu 24 XI. 85. Südamerikanische Nymplmlidenraupen. 475 tragen; in der Weise siud ausgezeichnet Ds ant 4 — 11, Ds pst 11, Sds 2 — 11, Sst 4 — 11; die Bs pst 11 und Sst 12 sind dornartig ent- wickelt. Die Hörner sind im Verhältniss zum Körper noch länger als bei CalUcore ^ sie erreichen ein Län<2;e von 1 cm. Im 3. Stadium sind, die Nebeudornen angeordnet wie bei Callicore im gleichen Stadium, mit der dritten Häutung tritt eine Vermehrung der Nebendornen ein, nicht nur in der 4. Rosette und unterhalb derselben, die fand auch bei Cal- licore statt, sondern auch in der 3. Eosette, deren Glieder von 4 auf 6 steigen. Färbung wie bei Haematera. Die Verdickung in der Mitte des Körpers, die bei Callicore im 5., bei Haematera im 4. Stadium ihren Anfang nahm, wird hier erst deut- lich, nachdem sich das Thier zum Verpuppen aufgehäugt hat. Puppe ähnlich, wie die von Callicore. Es war mit besondern Schwierigkeiten verknüpft, zu der Eaupe den Schmetterling zu erhalten. Im Herbst und Winter 1884 erhielt ich ungefähr 10 Raupen, die sich indessen überaus langsam entwickelten, keine kam zur Verpuppung. Im Frühjahr und Sommer desselben Jahres fand ich dann auf einmal 6 Stück im 4. und 5. Stadium. Alle verpuppten sich, starben aber als Puppe. Schliesslich gelang es meinem Bruder das Thier zu ziehen, indem er die Futterpflanze in den Garten pflanzte, die Raupe bis zur Verpuppung im Freien hielt, sie dann unter ein Gazenetz brachte. Trotz aller dieser Vorsichtsmaassregeln war der ausgeschlüpfte Schmetterling verkrüppelt, und es scheint danach das Thier besonders empfindlich gegen ungewohnte Einflüsse. Dpnamine. Beide untersuchten Arten leben an Dalechampia, ich habe sie ge- funden an triphylla Lam., besonders häufig an stipulacea MtJLL. Aeg, Sie fressen fast ausschliesslich an oder in den Blüthen und zwar mit beson- derer Vorliebe die Pollen. JDynamine niylitta Cram. Entwicklungsdauer: ausgeschlüpft 5/XI, 1. Häutung 7/XI, 2. H 10/XI, 3. H 14/XI, 4. H 18/XI, 5. H 22/XI, Schmetterling l/XIIl 884. 1. Stadium. 2.5 mm lang. Kopf rund, die Segmente durch tiefe Furchen geschieden, die pri- mären Borsten lang (0.3 mm), geknöpft, wenig gebogen und zwar die von 1 — 11 nach vorn, die von 12 nach hinten, Kopf und Körper weiss- lich durchscheinend, von der Anlage der Dornen und weissen Wärzchen nichts zu sehen, 2. Stadium. Kopf rund, ohne jede Andeutung von Hörnern, am Körper Dornen, welche auf kurzem Stamm wohl entwickelte Neben dornen tragen. Dornen finden wir Ds ant 4—10, pst 10, 11, Sds 2—11, Sst 2—12, Ifsi 4—11 (2.3?) Ped ? Diese Dornen tragen Nebendornen ' in folgender Anzahl: 476 WILH. MÜLLER, Bs pst 10, 11 je 1 und 4, Ds mit je 3, Sds 2, 3 je 5, Sds 11 je 4, Sds 4—10 je 3, Sst 2—11 je 2, 12 je 4, Ifst je 3 (?) Nebendornen. Nur die Sds 2, 3, S's^ 12 mit verlängerter Mittelaxe. Ausser diesen wohl entwickelten Nebendornen finden sich noch ziem- lich zahlreiche kleinere an der Basis der Dornen mit gleicher Structur wie die grössern. Die Nebeudornen enden entweder in lange spitze Borsten oder in sehr kurze dicke, welche fast nur aus einer der Spitze des Nebendorns aufgesetzten durchscheinenden Kugel bestehen ; mit spitzer Borste endigen die Pedalia, die unteren Nebendornen der Ifst und die vorderen der Sds und Sst 2 (T, XIII Fig. 6 b), mit kugeliger Borste alle übrigen (Taf. XIII Fig. 6 c). Das Thier bewahrt in den folgenden Stadien im wesentlichen die gleiche Gestalt, es ist, was besonders im letzten Stadium deutlich hervor- tritt, ziemlich kurz und breit, nicht wie die Mehrzahl der Nymphalinen, rein cylindrisch, so dass es im ganzen mehr den Habitus einer Eryci- ni den- als den einer Ny mphalidenraupe hat. In der Gestalt der Dornen tritt insofern einer Veränderung ein, als der Stamm länger, die Neben- dornen verhältnissmässig kürzer werden ; indem ferner die kleinen Spitzen an der Basis zu wohl entwickelten Nebendornen werden, erscheint die Zahl der Nebendornen bedeutend vermehrt. Von den weissen Wärzchen haben einige, nämlich je 2 auf 3 und 11 an Stelle der Ds ant , auf 2 — 9 an Stelle der Ds pst stehende, ähnliche Gestalt angenommen, wie die Neben- dornen, sie sind kurz, cylindrisch, endigen mit kurz geknöpfter Borste (Taf. XIII Fig. 6 a). Das Thier ist in den 3 letzten Stadien blassgrün, mit weissem Dor- salstreif, die Dornen ebenfalls grün , die kugelig endigende Borste glas- artig durchscheinend. Im 5. Stadium finden wir neben der hellen Form eine dunklere schwarzbraune Form, dieselbe scheint indessen nur in der Gefangenschaft vorzukommen. Wie gesagt, lebt das Thier in den Blüthen oder Blüthenständen von Dalechampia, frisst vorwiegend die Pollen. Findet es keine männ- liche Blüthe geöffnet, so frisst es sich durch die Knospenhülle, dringt mit Kopf und Prothorax in die Knospe ein, und mit dieser Gewohnheit steht wohl das Fehlen der Hörner und Dornen auf dem Prothorax im engsten Zusammenhang, da beiderlei Gebilde ein Hinderniss beim Eindringen in die Knospe abgeben würden. Die eigenthümliche Gestalt der Dornen, respective der Endborsten, welche dem Thier ein höchst sonderbares Aussehen giebt, steht eben- falls im engsten Zusammenhang mit der Lebensweise. Die mit glas- hellem Knopf endigenden Nebendornen gleichen dem Drüsenhaar einer Pflanze, das Thier selbst einem dicht mit Drüsenhaaren besetzten Gebilde. In der bei Blumenau am häufigsten vorkommenden Dale- champiaart (triphylla) fehlt es nicht ganz an Drüsenhaaren, wohl aber an einem ähnlich dicht damit besetzten Gebilde ; immerhin kann auch hier die eigenthümliche Gestaltung als Schutz dienen, da ein ähnliches Südamerikanische Nymphalidenraupen. 477 pflanzenartiges Gebilde in dem aus sehr verschiedenartigen Elementen zusammengesetzten Blüthenstand nicht weiter auffallend wird. In der weniger häufigen Dalechampia stipulacea Müll. Arg., in welcher man die Räupchen von Bynamine besonders häufig findet, sind die Ränder der Deckblätter überaus dicht mit Drüsenhaaren bedeckt, zudem sind diese Deckblätter weiss und grün, und passt hier die Raupe ausge- zeichnet in das Gesammtbild des Blüthenstandes. Erwähnen will ich noch, dass die Raupen jedenfalls zeitweis, wenn es an Blüthen fehlt, die Blätter fressen — das erste Räupchen fand mein Bruder au einem Blatt — doch ist das Ausnahme. Ein Räup- chen, dem ich in der Gefangenschaft 2 Tage lang keine Blüthen, nur Blätter gab, rührte die Blätter nicht an. Vielleicht ist hier, wie in vielen Fällen, für den Geschmack des Räupchens die Kost entscheidend, welche das Thier in den ersten Tagen zu sich genommen. Die Puppe (T. XV Fig. 20) ist massig schlank, die Flügelscheiden dicht anliegend, mit 2 kurzen conischen Hörnern, 2 starken Vorsprüngen auf 2 und 5, beide am Ende 2 spitzig, kleinen üupaaren Spitzen am vordem Rand von 6 — 10 und einer starken Flügelkante. 3 bewegliche Segmentverbindungen, nur seit- lich beweglich. Die Puppe ist dimorph, sie ist entweder hellgrün oder hellbraun. Auf diesem Grund findet sich folgende dunklere, braune Zeichnung: ein nach oben verwaschener Stigmastreif, ein scharf umschriebner Fleck auf 7 in der Mittellinie und 2 Linien auf der Flügelbasis, ferner Flügel und Kopf dunkel gefärbt. Die Puppe ist, wie die vorhergehend beschriebenen, empfindlich gegen das Licht; sie wendet sich stets vom Licht ab. Dynaniine tithia Hübn. 1. Stadium , wie das von mylitta, Borsten bedeutend kürzer. 2. Stadium, wie das von mylitta. Nebendornen bedeutend kürzer. Auch die weitere Entwicklung verläuft ähnlich wie bei mylitta^ doch bleiben die Dornen stammlose flache Warzen , welche mit zahlreichen Nebendornen bedeckt. Die Umwandlung von weissen Wärzchen in ge- knöpfte, den Nebendornen ähnliche Gebilde findet hier in grössei'em Um- fang statt und zwar auf jedem Segment auf der ganzen hintersten Hautfalte. Die Zeichnung, bereits im 2. Stadium angedeutet, deutlicher ausge- prägt in den folgenden Stadien, ist die folgende: Kopf blass , gelblich, Körper an 1 — 5 ganz, an 6 — 12 in der su- prast. Region braunroth, 6 — 12 in der i/s^Region weissgrün. Auf dem 478 WILH. MÜLLER, braunrothen Grund von 6 — 12 findet sich folgende weisse Zeichnung: 2 weisse Z)slinien, ferner, vom vordem Rand der Segmente 7 — 12 aus- gehend, ziemlich breite weisse Schrägstreifen, welche die Sds dornen des vorhergehenden Segmentes umfassen , bis zum vordem Segmentrand des betreflPenden Segmentes reichen. Von Dornen sind weiss, glasartig durch- sichtig die Sds 6 — 12, Ifst und Ped 6 — 12; schwarz, indessen mit glas- hellen Knöpfen die übrigen. Im Lauf des 5. Stadiums verwandelt sich die braunrothe Grundfarbe mehr und mehr in Grün, nur das Segment 4 bewahrt die Grundfarbe, zugleich verbreitern sich die weissen Schrägstriche, so dass die Grund- farbe nahezu ganz verdrängt wird. Lebensweise, Die Eier werden anscheinend stets an oder in eine ziemlich junge Knospe (Blüthenstandknospe) abgelegt, wenigstens habe ich niemals ein Räupchen im 1. oder 2. Stadium in einem Blüthen- stand gefunden, welcher bereits geöffnet. Das eben ausgeschlüpfte Räupchen frisst sich in eine männliche Knospe (Blüthenknospe) ein, und zwar wählt es dabei stets den Punkt, wo sich die oberen Ränder beider Harzdrüsen treffen. Es gelaugt auf diese Weise stets in die älteste männliche Blüthenknospe. In dieser Blüthenknospe bleibt es dann verborgen, frisst die Pollen, entleert aber seinen Koth nach aussen. So in Blüthen knospen versteckt, macht es die beiden ersten Häutungen durch. Während der 3 letzten Stadien spinnt es dann die Blüthenhüllblätter eines Blüthenstandes zusammen, schafft sich so ein Versteck, in dem es seine Nahrung findet. In diesem oder in einem ähnlich hergestellten Versteck verpuppt sich auch das Thier — das einzige mir bekannt gewordene Beispiel von einem Nymphalinen, der sich zwischen zusammengesponnenen Blättern verpuppt. Die Puppe ist im ganzen der von mylitta ähnlich, doch sind Hörner, Flügelkante, Vorsprünge auf 2 und 5 ziemlich verwischt, ausserdem ist die Puppe, ähnlich der von Eueides isabella , stark ventralwärts gebogen, so dass die bauchsfite der Unterlage annähernd parallel. Sie ist graugrün mit einer braunen Ds- und Spstlinie und zahlreichen dunklen Linien auf 2 und auf den Flügeln. Ausser dieser dunkleren Form existirt noch eine hello, über die mir genauere Notizen fehlen. Eeaction gegen das Licht habe ich nicht beobachten können. Didonis Hübner. Didonls hihlls Fabr. Lebt an Tragia volubilis Lam. Die Eier sind weiss, oval, unten und oben abgestutzt, dicht mit weissen Haaren bedeckt, welche in einem Kranz am Rand der oberen Fläche und in 16 verticalen Reihen angeordnet sind; sie werden einzeln oder zu 2 und 3 an die jungen Triebe der Futter- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 479 pflanze abgelegt, zwischen deren dichter weisser Behaarung sie sehr gut verborgen sind. 1. Stadium. 3 — 4.5 mm. Gestalt von Kopf und Körper wie gewöhnlich, die primären Borsten und die Kopfborsten lang (0.4 mm), spitz, fein gezähnelt. Körper grün- lich, primären Borsten 1 — 3 schwarz, 4, 5, 6 weiss. 2. Stadium. 4.5 — 6 mm. Kopf mit 2 starken höckrigen Hörnern von annähernd Gesichtslänge, Körper mit Dornen besetzt, welche ähnlich weit entwickelt wie die der Äg er onia arten im 2. Stadium. Von solchen Dornen vorhanden Ds pst 10, 11, Sds 1 — 11, Sst 1 — 12, Ifst 4—11, Ped 1—9. Wegen Angaben über das Grössenverhältniss und die Zahl der Nebendornen vergleiche das folgende Stadium. Kopf schwarz und blassgrau gemischt; Körper gelblich und braun gemischt; 11, 12 weiss, auf 7 und 8 ein heller Sattel. Von den Dornen sind weiss die Sds 2, Sds, Ifst 5, sämmtliche von 7 und 11 und die Ifst 9 — 10, die übrigen sind grau. 3. Stadium. Kopt dornig, mit 2 Hörnern von 2 — Sfacher Gesichtslänge (T. XIII Fig. 15). Dieselben sind winklig hin und her gebogen, enden mit einem stark dornigen Knopf, sind mit pp. 12 Nebendornen besetzt, welche zum Theil paarweise an den Ecken der Hörner stehen , so dass abwechselnd ein Paar nach aussen, ein Paar nach innen gerichtet. Am Körper finden wir die für das vorhergehende Stadium genannten Dornen und zwar mit Nebendornen in folgender Anzahl: Ds pst 10, 1 1 je 7 und 10, Sds 1 je 2, Sds 2 je 6, Sds 3 je 9, Sds 4—11 je 5, Sst 1 je 4, Sst 2, 3 je 6, Sst 4 — 11 je 5, Sst 12 je 8, Ifst 4—11 je 5, Ped 1 — 9 je 4 Neben- dornen; alle ausser den Ds pst 10, 11, Sds, Sst 1, Sst 12 und den sämmt- lichen Ped mit verlängerter Mittelaxe; vor dem Hauptdorn ein kleiner, einfacher Nebendorn bei Ifst 4 — 11, Ped 6—9. Die Unterschiede in der Grösse sind nicht sehr bedeutend, es folgen sich Sds S, Ds 10, 11 — Sds 2, 5—9 — Sds 4, Sst, Ifst — Ped und Sds 1. Kopf glänzend schwarz, mit einem hellen Band unter der Spitze der Höruer. Am Körper finden wir auf sammetartig schwarzem Grund fol- gende helle Zeichnung : ein rothgelber nach hinten keilförmig verjüngter Fleck auf 7, 8 ; 2 weisse Ds und eine Äs^linie, weisse Schrägstreifen, welche von hinten nach vorn absteigen, an den Seiten. Dornen schwarz, so die Ds 10, 11, die Sds und Sst 2, 3, 4, 6, die Sst lU, die Ifst 4, die Ped 2, 3, 4 ; oder gelb , so die sämmtlichen Dornen von 1 , Sds 7 , Sst 5 , 7,8 bis 12, Ifst 5 — 11 und Ped 5 — 11; oder schwarz mit gelbem Ring: die Sds 5, 8, 9. 4. Stadium. Dem 3. überaus ähnlich, doch sind die hellen schrägen Linien in der Gegend der Sds verwischt, ferner ist der helle Sattel auf 7, 8 kleiner geworden, berührt 8 nur noch mit der Spitze, alle Dornen gelb. 480 WILH. MULLER, 5. Stadium. Grundfarbe graubraun , die hellen schräg aufsteigenden Linien sind noch vorhanden, doch reichen sie nur bis zu den ySs^dornen herauf, haben eine röthliche Färbung angenommen. Von dem keilförmigen Fleck auf 7 sind nur die hinteren Ränder als 2 schräg aufsteigende helle Bänder erhalten. Bisweilen nehmen die hellen Wärzchen, die sich sonst wenig deutlich abheben, eine grünliche Farbe an, wodurch der ganze Körper einen grünlichen Anflug erhält. Die Raupen nehmen während des 2. und 3. Stadiums in der Ruhe ziemlich ausschliesslich die Trutzstellung ein, im 4. Stadium gehen sie dann aus der Trutzstellung in die Schutzstellung über, indem sie die er- hobenen Segmente 1 — 5, 10 — 12 senken; im 5. Stadium herrscht die Schutzstellung yor. In den früheren Stadien fressen sie bei Tage, sitzen dann in der Ruhe an der Futterpflanze; im 5. Stadium, vielleicht auch schon im 4. fressen sie nur bei Nacht, sitzen den Tag über nicht an der Futterpflanze, sondern in der Nachbarschaft, vermuthlich an den Baum- stämmen oder Felsen , an denen die Futterpflanze in die Höhe klettert. Es ist mir nicht gelungen, die letztere Annahme durch Beobachtungen in der Natur zu bestätigen , sie ist erschlossen aus dem Verhalten der ge- fangen gehaltenen Thiere. Da ich auch niemals Thiere im 3. Stadium im Freien an der Futterpflanze gefunden (wohl aber im 1. und 2.), ist es wahrscheinlich, dass sie sich auch bereits in diesem Stadium bei Tage verstecken. Die Puppe (T. XV Fig. 7) ist ziemlich gedrungen , in Folge der weit vorstehenden Flügelkante in der Gegend von 5 — 7 sehr breit, bei 4 stark eingeschnürt. Sie ist höckrig und zwar haben wir 2 conische Spitzen am Kopf, eine stark vorsprin- kende Flügelwurzel, eine gezackte Flügelkante, eine stark entwickelte Rückenkante auf 2, kleine /St^shöcker auf 2 — 9, die von 5 auf einem un- paaren Vorsprung stehend, kleine /Ss^höcker auf 2 und 5 — 7. Der Cre- master endigt flächenhaft, wie bei den zuletzt beschriebenen Arten; 3 bewegliche Segmentverbindungen, nur seitlich beweglich (soviel ich an in Spiritus conservirten Exemplaren sehen kann, wo es nicht so leicht, sich Gewissheit zu verschaffen). In der Färbung ist die Puppe dimorph. Sie ist entweder mattgrün oder braunschwarz , bei beiden Formen ist die Grundfarde vielfach mit Weissroth gemischt; ferner finden wir einen hellen Fleck auf der schmalen Kante, welche von den Hinterflügeln sichtbar ist, heller ist ferner die Unterseite von 8 — 12. Die Flügel sind entweder gelb, von rothen Linien durchzogen, mit einem dunklen Fleck am oberen Flügelrand und in der hinteren Flügelecke (helle Form) oder überwiegend schwarzbraun (dunkle Form). Das Thier bewegt sich nicht unter dem Einfluss des Lichts. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 481 Wenn wir jetzt die Gattung Athyma Westw. folgen lassen, so ge- schieht das nicht etwa im Anschluss an die zuletzt beschriebenen Gat- tungen, sondern zur Eröffnung der folgenden Keihe, deren wenigst modi- ficirtes Glied sie (im Raupenstadium) darstellen dürfte. Athyma casa Mooke. (1 Raupe in Spiritus. Mus. Berol. gesammelt von Koch, Luzon) Länge 15 mm. Kopf wie der von Adelpha (vergl. die folgende Beschrei- bung, wie auch Taf. XIII Fig. 21, T. XIV Fig. 5), Körper mit sehr langen Dornen besetzt (längsten 7 mm). Vorhanden sind folgende Dornen : Sds 2—12, Sst 2—10, 12, I/sM— 11. Fed? Auf 12 finden sich 2 Doruen- paare, anscheinend Sds und Sst^ die Sst tief 2theilig, wie 2 dicht neben- einander stehende Doruenpaare. Die Sds sind 4- oder ötheilig, unter den endständigen Nebendornen finden sich, wenn auch vereinzelt, Nebendorneu von annähernd gleicher Ausbildung, weshalb die Anzahl der Nebendornen schwer anzugeben. Folgendes Längenverhältniss der Dornen: am läng- sten sind Sds 2 , 3 , 5, welche sehr lang (7 mm) , dabei aber normale Ausbildung zeigen, annähernd ebenso lang Sds 10, 11, wenig kürzer >Se- dingung. , Ein besonderes Gewicht hat für die Begründung der vorgetra- genen Ansicht die Gattung Adelpha. Hier, wo die Annahme der de- finitiven Form bis zur 4. Häutung verschoben, das 2., 3., 4 Stadium unter sich viel ähnlicher sind als das 4. und 5., da unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die sogenannte embryonale Form der Dornen secundär entstanden, nicht ursprünglich ist. Auch kann kaum ein Zweifel darüber existiren, dass diese embryonale Form unter dem Einfluss der schützenden Gewohnheit entstanden, da ihre Dauer voll- ständig mit der Dauer der Gewohnheit zusammenfällt. Sehen wir nun hier bei Adelpha die embryonale Form und die schützende Ge- wohnheit, beide bis zur 4. Häutung beibehalten, bei den Rippen bauen- den und Dornen tragenden Raupen beide bis zur 2. Häutung reichen, aber ebenfalls gleich lange beibehalten, so ist der Schluss kaum abzu- weisen, dass auch hier die embryonale Form der Dornen im 2. Stadium eine Anpassung an die schützende Gewohnheit ist. Bei Epiphüe orea ge- stattet es die Rückbildung der Dornen und Hörner nicht, eine scharfe Grenze zwischen sogenannter embryonaler und definitiver Form zu ziehen, so können wir diese Art, welche sich in der Dauer der schützen- den Gewohnheit abweichend verhält (bis zur 3. Häutung), nicht wohl als Beweis für die vorgetragene Ansicht beibringen, doch steht ihr Verhalten auch nicht in Widerspruch mit derselben. Eher scheint das bei den Arten Ageronia amphinome und fornax^ Didonis biblis der Fall. Hier finden wir eine vermittelte Entwicklung, die embryo- 560 WILH. MÜLLER, nale Form der Dornen auf das 2. Stadium beschränkt, doch fehlt die schützende Gewohnheit, welche die Dornenform hervorgebracht haben soll. Für beide Ägeronia-Arten ist es unzweifelhaft, dass sie früher die Gewohnheit besessen, später aufgegeben (im Anschluss an die ge- sellige Lebensweise ?). Es folgt das mit Nothwendigkeit daraus, dass die Gewohnheit, über eine ganze Zahl von verwandten Gattungen ver- breitet, jedenfalls nicht nur bei der Stammform der Gattung Ägeronia, sondern bereits bei der Stammform einer viel umfangreicheren Gruppe vorkam. So würde sich bei Ägeronia amphinome und fornax das Vorkommen der embryonalen Dornenform (ebensowohl wie das Koth- ballentragen im ersten Stadium) als bedeutungslos gewordener Rest erklären; eine ähnliche Erklärung scheint bei Bidonis zulässig, doch sind hier die Verhältnisse ziemlich verwickelt (siehe unten). Noch bleibt hier als innerhalb der Arten mit vermittelter Ent- wicklung durch eigenthümlichen Entwicklungsgang ausgezeichnet die Gattung Gynaecia zu erwähnen ; bei derselben wiederholen die Dornen des 2. Stadiums nicht, wie das sonst wenigstens bezüglich der Anzahl der Nebendornen der Fall, die Dornen in ihrer definitiven Gestalt. Ich constatire diese Ausnahme, für welche ich keinerlei Erklärung finden kann. Gestehen wir der Gewohnheit des Rippenbauens den besprochenen Einfluss auf die Gestaltung der Dornen im 2. Stadium zu, so werden wir auch nicht anstehen, dieselbe für eine Eigenthümlichkeit des ersten Stadiums verantwortlich zu machen. Bei den rippenbauenden Raupen (die Dornenlosen eingeschlossen) sind die primären Borsten kurz, ge- rade, geknöpft, bei den andern Gattungen (die Gattungen der Brasso- linae, Morphinae, Satyrinae^ letztere nicht ausnahmslos, eingeschlossen) sind die Borsten relativ lang, gebogen, spitz oder geknöpft. Augen- scheinlich würden lange Borsten ebenso wie wohl entwickelte Dornen die Augenfälligkeit des an der Rippe sitzenden Thieres vermehren, die Wirksamkeit des gewährten Schutzes vermindern, und ist kein Grund vorhanden, die kurze geknöpfte Form der primären Borsten nicht gleichfalls unter dem Einfluss der Gewohnheit entstanden zu denken. Bei Ägeronia sind die Borsten (unter den Rippenbauenden) noch am längston. Es hat sich hier (wie auch in der Bildung der Dornen im 2. Stadium) der Einfluss der Gewohnheit weniger geltend gemacht als bei anderiui Arten, wenn er auch deutlich nachweisbar. Bei Bidonis sind die primären Borsten s})itz, ziemlich lang; hat das Thier, wie wir vennuthen, früher einmal die fragliche Gewohnheit Südamerikanische Nymphalidenraupen. ^Qi gehabt, später wieder aufgegeben, so dürfte es auch zu der spitzen Borstenform zurückgekehrt sein, was um so eher anzunehmen, als die Form der Borsten von besonderer Bedeutung für das Thier. Dasselbe ist an der dicht behaarten Futterpflanze recht schwer zu erkennen, was wesentlich auf der Form der Borsten beruht. Ich kann von einer Besprechung dieser Gewohnheit nicht scheiden, ohne noch auf eine doppelte Bedeutung derselben hingewiesen zu haben ; einmal für die Erkenntniss der verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der Nymphalinen. Es ist kaum denkbar, dass eine so eigen- artige Gewohnheit, wie die Rippen zu bauen, oder eine so eigenartige Modification derselben, wie die Blattstückchen anzuhängen, zweimal selbständig in der Stammesgeschichte der Nymphalinen aufgetreten, und es folgt daraus, dass wir alle Rippenbauenden als einem gemein- samen Stamm angehörig, als einheithche Gruppe aufzufassen haben, ein Gesichtspunkt, dessen Werth nur dadurch geschmälert wird, dass die Gewohnheit auch wieder aufgegeben werden kann und bisweilen aufgegeben worden ist. Sodann für das Sammeln von Raupen. Zunächst bietet sich in den Blattrippen ein ausgezeichnetes Merk- mal zur Auffindung von Futterpflanzen der Nymphalinen -Raupen. Sieht man an einer Pflanze eine Blattrippe wie sie oben beschrieben, so kann man mit Sicherheit schliessen, dass an dieser Pflanze eine Raupe aus der fraglichen Gruppe lebt, kann eventuell sofort die Gat- tung bestimmen {Adelpha). Behält man die Pflanze im Auge, so wird es einem über kurz oder lang glücken, auch die Raupe zu finden. Ich habe von den p.p. 29 Futterpflanzen, an denen ich rippenbauende Raupen beobachtet (verwandte Pflanzenspecies , eventuell auch ver- wandte Gattungen sind meist als eine gerechnet), 20 auf diese Weise gefunden ; dazu würden noch eine Anzahl Pflanzen kommen, an denen ich Rippen, aber keine Raupen gefunden. Weiter gelingt es durch Berücksichtigung der Rippen verhältnissmässig leicht, der jüngsten wenige mm langen Räupchen habhaft zu werden. Man findet dieselben oft leichter als die erwachseneu , besonders wenn letztere grün oder sonst durch sympathische Färbung geschützt, wobei noch zu berück- sichtigen, dass die Raupen, bis sie heranwachsen, jedenfalls stark deci- mirt werden, also die Wahrscheinlichkeit, kleinen Raupen zu begegnen, bei weitem grösser. Sicher weit über die Hälfte aller Raupen aus den fraglichen Gattungen, die ich gesammelt, und das ist eine ziem- lich bedeutende Anzahl, habe ich vor der 2. Häutung gefunden. Zoolog. Jahrb. I. , ., 36 562 WILH. MULLER, Die Futterpflanzen. Ich gebe im Folgenden mit Rücksicht auf die Frage nach den Beziehungen zwischen Verwandtschaft und Wahl der Futterpflanze eine Zusammenstellung der verschiedenen Futterpflanzen mit Angabe der Familie, eventuell auch der Ordnung (Cohors), wobei ich Hooker und Bentham, Genera plantarum, zu Grunde lege. Acraea pellenea anfeas horta violae Heliconius 3 sp. Eueides isahella aliphera pavana cleöbaea Colaenis 3 sp. Dione 2 sp. Argynnis 9 sp. laodice ino Mikania Compositae. Kiggleria ? Passiflora Passifloreae gen? . Cucurbitaceae ^) Passiflora Passiflorales. Passiflora Passifloreae Asclepias (? !) Asclepiadeae. Passiflora / „ -n T, .r, i rassitioreae Passmora \ Yiola Violarieae Rubus Sanguisorba „ Spiraea paphia] (Kubus dapTinei \ Viola Violarieae amathusia Polygonum aphirapa Polygonum „ Viola Violarieae Passiflora) Rosaceae Polygonaceae Cethosia cyane nietneri Modecca i nypanartia lethe Boehmeria Celtis Passifloreae Urticaceae Pyrameis myrinna cardui Vanessa atalanta io prorsa urticae Achyrocline/ ^ .. r, " \ Compositae. Carduus \ '^ Urtica Urtica i Humulus / Urtica Urtica Urtica Urticaceae. triamfulum Parietaria C.-album Humulus l) Ordo valde naturalis , passifloreis ijuain maxime affinis. HoüKer und Bkntiiam 816. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 563 Vanessa C.-alhum polychlorus Grapfa comma Phyciodes n. sp. langsdorfii teletusa ] tharops Melitaea maturna cynthia didyma trivia aurelia britomartis }) athalia \ dictymai artemis » phoebe )} cinxia }) Victorina trayja Änartia amalthea Junonia lavinia orithyia oenone laomedia coenia Precis lemonias Ribes Prunus Ulmus Humulus I Urtica | Boehmeria ; Saxifrageae. Rosaceae. Urticaceae. Urticaceae. Cyrthantera Acanthaceae (Personales) Compositae. Oleaceae. Violarieae. Scrophularineae (Personales). Plantaffineae. Aster ^) Fraxinus Yiola Pedicularis Veronica Verbascum Melampyrum Melampyrum Veronica f Melampyrum [ Plantago Plantago Veronica Centaurea Plantago Plantago Hieracium Compositae. Stephanophysum 1 div. gen. | Acanthaceae div. gen. ' Antirrhinum Scrophularineae gen ? Acanthaceae („labiateherb") gen? Vitex Verbenaceae. Scrophularineae. Compositae. Plantaffineae. Personales, („labiate herb") gen ? Achyranthes Antirrhinum Hypolimnas misippus Abutilon Gynaecia dirce Smyrna blomfieldii Ägeronia (5 sp.) Ectima lirina Myscelia orsis CatonepJiele 2 sp. Eunica margarita Cecropia Carica (? !) Urera Dalechampia Alchornea ( Sebastiania ) Personales. Amarantaceae. Scrophularineae. Personales. Malvaceae. Urticaceae. Passifloreae. Urticaceae. Euphorbiaceae. 1) Nie im Freien an Aster beobachtet , das Thier hat in der Gefangenschaft in Ermangelung anderer Nahrung Aster gefressen. 36* 564 WiLH. MÜLLEU, Temenis agatha t i Paullinia ^ EpipJdle orea I f Serjania I Pyrrhogyra neaerea Coffea (? !) Sj?? Paullinia? Callicore meridionalis Trema Haematera pyramus Urvillea Catagramma p)ygas Allophylus Sapin daceae. Rubiaceae. Sapindaceae. ürticaceae. [ Sapindaceae. Dynamine 2 sp. Dalechampia j Didonis hihlis Trasia 1 Afhyma leucothoe Phyllanthus ' Euphorbiaceae casa Stilago Adelpha isis Cecropia i 7) Pourouma Ürticaceae, }) Coussapoa syma Rubus E-osaceae. serpa div. gen. Melastomaceae. iphicla mythra plesaure Bathysa ) n. sp. \ Rubiaceae. n. sp. Sabicea 1 basilea Calycopbyllum ) erotia Tetrapteris Malpigbiaceae ahia Vitex Yerbenaceae. > Myrcia Myrtaceae. p Eoupala Proteaceae. ? Trichilia Meliaceae. ? Ilex Ilicineae. Limenitis sibylla i -r ^ .^J Lonicera camilla f Caprifoliaceae. populi Populus ) artemis l Salix l Salicineae. eros 1 Kjaix.&. 1 astyanax Vaccinium Vacciniaceae. {Modusa) calidaza Cincbona Rubiaceae. Neptis lucilla Spiraea Rosaceao. aceris Orobus 1 TT ^ i Leguminosae. varmona Hedysarum 1 Prepona amjthimachus JSTectandra Laurineae. demophon Moilinedia Alonimiaceae. laertes Inga Leguminosae. sp. ign. Duguetia Anonaceae. Siderone 2. sp. Casearia Samydaceae. Anaea stheno Nectandra j }} Goeppertia ( Laurineae. >> Campboromoea' sp Piper Piperaceae. Südamerikanische Nymjilialidonraupen. 565 Anaea phidüe \ glycerium I Protogonius drurii\ fabius I sp. Nymphalis iasius samatha Apatura laure lauretta kalina celtis clyton caniba druryi isis ilia Tlialej'opis ionia Cr 0 ton Piper Mespilus Arbutus Cesalpinia Celtis Casearia Salix Salix Popxilus Celtis Euphorbiaceae, Piperaceae. Rosaceae. Ericaceae. Lescuminosae. Urticaceae. Samydaceae. Salicineae. Urticaceae. Zunächst kann man in dieser Zusammenstellung zahlreiche Bei- spiele für die bekannte Thatsache finden, dass dieselbe Art, wie auch Arten derselben Gattung an Pflanzen derselben Gattung, Familie oder auch an Pflanzen verwandter Familien leben (Arten der Gattung Heliconius, Eueides, Colaenis, Bione an Passifloren, Argynnis vor- wiegend an Viola, Ageronia an Dalechampia, Apatura an Celtis). Es ist geradezu erstaunlich, mit welcher Sicherheit die Schmetterlinge trotz aller möglicher Unterschiede die Glieder der gleichen Familie oder Gattung wiedererkennen ; vergl. z. B. die Futterpflanze von Adelplia isis, Eypanartia lethe, Anaea sfJieno; die Futterpflanzen der zuletzt genannten Art unterscheiden sich z. Th. bereits für uns deutlich durch den Geruch. Dass diese Uebereinstimmung sich nicht an die Gattung l)indet, ist selbstverständlich (die Gattungen Heliconius, Eueides, Co- laenis, Bione an Passifloren, Phyciodes, Victorina, Anartia an Acan- thaceen, Ageronia, Ectima^ Myscelia, Catonephele, Eunica, Bynamine, Bidonis an Euphorbiaceen). Wenn sich nun nicht, wie man erwarten könnte, Verwandtschaft der Raupen und Verwandtschaft der Futterpflanze decken, wenn selbst innerhalb derselben Gattung eine starke Divergenz in der Wahl der Futterpflanze vorkommt, so haben wir zunächst die folgenden Punkte zu berücksichtigen , die manche scheinbare Ausnahme beseitigen wür- den: 1) Die hier wiedergegebenen Beobachtungen über Futterpflanzen sind, was exotische Raupen betrifft, z. Th. wenig zuverlässig; 2) unsere Kenntniss der verwandtschaftlichen Beziehungen der Pflanzenfamilien 566 WILH. MÜLLER, ist eine ziemlich mangelhafte. Es ist wohl denkbar, dass bisweilen der Schmetterling ein richtigeres Urtheil über Verwandtschaft der Pflanzen entwickelt als der Mensch i). Auch in der vorliegenden Uebersicht würde sich manches einheitlicher gestalten, wenn wir andere Anschauungen zu Grunde legen. Vereinigen wir z. B. mit den Acan- thaceen , Scrophularineen die Labiaten , Plantagineen , Verbenaceen als Labiatifloren , so erhalten wir ein ziemlich einheitliches Bild für die Futterpflanzen der Gattung Melitaea und der Diademinae über- haupt. Man wird, auch wenn man sich der Mühe unterziehen wollte, die verschiedensten natürlichen Systeme von Pflanzenfamilien, welche er- dacht, heranzuziehen, nicht alle Widersprüche gegen die aufgestellten Gesichtspunkte aus der obigen Liste entfernen können. Solche Aus- nahmen von der Regel bilden z. B. Ärgynnis (an Rosaceae, Violarieae, Polygonaceae), Melitaea (Scrophularineae, Violarieae , Oleaceae , Plan- tagineae, Compositae); am buntesten ist die Zusammensetzung in den Gattungen Adelpha, Limenitis, Prepona, Anaea. Nur ausnahmsweise sind wir in diesen und ähnlichen Fällen im Stande, die Gründe anzu- geben, die den Schmetterling oder die Raupe bei einem Wechsel, wie er in diesen und ähnlichen Fällen stattgefunden haben muss, bestimmten, zu sagen, warum dem Thier eine andere Pflanze geniessbar erschien. So mag bei den Epicaliinae der Uebergang von den Euphorbiaceen zu den Sapindaceen dadurch begünstigt sein, dass beide milchende Blätter haben; in den Gattungen Prepona, Anaea scheint eine Vorliebe für stark aromatische Pflanzen zu herrschen. Bisweilen mag der Zufall gewaltet haben, der den Schmetterling zur Eiablage an irgend eine Pflanze führte, die von dem jungen Räupchen gefressen wurde, ihm bekam ^). Beachtenswerth erscheint, dass, wo die Arten einer Gattung an Futterpflanzen aus verschiedenen Familien leben, einzelne Arten 1) Feitz MiJLLEK hat a, a, 0. ein Beispiel dafür gegeben. Thy- ridia themisto, eine Ithomiine, lebt als Raupe an Brunfelsia, nach Endlichee eine Scrophularinee, macht also eine Ausnahme von den Ithomiine n, welche sonst an Solaueen leben. Nach neurer Auffassung (HooKEE und Bentham) gehört die Pflanze indessen den Solaneen an. Die Schmetterlinge würden hier eher die natürliche Verwandtschaft erkannt haben, als der Mensch. 2) Beim Wechsel der Futterpflanze dürfte gelegentlich, vielleicht oft, ein Irrthum des Schmetterlings eine Rolle spielen, Dass sich der Schmetterling bei der Eiablage irrt, das hatte ich selbst verschiedenfach Gelegenheit zu beobachten. Ithomia sp legte ein Ei an eine Lilie (sonst an Solaneen), Anartia amalthea legte ihre Eier, und zwar keineswegs selten, Südamerikanische Nymphalidenraupen. 567 zugleich an Vertretern der verschiedenen Familien leben, gewisser- maassen vermittelnde Glieder bilden {Argynnis paphia, daphne an Rubus und Viola; Melitaea athalia und dictyma, artemis an Planta- gineen, Scrophularineen). Ein solches Vorkommen macht es wahr- scheinlich, dass der gleiche Wechsel in der einen oder anderen Rich- tung an verschiedenen Punkten selbständig stattgefunden hat; sicher liegen hier innere den Wechsel bestimmende Gründe vor, die sich indessen unserer Beurtheilung entziehen. Soweit meine Beobachtungen reichen, findet sich bei den südameri- kanischen Nymphalinen dieselbe Art nie an Pflanzen zweier Fami- lien (während innerhalb der Gattung eine weitgehende Spaltung statt- finden kann); diesbezügliche Angaben in der Litteratur sind für Exoten überhaupt mit Vorsicht aufzunehmen, wenn auch aus dem Mangel sicherer Beobachtungen keineswegs geschlossen werden kann, dass die Thatsache nicht vorkommt. Bei den Papilioniden kommen poly- phage Raupen vor, die Thatsache hat die gleiche Bedeutung wie bei manchen Nymphalinen: die polyphagen Arten bilden bezüglich der Futterpflanze ein vermittelndes Glied zwischen verwandten Arten {Pap. tJioas an Piper, evander, lycopJiron an Aurantiaceen, mentor an Piperaceen, Rutaceen, Aurantiaceen). Die Puppen. Wir mögen uns bei Besprechung der Puppen darauf beschränken : an verkehrte Pflanzen , an Gräser, selbst an dürres Holz eines Zaunes, anstatt an Acanthaceen. Papilio polydamas legt seine Eier vielleicht ebenso häufig an die Pflanze , an der die Futterpflanze (Aristolochia) in die Höhe rankt , wie an die Futterpflanze selbst. Er scheint sich im allgemeinen von der Nähe der Futterpflanze zu überzeugen , dann seine Eier an jedes beliebige Blatt, an jeden Z-weig abzulegen. Dabei passirt es dem Thier , dass es einen dicht neben der Futterpflanze stehenden Busch oder Baum wählt, von dem die Räupchen nicht zur Futterpflanze gelangen können , ohne zur Erde herab und wieder am benachbarten Stamm in die Höhe zu kriechen , so dass die Wahrscheinlichkeit , die Futterpflanze zu finden, ziemlich = 0. Es ist immerhin denkbar, dass von vielen solchen scheinbar dem Hungertod bestimmten Eäupchen eines eine neue Pflanze fand , die aus uns unbekannten Ursachen dem Räup- chen als Nahrung dienen konnte, dass der Schmetterling, vielleicht ledig- lich durch den Ortssinn geleitet (häufig legen auf einander folgende Ge- nerationen ihre Eier an dasselbe Pflanzenindividuum, verschonen benach- barte), seine Eier an dieselbe Pflanze ablegte. Aehnliche Vorgänge können sehr wohl zu einem Wechsel der Futterpflanze geführt haben. 568 WILH. MÜLLER, 1) auf diejenigen Punkte hinzuweisen, die einige Beachtung für die Erkenntniss der Verwandtschaft verdienen, 2) gewisse Gewohnheiten der Puppen zu untersuchen. In erster Beziehung ist in der Form der Puppe neben einer all- gemeinen Aehnlichkeit, wie sie sich beispielsweise in der Gestalt aller Epicaliinae ausspricht, das Fehlen oder Vorhandensein einer Rücken - kante, die Gestalt des Cremasters, der spitz oder breit, flächenhaft endigen kann, zu berücksichtigen. Beachtung verdient ferner wohl die Einbuchtung auf dem Rücken (Sattel), welche nach vorn stets bis zur Mitte 2, nach hinten bis Mitte 5 {Gynaecia, Ageronia, Catone- phele etc. Taf. IV Fig. 7—10, 19, 20) oder Mitte 6 {Hypanartia, Äpa- tura) reicht, oder auch nach hinten einer scharfen Grenze entbehren kann {Diademinae, Heliconinae). Annähernd verwischt ist der Sattel bei den 3 untersuchten Apatura-kvten, hier giebt die Spitze des Vor- sprungs auf 6 die Grenze des unterdrückten Sattels, wie er bei andern Äpatura- Arten noch vorhanden, und bei den Gattungen Prepona, Siderone, Änaea, Proiogonius, Nymphalis. Ausser diesen Merkmalen können ja noch auffallende Bildungen, die sich bei verschiedenen Gattungen wiederholen, einigen Anhalt bieten , so die Hörner bei Ectima und Ageronia. Im ganzen ist auf die Höcker und dornartigen Gebilde, welche wir mit dem gleichen Namen wie die an gleicher Stelle stehenden Dornen *) bezeichneten, wenig Werth zu legen, wenigstens nicht in der Weise, wie wir es bei den Raupendornen thun. Die Anzahl dieser Dornen oder Höcker ist innerhalb derselben Gattung überaus variabel, wie sich besonders bei einem Vergleich der Adelpha-Arten zeigt. Die Beweglichkeit der Mehrzahl der Puppen ist, wie bei fast al- len Puppen, auf 3 Segmentverbindungen beschränkt ^) (7,8 — 8,9 — 9,10). Während indessen, soweit mir bekannt, bei allen Nachtschmet- terlingen und bei einem Theil der Tagschmetterlinge die Beweglichkeit eine nach allen Seiten freie ist, so dass sich das Thier ebensowohl ventral- und dorsalwärts, wie lateral krümmen kann, ist die Beweglich- keit bei der Mehrzahl der betrachteten Arten auf eine rein seitliche Bewegung beschränkte^). 1) Den Nachweis für die Berechtigung einer derartigen Bezeichnung werden wir erst in einem späteren Capitel liefern. 2) Soweit bekannt, ist sie nur bei den Cochliopoden grösser. 3) Diese beschränkte Beweglichkeit findet sich ausser bei Nympha- linen bei Pieriden, weitere Beispiele sind mir nicht bekannt, doch habe ich dem Tunkt keine besondere ^Aufmerksamkeit geschenkt. I Südamerikanische Nymphalidenraupen. 569 Es hängt das wohl zusammen damit, dass die Thiere etwas seit- lich comprimirt sind, zum Theil eine ausgeprägte Rückenkante be- sitzen, deren Existenz allerdings mit einer allseitigen Beweglichkeit unvereinbar sein dürfte ; ausserdem spielt dabei die Art der Segment- verbindung eine Rolle. Diese Schranke der Bewegung wird überwun- den bei einer Reihe von Gattungen, die sich nicht nur seitlich, son- dern auch dorsalwärts zu biegen vermögen. Es sind Ägeronia, Ec- tima, Myscelia, Catonephele, Eunica, Temenis , EpipMle, Callicore, Uaematera, Catagramma. (Ich habe übrigens versäumt, alle Gattun- gen besonders der Heliconinae und Diademinae auf ihre Beweglichkeit zu prüfen, doch ist es im hohen Grade wahrscheinlich, dass dort die Beweglichkeit allgemein rein seitlich). Nicht bei allen betrachteten Formen finden sich 3 bewegliche Segmentverbindungen , bei den Gattungen Siderone , Anaea , Protogo- nius {Nymphalis) ist jede oder fast jede (vergl. die Beschreibung von Siderone) Beweglichkeit verloren gegangen, was mit der starken Ein- ziehung der hintern Segmente in Zusammenhang steht. Von der Beweglichkeit der Puppen wenden wir uns zu den Be- wegungen, die sie ausführen, und zwar unter dem Einfluss des Lichtes. Wir können 3 Arten von Bewegungen unterscheiden, zum Theil bedingt durch die Art der Beweglichkeit. 1) Ausschliessliche Biegung nach rechts oder links. 2) Ausschliessliche Biegung in der Sagittalebene, und zwar erfolgt die Biegung stets dorsalwärts. 3) Biegung nach der Seite und nach oben combinirt. Die erste Art der Bewegung (Taf. XV Fig. 13) findet sich bei den Gattungen Bynamine {Bynamine tithia hat wohl im Zusammen- hang mit der Gewohnheit, sich zwischen zusammengesponnenen Blät- tern zu verpuppen, die Bewegung aufgegeben) und Adelpha. Die Thiere haben sich in der Gefangenschaft stets an horizonta- len Flächen aufgehängt; auch die wenigen im Freien gefundenen Pup- pen waren so befestigt. Die Bewegung ist meistens ein Abwenden vom Licht (nachgewiesen bei 5 AdelphadLVi&u. und Bynamine mylitta\ nur eine Art von Adelpha {erotia var.) wendet sich ebensowohl nach dem Lichte hin wie vom Lichte weg ; sie zeichnet sich ferner vor den andern untersuchten Arten der Gattung Adelpha dadurch aus , dass sie sich sehr stark biegt, so dass hinteres und vorderes Körperende einen rechten Winkel mit einander bilden, das vordere Körperende der Anheftungsfläche annähernd parallel wird. 570 WILH. MÜLLER, 1. Versuch ^). 18/XI 1884. Adelplia ])lesaure: 2 Individuen. 1 2 6 h 17 m früh — 35 — 35 Lw 6 h 19 m +0 +25 23 m — 25 +0 7 h 20 m — 35 — 35 Lw 23 m +35 — 35 24 m — 40 — 35 40 m — 40 — 35 Lw 41 m +0 +30 42 m — 40 +10 43 m — 40 +0 44 m — 40 — 40 8 h 2 m — 40 — 60 Lw 4 m +10 — 30 7 m +0 — 30 10 m — 35 — 30 15 m Lw 17 m — 20 +0 19 m — 35 — 35 30 m Lw 9 h 15 m — 35 — S5 Lw 45 m — 35 — 35 Lw 10 h 15 m — 35 — 35 Lw 45 m — 35 — 35 Lw 11 h 15 m — 35 — ^b Lw 45 m — 35 — 35 Lw 12 h 15 m — 35 — 35 Lw Wie aus den Beobachtungen 6 h 19 m, 7 h 23 m, 7 h 40 m her- vorgeht, erfolgt die Veränderung der Stellung innerhalb einer oder weniger Minuten, ist indessen nicht nur bei verschiedenen Individuen (7 h 41 m), sondern auch beim selben Individuum zu verschiedenen 1) Für diesen und die folgenden Versuche sei bemerkt, dass sie bei möglichst hellem Licht, aber, soweit es nicht ausdrücklich gesagt, nicht im directen Sonnenlicht angestellt wurden. Wechsel des Lichtes wurde durch vorgestellte Schirme , seltner durch Drehen des Thieres bewirkt, wobei jede Erschütterung möglichst vermieden. Der angegebene Winkel bezeichnet die Abweichung der Axe der Segmente 1 — 6 von der der Segmente 10 — 12 (richtiger von ihrer Verlängerung), Der Winkel ist nach Schätzung angegeben, da eine auch nur Jinnähernd genaue Messung nicht leicht durchführbar, auch ohne besondern Werth. + bedeutet Zuwendung, — Abwendung vom Licht; Lw = Lichtwechsel (Wechsel zwischen rechtsseitiger und linksseitiger Beleuchtung). Südamerikanische Nymphalidenraupen. 571 Zeiten (1 um 7 h 23 und um 8 h 2 m) veränderlich. Auch der Aus- schlagswinkel ist veränderlich (No. 2 um 7 h 20 m und 8 h 2 m). Solche Verschiedenheiten beim Individuum und bei der Art kommen jedenfalls in der Natur auch vor, zum Theil sind wohl aber auch die abnormen Bedingungen dafür verantwortlich zu machen. Nie wird ein Thier in der Natur einem so häufigen Lichtwechsel ausgesetzt sein, und ist es kein Wunder, wenn sie bei den Versuchen bisweilen abnorm reagiren, so zu sagen confus werden. So verblieb eine Byna- mine mylitta nach 6maligem Lichtwechsel einfach 30 Minuten lang in verticaler Lage, während sie sich normal nach ungefähr 5 Minuten um 40" abwendete. Die 2. Art der Bewegung (Taf. XV Fig. 11, 12) findet sich bei Ägeronia amphinome, fornax, epinome, n. sp.^ Ectima lirina. Hier handelt es sich nicht um einen Gegensatz von rechtsseitiger und linksseitiger Beleuchtung, sondern um den von hell und dunkel, die Wirkung des Lichtes ist eine Biegung dorsalwärts. Bei den dies- bezüglichen Versuchen musste es natürlich vermieden werden, das Thier, wenn es sich senken sollte, dem Licht auszusetzen, und das war schwer mit dem Beobachten zu vereinigen. Ich habe dann die Beobachtungen in der Weise angestellt, dass ich über die Puppe einen Pappkasten mit 2 kleinen, gewöhnlich verschlossenen Oeffnungen stülpte. Die Oefltaungen waren so angebracht, dass, wenn die Puppe sich vollständig gesenkt, die Spitzen der Hörner beim Visiren durch die Oeffnungen sichtbar wurden. So konnte durch wiederholtes Visi- ren annähernd der Zeitpunkt festgestellt werden, wo die Puppe sich gesenkt {vd = verdunkelt ; eh = erhellt , ein Strich — , dass nichts vom Thier zu sehen, dasselbe noch nicht gesenkt; ges = gesenkt, afg = aufgerichtet). 2. Versuch. Ägeronia n. s. 30/XI 84. 6 h. 8 vo. eh. Das Thier beginnt sofort sich langsam und gleich- massig zu erheben, hat sich 6 h 12 m zur vollen Höhe aufgerichtet. 7 h 32 m verd 8 h 10 m ges 8 h 36 m e/i 8 h 38 m afg 9 h S m vd 9 h 27 m ges 9 h 47 m eÄ 10 h afg. vd 10 h 12 m — 572 WILH. MÜLLER, 10 h 20 m ges 11 h eh 11 h 45 m afg. vd 12 h 15 m — 12 h 25 m ges. eh 12 h 28 m afg Die Versuchsreihe bestätigt zunächst im Allgemeinen die aufge- stellte Behauptung, zeigt weiter (10 h und 11 h 45 m), dass das Thier einige Zeit verdunkelt sein muss, um sich zu senken, dass diese Zeit nicht stets die gleiche. Während sich Ageronia epmome und n. sp., ebenso wie Ectima li- rina annähernd zur Horizontalen erheben, steigen fornax und amphi- nome nicht über einen Winkel von 45**. Im Anschluss an diese Beobachtung will ich erwähnen, dass sich vielleicht aus ihr der alte, bereits von Bates widerlegte Irrthum er- klärt, dass die Ageroniadtxi&n. mit Gürtel aufgehängte Puppen besitzen. Man kann bei oberflächlicher Betrachtung eine unter dem Einfluss des Lichtes erhobene Puppe von Ageronia epinome (Fig. IIb) wohl für eine umgürtete Puppe halten, übersieht freilich zunächst dabei, dass die Puppe der Aufhängungsfläche nicht die Bauchseite , sondern den Rücken zuwendet. Die 3. Art der Bewegung (Taf. IV Fig. 12, 14) findet sich bei Ageronia arete, den Gattungen Myscelia, Catonephele, Eunica, Teme- nis, Epiphile, Callicore, Haematera, Catagramma. Von allen genann- ten Gattungen und Arten hingen sich die Thiere in der Gefangen- schaft nicht an der Unterseite horizontaler Flächen, wie die früher betrachteten Arten, sondern an verticalen, bisweilen auf der Oberseite horizontaler Flächen auf. (Ich brauche den Ausdruck „aufliängen" weiter, weil es im Grund der gleiche Vorgang ,^ eigentlich sollte man sagen aufkleben.) Alle im Freien gefundenen Puppen (den Gattungen Myscelia., Ca- tonephele, Callicore angehörig) waren auf der Oberseite der Blätter befestigt. Die genannten Formen verhalten sich insofern gleich, als sie sich unter dem Einfluss des Lichtes aufrichten (Fig. 12). Im weiteren Verhalten macht sich ein Unterschied geltend: Ageronia arete biegt sich wenig (ungef. 10°) zur Seite, wobei es für die Bewegung gleich- gültig ist, woher das Licht kommt. Ich glaubte einmal bei sehr in- tensiver Beleuchtung eine Abwendung vom Licht nachweisen zu kön- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 573 nen ; jedenfalls ist diese Reaction , wenn sie überhaupt mit einiger Constanz stattfindet, sehr undeutlich. Bei allen übrigen hierher gehörigen Formen findet eine deutliche Zuwendung zum Licht statt. 3. V ersuch . ^atonephele acontius 23/r 7 h 55 m + 10 »-♦ Lw 8 h 5 m + 15 *-m Lw 8 h 35 m + 5 »-* Lw 9 h 20 m + 15 <-« Lw 9 h 35 m + 0 10 h 20 m + 5 »->■ Lw 10 h 30 m + 15 »-« 10 h 40 m + 0 10 h 55 m + 5 s»-> Lw 11 h 15 m + 15 «—«9! Lw 11h 45 m + 5 m-* Lw 11 h 55 m + 15 «-« Lw 5 h (P. M. ) + 20 m-^ Lw 5 h 10 m + 15 •<-«: Lw 5 h 20 m 4- 15 »-* Zunächst kann diese Versuchsreihe als Beispiel für das geschil- derte Verhalten, Zuwendung zum Licht, dienen. Weiter erhellt aus ihr, dass das Thier sich stets weiter nach der einen Seite ^« biegt, als nach der andern »->, auch nach *^ der Ausschlag rascher erfolgt, als nach»-* (10h 30m und 11h 45m), doch bewirkt eine mehrstün- dige Beleuchtung schliesslich einen Ausschlag von 20'^ ^*. Aehnliche Resultate lieferte ein 2. darauf untersuchtes Individuum. Am weitesten biegt sich von den hierher gehörigen Arten Teme- nis agatha nach rechts und links, welche Art auch am lebhaftesten reagirt. Das Gegenstück bildet Epiphüe orea. Es drängt sich uns bei der Beobachtung dieser Vorgänge ein Vergleich auf: wenn wir sehen, wie die Thiere, nachdem sie längere Zeit im Dunkeln waren, einige Zeit brauchen, um der Wirkung des Lichts zugänglich zu werden, wie der Vorgang durch Schütteln und Anstossen beschleunigt wird, dann denken wir unwillkürlich an ein schlafendes resp. aufwachendes Individuum. Nun fehlt es ja nicht an Beobachtungen, die es wahrscheinlich machen, dass ein Schlafen, dem 574 WILH. MULLER, der höheren Wirbelthiere ähnlich, auch bei Arthropoden vorkommt, doch wären besonders darauf gerichtete Untersuchungen, die ich nicht angestellt, nöthig, um zu entscheiden, inwieweit es sich hier wirk- lich um ähnliche Vorgänge handelt, inwieweit es nur eine äusser- liche Aehnlichkeit. Neben Lichtmangel giebt es noch ein anderes Mittel, um die Thiere zum Heruntersinken zu veranlassen, so zu sagen einzuschläfern, und das ist das Gegentheil von Lichtmangel, directes Sonnenlicht, das um so wirksamer, je intensiver die Sonne brennt. Nach kurzem Auf- richten sinkt das Thier herunter. Erscheint ein im Dunkeln herab- hängendes Thier wie ein schlafendes, so gleicht eine durch directe Sonnenstrahlen eingeschläferte Puppe (ein Aussetzen von 2 Minuten genügt dazu) einem narcotisirten, ohnmächtigen Thier. Willenlos ge- horcht die Puppe dem Gesetz der Schwere, soweit es die Beweglich- keit der Segmente zulässt, reagirt nicht auf Berühren. Nach einem Aufenthalt von einigen Minuten im Schatten wacht sie aus ihrer Ohn- macht auf. Die Einwirkung der directen Sonnenstrahlen schadet augenscheinlich dem Thier. 3 Puppen von Catonephele acontius, mit denen ich in dieser Richtung experimentirt hatte, lieferten sammtlich verkrüppelte Schmetterlinge. Eine Puppe von Adelpha erotia var. (allerdings ein schwächliches Individuum) war nach einem Aufenthalt von höchstens 5 Minuten in der Sonne eingeschlafen, um nicht wieder zu erwachen. Es ist ja bekannt, dass alle oder wenigstens die Mehrzahl der Raupen von Tagschraetterlingen zum Verpuppen einigermaassen ver- steckte Stellen aussuchen, so dass die Puppen wenigstens der Mittags- sonne nicht ausgesetzt. Nur ausnahmsweise soll man an der Sonne ausgesetzten Stellen Puppen finden, welche dann aber regelmässig oder fast regelmässig todt (so wird mir von zwei zuverlässigen Beobach- tern mitgetheilt). So wären die eben raitgetheilten Beobachtungen nicht so überraschend, auffallend wäre nur die rasche Wirkung des Sonnenlichtes, doch kommt ein Umstand dazu, der die Sache in ein anderes Licht rückt. Es wurde schon erwähnt, dass Puppen von Ca- tonephele penthia^ Myscelia orsis, Callicore meridionalis sich auf der Oberseite der Blätter befestigen (Sepp zeichnet die Puppe von Pyrrho- gyra sp ebenso, 1. c. T. XI), weiter wird es nach der Art, wie sich die genannten und alle der Gruppe der Epicaliinae angehörenden Species in der Gefangenschaft aufhängen, wahrscheinlich, dass das bei allen Epicaliinae der Fall, sich alle auf der Oberseite der Blätter be- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 575 festigen. Dann ist es aber gar nicht anders denkbar, als dass die Puppen häufig, wenn nicht, soweit die Raupen das Freie liebende Pflanzen verzehren, regelmässig den directen Sonnenstrahlen ausge- setzt werden. Ich kann diese widersprechenden Beobachtungen nicht vereinigen. Ausser dem oben angeführten Versuch an Catonephele acontius habe ich keine Versuche mit Epicaliinen - Puppen durchge- führt. 8 Puppen von Haematera pyramus, mit denen ich angefangen hatte zu experimentiren , wurden mir sämmtlich von Ameisen aufge- fressen. Kehren wir zur Reaction auf reflectirtes Licht zurück. Was kann die Bedeutung der eigenthümlichen Gewohnheiten der Puppe sein? Ganz allgemein können wir sagen, dass, wenn die Annahme der be- treffenden Stellung den Thieren irgend welchen Nutzen bringt, ihnen Schutz gewährt (von einem anderen Nutzen kann kaum die Rede sein), sich dieser Nutzen auf den Tag beschränkt, wo sie der Feind sehen kann. Wird nun das Thier nicht in der fraglichen Stellung fixirt {Eueides T. XV, Fig. 3), fordert das Annehmen und Beibehalten der Stellung immer erneute Muskelthätigkeit , so wäre es eine Ver- schwendung von Kraft, resp. Stoff, wenn die Stellung auch während der Nacht beibehalten würde. So bliebe uns nur der Nachweis zu liefern, dass die Annahme der Stellung dem Thier von Nutzen. Die Arten der Gattungen Dynamine und Ädelpha, deren Puppen, soweit mir bekannt, an der Unterseite von Blättern befestigt sind, gewinnen anscheinend am meisten. Sie rücken, indem sie sich dem Blatt zubiegen, einfach aus dem Gesichtskreis eines schräg von oben blickenden Feindes, haben noch den Vortheil, immer oder fast immer im Schatten des Blattes zu bleiben. Sehen wir den Schutz , den der metallische Glanz und die sonderbare Gestalt den Ädelpha -Vü^^en gewährt darin, dass dieselben überhaupt das Ansehen von Thieren verlieren, so wird diese W^irkung sicher durch die Krümmung ver- stärkt. Leider fehlen mir alle directen Beobachtungen über die Umge- bung, in der sich die Puppen der Ägeronien finden; jedenfalls sind die so verschieden gefärbten Puppen sehr verschiedenartigen Umge- bungen angepasst. Die Bewegung der düster gefärbten Puppen von fornax, amphinome (und arete?) ist vielleicht nutzlos geworden, ge- wissermaassen rudimentär, dafür spricht die bedeutend geringere Er- hebung. Die hell gefärbten Puppen hingen fast stets an den dünnen Ranken der Futterpflanze; von einem directen Verbergen könnte hier 576 WILH. MÜLLER, und auch bei stärkeren Zweigen keine Rede sein. Die Thiere ahmen in ihrem Gemisch von Weiss und zartem Grün einen sich entfaltenden Pflanzenspross nach, wobei die Hörner junge Blättchen darstellen; es scheint mir hier sogar ein recht gutes Beispiel von schützender Aehn- lichkeit vorzulie^n. Dann kann aber die Annahme einer horizontalen Stellung nur dazu beitragen, die Aehnlichkeit zu vermehren, und hierin mögen wir den Nutzen für die genannten Arten sehen. Jeder Deutung unzugänglich scheint das Verhalten der Epicaliinae. Ein irgendwie gestalteter Vorsprung auf der Oberseite eines Blattes wird doch stets in dem Grad augenfälliger, als er sich weiter über das Blatt erhebt, und sicher kann die Erhebung der Puppen aus den ge- nannten Gattungen auch nur diese Wirkung haben. Auch für irgend eine specielle Nachahmung finde ich keinerlei Anhalt. Von einer Trutzstellung, einem Vortheil , der dem Thier aus grösserer Augenfäl- ligkeit erwüchse, kann bei der durchgehends sympathischen Färbung der Puppen doch auch keine Rede sein. Man könnte, von Vortheilen, die dem Thier daraus erwüchsen, absehend , versuchen , die Erscheinung auf rein physiologische Vor- gänge zurückzuführen. In dem Verhalten der Adelpha- , Dynamine-, Ägeronia- Artew spricht sich meist Abneigung gegen das Licht aus, das Thier wendet sich vom Licht weg, oder biegt sich so, dass es im Schatten, was freilich nicht immer passt (Ägeronia arefe?). Eine solche Abneigung könnte den Ausgangspunkt für Ausbildung der frag- lichen Eigenthümlichkeit bilden. Sollte sich bei den Epicaliinae ein anderer Geschmack, eine Vorliebe für das Licht, die ein Zuwenden zur Folge, ausgebildet haben? Die Wahl des Ortes für die Puppe scheint die Annahme fast zu befürworten, oder ist die Zuwendung im Grunde auch auf eine Abneigung zurückzuführen, da das Thier, indem es sich dem Licht zuwendet, den Körper in die Richtung der Licht- strahlen bringt, dem Licht möglichst wenig Fläche bietet. Die That- sache lässt verschiedene Deutungen zu, und die Frage muss wohl als eine offene betrachtet werden. Wir warfen am Schluss^des vorhergehenden Capitels die Frage auf: welchen Werth die Gewohnheit des Rippenbauens für die Erkennt- niss der Verwandtschaft haben kann ? Es scheint berechtigt, die ent- sprechende Frage auch hier zu stellen. Das Verhalten in den verschiedenen Gruppen, selbst innerhalb derselben Gattung, scheint so verschiedenartig, dass wir in Zweilel sein mögen, ob wir die Lichtemptindlichkeit bei allen auf einen ge- I Südamerikanisohe Nymphalidenraupen. 577 meinsamen Ursprung zurückzuführen haben. Da indessen auch andere Gründe dafür sprechen , alle betreffenden Gattungen zu einer natür- lichen Gruppe zu vereinigen, so scheint die ungezwungenste Deutung die, dass die Lichtempfindlichkeit nur einmal im Laufe der Stammes- entwicklung aufgetreten, die verschiedenen Arten zu reagiren sich aus einer indifferenten Reaction , wie sie etwa Adelpha erotia bietet, ent- wickelt haben. Wie beim Rippenbauen sind es auch hier die Formen, die anscheinend die Gewohnheit aufgegeben haben, welche die Frage compli- cirt machen, und, merkwürdig genug, ist es die gleiche Gattung, welche sowohl das Rippenbauen aufgegeben, wie die Lichtempfindlichkeit ver- loren hat, die Gattung Didonis. Abgesehen davon, dass wir nach andern Merkmalen die Gattung am natürlichsten in dei' Gruppe unterbringen, welche sonst lediglich lichtempfindliche Puppen hat, spricht die Gestalt des Cremasters für un- sere Annahme. Bei allen lichtempfindlichen Puppen endigt der Cremaster breit, flächenhaft. Es steht das augenscheinlich im Zusammenhang mit der Bewegung; bei einer Anheftung, wie sie z.B. Gynaecia, Victorina (T. XV Fig. 5, 19) zeigen, würde das Resultat einer Krümmung nur eine geringe Veränderung der Lage zur Anheftungsfläche sein; es würde sich die Gleichgewichtslage, bei welcher der Schwerpunkt unter dem Aufhän- gungspunkte, wieder herstellen. Anders bei den Lichtempfindlichen und gewissen anderen ; hier ist durch Gestalt des Cremasters (T. XV Fig. 8 — 14, 20) und ein dichtes, aber sehr flaches Gespinnstpolster (vergl. den Gegensatz von Fig. 5 und Fig. 14) eine durchaus unbe- wegliche Verbindung zwischen Anheftungsfläche und Cremaster herge- stellt, und es muss hier die Wirkung einer Krümmung eine ganz an- dere sein. Nun beschränkt sich eine solche feste Anheftung keineswegs auf die lichtempfindlichen Puppen ; wir finden sie weiter bei Eueides , wo sie nothwendig, um das Gewicht des ventralwärts gebogenen Körpers zu tragen, ferner bei Apatura und Hypanartia , die beide eine sehr grosse Beweglichkeit besitzen, ohne deshalb lichtempfindlich zu sein, ferner bei Didonis und in gewissem Grade bei Prepona, auch fehlt es nicht an vermittelnden Formen {Dione) , doch schliesst sich von allen genannten Formen in der Gestaltung des Cremasters nur Didonis (auf Prepona kommen wir an anderem Ort zurück) den Lichtempfindlichen eng an , und ich glaube auch aus diesem Grunde annehmen zu müs- sen, dass die Puppe die Gewohnheit, auf Lichteindrücke zu reagiren, aufgegeben. Zoolog. Jahrb I, 3*7 578 WILH. MÜLLER, System der Nymphalinen. Nachdem wir im Vorhergehenden die Punkte hervorgehoben haben, auf die nach unserer Anschauung bei Aufstellung eines Systems Werth zu legen, können wir direct dazu übergehen, das System aufzustellen : I. A. 1) Acraea B. 2) Heliconius 3) Eueides 4) Colaenis 5) Dione C. 6) Argynnis 7) Cethosia II. A. V a n e s s i n a e a. 8) Hypanartia b. 9) Pyrameis 10) Vanessa 11) Grapta B. Diademinae a. 12) Phyciodes 13) Melitaea b. 14) Victorina 15) Anartia 16) Junonia 17) Doleschallia * 18) Precis 19) Hypolimnas III. A. 20) Gynaecia 21) Srayrna B. 22) Ageronia ) 23) Ectima j C. Epicaliinae a. 24) Myscelia 25) Catonephele 26) Eunica b. 27) Temenis 28) Pyrrhogyra 29) Epiphile 30) Callicore j 31) Haematera y 32) Catagramma j Südamerikanische Nymphalidenraupen. 579 D. 33) Dynamine E. 34) Didouis F. Adelphinae 35) Athyma 36) Adelpha 37) Limenitis 38) Neptis IV. a. 39) Prepona 40) Agrias 41) Siderone b. 42) Anaea 43) Hypna 44) Protogonius c. 45) Nymphalis. Genera zweifelhafter Stellung: 46) Apatura 47) Thaleropis. Die Gruppe I unterscheidet sich von allen folgenden durch die Stellung der Sst 2, 3. Dieselben sind, wie gesagt, an den vordem Segmentrand, auf die Grenze von 1 u. 2, 2 u. 3 verschoben. Im üb- rigen besitzen sie alle Sds 2 — 12, Sst 2 — 12, Ifst 4 — 11, keine Ds, keine Ped. Es können noch vorkommen Sds 1 und Hörner, und es schliessen sich beide Dornenpaare wechselseitig aus, wenigstens inner- halb der betrachteten Formen. Dornen stets unverzweigt. Die Rau- pen leben vorwiegend an Passifloren, Compositen, Violaceen. Puppen mit 3 beweglichen Segmentverbindungen, rein seitlich beweglich, höcke- rig oder dornig. Für eine weitere Eintheilung der fraglichen Gruppe scheint das Material noch nicht spruchreif. Dass eine Vereinigung der vier Gat- tungen Heliconius, Eueides, Colaenis, Dione viel für sich hat, wurde schon gesagt, nur fragt es sich, inwieweit sich die betreffenden Eigenthümlichkeiten auf diese Gruppe beschränken. Gruppe IL VanessinaCf Diadeniinaef 2 unter sich, soweit ersichtlich, scharf geschiedene Gruppen. Die Vanessinae haben Ds ant 4 — 11, soweit sie nicht verloren gegangen sind , an Stelle des Ds pst 11 ein Fleisch Wärzchen , die Diademinae Ds ant 4—11, Ds pst 11; beide übrigens meist eine vollzählige Bedornung mit Vermehrung der Dor- 37* 580 WILH. MÜLLER , nen in der Ped, nicht in der I/s#reihe, die Dornen ohne weit- gehende Differenzirung , mit Neigung zur Bildung von Nebendornen. Die Vanessinae leben vorwiegend an Urticaceen, Compositen, die Biademinae fast ausschliesslich an Labiatifloren , besonders an Acan- thaceen. Die Puppen mit deutlichen Resten der Raupendornen, 3 be- wegliche Segraentverbindungen , Bewegung (stets?) rein seitlich. Die Gliederung der Hauptgruppe II in die beiden Unterfamilien der Vanessinae und Biademinae wurde im Vorhergehenden schon so weit berücksichtigt, dass es eher nöthig erscheint, die gemeinsamen Merk- male hervorzuheben als die trennenden. In der That fehlt es an scharfen, beide Unterfamilien vereinigenden und gegen die anderen Unterfamilien abtrennenden Merkmalen, was indessen der Ansicht, dass wir es mit 2 nahe verwandten Gruppen zu thun haben, keinen Eintrag thut. Die Vanessinae gliedern sich in 2 Gruppen, von denen die eine nur die Gattung Hypanartia, die andere die 3 übrigen Gattungen umfasst. Beide Gruppen unterscheiden sich besonders scharf durch die Gestalt der Puppe. Von den Biademinae bilden die Gattungen Phyciodes, Melitaeä — Victorina, Anartia kleine natürliche Gruppen, beide durch die Gestalt der Puppen, die erste noch durch das Fehlen der Hörner characteri- sirt. Der Gruppe Victorina, Anartia dürften sich noch die weiteren, nicht genügend bekannten Gattungen Junonia, Precis, Boleschallia^ Hypolimnas mehr oder weniger eng anschliessen. Wie bei der Gruppe II, so erscheint es bei der Gruppe III unmöglich, dieselbe als solche scharf den andren Gruppen gegenüber zu characterisiren. Wir könnten sie mit der Gruppe IV zusammen als die der Rippenbauenden bezeichnen, und es bietet sich darin allerdings ein Merkmal, das, wenn auch nicht bei allen Formen vorhanden, doch anscheinend bei allen Formen vorhanden gewesen ist. Wenn übrigens diese Gruppe (IH und IV) eine grosse Mannigfaltigkeit von Formen zeigt, so ist das auf zwei verschiedene Ursachen zurückzuführen: einmal vereinigen wir innerhalb derselben einen umfangreichen Kreis, dann aber hat innerhalb der einzelnen Untergruppen eine bedeutende Um- gestaltung stattgefunden, so dass die Glieder einer Unterfamilie (z. B. Epicdliinae — Catonephele — Catagramma) in vielen Beziehungen ver- schiedenartiger als die Glieder verschiedener Gruppen (z. B.Ageronia und Catonephele). Indessen lassen sich hier mit einiger Sicherheit die Ver- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 581 änderungen, welche die Formen durchgemacht, verfolgen, und es er- scheint dadurch die Gruppe von besonderem Interesse. Rechnen wir da- zu die auf diese Gruppe beschränkte Gewohnheit des Rippenbauens bei den Raupen mit den mancherlei Fragen, die sich an dieselben knüpfen, den Formenreichthum bei den Raupen , die Lichtempfindlichkeit der Puppen, die z. Th. durch sonderbare Gewohnheiten {Ägeronia), durch auffallenden Dimorphismus der Geschlechter ( Gatonephele), durch präch- tige Färbung {Ägrias etc.) ausgezeichneten Schmetterlinge, so erscheint diese Gruppe (III und IV) als eine der interessantesten Gruppen von allen Schmetterlingen überhaupt. Wir wenden uns zu einer Characterisirung der kleineren Gruppen. Die Gruppe Gynaecia- Sniyrna : beide Gattungen characterisiren sich als nahe Verwandte durch die weit gehende Uebereinstimmung in der Bedornung, richtiger in der Gestalt der einzelnen Dornen. Bei Gynaecia haben zahlreiche Dornen eine Rückbildung erfahren. Die Gruppe bildet eine vermittelndes Glied zwischen der Gruppe II u. III. Der Gruppe II schliesst sie sich an durch die Wahl der Futterpflanze (Urticinen), durch die Zusammensetzung der Dsreihe {Bs ant 4 — 11, pst 11), z. Th. auch durch die Bedornung von 12, weiter durch das Fehlen einer Trutz- oder Schutzstellung. Der Gruppe III (der wir die Gattungen zurechnen) schliesst sie sich an wesentlich durch die Gewohnheit des Rippenbauens, die Entwicklung der Dornen, Gestal- tung der Hörner (abwechselnd nach aussen und innen gerichtete Dor- nenpaare). Ob die Verzweigung der Dornen auf den gleichen Ur- sprung zurückzuführen, muss fraglich erscheinen mit Rücksicht auf die verschiedene Gestaltung der Dornen. Die Puppen schliessen sich der Gruppe II an in der Art der Anheftung, der Gestalt des Cre- masters, der Gruppe III in der scharfen Begrenzung des Sattels nach hinten auf Segment 5. Die Gruppen III B-F (Gattung 22—38) haben wohl ursprüng- lich alle zwei Bs pst besessen, von denen der 2. (auf 10) vielleicht im Anschluss an eine von der gemeinsamen Stammform angenommene, bei der Mehrzahl unverändert erhaltene oder in die Schutzstellung umgewandelte Trutzstellung entstanden. Die Bildung von 12 (1 oder 2 Dornenpare) erscheint in ihrem Werth als Kriterium der Zugehörig- keit zweifelhaft. In der Gestaltung der Dornen weist mancherlei dar- auf hin, dass wir sie auf eine gemeinsame Form, der Mehrzahl nach wohl auf Stheilige Domen ohne verlängerte Mittelaxe zurückzuführen haben, wenn sich auch Gattungen wie Bidonis nicht einreihen lassen. 582 WILH. MÜLLER, Als Futterpflanze dürften früher die Euphorbiaceen im Vorder- grund gestanden haben, doch hat auch in dieser Beziehung eine weit- gehende Spaltung stattgefunden. Die Puppen reagiren fast sämmtlich auf das Licht, wo die Reaction fehlt (Didonis, Bynamine tithia), ist sie wohl verloren gegangen. Die Gruppe B. (Ageroniaf JiJctima) characterisirt sich durch die Gestalt der Raupenhörner, durch die Gestalt der Puppe; vielleicht wäre es berechtigt, die Gattung Ectima fallen zu lassen, mit Ägeronia zn vereinigen. Die Gruppe C. (Epicaliinae) wird characterisirt durch die jeden- falls ursprünglich allen Formen gemeinsame Form der Hörner, welche Rosetten von 5, 4, 4, 2 Nebendornen zeigen, durch die überwiegend grüne Farbe der Raupen, weiter durch Form, Anheftung und Gewohn- heit der Puppen. Die Form der Hörner ist mehr oder weniger ver- wischt, die Endrosette ist ausgefallen {Myscelia, Catonephele acontius)^ einzelne Rosetten vermehrt {Callicore etc.), die Rosetten ganz aufge- löst, Nebendornen meist ausgefallen {Eunica). Wir trennen die Epicaliinae in a. Gattungen, welche an Euphorbiaceen leben {Myscelia, Catone- phele, Eunica), und b. solche die an Sapindaceen leben {Temenis, PyrrJiogyra, Epi- phile, Callicore etc.), (einzige Ausnahme Callicore). Die Gruppe a. zeigt die ursprünglicheren Verhältnisse, einmal in der Wahl der Futterpflanze, sodann in der vollständigen Er- haltung der Bedornung. Bei der Gruppe b. hat mit Ausnahme von Temenis {Pyrrhogyra ?) eine Reduction der Nebendornen auf zwei stattgefunden, der dann eine fast vollständige Rückbildung der Dornen gefolgt ist. Bei der Mehrzahl ist die Mittelaxe der Hörner über die endständige Rosette hinaus verlängert. Die Gattung Dynamine, der einzige Vertreter der Gruppe D, ist eine durch abweichende Lebensweise stark veränderte. Sowohl das Aufgeben der Gewohnheit des Rippenbauens, der Schutz- oder Trutz- stellung, wie auch der Verlust der Hörner und Dornen auf 1, dürfte sich aus der abweichenden Lebensweise, aus dem Leben in Blüthen erklären. Im übrigen characterisirt sie sich durch das Vorhandensein von zwei Ds pst, das Verhalten der Puppe als hierher gehörig, ohne zu einer anderen Gruppe besonders nahe Beziehungen zu zeigen. Sie mit den Epicaliinae zu vereinigen, zwischen denen sie sich häufig bei Aufzählung der Nym ph al inen -Gattungen findet, scheint unmöglich mit Rücksicht auf die Gestalt und Beweglichkeit der Puppe. Südamerikanische Nymphalideiiraupen. 583 Didonis (III E) vereinigt eine ganze Zahl von Merkmalen, die für und gegen eine Zugehörigkeit der Gattung zur fraglichen Gruppe sprechen; die Merkmale wurden z. Th. schon mit Rücksicht auf ihren Werth oder Unwerth, speciell für diese Gattung besprochen, so dass wir uns auf eine kritiklose Aufzählung beschränken dürfen. Für die Zugehörigkeit spricht die Anordnung der Dornen, zwei Ds iist, zwei Dor- nen auf 12, Pedalia und Ifst vermehrt, die Entwicklungsweise der Dornen und Hörner (vermittelte Entwicklung) , die Gestalt der Hörner (ab- wechselnd nach aussen und innen gerichtete Dornenpaare), die An- nahme der Trutz- und Schutzstellung, die Wahl der Futterpflanze (Euphorbiacee), die Gestalt der Puppe (Cremaster, Sattel auf 2 — 5). Dagegen spricht die Gestalt der Dornen, speciell die Anordnung der Nebendornen, die Gestalt der primären Borsten, das Fehlen der Ge- wohnheit des Rippenbauens und der Reaction auf Beleuchtung, IIL F. Adelphinae. Soweit die Glieder dieser Unterfamilie genau bekannt, bewahren sie die Gewohnheit, Blattrippen zu bauen, sich unter dem Einfluss des Lichtes zu bewegen, was für ihre Zugehörigkeit zur Gruppe III spricht, von der sie sich übrigens durch das Fehlen aller Dsdornen entfernt. Bei den ursprünglichsten Gliedern der Gruppe findet sich eine weitgehende Difi'erenzirung der Dornen, der dann ein Functions- wechsel (vergl. Ädelpha), weiter eine weitgehende Rückbildung gefolgt ist. In der Wahl der Futterpflanze herrscht eine grosse Mannigfal- tigkeit; einigermaassen bevorzugt werden in der Gattung Adelpha die Rubiaceen. Die ursprünglichste Gattung der Gruppe, AtJiyma, schliesst sich der Hauptgruppe in der Wahl der Futterpflanzen (Euphorbiaceen) an, zeigt auch in dieser Beziehung die ursprünglichsten Verhältnisse. Die Puppen haben alle eine ausgeprägte Rückenkante, welche sich auf 5 mehr oder weniger beilartig ei-hebt, ferner starke Flügel- kanten, sind mehr oder weniger metallisch glänzend. Gruppe IV. Frepona etc. Als einheitliche Gruppe characterisiren sich alle hier genannten Gattungen durch äussere Aehnlichkeit der Raupen , welche nach der Mitte zu verdickt, ohne eigentliche Dornen. Ich lege auf diesen Punkt geringen Werth; mehr Werth lege ich darauf, dass bei allen 584 WILH. MÜLLER, das Stigma 5 deutlich aus der Reihe verschoben, höher liegt als die Verbindungslinie von Stigma 4 — 6, weiter darauf, dass alle, soweit bekannt, die gleiche Modification der Gewohnheit des Rippenbauens haben, nämlich Blattstückchen anzuhängen. In der Wahl der Futter- pflanze macht sich eine Vorliebe für stark aromatische Pflanzen (Piperaceen, Laurineen) geltend. Die Puppen sind alle sehr ge- drungen, haben zum Theil in Folge des starken Einziehens der Ab- dominalsegmente jede Beweglichkeit eingebüsst Danach dürfte über die enge Verwandtschaft der betrefienden Gattungen kein Zweifel obwalten. Wie stellt sich aber die Gruppe IV zu III? Sie theilt mit jener die Gewohnheit des Blattrippen- bauens, was uns veranlassen könnte, sie mit jener zu einer Haupt- gruppe zu vereinigen, trennt sich aber von diesen durch das Fehlen echter Dornen. Nun wurde schon an verschiedenen Stellen die Ansicht ausgesprochen, dass die dornenlosen Raupen aus der Familie der Nym- phalinen aus den dornigen Raupen hervorgegangen, und es existiren auch, denke ich, einige Beziehungen zwischen dornigen Raupen und dornenlosen, die einen solchen Uebergang wahrscheinlich machen. Die Gattung Neptis theilt einmal mit gewissen Raupen mit voll- zähliger Bedornung {Adelpha) die characteristische Ausbildung ge- wisser Dornen, zeigt andererseits bereits eine weitgehende Rückbildung der Dornen, doch scheint ein Zweifel darüber, dass die Raupe von Neptis aus Adelpha ähnlichen Formen hervorgegangen, ausgeschlossen. So weist Neptis nach der einen Seite deutliche Beziehungen zu den dor- nigen Raupen auf, und diese Beziehungen sind wohl nie in Zweifel gezogen worden. Die Beziehungen nach der andern Seite, speciell zu Prepona, Si- derone sind nicht weniger deutlich, Neptis enthält gewissermaasseu im Keim einige der characteristischsten Eigenthümlichkeiten der Dor- nenlosen, ich nenne folgende : 1) den fast vollständigen Mangel der Dornen, 2) die Gestalt des Kopfes (Wangen und Vorderseite fangen an, sich scharf von einander abzusetzen , er ist nach oben verschmälert, mit 2 kurzen massiven Hörnern, alles Eigenthümlichkeiten, die sich, schärfer ausgeprägt, bei Frepona wiederfinden), 3) der Körper ist halsartig vom Kopf abgesetzt, nach 5 hin ver- dickt, von da ab verjüngt, 4) Stigma 4 und 5 bewahren nicht die gleiche Lage zur Stigma- linie. Das letztgenannte Merkmal scheint besondere Beachtung zu I Südamerikanische Nymphalidenraupen. 585 verdienen. Das so eigenartige Merkmal einer Verschiebung von Stigma 5 aus der Reihe, das wir oben als characteristisch für die Dornen- losen bezeichneten, scheint zunächst in einer Verschiebung des Stigma 4 gegenüber der Stigmalinie zu bestehen und bewahren ja auch bei den Dornenlosen z. Th. Stigma 5 und 6 gleiche Lage zur Stigmalinie {Siderone, Änaea), secundär hat dann wohl eine Verschiebung der Stigmalinie stattgefunden, so dass Stigma 5 über, 4, 6 unter der Stigmalinie liegen (Prepona). Uebrigens mag die Verschiebung mit dem ungleichmässigen Dickenwachsthum der verschiedenen Segmente in Zusammenhang stehen. Sehen wir von der Gattung Neptis speciell ab, wenden uns zu den Ädelphinae überhaupt, so finden wir noch folgende, unsere An- sicht unterstützende Beziehungen : ziemlich regelmässig findet sich bei Ädelpha in irgend einem Stadium eine schwarze Querbinde auf 5; dieselbe findet sich ebenfalls bei Siderone, Anaea phidüe; die nach vorn absteigenden dunklen Schrägstriche von Ädelpha finden sich wieder bei Siderone. Die Ädelphinae und Dornenlosen sind diejenigen beiden Gruppen, in denen die Gewohnheit des Rippenbauens über die 2. Häutung hinaus beibehalten wird, die Blattstückchen besondere Verwerthung finden. Vielleicht existiren engere Beziehungen zwischen den Gewohnheiten von Limeniüs und den Dornenlosen. Limenitis soll nach W. H. Edwards Packete von Blattstückchen an die Mittelrippe hängen, sich für den Winter eine Düte bauen, die nach der Zeichnung ganz der einer Änaea gleicht, so dass die fragliche Gewohnheit von Änaea vielleicht aus einem Schutzsuchen vor der Kälte hervorge- gangen. Die eigenthümliche Stellung, welche manche Prepona- Arten einnehmen (Taf. XIV Fig. 10), zeigt deutliche Beziehungen zur Trutz- stellung. Von den Warzen und Fortsätzen von Prepona, die sich zum Theil bei den andern Gattungen der Dornenlosen wiederholen, können einige wenigstens auf Reste der Dornen oder der Warzen, auf denen die stark entwickelten Dornen der Ädelphinae stehen , zurückgeführt werden. Das gilt zunächst von den Warzen auf 3 bei Prepona amphi- machus, die den vergrösserten Sds 3 resp. den sie stützenden Warzen (bisweilen stehen sie auf einer, die obere Hälfte des Segments um- fassenden Hautfalte) entsprechen. Für die unpaare Warze auf 4 ist eine solche Beziehung ausgeschlossen. Die Warzen auf 5 fühlt man sich versucht mit den bei den Ädelphinae stets vergrösserten Sds 5 in Beziehung zu bringen, doch ist diese Beziehung nicht denkbar ohne 586 WILH. MÜLLER, bedeutende Verschiebung der S'Ss^ streif ist weiss, doch wird die weisse Farbe in der vorderen Körper- hälfte durch einen braunrothen , nach hinten verlöschenden Streifen bis auf 2 schmale weisse Linien verdrängt. 3. Stadium. Kopf und Körper bewahren die für das 2. Stadium beschriebene Gestalt. Am Kopf ist das mittlere Feld dunkelgrün , die dasselbe begrenzenden weissen Streifen sind dunkelbraun gerandet. Am Körper ist die dunkle i)s linie ausgelöscht, das ganze mittlere Feld des Rückens ist jetzt rein grün, dieses nach vorn und hinten verjüngte, auf 1 1 spitz endigende grüne Mittelfeld ist fein braun gerandet (der braune Sds streif des 2. Stadiums), es folgt ein breiterer weisslicher Streif, mit 1 feinen dunklen Linie in seiner unteren Hälfte. Dieser weisse Streif wird nach hinten fortgesetzt durch die oben weisse Schwanzgabel; unter diesem weissen Streifen folgt ein breiter schwarzer Streif, der blassgrün gerandet, nach hinten verjüngt ist; auf 1 — 3 ist dieser Streif zum Theil ausgelöscht; von der jetzt sehr schmalen bräunlichen Spstlinie ist der- selbe durch einen breiten weissen Streifen getrennt; Ifstregion weiss. Gegenüber dem vorhergehenden Stadium besteht die Aenderung vorwie- gend darin, dass der braune Sds- und Sst streif zu Gunsten der benach- barten weissen Linien abgenommen. Mit der nächsten Häutung erschei- nen kleine schwarze Warzen (Scheindornen) am hinteren Rand von 5, 6, 7. 600 WILH. MULLER, Im letzten Stadium erreichen diese Scheindornen eine ansehnlichere Grösse , doch fehlen mir über dies Stadium genauere Notizen. Ich habe es nicht besessen (als das beschriebene Individuum im 4. Stadium, musste ich abreisen), habe es aber bei Herrn L. Hetschko gesehen, es gleicht im ganzen dem beschriebenen 3. Stadium. Die Zeichnung, wie sie mit der 2. Häutung erscheint, ist von einigem Interesse; das Gesammtbild, welches uns die Raupe bietet, ist ein lang gestreckter, an beiden Seiten lanzettlich zugespitzter grüner Fleck, welcher weiss gerandet; der weisse Rand wird durch einen nach vorn verbreiterten braunen Streifen gehoben, und dieser seinerseits wieder durch einen weissen Rand, In dieses Gesammtbild fügt sich bei der Ansicht von oben — und da das Thier flach gedrückt ist, auf der Oberseite der Blätter sitzt, wird sich diese Ansicht am häufig- sten bieten — der Kopf recht gut ein (vergl. Fig. 29) ; das grüne Mittelfeld bildet die vordere Spitze des lanzettlichen Flecks, die be- nachbarten weissen Streifen, die der weissen Ränder etc. Poulton hat verschiedene interessante Beispiele dafür beigebracht, dass die Regelmässigkeit der Zeichnung, die durch ungleiche Ausbildung ein- zelner Segmente (abweichende Gestalt von 1 — 3, Lage von Stigma 1), Annahme gewisser Stellungen gestört, auf irgend welche Weise für ober- flächliche Betrachtung wiederhergestellt wird. Der hier besprochene Fall von Caligo bietet das gleiche Interesse, oder vielleicht ein höheres. Es ist mir kein ähnlich evidentes Beispiel dafür bekannt, dass sich der Kopf so in das vom Körper gebotene Gesammtbild fügte, wenig- stens da, wo es sich um eine bestimmte Zeichnung im Gegensatz zu gleichartiger Färbung handelt. Von vorn herein scheinen die Schwie- rigkeiten, die sich einer solchen, wenn ich so sagen darf, Einordnung des Kopfes entgegenstellen, unüberwindlich, am meisten da, wo wir es mit so eigenthümlichen Kopfibrmen wie bei den Brassolinae zu thun haben. Ob die ziemlich abweichende Gestalt des Kopfes von rivesii entstanden ist im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen Zeichnung von Kopf und Körper, muss dahingestellt bleiben, dass sie wesentliche Bedingung dafür, scheint unzweifelhaft. Worin die biologische Bedeutung der Zeichnung besteht, ist nicht so leicht zu sagen. Jedenfalls handelt es sich um eine Form von Nachahmung, doch geht es uns hier, wie in anderen Fällen ; die Aehn- lichkeit, die uns in der Natur oft genug getäuscht hat, die finden wir im Zimmer, in anderer Umgebung, oder nachdem wir überhaui)t ein- mal die Täuschung erkannt haben, nicht wieder heraus. Einige Aehn- lichkeit bietet das Thier mit einem welkenden , an den Rändern ein- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 601 gerollten Monocotylenblatt , die ganze Gestalt, das grüne Mittelfeld, der Wechsel von Licht und Schatten würden zu diesem Bild wohl passen. Auch die Gewohnheiten scheinen im Dienst dieser Aehnlichkeit zu stehen ; das Thier sitzt stets auf der Oberseite des Blattes, kriecht es fort, so schwankt oder wackelt es eigenthümlich hin und her, eine Gewohnheit, die Schmetterlingsraupen verschiedener Gruppen im Zu- sammenhang mit der Aehnlichkeit mit welken Blättern angenommen haben. lieber die Puppe fehlen mir leider genauere Notizen; ich habe sie nur einmal bei Herrn L. Hetschko gesehen. Sie entfernt sich im Habitus weit von dem anderer Brassolinae, ist eine der sonderbarsten mir bekannt gewordenen Formen, die Kanten sind verwischt, dagegen besitzt sie ein Paar enorm lange Hörner, welche dicht zusammengelegt werden; diese Hörner sind, wenn ich mich recht besinne, ebenso lang oder länger als der übrige Körper. Die Grundfarbe ist ein schmutziges Braungelb, und das Thier gleicht einem trocknen, zusammengerollten, herabhängenden Monocotylen-Blatt. Li tteratur. H. BURMEISTEE 1. c. p. 20 T. XVI. Es finden sich hier die Raupen verschiedener Arten von Caligo (auch in verschiedenen Stadien), ferner Ei und Puppe von eurylocJius abgebildet; auch einzelne Theile sind wiedergegeben. Die behandelten Arten sind euryloclius, inachis (= heltrao?), idomeneus. Narope Westw. Warope cyllastros Doubl. Hew^. Die einzige Raupe dieser Art, die ich besessen, fand ich bei Nacht an Bambus fressend. Sie war bereits im 5. Stadium, maass wenige Tage vor der Verpuppung einschliesslich der 6 mm langen Schwanzgabel 7.5 cm. Das Thier hat den typischen Habitus einer Brassolinenvaui^e , den nach vorn abfallenden Kopf, die schräg nach hinten gerichteten Hörner (nur 3 Paare), den halsartig abgesetzten, nach der Mitte zu verdickten, in eine Schwanzgabel endigenden Körper. Beide Theile der Schwanzgabel entspringen weit von einander, verlaufen parallel. Der Körper ist ziemlich schlank, die Hörner und die Schwanzgabel seitlich comprimirt. Das Thier ist gezeichnet wie folgt: der Kopf ist braun, trägt in der Mitte unter den Hörnern einen schwarzen Fleck, der 2 Streifen zur Basis der Hörner, 2 zu den unteren Ecken des Kopfes entsendet, welche Streifen also ein Kreuz mit einander bilden würden. Der Körper ist blassroth und grau- braun gemischt. Die übrigens unregelmässig vertheilte blassrothe Farbe bildet etwas wellig gebogene Linien und zwar eine Stigmale und eine doppelte Sds. Die Puppe ist ziemlich gedrungen, die hinteren Segmente sind an der Bauchseite stark contrahirt, dadurch dorsal gei'undet; in Folge der 602 WILH. BILLLER, Contraction ist der Cremaster vcntnilvvärts gerückt. Auf 2 findet sich eine schwache Mittelkante, die in 3 Höcker getheilt, ferner finden sich 2 stumpfe Höcker an der Flügelwurzel und 2 Hörner; die Flügelkante ist fast ganz unterdrückt. Die Zeichnung bietet ein eigenthümlichcs Gemisch von Gelb, Braun und Schwarz, dazwischen finden sich, besonders auf dem Rücken, weisse Flecke. Beweglichkeit wie Ojpsi^hanes, BrassoUs Fabr. Srassolis astyra Godt. l)ie Baupe lebt gesellig an verschiedenen Arten von Palmen, Ein gefangener Schmetterling legte mir am 5/1 85 in der Papierdüte eine grössere Zahl von Eiern ab (bei einem Nymphaliden immerhin eine auffallende Erscheinung). Die Eier haben ähnliche Gestalt wie die der anderen Brassolinae, sind nahezu kuglig, längs gerippt, doch sind die Bippen weniger scharf und weniger regelmässig, verlaufen z. Th. geschlän- gelt, verfliessen mit einander. Die Eier schlüpften nach 23 Tagen (28/1) aus. Die Räupchen sind direct nach dem Ausschlüpfen 4.5 mm lang. Der Kopf ist gross, gerundet , wenig nach vorn abfallend , ziemlich dicht mit kurzen Borsten besetzt, welche indessen nicht lang genug, um dem Kopf ein ähnliches pudelkopfartiges Aussehen zu verleihen , wie wir es bei anderen Srassolinen im ersten Stadium finden, Höcker am hinteren Rand (vergl. Opsiphanes) fehlen. Der Körper ist viel schmaler als der Kopf, nach hinten verjüngt , mit ähnlicher dunklerer Längsstreifung , wie sie das erwachsene Thier zeigt. Die Thiere schlüpften mir auf einer Reise aus, wo ich dieselben nicht weiter füttern konnte. Es fehlt mir dann ein Stadium (vorausge- setzt, dass bei Srassolis die Zahl der Häutungen nicht vermehrt, was mit Rücksicht darauf, dass das Thier sich in verschiedeneu Beziehungen über- aus abweichend verhält, immerhin denkbar). Das 3. Stadium erreicht eine Länge von 3 cm. Der Kopf ist langgestreckt , nach vorn stark abfallend , unten breit, nach oben massig verjüngt, kurz behaart, übrigens ohne Hörner und ähnliche Anhänge. Er ist überwiegend roth , bei einzelnen Individuen mit schwarzem Anflug zu beiden Seiten des Mundfeldes. Der Körper ist nach der Mitte hin stark verdickt, von da ab verjüngt; eine Schwanzgabel fehlt, an ihrer Stelle finden sich bisweilen 2 minimale Wärzchen. Der Körper ist unterhalb der Stigmalinie gelblich, darüber braun mit weissen Längsstreifen, die weissen Längsstreifen bilden 3 Gruppen , welche je ins gesammt als breiterer heller Streifen erscheinen; wir haben eine dorsale und 2 laterale Streifengruppen : die dorsale Gruppe besteht aus 3 weissen Linien, jede der lateralen aus 4, von denen die unterste und oberste deut- licher, die beiden mittlem wenig deutlich. Li den folgenden Stadien ändert sich Gestalt und Färbung des Körpers wenig, am Kopf verdrängen die bereits im 3. Stadium sichtbar werdenden schwarzen Flecke die rothe Grundfarbe mehr und mehr, das 4. Stadium bietet alle Uebergäuge von einem annähernd rein rothbraunen bis zu einem fast vollständig schwarzen Südamerikanische Nymphalidemaupen. 603 Kopf; stets bleibt als Kest der rothbrauneu Färbung eine rothe Mittellinie, 2 ebensolche Flecke in der Augengegend und ein rother Rand. Im 5. Stadium überwiegt die schwarze Farbe am Kopf sehr, es bleibt nur ein grösserer oder kleinerer rother Fleck über dem Mund. Die Grundfarbe des Körpers ist im 4. und 5. Stadium nicht mehr braun, sondern schwarz. Das Thier lebt gesellig. Jede Gesellschaft fertigt sich einen derb- wandigen Beutel, der bisweilen im Blattwinkel einer Palme angebracht wird, gewöhnlich aber zwischen den Blättern hängt, äusserlich mit Blatt- fiedern bedeckt ist. In solchem Sack fand ich einmal gegen 200 Raupen. Da die Raupen ausgewachsen p.p. 8 cm messen, dabei ziemlich dick sind, müssen die Säcke ziemlich gross sein. Diese Säcke sind übrigens bisweilen gepresst voll, die Raupen müssen über einander sitzen, müssen sich ordent- lich hineinzwängen. In diesen Säcken halten sich die Thiere am Tage verborgen, gehen des Nachts zum Fressen aus; man kann, wenn sie etwas herangewachsen sind, leicht das Geräusch des Fressens hören, sie mit Hülfe dieses Geräusches finden. Die Puppe ist massig gedrungen, ventral etwas eingezogen. Rücken- kante fehlt, Flügelkante fast ganz verwischt. Bezüglich der Färbung unterscheiden wir eine helle und eine dunkle Form. 1) Dunkle Form. Auf rothbraunem Grund finden sich schwarze Ds (einfach), Sds, Stgl, PecZstreifen ; die schwarzen Streifen sind durch blass- gelbe Ränder gehoben. An Kopf und Flügeln wechselt schwarz mit Chromgelb und braunroth. 2) Helle Form. Die Grundfarbe ist chromgelb; die Zeichnung wie bei der dunklen Form, doch blasser; z. Th. fehlt an ihrer Stelle das Pig- ment ganz. Litteratur. Sepp 1. c. T. 143, p. 309. Brassolis sophoraeJjiv. Raupe und Puppe gleichen der von BrassoUs astyra; die Raupe lebt eben- falls an Palmen, soll aber nur in den ersten Jugendstadien gesellig sein. C. Stoll, 1. 0. T. III 2 die gleichen Angaben wie bei Sepp. F. MooKE, 1. c. p. 337 T. III Fig. 3 bestätigt die Angaben über Brassolis astyra. Rückblick auf die Brassolinae. Was zunächst die Morphologie der Anhangsgebilde der Brassolinenraupen betrifft, so haben wir hier zweierlei Aühangsgebiide zu besprechen : 1) die Schwanzgabel ; 2) die unpaaren Rückendornen bei Caligo. Die Schwanzgabel ist bereits im ersten Stadium in annähernd definitiver Form vorhanden ; sie trägt an ihrer Spitze eine primäre Borste (vergl. T. XII Fig. 5), characterisirt sich so als hervor- gegangen aus dem Wärzchen einer primären Borste, als das Product einer Umbildung oder Vergrösserung eines solchen Wärzchens. Dass noch eine zweite primäre Borste auf der Schwanzgabel entspringt, das Wärzchen derselben gewissermaassen mit in die Schwanzgabel aufge- 604 WILH. MÜLLER, noramen, ändert an unserer Auffassung von der morphologischen Be- deutung der Schwanzgabel nichts. Ob und inwieweit die Schwanzgabel trotz dieser abweichenden Genese mit gewissen an ähnlicher Stelle entspringenden Dornen der Nymphalinen {Ssf 12) vergleichbar, ihnen gleichwerthig, kann hier nicht entschieden werden, wir kommen auf diesen Punkt zurück. Die nur in der einen Gattung Caligo auftretenden unpaaren Rücken dornen (Scheindornen) haben keinerlei Beziehung zu den primären oder secundären Borsten , resp. deren Wärzchen , sind so zu sagen selbständig entstandene Warzen. Sie finden sich im ersten Stadium angedeutet als schwarze Flecke. Die Annahme genetischer Beziehungen zu irgend welchen Dornen der Nymphalinen, etwa zu den Bs pst scheint ausgeschlossen; abgesehen von der verschiedenen mor- phologischen Bedeutung fehlen Bs pst, soweit bekannt, stets auf den Segmenten 6 — 9 , wo sich die Scheindornen bei Caligo finden , weiter ist die Lage der Bs p)st auf den einzelnen Segmenten eine ganz andere als die der Scheindornen ; die Bs pst sind bei weitem nicht in dem Grad dem hintern Segmentrand genähert wie die Scheindornen, alles Gründe, welche die Annahme genetischer Beziehungen zwischen bei- derlei Gebilden geradezu ausschliessen. Beachtenswerth erscheint noch die Thatsache, dass die Dornen mit sehr verschiedenen Häutungen auftreten (vergl. Caligo eurylochus und rivesii). Wegen der Morphologie der Hörner verweise ich auf die Besprechung der Hörner der Nymphalinae. Was die verwandtschaftlichen Beziehungen der Bras- solinae zu einander und zu anderen Unterfamilien betrifft, so verzichten wir hier zunächst darauf, die Beziehungen zu anderen Unterfamilien zu besprechen; im übrigen bilden die Brassolinae eine kleine einheit- liche Gruppe, für deren Characterisirung in der Larvenform wir auf die Beschreibung von Opsiphanes verweisen. Der stark behaarte, nach vorn abfallende Kopf mit den Anfängen von Hörnern im ersten Stadium, der Kranz von 8 oder 6 Hörnern in den folgenden Stadien, der nach der Mitte zu stark verdickte Körper, welcher in allen Stadien eine lange Schwanzgabel trägt, letztere im ersten Stadium mit einer langen Endborste, das Fehlen von eigentlichen Dornen, das sind Cha- ractere, die allen mir bekannten Arten zukommen, mit Ausnahme von Brassolis astyra. Bei Brassolis dürfte das Fehlen von Hörnern und Schwanzgabel (beide von Anfang an unterdrückt, letztere als Rudi- ment nachweisbar), dem geselligen Leben im engen Gespinnst, worin die Thiere förmlich zusammengepresst leben, zuzuschreiben sein, Dass Südamerikanische Nymphalidenraupen. 605 alle Arten von Anhängen dabei nicht nur überflüssig, sondern sogar hinderlich, leuclitct ein. So müssen wir auch das Fehlen nicht als eine ursprüngliche , sondern als eine secundär erworbene Eigenschaft ansehen. Uebrigens spricht auch hier der stark nach vorn abfallende Kopf, die Gestalt der Puppe deutlich genug für eine Zugehörigkeit zur Gruppe. Von den Puppen der Brassolinae lässt sich allgemein sagen, dass dieselben massig, entsprechend der Grösse der Schmetterlinge, dass sie massig gedrungen , dass sie ausser Flügel und Rückenkante keine starken Vorsprünge haben, und dass sie nur in einer Segment- verbindung beweglich, und zwar allseitig. Für die Gruppirung der geringen Zahl von Gattungen bietet sich wenig Anhalt; Opsiphanes , Bynastor , Caligo haben als Larve manche Merkmale geraeinsam (Rückenflecke bei Dynastor und Caligo^ eigenthümlich gestaltete Kopfborsten bei Bynastor und Opsiphanes^ silberglänzende Flecke bei der Puppe von Opsiphanes und Caligo), doch muss unentschieden bleiben, inwieweit das Fehlen dieser Merk- male bei manchen Gattungen ein ursprüngliches, die Merkmale von Werth für die Erkenntniss der Verwandtschaft. Noch bleibt einiges über die Zeichnung der Brassolinae nach- zutragen. Die Grundfarbe ist, wenn wir von Brassolis mit ihren ab- weichenden Gewohnheiten absehen, grün oder schmutzig braungelb. Ist die Grundfarbe grün, so findet sich regelmässige Längsstreifung, entsprechend der parallelen Nervatur der Monocotylen- Blätter, an denen die Raupen ausschliesslich leben. Wo die Grundfarbe braun- gelb, das Thier zur Nachahmung welker Blätter übergeht, sich zwischen solchen verbirgt, da tritt, an Stelle der regelmässigen Längsstreifung eine unregelmässige Schrägstreifung auf, oder die Längsstreifen werden gewellt. (Aehnlich verhalten sich die Satyriden, die, soweit sie mir bekannt, mit grüner Grundfarbe parallele Längsstreifung, mit braungelber oder ähnlicher Grundfarbe unregelmässige Zeichnung ver- binden). Dem Unterschied in der Färbung entspricht ein Unterschied in der Lebensweise, die grünen Formen sitzen am grünen Laub, die braungelben zwischen dürren Blättern; tritt im Lauf der Ontogenese ein Wechsel in der Färbung ein, so entspricht diesem Wechsel eine Aenderung der Lebensweise. Im übrigen sitzen beide, grüne und braune, bei Tage still, fressen fast ausschliesslich bei Nacht. Zeich- nung und Lebensweise machen es unzweifelhaft, dass wir es mit einer Schutzfärbung zu thun haben, doch bleiben dabei noch einige Schwie- rigkeiten zu erwähnen. Die in der Rückenlinie auftretenden dunklen 606 WILH. MÜLLER, Punkte (Scheindornen und Flecke bei Caligo, Flecken bei Bynastor) scheinen wenig in die besondere Form der Schutzfärbung zu passen; sie dürften Flecken im Blatt, entstanden durch Verwundung (die mehr- fach parallel gerandeten Rückenflecke von Dynastor passen dazu sehr gut), anhaftende Schmutzpartikel und Aehnliches nachahmen ^). Aehn- liche Bedeutung wie diese Flecken hat vielleicht der Kopf, der auf nichts weniger als auf ein Verbergen berechnet erscheint. Am auf- fallendsten ist die Bildung des Kopfes im ersten Stadium. Die dichte Behaarung, die ihm ein sehr sonderbares pudelkopfartiges Aussehen verleiht, kann nur die Augenfälligkeit vermehren, doch scheint die Bildung von Bedeutung für das Thier, da wir Einrichtungen finden, und zwar auf das 1. Stadium beschränkt, welche die Wirkung erhöhen : ich meine die eigenthümlich gestalteten plattgedrückten Borsten bei Opsiphanes dynastor. Wir kommen auf diesen Punkt noch einmal zurück. Im übrigen muss die Frage nach der Bedeutung der eigen- thümlichen Kopfform im ersten wie in den späteren Stadien als eine offene betrachtet werden. Beim Schutz , den die Raupen der Brassolinen geniessen , will ich noch ein Schutzmittel erwähnen, welches dieselben nicht nur besitzen, — den Besitz haben sie mit zahlreichen anderen Raupen gemein — sondern auch benutzen. Werden die Thiere gestört, so erheben sie den Kopf und die ersten Thoraxringe und strecken den am Prothorax vor den Beinen befindlichen Stinkwulst vor, wodurch sie einen mehr oder weniger intensiven Geruch verbreiten. Bei Opsiphanes., dessen Raupe mir zur Zeit allein zur Prüfung vorliegt, finde ich einen recht intensiven Geruch, der an den Geruch mancher Carabiden erinnert. Dieser Stinkwulst ist übrigens weiter verbreitet, als wohl bis jetzt bekannt. Er findet sich bei allen von mir untersuchten Unterfamilien der Nymphaliden , auch bei den Danainen , ferner bei den Hesperiden und zahlreichen Nachtschmetterlingen. Zu fehlen scheint er bei den Pieriden und Eryciniden. 1) Zu beachten ist wohl, dass sich diese Flecken bei Dynastor und Caligo an gleicher Stelle linden, als homologe Gebilde zu betrachten sind. Einen Fleck an Stelle des vorderen fand ich noch bei einem Srassolinen- räupchen , das mir im zweiten Stadium starb. Nach seiner Grösse dürfte dasselbe wohl einer der kleinen Ojisiphanesarten angehört haben. Ich vermuthe, dass diese Flecken sich ursprünglich bei allen Brassolinae ge- funden haben, bei manchen Gattungen verloren gegangen sind. Südamerikaiiisclie Nymplialidenraupcii. ß07 Morphinae. llorjfho acllillides Feld. Die Eier haben die Gestalt einer Halbkugel, öttuen sich mit einem runden Deckel auf der convexen Flüche. Das Räupcheu schlüpft erst mehrere Wochen nach der Eiablage aus; lebt in kleinen Gesellschaften von 3 — 5 oder einzeln. 1. Stadium. 4 — 9 mm lang, an Platymiscium sp. (Leguminosae). Der Kopf (T. XIII Fig. 33) ist im Verhältniss zum Thier sehr gross, er ist hoch und breit, nach oben verschmälert, dabei ziemlich kurz, senk- recht abfallend, mit 2 starken horizontal nach hinten gerichteten conischen Fortsätzen, welche auf gemeinsamer Basis stehen. Die Oberfläche des Kopfes ist mit kleinen Gruben bedeckt, ausserdem trägt er zahlreiche lange schwarze Borsten, welche fein gefiedert, am Ende verzweigt (Fig. 33 b). Er erhält dadurch ein ähnliches pudelkopfartiges Aussehen, wie der Kopf der JSrassolinae. Die braune Grundfarbe des Kopfes wird durch den Besatz mit schwarzen Borsten verdeckt. Der Körper ist im Verhältniss zum Kopf schlank, er ist nach hinten verjüngt. Am hinteren Körperende trägt er zwei in eine Borste endigende conische Fortsätze. Die primären Borsten sind lang, spitz, deutlich ge- zähnelt (Fig. 33 c); besonders lang sind die Borsten 1, 2, welche, wie an manchen Segmenten auch 3, schwarz, während die anderen durchscheinend. In der Ifstregion sind die Borsten vermehrt, so dass Borste 4 — 6 nicht mehr nachweisbar. Die Borsten von Segment l — 3 sind nach vorn , die anderen nach hinten gebogen. Bald nach dem Ausschlüpfen ist der Körper iheils dunkel gefärbt, theils blass durchscheinend. Die durchscheinenden Partien nehmen im Verlauf von zwei Tagen eine schön chromgelbe Färbung an, und haben wir jetzt zwei die Breite des Rückens einnehmende gelbe Flecken auf 6 und 9. Beide erstrecken sich nach vorn auf die davor liegenden Segmente 5 und 8, wobei sie sich verschmälern. Ferner haben wir zwei seitliche gelbe Flecke, von den oberen durch einen dunklen Streif getrennt, auf 4 — 6 und Mitte 7 — 9. Der Rest ist braunroth bis auf Segment 12 und die pediile Region, welche blass durchscheinend sind. In der Ruhe trägt das Räupchen in diesem Stadium den Kopf hori- zontal zurückgelegt. 2. Stadium 9 — 13 mm. Der Kopf hat im wesentlichen die gleiche Form bewahrt, die conischen Fortsätze am hinteren Rand sind im Ver- hältniss etwas kleiner, sind mehr auseinander gerückt. Die Borsten haben sich in gleicher Gestalt und Anordnung erhalten, sind relatif kürzer; zu den oben beschriebenen Borsten gesellt sich eine andere Form , welche stark, glatt, nahezu gerade sind ; sie finden sich besonders auf dem Scheitel. Der Kopf hat die braune Farbe bewahrt bis auf zwei helle Streifenpaare, von denen das mittlere den Rändern des Mundschildes folgt. Die Borsten sind auf braunem Grund rosaroth, auf hellem Grunde weiss. Am Körper finden wir die gleiche Zeichnung wieder. Die Schwanz- gabel ist grösser geworden ; die Borsten haben die gleiche Form bewahrt, sie sind bedeutend vermehrt, indessen nicht in ähnlich regelmässiger Weise wie bei allen bis jetzt beschriebenen Arten , vielmehr bilden die- 608 WILH. MÜLLER, selben an manchen Stellen dichte Büschel, stehen an anderen weniger dicht. Auf 2, 3 haben wir in der Mitte des Segmentes je eine Querreihe von langen, nach vorn gebogenen Borsten, welche sich haubenartig über den Kopf neigen , die Querreihe auf dem Rücken unterbrochen. Auf 4 stehen der Mittellinie genähert zwei kurze dichte Borsteubüschel; ähnliche Borstenbüschel finden wir in der Höhe der Sds auf 7, 8, 10, 11, weniger deutlich auf 9, die auf 7, 8 ebenfalls dicht, die auf 9, 10, 11 weniger dicht, die auf 7, 10, 11 lang, auf 8 kürzer. Ferner ist die ganze Ifst- llegion ziemlich dicht mit langen Borsten , der ganze Körper dünn mit unregelmässig angeordneten kürzeren Borsten besetzt ; alle Borsten stehen auf kleinen Wärzchen , welche da , wo die Grundfarbe gelb , weiss sind. Zwischen diesen zerstreuten Borsten lassen sich, durch Grösse der Borsten und der stützenden Wärzchen ausgezeichnet, die primären Borsten nach- weisen. Die Borstenbündel auf 4 sind schwarz, die auf 7, 8 lebhaft roth, die übrigen weiss, z. Th. mit röthlichem Anflug. In den folgenden Stadien bewahren Kopf und Körper im wesentlichen die gleiche Gestalt, Hörner und Kopfborsten treten weiter zurück, auch die Schwanzgabel wächst nicht in gleichem Maasse wie der Körper. Die Zeichnung bewahrt im ganzen den gleichen Character; am Kopf schwinden die hellen äusseren Streifen , dagegen breitet sich die helle Färbung der inneren auch über das Munddreieck aus. Im 3. Stadium (Länge 1.3 — 2.5 cm) sind die Borstenbüschel auf 7 in ihrer vorderen Hälfte weiss, die auf 10 in ihrer hinteren Hälfte roth geworden; in den dunklen Partieen auf 1 — 4, 7, 8, 10 — 12 hat sich eine helle Zeichnung ausgebildet, bestehend aus einer hellen Mittellinie und gebogenen Seitenlinien. 4. Stadium (2.5 — 4.5 cm) und 5. Stadium (4.5 — 7 cm) dem 3. Stad. ähnlich; die helle Färbung hat in den dunklen Partien an Umfang zugenommen , während andererseits in den hellen Partien dunkle den Rändern parallele Streifen , sowie überhaupt eine complicirte dunklere Zeichnung aufgetreten ist. Im ganzen ist der Körper braun, roth, gelb, weiss, schwarz gefärbt. Puppe gerundet, ausser zwei conischen kurzen Hörnern keinerlei Vorsprünge, Flügelkante und Rückenkante unterdrückt. Sie ist, abgesehen von Hörnern und Cremaster, länglich eiförmig; ist grün durchscheinend; eine bewegliche Segmentverbindung. Bewegung nicht ganz , aber doch annähernd ausschliesslich rein seitlich. Morpho menelaiis Lin. Ich erhielt eine Raupe im 5. Stadium, konnte indessen nicht erfahren, woran das Thier lebt, konnte deshalb auch den Schmetterling nicht ziehen, indessen konnte es von den in Blumenau vorkommenden ilfbrj)7ioarten (achiUides, epistrophis, hercules, menelaus, ega) nur menelaus sein, da die Raupe für ega zu gross, die Raupen der 3 anderen Ai-ten mir bekannt. Die Zugehörigkeit wird von Herrn Scheidemantel in Blumenau bestätigt. Die Raupe hat den gleichen Habitus, die gleiche Bildung des Kopfes wie Morpho achiUides, ist auf 1 — 3 auf dem ganzen Segment, auf den übrigen Segmenten in der ifst Region ziemlich dicht behaart, dazu kom- Südamerikanische Nymphalidenraupeii. 609 men dichte Haarbüschel annähernd in der Höhe der /S^c^slinie und unp;e- fähr in der Mitte des Segmentes auf 4, 5, 7, 8, 10, 11, die auf 4 der Mittellinie näher stehend. Die Grundfarbe des Körpers ist leberbraun, mit schwarz gemischt. Auf diesem Grund finden sich zwei grosse, gelbgrüne, dunkel geraudete Flecke in der Mitte des Rückens , an der Stelle der grössten Breite den Raum zwischen beiden Sds ausfüllend, nach vorn und hinten zugespitzt. Der erste Fleck reicht von 5, vorderer Rand, bis 2/j von 6, der zweite von Mitte 8 bis Mitte 10. Flecke von ähnlicher Färbung finden sich weiter jederseits drei in der Höhe der Sds, einer auf 2 und 3, einer auf 7 und 8, einer auf 10 und 11; sie nehmen stets das hintere ^j.^ des vorderen, das vordere ^/g des hinteren Segmentes ein. Die Borstenbüschel sind überwiegend schwarz, am vorderen Rande weiss. Die Zeichnung von Morpho menelaus im letzten Stadium zeigt die engsten Beziehungen zu der von Morpho achillides im ersten Stadium, die hellen Flecke in der Mittellinie des Rückens decken sich bei beiden Arten fast vollständig, von den hellen Sdsäecken könnte nur der mittlere bei menelaus als Rest des hinteren von achillides aufgefasst werden, die übrigen scheinen nicht in engerer Beziehung zu einander zu stehen. Vielleicht sind alle diese hellen Flecke als Reste einer umfangreichen hellen Färbung an den Seiten anzusehen. 3Iovpho hercules Dalm. Lebt an einer Menispermee. Kopf und Körper im ganzen wie bei Morpho achillides^ die Hörner im letzten Stadium kaum nachweisbar. Kopf gelblich, mit langen Borsten besetzt. Der Borstenbesatz des Körpers ist ähnlich wie bei menelaus, nur wieder- holen sich die bei menelaus auf die Segmente 4, 5, 7, 8, 10, 11 be- schränkten Haarbüschel auf den Segmenten von 4 — 11 regelmässig. lieber die Zeichnung des Thieres habe ich mir keinerlei Notizen gemacht; nach den Spiritusexemplaren ist die Grundfarbe braunroth mit einem helleren rothgelben Dorsalstreifeu und zahlreichen rothgelben Flecken , welche annähernd zu einem Lateralstreifen verschmelzen. Die Raupe lebt ge- sellig, man findet sie in den letzten Stadien in Gesellschaften von über 100 Individuen, eine neben der anderen an dem Stamm der Bäume sitzend, an denen sich die Futterpflanze in die Höhe rankt. Bei Tage ruhen die Thiere, fressen nur bei Nacht. Die Puppe ist ähnlich gestaltet wie die von Morpho achillides, zeigt aber eine schwache Flügelkänte, sie ist grün, undurchsichtig, z. Th. weiss angelaufen, wie dünn mit einem weissen Mehl (Wachs?) überzogen, welcher Ueberzug sich durch Wischen etc. entfernen lässt. Morpho epistrophis HttSNER. Die Raupe lebt an Inga semia- lata, hat ähnliche Gestalt wie die anderen JforjpAoraupen. Der Kopf ist lebhaft roth, mit rother Behaarung , der Körper ist (nach einem Spiritus- exemplar) lebhaft schwarz, roth und gelb ; trägt einen breiten schwarzen bis nicht ganz zur Sds reichenden Lateralstreif, der Rest ist lebhaft roth, mit einer gelben , schwarz gerandeten Zeichnung in der Mittellinie. Die Yertheilung der Borsten erinnert gleichzeitig an Morpho achillides und hercules^ an achillides dadui-ch, dass die Borsteubüschel wenig dicht, laug, weiss und roth, bis auf dasjenige auf 4, welches, wie bei achillides, kurz und dicht, der Mittellinie mehr genähert; neben diesem dichteren Borsten- büschel auf 4 findet sich ein loseres. Der bei den anderen Arten mehr oder Zoolog. .Jahrb. I. gq 610 WILH. MÜLLER, weniger gleichmässige , meist auch bereits auf dem Rücken unterbrochene Borstenbesatz auf 2, 3 bildet hier 2 dichte Büschel in der Höhe der Sds. Die Raupe lebt in kleinen Gesellschaften (20 — 30). Die Thiere über- ziehen einige Blätter der Futterpflanze mit Gespinnst, sitzen an diesen Blättern, wo sie dann als rothe Klumpen erscheinen und höchst auffällig sind. Die Puppe gleicht im ganzen der von Morpho achillides. Weitere Mittheilungen über die Gattung Morpho: H. ß. MÖSCHLEE 1. c. p. 197. Morpho metellus, die Raupe lebt gesellig, frisst nur kurze Zeit, ruht die übrige Zeit des Tages. BuEMEisTEE 1. c. p. 21 T. VII Fig. 1 — 6. Raupe und Puppe von Morpho la'ertes und epistrophis werden abgebildet; laertes hat ähnliche Anord- nung der Borsten wie hercules. F. Moore 1. c. p. 334, 35. Raupe und Puppe von Morpho hercules und epistrophis werden richtig beschrieben, z. Th. abgebildet, die Ge- wohnheiten genauer besprochen. Von einigem Interesse und wohl geeignet, uns einigen Anhalt für die Erkenntniss der Verwandtschaft zu geben, ist die Vertheilung der Borsten. Die ursprünglichsten Verhältnisse bietet jedenfalls Morpho hercules mit seinen Borstenbüscheln, welche sich auf 4 — 11 in gleicher Gestalt an gleicher Stelle wiederholen. Von dieser einfachsten Form können zwei Wege zu der complicirtesten Form, zu der von Morpho achil- lides geführt haben, entweder hat zunächst ein Ausfall der Borsten büschel auf 6 und 9 zugleich mit einer Verschiebung der Büschel auf 4 nach der Mitte hin stattgefunden, das Thier hat die Form von menelaus, eine Umgestaltung einzelner Borstenbüschel hat dann zur Form geführt, die achillides bietet, oder die Umgestaltung ist dem Ausfall vorausgegangen (epistrophis — achillides). Es sind noch andere Wege denkbar, welche die Umgestaltung ein- geschlagen hat; haben ähnliche Formen wie hercules als Ausgangspunkt gedient, so hat der erste Weg mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Eine genauere Durchführung des Vergleichs an einer grösseren Zahl von Arten wäre nicht ohne Interesse. Für einen Vergleich der Zeich- nung hat es mir an hinreichend genauen Angaben gefehlt, besonders über die Ontogenese ; selbst für das letzte Stadium war ich, wie z. Th. auch für die Anordnung der Borsten, auf Spiritusexemplare angewiesen. Die Bedeutung der Färbung und Zeichnung ist die, das Thier aufiällig zu machen, sie ist eine sogenannte Trutzfärbung, dafür spricht das Vorwiegen der rothen Farbe. Die Wirkung der lebhaften Färbung wird erhöht durch die gesellige Lebensweise, die in der Gattung Morpho sehr verbreitet zu sein scheint. Die erwachsenen Raupen von Morpho hercules l)ieten, wenn sie in Gesellschaft von über hundert Individuen eine neben der anderen au einem Baumstamm sitzen, dem Südamerikanische Nymphalidenraupen. (311 Auge eine ganz beträchtliche lebhaft gefärbte Fläche; ähnlich die Raupen von episfrophis. Der Schutz, den die Raupen geniessen, und der es für dieselben vortheilhafter erscheinen lässt, sich zu zeigen als sich zu verbergen, dürfte in den Borsten bestehen. Bei Morpho her- cules dringen die Borsten beim Anfassen ziemlich leicht in die Haut ein, verursachen ein unangenehmes Jucken, indessen kein Brennen. Es scheint sich lediglich um den durch die Borsten selbst hervorge- brachten Reiz, nicht um die Wirkung von Ameisensäure oder von einem ähnlichen Gift zu handeln. Bei anderen Arten habe ich darauf Erfahrung nicht gemacht, doch habe ich auch keine besonderen dies- bezüglichen Versuche angestellt. Mit der Wirkung der Borsten ver- bindet sich vielleicht die des oben bei Besprechung der Brassoliden erwähnten Stinkwulstes. Derselbe wird, wenn die Raupe gereizt wird, vorgestreckt, doch kann ich mich nicht entsinnen, dabei einen beson- deren Geruch wahrgenommen zu haben. (Moore erwähnt 1. c. 2 a p. 335 einen unangenehmen Geruch der Jfor^Äoraupen), Notizen über andere Gattungen der Morphinen HoKSFiELD and Mooee 1. c. p. 209 T. VI Fig. 4, 4 a. Amathlisia phidippus Lin. Java, lebt an Coccos nucifera. Der Kopf ist senkrecht abgeschnitten, trägt zwei kurze, kolbige, stark höck- rige Hörner, ist dicht mit langen Borsten besetzt. Der Körper ist nach der Mitte hin verdickt, endet in eine massig lange, Schwanzgabel. Er ist ziemlich dicht behaart, trägt auf 2, 3 lange in einer Q,uer- reihe angeordnete nach vorn geneigte Borsten. Die Puppe ist massig gestreckt, glatt, sie hat zwei lange Hörner, entbehrt der Flügel und Rückenkante fast ganz. Sie ist grün gefärbt. Ibid. p. 211 T. XII Fig. 15, 15a. Discophora tullia Ceam. (Indien) an Bambusa. Die Raupe hat einen runden Kopf, Hörner scheinen ebensowohl zu fehlen wie beson- ders lange Borsten. Der Körper ist cylindrisch, endet in zwei kurze Schwanzspitzen; er ist dicht behaart. Die Puppe ist massig gedrungen, gerundet, trägt zwei Höruer, sonst, soweit ersichtlich, keinerlei Vorsprünge. Sie ist braungelb. Ibid. p. 211 T. VI Fig. 5, 5a. Discophora celinde Stoll, an Coccos nucifera; übrigens wie tullia. Satyrinae. Pedaliodes Butl. JPedaliodes jihanias Hew. Die Raupe frisst Gräser; das beschriebene Individuum fand ich im 5. Stadium , an Bambus fressend. Sie erreicht eine Länge von 3.4 cm (T. XIV F. 8). Der Kopf erinnert in etwas an den von Prepona, die Wangen sind scharf gegen die viereckige Vordertläche abgesetzt, die 39* G12 WILH. MÜLLEft, Kanten weaig gerundet; auf dem Scheitel stehen zwei kurze, stumpfe, conische Hörner. Die Vorderseite des Kopfes ist braun, schwarz gerandet, diese Farbe ist durch eine feine helle Linie scharf von dem dunklen Grau der Wangen geschieden, und dieses setzt sich wieder scharf von der hellgrauen Rückseite des Kopfes ab. Der Körper ist deutlich nach der Mitte hin verdickt, von da ab ver- jüngt, endet in zwei kurze Schwanzspitzen; die Bauchfläche ist kantig gegen die Seiten abgesetzt, das Stigma 5 wenig, aber deutlich verschoben. Die Grundfarbe des Körpers ist hellgrau, auf dieser helleren Grundfarbe findet sich folgende dunklere Zeichnung: 1) schräg nach hinten aufsteigende Linien über den Stigmen, 2) ein welliger, in der Mitte der Segmente unter- brochener, graugrüner Sdsstreiien, 3) ein nach oben scharf begrenzter nach hinten allmählich verblassender dunklerer Lateralstreif, derselbe reicht nicht über Segment 3 hinaus. In der Ruhe senkt die Raupe den Kopf wenig , so dass dann die obere Grenze der dunkelgrauen Wangen ziemlich genau die Fortsetzung bildet von der oberen Grenze des dunklen Lateralstreifs auf 1 — 3 , während andererseits helle Rückseite des Kopfes und Körpers für das Auge ohne Grenze in einander übergehen. Es liegt hier ein ähnlicher Fall vor wie bei Caligo rivesii, der Kopf tritt ergän- zend in die Zeichnung des Körpers ein. Die Bedeutung der Zeichnung besteht darin, dass das Thier einer trocknen Blattscheide, von der die Blattspreite abgetrennt, ähnlich wird. Die dunkle Vorderfläche des Kopfes bewirkt, dass wir in die durch die Blattscheide gebildete Röhre hinein- zusehen glauben , die scharfe Trennung in hellere Rücken- und dunklere Seitenfläche entspricht einer kantigen Knickung am oberen Ende, welche sich nach unten verliert; der wellige Sdsstveif, die schräg aufsteigenden Linien entsprechen unregelmässigen durch Verwitterung entstandenen dunkleren Linien ; (solch unregelmässige Zeichnung tritt , wie bei Be- sprechung der JBrassolinae bemerkt, allgemein da auf, wo es sich um Nachahmung welker monocotyler Blätter handelt), die Hörner würden kleine Reste der Blattspreite darstellen. Entsprechend dieser Aehnlichkeit sitzt das Thier in der Ruhe, wie ich wenigstens in einem Fall feststellen konnte, an der Basis eines dünnen Zweigs der Futterpflanze, und zwar das hintere Körperende nach unten oder nach der Basis gerichtet. Die Puppe ist massig stark contrahirt, hat eine stark vorspringende, jederseits in einen stumpfwinkligen Zipfel ausgezogene Kante auf 6 , eine starke Flügelkante, eine Rückenkante auf 2 und zwei massig lange conische Hörner. Der Körper verjüngt sich allmählich in den spitz endenden Cre- master, übrigens ist die Puppe glatt, Flügelränder und Segmentgrenzeu sind kaum zu sehen, sie ist matt weiss und hellgrau gefärbt. — Eine bewegliche Segmentverbindung (7 und 8), Bewegung rein seitlich. Die Gestalt und Färbung der Puppe weist darauf hin, dass sich die Raupe zur Verpuppung nicht, wie andere Satj'rideu , zwischen dürres Laub etc. verkriecht, dass sie sich vielmehr frei aufhängt; entsprechend verhielt sich auch das gezogene Individuum. laygetis Hübner. Taygetis yphthitna HthJN. (Es ist möglich, dass manche Anga- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 613 ben von anderen Arten, z. B. rebecca stammen , die Mehrzahl der unter- suchten Individuen stammt aus Eiern, die ich von yphthima erhielt, einzelne aus an Bambus gefundenen Eiern , wo sie an die Unterseite der Blätter abgelegt werden). Die Eier sind kuglig, durch flache Kanten in 6seitige Felder getheilt. 1. Stadium 5 — 8 mm lang. Der Kopf fällt senkrecht nach vorn ab. Er trägt (T. XIII Fig. 28 a) Borsten in ähnlicher Anordnung wie der von Myscelia und anderen Nymphalinen im ersten Stadium. Die auf dem Scheitel und den Wangen stehenden Borsten sind ziemlich lang, nach der Spitze zu verbreitert, an der Spitze kurz 2theilig. Diese Borsten stehen auf weit vorragenden conischen Erhebungen , welche sich äusser- lich durch verschiedene Farbe und eine unbedeutende Einschnürung in einen unteren und einen oberen Theil gliedern, die beiden Scheitelborsteu stehen auf gemeinsamer Basis (Hörner). Von den beiden Theilen , in die sich die conischen Spitzen theilen, scheint nur der apicale Theil in engerer Beziehung zur Borste zu stehen. Eine mon^^tröse Verschiebung (vergl. Fig. 28 b) einer Borste von den Hörnern auf das zweitnächste Wärzchen beeinflusst die Gestalt des basalen Theils der Hörner .nicht. Uebrigens ist der Kopf hellbraun, runzlig; die Basis der Hörner weisslich, glatt, die Spitze schwarzbraun. Körper bedeutend schmaler als der Kopf, nach hinten anfangs gleich- massig verjüngt, vom 2. Tag an nach der Mitte hin verdickt; am Ende trägt er eine kurze Schwanzgabel, deren Beziehung zu den primären Borsten aus T. XII Fig. 7 ersichtlich. Die primären Borsten massig lang, gerade, geknöpft. Stigma 5 wenig aus der Reihe in die Höhe gerückt. Körper weiss, grünlich durchschimmernd. 2. Stadium. Der Kopf hat im wesentlichen die Gestalt wie im ersten Stadium, der ganze Kopf, auch die conischen Fortsätze und Hörner sind mit kleinen borstentragenden Wärzchen besetzt. Er ist grünlich mit 2 parallelen braunen Bogen, von denen der äussere die Basis der Hörner und der nächsten Höcker umfasst, der innere den Muad umzieht. Körper wie im 1. Stadium, anfangs nach hinten gleichmässig ver- jüngt, später nach der Mitte hin verdickt. Jedes Segment zerfällt in 6 Falten, von denen, ähnlich wie bei den Nymphalinen, die 1 und 2 breiter als die folgenden, welche unter sich gleich. Die secundären Borsten der beiden ersten Hautfalten sind vermehrt, sie stehen nicht in Querreihen, auf den 4 letzten Hautfalten stehen sie in je einer deutlichen Querreihe. Diese secundären Borsten sind weissen Wärzchen implantirt. Die Grundfarbe des Körpers ist weisslich grün, die weissen Wärzchen bilden einen undeutlichen doppelten J)sstreif, ferner findet sich ein weisser Lateralstreif. 3. Stadium. Kopf im wesentlichen wie im vorhergehenden Sta- dium, die Hörner etwas schlanker, die übrigen Spitzen verhältnissmässig kleiner. Der innere braune Bogen verblasst. Der Körper ist weissgrün in Folge einer dichten Bedeckung mit sehr kleinen weissen Wärzchen ; mehr reingrün ist das 1. Segment, ebenso die Z)slinie, die weisse Farbe überwiegt mehr in einem breiten Säs^treM, 614 WILH. MÜLLER, welcher halbwegs zur Stigraalinie reicht, und einem Stigraastreif; am hinteren Rand von 6 und 7 nimmt der weisse Sdsstreii an seinem oberen Rand eine rein weisse Farbe an. Diese Streifen und Flecken in ver- schiedener Mischung von weisser und grüner Farbe heben sich scharf gegen einander ab. Im weiteren Verlauf des Stadiums schwindet das Weiss auf 1 — 4 auf dem Rücken und an den Seiten, auf 4 — 8 nur an den Seiten , dort gehen die nun gelbgrünen oder rein grünen Regionen ohne Grenzen in die weissgrünen über. Der ^Sc^sstreif nimmt in ganzer Breite eine gelbgrüne Färbung an, welche auf 8 in eine weissgrüne über- geht ; die Punkte am hinteren Rand von 6 und 7 bleiben weiss. Aehn- lich wie der Sdsstreif verhält sich der Stigmastreif. Undeutlich auf 5 und 9, deutlicher auf 6 — 8, erscheint zu jeder Seite des Dsstreifs ein breiter, rein weisser Streif, der an seiner breitesten Stelle, in der Mitte jedes Segments, bis zum Sdsstreif reicht, nach den Segmentgrenzen hin verschmälert ist, so dass sein äusserer Rand eine Wellenlinie darstellt. 4. Stadium. In diesem Stadium, vermuthlich auch bereits im vor- hergehenden, wird der Kopf in der Ruhe vorn übergeneigt, so dass er mit der Horizontalen einen Winkel von p. p. 55'^ bildet. Die Schwanzgabel wird zu einem scheinbar unpaaren, conischen Fortsatz zusammengelegt. Am Kopf sind, abgesehen von den Hörnern, die grösseren conischen Spitzen fast ganz zurückgebildet. Die Vorderseite des Kopfes ist blassgrau, braun gerandet, der braune Bogen über dem Mund ist fast ganz verschwunden. Zwischen den Hörnern beginnt ein schwarzbrauner Fleck , der sich auf die innere Seite derselben erstreckt, sich nach hinten verschmälert, in den ebenfalls grauschwarz gefärbten Dorsalstreif übergeht. Am Körper hat sich der breite Sässtreii in gleicher Breite erhalten; er ist auf 1 — 3 gelbgrün, geht dann in orange über, nur die weissen Punkte am oberen Rand auf 6 und 7 sind weiss geblieben. Unter dem ;S'6^sstreifen folgt ein rein grüner Streifen , der bis zur weissen Ifstlinie reicht. Nur auf 1 — 3 und 12 treten in diesem rein grünen Streifen Reste einer breiten gelben Stigmalinie auf. Der zwischen beiden /SfZsstreifen liegende Raum zeigt eine äusserst complicirte Zeichnung, auf 1 — 4 ist er grün, mit einer dunkelgrauen Ds'linie, welche bis zu den hinteren -1 von 3 reicht, auf 5—7 1^ (vorderen |- von 8) ist er überwiegend weiss mit einer blass- grauen Dslinie. Der breite Streif zu beiden Seiten der Dsliuie ist, ähn- lich wie im vorhergehenden Stadium, abwechselnd verschmälert und ver- breitert, und zwar ist er am breitesten am hinteren Segmentrand, von da aus nach vorn verschmälert. Der Raum zwischen diesen weissen Streifen und den Sässtreiien ist dunkelgrau, ein schmaler ebenso gefärbter Streif reicht noch von hinten in das Weiss bis in die Mitte des Seg- ments. Auf dem hinteren -^ von 8, auf 9 und 10 ist der Raum matt hellgrau mit nach hinten bogig zusammenneigenden dunkleren Flecken, welche sich auf 1 1 zu einem breiten Z)6streifen vereinigen, übrigens ist 11, wie auch 12 überwiegend grün. Ich konnte leider die Entwicklung nicht weiter verfolgen , da ich, als die ältesten Tliiere so weit entwickelt, abreisen musste. Im Freien habe ich die Thiere nie in einem vorgeschrittenen Stadium gefunden, Südamerikanische Nymphalidenraupen. 615 weiss deshalb auch nicht, was die complicirte Zeichnung zu bedeu- ten hat. EuptycJiia HUbn, Ich habe von dieser Gattung Käupchen verschiedener Arten erhalten, doch ist es mir nicht gelungen, eines derselben bis zur ersten Häutung am Leben zu erhalten ; die Käupchen frassen Gräser, wollten aber nicht gedeihen. JEhiptychia muscosa Butl. Die Eier sind rund, structurlos. Der Kopf des Räupchens gleicht in seiner Gestalt und Farbe dem von Tay- getis , doch trennen sich Hörner und conische Fortsätze nicht scharf in Wärzchen und basalen Theil. Borsten lang, spitz. Der Körper ebenfalls wie der von Taygetis^ Stigma 5 nicht aus der Reihe verschoben. Von den primären Borsten sind 1 — 3 deutlich, 4 un- deutlich geknöpft, 5, 6 endet ganz ohne Verdickung; alle sind wenig ge- bogen, annähernd gleich lang. Aehnlich verhalten sich Euptychia pagyris und hermes; Bei hermes zeigen die Kopfborsten ähnliche Bildung wie die primären Borsten des Körpers, sind wie diese geknöpft. Die primären Borsten sind sehr ver- schieden lang, 1 länger, 2 kürzer als die übrigen. Äntirrhaea Hübn. Antirrhaea ai^chaea Hübn. Die Eier stellen ein Kugelsegment dar, welches kleiner als die Halb- kugel ; die Kugelfläche ist durch erhabene Leisten in regelmässige 6sei- tige Felder getrennt. 1. Stadium. Nach dem Ausschlüpfen ohne Schwanzgabel 3.8 mm lang; Schwanzgabel 2.7 mm lang, wovon etwas über die Hälfte auf die starke Endborste kommt. Der Kopf hat vollständig die Gestalt wie bei Morpho achülides (1. St.), ist gross, breit und hoch, nach oben verschmälert, mit einem nach hinten gerichteten 2theiligen Fortsatz, dessen Spitzen keine Borsten tragen ; er ist schwarz , von runzliger Structur ; die Borsten sind ver- mehrt, doch nicht in dem Maasse wie bei Morpho und den BrassoUnae. Die Borsten sind von zweierlei Structur: wir finden stärkere, breit ge- drückte, am Ende gefranste, welche auf dem Scheitel und an den Seiten stehen, sowie kleinere runde, stark gefiederte, welche an die Kopfborsten von Morpho erinnern ; sie stehen an der vorderen Fläche. Der Kopf hat das bekannte pudelkopfartige Aussehen, doch nicht sehr ausgeprägt. Der Körper ist bedeutend schmaler als der Kopf, nach hinten wenig verjüngt, er endet in eine verhältnissmässig enorm lange Schwanzgabel; wie bei den BrassoUnae (vergl. T. XII Fig. 5) findet sich ausser an der Spitze der Schwanzgabel seitlich in der Nähe der Basis eine Borste. Die primären Borsten sind massig lang, spitz, fein gezähnelt, fast sämmtlich weiss (Ausnahme 1,2 auf 2, 3, welche schwarz). Stigma 5 sehr wenig aus der Reihe verschoben. Der Körper ist auf dem Rücken zwischen den >Sc?slinien rothbraun, diese Farbe, welche auf 1, 2 deutlich, verblasst auf den folgenden Segmenten, erscheint hier wie mit weisser Farbe über- 616 WILH. MULLER, deckt, auf 9 und den folgenden Segmenten schwindet sie ganz bis auf die auf allen Segmenten deutliche JDslinie. Auf 9 — 12 findet sich ein undeutlicher röthlicher Lateralstreif. Die Schwanzgabel ist schwarz, der übrige Körper weiss. Ich wusste leider nicht, was das Räupchen frass, Gräser und andere ihm vorgelegte Monocotylen rührte es nicht an, so konnte ich dasselbe zu meinem grossen Bedauern nicht weiter ziehen. Wie aus der Beschreibung hervorgeht, vereinigt das Räupchen Charactere der Morphinae, (Kopfbildung, Gestalt der Eier), Brasso- linae (Schwanzgabel, Zeichnung, Bildung eines Theils der Kopfborsten), Satyrinae (Verschiebung von Stigma 5). Am auffälligsten erscheinen die Beziehungen zur Gattung Morpho. Ich habe noch 2 weitere Arten von Satyrinae gezogen, wenigstens glaube ich nach Lebensweise und Gesammthabitus die Raupen als Saty- riuenraupen ansprechen zu dürfen. Da mir die Schmetterlinge unbekannt geblieben sind, verzichte ich auf eine Beschreibung, will bloss erwähnen, dass die Puppen, wie die von Pedaliodes, nur eine bewegliche Segment- verbindung besasseu. Uebrigeus habe ich darauf verzichtet, die ziemlich zahlreichen Angaben über Raupen von Satyrinen zu sammeln. Alle Arten scheinen an Gramineen zu leben. Der Habitus der Raupe ist überall der gleiche, nur die Kopfform ist einigermaassen verschieden. Neben' zahlreichen Arten , bei denen die Hörner verloren gegangen sind , giebt es recht characteristische Köpfe , doch scheint die Art der Wiedergabe und das wenig umfangreiche Material zunächst noch nicht geeignet zu irgend welcher weiteren Bearbeitung. Rückblick auf die Brassolinae, Morpliinae, Satyrinae. Rückblick auf die gesammten Nymphalidae. Das Material, was mir von diesen drei ünterfamilien zu Gebote ge- standen hat, ist ein überaus unvollständiges. Auch von den eigentlichen Nyraphalinen waren es nur annähernd ^ aller Gattungen, die uns in ihrer Entwicklung mehr oder weniger genau bekannt wurden, doch schien das Material immerhin genügend, um darauf einige Schlüsse bezüglich der Umgestaltung, welche die Raupen im Lauf der Stammesgeschichte er- fahren, zu bauen, um auch für die Erkenntniss der verwandtschaftlichen Beziehungen einigen Anhalt zu bieten. Anders in den drei genannten Unterfamilien ; die einzige dieser Un- terfamilien, von der uns ein halbwegs genügendes Material vorgelegen hat, ist die der Brassolinae, und hier konnte uns das Stadium der Raupe für Erkenntniss der Verwandtschaft keine wesentlich neuen Ge- sichtspunkte erschliessen. So ist eine eingehendere Besprechung der verwandtschaftlichen Beziehungen zur Zeit unmöglich, wir müssen uns darauf beschränken, im allgemeinen die verwandtschaftlichen Beziehun- gen der drei Unterfamilien zu einander und zu den anderen Unterfa- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 517 milien der Nyniphaliden festzustellen, oder richtiger, die Merkmale geltend zu machen, die Schlüsse in dieser Richtung zu gestatten scheinen. Bezüglich des ersten Punktes, die Verwandtschaft der drei ünter- familien zu einander, glaube ich, dass dieselben näher verwandt unter sich als mit irgend einer der übrigen betrachteten Unterfamilien, sie scheinen aus einem gemeinsamen Stamm hervorgegangen zu sein. Ich glaube, diese Ansicht wird bei den Lepidopterologen wenig Wider- spruch finden, zu ähnlichen Resultaten sind bereits Andere gelangt, doch scheint es am Platz, kurz die Gründe, die dafür sprechen, zu erwähnen. Alle Raupen haben im wesentlichen den gleichen Habitus, sind nach der Mitte hin verdickt, tragen am Kopf kurze, gedrungene Fort- sätze oder Hörner, am hinteren Körperende eine Schwanzgabel; Hörner und Schwanzgabel sind beide mehr oder weniger deutlich bereits im ersten Stadium vorhanden. Uebrigens fehlen Dornen oder ähnliche Fortsätze (die einzige mir bekannt gewordene Ausnahme bildet Caligo mit seinen unpaaren Rückendornen). Alle Raupen mit Ausnahme der Gattung Morpho leben an Monocotylen, bei allen besitzen die Puppen nur eine bewegliche Segmentverbindung. Schliesslich scheint, wie er- wähnt, die Puppe von Äntirrhaea ein vermittelndes Glied zu bilden. Bezüglich des Habitus der Raupen kann man einwenden , dass wir bei den Nymphalinen ganz ähnliche Formen in verschiedenen Gruppen selbständig entstehen sehen, und es möchte danach auf diesen Punkt wenig Werth zu legen sein. Beachtung verdient wohl, dass, wo nicht Hörner und Schwanzgabel ausgefallen, beide bereits im ersten Stadium vorhanden, wodurch sie wenigstens bezüglich der Hörner im scharfen Gegensatz stehen mit den Nymphalinae. Bezüglich der Fut- terpflanze bildet die Gattung Morpho allerdings eine auffallende Aus- nahme; ist indessen die Gattung Morpho wirklich nahe verwandt mit den indischen Morphinen, worüber ich mir kein Urtheil erlauben kann, so liegt in dieser Ausnahme wenigstens kein Grund, welcher sich ge- gen die Annahme einer engeren Verwandtschaft der drei Unterfamilien anführen Hesse , da die indischen- Morphinen , soweit bekannt {Ama- thusia, Discophora)^ an Monocotylen leben. Schliesslich erwähnten wir die Beweglichkeit der Puppe, und verdient dieser Punkt sicher einige Beachtung. Wir fassen im weiteren Verlauf die drei Unterfamilien unter dem Namen der „Satyridae" zusammen. Was die engeren Beziehungen der drei Unterfamilien zu einander betrifft, so wäre wohl zunächst die P'rage zu entscheiden, inwieweit die zur Zeit angenommene Begrenzung der Unterfamilien eine natür- 618 WILH. MILLER, liehe. In dieser Beziehung möchte ich nur an das merkwürdige Räup- chen von Äntirrhaea archaea erinnern, das in seiner Kopfform so grosse Aehnlichkeit mit einer iHförp^oraupe hat. Weiter scheint für eine nähere Verwandtschaft der Morphinae und Brassolinae der Umstand zu sprechen, dass bei beiden die Kopf- borsten im ersten Stadium vermehrt, dass die Hörner am hinteren Kopfrand entspringen, nach hinten gerichtet sind. Für engere Be- ziehungen zwischen Morphinae und Satyrinae scheint das Räupchen von Äntirrhaea archaea zu sprechen, das mit einem Morphöko^i die Verschiebung von Stigma 5 verbindet. Das Material ist für diese und ähnliche Schlüsse ein zu unvollständiges. Was die zweite der oben angedeuteten Fragen anbetrifft, die Be- zieh ung der Satyridae zu den übrigen Nymphalidae, so wird, wenn wir die drei Unterfamilien den übrigen Nymphaliden als einheit- liche Gruppe gegenüberstellen, die Frage insofern einfacher, als das für eine der Unterfamilien gewonnene Resultat auch für die anderen gilt. Ich betrachte diese Gruppe als einen Zweig, hervorgegangen aus der Gruppe der Nymphalinae , die wir kurz als die Dornenlosen bezeichneten {Anaea, Prepona etc.). Es ist hier nicht der Platz, um auf die Beziehungen zwischen den Imagines beider Gruppen hinzu- weisen 1), diese Beziehungen sind ziemlich enge, sicher viel engere als die zwischen den Satyridae und den Danainae, welchen letzteren KiRBY in seinem Catalog die Satyrinae anreiht. Bei den Raupen sind es folgende Punkte, die für die behaupteten engeren Beziehungen zwischen Dornenlosen einerseits, Satyridae an- dererseits zu sprechen scheinen. Zunächst der allgemeine Habitus, wie wir ihn eben für die Satyridae schilderten, und wie er sich im 1) Nur auf einen Punkt will ich aufmerksam machen, da er dem- jenigen nicht zugänglich , der für das Studium der Imagines auf die Sammlungen angewiesen. Die Satyridae besuchen in den Tropen, soweit mir bekannt, keine Blumen, saugen an kranken Bäumen, Früchten etc. (unsere europäischen Satyrinae dürften in Ermangelung ähnlicher Nah- rung 55um Blumenbesuch zurückgekehrt sein). Ebenso verhalten sich die mir bekannten Arten von Prepona, Slderone, Anaea etc. Ueberhaupt haben aus der Gruppe der Rippenbauenden (vergl. das oben gegebene Sy- stem der Nymphalinae), soweit mir bekannt, in den Tropen alle Arten den Blumenbesuch aufgegeben. Die übrigen Nymphalinae {Vanessinae, Diademinae , wie auch TIeliconinae etc.) haben ihn nicht ausnahmslos, doch überwiegend beibehalten, schliessen sich in dieser Beziehung den Danainae an. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 619 ganzen bei Prepona etc. wiederfindet. Wir sagten, dass wir solch habitueller Aehnlichkeit wenig Werth beilegen, und so scheint es nöthig, zum Nachweis engerer Beziehungen weitere Merkmale ins Feld zu führen. Ein werthvoUes Merkmal bietet sich, glaube ich, in der Verschiebung des Stigma 5 aus der Reihe. Dass dieses Merkmal sich bei Prepona etc. findet, wurde erwähnt, innerhalb der Familie der SaUjrinae findet es sich bei Taygetis, Äntirrhaea, Pedaliodes. Wenn die Verschiebung in den genannten Gattungen eine sehr unbedeutende, wenn sie bei anderen Gattungen sowie in den Familien der Brasso- linae und Morphinae ganz geschwunden ist, so thut das dem theoretischen Werth des Merkmals keinen Eintrag. Dies minimale Merkmal, dem wir kaum irgend welche physiologische Bedeutung beilegen können, scheint besonders geeignet, als Beweis für die behauptete Beziehung zu dienen. Eine weitere Stütze finde ich in der Beweglichkeit der Puppe. Die Dornenlosen zeigten in dieser Beziehung ein verschiedenes Ver- halten. Prepona hatte 3 bewegliche Segmentverbindungen , Anaea, Protogonius, Siderone waren anscheinend durchaus unbeweglich. Diese Unbeweglichkeit beruhte indessen nicht auf einer Verklebung der harten Chitinringe von 7, 8, 9, 10, sondern lediglich auf der starken Con- traction der Puppe, in Folge deren die harten Chitinringe derart ge- nähert, dass die Beweglichkeit kaum nachweisbar. Würde die Puppe zur gestreckten Form zurückkehren, so würde die Beweglichkeit der 3 Segmentverbindungen wieder zur Geltung kommen; ich glaube, dass die Puppe von Prepona durch eine solche Streckung die Beweg- lichkeit wieder gewonnen hat. Andererseits kann aber die zunächst lediglich durch Contraction bewirkte Unbeweglichkeit zu einer Ver- klebung der harten Ringe von 7, 8, 9, 10 (wie sie bei den anderen Segmenten stattgefunden) führen ; ein Uebergang zur gestreckten Form würde dann voraussichtlich die Beweglichkeit nicht wieder zur Gel- tung kommen lassen, und dieser Vorgang scheint bei den Vorfahren von Nymphalis stattgefunden zu haben ^). Jedenfalls sind die Ver- 1) Ich will hier zum Vergleich die Danainae anführen. Ob die Unbeweglichkeit hier zunächst Folge einer starken Contraction der Puppe ist, ob stark contrahirte Puppen wie die von Danais, die im Habitus viel Aehnlichkeit mit ^waeapuppeu haben , etwa der Stammform nahe stehen , muss dahingestellt bleiben , zum mindesten steht der Annahme nichts im Weg. Soviel aus frischen Puppen zu ersehen, ist die Unbeweg- lichkeit hier eine absolute, die Deckstücke von 7, 8, 9, 10 sind verklebt; 620 WILH. MÜLLER, hältnisse der Beweglichkeit in der Gruppe der Dornenlosen ins Schwan- ken gekommen, und aus solch schwankenden Verhältnissen kann sehr wohl eine beschränkte Beweglichkeit der Puppe, wie wir sie bei den Satyridae finden (nur 7, 8 beweglich verbunden) hervorgehen. Betrachten wir die beiden Annahmen, dass einmal die Brasso- linae, MorpJiinae, Satyrinae eine einheitliche Gruppe darstellen, dass andererseits diese Gruppe ein reich entwickelter Zweig, hervorgegangen aus den dornenlosen Nymphalinae, als leidlich gesichert, so bietet sich noch die Frage, ob nicht an irgend welchem Punkt engere Beziehun- gen zwischen beiden Gruppen existiren? Da möchte ich zunächst an die auffallende Aehnlichkeit in der Kopfform von Nymphalis und den Brassolinae erinnern. Dazu kommt noch ein zweiter Punkt; die Raupe von Nymphalis iasius hat in der Mittellinie auf 6 und 8 schwarze Flecke, Dynastor und Caligo haben ähnliche Flecke, die auf der hinteren Hälfte von 6, resp. 8 und der vorderen Hälfte von 7, resp. 9 liegen. Die Uebereinstimmung in der Lage dieser schwarzen Flecke ist keine vollständige , doch geht sie so weit , dass die An- nahme genetischer Beziehungen nahe liegt. Es wäre mit Rücksicht auf die fraglichen Beziehungen von Inter- esse, das erste Raupenstadium von Nymphalis kennen zu lernen. Sollte dasselbe eine ähnliche Vermehrung der Kopfborsten, eine ähn- liche Anlage der Hörner zeigen wie die Brassolinae, dann wäre Nym- phalis überhaupt als stark divergirender Zweig der Brassolinae auf- zufassen. Ich weiss, dass dieser Gedanke bei den Lepidopterologen wenig Anklang finden wird, und es würde auch mit Rücksicht auf Raupe und Puppe manches gegen die Annahme einzuwenden sein, doch schien es nöthig, auf die genannten Punkte hinzuweisen. Die Brassolinae bieten unter den drei fraglichen Unterfarailien si- cher nicht die ursprünglichsten Verhältnisse. Durch die Vermehrung der Kopfborsten im ersten Stadium und andere Eigenthümlichkeiteu ent- fernen sie sich weiter von den Nymphalinae, als es die Satyrinae thun. Dieselben scheinen der Stammform näher zu stehen durch die hier bewahrt die Puppe ihre Unbeweglichkeit, auch weun sie solch ge- streckte Form annimmt wie bei Thyridia themisto (vergl. T. XV Fig. 22). Wenn sich beim Ausschlüpfen des Schmetterlings von Mechanitis (bei an- deren Danainen habe ich versäumt auf diesen Punkt zu achten) die festen Verbindungen von 7,8 — 8,9 — 9,10 lösen, eine bewegliche Verbiudungshaut zum Vorschein kommt, so ist das wohl iu der Weise zu deuten, dass die Verklebung der fraglichen Ringe doch nicht so fest als die der übrigen. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 621 Anordnung der Kopfborsten im 1. Stadium, der secundären Borsten im 2. Stadium, durch die Verschiebung von Stigma 5. So läge es näher, in dieser Familie nach Gliedern zu suchen , die den Dornen- losen nahe stehn. Auch erwarte ich in erster Linie von einer genaue- ren Kenntniss der Raupen und Puppen dieser Familie eine nähere Begründung der vorgetragenen Ansicht. Von den wenigen mir be- kannten Satyriden hat Pedaliodes in der Kopfform einige Aehnlich- keit mit Prepona. Ob diese Aehnlichkeit auf Verwandtschaft zurück- zuführen ist, muss fraglich erscheinen, die Kopfform ist wohl nicht characteristisch genug, um Anhalt zu Schlüssen in dieser Richtung zu geben. Nahdem wir versucht, uns ein Urtheil über die verwandtschaft- lichen Beziehungen der Brassolinae, Morphinae, Satyrinae zu einander und zu anderen Unterfamilien der Nymphalidae zu geben, wenden wir uns dazu, die gewonnenen Resultate über Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppen von Nymphaliden noch einmal zusammenzufassen. Wir wollen versuchen , den üeberblick in der Weise zu geben, dass wir die Umänderungen verfolgen, welche das Thier als Raupe in der Staramesentwicklung durchgemacht. Inwieweit die dabei ent- wickelten Anschauungen als leidlich gesicherter Besitz zu betrachten, inwieweit sie mehr oder weniger gewagte Annahme, darauf können wir hier nicht eingehen, in dieser Beziehung müssen wir auf die spe- cielle Beschreibung verweisen. Die Stammform der Nymphalidae dürfte eine Raupe besessen haben ungefähr von der Form, wie sie uns heute Acraea bietet, eine Raupe, besetzt mit 6 Reihen un verzweigter Dornen , welche Dornen hervorgegangen aus den Wärzchen secun dar er Borsten. Auf dieser Stufe der Entwicklung steht heute noch Acraea, die Heliconinae, Argynnis. Einzelne Gattungen haben innerhalb dieses Rahmens eine bedeutende Differenzirung der Dornen erlangt (verschiedene Divergenz der Dornen bei Heliconius etc.). Auch in dem die Gruppe am besten characterisirenden Merkmal, in der Ver- schiebung der Spst 2, 3 dürfte nicht eine von der Stammform aller Nymphaliden überkommene Einrichtung, sondern eine Dififerenzirung, die nur in dieser Gruppe entstanden, zu sehen sein, so dass uns in dieser Beziehung die Vanessinae ursprünglichere Verhältnisse bieten als Acraea etc. Eine Vermehrung der Dornenreihen von 6 auf 9, ein Hinzufügen der Ds- und Pedreihen hat zu Formen geführt, wie sie uns heute die Vanessinae bieten; ein Zweig dieser Gruppe hat in Folge veränder- 622 WILH. MÜLLER, ter Lebensweise {Hypanartia) die Dornen verloren, er hat seine höchste Ausbildung in der Gattung Äpatura gefunden. Den Vanessinae sehr., nahe stehen die Diademin ae, in der Be- dornung nur durch den Besitz eines Ds pst 11 von den Vanessinae unterschieden. Ob das Fehlen dieses Dorns bei den Vanessinae ein ursprüngliches oder secundäres, muss unentschieden bleiben. Mit Rücksicht auf diese Alternative muss auch die Frage offen bleiben, in welcher der beiden Gruppen wir die Wurzel zu suchen haben für die nächste grosse Gruppe, die wir als die der Rippenbauenden be- zeichneten. Ein kleiner Zweig dieser grossen Gruppe {Gynaecia, Smyrna) entfernt sich nur an einem Punkt bezüglich der Körperform (soweit dieselbe nicht durch das Rippenbauen beeinflusst ist) von den Diade- minae, die dort sporadisch auftretende verzweigte Gestalt der Dornen wird hier zum Character der Gruppe, die Dornenform complicirt sich. Bei einem anderen Zweig dieser Gruppe, dem am mannigfaltigsten entwickelten der Nymphalidae überhaupt, hat neben dem Uebergang zur verzweigten Dorneuform eine Vermehrung der Dornen nicht nur in der Pedalreihe (hier fand sie sich auch bei den Vanessinae etc.), sondern auch in der Ifstveihe stattgefunden. Weiter ist in dieser Gruppe im Zusammenhang mit der Annahme einer gewissen Stellung (Trutzstellung) ein zweiter Ds pst entstanden, in Folge davon der Ds ant 11 unterdrückt. Auch eine weitgehende Differenzirung in der Länge der Dornen hat stattgefunden. Wir können als Form , welche auf dieser Entwicklungsstufe steht, Ägeronia bezeichnen. Aus ähnlich gestalteten Formen , bei denen sich das Schutzmittel der Dornen in höchster Entwicklung findet, sind 3 Zweige hervorge- gangen, die so zu sagen im weiteren Verlauf der Entwicklung Verzicht geleistet haben auf den durch die Dornen in ihrer ursprünglichen Form gewährten Schutz. Bei einem dieser Zweige (Epicaliinae) ist zunächst an Stelle der Trutztärbung eine Schutzfärbung getreten, und dieser Wechsel hat im weiteren Verlauf zu einem Verlust der Dornen geführt. Bei einem zweiten, viel weniger reich entwickelten Zweig [Dynamine) sind die Dornen in den Dienst einer besonderen Aehnlichkeit oder Nachahmung getreten, sind weiter in Folge verän- derter Lebensweise zurückgebildet. Bei einem dritten Zweig (AdeljMnae) hat ein ähnlicher Func- tionswechsel für die Dornen stattgefunden wie bei Dynamine, wenn uns auch der Wechsel in seiner Bedeutung weniger verständlich als dort. Auch hier hat der Functionswechsel eine Rückbildung der Dornen im Südamerikanisclie Nymphalidenraupen. ß23 Gefolge gehabt. Von Formen, wie sie heute ungefähr Adelpha bietet, hat die Entwicklung zu Neptis, im weiteren Verlauf zu Prepona, Anaea ähnlichen Formen geführt, bei denen als Rest der Bedornung nur die Hörner und die Schwanzgabel geblieben sind. Aus dieser Gruppe sind dann wieder die Satyrinae^ Morphinae, BrassoUnae her- vorgegangen. Es ist ein eigenthümliehes Bild, was sich uns da bietet, das Schutzmittel der Dornen in beständiger Complieation, und gerade am Punkt der höchsten Entwicklung Umkehr zur entgegengesetzten Art des Schutzes. Die Umwandlungen, welche die Puppe durchgemacht hat, scheinen nicht das gleiche Interesse für sich in Anspruch zu nehmen wie die der Raupen, doch sollen sie auch kurz besprochen werden. In einer Beziehung sind ähnliche Veränderungen an den verschieden- sten Punkten selbständig aufgetreten, nämlich bei der Bildung, rich- tiger bei dem Neuauftreten und Ausfallen von dornartigen Gebilden. Wo es gelingt, die Verwandtschaft der Gattungen in der Bildung der dornartigen Anhänge nachzuweisen [Dione^ Colaenis; Victorina, Anar- tia; Ageronia, Ectima), da ist es mehr die besondere Gestaltung ein- zelner Anhänge, als die Anordnung derselben, welche einen Schluss gestattet. Wie schwankend Zahl und Anordnung dieser Anhänge sein kann, dafür liefert die Gattung Adelpha das beste Beispiel. Diese Veränderlichkeit ist von einigem Interesse mit Rücksicht auf eine Annahme, die an sich nahe liegt, deren nähere Begründung wir uns aber für das nächste Capitel vorbehalten müssen; die fragliche An- nahme ist die, dass die Dornen der Puppe Reste der Raupendornen. Vielleicht liegt in dieser Art der Genese der Grund dafür, dass diese Gebilde ebenso leicht unterdrückt als neu erworben werden. Im all- gemeinen sind wohl diejenigen Puppen als die höher entwickelten zu betrachten, bei denen die Dornen unterdrückt sind, und ist (für die Nymphaliden) in der Erhaltung der Raupendornen das ursprüngliche Verhältniss zu sehen. Mit dem Verlust der Raupendornen gehen na- türlich auch die Puppendornen verloren. Wenden wir uns zu anderen Punkten in der Gestaltung der Puppe. Im Gesammthabitus der Puppe dürften, wie in der Bedornung der Raupe, die Heliconinae , Acraeinae der Stammform am nächsten stehen, die Puppe der Stammform danach ziemlich gestreckt gewesen sein, eine flache, nach vorn auf 2 scharf begrenzte, nach hinten ohne scharfe Grenze verfliessende Einbuchtung des Rückens (Sattel) beses- sen haben. (In der Fig. 2 T. XV gewinnt es den Anschein, als wäre 624 WILH. MULLER, bei Heliconius der Sattel nach hinten scharf begrenzt, doch gehört der fragliche Vorsprung dem Dorn an, stellt die flachgedrückte Basis des Doms dar, die Mittellinie des Rückens verläuft annähernd wie bei Phyciodes oder Victorina, Fig. 4, 5). Ob die weite Vorwölbung der Flügelscheiden der Heliconinae ursprünglich, ob sie nachträgliche Erwerbung (im Zusammenhang mit der Streckung der Flügel der Imagines?), die Form you Acraea in dieser Beziehung ursprünglicher, muss unentschieden bleiben. Aus der gestreckten Form sind die Thiere zur mehr oder weniger stark contrahirten übergegangen, und zwar hat dieser Uebergang an verschiedenen Punkten selbständig stattgefunden, so bei Änartia- Victorina, Hypanartia, Didonis, Dyna- mine, bei den Ädelphinae; bei den aus dieser Gruppe hervorgegange- nen Gliedern ist die Contraction am weitesten gediehen [Änaea, Si- derone), hat dann im weiteren Verlauf der Entwicklung wieder einer mehr gestreckten Form Platz gemacht {BrassoUnae). Mit der Con- traction der Segmente scheint ziemlich allgemein ein Einziehen der Flügelscheiden Hand in Hand gegangen zu sein, so dass dieselben wenigstens in der ventralen Mittellinie nicht bedeutend vorragen, doch hat jedenfalls der eine Vorgang nicht nothwendig den anderen im Gefolge gehabt (vergl. Gynaecia, Fig. 19). Der ursprünglich nach hinten nicht scharf begrenzte Sattel hat eine scharfe Grenze erhalten in einem Vorsprung der mehr oder we- niger deutlichen Rückenkante, und zwar in zwei verschiedenen Grup- pen selbständig; das eine Mal in der Gruppe Hypanartia etc., hier auf Segment 6, das andere Mal in der Gruppe der Rippenbauenden, hier auf Segment 5. Der die hintere Grenze bildende Vorsprung ist dann wieder im Zusammenhang mit einer starken Contraction und allgemeinen Abrundung der Formen weggefallen. (Die dornenlosen Nymplialinae, denen sich die Satyridae anschliessen). Die Veränderungen , die die Beweglichkeit der Puppe erlitten, lernten wir in dem Capitel „Puppen der Nymphalinae" und zu Anfang dieses Capitels kennen (vergl. p. 568, 619). Wir legten unserer Untersuchung zunächst das von Bates-Kirby aufgestellte System zu Grunde, wesentlich um zunächst einigen An- halt für eine Gruppirung des Materials zu haben, indessen nicht ohne dasselbe an einigen Punkten zu modificiren. Inwieweit sich gegen die Begrenzung der einzelnen Gruppen oder Unterfamilien mit Rück- sicht auf die Raupen ein Einwand erheben lässt {Heliconinae), inwie- weit sich die Gruppen auch in der Raupe als natürliche characteri- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 625 siren lassen (Brassolinae), das haben wir an den betreffenden Punk- ten darzulegen versucht. Einen Einwand gegen das fragliche System müssen wir hier noch kurz besprechen : die aufgestellten Unterfamilien sind von sehr verschiedenem Umfang — Äcraeinae 1 , Heliconinae 2 (4), Nymphalinae 113, Satyrinae 60, Morphinae 10, Brassolinae 7 Gattungen. Die Zahl der Gattungen kann annähernd als Maasstab für das Divergiren der Formen innerhalb jeder Gruppe dienen. Die Aufstellung solch kleiner Familien oder Unterfamilien wie die der Äcraeinae , Heliconinae kann ja berechtigt sein , wo sich eine kleine Formengruppe abweichend verhält, ohne enge Beziehungen zu dem Rest der Familie dasteht. Hier ist die Annahme berechtigt, dass diese Formen gruppe der einzige Vertreter eines früh in der Stammes- geschichte vom gemeinsamen reich entwickelten Stamm abgetrennten Zweiges, der vielleicht nie reicher entfaltet gewesen ist, vielleicht von einer grossen Zahl von Formen sich allein erhalten hat. Einen sol- chen Werth haben die fraglichen Unterfamilien entschieden nicht, die- selben zeigen in mehr als einer Richtung die engsten Beziehungen zu anderen Unterfamilien. Nach der Auffassung, wie wir sie an dieser Stelle für die ver- wandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der Familie der Nymphali- dae geltend zu machen suchten, fehlt es wenigstens innerhalb der betrachteten Formen überhaupt an Gruppen, für welche die Bildung kleiner Unterfamilien eine innere Berechtigung hätte ; alle Zweige zei- gen eine ziemlich reiche Entfaltung, wenn auch in verschiedenem Grade, zeigen sich andererseits durch mancherlei Zwischenformen ver- knüpft. In der überaus reichen Entfaltung, welche in der Familie der Nymphalidae stattgefunden, in der Erhaltung zahlreicher vermitteln- den Glieder liegt die Schwierigkeit, welche eine weitere Classificirung dieser Familie bietet, aber auch das Interesse, welches sich an einen diesbezüglichen Versuch knüpft. Die richtige Vorstellung von den verwandtschaftlichen Verhält- nissen kann eben nur durch den Stammbaum gegeben werden; indem wir unsere Anschauungen in einem System niederzulegen versuchen, werden wir gezwungen zu trennen, wobei der Punkt, wo wir die Tren- nung vornehmen, der Willkür unterworfen ist. Ob wir beispielsweise, indem wir Hauptgruppen schaffen, mit den Satyridae die Dornenlosen als den Zweig, aus dem sie hervorgegangen sind, dem sie entschieden nahe verwandt, vereinigen, ob wir ferner die Adelphinae als die näch- sten Verwandten der Dornenlosen anreihen, oder ob wir beide kleine Gruppen bei dem Stamm lassen, dessen Zweige sie darstellen, sie mit Zoolog. Jahrb. I. 40 ß26 WILH. MÜLLER, den Nymphalinae vereinigen, das unterliegt der Willkür, beide Arten der Anordnung sind mit den gegebenen Anschauungen über Verwandt- schaft vereinbar. Die Formen bilden eine so continuirliche Reihe von Gruppen, dass jeder Versuch, Hauptgruppen zu bilden, uns zwingt, nahe verwandte Glieder zu trennen, mehr oder weniger heterogene Elemente zu vereinigen. Wollen wir grössere Gruppen bilden, so würde ich vorschlagen, die Acraeinae, Heliconinae, Nymphalinae den Satyridae in dem oben bezeichneten Umfang gegenüberzustellen. In der ersten Hauptgruppe könnten wir etwa die Rippenbauenden den übrigen {Vanessinae, Biademinae, Heliconinae etc.) gegenüberstellen. Ich lege wenig Werth darauf, eine derartige Eintheilung zu schaffen, sie wird aus den gegebenen Gründen bei den Nymphalidae stets den Verhältnissen Zwang anthun müssen. Mehr Werth hat jedenfalls die Bildung kleinerer Gruppen, wie wir sie oben bei Besprechung der Nymphalinae versuchten , zumal wenn es gelingt, die genetischen Beziehungen dieser Gruppen einiger- maassen festzustellen. Ob es möglich sein wird, nach der dort vor- geschlagenen Eintheilung die gesammten Gattungen der Nymphalinae zu gruppiren, muss fraglich erscheinen. Abgesehen davon, dass jeden- falls Gruppen existiren, deren verwandtschaftliche Beziehungen zur Zeit noch durchaus unklar (ich erinnere an Symphaedra) , scheint es einigermaassen schwierig, aus dem Studium der Imago allein die Zu- gehörigkeit zur einen oder anderen Gruppe zu erkennen; darauf wei- sen wenigstens die in ihren Resultaten so weit auseinandergehenden verschiedenen Versuche einer eingehenden Gruppirung hin. Denkbar wäre es immerhin, dass, nachdem einmal einige Gruppen sicher ge- stellt, ein erneutes Studium der Imagines, welches diese Gruppen be- rücksichtigt, Gesichtspunkte an die Hand giebt, die eine weitere Durch- führung des Systems gestatten. Ontogenese und Phylogenese bei Nymplialidenraupen. Rückblick — Die phylogenetische Bedeutung des ersten Stadiums. Wir haben bei Besprechung der einzelnen Gruppen bereits auf einige nicht uninteressante Fälle hingewiesen, in denen die Annahme berechtigt, dass uns die Ontogenese Reste der Phylogenese vorführt, ich erinnere an die Zeichnung der beiden Arten von Äcraea, an die wechselnde Färbung der Segmente bei Heliconinen, Nymphaliiien. Bei den Brassolinen verdient die Thatsache Erwähnung, dass bei Caligo heltrao und eurylochus die grüne Färbung der gelben vorausgeht, dass Südamerikanische Nymphalidenraupen. 627 bei heltrao der betreffende Wechsel mit der 4, bei eurylochus mit der 3. Häutung eintritt, die gelbliche Färbung bei eurylochus um ein Sta- dium weiter zurückgerückt erscheint. Ein durchgeführter Vergleich der verschiedenen Species von Morpho würde vermuthlich , in dieser Richtung interessante Thatsachen zu Tage fördern. Neben diesen und ähnlichen Entwicklungsreihen, die Reste der Phylogenese aufweisen, giebt es andere, bei denen die Aenderung in der Zeichnung sehr ge- ring, annähernd gleich Null {Heliconius eucrate, apseudes , Cata- gramma pygas, BrassoUs astyra etc.), und zwar ist das meist der Fall, wo die Zeichnungsform eine sehr einfache; weiter giebt es solche, in denen höchst complicirte Zeichnungsformen durchaus unvermittelt im Lauf der Ontogenese auftreten {Ägeronia fornax, amphinome). Im ersten Fall haben wir allen Grund anzunehmen, dass der einfachen Zeichnungsform recht complicirte vorausgegangen sind, im zweiten Fall sind jedenfalls auch diese complicirten Formen der Zeichnung in der Phylogenese nicht so unvermittelt aufgetreten, wie sie es in der Ontogenese thun; in beiden Fällen ist die Ontogenese gefälscht. Es würde uns zu weit führen, wollten wir alle Entwicklungsreihen auf ihre möglichen Beziehungen zur Phylogenese prüfen (manche Ver- änderungen werden noch besprochen werden). Auch ohne solch spe- cielle Prüfung werden wir nicht nur mit Rücksicht auf die Entwick- lungsreihen, in denen Spuren der Phylogenese fehlen, sondern ebenso mit Rücksicht auf viele, in denen sie uns erhalten sind, in denen aber eine Entzifferung dieser Reste recht schwierig (ich erinnere an die wech- selnde Färbung der Segmente), sagen können, dass im allgemeinen die Ontogenese der Zeichnung bei Nymphalidenraupen eine im hohen Grade gefälschte. In fast noch höherem Grade scheint dieser Satz für die Körper- form zu gelten. Wir müssen, wenn wir nicht den Gedanken fallen lassen wollen, dass die Bedornung für grössere Gruppen, z. B. für die Vanessinae, oder wenigstens für eine Gattung ursprünglich gleich, an- nehmen, dass Dornen im Lauf der Phylogenese neu aufgetreten oder ausgefallen und zwar z. Th. in verhältnissmässig neuer Zeit (z. B. die Dornen der Dsreihe bei Ägeronia, Epicaliinae etc.), und doch finden wir diesen Vorgang niemals in der Ontogenese wiedergegeben; nie verschwindet ein Dorn im Lauf der Ontogenese (wie das bei Nacht- schmetterlingen vorkommt) oder tritt nach der ersten Häutung auf. Was uns als Rest ausgefallener Doi-nen bleibt, sind unscheinbare Wärzchen. Etwas anders steht es mit der Dornenform , bei der es in der 40* 628 WILH. MÜLLER, Ontogenese nicht ganz an Spuren der Phylogenese fehlt. Ich nenne hier die allmähliche Ausbildung der Nebendornen bei Pyrameis, die Vermehrung der Nebendornen an den Hörnern von Catagramma pygas in der 3. Rosette und an der Basis bei der 3. Häutung, die Ausbil- dung kleiner Höcker zu wohl entwickelten Nebendornen bei sämmt- lichen Dornen von Dynamine und den /St^sdoruen von Ägeronia am- phinome, die Umwandlung der Sds 2, 3, Ds 10, 11 von Temenis in kolbige Fortsätze, die Rückbildung der Hörner von MorpTio. Andere Veränderungen in der Form der Dornen und Hörner, die sich während der zweiten {Ägeronia, Catonephele etc.) oder auch während einer späteren Häutung [Adelpha) vollzogen, glaubten wir nicht mit der Phylogenese in Zusammenhang bringen zu dürfen (vergl. das Capitel vom Rippen- bauen). Nun sind allerdings durch die obige Aufzählung die Fälle nicht erschöpft, in denen Veränderungen vorliegen, die auf die Phylogenese zurückzuführen, doch scheint auch mit Rücksicht auf die Dornenform das zu gelten, was wir bezüglich der Anordnung der Dornen ausspra- chen, die Ontogenese zeigt nach der ersten Häutung nur geringe Spu- ren der Phylogenese; mit anderen Worten, der Zusammenhang zwi- schen den 4 letzten Stadien ist ein sehr enger, Veränderungen, die in einem Stadium eintreten, übertragen sich rasch auf die anderen, soweit nicht eine verschiedene Lebensweise verschiedenartige Gestaltung zur Folge hat. Im scharfen Gegensatz zu den 4 letzten Stadien steht nun das erste; stets fehlt hier bei den dornigen Raupen jede Spur von Hör- nern, und von den Dornen ist nur die gegen Ende des Stadiums unter der Haut sichtbar werdende Anlage für das folgende Stadium nach- weisbar. Sicher haben wir es hier mit einem Rest der Phylogenese in der Ontogenese zu thun , denn darüber kann wohl kein Zweifel herr- scheu, dass in der Stammesgeschichte die Form ohne Dornen der mit Dornen vorausging; auffallend erscheint nur der Gegensatz zwischen dem ersten und den folgenden Stadien , die Selbständigkeit , die sich das erste Stadium bewahrt im Gegensatz zu den folgenden. Die an sich beachtenswerthe Thatsache wird noch auffallender dadurch, dass bei den Satyridae Kopf und Körper bereits im ersten Stadium mehr oder weniger vollkommen die definitive Form zeigen, die Anhänge, Dornen und Hörner bereits im ersten Stadium vorhanden, dass also hier die Selbständigkeit des ersten Stadiums gewissermaassen verloren gegangen, der Widerstand, den das erste Stadium einer Be- einflussung durch die späteren entgegenstellt, gebrochen ist. Die That- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 629 Sache verliert, denke ich, an Auffälligkeit, wenn wir zunächst zeigen, inwiefern eigentlich das erste Stadium der dornigen Nymphaliden die Phylogenese reproducirt. Wir sprachen oben die Ansicht aus, dass die mit der ersten Häu- tung auftretenden „secundären Borsten" und ihre "Wärzchen das Ee- sultat einer Vermehrung der primären Borsten und ihrer Wärzchen, Wie wir uns zu dieser nahe liegenden Auffassung stellen , spielt für das Folgende keine wesentliche Rolle; Thatsache ist, dass wir im er- sten Stadium nur die primären Borsten und deren Wärzchen , nach der ersten Häutung die im allgemeinen in Querreihen angeordneten secundären Borsten und deren Wärzchen finden ^). Diese Thatsache hat Geltung weit über die Familien der Nym- phälidae hinaus ; sie findet sich bei den D a n a i n e n , bei den P i e r i d e n , Sphingiden, vermuthlich auch bei den Hesperiden. (Wir kommen auf diesen Punkt noch einmal zurück). Dass diese Veränderung, die Vermehrung der Borsten, welche die erste Häutung mit sich bringt, mit der Phylogenese in Zusammenhang steht, das erscheint in hohem Grade wahrscheinlich. Die primären Borsten, characterisirt durch ihre besondere Anordnung, sind eine uralte Einrichtung, eine Einrich- richtung so alt, dass wir anscheinend berechtigt, sie in eine Charac- teristik der Schmetterlingsraupen überhaupt aufzunehmen, wie wir be- reits früher sagten. Dem gegenüber erscheint das Auftreten der se- cundären Borsten in der besonderen Anordnung und an dem bestimm- ten Zeitpunkt der ersten Häutung als eine verhältnissmässig neue Abänderung, beschränkt auf eine geringe Zahl hoch entwickelter Fa- milien, Umstände, welche die Annahme, dass die fraglichen mit der ersten Häutung verbundenen Veränderungen als Reproduction von Veränderungen in der Phylogenese anzusehen, entschieden unterstützen. Kehren wir zu den Dornen zurück; die eigentlichen Dornen sind hervorgegangen aus den Wärzchen der secundären Borsten, sind um- gebildete secundäre Wärzchen. Da die secundären Borsten und die 1) Dass auch bereits im ersten Stadium eine Vermehrung der Bor- sten eintreten kann (Borste la bei Prepona n. sp. und bei den Danai- nen, für die sie typisch, Vermehrung in der ifst. Region bei Brasso- linen, Morphinen, Vermehrung der Kopf borsten ebenda), muss erwähnt werden ; es thut der theoretischen Bedeutung der angeführten Thatsachen keinen oder wenig Eintrag ; ebensowenig die Thatsache , dass die secun- dären Borsten mit der ersten Häutung so häufig auftreten , dass die Re- gelmässigkeit der Anordnung gestört wird {Morpho, JBrassolinae). I 630 WILH. MÜLLER, zugehörigen Wärzchen erst mit der ersten Häutung auftreten, so er- scheint es als selbstverständlich, dass auch die Dornen erst mit der ersten Häutung auftreten, nicht früher als das Gebilde, aus dem sie hervorgegangen. Dann ist das Fehlen der Dornen im ersten Stadium allerdings aufzufassen als Wiedergabe der Phylogenese durch die On- togenese, doch nur als eine besondere Modification einer viel weiter verbreiteten Thatsache. Anders liegen die Verhältnisse bei den Satyridae sowie bei der Gattung Prepona. Hier trägt das Thier von Anfang an die Schwanz- gabel, die wir als Sst 12 bezeichneten; diese Schwanzgabel trägt aber an ihrer Spitze eine primäre Borste, ist aufzufassen als die umgebil- dete Warze einer primären Borste. Damit ist natürlich die Schranke der ersten Häutung weggefallen, die Schwanzgabel ist hervorgegangen aus einem normal schon im ersten Stadium vorhandenen Gebilde ^ ). Man könnte auf Grund dieser verschiedenen Entstehungsweise die Homologie der Sst 12 der Nymphalinae und der Schwanzgabel der Satyridae leugnen, und in gewisser Weise mit Recht; beide sind aus verschiedenen Gebilden hervorgegangen, also nicht im vollen Sinn homolog. In anderer Beziehung scheint es indessen berechtigt, die Homologie aufrecht zu erhalten : die Schwanzgabel der Satyridae ist in der Phylogenese hervorgegangen aus den Sst 12 der Nymphalinae. Man kann sich den Vorgang ungefähr folgendermaassen denken: ein Verlust der übrigen Dornen hat eine Vergrösserung der allein übrig gebliebenen Sst 12 mit sich geführt, wie das Catagramma, Haematera deutlich genug zeigen. In Folge dessen ist in die vergrösserte An- lage derselben die anfangs ausserhalb liegende primäre Borste mit ihrer Warze aufgenommen worden. Die zunächst nicht an der Bil- dung des Dorns betheiligte Warze hat sich allmählich an der Bildung betheiligt, um sie schliesslich allein zu übernehmen. Bei Prepona hat die Betheiligung des primären Wärzchens begonnen, die Art bildet in dieser wie in anderer Beziehung ein vermittelndes Glied zwischen N y m p h a 1 i n e n und Satyride n. Eine andere Auflassung wäre die, dass die Schwanzgabel von Prepona und den Satyridae den Dornen der Nymphalinae gegenüber 1) Ich will gleich hier erwähnen, dass das Schwanzhorn der Sphingiden, die Dornen der Saturnier, die Scheiudornen der Papilionen (letztere nur z. Th.) ebenfalls bereits beim Ausschlüpfen aus dem Ei vorhanden sind, dass die genannten Gebilde ebenfalls als Umwandlungsproducte der Warzen primärer Borsten aufzufassen sind (vergl. Nachtrag). Südamerikanische Nymphalidenraupen. 631 als Neubildung zu betrachten wäre. Die Auffassung würde die ver- suchte Erklärung der Thatsache, dass Anhänge einmal im ersten, ein- mal im zweiten Stadium erscheinen, ebensowohl zulassen. Im übrigen erscheint die Annahme einer Homologie von Sst 12 und Schwanzgabel als die natürlichere. Fassen wir die gewonnenen Anschauungen noch einmal kurz zu- sammen: Bei der gemeinsamen Stammform aller (?) Schmetterlinge haben die Raupen Borsten besessen, die in der oben für die „pri- mären" Borsten beschriebenen Art und Weise angeordnet waren. Die „primären" Borsten haben sich bei einer Anzahl von Familien ver- mehrt und zwar in der Weise, dass die neu hinzukommenden „secun- dären" Borsten mit den primären Querreihen bilden. Diese nachträg- liche Vermehrung hat ihre Spuren in der Ontogenese zurückgelassen, wir finden die primären Borsten im ersten Stadium, die Vermehrung tritt mit der ersten Häutung ein. Primäre und secundäre Borsten stehen in den fraglichen Familien auf kleinen Wärzchen. Anhangs- gebilde, welche aus Wärzchen der primären Borsten hervorgegangen, werden wir entsprechend bereits im ersten Stadium finden können ; Dornen, welche aus Wärzchen der secuudären Borsten hervorgegangen, können erst mit der ersten Häutung erscheinen. Wie liegen nun die Verhältnisse für die Hörn er? Wir antici- pirten oben bei Besprechung der Nymphalinae die Verhältnisse, wie sie bei den Satyridae liegen, kamen auf Grund dieser Verhältnisse zu dem Resultat, dass die Hörner Ausstülpungen des Kopfes, ursprüng- lich ohne directe Beziehungen zu den Wärzchen primärer oder secun- därer Borsten, dass ihr Zurückrücken in das erste Stadium bedingt wird durch engere Beziehungen (Correlation des Wachsthums) zu den Dornen, welche Beziehungen aber nicht auf Homologie beruhen. Wollen wir nicht die Annahme einer Homologie der Hörner bei allen Nymphalidae fallen lassen, so scheint jetzt kaum eine andere Auf- fassung von der Genese der Hörner übrig zu bleiben. Bei den Dornen glaubten wir die Ursache der veränderten Genese in einer Vergrösse- rung zu finden, in Folge deren das primäre Wärzchen zunächst mit in die Anlage des Dorns aufgenommen wird, sie später allein über- nimmt. Nun scheinen die Verhältnisse der Satyrinae sich allerdings zunächst der Annahme zu fügen, dass am Kopf eine parallele Verschie- bung stattgefunden hat wie am hinteren Körperende, doch stossen wir schon hier, sobald wir die Verhältnisse genauer analysiren, auf Widersprüche (ich erinnere an den monströsen Kopf von Taygeiis). 632 WILH. MÜLLER, Durchaus ungenügend erscheint aber die Annahme für die Brasso- linae, Morphinae, wo die Hörner (bei den Brassolinae z. Th.) über- haupt im ersten Stadium am Ende keine Borsten tragen, also sicher nicht als umgebildete primäre Wärzchen aufzufassen sind. Hier scheint es eben nur möglich den Parallelismus mit den Dornen zur Erklä- rung des veränderten Auftretens heranzuziehen. Werfen wir schliesslich noch einen Blick auf die unpaaren Rü- ckendoruen der Brassolinae^ {Caligo) ; dieselben haben nach unserer Auflassung ähnliche Genese wie die Hörner, erscheinen mit der ersten oder mit einer späteren Häutung; der Moment ihres Auftretens dürfte nicht direct durch ihre Genese bestimmt sein. Wenn sich hier kein ähnlicher Parallelismus mit den übrigen Dornen geltend macht wie bei den Hörnern , wo ja übrigens auch der Parallelismus nicht an allen Punkten streng durchgeführt ist {Apatura, Prepona), so ist das eine Thatsache, die wir eben erwähnen müssen , die einer weiteren Erklärung wohl kaum zugänglich. Vielleicht wäre der Gesichtspunkt in Betracht zu ziehen, dass diese Dornen auf eine Gattung beschränkt, den Dornen und Hörnern gegenüber eine sehr neue Bildung. Beziehungen der einzelnen Stadien zu einander. Wir sprachen es oben als das Resultat eines Gesammtüberblicks über die beobachteten Entwicklungsreihen aus, dass die Ontogenese eine in hohem Grade gefälschte. Diese Fälschung machte sich in verschiedener Art und Weise geltend; entweder waren die einzelnen Stadien unter einander im hohen Grade ähnlich (z. B. 2 -5 in der Bildung der Dornen), oder es trat ein neuer Character, eine compli- cirte Zeichnung sehr unvermittelt auf; in beiden Fällen braucht es sich nur um die Unterdrückung älterer Formen zu handeln. Sie würden an sich den Normen, nach welchen, wie Weismann annimmt, die Entwicklung der Schmetterlingsraupeu vor sich geht („Neue Cha- raktere erscheinen zuerst im letzten Stadium der Ontogenese, dieselben rücken dann allmälig in frühere Stadien zurück und verdrängen so die älteren Charaktere bis zum völligen Verschwinden derselben" 1. c. p. 68), nicht oder nur z. Th. widersprechen. Ich glaube indessen nicht, dass ein Auslöschen der älteren Formen in der Ontogenese genügt , um überall die Veränderungen in Form und Zeichnung zu erklären, oder richtiger, in manchen Fällen er- scheint es natürlicher, zur Erklärung des Wechsels die Annahme zu Hülfe zu nehmen, dass neue Charactere selbständig in den jüngeren Stadien aufgetreten. In solchen Fällen, deren Vorkommen wir im Südamerikanische Nymphalidenraupen. 633 Folgeuden wahrscheinlich zu machen suchen wollen, scheint es in erster Linie berechtigt, von einer Fälschung der Phylogenese zu reden. Der Kopf der Srassolinae. Wie aus den Beschreibungen ersichtlich, ist bei allen Brassolinae (Ausnahme BrassoUs) der Kopf während des ersten Stadiums ausgezeichnet durch einen dichten Be- satz mit langen gebogenen Borsten , welche ihm ein 'eigenthümliches pudelkopfartiges Aussehen geben. Die Wirkung wird in 2 Gattungen {Opsiplianes^ Dynastor) verstärkt durch eine eigenthümliche Umbildung der Borsten (T. XIII Fig. 30 b). Im 2. Stadium treten die Borsten dem Kopf gegenüber zurück, die complicirten Borsten machen einfacheren Platz. Ich glaube, dass wir es hier mit einer eigenen Umbildung des ersten Stadiums zu thun haben ; zum mindesten müsste jede andere Erklärung ihre Zuflucht zu recht complicirten Vorgängen nehmen, für die wir in den gegebenen Thatsachen keinen Anhalt finden. Dass die eigenthümlich gestalteten Borsten bei Opsiphanes und Dijnastor, deren Bedeutung augenscheinlich die ist, das pudelkopf- artige Aussehen zu steigern, keine ursprüngliche Form darstellen, die etwa der anderen spitzen, fein gezähnelten, der sie in der Ontogenese vorausgeht, auch in der Phylogenese vorausgegangen, dafür spricht, ganz abgesehen von der Form selbst, der Umstand, dass diese Borsten- form nur bei wenig Arten auftritt und auch hier nur am Kopf, wäh- rend der Körper die in der Familie der Nymphaliden weit verbreitete einfachere, spitze, fein gezähnelte Borstenform aufweist. Die einzig mögliche Annahme, um die Thatsache mit dem von Weismann aufge- stellten Satz zu vereinigen, wäre die, dass das pudelkopfartige Aus- sehen ursprünglich allen Stadien gemeinsam , allmählich , etwa mit Ausbildung der Hörner, auf das erste Stadium beschränkt worden wäre. Ich kann keine Gründe finden, die diese Annahme stützen, dieselbe wäre eben nur geschafi'en, um die Widersprüche zu beseitigen ; natür- licher erscheint sicher die Annahme, dass diese eigenthümliche Form entstanden im ersten Stadium , wenn auch andererseits zugestanden werden muss, dass die Bedingungen, die etwa die Ausbildung des eigen- artigen Charakters bewirkt oder begünstigt haben könnten, schwer zu erkennen sind. In erster Linie wäre hier zu nennen die lange Dauer des betref- fenden Stadiums, das z. B. bei Dynastor, wie die folgenden, 10 Tage für sich in Anspruch nimmt. Für die weitere Frage nach der Be- deutung der eigenthümlichen Kopfform fällt die Antwort sehr mangel- haft aus, ich verweise da auf das bei Besprechung der Brassolinae 634 WILH. MÜLLER, Gesagte. Die wichtigste Frage wäre wohl die, inwiefern die Kopf- form der späteren Stadien nicht für das erste genügt, warum dieses, so zu sagen, eine Kopfform für sich allein haben müsse? Die äusseren Lebensverhältnisse scheinen hier keinen Anhalt zu bieten, sie sind für das erste und für die folgenden Stadien die gleichen, doch bietet sich die Möglichkeit einer Antwort von anderer Seite. Wie erwähnt, finden wir bei den Brassolinae im ersten Stadium die Hörner angedeutet, doch so unbedeutend, dass sie nur schwer zu entdecken sind, dass sie sicher keine Rolle für das Gesammtbild des Thieres spielen. Wir können in der geringen Entwicklung einen Rest des Widerstandes sehen , den bei den eigentlichen Nymphalinae als den Stammältern der Satyridae der Kopf im ersten Stadium der Bildung der Hörner entgegensetzt, ein Widerstand, der, wie an anderer Stelle auseinander- gesetzt, bei den Satyridae überwunden wurde. Dies angenommen, so könnten wir in der Anhäufung und Umgestaltung der Borsten, in dem Pudelkopf einen Ersatz sehen für die aus inneren Gründen fehlenden Hörner. Unsere Unkenntniss über die Bedeutung des Pudelkopfes für das erste Stadium fällt dann nicht mehr ins Gewicht als unsere Un- kenntniss über die Bedeutung der Hörner für die folgenden Stadien. Weiter als selbständige Abänderung früherer Stadien ist hier zu nennen die bei den Gattungen Gymaecia, Ageronia^ Adelphaf Catonephele etc. vorkommende Umbildung oder theilweise Rück- bildung der Dornen während der Zeit, wo das Thier in der Ruhe an einer selbstgebauten Blattrippe verweilt. Die Thatsachen wurden besprochen in dem Capitel über „dasRippen bauen derRaupe n", und wenn hier noch eine Frage zu erörtern bleibt, so ist es etwa die, warum die Thiere in dem einen Stadium auf den durch die Dornen gewährten Schutz verzichten, in den späteren ihn beibehalten? Dass der durch die fragliche Gewohnheit gewährte Schutz seiner Na- tur nach nur für sehr kleine Raupen wirksam sein kann, liegt auf der Hand. Erst wenn gewisse Complicationen eintreten (Anhäufung von Schmutz bei Adelpha, Anhängen von Blattstückchen bei Siderone, Anaea), kann der Schutz länger beibehalten werden. Darin liegt auch nicht die Schwierigkeit; sie liegt darin, dass an Stelle des durch die Dornen gewährten Schutzes in gewissen Stadien das Verstecken an der Blatt- rippe tritt. Es würde das auf die Frage hinauslaufen, ob wir die Wirksamkeit der Schutzmittel nur nach ihrer relativen oder auch nach ihrer absoluten Grösse zu schätzen haben. Bei der ersten Schätzung hält es allerdings schwer, die Gründe für den Wechsel in der Art des Schutzes einzusehen, da es mit Rücksicht auf die bei Südamerikanische Nymphalidenraupen. 635 Diademinae etc. geltenden Verhältnisse wahrscheinlich , dass auch bei den Rippenbauenden ursprünglich die unvermittelte Entwicklung (vergl. oben p. 557 f.) herrschte, also von der ersten Häutung an' die Schutz- mittel (Dornen) in gleichem Verhältniss mit der Grösse des Thieres standen. Ziehen wir dagegen auch die absolute Grösse mit in Rechnung, so würde sich ja einiger Anhalt für eine Erklärung des fraglichen Wechsels bieten. Es ist indessen fruchtlos, solche Fragen lösen zu wollen, solange uns über die Beziehungen der Thiere zu ihren Fein- den fast jede Beobachtung fehlt, solange wir z. B. nicht wissen, wie weit der Schutz der Dornen in den verschiedenen Stadien und ver- schiedenen Feinden gegenüber genügt. Für die Zeichnung oder Färbung scheint es berechtigt, von einer selbständigen Abänderung der früheren Stadien in folgenden Fällen zu sprechen: Die Raupe von Eunica margarita ist bis zur 4. Häutung roth- grün gefärbt, mit der 4. Häutung nimmt sie rein grüne Färbung an. Die Annahme, dass die rothgrüne Färbung eine eigene Abänderung der jüngeren Stadien, scheint hier durchaus berechtigt, da die grüne Farbe in der ganzen Gruppe der Epicaliinae verbreitet, also augen- scheinlich . die ursprünglichere , andererseits der Wechsel in der Färbung dem Thiere besondere Vortheile bietet. Wie oben ge- sagt wurde , lebt das Thier bis zur 4. Häutung an einem roth- grünen jungen Trieb der Futterpflanze, geht nach der 4. Häu- tung , wo der Trieb dem Nahrungsbedürfniss nicht mehr genügt, zu den älteren grünen Blättern über. Eine veränderte Vertheilung der verschiedenen Farben auf die verschiedenen Stadien, derart, dass etwa auch das 5. Stadium rothgrün, ist nur denkbar unter der Vor- aussetzung, dass auch die übrigen Verhältnisse der Raupe wesentlich andere, dass etwa die an sich schon ziemlich kleine Species noch be- deutend kleiner, so dass ein junger Trieb als Nahrung für alle Sta- dien genügt. Bei Siderone ide findet mit der vierten Häutung eine tiefgreifende Veränderung der Zeichnung statt, mit welcher Veränderung eine ent- sprechende in der Lebensweise Hand in Hand geht. Das Thier be- wohnt bis zur vierten Häutung eine mit Blattstückchen behängte Blattrippe , ist entsi>rechend gezeichnet (vergl. die folgende Besprechung von Änaea). Nach der vierten Häutung giebt es die Gewohnheit auf, gleicht dann einem tiocknen zusammengerollten Blatt. Der Fall ge- winnt einiges Interesse durch den Vergleich der nächst verwandten 636 WILH. MÜLLER, Art, Siderone strigosus. Hier finden wir neben gleichem Wechsel der Gewohnheiten die bei ide auf das letzte Stadium beschränkte Zeich- nung in allen Stadien (deutlich ausgeprägt in den 3 letzten). Hat hier niemals eine Anpassung an die während der 4 ersten Stadien durch die Gewohnheit geschaffene Umgebung stattgefunden, oder hat der mechanische Process der Rückübertragung die betreffende Zeich- nung zerstört? Fragen, auf die zur Zeit eine Antwort kaum möglich. Ferner wären hier zu nennen die Gattungen Änaea und Proto- gonius mit ihrer im 3. Stadium so scharf ausgeprägten Zeichnung. Hier wie bei Siderone steht die Zeichnung im engsten Zusammenhang mit der Gewohnheit, Blattstückchen an der kahl gefressenen Mittel- rippe hängen zu lassen ; weiter ist diese Gewohnheit jedenfalls von Haus aus, nicht erst secundär auf die ersten Stadien beschränkt. Es hat sogar, um die Ausdehnung der Gewohnheit auf das 3. Stadium zu ermöglichen, gewisser Modificationen derselben bedurft. So unter- liegt es wohl keinem Zweifel, dass wir es in der bestimmten Zeich- nungsform mit einer eigenen Erwerbung der früheren Stadien, speciell des 3. zu thun haben. Wir müssen bei dieser Art noch einen Augenblick verweilen, weil sich hier eine Frage aufdrängt, die sich überhaupt nothwendig an diejenige, mit der wir uns eben beschäftigen, anschliesst. Nach Weis- mann erfolgt die Uebertragung neuer Charactere nur nach einer Rich- tung, und das erscheint selbstverständlich, da dieselben eben auch nur am Endpunkt der Reihe erworben werden. Sobald wir die Möglich- keit einer Abänderung in einem früheren Stadium zugestehen, entsteht die Frage, beeinflusst solch neuer Character nur die vorhergehenden oder auch die folgenden Stadien, und für die Beantwortung dieser P'rage scheint die vorliegende Art einigen Anhalt zu bieten, scheint um so mehr zum Object einer Untersuchung geeignet, als die Zeich- nung des 4. und 5. Stadiums bedeutungslos, das Thier während dieser Stadien verborgen lebt. Wie wollen wir die weiteren Veränderungen, welche das Thier als Raupe durchmacht (T. XIV, Fig. 11, 12, 13), erklären? Bei dieser Umwandlung liandelt es sich ja unstreitig um eine Rückkehr zu ein- facheren Verhältnissen ; aus dem im 3. Stadium unterbrochenen, un- regelmässigen Lateralstreifen wird ein zusammenhängender , regel- mässiger ; die zum Theil unterdrückten , zum Theil vergrösserten weissen Wärzchen erscheinen in gleichmässiger Vertheilung. Die einfachste Deutung scheint die, dass die Zeichnung des 3. Stadiums hervorgegangen ist aus einer ähnlichen, wie sie heute das Südamerikanische Nymphalidenraupen. ^37 5. bietet, welche Zeichnung zur Zeit im 3. — 5. Stadium herrschte, dass die Veränderungen des 3. Stadiums Veränderungen des 4. im Gefolge hatten, so dass dieses, welches gleichzeitig unter dem Einfluss des 5. stand , mit seiner sich verändernden Zeichnung eine ununter- brochene Verbindung zwischen 3. und 5. Stadium bildete. Was die vorgetragene Ansicht über die Genese der Zeichnung im 3. Stadium betrifft, so scheint sie ihre Bestätigung zu finden in dem Verhalten von Änaea phidile 3. Stadium (T. XIV Fig. 17), doch kann es hier mit Rücksicht darauf, dass die fragliche Gewohnheit mehr oder weniger vollständig aufgegeben ist, zweifelhaft erscheinen, welche Rolle die Zeichnung spielt, ob wir es mit treu bewahrter ursprünglicher Zeich- nung, ob mit einem Rückschlag zu thun haben. (Welche Bedeutung die Auflösung des Lateralstreifens in eine Reihe von dunklen Punkten hat, — Protogonius 5, St., Änaea phidile 5. St. und 3. St. hinteres Körperende — ob diese Zeichnungsform auch eine Rolle in der Genese gespielt hat, ist an der Hand des vorhandenen Materials kaum zu entscheiden). Der 2. Theil der vorgetragenen Ansicht, dass die Aehnlichkeit zwischen 3. Stadium und Anfang des 4. auf einer Abhängigkeit des 4. Stadiums vom 3. beruht, scheint die einfachste Deutung der be- schriebenen Entwicklung zu enthalten, wenn auch zugestanden werden muss, dass andere Deutungen zulässig (z. B. die, dass ursprünglich das 4. Stadium ähnliche Gewohnheiten zeigte wie das 3., für welche Ansicht das Verhalten von Frepona, Siderone als Stütze angeführt werden kann). Sicher liegen die Verhältnisse keineswegs so klar, dass wir etwa auf Grund derselben eine Antwort auf die aufgewor- fene Frage „Können neue Charactere früherer Stadien die späteren Stadien beeinflussen?" wagen könnten, doch schien es mit Rücksicht auf die vorliegende Entwicklungereihe unvermeidlich, die Frage zu berühren. Ich will hier noch zwei Fälle erwähnen, in denen es sich um eine Beeinflussung der späteren Stadien durch die früheren handeln dürfte. Bei Eunica margarita erhält sich die rothgrüne Färbung des 4. Stadiums ausnahmsweise über die 4. Häutung hinaus , doch macht diese rothgrüne Färbung stets innerhalb 24 Stunden einer rein grünen Platz. Der zweite Fall betrifi"t die Gewohnheiten der ÄdelphaRrteu im 3. und 4. Stadium einerseits, im 5. andererseits (vergl. p. 483). Wir haben hier dem oben Gesagten kaum etwas hinzuzufügen. Es handelt sich bei den Gewohnheiten auch um Eigenthümlichkeiten, von denen 638 WILH. MÜLLER, die eine (die spiralig eingezogene) unzweifelhaft im 3, und 4. Stadium entstanden, die andere (Trutzstellung) ursprünglich wohl allen oder wenigstens den drei letzten Stadien gemeinsam war, nachträglich auf das letzte Stadium beschränkt wurde. Dass und in welcher Weise beide Gewohnheiten sich so zu sagen durchdringen, wurde bereits oben gesagt. Der Fall liefert ein typisches Beispiel für die Beein- flussung des letzten Stadiums durch die eigenen Abänderungen der früheren, wenn es sich auch nicht um Körperform oder Zeichnung, son- dern um Gewohnheiten handelt. Ich glaube, dass es für Körperform und Zeichnung schwer halten wird, den Nachweis zu liefern, dass eine ähnliche Beeinflussung statt- findet; in allen mir zugänghchen Fällen, die in dieser Richtung Be- achtung verdienen, scheint auch eine andere Auffassung zulässig, wenn sie auch nicht die natürlichere, doch werden wir, und dieses Resultat möchte ich mit Rücksicht auf das Folgende anticipiren, nicht zögern, die Möglichkeit einer solchen Beeinflussung zuzugestehen, wenn der Nachweis gelingt, dass Charactere der Raupe sich auf die Puppe über- tragen; ich verweise wegen dieses Nachweises auf die Besprechung der Beziehungen zwischen Raupe und Puppe. In den genannten Fällen waren es abweichende Existenzbedin- gungen, die eine Ausbildung neuer Charactere für die jüngeren Sta- dien zur Folge hatten, oder innere Bildungsgesetze, die, indem sie eine gleiche Gestaltung aller Stadien verhinderten {Brassolinae\ die Ausbildung neuer Charactere für bestimmte Stadien begünstigten. Wir suchten wenigstens diese Auff"assung für die angeführten Fälle geltend zu machen, und sicher erscheint die Annahme, dass in denselben die abweichenden Existenzbedingungen, ebenso wie die entsprechenden An- passungen von vornherein auf die früheren Stadien beschränkt, als die natürlichere. Eine solche Auffassung würde kaum in Widerspruch stehen mit den von Weismann entwickelten Anschauungen über die Beziehungen der einzelnen Raupenstadien zu einander, deren Voraus- setzung eben die ist, dass die Existenzbedingungen für alle Stadien wesenthch die gleichen. Sobald wir indessen einmal die Möglichkeit solch eigener Abänderun- gen früherer Stadien zugestanden haben, liegt es nahe, diese Auflassung auch in anderen Fällen geltend zu maciien, in denen die betrefl'ende Annahme zum mindesten die gleiche Berechtigung hat wie die andere, welche der WEiSMANN'schen Auffassung entsprechen würde. Hier müssen wir zunächst eine Anzahl von Entwicklungsreihen nennen, ia Südamerikanische Nymphalidenraupen. 639 denen die späteren Stadien ursprünglichere Verhältnisse zeigen als die früheren. Das gilt bei verschiedenen Arten mit Rücksicht auf die Färbung der Wärzchen secundärer Borsten. Wir sahen oben, dass die ursprüngKche Färbung dieser Wärzchen jedenfalls weiss. Wird die weisse Farbe der Wärzchen unterdrückt, nehmen sie die Farbe der Umgebung an, so ist das allerdings eine Vereinfachung der Zeich- nung, trotzdem als neuer Character zu betrachten. Nun sind bei Dione vanillae, Änartia amalthea, Callicore meridionalis die Wärzchen im letzten Stadium weiss oder heller als die Umgebung, in früheren Stadien nicht durch besondere Färbung ausgezeichnet. Sicher zeigen hier die späteren Stadien ursprünglichere Verhältnisse als die früheren. Aehnliches lässt sich von den Dornen aussagen. Die ursprüng- liche Farbe der Dornen ist ebenfalls weiss, dieselben sind ja umge- bildete weisse Wärzchen; sind die Dornen in den früheren Stadien dunkel, später weiss oder wenigstens hell gefärbt {Anartia amalthea, Victorina trayja^ Gynaecia dirce, Ägeronia amphinome, areie), so gilt für die Arten dasselbe, was wir eben bei Besprechung der weissen Wärzchen sagten: die späteren Stadien zeigen ursprünglichere Ver- hältnisse als die früheren. Für die weissen Wärzchen halte ich den weiteren Schluss für berechtigt, dass die Unterdrückung der weissen Farbe ein neuer Character der früheren Stadien ; für die Dornen liegen die Verhältnisse so complicirt, dass es recht schwer halten wird, sich in dieser Beziehung ein Urtheil zu bilden. So scheint zunächst die complicirte Färbung mancher Dornen (heller Stamm, dunkle Quer- binde, helle Spitze, die drei Zonen in sehr verschiedenem Umfang — Eueides isabella 2. St., Ägeronia n. sp. 2. St., Ägeronia amphinome 5. St., Catonephele acontius — oder auch dunkler Stamm, helle Querbinde, dunkle Spitze — Eueides aliphera, Didonis hihlis) dafür zu sprechen, dass ein wiederholter Wechsel in der Färbung der Dornen stattgefunden hat. Einen der interessantesten Fälle bezüghch der Färbung der Dornen bietet Hypanartia leihe. Hier tritt die helle Färbung im 4. und 5. Stadium auf, während im 3. und 6. die Dornen schwarz; die helle Färbung ergreift nur einzelne Dornen, welche nicht nur bei verschie- denen Individuen, sondern auch auf der rechten und linken Seite des- selben Individuums verschiedene. Die einfachste Deutung scheint hier die zu sein, dass die helle Färbung einzelner Dornen als neuer Cha- racter während des 4. und 5. Stadiums aufgetreten, oder, da wir von einem fixirten Character hier kaum sprechen können, dass das 4. -und 640 WILH MULLER, 5. Stadium (zunächst wohl nur eines von beiden) in dieser Richtung variabel geworden. Denken wir uns den Process fortgeführt, die helle Färbung der Dornen in den betreffenden Stadien auf alle Dornen oder auf gewisse Dornenreihen constant ausgedehnt, das letzte Stadium in gleicher Weise abgeändert, so würden wir eine Art haben, die sich ähnlich verhielte, wie es heute z. B. Victorina trat/ja thut ; die Dornen würden in den ersten Stadien dunkel, in den letzten hell gefärbt sein. Trotzdem wäre die dunkle Farbe der ersten Stadien nicht eine eigene Abänderung derselben, vielmehr wären die letzten Stadien zur hellen Färbung zurückgekehrt. Ich glaube, dass wir für die Mehrzahl der Arten, bei denen ein ähnhcher Wechsel in der Färbung der Dornen während der Ontogenese eintritt, ähnliche Verhältnisse in der Phylo- genese voraussetzen dürfen. Man könnte für eine solche Rückkehr zur hellen Färbung einen Vorgang zur Erklärung heranziehen, der allerdings nicht direct beob- achtet, aber an sich nicht unwahrscheinlich ist, und gerade für ein Ver- halten, wie es Hypanartia bietet, eine einfache Erklärung zu bieten scheint. Ganz allgemein zeigen die Dornen direct nach der Häutung eine milchweisse oder grau durchscheinende Färbung, eine Färbung, welche nur wenig von der definitiven beeinflusst ist. Sicher handelt es sich hier um eine Reproduction ursprünghcher Verhältnisse; wie weit diese Reproduction gehen kann, das zeigen Fälle wie der von Eueides isabella, wo sich direct nach der vierten Häutung Gegensätze in der Färbung der Dornen wiederfinden, die übrigens in der definitiven Fär- bung mit der zweiten Häutung verloren gegangen. Nun ist es sehr wohl denkbar, dass sich die helle Färbung der Dornen, welche zunächst nur für die Dauer von Minuten oder Stunden existirt, ausnahmsweise erhält, so den Anstoss zur Bildung von Varietäten mit hellen Dornen giebt. Die Annahme scheint an sich ungezwungen, scheint anderer- seits wohl geeignet, zur Erklärung der recht complicirten Verhältnisse, welche die Färbung der Dornen zeigen, herangezogen zu werden. Damit soll ja keineswegs die Möglichkeit geleugnet werden, dass die dunkle Farbe der Dornen selbständig als neuer Character in einem der früheren Stadien aufgetreten , es kann sehr wohl in dem einen Fall der eine, in dem anderen Fall der andere Process stattgefunden haben, nur scheint es zur Zeit unmöglich, für den einzelnen Fall die Veränderungen, welche die Färbung der Dornen in der Phylogenese erlitten, mit einiger Sicherheit zu erschliessen. Wir wollen hier noch kurz einige Fälle besprechen, die mit Rück- sicht auf die aufgeworfene Frage einige Beachtung verdienen. Bei Südamerikanische Nymphalidenraupen. g4l Ägeronia ampTiinome finden wir im 5. Stadium eine Zeichnungs- form, von der wir es oben wahrscheinlich zu machen suchten, dass sie das dritte Glied der p. 518 f. entwickelten Reihe bildet ; in den früheren Stadien fehlt jede Spur der früheren Glieder der Reihe. Besonders mit Rücksicht auf den Vergleich verwandter Arten ist die Annahme kaum von der Hand zu weisen, dass Reste der früheren Glieder der Reihe in den früheren Stadien existirt haben ; die Unterdrückung dieser Reste ist als selbständige Abänderung aufzufassen. Bei Ägeronia epinome und n. sp. findet sich im letzten Stadium eine sehr variable helle Zeichnung auf dunklem Grund. Schon die Art und "Weise dieser hellen Zeichnung lässt nur die eine Deutung zu, dass dieselbe nicht im Begriff sich zu bilden, sondern dass sie unterdrückt wird, und dieser Schluss wird unterstützt durch die That- sache, dass die helle Zeichnung in ihrer ausgeprägtesten Form der einer anderen Art (fornax) gleicht. Die Annahme scheint nicht so ohne weiteres abzuweisen, dass die Verdrängung der hellen Zeichnung des 5. Stadiums vor sich geht unter dem Einfluss der fast ganz dunkel gefärbten vorhergehenden Stadien. Eine recht complicirte Entwicklung hat jedenfalls auch bei Teme- nis und Fyrrhogyra zur heute vorliegenden Zeichnungsform geführt. Es handelt sich im 5. Stadium um eine mehr oder weniger vollständige Rückkehr zu Zeichnungsformen, die übrigens in der Phylogenese längst überwunden (bereits von der Stammform der JEpicaliinae?). Vielleicht liegt hier ein Rückschlag vor, der von der Färbung der Dornen ausgeht. Die Verhältnisse, welche die Nymphalidenraupen in ihrer Onto- genese bieten, sind im allgemeinen überaus complicirte, weiter ist das Material für derartige Schlüsse ein höchst unvollständiges; so mag es wenig berechtigt erscheinen, auf dieses Material allgemeinere Schlüsse bauen zu wollen , doch schien eine Besprechung der Fragen unver- meidlich, da das Material zu ganz anderen Schlüssen drängt, als die sind, zu welchen Weismann durch das Studium einer verwandten Gruppe geführt wurde. Das eine Resultat können wir wohl als leid- lich gesichert betrachten : neue Charactere bilden sich nicht ausschliess- lich im letzten Raupenstadium aus. Inwieweit wir für solche selb- ständige Abänderungen immer abweichende Beziehungen zur Umgebung verantwortlich machen können, das ist eine schwer zu entscheidende Frage. Gerade die Nymphaliden zeigen, dass unsere Kenntniss in dieser Richtung eine überaus unvollkommene. Für die weitere sich anschliessende Frage: Beeinflussen die Ab- änderungen früherer Stadien auch die späteren? verwiesen wir auf Zoolog. Jahrb. I. ^1 ß42 WILH. MÜLLER, eine Besprechung der Beziehungen von Raupe und Puppe, zu der wir jetzt übergehen, um später noch einmal auf kurze Zeit zu den Raupen- stadien zurückzukehren. Beziehungen zwischen Eaupe und Pupi)e. Körperform von Raupe und Puppe. Wir haben oben für die Höcker und dornartigen Gebilde der Puppe die gleiche Bezeichnung gebraucht wie für die an gleicher Stelle befindlichen ähnlichen Gebilde der Raupe. Das scheint eigent- lich keiner besonderen Begründung oder Rechtfertigung zu bedürfen; es sind gleiche oder ähnliche Gebilde bei demselben Individuum an der gleichen Stelle. Trotzdem erscheint es nicht übei-flüssig, an einem Beispiel, soweit das möglich, den Zusammenhang noch näher zu be- gründen. Betrachten wir eine Raupe von Acraea pellenea, welche sich zum Verpuppen aufgehängt hat, so finden wir alle Dornen durchscheinend, leer, bis auf die Sds 5—9. Die letzteren sind zu ungefähr | schwarz, undurchsichtig, die Spitze ist durchscheinend wie die übrigen Dornen. Direct nach der Häutung sehen wir dann an Stelle aller Dornen, so- weit dieselben nicht durch die Flügel verdeckt, deutliche Narben, welche z. Th. verschwinden, z. Th. als unscheinbare Wärzchen sichtbar bleiben. An Steile der Sds 5 — 9 finden wir keine Narben, sondern die bereits in den Raupendornen sichtbaren, aus den Raupendornen herausgezogenen Anhänge, welche sich erhalten, sich von den Dornen der Raupe nur durch geringere Grösse und den Mangel der Borsten unterscheiden (T. XV Fig. 1). Es erhalten sich also ganz allgemein über die betretfende Häutung hinaus Reste der Raupendornen, nur ist Gestalt und weiteres Schicksal dieser Reste ein sehr verschiedenes ; bald sind es unscheinbare Narben, die in wenigen Stunden ganz ver- schwinden, bald sind es kleine Wärzchen, die sich erhalten, bald Ge- bilde von ähnlicher Gestalt wie die Raupendornen. Ein Zweifel darüber, dass die Gebilde bei Raupe und Puppe die gleichen, den gleichen Namen verdienen, scheint unter diesen Verhältnissen ausgeschlossen. Ueberblicken wir zunächst noch einmal die oben beschriebenen, T. XV abgebildeten Puppenformen mit Rücksicht auf die bei ihnen vorkommenden Reste von Raupendornen. Bei den Heliconinen finden wir deutliche Reste sämmtlicher Sdsdornen ausser auf 12 oder 11 und 12, weniger deutliche Reste der Sst, diese besonders auf 5 — 7; Reste der tiefer liegenden Reihen sind nicht Südamerikanische Nymphalidenraupen. 643 oder nur schwierig nachweisbar. Die Sds haben bei Heliconius eucrate und apseudes den Habitus von Dornen einigerraaassen gewahrt (Fig. 2), bei Eueides sind sie eigenthümlich umgestaltet (Fig. 3), bei Heliconius doris, Colaenis und Bione sind sie zu zum Theil kaum nachweisbaren Höckern zusammengeschrumpft {Bione vanillae). Innerhalb dieser Dornenreihe finden sich bedeutende Differenzirungen in Grösse und Gestalt der Dornen, es sind die Sds 6, 8 — 10 oder 6 — 10, welche bei Colaenis und Heliconius^ 6 und 7, welche bei Eueides durch Grösse ausgezeichnet. Zu diesen bei der Raupe durch echte Dornen vertre- tenen Fortsätzen oder Warzen kommen noch zwei Paar von Höckern auf 8 und 9 an Stelle der Füsse; solche Höcker, wie sie sich ziemlich häufig bei Puppen von Tag- und Nachtschmetterlingen finden, be- schränken sich stets auf die Segmente 8,9, resp. 7—9, je nach der Grösse der Flügel, entsprechend dem Vorkommen von Beinen bei der Raupe. Schliesslich haben wir unpaare Höcker am vorderen Rand von 8 — 10 oder 6 — 10 und Sds auf 1 bei Eueides. Diese Höcker, in ihrer Lage den Bs ant oder Sds 1 der Raupe entsprechend, haben bei der Raupe kein Homologon, ebensowenig wie die überzähligen Höcker auf 2 bei Colaenis. Ich komme auf diese Gebilde wie auf die Hörner an anderer Stelle zurück. Hypanartia (T. XV Fig. 6) zeigt kleine, aber deutliche Sds- höcker auf 2 — 7, Sst auf 6, 7, zu kurzen conischen Spitzen sind nur die Sds 3 — 5 entwickelt. Bei Fyrameis erhalten sich die Bs ant 4 — 11, die Sds 2 — 11, die Sst 5—11, die Ifstl — 11; stärker entwickelt sind die /Sc^s 5— 10, welche conische Spitzen darstellen, die übrigen sind sehr kleine schwarze Warzen, bedeutungslose Reste. Bei Thyciodes langsdorfii (T. XV Fig. 4) erhalten sich als deut- liche conische Höcker die Dornen der Bs- und Sdsreihe innerhalb der Segmente 2 — 10, resp. 4 — 10, die Sst 6, 7; die übrigen Sst, die Ifst und Ped sind schwer nachweisbare kleine Höcker oder sind ganz verschwunden. Bei Victorina trayja (T. XV Fig. 5) finden wir an Stelle der Sds 6, 7, der Sst 6, 7, der Ifst 7 conische Höcker mit schwarzer Spitze, an Stelle aller anderen Dornen (natürlich soweit dieselben nicht durch die Flügel verdeckt) schwarze Punkte, wozu noch zwei schwarze Punkte auf 8, 9 an Stelle der Füsse kommen; bei Anartia amalthea treten auch an Stelle der Sds, Sst 6, 7, Ifst 7 schwarze Punkte. Es kann auffallen und von zweifelhafter Berechtigung erscheinen, dass hier schwarze Punkte und Dornen, ganz heterogene Gebilde, als zusammen- 41* 544 WILH. MÜLLER, gehörig betrachtet werden, doch erscheint bei der genauen Wiedergabe der Raupendornen durch die schwarzen Punkte die betreffenden An- nahme unabweisbar. Besondere Beachtung verdient das Vorkommen von zwei Ped\)unkten auf 8, 9, einem auf 10, je einem Dspunkt auf 4 — 10, 2 auf 11; beides entspricht genau der Anordnung der Raupendornen. Den Uebergang hätte man sich wohl in der Weise vorzustellen, dass die Domen ursprünglich [sämmtlich als conische Höcker mit schwarzen Spitzen erhalten waren (wie bei Victorina heute die Sds, Sst 6, 7, Ifst 7), dass die Höcker eine Rückbildung erfahren haben, nur die auszeich- nende Färbung an der Spitze geblieben ist. Für diese Deutung spricht noch der folgende Umstand: bei Victorina haben die Sds, Sst 6, 7, Ifst 7 eine gelbe Basis und schwarze Spitze. Bisweilen haben nun, entsprechend der gelben Basis der genannten Dornen, einzelne schwarze Punkte (Ä(?spunkte) einen gelben Ring. Schliesslich verdient hier noch die Thatsache Erwähnung, dass sich bei Anartia direct nach der Puppenhäutung an Stelle der Raupendornen undeutliche weisse Punkte finden, an deren Stelle im Verlauf mehrerer Stunden die schwarzen Punkte treten. Die schwarzen Punkte erleiden also entsprechende Umfärbungen wie die Raupendornen nach jeder Häutung. Gynaecia (T. XV Fig. 19). Es erhalten sich hier alle Dornen der Raupe, soweit sie nicht durch die Flügel verdeckt sind, ausser- dem finden sich Fusswärzchen an 7 — 9 und Wärzchen an Stelle der Bs ant 7—10, die der Raupe fehlen (siehe unten). Von den Dornen sind die Mehrzahl durch kleine Warzen repräsentirt , nur die Sds 7, 9, 10, durch grössere, Sds 11 {Sst 12?), durch kleinere rückwärts gerichtete höckrige Dornen mit langgezogener Basis. Wie sich bei Äcraea die Anlage der Sds 5 — 9 in den Dornen der Raupe erkennen lässt, so hier die der Sds 7, 9, 10. Bei der Gattung Ägeronia (T. XV Fig. 9, 10) fehlen Gebilde, die wir als Reste von Dornen ansprechen können, nahezu ganz; zwei winzige /S^Zshöcker auf 8, 9 bei Ägeronia arete sind das einzige, was ich in dieser Richtung zu erwähnen weiss. Bei den Epicaliinae bleiben als Reste von Dornen nur undeut- liche weisse oder schwarze Flecke. Bei Ilaematera finden wir die gesammten weissen Wärzchen der Raupe, soweit sie nicht durch das Einziehen der Segmente verdeckt, als weisse Punkte erhalten, die den Sds entsprechenden wie bei der Raupe grösser. Bei Catonephele acontius bleiben an Stelle der Ds, Sds, Sst 6, 7 kleine schwarze Punkte. Es ist leicht möglich, dass sich bei den verwandten Gattungen ähnliche unscheinbare Reste finden, die mir entgangen sind. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 645 Didonis (T. XV Fig. 7) hat unbedeutende SdshöckeY auf 2—9, Ä's^höcker auf 5—7 (die z. Th. nur schwer zu erkennenden Höcker sind in der Figur nicht alle gezeichnet). Bei Bynamine mylitta finden wir auf 2 und 5 je einen starken Vorsprung, der zweitheilig. Die Spitzen dieser Vorsprünge kenn- zeichnen sich, wenn wir die Beobachtung der frisch gehäuteten Puppe zu Hülfe nehmen, ohne weiteres als Reste der Sds, indem sie an Stelle der an den übrigen Segmenten sichtbaren, später verschwindenden Narben der Sds stehen; eine Identificirung der fraglichen Gebilde würde ohne Zuhülfenahme dieser Beobachtung kaum möglich sein. Adelpha. Leider liegen mir für die Gattung AdelpJia keinerlei Beobachtungen der Häutungen vor. Nun erscheinen durch die starke Ausdehnung der Puppe in der Mitte des Rückens, durch die Bildung einer Rückenkante, die fraglichen Gebilde derart zur Seite geschoben, dass wir über ihre Bedeutung in Zweifel sein können, doch spricht besonders ein Vergleich mit anderen Puppen dafür, dass wir die län- geren Puppendornen als Sds ansprechen dürfen. Die Beobachtung einer Häutung würde die Frage entscheiden. Die verschiedenen Arten verhalten sich bezüglich des Vorkommens von Dornenresten ziemlich verschieden. Bei serpa finden wir /ScZshöcker auf 2, 3, 5, 6, 7, die von 5 und 6 sind lang, dornartig entwickelt; iphicla, mytJira, n. sp. zeigen undeutliche Reste auf 2, deutlichere auf 5, 6, 7, abia und erotia auf 6 , 7 (bei ahia stark dornartig entwickelt), bei plesaure und isis fehlen deutliche Reste von Dornen. Bei den Arten, deren Raupen keine Dornen tragen, sei es, dass die Dornen von Haus aus fehlen (Danainae) oder verloren gegangen sind {Prepona, Änaea etc., Satyridae), fehlen der Puppe entsprechende Gebilde. Von der Schwanzgabel, die wir als Sst 12 auffassten, erhält sich nichts, wie überhaupt Segment 12 bei der Puppe kaum je Reste von Dornen zeigt, was durch die Umbildung desselben zum Cremaster bedingt. Das Fehlen dornartiger Gebilde bei den Puppen der secun- där dornenlosen Raupen ist insofern von Interesse, als es darauf hinweist, dass ein Verlust der Dornen bei der Raupe einen entsprechen- den bei der Puppe im Gefolge hat. Es kann fraglich erscheinen, ob das immer und unmittelbar der Fall. Gewisse Höcker der Puppe legen die Deutung nahe, dass sie Reste von bei der Raupe verloren gegangenen Dornen, die sich bei der Puppe erhalten haben; ich meine die Bs ant der Puppen vonHeli- coninen, von Gynaecia. Für die Eeliconinae waren wir geneigt, das 646 WILH. MÜLLER, Fehlen von Dsdornen für ein ursprüngliches zu halten, doch erscheint die entgegengesetzte Annahme, dass das Fehlen ein secundäres, durch Ausfall bewirktes, kaum weniger berechtigt. Immerhin wäre es sehr gewagt, einen Ausfall allein mit Rücksicht auf das Vorhandensein von Ds ant bei der Puppe anzunehmen. Anders bei Gynaecia; hier hätte die erst gegebene Deutung insofern einige Wahrscheinlichkeit, als das Vorkommen von Ds ant bei der Gynaecia in der Bedornung so überaus nahe stehenden Gattung Smyrna es wahrscheinlich macht, dass der Verlust der Ds ant bei der Raupe neueren Datums. Eine andere Deutung wäre die, dass Puppen, die aus irgend welchem Grund höckrige Gestalt angenommen , sich in der einmal eingeschlagenen Richtung weiter entwickelten. So haben wir, denke ich, die über- zähligen Höcker auf 2 bei Colaenis aufzufassen, so wohl auch die Ds ant der Heliconinae, die Sds auf 1 bei Eueides. Ueberblicken wir noch einmal die bei der Puppe vorgefundenen als Dornen oder Dornenreste angesprochenen Gebilde , so muss in erster Linie die weitgehende Dilferenzirung innerhalb derselben auffallen. Die Dornen der SdsvQxho, sind fast durchgehends die einzigen, die eine bedeu- tendere Ausbildung erlangen ; ihnen gegenüber erscheinen die anderen als bedeutungslose Reste, soweit sie nicht überhaupt zurückgebildet sind. Innerhalb dieser Reihe sind wieder die Segmente 5 — 10 die bevorzugten. Die Diflferenzirung der Puppendornen geht im allge- meinen viel weiter, als die der Raupendornen. Es hängt das augen- scheinlich zusammen einmal mit der besonderen Gestaltung der Puppe, dann aber auch mit der abweichenden Bedeutung, welche die Dornen für Raupe und Puppe haben. Bei den Raupen mussten wir sie, etwa mit Ausnahme der Gattungen Adelpha, Dynamine, Temenis, als Waffen, als Vertheidigungsmittel betrachten; bei den Puppen stehen sie fast ausschliesslich {Heliconius, Pyrameis Ausnahme V) in Beziehung zu dem Gesammtbild des Thieres. Unsere mangelhafte Kenntniss des Schutzes, den die Puppen geniessen, gestattet uns oft nicht, bestimmt zu sagen , welche Bedeutung das Aussehen des Thieres hat , ob die Dornen es auffällig machen sollen oder verbergen, doch scheint es sich, und das ist das Wichtige, bei der Ausbildung der Puppendornen fast ausnahmslos um ein Mittel zum Verbergen oder Augenfällig- machen zu handeln, nur ausnahmsweise um eine eigentliche Waffe, und daraus würde sich vorwiegend die so verschiedenartige Ausbildung der Dornen bei Raupe und Puppe erklären. Es ist von einigem Interesse zu sehen, wie die gleichen Organe, entsprechend der verschiedenartigen Rolle, die sie für das Leben des- Südamerikanische Nymphalidenraupen. 647 selben Individuums spielen, sich verschiedenartig entwickeln; die That- sache erscheint fast interessanter, die Macht der Naturauslese eher grösser, wenn wir mit gleichen Mitteln so Verschiedenartiges erreicht sehen, als wenn wir Raupen- und Puppendornen als ganz heterogene Gebilde betrachten, von denen jedes selbständig im betreffenden Sta- dium entstanden. Wir haben im Vorhergehenden eine Ansicht geltend gemacht, die an sich nahe liegend , kaum einer näheren Begründung zu bedürfen scheint, die aber doch hier noch kurz besprochen werden muss. Wir betrachteten die Puppendornen als ein Erbtheil aus der Raupenzeit; der fragliche Character wäre danach während des Raupenstadiums entstanden, hätte sich von da auf das Puppenstadium übertragen. Die Ausbildung der Puppendornen lässt augenscheinlich keine andere Deu- tung zu; so der Umstand, dass die Dornen bei nahe verwandten Gattungen oder auch innerhalb derselben Gattung {Heliconius) eine so verschiedenartige Ausbildung erlangen, wie der weitere, dass ge- wisse Dornenreihen {Ifst und Ped) nur als bedeutungslose kleine Höcker auftreten. Andererseits scheint auch der Umstand beweisend, dass die Dornen hervorgegangen sind aus Gebilden, die nur bei der Raupe in typischer Ausbildung vorkommen, aus den Wärzchen secun- därer Borsten. Anders liegen die Verhältnisse vielleicht für die Hörner. Hier tritt zunächst der Fall ziemlich häufig ein, dass die Raupe der Hörner entbehrt, die Puppe dieselben besitzt {Hypanartia, Pyrameis^ Phycio- des, Dynamine, Adelphd). Nun könnte man ja dieses Vorkommen ähnlich deuten wie das der Ds ant bei Gynaecia, doch verdient noch ein anderer Umstand Beachtung : Kopfspitzen oder Hörner finden sich bei den Puppen auch in anderen Familien der Rhopaloceren, bei denen die Annahme durchaus berechtigt, dass die Raupen nie Hörner be- sessen haben , so bei den Danainen , Papilioniden. Wollen wir nicht die Annahme einer Homologie der Kopfspitzen der Danainen mit denen der echten Nymphalinen fallen lassen, so haben wir die Hörner der Puppe als selbständige Abänderung des Puppenstadiums zu be- trachten. Es bleiben dann zwei Annahmen möglich über die Beziehungen von Raupenhörnern und Puppenhörnern. 1) Die Raupenhöruer sind ein Character übernommen aus dem Puppenstadium; 2) Raupen- und Puppenhörner sind selbstständig in den verschiedenen Stadien ent- standen. An sich würde uns wohl die zweite Auffassung als die sympa- thischere erscheinen, besonders mit Rücksicht auf die engen morpho- 648 WILH. MÜLLER, logischen Beziehungen, welche sich zwischen Dornen und Hörnern nachweisen lassen, doch scheint es kaum möglich, einen scharfen Nach- weis für die eine oder andere Annahme zu liefern. Eine Thatsache verdient Erwähnung: bei Temenis agatha ziehen sich bei der Puppen- häutung die Hörner der Puppe aus denen der Raupe heraus, was wir im allgemeinen als das Zeichen einer morphologischen Zusammenge- hörigkeit zu betrachten pflegen '). Daraus könnte man dann folgern, dass die erste Annahme die richtige, dass die Raupenhörner über- nommen als Erbtheil aus dem Puppenstadium. Trotzdem halte ich die zweite Annahme für die wahrscheinlichere, dass Raupen- und Puppen- hörner selbständige Abänderungen beider Stadien, nur wäre auf Grund der angeführten Thatsache die Annahme dahin zu modificiren, dass beiderlei Gebilde nachträglich mit einander in Beziehung treten können. Es handelt sich hier um Annahmen, bei denen eine weitere Begrün- dung wenigstens an der Hand des vorliegenden Materials nicht mög- lich scheint. Wir glauben den Nachweis geliefert zu haben, dass sich während der Raupenzeit entstandene Auhangsgebilde auf die Puppe übertragen ; in anderen Fällen schien die Deutung die natürlichste, dass Anhangs - gebilde beider Stadien secundär in Beziehung getreten. Es würde sich naturgemäss der Fall anreihen, dass Anhänge der Puppe auf die Raupe übertragen werden. Ich kenne kein Beispiel für eine ähnliche Uebertragung. Bei der Puppe entstehen nur ausnahmsweise selbst- ständig ähnliche Anhangsgebilde wie die Raupendornen; wo das ge- schieht, sind dieselben der Mehrzahl nach nicht zu einer Uebertragung auf das Raupenstadium geeignet (Dornen an den Fühlern von Heli- conius , an der Flügelbasis von Timetes). Auch wo ein ähnliches Hinderniss der Uebertragung nicht vorhanden {Sds 1 , Ds mit bei Eueides, Dornen bei JEuterpe tereas), scheint dieselbe nicht stattzu- finden, wenigstens kenne ich kein Beispiel dafür. 1) Es ist das die einzige Beobachtung, die ich in dieser Richtung gemacht. Bei der Gattung, welche als Puppe die längsten Hörner be- sitzt {Ageronia) , gehen die Hörner der Puppe nicht aus denen der Raupe hervor, dieselben sind direct nach der Puppenhäutung in das Innere des Kopfes eingestülpt, werden, gleich den Hörnern einer Schnecke, von der Basis nach der Spitze fortschreitend ausgestülpt. Man kann diese Anlage der Puppenhörner für bedingt halten durch die Vergrösse- rung derselben, in Folge deren die Raupenhörner nicht mehr genügenden Platz zur Anlage boten. Das Verhalten würde die Annahme einer mor- phologischen Beziehung von Raupen - und Puppenhörnern nicht aus- schliessen, es kann aber natürlich auch nicht als Grund für dieselbe bei- gebracht werden. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 649 Die Beeinflussung der Gestalt der Raupe durch die Puppe scheint sich auf den Gesammthabitus der Raupe zu beschränken; eine solche dürfte in dem gleich zu besprechenden Fall vorliegen. Bekanntlich macht die Raupe, nachdem sie aufgehört hat zu fressen, bis zur Ver- puppung eine Reihe von Veränderungen durch, welche die mit der Verpuppung verbundenen Umwandlungen vorbereiten, richtiger die Vorbereitungen zum Abschluss bringen. Diese Vorbereitungen können das Aeussere der Raupe unberührt lassen, können aber auch in Ver- änderungen der Farbe, besonders der Annahme sonst nicht vorkom- mender Stellungen, Zurückziehen des Kopfes, Zusammenziehen der Thoracalsegmente, kreisförmigem Zusammenziehen des ganzen Körpers, so dass der Kopf den After berührt {Prepona, Siderone^ Änaea), äusserlich sichtbar werden. Als eine solche Vorbereitung ist es auch anzusehen , wenn bei einer Anzahl von Arten , bei denen die Puppen von 6 an ziemlich stark verjüngt, die Raupen, während sie bereits hängen, eine entsprechende Gestalt annehmen, sich nach der Mitte hin verdicken, sich von da nach vorn wenig, nach hinten stärker ver- jüngen. Sicher steht diese Vorbereitung mit der betreffenden Gestalt der Puppe in Zusammenhang. Dieselbe findet sich bei Catagramma pygas ; bei der nahe verwandten Callicore meridionalis beginnt die Ver- dickung bereits während der Mitte des 5. Stadiums, während das Thier noch frisst; bei Haematera pyramus wird sie bereits gegen Ende des 4. Stadiums sichtbar. Natürlich lässt sich eine Grenze, wo die Verdickung beginnt, nicht ziehen, die cylindrische Körperform geht ohne Grenze in die nach der Mitte zu verdickte über. Man könnte einen ähnlichen Vorgang als Ausgangspunkt für die Entstehung der verdickten Körperform bei Apatura und bei den dornenlosen Nymphalinen {Prepona etc.) , denen sich die Satyridae anschliessen würden, annehmen; von den genannten Fällen hat der näher besprochene zunächst das voraus, dass die genannten Arten einer eng begrenzten natürlichen Gruppe angehören, die übrigens rein cylindrische Raupen aufweist, dass also die nach der Mitte zu ver- dickte Körperform nicht nur mit Rücksicht auf ihr spätes Auftreten in der Ontogenese als sehr neue Abänderung aufzufassen. Weiter sehen wir bei einem Vergleich der Arten so zu sagen direct, wie die Körperform entsteht, wie sie zurückrückt, und darin scheint vor allem das Ueberzeugende des Falles zu liegen. Zeichnung von Raupe und Puppe. Eine genügende Besprechung dieser Beziehung wäre nur möglich 650 WILH. MÜLLER, an der Hand histologischer und physiologischer Untersuchungen, be- sonders wäre eine Kenntniss der physiologischen Vorgänge, welche der Umfärbung der Puppe zu Grunde liegen, dringend gefordert. Andererseits ist hier mehr als bei der Körperform eine directe Beob- achtung der Häutung nothwendig. Die Contraction der Segmente nach der einen Richtung, ihre Ausdehnung nach der anderen bewirken derartige Verschiebungen, dass es ohne directe Beobachtung der Häu- tung schwer hält, die Zeichnungselemente zu identificiren , zumal sich dieselben nur selten unverändert erhalten. Für solche Beobachtungen bietet sich aber die Gelegenheit ziemlich selten , da zahlreiche Arten sich constant bei Nacht verpuppen. Trotz dieser Schwierigkeit ist der Nachweis möglich , dass Be- ziehungen existiren. Am leichtesten zu führen scheint derselbe bei einer Ithomiine, deren Raupe und Puppe wir im nächsten Capitel kennen lernen werden, Thyridia themisto. Die Raupe dieser Art ist tief sammetschwarz mit orange Querbinden, welche das dritte Viertel jedes Segmentes (die 3. Hautfalte) einnehmen , in der Gegend des Stigmas etwas verschmälert sind. Direct nach der Häutung ist die schwarze Grundfarbe des Thieres total ausgelöscht, an ihrer Stdle das Thier gelblich durchscheinend , dagegen haben sich die orangefarbenen Querringe auf dem dritten Viertel der Segmente erhalten, und zwar genau in gleicher Form und Ausdehnung wie bei der Raupe, nur sind sie in Folge der Einziehung der Segmente dem hinteren Segmentrand mehr genähert. Diese Querringe dehnen sich auch, das erlauben die durch- scheinenden Flügel deutlich zu erkennen, über die von den Flügeln des Körpers verdeckten Theile des Körpers aus, finden sich also, wie bei der Raupe, in segmentaler Anordnung. In wenigen Stunden erscheint dann die aus Fig. 22 T. XV ersichtliche dunkle Zeichnung; dieselbe beschränkt sich indessen auf die von den Flügeln frei gelassenen Partien, findet sich nicht unterhalb der Flügel. Während also diese Zeich- nung einerseits (in der Anordnung der stigmalen und sds Flecke) dem Gesetz der segmentalen Wiederholung gehorcht, trägt sie doch andererseits der besonderen Gestaltung der Puppe Rechnung. Es characterisiren sich hier die gelben Ringe als Erbtheil aus der Raupen- zeit dadurch, dass sie ohne Unterbrechung fortbestehen und dass ihre Anordnung der Körperbildung der Puppe keine Rechnung trägt; für die schwarze Zeichnung gilt in jeder Richtung das Umgekehrte. Dass die orangefarbenen Ringe eine höchst untergeordnete Rolle für die Zeichnung der Puppe spielen, dass sie gegen Ende der Puppenzeit bis zur Unkenntlichkeit verblassen , ändert an der theoretischen Be- deutung der Thatsache nichts, in ihrer geringen Bedeutung für das Südamerikanische Nymphalidenraupen. 651 Leben des Thieres ist wohl die Ursache dafür zu suchen, dass sie so unverändert erhalten. Eine auffallende Thatsache ist die, dass sich in dem vorliegenden Fall dunkle Grundfarbe und helle Zeichnung so durchaus verschieden- artig verhalten (cuticulare und hypodermale Pigmentablagerung ?), doch findet sich dieser Gegensatz, so weit meine Beobachtungen reichen, ganz allgemein, vorausgesetzt dass die helle Zeichnung nicht bereits vor der Häutung verblasst. Direct nach der Häutung ist die dunkle Grundfarbe ausgelöscht, die helle Zeichnung findet sich mit allen Einzelheiten wieder, während an Stelle der dunklen Grundfarbe der Körper nicht pigmentirt, sondern grünlich oder gelblich durchschei- nend ist. Die helle Zeichnung kann dann auch innerhalb kurzer Zeit schwinden, oder durch Verschmelzen, Auslöschen, Ausbreiten ganz neue Zeichnungsformen schaffen, die anscheinend nichts mit derjenigen der Raupe zu- thun haben. So finden wir direct nach der Häutung die so complicirte helle Zeichnung von Ägeronia amphinome 5. St. mit allen Einzelheiten erhalten. Durch ähnliche Processe wie die ge- nannten, zu denen ein Fortwachsen des sich bildenden Streifens nach vorn kommt, geht dieselbe in die ziemlich einfache mattweisse Längs- streifung der Puppe über. Da manche Veränderungen in der Zeichnung der Puppe sich über das ganze Puppenstadium erstrecken (z. B. das Auslöschen der orange Querbinden bei Thyridia, der hellen Wärzchen bei Haematera) ^), so könnte man solche Fälle wie den von amphinome in der Weise erklä- ren, dass diese Veränderungen sich ursprünglich auf das ganze Sta- dium erstreckt haben, allmählich in der Weise zusammengezogen worden sind, dass sie sich jetzt in einer oder in wenigen Stunden abspielen. Dann wäre auch die Annahme berechtigt, dass die betref- fenden Abänderungen die Phylogenese reproduciren. Diese Annahme halte ich in der That in manchen Fällen für zulässig, nur ist dabei zu bemerken, dass sich auch die Zeichnung der Raupe verändert haben kann, nachdem die der Puppe fixirt. Gerade Ägeronia scheint dafür ein Beispiel zu liefern, da die Zeichnung der Puppen von epinome, n. sp., fornax, amphinome ähnliche helle Streifen aufweist (von der Grundfarbe dürfen wir absehen), während die der Raupen sehr ver- schieden. Gehen also bei Ägeronia amphinome Theile der hellen 1) Das evidenteste Beispiel fiir fortdauernde Veränderung der Zeich- nung im Puppenstadium ebensowohl wie im 5. E-aupenstadium liefert Narope cyllastros. Leider habe ich es versäumt, Zeichnungen zu fertigen oder auch nur genauere Notizen zu machen. 652 WILH. RIÜLLER, Raupenzeichnung in die definitive helle Puppenzeichnung über, so folgt daraus noch keineswegs ein genetischer Zusammenhang beider Zeichnungsformen, es kann einmal ein solcher Zusammenhang zwischen heller Zeichnung von Raupe und Puppe existirt haben, doch hat sich dieselbe bei einer von beiden seitdem wesentlich verändert, vielleicht auch bei beiden. Diese nachträglichen Veränderungen werden in den ersten Stunden des Puppenstadiums ausgeglichen. Ich will hier noch einen Fall erwähnen, in dem es sich anschei- nend um Beziehungen von Raupen- und Puppenzeichnung handelt; leider fehlt mir hier die directe Beobachtung der Häutung. Bei Co- laenis Julia finden wir im letzten Stadium der Raupe eine auffallende Differenz in der Färbung der Segmente (T. XII Fig. 10b); die Seg- mente 5, 7, 9, 11 waren heller gefärbt als die übrigen, und zwar handelt es sich vorwiegend um die Basis der Sds und die darunter liegende Region, welche bei den genannten Segmenten überwiegend weiss und grau, bei den übrigen schwarz und grau war. Wenn wir nun bei der Puppe von den genannten vier Segmenten zwei, 7 und 9, in ähnlicher Weise ausgezeichnet finden, die ^St^shöcker hier überwiegend weiss, bei den übrigen schwarz sind, so liegt es nahe, hierin eine Be- ziehung zur Raupenzeichnung zu sehen, obgleich sich die helle Färbung auf zwei Segmente beschränkt. Aehnlich ist die Puppe von Colaenis dido gefärbt, und auch bei der Raupe finden wir ähnliche Unterschiede in der Färbung der Segmente, doch nur während der früheren Sta- dien; die Unterschiede verwischen sich während des 4. Stadiums bis auf minimale Reste, und so bleibt die Zeichnung im 5. Stadium (T. XII Fig. 12b). So würden wir hier, wenn wir in der hellen Färbung der Sdshöcker auf 7 und 9 überhaupt eine Beziehung zur Raupenzeich- nung erblicken, einen Fall vor uns haben, in dem eine von der Raupe auf die Puppe übertragene Zeichnung bei der Raupe im letzten Sta- dium verloren gegangen ist, sich bei der Puppe erhalten hat, ein Fall, welcher der oben für die Dshöcker von Gynaecia geltend gemachten Auffassung als Stütze dienen kann. In den genannten Fällen, in denen die Beziehungen von Raupen- und Puppenzeichnung ziemlich klar, also bei Tliyridia und Colaenis, denen sich der schon bei Besprechung der Körperform genannte von Haema- tera anreiht, haben wir es augenscheinlich mit einer Uebertragung von Characteren der Raupe auf die Puppe zu thun. Wenn besonders bei Thyridia und Haematera die übernommenen Zeichnungselemente nur eine geringe Rolle spielen, so thut das, wie gesagt, der theore- tischen Bedeutung der Fälle keinen Eintrag, vielmehr erscheint das Südamerikanische Nymphalidenraupen. ß53 als Vortheil oder als Bedingung dafür, dass die Beziehungen klar zu Tage treten. Sobald diese Zeichnungselemente für das Gesammtbild der Puppe eine Rolle spielen , dann wird sich die Naturauslese ihrer bemächtigen, wird sie, sobald sich Varietäten bieten, entsprechend der Gestalt und den besonderen Existenzbedingungen der Puppe abändern, dadurch den Nachweis von Beziehungen schwierig oder unmöglich machen. Für den umgekehrten Vorgang, die Beeinflussung der Raupen- zeichnung durch die Puppenzeichnung liegen die Verhältnisse ähnlich wie für die Körperform; wie dort machen sich zunächst während der Ruheperiode Vorbereitungen für das Puppenstadium geltend, rücken dann schrittweise weiter zurück. Die Verhältnisse liegen hier für eine Beobachtung insofern günstiger, als wir in der Lage sind, den Punkt, wo die Veränderung bei der Raupe beginnt, leidlich genau zu bestimmen, so dass wir individuelle Schwankungen mit in Betracht ziehen können. Ich gebe die Thatsachen. Bei Hypanartia leihe wird die Raupe, nach- dem sie sich zur Verpuppung aufgehängt hat, durchscheinend grün, ebenso bei Prepona und Morpho, doch erhält sich hier, wenn auch verblasst, die dunkle Zeichnung. In einem Fall konnte ich beobachten, dass eine Raupe von Prepona demophon bereits 24 Stunden bevor sie aufhörte zu fressen, grün durchscheinend wurde. Bei Änaea phidile und Bynamine tithia (bei letzterer Art mit gewissen Complicationen) tritt der Wechsel ungefähr während der Mitte des 5. Stadiums ein^). Ich sehe in der That nicht ein, wie man die Consequenz ver- meiden will, dass es sich hier um ein stetiges Zurückrücken vorbe- reitender Vorgänge handelt; der Fall von Prepona demophon scheint mir besonders überzeugend; andererseits leben Änaea phidile und Bynamine tithia im 5. Stadium den Augen der Feinde entzogen, natürliche Zuchtwahl kommt also nicht in Betracht. Dann scheint mir aber auch die weitere Consequenz unvenneidlich , dass Formen wie Bynamine mylitta, vielleicht auch Apatura^ die in der Mehrzahl 1) Man wird bei Anaea phidile einwenden, dass ja die Puppe di- morph, dass bei der dunklen Form ein grünes vorbereitendes Stadium überflüssig. Der Einwand würde sicher wegfallen , wenn wir die Natur des Dimorphismus genau kennen würden ; ich kann hier nur so viel sagen, und das genügt zur Beseitigung des Einwandes, dass in allen von mir beobachteten Fällen von Dimorphismus die Puppe direct nach der Häutung die helle Färbung zeigt, oft erst nach Stunden zur dunklern übergeht. Ein ähnlicher Vorgang findet sich bei vielen monomorphen, nur dunkel gefärbten Puppen. 654 WILH. MÜLLER, der Stadien vorhandene grüne Färbung unter dem Einfluss ähnlicher Processe erworben haben, wobei ja die Annahme nicht ausgeschlossen, dass das Zurückrücken der grünen Färbung durch Naturauslese be- günstigt. Weiter kann ja die ursprünglich auf einem Mangel der Pigmeutablagerung beruhende grüne Färbung nachträglich durch eine hypodermale Pigmentablagerung zu einer intensiveren, der Umgebung besser angepassten werden. In den vorliegenden Fällen würde es sich nach unserer Autfassung bei einer Beeinflussung der Raupenfärbung durch die Puppe nur um ein Schwinden des Pigmentes handeln, wodurch die grüne Körper- masse zum Vorschein kommt; ob Uebertragung einer Puppenfärbung, die auf wahrer Pigmentirung beruht, stattfinden kann, lässt sich nicht entscheiden. Daraus, dass kein Fall zur Beobachtung gekommen ist, lässt sich kein diesbezüglicher Schluss ziehen. Eine auf echter Pig- mentirung beruhende Zeichnung oder Färbung wird ihrer Natur nach viel leichter variiren, entsprechend der besonderen Gestalt, den beson- deren Existenzbedingungen von Raupe und Puppe abgeändert werden, als eine auf Blut und Körpermasse beruhende. Genetische Beziehungen werden sich deshalb im ersten Fall leichter unserem Blick entziehen als im zweiten. Ueberblicken wir noch einmal die wenigen Thatsachen, die wir bezüglich des Zusammenhangs der Raupen- und Puppenfärbung anzu- führen vermochten, so scheint die Annahme, dass es sich bei dem Gegensatz von dunkler Grundfarbe und heller Zeichnung (eventuell auch umgekehrt) um den Gegensatz von cuticularer und hypodermaler Pigmentablagerung handelt, mit Rücksicht auf das verschiedene Ver- halten beider als unabweisbar. Dass in der Cutis abgelagerte Pigmente schwinden in dem Augenblick, wo die Cutis abgeworfen, ist selbstver- ständlich, dass Pigmente, die in Gewebselementen liegen, die aus einem Stadium mit in das andere herübergenommen werden, sich nicht so plötzHch ändern können, ist es nicht weniger. In der That liegt darin, dass eine Aenderung der Färbung in den subcuticularen Schichten einige Zeit für sich in Anspruch nehmen muss, dass dieselben bald vor der Häutung beginnen, bald um Stunden oder selbst Tage über den Moment der Häutung hinwegreichen, ein sehr beachten swerthes Moment für jeden Vergleich von Raupen und Puppenzeichnuug ; in dem liiuüberreichen nach der einen oder anderen Richtung bietet sich der Angriffspunkt für die dauernde Erhaltung, resp. weitere Ausbrei- tung der betreffenden Eigenthümlichkeiten. Dass eine solche Erhaltung resp. Ausbreitung stattfindet, das Südamerikanische Nymphalidenraupen. 655 suchten wir durch die gegebenen Fälle wahrscheinlich zu machen. Ist anders die von diesen Fällen gegebene Deutung richtig, so ist das Resultat unserer Untersuchung über die Zeichnung von Raupe und Puppe das gleiche wie das beim Vergleich der Körperform von Raupe und Puppe gewonnene. Das Resultat, welches wir zugleich als das Haupt- ergebniss unserer diesbezüglichen Untersuchung hinstellen können, lautet : Neue Charactere des Raupenstadiums vermögen sich auf das Puppenstadium zu übertragen und umgekehrt. Wir kehren noch einmal zur Beziehung der Raupensta- dien zu einander zurück, um dieselben unter den Gesichtspunkten zu betrachten, die wir beim Vergleich von Raupe und Puppe gewonnen. Was wir von den mit der Puppenhäutung verbundenen Vorgängen sagten, das gilt nothwendig auch von den Raupeuhäutungen : Aende- rungen in der Färbung subcuticularer Gewebe gehen nicht plötzlich vor sich, sondern greifen nach der einen oder anderen Seite über die Häutung hinaus. Vielleicht in der Mehrzahl der Fälle zeigt das Thier direct nach der Häutung die Zeichnung des vorhergehenden Stadiums, nimmt dann im Verlauf weniger Stunden die definitive des nächsten Stadiums an, doch kann die neue Zeichnung auch bereits vor der Häutung sichtbar werden {Ägeronia fornax). Während aber Bezie- hungen in der cuticularen Färbung bei Raupe und Puppe nicht zu erkennen waren, existiren dieselben unzweifelhaft zwischen den einzelnen Raupenstadien, und darin könnte man einen wesentlichen Unterschied zwischen Raupenhäutung und Puppenhäutung sehen. Wie sich bei der Puppenhäutung nicht alle Abänderungen in der kurzen der Häutung vorausgehenden und nachfolgenden Periode voll- ziehen, manche Veränderungen sich über das ganze Puppenstadium ausdehnen, so auch bei den Raupen (hier auch in der cuticularen Pigmentablagerung). Beispiele dafür liefern Eueides, Colaenis, Cato- nephele^ Änaea; die Beispiele würden sich leicht vermehren lassen, wenn man bei der Untersuchung diesen Punkt besonders berücksich- tigte*). Obwohl nun im allgemeinen die Fälle häufiger sind, in denen die Veränderungen der Zeichnung im engen Anschluss an die Häutung erfolgen, so dürfte doch in einer stetigen Veränderung das ursprüng- liche Verhalten zu sehen sein, das Zusammendrängen der Veränderung auf die Periode der Häutung erst secundär erfolgen, vermuthlich im Zusammenhang mit den mit der Häutung verbundenen physiologischen Processen. 1) Weismann und Poulton erwähnen ähnliche Fälle. 656 WILH. MULLER, Die Frage, ob die jüngeren Stadien auch die älteren beeinflussen, mussten wir für Raupe und Puppe entschieden mit , ja" beantworten, und ich sehe nicht, wie man die Consequenz vermeiden will, dass eine ähnliche Beeinflussung auch bei den Raupenstadien möglich. Durch die Annahme, dass sich neue Charactere auch in früheren Stadien ausbilden können, so wie durch die weitere, dass dieselben sich auf spätere Stadien übertragen können , wird ja die Discussion des ein- zelnen Falls eine viel schwierigere, die Zahl der in Rechnung zu ziehenden Möglichkeiten eine grössere. Wenn z. B. bei Gynaecia dirce (T. XIII Fig. 5 b, c, d) die Dornen im 3. Stadium bis auf die Spitze schwarz, im 4. bis auf die Basis gelb, im 5. ganz gelb sind, so lässt sich der Fall ebensowohl in der Weise deuten, dass die ursprüngliche Farbe der Dornen schwarz, die gelbe Farbe des 5. Stadiums sich hier ausgebildet, dass weiter die gelbe Farbe in der gleichen Weise, wie sie im 5. Stadium aufgetreten, von der Spitze nach der Basis vordringend , sich jetzt im 4. Stadium geltend macht, wie auch in der umgekehrten, dass die Dornen ursprüng- lich gelb oder wenigstens hell gefärbt waren, die schwarze Farbe sich ausgebildet im 3. Stadium, sich jetzt auf das 4. Stadium über- trägt und zwar ebenfalls in der gleichen Weise, wie sie im 3. Stadium aufgetreten, von der Basis nach der Spitze fortschreitend. Eine ähn- liche Auflassung scheint in allen den Fällen zulässig, in welchen sich die Entwicklung darstellt als der Kampf zweier Färbungen, von denen die eine vordringt, die andere zurückweicht, ohne dass damit eine Complication der Zeichnung verbunden (Kopf von Brassolis und andere Fälle). Die Annahme, dass die Färbung des letzten Stadiums die phyletisch jüngste, der Kampf, wie er jetzt im Lauf der Stadien vor sich geht, früher einmal im letzten Stadium stattgefunden hat, mag im Vergleich mit der anderen, dass das erste oder eines der ersten Stadien den Ausgangspunkt bildet, die grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben, denkbar sind beide Fälle. Anders liegen ja die Verhältnisse, wo die aufeinander folgende Stadien eine stetige Complication der Zeichnung mit sich bringen, wofür die Sphingiden zahlreiche Beispiele liefern (vergl. Weismann 1. c); hier ist die Annahme berechtigt, dass sich Ontogenese und Phylogenese decken, doch müssen wir auch hier vorsichtig mit unseren Schlüssen sein, nicht immer ist die einfachere Zeichnung die ursprünghchere, die Phylogenese hat oft genug vom Zusammengesetzteren zum Ein- facheren geführt (Unterdrückung der weissen Farbe der Wärzchen, Südamerikanische Nymphalidenraupen. ß5t Uebergang von wechselnder Färbung der Segmente zu gleichartiger, in der Körperform Rückbildung der Dornen). Wir beschränkten uns im Vorhergehenden im wesentlichen auf die Besprechung der untersuchten Nymphaliäae , doch scheint es mit Rücksicht auf das allgemeinere Interesse , welches sich z. Th. an die Fragen knüpft, gefordert, andere Familien ebenfalls in Betracht zu i ziehen. Für die Beziehungen der einzelnen Raupenstadien zu ein- ander ist mir keine andere Familie hinreichend bekannt, um die dort vorkommenden Verhältnisse verwerthen zu können. Weismann's Unter- suchungen an Sphingiden wurden verschiedenfach erwähnt, auch dass die Resultate derselben z. Th. wesentlich andere als die, zu denen wir gekommen. Ob das nur auf der Verschiedenheit des untersuchten Materials beruht, ob die bei den Sphingiden beobachteten Thatsachen z. Th. auch einer anderen Deutung zugänglich, wage ich ohne eigene Untersuchung des Materials nicht zu entscheiden. Was die Beziehungen von Raupe und Puppe betrifft, so berück- sichtigen die mir bekannt gewordenen Beschreibungen dieselben durch- aus nicht. Eine rühmhche Ausnahme macht E. B. Poulton, welcher (1. c. 1 p. 51) feststellt, dass sich bei verschiedenen Species der Gat- tung Ephyra der Dimorphismus der Raupe bei der Puppe erhält, so dass helle Raupen nur helle Puppen, dunkle Raupen nur dunkle Puppen liefern. Eine weitere diesbezügliche Beobachtung Poulton's werden wir gleich zu erwähnen Gelegenheit haben. Im übrigen steht der geringen Zahl von Fällen, in denen wir formbestimmende Bezie- hungen zwischen Raupe und Puppe nachweisen konnten ^), die grosse Zahl der Fälle gegenüber, in denen solche Beziehungen durchaus fehlen. Nun stehen diese Fälle mit den vorgetragenen Anschauungen nicht in Widerspruch; niemand wird behaupten wollen, dass solche engere formbestimmende Beziehungen bei allen Arten existiren, es handelt sich nur um den Nachweis, dass sie irgendwo existiren; doch bietet eine grosse Zahl dieser Fälle eine eigenthümliche Schwierigkeit. Bei allen den Augen der Feinde entzogenen Puppen scheint die Körperform, soweit sie nicht durch die Gestalt des Schmetterlings, durch Vorrichtungen zum Herausarbeiten aus der Hülle bestimmt wird, bedeutungslos, überhaupt bedeutungslos erscheint aber die Zeich- 1) Weitere Untersuchungen würden die Zahl der Fälle jedenfalls vermehren. Zoolog, .lahrb. I. 42 658 WiLH. MÜLLER, Dung oder Färbung der Puppe. So sollten wir erwarten, hier am deutlichsten die Beziehungen zur Raupe ausgesprochen zu finden. Dass dem nicht so ist, dass die Puppe eines Saturniden keine Spur von den Raupendomen, die eines Sphingiden keine Spur von der Raupenzeichnung aufweist, ist bekannt. Nun mag es noch verständ- lich erscheinen, wenn die Körperanhänge schwinden, da dadurch Material zum Aufbau des Schmetterlingskörpers gewonnen wird ; ebenso . verständlich würde es sein , wenn bei der Verpuppung die Pigmente überhaupt schwinden würden, die Puppe farblos erschiene. Dem ist aber nicht so, an Stelle der Zeichnung oder Färbung der Raupe tritt (Sphingidae^ Saturnidae) meist eine dunkelbraune oder schwarze glän- zende Färbung. Ich glaube, die Deutung des Falls würde uns wenig Schwierigkeiten bereiten, wenn wir die physiologischen Processe kennten, die der Ausbildung der schwarzbraunen Färbung zu Grunde liegen. Soweit meine Beobachtungen reichen, erfolgt bei den Raupen der ge- nannten Familien vor der Verpuppung eine ziemlich vollständige Rück- bildung der Pigmente ' ). Die dunkle Färbung der Puppe beruht jeden- falls nicht auf eigentlicher Pigmentablagerung, die Hypothese von PouLTON, 1. c. 3 p. 295, dass der Process der Verdunklung bei der Puppe ein ähnlicher wie derjenige der Coagulation des Blutes unter dem Einfluss der Luft, dürfte der Wahrheit nahe kommen. Ziehen wir schliesslich noch die Imagines mit in Betracht. Als bekannt darf vorausgesetzt werden, dass die Gestalt der Puppe in sehr hohem Grade durch die der Imagines bestimmt wird (Gestalt der Fühler, Flügel, des Flügelgeäders etc.), wobei es sich ja augen- scheinlich um eine Beeinflussung der Puppe durch die Imago handelt. Ob eine Beeinflussung in der umgekehrten Richtung vorkommt, ist schwer zu entscheiden ; das dichte Haarkleid des Schmetterlings würde jeden derartigen Rest verdecken. Die Schmetterlinge sind in dieser Beziehung das unglücklichste Object zur Untersuchung, das man wählen kann. Undenkbar ist es keineswegs, dass sich Eigenthümlich- keiten, die aus der Raupenzeit stammen, beim Schmetterling wieder- finden. Beispielsweise halte ich die Annahme für nicht unwahrschein- lich, dass die Verschiebung eines Stigmas bei der Raupe (Cataclysta Stigma 1 , Prepona etc. Stigma 5) sich beim Schmetterling erhält, doch wäre dieselbe in Folge der ungleichen Gestaltung der Segmente bei der Imago schwer nachzuweisen. Auch eine wechselseitige Be- 1) Nach PouLTON 1. c. 3 p. 278 erhalten sich bei Sphinx ligustri die weissen Schrägstreifen bis nach, der Puppenhäutung, werden aber durch die auftretende dunkle Färbung yurdeckt. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 659 Stimmung des Gesammthabitus (schlanke oder gedrungene Körperform) scheint vorzukommen. Schliesslich sei an dieser Stelle eine allgemein bekannte That- sache erwähnt, die sich in ganz anderen Ordnungen der Insecten findet, aber doch in diesem Zusammenhang erwähnt werden muss: das Vorkommen von Resten der Tracheenkiemen bei den Imagines von Trichopteren und Perl i den. Sicher haben wir es hier mit einer Beeinflussung der Bildung der Imago durch eigene Charactere der Larve zu thun. Werfen wir noch einmal einen Blick auf die gewonnenen Resul- tate. Man hat in den metabolen Insecten ein evidentes Beispiel für die homochrone Vererbung gefunden. Homochrone Vererbung und Anpassung an die verschiedenen Existenzbedingungen, denen das Indi- viduum unterworfen, schienen hier Schranken geschaffen zu haben, die für die Tendenz, das Individuum während seiner ganzen postembryo- nalen Existenz ähnhch zu gestalten, unübersteiglich (Weismann 1. c. p. 168, „dass die Errungenschaften der einzelnen Stadien in den folgenden Generationen immer nur auf diese Stadien selbst wieder übertragen werden, dass die anderen aber unbehelligt bleiben"). Wir glaubten den Nachweis liefern zu können, dass diese Schranken keines- wegs unübersteiglich sind. Weiter bot sich uns aber in der verschiedenen Gestaltung, in den verschiedenen Existenzbedingungen eines Stadiums die Möglichkeit, festzustellen, an welchem Punkt des individuellen Lebens ein neuer Character überhaupt entstanden , damit die weitere Möglichkeit, fest- zustellen, in welcher Richtung die Uebertragung solch neuer Charac- tere überhaupt erfolgen kann, und fanden wir, dass Uebertragungen in beiden denkbaren Richtungen vorkommen können. Erster Nachtrag. Die Danainae. Danais Latr. Dafiais erlppus Cbam. Die Eier werden einzeln an die Blüthen, Knospen, Blüthenstiele , seltner an die Blätter von Asclepias curassavica abgelegt; die Raupen nähren sich während der ersten Stadien vorwiegend von Blüthen und Knospen. 1. Stadium 3 — 5 mm. Kopf rund, klein, im Verhältniss zum Körper bedeutend kleiner als bei allen echten Nymphaliden , so klein, 42* 660 WILH, MÜLLER, dass er mit dem kleinen Prothorax etwas eingezogen werden kann. Körper cylindrisch, ziemlich dick, die primären Borsten sind ziemlich kurz, spitz, glatt; ausser den bei allen Nymphaliden vorhandenen Borsten l — 5, resp. 1 — 6 auf Segment 2 — ö, 10, 11 findet sich noch eine über- zählige Borste la, welche senkrecht unter der Borste 1, annähernd in gleicher Höhe mit der Borste 2 steht. Auf 2 und 11 finden sich zwischen den Borsten la, 2 und 3, also etwas tiefer als die Sdsä.ovnen der Nym- phalinae kurze schwarze Zipfel. Dieselben stehen, wie gesagt, zwischen den genannten primären Borsten, zeigen keinerlei directe Beziehungen zu einer derselben. Der Kopf ist schwarz, der Körper weiss mit schwarzen Beinen und einer dem vorderen Segmentrand genäherten schwarzen Binde , welche ungefähr die Breite von ^ des Segments hat, das Stigma, sowie auf 2 und 11 den eben erwähnten Zipfel umfasst, die 2. Hautfalte des Seg- mentes einnimmt. 2. Stadium 5 — 7 mm. Kopf und Körper haben die gleiche Gestalt wie im vorhergehenden Stadium , die Zipfel auf 2 und 1 1 sind im Verhältniss zum Körper ge- wachsen. Die secundären Borsten treten in ähnlicher Anordnung auf wie bei den Nymphaliden , die primären Borsten sind nicht mehr nach- weisbar. Am Kopf erscheint über dem Mund ein heller dreieckiger Fleck und eine den oberen Rändern dieses Dreiecks parallele helle Linie. In den die Segmente trennenden Furchen erscheint ein über den Rücken reichender schwarzer Streif, der verborgen , wenn der Körper contrahirt, sichtbar, wenn er gestreckt. In den folgenden Stadien ändert sich die Gestalt des Körpers nur insofern, als die Fleischzapfen oder Scheindornen im Verhältniss zum Körper länger und zugleich schlanker werden , die vorderen erreichen eine Länge von 7 mm ; es sind weiche, biegsame Anhänge. In der Zeich- nung findet am Kopf eine Vermehrung der hellen, am Körper der dunklen Linien statt. Am Kopf tritt noch ein zweiter äusserer heller Parallel- streif auf, am Körper verbreitert sich der dunkle Streif in den die Seg- mente trennenden Furchen derart , dass er auch zu sehen , wenn die Raupe contrahirt; weiter erscheint ein schmaler schwarzer Querstreif, welcher nur bis in die Stigmagegend reicht, in der Furche zwischen Falte 3 und 4 , und schliesslich eine nur auf manchen Segmenten ange- deutete feine schwarze Querlinie, entsprechend einer ebenfalls nur ange- deuteten 5. Hautfurche. Die Entwicklung der Zeichnung lässt sich kurz dahin characterisiren, dass entsprechend der Vergrösserung der Fläche eine immer weiterge- hende Theilung derselben durch neu auftretende anders gefärbte Linien erfolgt. Die am Körper neu auftretenden schwarzen Linien werden in Gestalt und Anordnung bestimmt durch die Hautfurchen des Segmentes. Am Kopf erscheint ein heller Fleck und zW' ei Paare von parallelen hellen Streifen. Die dadurch bewirkte ziemlich weitgehende Verdrängung der schwarzen Grundfarbe des Kopfes hat zur Folge, dass derselbe besonders im 3. — 5. Stadium sich vollständig in das Gesammtbild des Körpei's ein- Südamerikanische Nymphalidcnraupen. 661 fügt, während er sich im 1. und 2. Stadium in Folge der überwiegend schwarzen Färbung scharf dem Körper gegenüber abhob. Die Wirkung der Zeichnung kann keine andere sein , als die, das Thier auffallig zu machen. Die Puppe ist sehr gedrungen, im Gesammthabitus der von Änaea phidile ähnlich, doch noch etwas gestreckter. Am dicksten ist die Puppe auf 6, über welches Segment eine in eine Reihe von Wärzchen aufge- löste Kaute verläuft ; von hier aus verjüngt sich die Puppe nach hinten ziemlich plötzlich, nach vorn allmählich. Rür^kenkante und Flügelkante fehlen ganz, an der Flügelwurzel und am Kopf finden sich ganz flache co- nische Erhebungen. Die Flügelscheiden liegen dicht an, der Cremaster ist schlank, endet spitz. Die Puppe ist durchaus unbeweglich; sie ist über- wiegend weissgrün, nicht durchscheinend, die Kante über 6, die Flügel- wurzel, die Hörner, vier Punkte auf 2 und ein Punkt auf jedem Flügel sind goldglänzend, der Cremaster schwarz. Danais plexaure Godt. Futterpflanze wie die von erippus- Es ist mir nur das 5. Stadium und die Puppe bekannt geworden. Das 5. Stadium gleicht im ganzen dem von erippus, doch finden wir noch ein weiteres Paar von Schein- dornen auf 5 ; alle Scheindornen sind an der Spitze gebogen. Die Zeich- nung ist ebenfalls ähnlich wie die von erippus, doch hat die schwarze Färbung in dem Grade^ zugenommen , dass die helle Grundfarbe bis auf eine lebhaft gelbe , dem vorderen Segmentrand genäherte Querbinde, welche nur bis in die Sdsvegion reicht , und eine weisse, dem hinteren Segmentrand genäherte Querbinde, welche bis in die Ifstregiou reicht, verdrängt ist. Die Scheindornen sind schwarz, an der Basis lebhaft roth. Die Puppe ist der von erippus ähnlich. Dircenna Doubl. Dircenna xantho Feld. Lebt an einem Solanum sp. 1. Stadium 3.5 mm. Kopf im Verhältniss zum Körper grösser als bei Danais, Körper cylindrisch, ohne ähnliche Anhänge wie Danais. Die primären Borsten sind lang, schwach gekrümmt, wie bei Danais um die Borste 1 a ver- mehrt, alle Borsten stehen auf kleinen Wärzchen. Kopf und Körper grünlich. 2. Stadium. Gestalt des Körpers wie im vorhergehenden Stadium, die secundären Borsten ziemlich lang, die primären Borsten nicht mehr nachweisbar. Durch Anhäufung des Fettkörpers wird ein undeutlicher Ds- und Sdssixeii gebildet, übrigens ist der Körper wie im vorherge- henden Stadium grün durchscheinend. In den folgenden Stadien wird die Behaarung kürzer, aber dichter. Ds und Sds werden im 3. Stadium deutlicher; im 4. Stadium löst sich 662 WILH. MÜLLER, der Sässireii in eine Reihe von weissen Flecken auf, von denen sich auf jedem Segment je einer in der hinteren Hälfte findet, daneben erschei- nen unregelmässifiere blassere Flecke zwischen Ds- und Sdsstreit Im 5. Stadium ist der Kopf wie in den früheren Stadien rund, blassgrün, der Körper ist cylindrisch, weisslich und blassgrün gemischt. An Stelle des Ds- und Sdssiveih finden sich am hinteren Rand jedes Segments drei orangefarbene Flecke. Ferner finden sich Muf jedem Segment vier kleine schwarze Flecke, die ungefähr in der Mitte des Segments stehen, und zwar jederseits einer in der Höhe der Sds, einer in der Höhe der Sst. Zu diesen kommt noch ein kleiner schwarzer Fleck schräg vor und über dem /Si^sfleck. Die Puppe ist der von Ithomia überaus ähnlich (vergl. T. XV Fig. 15); der grössere Theil des Körpers ist goldig glänzend. Ceratinia Hübner. Ceratinia euponipe Hübn. an Witheringia sp. 1. und 2. Stadium im ganzen dem von Dircenna ähnlich, pri- märe Borsten kürzer, doch auch um die Borste la vermehrt; primäre Borsten im 2. Stadium noch nachweisbar; grünlich durchscheinend. Im 3. Stadium wird der Kopf gelb, der Körper oberhalb der Stigmalinie graugrün. 4. Stadium Kopf schwarz, Körper oberhalb der Stigmalinie schwarz , Stigmalinie weiss , darunter durchscheinend. Ueber das 5. Stadium fehlen mir Notizen. Puppe von Gestalt der von Itho- mia überaus ähnlich ; sie ist durchscheinend grün, Fühler, Hörner, oberer Flügelrand glänzen goldig ; auf der Flügelwurzel und Unterseite der Hörner findet sich ein schwarzer Fleck. Ithomia Hübner. Ithomia neglecta Staudinger (n. sp.) lebt an einem Solanum. Die Raupe gleicht in der Anordnung der primären Borsten , in der Gestalt des Körpers der von Ceratinia , doch bleibt sie während aller fünf Stadien grünlich. Die Puppe (T. XV Fig. 15) ist stark contrahirt, eigenthümlich gekrümmt , derart , das Pro- und Mesothorax dorsalwärts , die Flügel- scheiden ventralwärts weit vorgewölbt sind, dabei entbehren der Thorax wie die Flügelscheiden jeder vorspringenden Kante; die Hinterflügel überragen die Vorderflügel bedeutend; am Kopf finden sich 2 kurze stumpfe Hörner. Die Puppe ist grün durchscheinend, z. Th. silberglänzend; sie ist durchaus unbeweglich. Thyridia Hübner. Thyfidia themisto Hübner. lebt an Brunfelsia sp. 1. Stadium. Gleich nach dem Ausschlüpfen ist das Thier 3 mm Südamerikanische Nymphalidenvfiupen 663 lang, der Kopf ist rund, schwarz, der Körper cylindrisch, grau; die pri- mären Borsten angeordnet wie bei anderen Danainen. Arn nächsten Tag hat das Thier eine glänzend braune Farbe angenommen, nur das dritte Viertel jedes Segmentes (die 3. Hautfalte) ist weiss oder gelblich weiss gefärbt; in der Höhe des Stigmas ist dieser helle Streif etwas verschmä- lert, reicht aber dann in ursprünglicher Breite bis zum Rand des Bauch- feldes. Mit der nächsten Häutung tritt wie bei den anderen Arten eine Vermehrung der Borsten ein; die Zeichnung ändert sich nur insofern, als die Grundfarbe tief samraetschwarz wird , die hellen Ringe eine lebhafte orange Färbung annehmen. Die Puppe (T. XV Fig. 22) ist ziemlich gestreckt, Mesothorax und Flügel sind massig stark vorgewölbt, nicht entfernt so stark als bei Ithomia; wie bei Ithomia fehlt eine Flügelkante und ausgeprägte Dor- salkante. Die Puppe ist durchaus unbeweglich. Auf die Entstehung der Zeichnung der Puppe gingen wir oben bei Besprechung der Beziehung zwischen Raupe und Puppe bereits ein ; hier geben wir nur kurz die Beschreibung der fertigen Zeichnung. Grund- farbe weissgelb, etwas durchscheinend. Am hinteren Rand jedes Segmen- tes findet sich eine schmale orange Querbinde, die indessen mehr und mehr verblasst. Ausserdem findet sich folgende lebhaft schwarze Zeich- nung: eine Sds- und Stigmareihe von grossen schwarzen Flecken; die Säsreihe reicht von 3 — 11, die stigmale von 5 — 10; an Stelle der Sds- reihe finden sich auf 1 und 2 unpaare schwarze Flecke, die von verschiede- nem Umfang, bald verschmolzen, bald gesondert auftreten. Auf 4, bisweilen auch auf 3 treten an Stelle der Sligmaflecke schmale schwarze Flecke ober- halb des Flügelrandes auf. Dazu kommen noch zwei pedale Reihen von schwarzen Flecken, die entweder auf 8, 9, 12 beschränkt, also an Stelle der falschen Beine stehen, oder sich auch auf 10, 11 finden. Weiter finden sich schwarze Flecke am Kopf, auf den Beinen und auf der Flü- gelwurzel, schliesslich eine das Flügelgeäder z. Th, andeutende Zeichnung. Von dieser Zeichnung haben sich die dem ventralen und dorsalen Flügel- rand genäherten Partieen verstärkt , während die mittleren mehr oder weniger ausgelöscht, jedenfalls nicht entfernt so stark gezeichnet sind wie die Randpartieen. Die Puppe nimmt ausser durch die deutlich erkennbaren Bezie- hungen der Zeichnung zur Raupenzeichnung unser Interesse noch in anderer Richtung in Anspruch. Die schwarze Zeichnung der Flügel ist jedenfalls hervorgegangen aus einer gleichmässigen dunklen Zeich- nung des Flügelgeäders , wie es ungefähr Äcraea, Helicomus (T. XV Fig. 1, 2) bietet, indem die Randpartien verstärkt, die mittleren mehr oder weniger ausgelöscht. Dieses partielle Verstärken und Auslöschen hat nun die Folge, dass sich die Flügel annähernd, wenn auch keines- wegs vollkommen, in das durch den übrigen Körper gebotene System von Längsstreifen einordnen ; wie aus der Figur ersichtlich, bilden die 664 WILH. MÜLLER, dorsalen schwarzen Ränder die Fortsetzung der stigmalen Flecken- reihe, die ventralen die Fortsetzung der pedalen Fleckenreihe. Es fügen sich also hier wieder (wie z. B. bei Bynastor) die Flügel, wenn auch nur unvollkommen in die durch segmentale Wiederholung ent- standene regelmässige Zeichnung, ohne dass ihre Zeichnung in gleicher Weise durch segmentale Wiederholung bestimmt wäre. Dass dieses Einfügen ein wenig vollkommenes, bietet den Vortheil, dass wir die Wege zu erkennen vermögen, die dazu geführt haben. Mechanitis Fabr. Mechanitis lysinmia Fabe. Die Eier sind länglich, nach oben zugespitzt, sind mit stärkeren Längs- und feineren Querfurchen bedeckt; sie werden au die Unterseite oder Oberseite der Blätter verschiedener Solanuraarten, besonders von So- lanum hirsutum, abgelegt und zwar in Gesellschaften von p. p. 12. 1. Stadium. Im ganzen wie das anderer Danainen; die einzelnen Segmente sind ziemlich tief geschieden, unterhalb des Stigmas etwas vor- gewölbt. Die primären Borsten sind schwarz, spitz, massig laug, sind wie bei allen Dauainen um die Borste la vermehrt, die indessen in Folge einer Verschiebung der Borste 2 bedeutend höher liegt als letztere. Kopf schwarz , Körper milchweiss mit grünlich durchschimmerndem Darm. 2. Stadium. Der Körper ist auf 4 — 11 unterhalb des Stigmas in conische Zipfel ausgezogen. Die secundären Borsten sind spitz, blass ge- färbt, kleiner als die primären, so dass die letzteren, welche grösser und dunkler gefärbt, leicht nachweisbar. Die secundären Borsten stehen in Querreihen, den Hautfalten entsprechend , die erste Hautfalte trägt zwei undeutliche Querreihen. Um die Basis der secundären Borsten findet sich eine undeutliche weisse Zone. Im übrigen ist der Körper gelblich, der Kopf schwarz. In den folgenden Stadien nehmen die J/sfeipfel an Länge zu, die secundären Borsten vermehren sich, so dass die ßegelmässigkeit der Anordnung gestört wird; die primären Borsten bleiben nachweisbar; auf 1 treten zwei kurze Säswanzen auf. Die Färbung ändert sich nicht we- sentlich. Im 5. Stadium, in welchem das Thier eine Länge von 2 cm erreicht, ist der Kopf schwarz, der Körper blassgrau, die Ifstsvarzen und Warzen auf 1 sind weiss, ebenso eine schmale Z)slinie, die Stigmen sind schwarz. Die Puppe steht in ihrer Gestalt ungefähr in der Mitte zwischen Ithomia und Thyridia, ist mehr gestreckt als die erstere, weniger als die letztere. Die Grundfarbe ist ein lebhaft glänzendes Goldgelb, welches an der Bauchseite in Silberglauz übergeht; auf dieser Grundfarbe findet sich folgende Zeichnung : vier schwarze Punkte an Stelle der Füsse auf 8, 9, Südamerikanische Nymphalidenraupon. 665 eine doppelte schwarze J)slinie auf 6 — 12, Oberseite vom Kopf, Seg- ment 1 ganz, 2 zum Theil schwarz, Flügel-^cäder und Flügelrand schwarz, ebenso der Cremaster. Ich habe es unterlassen, die ziemlich zahlreichen Mittheilungen über Larven von Danainen' zu sammeln , da sie nichts wesentlich Neues zu Tage fördern; neben Asclepiadeen für die eigentlichen Danainen und So- laneen für die Ithomiinen findet sich verschiedenfach Feige (Ficus, Urti- caceae) als Futterpflanze für Danainen angegeben. Als einheitliche Gruppe characterisiren sich die Danainae in der Larve durch zwei Merkmale, durch die Vermehrung der primären Borsten um die Borste 1 a und durch die Unbeweglichkeit der Puppe. Nach der Verbreitung dieser Merkmale dürften beide von der gemein- samen Stammform als Erbtheil übernommen sein, verdienen, so un- scheinbar sie sind, volle Beachtung als Character der ganzen Gruppe. Dass diese Merkmale sporadisch auch an anderen Punkten auftreten, thut ihrem Werth geringen Eintrag. Was die weitere Eintheilung der Gruppe betrifft, so ist ja die Trennung in eigentliche Danainae und Ithomiinae bekannt, bekannt ist auch, wie sich beide als Raupe unterscheiden , dass die Danainae allgemein Scheindornen besitzen , welche den Ithomiinae fehlen , dass die Danainae vorwiegend an Asclepiadeen , die Ithomiinae an Sola- neen leben. Innerhalb der untersuchten Gattungen dürften unter den Itho- miinae die drei Gattungen Ithomia, Dircenna, Ceratinia als nächste Verwandte zu betrachten sein. Was die Beziehung der Danainae zu anderen Familien betrifft, so werden sie wohl allgemein als Glied der Familie der Nymphalidae betrachtet, und können wir uns auf Besprechung der fraglichen Be- ziehung beschränken. Die Vereinigung mag mit Rücksicht auf die Imagines berechtigt erscheinen, in den Larven finde ich, abge- sehen von der Art und Weise, wie die Puppe aufgehängt, kaum irgend welchen Anhalt dafür. Die Merkmale, die wir etwa zu nennen ge- neigt sein würden , finden sich alle bei verschiedenen Familien der Rhopaloceren wieder, so bei der Raupe die bestimmte Art des Auf- tretens der secundären Borsten, bei der Puppe die Vorwölbung des Mesothorax und der Flügelscheiden, das Vorhandensein zweier Kopf- spitzen oder Hörner. Die habituelle Aehnlichkeit , welche die Puppe von Danais mit der mancher Nymphalinae (Änaea) aufweist, beruht augenscheinlich auf sogenannter Convergenz. Darauf würde, ganz ab- gesehen von den bestimmten Vorstellungen, die wir uns über die Ver- 666 WILH. MÜLLER, wandtschaft von Änaea bildeten, schon der Umstand hinweisen, dass die Kante, welche den hinteren, stark contrahirten Theil gegen die vordere Körperhälfte abgrenzt, das eine Mal über 6, das andere Mal über 7 verläuft. So bleibt als einziges gemeinsames Merkmal von einigem Werth die Art und Weise, wie die Puppe aufgehängt. Ob es berechtigt, diesem Merkmal besonderen Werth beizulegen , muss fraglich erschei- nen. Dass das Aufgeben jeder Hülle, auch des Gürtels, der Ueber- gang zu freier Aufhängung an verschiedenen Punkten selbständig vor- kommen kann und vorgekommen ist (Libytheinae) , muss wohl ange- nommen werden. Danach scheinen bei der Larve Merkmale, auf die wir Schlüsse bezüglich der engeren Verwandtschaft von Banainae und eigentlichen Nymphalidae bauen könnten , überhaupt zu fehlen. An- dererseits existiren tief greifende Unterschiede. Wir glauben mit eini- ger Sicherheit annehmen zu dürfen, dass die gemeinsame Stammform aller eigentlichen Nymphalidae als Raupe mit Dornen bedeckt war, welche Dornen die bestimmte, oben näher characterisirte Genese auf- wiesen. Wo heute die Raupen echter Nymphalidae dornenlos sind, da sind, wie wir glauben nachgewiesen zu haben, die Dornen ausgefallen. Bei den Dawaiwae fehlt jeder Anhalt für eine ähnliche Annahme; ich betrachte die Banainae als von Haus aus dornenlos. Was wir von dornähnlichen Gebilden bei Danainen finden (Scheindornen bei Banais, Ifst-Zipfel bei Mechanitis), das sind Gebilde, die morpholo- gisch nichts mit den Dornen der echten Nymphalidae zu thun haben; von diesen Dornen unterscheiden sie sich schon durch die Genese, da sie als selbständige Ausstülpungen ohne engere Beziehungen zu den primären oder secundären Borsten entstanden. Ein weiterer beachtenswerther Unterschied zwischen Banainae und echten Nymphalidae liegt in der Bildung des Kopfes, der beson- ders bei Banais klein, zum Theil einziehbar, so dass die Gattung in dieser Beziehung an manche Lycaenidae und zahlreiche Nachtschmet- terlinge erinnert, während die echten Nymphalidae (auch im ersten Stadium) durch einen ziemlich grossen Kopf ausgezeichnet sind. Die Ithomiinae stehen in dieser Beziehung zwischen Banais und den ech- ten Nymphalidae. Ich glaube, man wird mit Rücksicht auf das Gegebene die An- schauung für berechtigt halten, dass, wenn die Banainae überhaupt mit den echten Nymphalidae zu vereinigen sind , sie allen übrigen Nymphalidae als selbständige Gruppe gegenüberzustellen sind, eine Anschauung, zu der meines Wissens auch Andere an der Hand einer Untersuchung der Imagines gekommen. Südamerikanische Nymphalidenraupen. 667 Zweiter Nachtrag. Die primären Borsten in anderen Sclimetterlingsfamilien. Wir lernten bei der Untersuchung der Nymphalidae Borsten ken- nen, die sich bei allen Arten im ersten Stadium in gleicher Anordnung wiederfinden 1). Wie gesagt, finden sich diese durch ihre besondere Stellung characterisirten Borsten in zahlreichen Familien; so bei den Nymphalidae (zahlreiche Genera), Pieridae (Pieris, Leptalis), Papilio- nidae {Papilio protodamas u. a.), Hesperidae {gen. ?), Sphingidae {Bilo- phonota, 3Iacroglossa), Sesiadae (Sesia, Bembecia) , Cossidae ( Cossus, Zeuzera), Acronictidae {Biloba), Geometridae (gen.?), Pyralidae {Pa- raponyx). Bei den Nymphalidae, Pieridae, Papilionidae, Hesperidae, Sphingidae hatte ich Gelegenheit, Raupen im ersten Stadium zu unter- suchen, bei den anderen Familien war ich auf die Untersuchung vorge- schrittener Stadien angewiesen (zum grössten Theil nach conservirten Exemplaren in der STAUDiNGER'schen Sammlung). Es ist im hohen Grade wahrscheinlich, dass sich diese Borsten in allen Schmetterlingsfamilien werden nachweisen lassen, sobald wir die ersten Stadien untersuchen, wenn auch eine Vermehrung, die den Nachweis schwierig oder unmög- lich macht, nicht ausgeschlossen , vielmehr direct beobachtet {Brasso- linae, Morphinae, Danainae, manche Papilionidae). Augenscheinlich haben wir es hier mit einer auf gemeinsamen Ur- sprung zurückzuführenden Bildung zu thun. So wäre es immerhin denkbar, dass ein genaues Studium der Modificationen, welche die pri- mären Borsten erleiden, einigen Anhalt für die Erkenntniss der Ver- wandtschaft abgäbe , da wir es , und das ist ja Voraussetzung jeder solchen Untersuchung, mit den Modificationen homologer Gebilde zu thun haben. Selbstverständlich würde es eigens auf diesen Punkt ge- richteter Untersuchungen bedürfen. Auf einige Punkte mögen wir in- dessen hier aufmerksam machen. 1) Der Vollständigkeit wegen sei hier erwähnt, dass sich bei man- chen Raupen, z. B. Ithomia, im ersten Stadium ausser den primären Bor- sten noch eine sehr kurze und sehr dichte Behaarung findet. Als Rest derselben ist vielleicht eine feinkörnige Structur der Haut aufzufassen, wie sie sich bei zahlreichen Nymphaliden findet. Mit den primären oder secundären Borsten scheint diese sehr kurze und dichte Behaarung, welche nur mikroskopisch nachweisbar, nichts zu thun zu haben. 668 WILH. JIÜLLER, Die Borste 6, deren Vorkommen sich bei den Nymphdlidae auf die Segmente 1—5, 10, 11 beschränkt, findet sich bei verschiedenen Noc- tuidae und Pyralidae auch auf 6 — 9, und es dürfte darin das ur- sprünglichere Verhalten zu sehen sein. Da sich noch tiefer liegende Borsten finden, so ist oft die Entscheidung schwierig, ob wir es mit einer Borste 6 zu thun haben oder nicht. Die Vermehrung der primären Borsten um die Borste la war typisch für die Banainae. Sie findet sich ausserdem bei einer Spe- cies von Prepona und unbestimmten Nachtschmetterlingen. Vielleicht haben wir in ihrem Auftreten den ersten Schritt zu einer Vermehrung zu sehen, welche in ihrem weiteren Verlauf zu der Anordnung geführt hat, wie wir sie heute bei den secundären Borsten finden. Die An- nahme scheint nicht ungerechtfertigt, wenn auch in anderen Gruppen die Vermehrung an anderen Punkten beginnt (Brasf^olinae, Morphinae ifst Region und Kopf, PapiUonidae Büschelbildung an Stelle einzelner Borsten). Die Vermehrung der Borsten , wie sie bei den Nymphaliden mit der ersten Häutung stattfindet, die in den typischen Fällen zu einer Bedeckung mit in Querreihen angeordneten Borsten (secundäre Bor- sten) führt, findet sich, wie erwähnt, ausser bei den Nymphaliden bei den Pieriden und Sphingiden. Auch die Vermehrung bei den Hespe- riden dürfte auf denselben Modus zurückzuführen sein. Diese Art der Vermehrung ist characteristisch genug, zumal sie stets am glei- chen Zeitpunkt der Ontogenese auftritt, doch bedarf es jedenfalls noch weiterer Untersuchungen, bevor wir uns ein Urtheil darüber erlauben können, inwieweit sie auf gleichen Ursprung in der Phylogenese zu- rückzuführen, als Character einer grossen natürlichen Gruppe betrach- tet werden kann. Für die Anhangsgebilde (Dornen, Scheindornen) spielen, wie schon aus dem Vorhergehenden ersichtlich, die primären Borsten eine hervorragende Rolle, und wollen wir noch kurz auf die Anhangsgebilde einiger Familien und ihre Beziehungen zu den primären Borsten ein- gehen. Die Beziehung der Scheindorneu der Papilioilidcil zu den pri- mären Warzen ist von Grdbkr richtig beschrieben, es bedarf eigentlich nur der Einführung der hier angewandten Nomenclatur. Bei Papilio pro- todanias Godt. (Raupe an Aristolochia) finden wir die primären Borsten in gleicher Anordnung wie bei den Nymphaliden. Alle Borsten stehen auf scharf begrenzter, stark chitinisirter Warze; die Borste 3, 4 auf Seg- ment 2, 3, die Borste 4, 5 auf 4 — 11 stehen beide auf gemeinsamer Südamerikanische Nymphalidenraupen. ßß9 Warze. An Stelle der Borste 5 auf 2, 3, der Borste 6 auf 1 — 11, findet sich eiu auf gemeinsamer Warze stehendes Borstenbüschel; auch zu den Borsten 4, 5 auf 4 — 11 gesellt sich bisweilen noch eine überzählige. Von den fraglichen Warzen sind die der Borste 2 auf 2 — 11 deutlich ver- grössei't, sind bedeutend grösser als die anderen einfachen Warzen, ausser- dem stehen sie auf flachen Fleischwarzen. Mit der ersten Häutung er- scheinen dann grössere Chitinwarzen mit zahlreichen Borsten , welche auch wieder auf Fleischwarzen stehen, und zwar: Sds pst ^) 2 — 12, Sst 4, Ifst 1 — 3, 5. lü, 11. Ausserdem sind die primären Borsten 1 und 3 noch nachweisbar neben einer sehr dichten und sehr kurzen Be- haaruTig , die bereits im ersten Stadium erkennbar. Im weiteren Verlauf der Entwicklung bilden sich die im 2. Stadium vorhandenen Warzen zu den bekannten Scheindorneu der Papilionenraupeu um. Wie aus der Stellung der betreffenden Scheindornen ersichtlich, gehen, was sich auch durch eine Untersuchung dicht vor der ersten Häutung stehender Individuen bestätigen lässt , die Scheindornen aus den Warzen der folgenden primären Borsten hervor, Sds pst aus 2, Sst 4 aus 3, Ifst 2, 3 aus ö, Ifst 5, 10, 11 aus 4, 5. Ich wählte die Art als Ausgangspunkt, weil die primären Borsten wenig vermehrt, die Art in dieser Beziehung von den mir bekannten die ursprünglichsten Verhältnisse aufweist. Bei anderen Arten sind im ersten Stadium an Stelle einzelner primären Borsten Gruppen von Borsten ge- treten; so stehen bei Papilio evander an Stelle der Borste 2 auf 2 — 11, 3 auf 4 — 11, 5 auf 2, 3 je eine Chitinwarze mit 3 — 5 am Ende getheil- ten Borsten; ähnlich an Stelle von 3, 4 auf 2, 3, von 4, 5 auf 4 — 11. Borste 1 bleibt auf allen Segmenten einfach. In einer anderen Beziehung entfernt sich die besprochene Art vom Typus weiter als andere Arten, insofern nämlich als zahlreiche Schein- dorneu weggefallen sind. Bei der am reichsten mit Scheindornen aus- gestatteten Art (von den mir zur Zeit zugänglichen) Papilio nephalion, finde ich Sds pst auf 2 — 12, Sst wohl entwickelt auf 2 — 4, undeutlich auf 5 — 11, Ifst auf 1 — 11, Ped (undeutliches Wärzchen) auf 1 — 11. lieber die Beziehung dieser Gebilde zu den primären Warzen können wir mit Rücksicht auf ihre Stellung wie auch auf die Resul- tate der Untersuchung von protodamas nicht in Zweifel sein. Es ent- stehen die Sds pst aus Wärzchen der Borsten 2, die Sst 2, 3 aus 3, 4, Sst 4—11 aus 3, Ifst 1—3 aus 5, Ifst 4—11 aus 4, 5, Ped aus 6. Die Verhältnisse bei den Papilioniden sind in doppelter Bezie- hung von Interesse: 1) Nur hier, so weit meine Untersuchungen rei- 1) Ich bezeichne als „Sds pst" Gebilde, welche ungefähr in gleicher Höhe mit den Sds der Nymphaliden stehen , dem hinteren Segmentrand genähert sind. Wenn wir hier und im Folgenden die gleichen Namen für die Dornen gebrauchen wie bei den Nymphaliden, so bezeichnen wir damit selbstverständlich nur gleiche Stellungsverhältnisse, keine Homo- logie! 670 WILH. MÜLLER, chen, erfährt die Warze 2 eine stärkere Ausbildung als 1. 2) Ein Eiufluss der späteren Umgestaltung, welche die Warzen erfahren, macht sich bereits im ersten Stadium geltend in der relativen Grösse der Warzen, in der Vermehrung der Borsten, doch scheint dieser Ein- fluss weniger weit zu reichen als bei irgend einer der Arten {Prepona ausgenommen), bei der Anhangsgebilde aus umgebildeten primären Borsten entstehen. Die Bedornung der Saturniadae. Aus einer Gesellschaft von 80 Eiern, die kuglig, etwas plattgedrückt, neben einander an das Blatt einer Broraeliacee abgelegt waren, schlüpften nach mehrmonatlicher Ruhe Räupchen aus, die 5 mm lang, dicht mit langen Dornen (zum Theil halbe Körperlänge) bedeckt waren. Die Räup- chen starben sämmtlich nach der ersten Häutung, indessen zweifle ich nicht, dass sie der Gattung Hipparcliiria angehören; sie stimmten in der, wie aus dem Folgenden ersichtlich, recht complicirten Anordnung der Dornen durchaus mit Raupen dieser Gattung überein; auch das Län- genverhältniss der Dornen zu einander und zum Körper ist annähernd das gleiche wie bei verschiedenen Arten dieser Gattung; die Dornen sind sehr lang, besonders die des vorderen Körperendes, welche vorn überge- neigt sind. Ich bezeichne deshalb das Thier als Hvpparchii^ ia sp. Wir finden folgende Dornen: Ds auf 11, 12, Sds auf 1 — 10, 12, Sst aut 1 — 12, Ifstanii 1 — 11, Ped auf 1—5, 10—12. Die Dornen je- des Segments sind ziemlich genau in senkrechter Reihe angeordnet, stehen in gleicher Linie mit dem Stigma. Alle Dornen tragen neben einigen kleinen ein oder zwei lange Borsten, welche spitz, fein gezähnelt. Eine Borste tragen (Fig. Ic) die Sds 4—10, 12, Sst 4—12, Ifst 1—3, Ped 4, 5, 10 — 12. Zwei Borsten tragen die Ds 11, 12, Sds 1 — 3, Sst 1—3, Ifst 4—11, Ped 1 — 3. Bei den letzt- genannten Dornen entspriufren beide Borsten entweder auf dem Stamm, eine etwas tiefer als die andere (Fig. l b), so die Ifst 4 — 11, Ped 1 — 3, oder der Stamm theilt sich in zwei Zweige, von denen jeder eine Borste trägt (Fig. Id), so die Ds 10, 11, Sds 1—3, Sst 1—3. Beide Aeste sind entweder angeordnet in einer Ebene, welche senkrecht zur Hauptaxe des Körpers, sind dann symme- trisch, so die Ds 11, 12, oder fallen annähernd in die pj j Ebene der betreffenden Dornenreihe, sind dann unsym- Donien und Borsten "»^trisch, 80 die Sds 1—3, Sst 1—3. Zu diesen auf Dor- von llipparchiria sp. ncn stehenden Boi-sten kommt noch je eine auf 4 — 1 1, 1. St. a) Horste 2 ; welche hinter den Dornen in halber Höhe zwischen Sds ^' ^'''''d)'))s\\'^' ^'""^ ^^^ ^^^^^' ^^^ kleiner Warze entspringt (Fig. la), ausserdem weitere Borsten auf 12. Veranschaulichen wir die Anordnung, indem wir uns, wie in Fig. 16 Taf. XIV, die Körperhaut ausgebreitet denken , die Basis der Dornen Südamerikanische Nymphalidenraupon. 671 durch Ringe, die auf den Dornen, sowie anderweitig entspringenden Borsten durch schwarze Punkte an betreffender Stelle markiren; wir erhalten dann Fig. II (es ist nur die eine Hälfte gezeichnet, der Pfeil -<- JT jr JsfQä QSA Q)Sd ÖJst ^jPed « xr jji Wh; -^~ 0 o Fig. II. Verschiedene Segmente derselben Art, ausgebreitet gedacht, schematisch (vergl. Te.xt, sowie Erklärung der Tafeln). bezeichnet die Mittellinie, Bezeichnung übrigens wie gewöhnlich). Ein Blick auf die Figur genügt, um zu zeigen, dass die Anordnung der schwarzen Punkte vollständig die der primären Borsten wiedergiebt, Wir würden also die primären Borsten in typischer Anordnung wie- derfinden, wenn wir uns den Stamm der Dornen ausgefallen denken. Es kann unter diesen Verhältnissen kein Zweifel über die Genese der Dornen bleiben; dieselben sind umgebildete, vergrösserte Stütz- gebilde der primären Borsten, und zwar sind die einzelnen Dornen entstanden aus den Wärzchen folgender Borsten : Ds 11 aus beiden Wärzchen von 1, Sds 1 — 3 aus 1, 2, Sds 4 — 10 aus 1, Sst 1 — 3 aus 3, 4, Sst 4—11 aus 3, Ifst 1—3 aus 5, Ifst 4-11 aus 4, 5, Ped 1 — 5, 10, 11 aus 6. Auf den Fed 1—3 findet sich noch eine über- zählige Borste. Die Dornen auf 12 gehören alle 12a an, sie würden leicht von bestimmten primären Borsten abzuleiten sein {JDs von 1, Sds von 2 , Sst von 3, Ped, von 6) , wenn der Dsdorn vor den Sds- dornen stände. Ob Verschiebungen hier stattgefunden haben und welche, ob etwa der Dsdorn den Borsten 2, jeder der Sds der Borste 1 entspricht, vorausgesetzt, dass überhaupt die Bildung der Dornen auf 12 a von ähnlichen Stellungsverhältnissen der primären Borsten ausgeht, wie wir sie bei den Nymphaliden (T. XII Fig. 3 — 7 XII a) finden, scheint schwer zu entscheiden. Es ist beachtenswerth, wie bei Hipparchiria und jedenfalls auch bei anderen Saturniadae im Anschluss an paarige Borsten unpaare Dornen entstehen {Ds 11, 12). Der Ds auf 11 entspricht den zwei Sds der vorhergehenden Segmente ; es liegt nahe, den Ds durch nachträg- liche Verschmelzung zweier Sds entstanden zu denken, die Gestalt 672 WILH. MÜLLER, %/: scheint die Deutung zu befürworten. Weiter finden wir bei Saturnia sar- diniana auf 11 an Stelle des Ds zwei Sds, was ebenfalls die gegebene Deu- tung befürwortet, doch scheint eine andere Deutung nicht ausgeschlossen. Das Schwanzhorn der Sphlngiden. Wie aus Fig. III ersichtlich {Dilophonota sp. 1 St.), zeigen die Sphingiden die primären Borsten in typi- scher Anordnung, nur über die Existenz der Borste 6 können wir in Zweifel sein. Die Borste 1 auf 11 scheint zu fehlen, sie findet sich an der Spitze des kurz zweitheiligen Horns ^). So erscheint es berechtigt, für das Schwanzhorn der Sphingidae die gleiche Ge- nese anzunehmen wie für den unpaaren Dorn der Saturniadae auf 11. Beide sind ent- standen aus den Stützgebilden der beiden Borsten 1 auf Segment 11. Die Thatsache ist auffallend genug; es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Gebilde von ähnlich complicirter Genese, welches auf die Verschmelzung zweier Dornen zurückzufüh- ren ist, an zwei verschiedenen Punkten der Phylogenese selbständig entstanden, wenn es auch nicht undenkbar. Weiter aber scheint die selbständige Entstehung solch eines einzelnen Doms, wie ihn das Schwanzhorn darstellt, wenig wahrscheinlich. Wo solch einzelne Dornen bei Raupen auftreten und wir An- halt finden , um uns eine Vorstellung über die Phylogenese zu bilden , da drängen die Thatsachen zur Annahme, dass diese einzel- nen Dornen Reste einer vollzähligeren Bedornung sind. Besonders haben Dornen am hinteren und vorderen Körperende Neigung, sich zu erhalten. Hier wären zu nennen Schwanzgabel und Hörner der Satyridae^ die Scheindornen am hinteren und vorderen Körperende bei manchen Papilionen ; auch die Cochleopoden liefern Beispiele dafür. Weiter finden sich bei einer Raui)e , augenscheinlich 1) Auf die zweitheilige Endigung des Horns der Sphingiden macht PouLTON 1. c. p. 302 aufmerksam. Weismann berücksichtigt die Bildung bei der Zeichnung jüngerer Stadien. Fig. in. Jhlojthonota sp 1 . St. o) Seg- ment XI — -XII ; h) Spitze des Si'iiwanzliorns von vorn. Südamerikanische Nymphalidcnraupen. 673 den Saturniden angehörig, in einem früheren Stadium Sds auf 2, 3, Ds 11; mit der nächsten Häutung verschwinden die sämmtlichen Dornen^). Bei Brohmea ledereri finden sich im 3. (?) Stadium Ds 11, Sds 2-10, 12, Sst 4—11, von welchen Dornen die Bs 11, Sds 2, 3 stark entwickelt, die anderen klein, unscheinbar sind. Im 4. (?) Sta- dium sind die Ds 11, Sds 2, 3 wohl entwickelt, die anderen Dornen sind kaum nachweisbar. Im letzten Stadium bleibt nur eine Warze an Stelle des Ds 11; es erhält sich also der Rest von Ds 11 am längsten. Mir scheinen alle diese Gründe zur Annahme zu drängen, dass das Schwanzhorn der Sphingiden der Rest einer reicher entwickelten Bedornung ist, einer Bedornung, die vielleicht mit der heutigen der Saturniden auf gleichen Ursprung zurückzuführen ist, so dass das Schwanzhorn der Sphingiden und der Dsdbrn der Saturniden im vol- len Sinn homolog sind. Ich gebe hier zum Schluss noch eine Uebersicht der verschiedenen dornartigen Anhangsgebilde von Raupen mit Rücksicht auf die Ge- nese, soweit mir Material zur Untersuchung vorgelegen hat. Dornen etc. entstehen: 1) als selbständige Ausstülpungen, ohne Beziehungen zu Borsten tragenden Wärzchen (Hörn er der Nymphalidae, Schein- dornen von Caligo und Danais, Kiemen von Catadysta^ Paraponyx). 2) durch Umbildung Borsten tragender Wärzchen und zwar a) der Wärzchen primärer Borsten, wohl der verbreitetste Mo- dus der Entstehung (Schwanzgabel der Satyridae, Schein dornen der PapiUonidae, Dornen der Satur- niadae, Schwanzhorn der Sphingidae, b) der Wärzchen secundärer Borsten (Dornen der Nympha- linae). 1) Die Eaupe befand sich nicht in meinem Besitz, doch konnte ich ihre Entwicklung beobachten. Der Schmetterling ist mir nicht bekannt geworden. Zoolog. Jahrb. I. 43 674 WILH. MÜLLER, Litteraturverzeichniss. C. Stoll. Papillons exotiques. Amsterdam 1791. Abbot and Smith. The natural history of the rarer lepidopterous insects of Georgia. London 1797. J. C. Sepp. Surinamsche Vlinders. Amsterdam 1848. Horsfield and Moore. Catalogue of the lepidopterous insects in the Museum of the Hon. East-India Company. London 1857. 0. Wilde. Systematische Beschreibung der Raupen. Berlin 1861. R. Trimen. Rhopalocera Africae australis. London and Capetown 1862/66. H. B. MöscHLER. lieber Morphiden. in: Stettiner Entomol. Zeitschrift 1873 p. 197. Weismann. Studien zur Descendenztheorie. IL Leipzig 1876. 0. Staudinger in: Horae. Soc. Entomol. Rossicae. Vol. 14. 1878. H. Dewitz. 1) Entwicklung Venezuelanischer Schmetterlinge, in : Wiegmanns Archiv. Jahrg. 44. 1878. 2) Naturgeschichte Cubanischer Schmetterlinge, in: Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Bd. 52. 1879. 3) Beschreibung der Jugendstadien exotischer Schmetterlinge, in: Nova Acta Ksl. Leopold. Academie. Bd. 64. 1883. H. Burmeister. Description physique de la Republique Argentine (V. II). Buenos-Aires 1879. F. Moore. 1) Lepidoptera of Ceylon. London 1880/82. 2) Metamorphoses of Brazilian Lepidoptera. in: Proceedings Lit. a. Philos. Soc. Liverpool. a) vol. 26. 1881/82. b) vol. 27. 1882/83. E. B. PouLTON. 1) Notes etc. in: London Entomol. Society 1884. p. 27—60. 2) Further notes etc. Ibid. 1885. p. 281—329. 3) The essential nature etc. in: Proceedings Royal Society, vol. 38. No. 237. p. 269—314. A. Grubeu. lieber Nordamerikanische Papilioniden- und Nymphaliden- raupen. in: Jenaischc Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. 17. p. 465—489. Südamerikanische Nymphalidenraupen. ß75 Erklärung der Figuren. Die Zeichnungen von ganzen Raupen und einzelnen Segmenten sind fast stets reine Profilbilder. In diesen Bildern ist von den Sst- und Ifstdornen , meist auch von den Ped nur die Basis gezeichnet. Es scheint eine solche Wiedergabe vorzuziehen mit Rücksicht auf die Klarheit der Bilder, die genannten Dornen, welche sich perspec- tivisch stark verkürzen, würden die Bilder verwirren. Die arabischen Ziffern bezeichnen die primären Borsten (vergl. p. 423), die römischen das Segment (Prothorax = I), XII a vordere, XII b hintere Hälfte von Segment XII. Die Bezeichnung der Dornen ist die gleiche wie im Text (vergl. Einleitung). St = Stigma. Tafel XII. Fig. 1. Victorina trayja 1. St. III, V, VI; stark vergrössert. „ 2,3. Eueides isabella 1. St. VII, VIII, XI, XII pp. 40X. Die Anlage der Dornen ist zu sehen. „ 4. Gynaecia dirce 1. St. X — XII, 40X- Anlage der Dornen sichtbar. „ 5. Caligo sp. \ „ 6. Frepona amphimachus 20X i ^' ^^' ^^' ^^^ ^^° ^^^°- „ 7. Taygetis yphthima 1. St. XI, XII. „ 8. Victorina trayja 5. St. XI, XII, vergr. „ 9. Eueides isabella, Körper zwischen 6 und 7 durchschnit- ten, hintere Hälfte gerade von vorn gesehen. Neben den Dornen von VII sind die von VIII z. Th. sichtbar. „ 10. Colaenis julia VII, VIII; a) 4., b) 5. Stadium vergrössert. „ 11. Catonephele penthia, zwischen 5 und 6 durchschnitten, übrigens wie Fig. 9, vergrössert. „ 12. Colaenis dido VH, VIII, a) zu Anfang, b) zu Ende des 4. Stadiums. Tafel XIII. Fig. 1. Py rameis myrinna Sds 10; im 3. (a), 4. (b) und 5. (c) Stadium, vergrössert. „ 2. Victorina trayja Ds ant 10; a) im 2. St., 16 X 5 b) im 5. St., 4X. „ 3. Ädelpha isis Sds 10; a) 2. St., 50 X; b) 3. St., 45 X; c) 4. St. 15X; d) 5. St. 8X- „ 4. Myscelia orsis Sds 6; a) im 2. St., b) im 3. St.; beide 30 X. 43* 676 WILH. MtlLLER, Fig. 5. Gynaecia dirce, Sds 10, a) 2. St., 15 X; b) 3. St., 15X;c)4. St., IIX; d)5. St., 8X- „ 6. JDynamine mylitta 5. St. a) vergrössertes Wärzchen, b) Ifst 10 von oben, c) Sds 6; a — c vergrössert. „ 7. Adelpha serpa 5. St. a) Sds 5, b) Sds 2. vergr. „ 8. Adelpha erotia 5. St. a) Sds 2, b) dornartig entwickeltes weisses Wärzchen, vergr. „ 9. Victorina trayja, Kopf, a) 2. St. 9X, b) 5. St. 2X. „ 10. Myscelia orsis, Kopf, a) 1. St. 20 X; b) 2. St. 14 X; c) 3. St. 6X. „ 11 — 27. Köpfe; soweit nicht anders bemerkt. 5. St., 2X- „ 11. Colaenis dido. „ 12. Gynaecia dirce 4. St., 4X. „ 13. Ägeronia arete, „ 14. Ectima lirina. „ 15. Didonis hiblis. „ 16. Catonephele penthia. „ 17. Eunica margarita. „ 18. Temenis agatha, „ 19. Epiphile orea. „ 20. Callicore meridionalis. „21. Adelpha serpa, „ 22. Neptis aceris. „ 23. Anaea sp. „ 24. Prepona amphimachus. „ 25. Prepona läertes. „ 26. Siderone ide. „ 27. Apatura laure. „ 28. Taygetis yphthima 1. St. stark vergrössert; b) rechtes Hörn und Wangendornen eines monströsen Kopfes. „ 29. Caligo revesii, Kopf und I — III ; 3. St. von oben und von der Seite. „ 30— 32. Opsiphanes. Fig. 30. 1. St. Kopf von hinten, obere Hälfte 20X; b) einzelne Borste 32X- „ 31. 5. St. Kopf von vorn, 2X- „ 32. 5. St. Kopf und I— III, von der Seite 2X. „ 33, Morpho achillides 1 St. a) Kopf von der Seite, 18X- b) Kopfborste stärker vergrössert. c) Borste 1 auf V stärker vergrössert. Südamerikauische Nymphalidenraupen. 677 Tafel XIV. Die Raupen sind stets in Ruhestellung gezeichnet. Fig. 1. Ageronia arete 4. St. 2X- „ 2. Adelpha sp. bei cocala 5, St. 2X' „ 3. Haematera pyramus 5. St. 2X' „ 4. Temenis agatha 5. St. 4X- „ 5. Adelpha isis 5. St. vergr. „ 6. Prepona amphimachus 5. St. nat. Gr. „ 7. Siderone ide 4. St. 2X ; b) Segment V, VI von oben. „ 8. Pedaliodes phanias 5. St. 1V2X- „ 9. Apafura laure 5. St. 2X- „ 10. Prepona laertes 5. St., wenig vergrössert. „ 11 — 13. Anaea sp. ign. Fig. 11. 3. St. 4X. „ 12. 4. St. 3X. „ 13. 5. St. 2X- „ 14. Myscelia orsis 1. St. Segment VI kurz vor der Häutung. „ 15. Anaea sp. 3. St. Thier an der mit Blattstücken behäng- ten Mittelrippe, auf dunklem Hintergrund ; vom Blatt ist nur die Spitze gezeichnet. Nat. Grösse. „ 16. Catagramma pygas 4. St. , VIII. Segment ; die Haut ausgebreitet gedacht; halb schematisch. „ 17. Anaea phidile 3. St. 4X- Tafel XV. Puppen, soweit nichts bemerkt 2X vergrössert. Fig. 1. Acraea anteas, „ 2. Heliconius apseudes, „ 3. Eueides isdbella. „ 4. Phyciodes langsdorfii 3X- „ 5. Victorina trayja, nat. Gr. „ 6. Hypanarüa lethe. „ 7. Didonis biblis. „ 8. Adelpha isis. „ 9. Ageronia n. sp. „ 10. Ageronia amphinome. a) helle, b) dunkle Form. „ 11—14. Puppen unter dem Einfluss des Lichtes; der Pfeil»- bezeichnet die Richtung des Lichtes. „11. Ageronia n. sp. nat. Gr. ^ a) im Dunkeln, „ 12. Catonephele acontius nat. Gr. j b) im Licht. „ 13. Adelpha plesaure i unter dem Einfluss rechts- und links- „ 14. Temenis agatha \ seitiger Beleuchtung. 678 WILH. MÜLLEB, Südamerikanische Kymphalidenraupen. Ithomia neglecta. Prepona demopJion, nat. Gr. Änaea phidile, dunkle Form. Anaea sp. Gynaecia dirce l^/gX- Dynamine mylitta SX- Apatura laure. Thyridia themisto IViX- Fig. 15. 57 16. J) 17. 11 18. II 19. 1) 20. H 21. 11 22. Corrigenda. Wie mir Herr Dr. Staudinger mittheilt, ergab sich bei einer Bearbeitung der Preponaüvten , dass die hier als „Prepona sp. ign."- geführte Art die „Prepona demophon L." ist, und zwar eine Varie- tät, welche Staudinger als „extmcta''' bezeichnete. Prepona demo- phon des Textes wäre eine nova species, die Staudinger „catacMora" nennt. Setze also überall für „Prepona sp. ign.''' „Prepona demophon L. var. extincta Staudinger," für „Prepona demophon. L." „Prepona catachlora Staudinger." Zur Biologie der Mutilla europaea L. Prof. Dr. Eduard Hoffer in Graz. Das ausserordentlich artenreiche Geschlecht Mutilla^ von dem die meisten Repräsentanten aussereuropäisch sind, enthält entschieden einige der schönsten und buntesten Hymenopteren ; kein Wunder deshalb, dass es so viele Freunde unter den Entomologen gefunden hat. Die Weib- chen dieser Thiergattung, besonders die der südamerikanischen Arten, besitzen häufig „einen halbkugeligen Hinterleib, buckligen Mittelleib, tiefstehenden Kopf und rauh behaarte Beine, und erinnern so an eine Spinne"; daher ihre gewöhnliche Benennung „Spinnenameisen"; doch pflegt man sie auch nicht selten als „Bienenameisen "■ oder „Kahlwes- pen" zu bezeichnen, um so ihre Aehnlichkeit mit diesen zwei Thier- gattungen anzudeuten. Die $ sind geflügelt, während die $ keine solchen Locomotions- organe besitzen, und dadurch gewissermaassen an die befruchteten Ameisenweibchen erinnern, die ihre Flügel verloren resp. selbst ampu- tirt haben. Die bei uns vorkommenden grösseren Arten schmarotzen wahr- scheinlich durchgehends in Hummelnestern. J. L. Christ hatte zuerst neben einer Hummelpuppe die Puppe der Mutilla gefunden und geglaubt, dass diese zwei sonst so verschiedenen Thiere im freund- schaftlichsten Verhältnisse zu einander stehen. Spätere Forscher 680 EDUARD HOFFER, wiesen aber nach, dass von einem traulichen, gemüthlichen Familien- leben zwischen diesen zwei Wesen keine Rede ist, sondern dass die Mutilla bei den Hummeln schmarotzt. In Folgendem werde ich meine Beobachtungen, die ich bei der Untersuchung einer sehr grossen Menge von Hummelnestern gemacht habe, darstellen, ohne mich in eine Kritik der bisherigen Beobachtungen, die sich mit den meinigen nicht immer decken und die durchgehends namentlich bedeutende Lücken zeigen, einzulassen. Die in der Umgebung von Graz und überhaupt in Steiermark, Kärnten und Krain am häufigsten vorkommende Art ist Mutilla europaea L. Sie schmarotzt wahrscheinlich bei allen Hummelarten, ich wenigstens fand sie bei den heterogensten und zwar folgenden: 1) bei Bombus Jiortorum L., var. argillaceus Scop. in 4 Exemplaren (3 ?, 1 (?), 2) B. pratorum L. (15 (?, 28 $^, 3) B. rajellus in etwa 10 Nestern, in jedem 5 — 17 Exemplare (vorwiegend $), 4) B. silvarmn L. in 2 Nestern, in einem 3, im anderen 9 Stück, 5) B. agrorum Fab., bei dieser Art ist sie am häufigsten, wie ich mich in mindestens 20 Nestern überzeugte; die meisten erzog ich im verflossenen Sommer aus einem auf dem Geierkogel ausgenommenen Neste, nämlich 51 (40 $,11 (5), 6) B. varidbilis Schmied., beherbergt nach agrorum Fab. am häufigsten unter allen Hummelarten die Mutilla, ich fand in 9 Nestern je 1 — 15 Exemplare; 7) bei B. pomorum (Stammform) fand ich nur einmal 4 Mutillen, bei der Varietät mesomelas Geest, aber in beiden bisher untersuchten Nestern mehrere dieser schönen Schmarotzer ; 8) bei B. lapidarius L. hatte ich nur in einem schwachen Neste 2 Exemplare gefunden, von denen ich aber nicht mit Bestimmtheit weiss, ob sie nicht erst im Museum eingewandert sind. 9) B. mastru- catus Gehst, scheint ziemlich stark von diesem Schmarotzer zu leiden, da unter 7 beobachteten Nestern 3 Mutillen enthielten. 10) B. con- fusus ScHENCK hatte nur in einem Falle, 11) B. terrestris L. in 2 von mir untersuchten Nestern Puppen der Mutilla. Sie kommt vor sowohl in der Ebene als auch im Hochgebirge und, wie es scheint, auch noch auf den höchsten mit Gras und Blumen bewachsenen, schneeumringten Gipfeln der Alpen , wenn sich daselbst nur Hummelnester noch vor- finden; wenigstens dürfte 1 Exemplar, das auf dem Grossglockner, an- geblich in der nächsten Nähe des Gletschers gefangen wurde, den Be- weis dafür liefern. Auf der Gleinalpc, Koralpe und dem Hochlantsch habe ich sie in Hummelnestern selbst gefunden. Im Freien ist sie wohl sehr schwer zu entdecken. Es muss ein ganz besonders glück- Zur Biologie der Mutilla europaea. 681 licher Zufall seine Hand im Spiele haben , wenn man im Jahre ein Dutzend zusammenbringen soll; zufällig sieht man einmal ein $ im Grase und Moose, oder über eine lehmige Stelle, über einen Weg (be- sonders Fusssteig im Gebirge) laufen oder fängt man ein S , das in geringer Höhe längs des Bodens hinfliegt, um nach Hummelnestern und den darin versteckten $ zu suchen, oder das auf Blumen Honig leckt. Ganz anders aber verhält sich die Sache, wenn man ein Hummel- nest entdeckt hat, in welchem ein Mutilla- $ eine grössere Anzahl von Eiern gelegt hat. Da erzielt man dadurch, dass man das Hummel- nest in ein passendes Behältniss thut und die Insassen fleissig füttert, ohne sonderliche Mühe eine bedeutende Anzahl von Mutillen. So erzog Dkewson aus dem Neste des B. scrinishiranus Kirby mit mehr als 100 geschlossenen Puppentönnchen 76 Mutillen (darunter 24 S) und nur 2 Hummeln. Ich sah einst in Krain ein Nest des JB. variahilis, in dem mehr Mutillen als Hummeln waren. Genauere Angaben habe ich oben gemacht. Auifallend ist die Thatsache, dass in allen bis- her genau constatirten Fällen die Anzahl der Weibchen bedeutend grösser ist als die der Männchen. Vielleicht steht mit dieser Erscheinung eine andere im Zusammenhang, die nämlich, dass die Männchen ge- flügelt sind und so eine bedeutend grössere Beweglichkeit besitzen; jedenfalls aber eine zweite, von mir in vielen Fällen beobachtete, näm- lich die, dass die S sich im Verlaufe weniger Tage mit mehreren ? paaren können. Das Sichzusammenfinden der Geschlechter wird da- durch, dass die S und ? sehr scharf prononcirte Töne ausstossen können, entschieden begünstiget. Wenn die den Nestern entfliegenden Thiere ihre Stimmen hören Hessen, so geschah das mit solcher Inten- sität, dass alle Beobachter meiner eingesperrten Hummelgesellschaften auf diese lauten Schmarotzer aufmerksam wurden. Die ausgekrochenen Mutillen bleiben nach meinen Beobachtungen nicht lange im Hummelneste, sondern verlassen dasselbe, sobald sie hinlänglich erstarkt sind. Die S erheben sich in die Lüfte, nachdem sie mit grösster Schnelligkeit über Gras, Moos etc., immer die Flügel und Fühler heftig bewegend, gelaufen sind, und fliegen sodann auf die Blumen oder suchen längs des Bodens fliegend $. Sie lassen sich oft auch auf den Boden nieder und forschen nach Art der Schlupfwespen fortwährend die Fühler nach allen Seiten bewegend und häufig zir- pend nach Hummelnestern herum. Sobald sie ein $ bemerken, so stürzen sie mit dem grössten Ungestüm auf dasselbe los und packen es allsogleich mit den kräftigen Zangen des Hinterleibes, um es nicht 682 EDUARD HOFFER, SO schnell wieder loszulassen. Die Copula kann, wie ich mich bei vielen S überzeugt habe, 3 bis 4 Mal stattfinden und zwar auch mit ver- schiedenen ?, alsdann gehen die S zu Grunde. Höchst auffallend ist der wahrhaft penetrante Geruch, den die S hierbei sowie überhaupt im aufgeregten Zustande entwickeln. Die eingesperrten S liefen be- ständig unruhig hin und her, an den glattesten Glaswänden mit der- selben Behendigkeit wie auf Holz und Moos , wobei ihnen die Flügel die trefflichsten Dienste leisteten. Wollte man sie fangen, so suchten sie unter Entwicklung des stärksten Geruches und Erregung eines starken, zirpenden Geräusches davon zu fliegen oder sich unter die Neststoffe etc. zu verstecken. Packte man sie mit der blossen Hand, so versuchten sie zu beissen (was aber nicht im geringsten weh thut) und zwickten mit den Hinterleibszangen , was immerhin eine etwas unangenehme Empfindung verursacht. Von irgend welcher Zähmung, wie sie selbst die gefangenen Hummelmännchen zeigen, die nicht selten Honig so zu sagen aus der Hand nehmen, war niemals auch nur die geringste Spur zu bemerken, Sie blieben bis zu ihrem Tode voll- kommen wild und unbändig. Die $ bleiben etwas länger im Hummelnest, sie trinken oft und lange von den eingesammelten Honigvorräthen ihrer wenig beneidens- werthen Wirthe. Sehr häufig sah ich das eine oder andere ?, wenn ich die Hummeln fütterte , zum Futtertroge kommen und auch den Bienenhonig mit Wollust trinken und zwar ausserordentlich lange einmal leckten 2 $ über 10 Minuten am süssen Stoffe; in einem Neste, das passend aufgestellt und von der Hülle und den Neststoffeu so viel wie möglich befreit ist, kann man sie oft und oft sehen, wie sie sich förmlich in die Honigtöpfchen versenken und Minuten lang darin bleiben. Ist aber ihre Zeit gekommen , so verlassen auch sie die Hummelnester, entweder dauernd, um sich nach erfolgter Befruchtung zu vergraben zum langen Winterschlafe, oder aber sie statten gelegent- lich wieder einem Hummelneste einen Besuch ab, um sich am Honig zu laben oder wohl auch schon im selben Jahre ihre Eier daselbst abzulegen. Ich weiss es zwar nicht, ob im Freien diejenigen $, die schon im Juni sich entwickelt haben , in den Winterschlaf sich be- geben oder ob sie die später zur besten Entwicklung kommenden Hummelnester aufsuchen , in der Gefangenschaft geschah das letztere sehr oft. Zuerst sah ich es bei dem oben angeführten Nest des B. prato- rwm. Das alte $ der Mutilla europaea war den Tag nach dem Aus- Zur Biologie der Mutilla europaea. 683 nehmen des Nestes (16. Juni 1884) verunglückt. Nach einigen Tagen (21/6.) gab es junge S und $ der Mutilla. Ich brachte zwischen die Fenster, wo das pratorumnest war, ein Nest des B. agrorum mit 24 $ und dem alten $: ein junges Mutilla-? siedelte sich schnell in dem- selben an; sein Hinterleib schwoll stark an und nach einiger Zeit legte es Eier, leider konnte ich nie sehen, wie. Wahrscheinlich durch- sticht das $ mit dem kräftigen, nach abwärts gekrümmten, langen und äusserst spitzigen Stachel die feine Wachsdecke, welche die Hummel- larven sammt dem Speisebrei umgibt und versenkt sodann die Spitze desselben in die junge Hummellarve und legt das Ei hinein , ohne dadurch dieselbe zu tödten , wie ja auch die Schlupfwespe die Larve, in welcher sie ihre Eier unterbringt, nicht tödtet. Die Form ihres nach unten gekrümmten Stachels, während der der Hummeln nach oben gekrümmt erscheint, dürfte wahrscheinlich mit dem Processe des Eierlegens in innigstem Zusammenhange stehen. Aus den Eiern ent- wickeln sich, soviel ich bemerken konnte, nach 3 Tagen die Larven. Diese wachsen nun in den Hummellarven auf und verpuppen sich auch mit denselben. Ich konnte nie einen äusserlichen Unterschied zwischen gesunden und von Mutilla bewohnten, dem Untergange unrett- bar geweihten Hummellarven wahrnehmen. Der Puppenzustand der Mutilla dauert längere Zeit als der der Hummeln, die sich beinahe regelmässig nach 10 — 14 Tagen entwickeln; denn erst am 6. Tage, nachdem die gleichzeitig verpuppten unversehrten Hummeln ausge- krochen waren, begannen sich die Mutillen im obigen Neste zu zeigen und zwar anfangs nur ?, später (?, und zuletzt S und ?. Bei der Verpupppung spinnt die Mutillalarve ebenfalls ein Gespinnst aus Seide so wie die von ihr bewohnte Hummellarve, sodass die Mutilla beim Ausschlüpfen zwei Piippenhüllen durchbeissen muss, was sie übrigens mit Leichtigkeit thut, wie ich mich oft überzeugte. Die Mutillapuppe scheint in Bezug auf das Wärmebedürfniss gegen die Hummelpuppe bedeutend im Vortheile zu sein. Nimmt man nämlich eine Wabe oder auch den ganzen Wabenbau, worin sich neben Hum- melpuppen auch Mutillapuppen befinden, den Hummeln weg und thut diese Gegenstände in eine Schachtel , so sterben alle die ganz jungen Hummelpuppen aus Mangel an Wärme, nur diejenigen, die schon der vollkommenen Entwicklung ganz nahe waren, kriechen aus; die Mu- tillapuppen aber entwickeln sich bis auf wenige selbst unter den ungün- stigsten Umständen, ja selbst nach 10 und mehr Tagen, nachdem man den Wabenbau dem Hummelneste entnommen hat, wie ich mich an eben- 684 EDUARD HOFFER, falls zahlreichen Beispielen überzeugt habe. Ausser dem oben genannten Mutilla $ siedelten sich noch mehrere der im Juni oder Juli ausge- krochenen $ in verschiedenen Nestern der spät zur Entwicklung ge- langenden Hummelspecies an und legten theilweise auch Eier. Ebenso machten es die befruchteten § aus dem Neste des B. terrestris var. lucorum, das ich am 26. Juni 1883 ausgenommen hatte; sie suchten sich gleich im nächsten besten Hummelneste heimisch zu machen, was ich ihnen aber, da ich die Hummeln zu anderen Zwecken brauchte, nicht gestatten wollte; trotzdem war eines in ein kleines Nest des B. agrorum eingedrungen und hatte daselbst Eier gelegt, aus denen sich im Monate August einige Mutillen entwickelten. Aus diesen und ähnlichen Beobachtungen lässt sich wohl mit grosser Wahrscheinlich- keit der Schluss ziehen, dass auch im Freien die sehr früh im Jahre ausgekrochenen $ der Mutilla euro^iaea L. schon in demselben Jahre in die Nester der spät sich entwickelnden Bombusarten eindringen und dass so daselbst eine zweite Jahresbrut zur Entwicklung gelangt. Es ist überhaupt nicht anzunehmen, dass in solchen Nestern vorjährige Mutilla-$ die Eier ablegen sollten, da es so spät wahrscheinlich keine vorjährige Mutilla-$ mehr giebt ; denn dieselben erscheinen schon im Mai, wo sollten sie also bis Juli leben ? Auf den Hochgebirgen wird freilich die Sache anders aussehen, dort wird jedenfalls nur eine Brut im Jahre zur Entwicklung gelangen, wie ja auch Hummelarten, die in der Ebene schon im Mai SS zur Entwicklung bringen, auf dem Hochgebirge erst im Juli und August, beinahe gleichzeitig mit den Spätformen ihre Nestreife erreichen, so dass man S von Bontbus pra- torum gleichzeitig mit denen des B. soroensis , confusus und anderer Spätformen fliegen sieht. Dringt eine Mutilla in ein Hummelnest ein, so bleiben die Bewohner desselben in der Regel ganz ruhig, stürzen also auf dieselbe nicht so kampflustig los wie auf einen fremden, nicht zu demselben Neste gehörigen Psithyrus. Warf ich eine Mutilla auf die otienen Waben eines stärkeren Nestes, so waren die Bewohner desselben darüber sehr empört, doch sah ich nie einen eigentlichen Kampf zwischen Hummeln und Mutilla; war das hineingeworfene Exemplar ein S , so suchte es augenblicklich davon zu fliegen, war es ein $, so versteckte es sich zwischen den Zellen, Neststoöen etc. Ich glaube, dass es die Hummeln genau wissen, dass sie gegen dieses äusserst dick- und harthäutige Insect nichts ausrichten können , während der Mutilla ihr ungemein langer, abwärts gekrümmter, sehr spitziger Stachel in einem etwaigen Zur Biologie der Afutilla europaea. ß85 Kampfe die besten Dienste leisten würde. Ergreift man ein Mutilla-? mit der blossen Hand, so gehört eine ganz ungewöhnliche Geschick- lichkeit dazu , es so zu halten , dass man nicht gestochen wird , denn der lange, schmale Leib kann sich mit grösster Gewandtheit nach allen Seiten drehen und unvermuthet spürt man den sehr schmerz- haften Stich in der Hand; es hilft auch ein ziemlich dicker Leder- handschuh nichts. Die gestochene Stelle schwillt schnell und stark an ; obwohl ich gegen Hummel- und Wespenstiche ordentlich abgehärtet bin, sind meine Finger gegen Mutillastiche immer noch sehr empfind- lich geblieben; haben mich mehrere Mutillen gestochen, so werden mir die Finger förmlich starr und es dauert immer Stunden, ja Tage lang, bis sie wieder ganz normal sind. Meine Knaben greifen lieber jede Wespe oder Hummel als die Mutilla an. — Es ist die Frage, ob in einem Hummelneste je mehr als ein befruchtetes Mutilla -$ sich ansiedelt, ich glaube, dass das nicht der Fall ist; denn nie fand ich mehr als ein altes befruchtetes $ in einem Hum- melneste. Als ich am 30. Juli 1884 das interessante Nest des B. pomorum var. mesomelas auf dem Hochlantsch ausnahm, fanden wir darin zwei todte $ von Mutilla europaea und später schlüpften im Ganzen nur 6 junge (darunter 2 S) Mutillen aus, so dass ich die Meinung habe, dass das eine $ früher ins Nest geschlüpft und daselbst einige Eier gelegt hat, später aber das zweite ebenfalls eindrang und dass sich dann zwischen beiden befruchteten $ ein Kampf auf Leben und Tod um den alleinigen Besitz des Hummelnestes entspann, in dem beide den Untergang fanden. Von den Hummeln dürften sie kaum getödtet worden sein, denn nach angestellten Versuchen geht im Kampfe zwischen Hummel und Mutilla die erstere zu Grunde, da sie von der gereizten Mutilla mit Leichtigkeit zwischen die Bauchsegmente ge- stochen wird, während ihr Stachel am harten und glatten Mutilla- panzer wirkungslos abgleitet. That ich in ein Nest, in welchem ein Mutilla-? bereits Eier gelegt hatte, ein zweites $, so wurde letzteres regelmässig von dem sich als rechtmässige Besitzerin gerirenden ersten $ vertrieben und zwar ohne eigentlichen Kampf, da das zweite $ immer zu entkommen suchte. Was die Grösse der einzelnen Individuen von Mutilla europaea anbelangt, so gibt es ausserordentliche Unterschiede in dieser Hin- sicht; es kommt auf die Grösse der von ihr zu verzehrenden Hum- melpuppc an; deshalb ist ein $, das sich im riesigen $ des B. ma- 686 EDUARD HOFFER, Zur Biologie der Mutllla europaea. strucafus entwickelt hat, so auffallend grösser als ein anderes, das sich von der $-Puppe des B. agrorum zu ernähren gezwungen war, dass man die beiden Grössenunterschiede leicht für Species- unterschiede erklären könnte. Das grösste ? meiner Sammlung (einer $- Puppe des B. mastrucatus entstammend) misst mehr als 26 mm, das kleinste (aus dem Neste des B. agrorum) ist kaum 10 mm lang. lieber einige südbrasilianische Hesperomys-Arten Wilhelm Leche in Stockholm. Hierzu Tafel XVI. Herr Dr. v. Jhering hat mir durch Herrn G. Schneider in Basel zur Bearbeitung etwa 300 Exemplare von mehreren Hesperomys- Arten geschickt, welche bei Taquara do Mundo Novo am Rio dos Linos (Provinz Rio Grande do Sul) theils von ihm selbst, theils vom Lehrer Herrn Bischoff auf seine Veranlassung gesammelt worden sind. Ob- gleich die Säugethiere von Rio Grande durch Hensel's treffliche und ausgedehnte Untersuchungen M relativ gut bekannt sind, so versprach doch diese grosse Sammlung ein für die Sicherstellung der Hespe- romys-Artm, welche für den Systematiker immer zu den schwierigsten gehört haben, werthvolles Material zu liefern, da nicht nur jede Art voraussichtlich durch eine grosse Menge Exemplare repräsentirt war, sondern ihr Werth ausserdem durch von Herrn Bischoff angefertigte Farbenskizzen und Beschreibungen wesentlich erhöht wurde. Leider sind nun nicht alle Erwartungen, welche man von einer Sammlung, auf welche so viele Mühe und Kosten verwendet sind, zu hegen be- rechtigt ist, in Erfüllung gegangen. Bei der Ankunft war nicht nur der grösste Theil der Exemplare stark macerirt und die Bälge schadhaft, sondern von den meisten waren auch die Etiquetten unleserlich ge- worden, so dass dieselben nicht mehr mit den Farbenskizzen identi- l) Hensel: Beiträge zur Kenntniss der Säugethiere Süd-Brasiliens, in : Abhandl. d. k. Akademie der Wiss. zu Berlin 1872.' 638 WILH, LECHE, ficirt werden konnten, wodurch natürlich die von den letzteren erwartete wesentliche Hülfe bedeutend reducirt wurde. Von einer gleichmässigen Berücksichtigung aller Artcharactere habe ich unter solchen Umständen im Allgemeinen Abstand nehmen müssen. Ich habe vorzugsweise die Merkmale des Schädels und des Gebisses einer Sichtung unterworfen ; selbstverständlich wurde, wo es thunlich und nothwendig war, auch das Fell berücksichtigt. Durch die Art und Weise, wie Hensel in der oben gedachten Schrift Schädel und Zahnsystem der Säugethiere Süd-Brasiliens unter- sucht, erhebt sich seine Arbeit hoch über das Niveau einer blossen faunistischen Beschreibung und darf als ein Muster von zoologischer Systematik im modernen Sinne betrachtet werden. Auch für die Kennt- niss der südbrasilianischen Hesperomys-Arten hat Hensel jedenfalls die wichtigste Grundlage geschaffen, von welcher jede weitere Unter- suchung ausgehen muss, da die älteren Beschreibungen Waterhouse's ^) sich fast ausschliesslich auf Merkmale des Balges stützen. Da Hensel jedoch, gerade was die Hesperomys- Arten betrifft, mit relativ geringem Material arbeitete, indem er von den meisten Arten nur einzelne Schädel untersuchen konnte, sind bisher weder die Varia- tionsgrenzen noch die Altersverschiedenheiten des Schädels dieser Gattung bekannt geworden. Das reichliche mir vorliegende Material hat in dieser Beziehung nicht unwichtige Resultate ergeben, von denen ich schon hier — das Nähere auf die untenstehende Ausführung bei den einzelnen Arten verschiebend — Folgendes hervorheben möchte: 1) Während der Hirnschädel bereits seine definitive Form und Grösse erreicht hat, erleidet der Gesichts- schädel bei einigen Arten noch die wichtigsten Verän- derungen und Differenzirungen durch Wachsthum. Der Schädel trägt somit auf verschiedenen Altersstufen bei verschie- denen Arten einen so abweichenden Habitus, dass man a) die Alt er s- differenzen bei der einen Art nicht nach denen bei der andern a priori beurtheilen kann, und b) dass die Nichtbe- achtung dieser Verhältnisse bei geringem Material leicht zu einer un- richtigen Begrenzung der Arten führen kann. 2) Der Hirnschädel ist, abgesehen von der absoluten Grösse, bei den verschiedenen Arten im Wesentlichen gleich gestaltet. Die wich- tigste Verschiedenheit besteht in dem von allen früheren Autoren so 1) Proceed. of Zool. Society of London, 1837. — Zoology of the Voyage of lieagle ; Part I[. Mammalia, described by Wateeuouse. 1839. lieber einige südbrasilianische Hesperomys-Arten. 689 stark betonten Grössenunterschied des Interparietale. Dieser Un- terschied ist jedoch desshalb in systematischer Hinsicht mit grosser Vorsicht zu verwerthen, weil, wie ich bei Ar ten mit „kleinem" Interparietale habe nachweisen können, die scheinbar grössere oder geringere Ausdehnung des Interparie- tale vornehmlich von der grössern oder gerin gern Be- deckung desselben d urch die Squama occipitis bedingt wird. Es kann sich nämlich bei älteren Individuen die Squama occipitis in viel ausgedehnterem Maasse über das Interparietale hinweg- schieben als bei jüngeren , wodurch der letztere Knochen bei jenen kleiner erscheint als bei diesen (vergleiche Fig. 15 und 18). Auch bei erwachsenen Individuen habe ich starke Variationen in der Ueber- deckung des Interparietale durch die Squama occ. angetroffen (vergl. Fig. 23, 26, 27). Dass diese Verhältnisse bei der Beurtheilung der speci- fischen Verschiedenheiten beachtet werden müssen, ist selbstverständlich. 3) Bei den Arten, von welchem ein genügend grosses Material vorlag, konnte ich nachweisen, dass die absolute Grösse des vollwüch- sigen Schädels variirt, und somit auch bei Nagern verschiedene Grössenformen anzutreffen sind, wie dies von Hensel ^) zuerst be- stimmter bei Affen und Carnivoren nachgewiesen worden ist. 4) Mit einer Ausnahme habe ich keine Geschlechtsdiflferenzen im Schädel auffinden können. Als Vergleichungsmaterial konnte ich benutzen: 1) Ganze Thiere in Spiritus sowie die Schädel einiger Arten, welche aus der HENSEL'schen Sammlung für das zoologische Institut der hiesigen Hochschule erworben sind. 2) Sämmtliche Originalschädel zu Hensel's Beschreibungen und Abbildungen (1. c.) aus dem anatomischen Museum zu Berlin. Die- selben sind mir von Herrn Professor Waldeyer zur Untersuchung anvertraut worden, und ich möchte ihm für diese wichtige Hilfe hier meinen besten Dank aussprechen. 3) Da Hensel die WATERHOusE'schen Originale nicht gekannt hat, und somit auch eine Rücksichtnahme auf diese dringend noth- wendig war, aber den Beamten des British Museum, wo diese Exem- plare verwahrt werden, noch — im Jahre des Heils 1886!! — durch eine Parlamentsacte verboten ist, irgend einen dem Museum angehöri- gen Gegenstand zu versenden, hatte Herr Oldfield Thomas die Güte, 1) Hensei 1. c. und Craniologische Untersuchungen, in: Nova Acta der Leop.-Car. Deutsch. Acad. IJd. 42, 1881. Zoolog, Jahrb. I. /^j^ 690 WILH. LECHE, die von mir bestimmten Schädel mit dem WATERHOUSE'schen zu ver- gleichen. Aus dieser Vergleichung hat sich dann ergeben, dass Hen- SEL, sofern es die von v. Jhering gesammelten Formen betrifft, die von Wateehousje aufgestellten Arten mit einer Ausnahme richtig ge- deutet hat. In der v. JHERiNG'schen Sammlung sind folgende Arten vertreten : H. squamipes Brts. , ratticeps Hens. , laticeps BuRM. var. intermedia V a r. n 0 V a., flavescens Wät., dorsalis Hens., suhterraneus var. henseli var. nov. , arenicola Wat. und nasutus Wat. Es sind somit nur solche Arten von v. Jhering gesammelt worden, welche Hensel eben- falls angetroffen hat. Dagegen fehlen von den letzteren in der v. JHE- RiNG'schen Sammlung H. vulpinus Licht, und tumiäus Wat. Da von der Mehrzahl der vorliegenden Arten keine Abbildungen des Schädels publicirt sind, habe ich geglaubt, durch die hier gege- benen genauen Zeichnungen diesem fühlbaren Mangel abhelfen zu müssen. Durch diese Abbildungen, zusammengehalten mit den von Hensel und mir vom Zahnsystem gegebenen, dürften die in Frage stehenden Arten in Zukunft vor Verwechslung gesichert sein. Die Abbildungen überheben mich überdies einer weitschweifigen Beschrei- bung der einzelnen Arten. Wo nicht anderes bemerkt, stimmen meine Befunde mit Hensel's Angaben (1. c.) überein. H. squamipes Brts. H. squamipes Hensel 1. c. pag. 34, Fig. 14, 24. Nectomys squamipes Peteks. in: Abhandl. d. k. Academie d. Wissensch. zu Berlin 1861 p. 152, Taf. II Fig. 4. Nectomys apicalis Petees ibid. Taf. 1 Fig. 1, Taf. 11 Fig. 3. Von dieser Art habe ich ausser zwei von Hensel's Originalexem- plaren 6 weitere Exemplare untersuchen können. Dies Material ge- nügt vollkommen, um die speci fische Zusammengehörigkeit des H. squamipes (Brts.) Hens. und des H. (Nectomys) apicalis Peters zu beweisen. Was zunächst den Schädelbau betrifft, so führt Peters (1. c. pag. 154) an, dass bei H. apicalis das Interparietale „um ^ schmäler, aber zugleich länger als bei H. squamipes" ist. Hensel's Original- exemplar Nr. 24626 von //. squamipes stimmt auch in dieser Beziehung mit Peters' H. squamipes (1. c. Taf. II Fig. 4) und nicht mit H. api- calis überein : die Länge (der sagittale Durchmesser) des Interparietale beträgt bei IL squamipes Pet.-IIens. weniger als die halbe Länge des Parietale längs der Sutura sagittalis, während bei H. apicalis die Ueber einige südbrasilianische Hesperomys-Arten. 691 grösste Länge des Interparietale der halben Länge des Parietale gleich- kommt. Bei meinen Schädeln beträgt nun die Interparietallänge ent- weder ebenso viel oder mehr als die halbe Länge des Parietale; diese Exemplare stimmen also sicher mit H. apicalis überein. Wie bei den übrigen Arten schwankt sonach die Grösse des Interparietale und ist nicht geeignet, Artverschiedeuheit darzulegen. Ebensowenig ist die andere Eigenschaft, welche Peters dem Interparietale ent- nimmt, dass nämlich bei H. apicalis die seitlichen Winkel des frag- lichen Knochens stumpf sind, während sie bei H. squamipes spitz sein sollten, für P.'s Auffassung zu verwerthen, da bei meinen Exemplaren alle Zwischeustadien zwischen den von P. bei H. apicalis und squa- mipes abgebildeten Formen des Interparietale repräsentirt sind. Auch die Foramina incisiva variireu in ihren Grössenverhältnissen. Was ferner die von Peters angeführten Grössenverhältnisse der unteren Backenzähne betrifft, so sind diese sowohl bei den von V. Jhering gesammelten Exemplaren als auch bei Hensel's Original- exemplaren von H. squamipes ganz dieselben wie die von Peters als characteristisch für seine H. apicalis angeführten. Der von Peters in der Diagnose seiner neuen Art betonte Character : „dentibus in- cisivis albis" — die Schneidezähne bei H. squamipes sind orange- farbig — ist, wie Hensel (1. c. pag. 51) nachgewiesen, bei den Nage- thieren durchaus ohne specifische Bedeutung; hierbei ist auch zu be- merken, dass Peters' neue Art nur nach einem Exemplar aufge- stellt wurde. Besonders beraerkenswerth ist ferner, dass das eine der Hensel- schen Originalexemplare von H. squamipes (Nr. 24 628, das Original seiner Figur 14) mit dem Schädel- und Zahnbau der H. apicalis über- einstimmt. Hensel erwähnt jedoch in seiner Arbeit die Verschieden- heit seiner Exemplare nicht und hat jedenfalls keinen Vergleich mit H. apicalis angestellt. Die Fussohle trägt bei den vorliegenden Exemplaren 6 Schwielen, also wie bei H. squamipes Pet., während bei H. apicalis deren 5 vor- handen sind. Die Schwanzspitze ist von derselben Farbe wie der übrige Theil des Schwanzes. Dass die Farbe der Schwanzspitze variabel ist, habe ich bei H. dorsalis (siehe unten) nachgewiesen. Als einzig constanter Unterschied zwischen H. squamipes und apicalis bleibt denn nur die verschiedene Anzahl der Fusschwielen übrig, und dies scheint auch 0. Thomas^) genügend zu sein, um die 1) in: Proc. Zool. Soc. London 1882 pag. 102. 44* 692 WILH. LECHE, Artberechtigung der H. apicalis anzuerkennen ; die Farbe der Schwanz- spitze und der Schneidezähne stimmte auch bei den von Thomas un- tersuchten Exemplaren mit denjenigen bei H. squamipes überein. Je- doch hat Thomas den Schädel und die Backenzähne nicht berück- sichtigt. Nun ist aber die vorderste laterale Schwiele, deren Fehlen bei H. apicalis allein die specifische Trennung von H. squami]}es rechtfertigen sollte, nichts anderes als eine Differenzirung eines Theils der Beschuppung, welche die gesammte Fusssohle bedeckt. Ein mehr oder weniger der Differenzirung kann leicht eine s. g. Schwiele ent- stehen oder verschwinden lassen. Darauf allein eine neue Art zu be- gründen, ist jedenfalls nicht angezeigt. Aus dem Angeführten geht also unzvs^eifelhaft hervor, dass H. squamipes und apicalis nicht specifisch zu trennen sind, sondern viel- mehr eine Art mit ziemlich weiten Variationsgebieten repräsentiren. Immerhin zeigen die beiden Extreme, nämlich Hensel's Originalexem- plar 24626 aus Porto Alegre und Peters' Exemplar von H. apicalis aus Guayaquil so grosse Verschiedenheiten, dass bei der Untersuchung nur eines Exemplars Peters nach gewöhnlichem Brauche sich wohl zur Aufstellung seiner neuen Art berechtigt halten konnte. Dass sich von so vielen variirenden Eigenschaften wenigstens einige, wie grössere Backenzähne und 6 Schwielen, welche von greifbarer Bedeutung für das Thier sind, mehr constant bei einigen Individuen erhalten werden, und so allmählich wirklich eine „neue Art" sich heranbilden wird, scheint allerdings höchst wahrscheinlich ; noch sind aber jedenfalls H. apicalis und squamipes keine getrennte Arten. Die grössten Schädel erreichen eine Basilarlänge ^) von 39 mm; Hensel giebt nur 34 mm an. H, ratticeps Hensel, Fig. 1 — 4. Hensel 1. c. pag. 36, Fig. 15, 25. 2 ÜENSEL'sche Originalexemplare sowie 5 von v. Jhering gesam- melte Exemplare lagen zur Untersuchung vor. Die beigegebenen Abbildungen zeigen die verschiedene Configu- ration des jugendlichen und des erwachsenen Schädels und überheben mich einer Beschreibung. Nr. 58 Basilarlänge 33.5 mm ; Breite der Stirn zwischen den Augen 5 mm. „ iOo „ 0\) „ „ ,, , „ „ „ „ O „ Kens. Orig. (Fig. 4) 25 „ „ „ „ „ „ „ 5 „ 1) Vergl. Hknsel 1. c. p. 7. Ueber einige südbrasilianische Hesperomys-Arten. 693 Aus diesen Maassen geht hervor, dass die Breite der Stirn z wi- chen den Augen während einer langen Periode des Wachsthums sich constant erhält. Die Erhebung des Supraorbitalrandes und die hier- aus resultirende mittlere Längsfurche des Stirnbeins (Fig. 1) ist ein Merkmal, welches ältere Individuen dieser Art mit denjenigen anderer Arten, z. B. H. flavescens gemein haben. S, laticeps Burmeister var. intermedia var. nov., Fig. 5 — 8. „H. darwinii?" Hensel 1. c. pag. 48, Fig. 22 nou Mus darwinü Wa- TEEHoxjsE, Voyage etc. pag, 64 (teste Thomas). Die 9 von v. Jhering gesammelten Exemplare stimmen vollkom- men mit dem von Hensel als „H. darwinü?"' bezeichneten Schädel überein. Dagegen theilt mir Thomas mit, dass sie nicht mit Wa- terhouse's Mus darwinü identisch sind, welche letztere eine PhylloUs- Form ist, während die vorliegenden (ebenso wie Hensel's „ä dar- winü?'"') jedenfalls zu Oryzomys gehören und der H. laticeps Lund^) nahe stehen. Auf mein Ersuchen hatte Herr Cand. mag. H. Winge die Güte, mir aus dem Zoologischen Universitätsrauseum zu Kopen- hagen 3 Schädel zu senden, von denen zwei (von Lunü selbst gesam- melt) als H. laticeps Lund-Burmeister , der dritte (von Reinhardt gesammelt) als H. saltator bezeichnet sind. Winge hat nämlich ge- funden, dass Lund's Originalexemplar des H. laticeps nicht mit Bur- meister's Art desselben Namens 2) identisch ist; für die mit dem LuND'schen Original übereinstimmende Form schlägt Winge desshalb den Namen H. saltator vor, während er den Namen H. laticeps in dem von Burmeister gebrauchten Sinne anwendet. Aus einer Vergleichung mit den letzterwähnten drei Schädeln er- giebt sich, dass, insofern derSchädel in Betracht kommt, die von v. Jhering gesammelten Exemplare ebenso wie „H. darwinü?" Hensel eine vermittelnde Stellung zwischen H. laticeps und saltator einnehmen. 1) Bei H. laticeps ist die Supraorbitalleiste , wie Winge hervor- hebt, stark hervorragend ; bei meinen Exemplaren ist sie bei etwa gleich- alten Individuen schwächer und bei H. saltator fehlt sie gänzlich. 1) Lund: Blik paa Brasiliens Dyreverden; Tillaeg til Afhaudl. 1 und 2 p. 7. 2) Buemeisteb: Systematische Uebersicht der Thiere Brasiliens; Th. I Säugethiere p. 171. 694 WILH. LECHE, 2) Bei H. laticeps ist die Länge der oberen Backenzahnreihe ge- ringer als diejenige der des Foramen incisivum ; bei den vorliegenden Exemplaren sind obere Backenzahnreihe und For. ine. etwa gleich oder ist die erstere wenig länger, während bei H. saltator die obere Backenzahnreihe viel länger als das Foramen incisivum ist. 3) Das hintere Ende der Nasenbeine endigt spitzig bei H. laticeps, stumpf bei H. salfato/; bei den vorliegenden Exemplaren sind beide Formen vertreten. Da ich, wie erwähnt, nur 3 Schädel von H. laticeps und saltator habe untersuchen können und ausserdem den Balg dieser Thiere nicht kenne, so wage ich aus den angeführten Thatsachen allerdings nicht den Schluss zu ziehen, dass diese Formen nicht specifisch verschieden sind. Ebensowenig halte ich mich für berechtigt, auf Grund der v. Jhe- EiNG'schen Exemplare eine neue Art aufzustellen. Da die vorliegen- den Schädel jedenfalls dem H. laticeps näher stehen als dem H. sal- tator — wenn auch von beiden etwas im Totalhabitus abweichend — führe ich dieselben als H. laticeps Burm. var. intermedia auf, ohne darauf Anspruch zu machen, denselben ihren definitiven Platz ange- wiesen zu haben. Die Basilarlänge des grössten Schädels beträgt 27 mm. Die Gestaltung des Schädels im Uebrigen ist aus den mitge- theilten Abbildungen ersichtlich. Länge des Kopfes und Rumpfes 131 mm. „ „ Schwanzes 145 „ Ohren gross, erreichen angedrückt das Ohr. Oberlippe nicht ge- spalten. Daumen mit Kuppennagel. Schwanz schwach behaart, am Ende ohne Haarpinsel. An der Dorsalfläche sind die Haare an der Basis grau, an der Spitze rostroth, an der Ventralfläche an der Basis ebenso, an der Spitze schmutzig weiss. JEC, flaveseens Waterhouse, Fig. 9 — 11. — Hensel pag. 37, Fig. 18, 28. Herr 0. Thomas theilt mir mit, dass die von mir ihm zur Ver- gleichung gesandten Schädel identisch mit demjenigen der Water- HOUSE'schen Art gleichen Namens sind. In Proc. Zool. Soc. 1882 pag. 104 giebt Thomas an, dass II. flaveseens dem H. lomjicaudatus Bennet synonym ist, und dass dieser Name der ältere ist. Es sind im Ganzen 49 Schädel von mir untersucht worden. Die grösste Basilarlänge (2L5 mm) finde ich sowohl bei einem Schädel mit stark abgekauten Backenzähnen (also bei einem völlig Ueber einige südbrasilianische Hesperomys-Aiteii. 695 erwachsenen Individuum) als auch bei einem Schädel mit frischen Zähnen, dessen Wachsthum noch nicht vollendet sein kann. Es treten also bei dieser Art verschiedene Grösse-Varietäten auf, und sind 21.5 mm ') jedenfalls nicht das Maximum, welches die Basi- larlänge bei dieser Art erreichen kann. Keiner der weiblichen Schädel erreicht die Grösse der männlichen (21.5 mm); die Basilarlänge der ersteren übersteigt nicht 19.5 mm, ob- gleich bei diesen und selbst kürzeren Schädeln die Backenzähne schon ziemlich stark abgekaut sind, also jedenfalls vollwüchsige Individuen vorliegen. Es findet hier also das bei Nagern jedenfalls seltene ^) Verhalten statt, dass eine Geschlechtsdif- ferenz im Schädel existirt. Bei allen grössern Schädeln zieht sich vom hinteren Theile der Nasenbeine bis zwischen die Augen eine tiefe Längsfurche. ^ Die Farbe des Balges variirt mehrfach. So ist ein Exemplar mit einem gelben Flecken im Nacken und zwischen den Augen hin durch- gehend ausgerüstet, eine Eigenthümlichkeit, welche den übrigen fehlt. H. dorsalis Hensel Fig. 12 — 14. — Hensel 1. c. pag. 42, Fig. 16, 26. Von den 26 von v. Jhering gesammelten Exemplaren hatten die grössten eine Basilarlänge von 26 mm, ohne dass das Gebiss mit Sicherheit Vollwüchsigkeit anzeigte; doch lässt sich auch hier eine kleinere Form nachweisen, deren Schädel nicht 25.5 mm Basilarlänge überschreitet ^). In Bezug auf die Breite des Schädels in der Schläfengegend variiren die Thiere beträchtlich, wie aus folgenden Maassen hervor- geht: Nr. 9 (?) Basilarlänge 25 mm; Breite des Schädels an der Basis des Processus zygomaticus ossis temporum 14.5 mm, Nr. 79 (?) Basilarlänge 25.5 mm; Breite des Schädels an der Basis des Processus zygomaticus ossis temporum 12.5 mm. 1) Hensel's grösstes Exemplar hat eine Basilarlänge von nur 20.4 mm (1. c). 2) Oder vielleicht noch nicht nachgewiesene? Vergl. Hensel 1. c. pag. 3. 3) Selbstverständlich stütze ich mich bei diesen und ähnlichen An- gaben nur auf das Verhalten bei Schädeln gleichen Geschlechts. 696 WILH. LECHE, Auch die Länge des Nasenbeins variirt. Die Art gehört offenbar zu Baird's Untergattung Oryzomys. Wenn Thomas^) als Kennzeichen derselben angiebt, dass an den Zähnen „the folds remain until old age", so wird dies durch die Untersuchung meines Materials widerlegt, wo bei abgekauten Zähnen keine Spur von Falten zu sehen ist. Maasse frischer Exemplare nach Herrn Bischoff's Mittheilungen: S: Länge des Kopfes und Rumpfes 130 mm, des Schwanzes 140 mm, + • ^» »» ?> •)•> ti iio „ „ „ 1^0 „ + • 11 VI 1» n 11 IvU „ ,, „ iUi „ Nur bei wenigen findet sich die von Hensel angegebene hellere, bei den vorliegenden Exemplaren nach Bischoff fleischfarbene Schwanz- spitze vor. Dies Kennzeichen darf somit nicht als Artcharacter ver- wendet werden. Nach der verschiedenen Färbung des Felles sind jedenfalls zwei Formen zu unterscheiden. Während die Mehrzahl die von Hensel angegebene Farbe trägt (mäusegrau, am Bauche etwas heller, längs des Rückens ein dunkler, resp. schwarzer Strich), zeichnen sich einige Exemplare durch eine viel dunklere Färbung aus, indem das Haar- kleid dunkel schiefergrau ist mit kurzen gelben Spitzen, welche jedoch am Rücken fehlen oder so kurz sind, dass dieser fast schwarz er- scheint. An der Ventralfläche sind die Haare grau mit weissen Spitzen. Ausserdem weichen diese dunkleren Exemplare dadurch von den übri- gen ab, dass Kopf und Rumpf zusammengenommen etwas länger als der Schwanz sind (X23 : 119 mm); wie aus den obigen Maassen, welche sämmtlich hellen Exemplaren entnommen sind, hervorgeht, ist das Verhältniss bei diesen das umgekehrte. Obgleich nun die dunklern Exemplare in Bezug auf Schädel und Gebiss nicht von den übrigen abweichen, so dürfte man, gestützt auf obige Beobachtungen, wohl berechtigt sein, dieselben als eine besondere Farben Varietät von der HENSEL'schen H. dorsalis zu trennen: H, dorsalis Hens. var. ohscura var. nov., deren unterscheidende Kennzeichen also folgende sind: Haarkleid dunkler; Schwanz kürzer als Kopf und Rumpf zusam- mengenommen. 1) in: Proc. Zool. Soc. 1884 pag. 448. Ueber einige südbrasilianische Hesperomys-Artea. 697 _H. suhterraneus Hens. var. henseli var. nov., Fig. 15—17, 19, 20. Da Hensel von dieser Art nur zwei unausgewachsene Schädel untersuchen konnte, das mir vorliegende Material dagegen 16 Schädel auf verschiedenen Entwicklungsstadien umfasst, kann ich einige für die Auffassung dieser Art nicht unwichtige Beiträge der HENSEL'schen Darstellung hinzufügen. Nach brieflicher Mittheilung des Herrn 0. Thomas ähnelt der Schädel dieser Art am meisten dem von H. xanthorhinus. Dass H. suhterraneus ebenso wie die letztere Art der Untergattung Hdbrothrix zuzuzählen ist, ist unzweifelhaft. Mit diesem Zuwachs ist aber dann das von Thomas angeführte Kennzeichen von Hdbrothrix „skull with long facial portion" ^) nicht mehr anwendbar, da H. suh- terraneus im Gegentheil sich durch den kürzesten Gesichtstheil wenig- stens unter den mir bekannten südbrasilianischen Eesperomys- Arten auszeichnet. Zwei Schädel mit stark abgekauten Backenzähnen zeigten die grösste Basilarlänge :21 mm. Die beiden HENSEL'schen Originalexemplare zeigen unter einander den wesentlichen Unterschied, dass bei Nr. 24633 der vordere Pfeiler des 1. oberen Backenzahns in zwei gleich starke Höcker getheilt ist (Fig. 22), während bei den andern Exemplaren (Nr. 24632, Original zu Hensel's Fig. 21) diese Furche gänzlich fehlt (Fig. 21). Da beide Schädel ganz jung sind (bei beiden ist noch die Naht zwischen Pars basilaris und Pars condyl. des Hinterhaupts vorhanden), ist die An- nahme, dass hier der erwähnte Unterschied vom verschiedenen Ab- kauungsgrade abhängig ist, von vornherein abzuweisen. Bei meinen Exemplaren gleichen Alters (oder etwas älter) ist diese Furche eben- falls vorhanden, da sie jedoch nicht bis zur Basis des Zahnes reicht, so fehlt sie bei Schädeln mit stark abgekautem Gebiss (Fig. 19, 20). Bei dem grössern HENSEL'schen Exemplare beträgt der sagittale Durchmesser des Interparietale 2.4 mm, der frontale 7.6 mm, während bei meinen älteren Exemplaren diese Maasse stets viel kleiner ausfallen, so beispielsweise : sagittaler Durchmesser 1 mm, frontaler 5 mm (vergl. Fig. 15 und 18). Es ist diese recht bedeutende Keduction ausschliess- lich durch Wachsthumsverhältnisse hervorgerufen, indem bei meinen 1) in: Proc. Zool. Soc, 1884 p. 450. 698 WILH. LECHE, sämmtlichen Exemplaren , von denen auch die jüngsten älter als die HENSEL'schen Exemplare sind, das Iiiterparietale je nach verschiedenem Alter mehr oder weniger stark von der Squama occipitis bedeckt wird; vergl. oben. Hensel (1. c. p. 45) giebt ferner an , dass die Nasenbeine die Proc. frontales der Oberkiefer nur wenig überragen und ziemlich stumpf endigen. Dies gilt jedoch nur für sein eines Exemplar (Nr. 24632), während dagegen bei dem andern (Nr. 24633) sowie bei allen meinen die Nasenbeine recht bedeutend überragen und spitzig endigen (Fig. 15, 18). Auch ist der Supraorbitalrand bei den vorliegenden Exemplaren bei weitem nicht so stark entwickelt wie bei Hensel's Nr. 24632, obgleich jene älter sind. Ferner: während bei Hensel's Exemplar das Schwarze im Fell vorherrscht , ist bei den vorliegenden Thieren die gelbe Farbe vorherrschend; die schwarzen Haare sind nämlich nach Bischoff mit kurzen gelben (braunen) Spitzen versehen; der Bauch ist hell- braun. Das Exemplar (Nr. 24632), auf das Hensel seine Art gründete, weicht also sowohl im Schädel und Gebiss als auch im Fell entschie- den von allen meinen Exemplaren ab, und zwar — abgesehen von der Beschaffenheit des Interparietale — durch solche Merkmale, die nicht vom Alter abhängig und, wie es scheint, völlig constant sind. Ich halte es desshalb für angezeigt, die vorliegenden Exemplare von der typischen Form zu trennen und als besondere Varietät var. henseli aufzustellen. jH. arenicola Waterhouse Fig. 23 — 28. „H. arenicola?" Hensel 1. c. pag. 39, Fig. 17, 27. Wie Herr Thomas mir gütigst mittheilt, stimmt diese Art völlig mit Waterhouse's Original überein, so dass also das von Hensel seiner Form beigefügte Fragezeichen wegfällt. Demnach müssen auch die von Waterhouse gegebenen Abbildungen des Schädels und Gebisses als durchaus verfehlt betrachtet werden (vergl. die hier vor- gelegten Abbildungen mit Waterhouse's (Voyage etc.) Taf. 34, Fig. 7. Unter den 44 Schädeln, welche zur Untersuchung vorgelegen, waren ebensowenig wie unter denen , die Hensel untersucht , ganz junge repräsentirt. Es schwankt die Basilarlänge zwischen 20 — 24 mm. lieber einige südbrasilianiüche Hesperomys-Arten. 699 Nicht nur bei den grössten Schädeln beiderlei Geschlechts sind die Zahnkronen tief und flach abgekaut, sondern auch einzelne von nur 21 .5 mm Basilarlänge zeigen durch die starke Abnutzung der Backen- zähne, dass die Entwicklung des Schädels definitiv abgeschlossen ist. Wir müssen also von der grössten Schädelform, welche 24 mm Basilar- länge und wahrscheinlich mehr l) erreicht, eine kleinere unterscheiden. Die letztere unterscheidet sich jedoch nicht nur in Bezug auf die Grösse, sondern auch durch die Form von den grössern Schädeln, indem die grösste Breite in der Schläfengegend bei den ausgewach- senen Schädeln mit kürzerer Basilarlänge derjenigen der grössten ausgewachsenen völlig gleichkommt, wodurch selbstverständlich der Gesammteindruck der Schädel ein anderer wird. Jugendliche Schädel gleichen , abgesehen von der absoluten Grösse , der kleinern Form. Die grössere Form ist also eine vornehmlich durch Längen wachsthum weiter entwickelte, stärker diffe- renzirte, während die kleinere durch mehr gleich- massiges Wachsthum den Habitus der Jugend form be- wahrt. Die Länge der Nasenbeine variirt bei Schädeln von gleicher Basi- larlänge. Die Grösse des sichtbaren Theils des Interparietale ist zahl- reichen Schwankungen sowohl in sagittaler als frontaler Ausdehnung unterworfen, je nachdem die Squama occipitis eine grössere oder- ge- ringere Partie des Hinterrandes des Interparietale bedeckt. Bei manchen Schädeln ist kaum mehr als die mediale Partie des Inter- parietale sichtbar, während die Squama occ. lateralwärts über das Interparietale hinweg das Parietale erreicht. Bei jungem (kleinern) Schädeln ist das Interparietale nie so stark bedeckt, wie bei der Mehrzahl der altern; doch kann auch bei diesen das jugendliche Stadium (d. h. ein relativ unbedecktes Interparietale) sich erhalten; vergl. Fig. 23, 26, 27. Die Basilarlänge bewegt sich bei beiden Geschlechtern innerhalb derselben Grenzen. Ein Unterschied zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht prägt sich im Schädel nur insofern aus, als 1) Bei einem Exemplar von 24 mm Basilarlänge ist nämlich das Gebiss nicht bis zu dem Grade abgekaut, dass seine VoUwüchsigkeit als festgestellt anzusehen ist. 700 WILH. LECHE, die Ueberdeckung des Interparietalc beim Weibchen nie denselben Grad wie beim Männchen erreicht. JFi. nasutns Waterh. Fig. 29—30. H. nasutus Hensel 1. c. pag. 43, Fig. 19, 29. Von 19 untersuchten Schädehi hatte der grösste eine Basilarlänge von 22 mm. Wenn auch der erwachsene Schädel durch seinen gerade Profilcon- tour und die besonders starke Entwicklung der Nasenbeine einen von den übrigen Hesperomys-Formen scharf unterschiedenen Habitus dar- bietet, so lässt sich anderseits nicht verkennen, dass derselbe nur als eine Differ enzi rung des H. aremcoZa- Schädels aufge- fasst werden muss. Bei Jüngern Schädeln des H. nasutus {Ba,$i- larlänge von 18.5 — 20 mm) ist nämlich der dorsale Profilcontour stärker gewölbt und die Nasenbeine weniger hervorragend als bei altern Individuen. Dazu kommt noch, dass bei jungen Thieren der vordere Höcker des untern 1. Backenzahns durch eine Furche getheilt sein kann (Fig. 30), wodurch dieser Zahn nahe Uebereinstimmung mit demselben Zahne bei H. arenicola (Fig. 28) erlangt. Da diese Furche nur an der Spitze zu finden ist, so verschwindet sie bald wieder und der Zahn erhält — somit lediglich durch Abkauung — sein für H. nasutus characteristisches Aussehen (Fig. 29). Bezüglich der Nasenbeine bemerkt Hensel, dass sie ziemlich spitz enden; dass dies aber ebensowenig wie bei H. arenicola für alle Individuen gilt, beweisen die vorliegenden Exemplare. Das Interparietale wird nie in derselben Ausdehnung , wie dies bei //. arenicola der Fall sein kann, von der Squama occ. bedeckt. Stockholm, im Mai 1886. Ueber einige südbrasilianische Hesperomys-Arten. 701 Erklärung der Abbildimaeii. Taf. XVI. Wo nicht besonders bemerkt, sind die Figuren in natürlicher Grösse dargestellt. Fig. 1 — 4. Hesperomys ratticeps Hens. ; 1 — 3 aus v. Jheeing's Samm- lung; 4 Hensel's Original - Exemplar (Universität Stock- holm). Fig. 5 — 8. H. laüceps Burm. var. intermedia var. nov. v, Jh. Samml. ; Fig. 8 vordere Schädelpartie von der Ventralfläche, um die Ausdehnung der Foramina incisiva zu zeigen. Fig. 9 — 11. H. flavescens Wateeh. v. Jh. Samml. Fig. 12 — 14. H. dorsalis Hens. v. Jh. Samml. Fig. 15 — 22. H. subterraneus Heins. ; 15 — 17 var. henseli var. nov. älterer Schädel v. Jh. Samml., |- nat. Gr.; 18 jugendlicher Schädel Hensel's Originalex. Nr. 24632 (Anat, Mus. Ber- lin), |- nat. Gr.; 19 obere linke Backenzahnreihe dessel- ben Exemplars, dem die Fig. 15 — 17 entnommen sind, ■f- nat. Gr. ; 20 dieselbe von einem alten Individuum, j- nat. Gr.; 21 oberer 1. linker Backenzahn von Hensel's Original- Exemplar Nr. 24632, | nat. Gr.; 22 derselbe Zahn von Hensel's Original-Exemplar Nr. 24633, f nat. Gr. 702 WILH. LECHE, Ueber einige südbrasilianische Hesperomys-Arten. Fig. 23 — 28. H. arenicola Wateeh. v. Jh. Samml. ; 23, 26, 27 ver- anschaulichen die verschiedene Ausdehnung des Inter- parietale; 28 unterer rechter 1 Backenzahn, f nat. Gr. Fig. 29 — 30. S. nasutus Wateeh. ; 29 unterer rechter 1. Backenzahn von Hensel's Originalex. (Universität Stockholm), |- nat. Gr.; 30 derselbe eines Jüngern Thieres v. Jh. Samml., 4^ nat. Gr. Die Verbreitung der Luchse. Von Dr. B. Langkayel in Hamburg. Dass unser Wissen, unsere Kenntnisse in der Mamraalogie während der letzten fünf Jahrzehnte bedeutend intensiver geworden, erfüllt gewiss jeden Zoologen mit Befriedigung; man darf aber nicht wähnen dem Ziele irgendwie nahe gekommen zu sein. Ich sehe hier ganz ab von der noch immer sehr lückenhaften Biologie der Säugethiere. Gibt es aber eine einzige Sammlung, welche sich rühmen könnte, von nur einer Species ein in jeder Beziehung ausreichendes osteologisches Material zu besitzen? nicht alle vereinigt würden für eine Art es liefern. Das den öffentlichen Sammlungen Fehlende bezeichnet zu- meist auch die Lücke in unseren Kenntnissen, selbst bei der unge- rechtfertigten Annahme, dass das angesammelte Material wirklich schon völlig verarbeitet, nicht für die Zukunft einstweilen aufgespei- chert sei. Die Literatur der Reisen , die Sichtung der mannigfachen Beobachtungen auf Reisen in den einzelnen Fachzeitschriften nimmt stetig zu und hat auch unsere Kenntnisse von der geographischen Verbreitung der Säugethiere erheblich gefördert, aber dennoch ver- mögen wir nicht von einer einzigen Art ein in jeder Beziehung voll- ständiges Bild ihres Verbreitungsbezirkes zu geben. In den nachfolgenden Zeilen möchte ich an dem Luchs, der meist in schon längst bekannten Gegenden vorkommt, darthun, wie fragmen- tarisch noch unsere Kenntnisse von seinem Verbreitungsbezirke, wie wenig unterrichtet wir sind über die örtlichen und klimatischen Abän- derungen und deren Veranlassung selbst in dem Alleräusserlichsten, in seinem Kleide. 704 B- LANGKAVEL, Wenn wir mit Europa beginnen, so beweisen Lucbsreste z. B. in den untersten Schichten der merkwürdigen Ablagerung bei Solutr6, bei Thayingen, Langenbrunn, in der mährischen Vypustek - Höhle, um das russische Wolossowo , in den dänischen Speiseresten und am Mälarsee das frühzeitige und weitverbreitete Vorkommen dieser Feiina in unserm Erdtheil, deren ursprüngliche Wanderung aus Centralasien nach dem Kaukasus und Europa Koppen ^ ) sich zu erklären sucht. Die drei südeuropäischen Halbinseln mit ihren Inseln, welche uns in faunistischer Beziehung so manche ungelöste Frage seit langer Zeit gestellt haben, bieten bis gegenwärtig auch über den Luchs und seine Verbreitung wenig Sicheres. F. pardina, der spanische lobo cerval, besonders verbreitet auf der Pyrenäenhalbinsel im Schiefergebirge von Algarve, in der Sierra Morena, in der Provinz Ciudad Real 2), kommt wahrscheinlich auch in der nördlichen Zone Spaniens vor; ob daselbst aber neben dieser Varietät noch eine andere auftritt, ist ebenso wie früher für Brehm so auch heutigen Tags noch nicht klar gestellt^). Auch über Italien gibt es nur wenige und trübe Quellen. Salis *) erwähnt Luchse in den Abruzzen, der „Zoologische Garten" ^) in Bel- luno, nach Temminck kommt hier F. lynx vor. Prof. Em. Cornalia schreibt^) über L. vulgaris und cervaria: „vive solitaria e sempre in imboscata .... trovasi ancho negli Apennini fin nel regno di Napoli" ; über F. pardina citirt er zuerst Temmincks Ansicht über Luchse in Sardinien und Corsica und fügt dann hinzu: „non e citata da autori italiani." Bei den Spielen des Pompejus in Rom sah man zuerst den chama aus Gallien , den die Römer lupus cervarius nannten ; Caesar hatte ihn wahrscheinlich aus Gallien dorthin geschickt ''). Das Thier ist wohl ziemlich schnell seiner Ausrottung entgegengegangen , denn TiiEVET hebt in der Cosmographie du Levant hervor, dass 1548 noch ein Luchs im Walde von Orleans mehrere Menschen verzehrt habe; und Papon*), dass 1712 ein solcher die Umgegend von Grasse be- 1) Beiträge zur Kenntniss des russ. Keichs N. F. 6, 15 und 137. 2) Ausland 1880, 387; Schkebek-Wagnee Suppl. 525; Peterm. Mitth. 1884, 364. 3) Zeitschr. für aUg. Erdk. N. F. 5, 97. 117. 4) Reise in den Abruzzen, vgl. Beckmann phys.-oekon. Bibl. 18, 279. 5) 10, 233. 6) Fauna d'ltalia 1, 37. 7) FriedlXnder, Sittengesch. Roms 2, 400. 8) Deutsche Ausgabe der Reise durch die Provence 248. Die Verbreitung der Luchse. 705 unruhigte. Schreber erwähnt^), man treffe in Frankreich, ausser vielleicht in den Pyrenäen und Alpen, Luchse nicht mehr. Weder in Aufschlager 2), noch in Volkmann 3), Fischer*), v. Salis-Marsch- LiNS^), auch nicht in Voyage dans le Jura (Paris an IX) wird der Luchse erwähnt. Vor mehr als dreissig Jahren war der Luchs in der Schweiz*') keine Seltenheit, gegenwärtig jedoch kann ein Jäger sich glücklich schätzen ein Exemplar zu erlegen. In Oberbayern wurden nach Kobell 1820-21 im Ettaler Gebirge 17 erlegt, 1826 im Ries 5, bis 1831 noch 6, 1829—30 in Partenkirchen 13, und der letzte soll 1838 im Rottenschwanger Revier getödtet worden sein ^ ). Es wechseln aber wahrscheinlich öfter vereinzelte Exemplare aus Tirol hierher, wie z. B. 1850 auf der Zipfelalp zwei gespürt wurden. Ausgestorben sind sie jetzt im Vorarlberg^), noch nicht ganz ausgerottet im Bregenzer Walde '-•); in Kärnten zeigten sich in neuerer Zeit wiederholt Luchse ^*'), sie sind noch ständig in Krain^^). Im Bayrischen Walde wurde 1823 der letzte erlegt ^^^^ iu Böhmen, wo sie schon seit längerer Zeit selten waren ^^), sind sie jetzt ausge- rottet'*). Büsching erwähnt, in Mähren gebe es Wölfe, Bären „und eine Art Leoparden von der Grösse der Hunde, aber dicker, welche rysowe genennet wurden" ^^). Diese Verwechselung mit dem Luchs erörterte schon 1793 ScHwoy sehr gründlich; sie ist deshalb zu ent- schuldigen, weil stark gefleckte Exemplare auch in Albanien „Panther" genannt werden und weil mit dem Stamm des Wortes rysowe in ver- schiedenen slavischen Sprachen der Luchs bezeichnet wird. 1) Ausgabe von 1787 B. 3, 410. 2) Das Elsass, 1825. 3) Neueste Reise durch Frankreich, 1787. 4) Briefe eines Südländers, 1805. 5) Streifereien durch den franz. Jura, 1805. 6) Fatio, Faune des Verte'bre's de la Suisse. 7) Der Deutsche Jäger, Zeitschr. 8, 50. 8) Zool. Uarten 8, 395; Verhandl. des Zool.-Bot. Ver. Wien 18, 231; Eggee, Die Tiroler und Yorarlberger 253. 9) Petebmanns Mitth. 1863, 11. 10) Nach der Wiener Sportzeitung: in Der Deutsche Jäger 7, 44. 11) 13. und 14. Jahresbericht des Ver. f. Erdk. in Leipzig, 22. 12) Bavaria 2, 115. 13) Beckmann, phys.-oekon. Bibl. 18, 113; Zool. Garten 9, 157. 14) Ausland 1881, 753. 15) Erdbeschr. 7. Auflage B. 5, 243; vgl. Zeitschr. der Ges. für Erdk. 17, 241. Zoolog. Jahrb. I. 45 706 B. LANGKAVEL, Id der niedern Tatra und dem Waldgebirge zwischen Kapsdorf und Lentschau wurden Luchse bisher nur vereinzelt angetroffen; jetzt aber gehören sie dort nicht mehr zu den Seltenheiten, sind sogar nach der hohen Tatra gewandert, wo sie an der südlichen und nörd- lichen Lehne sich auifallend vermehrt haben und dem Gemswild be- deutenden Schaden zufügen'), ebenso wie den Rehen am Königsberg und an der Czorna Hora des Comitates Märamaros ^). In Galizien wurde im Februar dieses Jahres ein ausgehungerter in einem Stalle des Dorfes Maniava bei Nadvorna getödtet^). In Oberungarn, wo sie hiuz genannt werden, und in Siebenbürgen, besonders in den südlichen Wäldern sind sie jetzt selten*). In den Wäldern Rumäniens •'•), in Bosnien^), in der centralen Türkei im Vitos Gebiet^) ist F. lynx noch ziemlich häufig, in Albanien, wie schon oben erwähnt öfter pan- therartig gefleckt*). Vielleicht bezieht sich auf diese Varietät die Bemerkung in Schreber- Wagner^), dass in Griechenland eine von F. lynx verschiedene Art vorkommen sollte, von der ein Exemplar zu erhalten bis jetzt noch nicht gelungen sei. Wenn auch in der Lite- ratur des klassischen Griechenlands nicht genau der Luchs beschrieben wird, so hat man doch aus mancherlei Andeutungen geschlossen, dass damals F. lynx wohl ausschliesslich dort lebte '•>). Kehren wir wieder nach Deutschland zurück. In Württemberg wurde der letzte Luchs 1846 erlegt ^ ' ) , über sein Vorkommen im Elsass berichtete „Der Zool. Garten"**), über das eines versprengten Exemplares im Odenwald und Spessart „Der Deutsche Jäger" *^). In Westphalen '*) wurde der letzte 1745 erlegt. Nach den Mittheilungen 1) Neue Deutsche Jagdzeitung 4, 354 ; Jahrb. des Ungar. Karpat. Ver. 1884, Seite XLI. 2) Daselbst 1881, 361; 1882, 88. 3) Neue Deutsche Jagdzeitung 6, 239; vgl. Zool. Garten 16, 75. 4) Oestr. Forstzeitung 1884, 332; Boner, Siebenbürgen 151; Bekgner, Siebenbürgen 272. 5) Neue Deutsche Jagdzeitung 4, 92; 6, 238. 6) Tboschel's Archiv B. 40, Abth. 2; Strausz, Bosnien 2, 41. 7) Peteem. Mitth. 1872, 92. 8) Koppen in Beitr. zur Kenntn. des russ. Eeichs, N. F. 6, 19. 9) Supplement II 526. 10) Vgl. meine Bemerkungen im Index Aristotelicus von Bonitz unter Avy^, Xenophons und Arrians Cynegeticus von Döbner 81. 11) Zeitschr. für wiss. Geogr. 3, 178. 12) 14, 423. 13) 7, 169. 14) Zool. Garten 7, 432. Die Verbreitung der Luchse. 707 aus einer alten Jagdchronik schoss man im Celle'schen noch 1685 einen Luchs'), am Harz die letzten 1817 und ISIS''); in Thüringen wurde das Thier noch 1741 beim Zigeuuerberg am Rennstieg, 1788 und 1795 im Dörrberger Revier und 1819 südlich von Ohrdruf erlegt ^). In dem urwaldähnlichen Forst von Fürstenwalde hielten sich neben Wölfen und Bibern die Luchse ziemlich lange, verschwanden jedoch viel früher als die Wölfe*); über ihr Vorkommen in Schleswig -Hol- stein bringt verschiedene Citate Maack'^). In Mecklenburg waren sie noch zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nicht selten, noch 1758 wurde einer bei Müritz erlegt**), in Pommern hausten sie vereinzelt bis 1750, einen Ueberläufer aus Ostpreussen erlegte man noch 1879'), denn in dieser Provinz gibt es heute noch wenn auch nur sehr wenige F. lynx^ die im altpreussischen luyis hiessen ^). In Skandinavien und dem europäischen Russland kommen gegen- wärtig Luchse noch in ziemlich bedeutender Menge vor. Schon in dem altern aber noch immer recht lesenswerthen Buche eines „Old Bushman" ^) wird nachgewiesen, dass in den Jahren 1849 — 1859 in Schweden 110, in Norwegen 201 Luchse erlegt wurden, nach den officiellen Listen der königlichen Staatsforsten während der Jahre 1876—1881 aber in Norwegen 689, in Schweden 960 1«). Noch in der Mitte vorigen Jahrhunderts gab es in der Umgegend von Stock- holm Luchse, deren letzter im dortigen Thiergarten 1849 erlegt wurde ^^). Linne beschreibt ^2) einen bei Wennersborg getödteten, der einen röthlichen Leib mit weissen Flecken, weissen Bauch, schwarzes Schwanzende und schwarze Pinselhaare besass. Besonders auf die 1) Neue Deutsche Jagdzeitung 6, 18L 2) Zeitschr. für wiss. Geogr. 3, 178; Zool. Garten 9, 64. 3) KiECHHOFF in Mitth. der Geogr. Ges. Jena 3, 178. 4) Neue Deutsche Jagdzeitung 5, 19. 5) Urgeschichte des schleswig-hol. Landes 119. 6) Beckmann, phys.-oekon. Bibl. 18, 254; eine unrichtige Angabe enthält Archiv für Anthropologie 11, 137, 7) Zeitschr. der Ges. für Erdk. 1884, 402. Zool. Garten 8, 307; 16, 176; Beitr. zur Kunde Pommerns 1, 1, 17; Zeitschr. für wiss. Geogr. 3, 178. 8) YoiGT, Gesch. Preussens 1, 544; Schriften der naturforsch. Ges. in Danzig 1886, 125; Zool. Garten 10, 48 und 381; 15, 297; 17, 137. 9) Ten years in Sweden 70 und 188. 10) Der Deutsche Jäger 6, 39; Neue Deutsche Jagdzeitung 5, 198; vgl. Zool. Garten 1884, 319. 11) Passarge, Schweden 130. 12) Keise in Westgothland 256. 45* 708 B- LANGKAVEL, Verschiedenartigkeit des Kleides liin hatte Nilsson in Schweden drei Luchsarten unterschieden, den Kattlo, Katzenluchs, F. cervaria, den warglo , Wolfsluchs , F. virgata und drittens den räflo , Fuchsluchs, F. lynx^ welcher identisch mit unserm deutschen Luchs wäre; F. horealis, welchen Temminck aus Skandinavien anführe, solle bei schwe- dischen Zoologen gar nicht bekannt sein 0. Im europäischen Russland waren bis vor kurzem Hirsch- oder gemeine Luchse (genannt ryz, riss, bys, koschka dikaja) häufig im ganzen mittleren und nördlichen Theile, in Polen (rys), den Ostsee- provinzen (litau: luszis; lett: lüsis, luhsa; estn: ilwes; vgl. lappländ. am Timandra: ilbas, ilvas, oalpes und finmark: albos, albas) und Finland*); sie sind noch immer zahlreich im Gouvernement Jarosslaw, besonders in den Kreisen Romano-Borissoglebsk und Rybinsk ^). Wenn aber von dorther berichtet wurde, dass bei dem Dorfe Schecklowo ein Luchs sich unter spielende Kinder gestürzt, ein kleines Mädchen fortgeschleppt und schrecklich zerfleischt habe, so bestreitet das mit Recht als völlig unerhört schon Baron Nolde. Auch in Bessarabien, Podolien, Wolhynien, Kijew und Tschernigow *) hausen noch viele. In Kurland sind sie jetzt selten^), aber vor mehr als 20 Jahren erlegte dort ein Freund des Baron Nolde in fünf Jahren 35 Stück; zahmes Vieh sollen sie nie angreifen , aber für den Rehstand sehr verderblich sein; dass sie Elche überfallen, wird von manchen ganz entschieden bestritten "). Die kurländischen Luchse erreichen nur die Höhe eines massig starken Hühnerhundes und übertreffen ihn in der Länge selbst in einem Alter von zehn Jahren nur unbedeutend. Auch in Livland sind sie jetzt selten^), sie hausen aber in den Wäldern am Ladoga ^) und in 1882 wurden mindestens 407 Stück in Finland erlegt^). Im mittleren und südlichen Theile Westsibiriens ist für F. lynx ein weiter Verbreitungsbezirk, in welchem er jedoch gegenwärtig im 1) Schkeber-Wagnek 522. 519. 516. 517. 2) Gassmann in: Ausland 1873, 713. Blasius, Keise 1, 259; Schee- BEB- Wagner 518. 3) Neue Deutsche Jagdzeitung 5, 55, vgl. 124. 4) Koppen in : Beitr. zur Kennt, des russ. Reichs N. F. 6,6; v. MiDDENDOEFF, Beise 4, 2. 1003. 5) Neue Deutsche Jagdzeitung 3, 385 ; 5, 124. 6) Zool. Garten 1886, 58. 7) Daselbst 7, 121; 21, 140; Peterm. Mitth. 1885, 40. 8) XJjFALVY, Exped. sc. fran^. en Russie 2, 78. 9) Russische Revue 1885, 502. Die Verbreitung der Luchse. 709 allgemeinen selten nicht allein in den Wäldern sondern auch in den baumlosen Steppen vorkommt * ). Hamilton Smith's „lynx of Sibe- ria" gehört wahrscheinlich als jüngeres Thier zu der Cervaria - Form oder ist die kaukasische Varietät =^). In der 500 — 1500 Fuss hoch- gelegenen baumlosen Steppe des Balkasch findet sich F. catohjnx^), im Altai F. cervaria^); der sileissun bunte Felle erhielt durch Kir- gisen vom kleinen Naryn auch Sewerzow bei seiner Erforschung des Thian-Schan Gebirgssystemes. Diese und alle übrigen in jenen ge- waltigen Gebirgszügen erbeuteten bewiesen dem Keisenden, „dass auch hier die Artenveränderungen des Luchses vollständig dieselben sind wie bei den nordeuropäischen und sibirischen, und dass sie folglich weder einen lokalen noch klimatischen Charakter besitzen" ^). Mit der Annahme zahlreicher „Arten" asiatischer Wildschafe harmonirt diese Anschauung. Wenden wir uns nach Ostsibirien, so finden wir dort Luchse in den höchsten Breiten der alten Welt fast bis an die Gestade des Eis- meeres. MiDDENDORFF "^ ) traf sie östlich von der Lena an der Jana- Mündung bei Ustjansk, an der noch weiter östlich fliessenden Ko- lyma unter dem Polarkreise und in der Umgegend des Omokon; Sauee^) hörte von zahlreichen Luchsen am Fuss der Gebirge von Ochotsk. Wenn mir nun auch genauere Berichte über deren Vor- kommen südlich von dieser Stadt an der Westseite des gleichnamigen Meeres fehlen, so vermuthe ich sie doch dort nach jenen Fellen, die nach Süden von hier durch Tauschhandel gelangen, und weil auch in den grossen Wäldern und Schluchten am untern Amur sie von Midden- DORFF wieder erwähnt wurden, nach Wenjukoffs Urtheil freilich in unbedeutender Anzahl^). An dem südlichen Zuflüsse des Amur, dem Ussuri, tritt F. lynx ganz entschieden auf ^). In dem westlich vom untern Amur ungefähr zwischen 132 — 134^ 0. L. v. Gr. streichen- 1) Eeman's Archiv 16, 520 über den Kreis Tara (Tobolsk); Ausland 1873, 713; V. MiDDENDOEFF Keise 4, 2. 1004, L'Abbe Chappe d'Aüte- KOCHE, Voyage en Siberie 1, 202. 2) Scheebee-Wagnee 518. 3) Peteem. Mitth. 1868, 196; 1858, 353. 4) FiNSCH, Reise nach Westsibirien 271; Lansdell, Russ. - Central- asien 1, 116; Koppen a. a, 0. 6, 19; Radloff, aus Westsibirien 1, 137. 5) Peteem. Ergänzungsheft 43, 51. 6) Daselbst 1003. 7) Reise nach den nördl. Gegenden von russ. Asien und Amerika 55. 8) Russ.-asiat. Grenzlande 90. 9) Zool. Garten 14, 198. 710 B. LANGKAVEL, den Bureja Gebirge und noch mehr im Wanda Gebirge, wo die Birar Tungusen das Thier eifrig verfolgen, kommt der Rothluchs noch ziem- lich häufig vor *). Im Westen des Burejaflusses konnte Middendorff *) keine Spur von Luchsen entdecken ; sie hatten sich, um dem strengen Winter zu entgehen, wahrscheinlich in das mittlere Amurthal begeben. Bei den Samagiru fand sie Schrenck^). Am kleinen Jasowkaflusse, der unterhalb Ust-Strelka in den Amur mündet, machte Radde * ) eine interessante Beobachtung. Es wurde 1855 eine Luchsmutter mit zwei Jungen erlegt, von denen das eine ein Rothluchs, das andere mit der Mutter ein Hirschluchs war. Ueber die Luchse des Chingan Gebirges berichteten im vorigen Jahrhunderte Lange und Pallas ^\ in diesem Middendorff ^) und besonders Radde '). Das Thier haust in diesem Gebirge nur im unzugänglichen Waldesdickicht, gerade wie Canis alpinus, fehlt aber ganz auf den höhern Theilen des Chrebet, wo die Nadelhölzer lichter stehen. Nordwärts von der untern Schilka fehlt die typische Form, weil die Jäger dort die Rothluchse gar nicht kennen; sie wird vertreten durch L. cervaria, die auch, und zwar in grosser Menge, um die Quellen der Gorbitza, des Amasar, des öst- licheren Oldoi und der Panga im Jablonoi Gebirge sichere Zuflucht- stätten hat. Im vierten Decennium dieses Jahrhunderts waren sie zwischen Schilka und Argunj ausgerottet worden, trafen aber von Süden her um die Mitte der Fünfziger wieder dort ein. Weil nun F. cervaria bei den mongolischen und mandschuischen Völkerstämmen ein sehr gesuchtes und wohlbekanntes Pelzthier ist, so ergibt die übereinstimmende Mittheilung der Leute, dass es heilere, stark ge- fleckte und kleinere Luchse bei ihnen gäbe, das wieder erfolgte Auftreten von Felis cervaria. Nördlich vom Baikal, an den Ufern der Witima kamen nach Sauer ^) viele vor, auf den trän sb alkalischen kahlen Steppen fehlen sie^), sind in Transbaikalien überhaupt seltner, z. B. im Apfelgebirge und in dem südlich davon gelegenen Kentei Gebirge. 1) Radde, Keisen im Süden von Ostsibir. 1, 93. 2) Reise 2, 2, 75. 3) Reisen im Amurland. 3, 1, 280. 4) A. a. 0. 1, 90. 5) Tagebuch zwoer Reisen von Kjachta nach Peking ; Pallas, neue nord. lieitr. 2, 170. 6) 4, 2, 1003. 7) Journal Geogr. Soc London 28, 410; Zeitschr. für allg. Erdk. N. F. 6, 392; Reise I 89. 92. 93. 8) Reise nach den nördl. Gegenden v. russ. Asien 27, 9) Radde a. a. 0. 1, 92. Die Verbreitung der Luchse. 711 Da nun Radde Felle von F. cervaria als Wintermützen bei einigen russischen Bauern und bei reichen Mongolen (bei ihnen heisst der Luchs schüllüss oder siloussou) an der chinesich - daurischen Grenze sah, so wird diese Varietät ohne Zweifel noch an anderen Stellen des ostsibirischen Hochgebirges vorkommen. Einige Luchse wurden auch in den Wäldern des obem Okalaufes, am Nuku-daban, am Bystraja- fluss und dem Nordende des Baikalsees erlegt. Um Irkutsk, im Ge- biet der Burjaten und Tungusen (erstere nennen ihn wie die S'ojoten schulungim, die zweiten tibtigö, die Orontschonen dagegen bultika und die Monjager nonn6)^), in den Gebirgen an der Westseite des Baikal lebt F. lynx noch in bedeutender Anzahl^). Bei Krasnojarsk am obern Jenissei waren Luchse selten'^). Atkinson*) erwähnt im Katalog der Säuger des ganzen Amurflusses auch F. caracal, doch ist mir nicht klar geworden, was er darunter verstanden. Alle Roth- luchse des östlichen Sibiriens zeichnen sich durch ein merkliches Schwinden der Fleckung aus^), die schönsten Felle soll man vom Kowymafluss erhalten ^). Ueber F. cervaria in diesem Theile spricht auch Koppen^). Im östlichen Sajan, südlich vom Baikal, kommen Roth- und Hirschluchse wieder gemeinschaftlich vor®). CocHRANE ^) glaubte, dass auf Kamtschatka Luchse selten wären, MiDDENDORFF dagegen verneint ihre Existenz dort ebenso wie auf den Kurilen und Aleuten , weil die dortigen Wälder theils durch das Meer theils durch die öden Tundren von denen des Festlandes abge- schnitten wären ^ "). In China und besonders in Peking wird das Fell des Luchses, den die Mandschu schilü nennen , hoch geschätzt ^ ^ ) , doch sind bis jetzt die Quellen über die Verbreitung dieses Thieres in jenem Lande noch überaus dürftig. Armand David erwähnt bei Inkiapo des ky- 1) Pallas, neue nord. Beitr. 2, 112; neuste nord, Beitr. 3, 210. 2) MtJLLEK, unter Tungusen und Jakuten 270; Extraits des publ. de la Soc. Imp. Ge'ogr. de Russie 1859, 143; Ritter, Asien 3, 112; Beitr. zur Kennt, des russ. Reichs 23, 184; vgl. Radde 1, 89. 3) Yoyages en Siberie 1, 226. 4) Travels in the regions of the Upper and Lower Amoor 499. 5) Radde 1, 90. 6) Schbebee-Wagnee 518. 7) Beitr. zur Kennt, des russ. Reichs N. F. 6, 19. 8) Radde 1, 90. 92. 9) Reise durch Russland nach Kamtschatka 320. 10) Reise 4, 2, 1058. 1003. 11) Allgemeine Historie der Reisen 7, 76. 712 B KANGKAVEL, pao (la panthere des faisans)^). Der Kaiser Kubilai soll einst abge- richtete besessen haben -). Wir wissen also über die Luchse des grossen himmlischen Reiches eigentlich gar nichts. Dass Tibet ^) liuchse beherbergt und besonders Ladak^), steht fest; F. isahelUna soll hier sicher vorkommen •''). Lpnx aygar und L. unicolor brachte als neue Formen Prschewalski aus Zaidam und Nordtibet heim ^). Baron Hügels Wildkatze aus Kaschmir ist vielleicht F. caligata'^); er meint auch, dass in Simla der Karakal verhältnismässig schneller als der Chita wäre. In Kohistan ^ ) lebt wahrscheinlich F. lynx , der auch in Gilgit häufig in Höhlen in 5000 Fuss Höhe haust und dem europäischen völlig gleich ist ; die heller gefärbte Isabellina - Form fehlt jedoch hier 9). Ob F. lynx in Indien vorkommt, ist zweifelhaft * <>) ; die im Indus- delta lebende Form ist nicht genau beschrieben ^ ^ ) , F. chans aber zeigt sich in den meisten Distrikten ^^), F. cdligata {erythrotis Hodg.) auch in Nepal. Die Verbreitung von F. ornata und caracal lässt sich nach sicheren Quellen noch nicht genau angeben. Dass im Set- ledsch Thale L. europaeus lebt, wissen wir durch Stoliczka*^) und durch YuLE^*), dass Kaiser Akbar an seinem Hofe irgend welche abgerichtete hielt. In Ost-Turkestan, wo der Luchs den Namen sulesun trägt, sollen nach Ritter's Quellen ^^) in Shayar viele leben, auch Bellew^^) 1) Journal de mon 3ieme voyage 1, 207; vgl. Behm's Geogr. Jahrb. 5, 124. 2) Schumann, Marco Polo 17. 3) Journal Geogr. Soc. London 21, 79. 4) MooECEOFT, travels in the Himalayan Provinces 1, 312; Cunning- HAM, Ladak 202. 5) Blanford in: Proc. Zool. Soc. 1876 und darnach Behm's Geogr. Jahrb. 7, 124. 6) Ausland 1885, 479. 7) Kaschmir 1, 42; 4. 2, 568. 8) BuENES, Cabool. 163. 9) ScULLY in: Proc. Zool. Soc. 1881 und darnach Behm's Geogr. Jahrb. 9, 249. 10) Ball, Jungle Life 684. 11) Journal Geogr. Soc. London 7, 362. 12) Ball a. a. 0.; Hunter, Indian Empire 517. 13) Pkteem. Mitth. 1870, 9. 14) Book of Marco Polo 1, 354. ■ 15) Asien 7, 447. 16) Peteem. Ergänz. 52, 67. Die Verbreitung der Luchse. 713 sah ihn hier; am untern Tarim und Lub Nor ist F. lynx selten M- Bei den Hakas, welche den chinesischen Annalen zufolge das westlich von Chami gelegene alte Reich der Kiang-Kuen bildeten, waren Luchs- felle die Kleidung der Reichen ^). Im Pamir sah einst Wood „a kind of lynx" 2). F. chaus lebt nach Sewertzoff *) in Höhen zwischen 4 — 10000 Fuss, für ein Fell erhält man als Durchschnittspreis 5—7 Rubel ^). Luchse kommen vor im Alpenland Karategin und in Seraf- sclian*5), sind aber selten im Jaguan Thal (Samarkand) ^ ) , doch be- gegnet man ihnen öfter auf den Gebirgen am Issyk-Kul und der Kegenscheu Hochebene**). Nach Schkenck sind die Luchse Kasch- gars den norwegischen gleich, nur röthlicher. Ueber Chaus caudafus schrieb Gray in Proc. Zool. Soc. 1874. In Turkmenien kommt F. chaus in den bewaldeten Bergen, F. caracal in den Steppen vor ^) ; von Aral erwähnt der Luchse Wagner ^ **). Ueber persische Luchse handelt im allgemeinen Polak ' M ; ™ nördlichen Theile bei Tschikislar und Dengolan führen sie O'Dono- VAN '2) und Gasteiger^3) ^uf. Tournefort's Tiger am Nordabhang des Ararat waren wohl Luchse ' *). Hamadan betreibt eifrigen Handel mit Luchsfellen ^ '"). Wir vermögen aus solchen Notizen nicht abzu- nehmen, welche Varietäten gemeint sind, doch lebt F. chaus sicher in den nordpersischen Sumpfgegenden'*^), F. caracal kam einst von dort in einem Exemplar in den frankfurter zoologischen Garten und 1) Daselbst 53, 9. 2) Radloff, aus Westsibirien 1, 137. 3) Journey to the source of the river Oxus LVII; Journal Geogr. Soc. London 40, 134; 46, 392; Gokdon, Roof of the world 159. 4) Behm's Geogr. Jahrb. 6, 116; 7, 116. 5) Ausland 1875, 239. 6) Daselbst 1878, 952; 1884, 724. 7) Peteem. Mitth. 1883, 101. 8) Peteem. Erg. 42, 19. 9) Eeman, Archiv 3, 228. 10) Scheebee-Wagnee 528. 11) Persien 1, 188. 12) Merv Oasis 1, 191. 299. 13) Zeitschr. für allg. Erdk. N. F. 12, 345. 14) Rittee, Asien 10, 484. 15) Daselbst 9, 123. 16) Pallas, neue nord. Beitr. 4, 11; Scheebeb- Wagner 528; Beehm's Thierleben 485. 714 B. LANGKAVEL, zwei Stück in das Wiener Museum ^ ). Nach Binder gibt es dort auch weissgraue Karakals ^). In Mesopotamien trifft man Luchse {F. chaus^ wushak) selten^), vom obern Tigris und am Giaur Dagh berichtet ül)er F. caracal RussEGGER *). Ob in der Nähe des alten Bagdad wirklich noch wawi vorkommen, wie Petermann meinte^), ist noch nicht entschieden. Binder sah die eben angeführten weissgrauen Karakals auch in Arme- nien, in Kurdistan sollen nur wenige Luchse vorkommen*). Im Kau- kasus wurden die verschiedensten Formen, welche die Osseten istoi, die Georgier pozchon nennen, ausser den oben erwähnten kaukasischen beobachtet als Abbild des dortigen Völkergemisches, so F. cervaria nach Fellen, welche Menetries (S. 21) in Baku kaufte^), F. catolynx im Aragwe Thal, am Talysch^), F. chaus um ElisabethopoP ) , am Terek ' ^) und nicht selten am Kur ' '), auch in Lenkoran *^). Ausser- dem erwähnt der Luchse um Tiflis noch O'Donovan^^) und das „Ausland" »^). In Kleinasien leben nach Kotschy ' ^) Luchse in der obersten Region des Bulghar Dagh , schwarzohrige (ausser kara - kulak auch gurg genannt, deren Felle als kostbares Pelzwerk hoch bezahlt werden) und F. chaus im Taurus"*); F. caracal kommt aber auch noch in verschiedenen anderen Theilen dieser Halbinsel vor, ob auch in den Wäldern bei SkutariV^'). F. pardina, nach Temminck verbreitet über einen grossen Theil der Levante, heisst hier auch ushek^^), soll 1 2 3 4 5 6 7 Kelchs 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Zool. Garten 2, 216; Schrebee-Wagnek 526. Zeitschr. der Ges. für Erdk. 3, 58. RiTTEB, Asien 11, 503. 504. Reisen 1, 645. Reisen im Orient 2, 59. Journal Geogr. Soc. London 35, 57. ScHKEBER- Wagner 518. Koppen in: Beitr. zur Kennt, des russ. N. F. 6, 49; Eichwald, Reise auf dem Kasp. Meer 1, 12. Peteem. Ergänz. 36, 9; Mitth 1881, 173; 1885, 259. KoLENAXi, Reiseerinnerungen 55. Falk, Beitr. zur topogr. Kennt, des russ. Reichs 3, 320. V. BiEBERSTEiN, Boschr. des Landes zw. Terek und Kur 84. Peterm. Mitth. 1866, 268; vgl. Ausland 1873, 713. 716. Merv Oasis 1, 12. 1885, 652. Zeitschr. für allg. Erdk. N. F. 1, 134. 139. RiTTKR, Asien 19, 228; Russeggee, Reisen 1, 645. Proc. Zool. Soc. 1877, 272; Journal Geogr. Soc. London 12, 57. Daselbst. Die Verbreitung der Luchse. 715 auch im Taurus nach Russeggek, selbst in Mesopotamien nach Ritter ') sich aufhalten. In Arabien meint Wrede ^) Luchse zwischen Ebnä und Wadi Ssalaf gesehen zu haben. Wenn in diesem Lande ein Stamm sich Qodha 'y nennt, so ist das nur analog den schweizer oder hamburgi- schen Familien Lutze oder der Bezeichnung der „Luchsäugigen" als Mitglieder der römischen Akademie. Was für ein Thier Zimmermann ^) als Luchs aus Java beschrieben hat, weiss ich nicht; es glich vielleicht dem von Dr. Noack*) be- schriebenen Sumatranischen Exemplare Hagenbeck's. Afrika zeigt uns im ägyptischen Alterthum mumificirt oder in Farben getreu dargestellt verschiedene der noch jetzt in diesem Nord- osten vorkommenden Luchsformen. Einbalsamirt und farbig abgebildet findet sich F. caracal, als Katzenmumien aufbewahrt F. chaus und F. libycus ^). Olivier ^) beschrieb aus der Umgegend von Alexandrien seinen F. libycus^ von dem viele in Chargeh sich vorfinden^); „grosse graue Luchse" sah Kronprinz Rudolf in Fayum^), Heuglin^) er- wähnt des Sumpfluchses in den dichten Rohrwäldern des Nils, F. caligata, der in Chargeh tifahl, sonst in Nordafrika tifi'eh heisst, Schreber-Wagner^**), f. caracal Robert Hartmann '^). Aus Nubien werden genannt F. chaus '^'^), F. caracal^ khut el chala d.h. Katze der Einöde, als in der Bejudah ziemlich häufig ^^) 1) 11, 508. 2) Reise in Hadramaut 131. 3) Taschenbuch der Reisen 13, 180. 4) Zool. Garten 1886, 77 oben. 5) Haetmann in : Bbügsch Zeitschr. für ägypt. Sprache 1 , 11 und in Zeitschr. der Ges. für Erdk. 3, 58. 59; Eheenbergs F. hubastis (Symb. phys. Decade II) wird bei Scheebee-Wagnkk irithümlich bubalis genannt. 6) Yoyage dans l'empire Othomane 2, 40, und die deutsche Uebers. „Reise durch das türk. Reich" 2, 70 fügt in der Anna, hinzu: vermuth- lich der libysche Caracal Buffon's. 7) Verhandl. der Ges. für Erdk. 1, 89. 8) Orientreise 132. 9) Peteem. Mitth. 1869, 409. 10) 530. 11) Zeitschr. der Ges. für Erdk. 3, 58. 12) Daselbst 59; Zeitschr. für allg. Erdk. N. F. 12, 192; Scheebee- Waghee 529. 13) Beide Zeitschr. a. a. 0.; Peteem. Mitth. 1859, 470; Zool. Garten 2, 216; Schbebee-Wagnee 526. 716 B- LANGKAVEL, und F. lihycus ^) ; diese beiden nebst F. caligata leben auch in Sennär, F. caracal auch in Kordufan '0- In Abessinien hausen F. chaus^), F. caracal^ amharisch und tigre genannt dsoh-ambasä, derq arabasii, af6n*), F. caligata jedoch, die in tigre okul dumo, amharisch hachla demat oder jadur demat heisst, scheint nur im Innern vorzukommen, zwischen Djedda und Keren häufig zu sein^), sodann F. lynx^) und .F lihycus''). Ueber die Existenz der südeuro- päischen Varietät F. pardina in Nordostafrika vermochte Hartmann nichts zu erfahren; er bezweifelt auch, dass F. lynx in Abessinien lebe «). In Ostafrika lebt Lynx caracal^ jambel, im Somali Lande, auch in Habab, um Massaua und wahrscheinlich längs der ganzen ägypti- schen Küste des rothen Meeres^). Eines Luchses „it resembles the Sindh species" , zwischen Harar und Marar in der Ebene erwähnt Burton ^"), in Unika des keniegere der unglückliche Nev^^^^), Fischer's Wildkatze aus dem Massai Lande ist nach Pagenstecher unzweifelhaft eine Luchsart '2). F. caffra soll nach Johnston'^) zwischen 5 — 6000 Fuss an jenem Berge, und in den \^'äldern Tavei- tas , F. caracal nach Berichten , die derselbe von den Eingebornen erhielt, in der Ebene nicht ungewöhnlich sein. F. caligata erwähnt Peters in der Reise v. d. Decken's. In den obern Nilländern und der Seenzone hausen F. chaus, F. caligata^ F. caffra zwischen Bahr el-azraq und Sobat'*), die erste auch in Meninga^^), die zweite bei Okkela '"), F. caracal^ den ein- 1) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 3, 58. 2) Zeitschr. f. allg. Erdk. N. F. 14, 18. 3) Scheebek-Wagnee 529. Atlas zu Rtjeppell's Reise 13. 4) Zool. Garten 2, 216. 5) Peteem. Mitth. 1861, 14; Zeitschr. f. allg. Erdk. 12, 71; the booted lynx in Beuce, travels 5, 146 mit Abbild. 6) Heuglin, Reise in Abess. 236. 7) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 3, 58. 8) Daselbst. 9) Zool. Garten 1884, 328. Pktebm. Mitth. 1861, 14. 10) First footsteps in Eastern Afr. 251. 11) Life in Eastern Afr. 89. 12) Die von Dr. Fischee gesammelten Säugethiere 31. 13) The Kilima -njaro Expedition 390. 14) Petekm. Ergänz. 50, 28. 15) Journal Geogr. Soc. London 42, 340; SrEKE in: Proc. Zool. Soc. 1864, 99. 16) Peteem. Mitth. 1882, 263. Die Verbreitung der Luchse. 717 mal ScirwEiNFüRTH auch gezähmt sah * ) , lebt gleichfalls zwischen Bahr el-azraq und Sobat^), dann im Schuli Lande ^) (wo er quorra, bei den Bongo dagegen mudjokpollah , bei Niam-Niam mobboru, bei Djur und Schilluk nuoi genannt wird), in den Mudirie Rohl*) und ist in weissgrauen Exemplaren sehr häufig im Niam-Niam Gebiete''). In Ugogi soll nach Burton Lynx fehlen, aber F. nigripes, die phaka ya muyta oder jungle cat vorkommen ß). Im südlichen Afrika lebt nach Thunberg ^) F. chaus und F. caracal, letzterer von den Boeren roicat genannt. Von seinem Caraeal melanotis schickte Holub^) ein Exemplar an den Londoner Zoologi- schen Garten ; er erwähnt auch eines bei den Eingebornen thari ge- nannten L. pardinus. Es werden ferner noch aufgeführt F. lihycus und F. caligata^) und F. caffra, welche nach Brooks i") völlig ver- schieden von der wilden Form der Hauskatze ist. Aehnlich äusserte sich einst auch Schweinfurth ^ ^) über die Unterschiede von F. ca- ligata und F. maniculata, dass erstere um '/s grösser, ihr Schwanz Vs kürzer, die Haarpinsel '/s länger, das Schädelprofil 1/3 tigerartiger wären , dass aber beide übereinstimmten in Haarfärbung , Ringelung und schwarzem Sohlenpelz. F. caraeal wurde auch an der Walfisch- bai und bei Scheppmannsdorf aufgefunden •2), F. nigripes von Living- stone bei den Bakalahari und im Damara Gebiet '2); die red cat oder tuania, von welcher Chapman ^ '' ) eine Beschreibung liefert, deren Fell nach Holub '^) mannigfache Verwendung findet, soll im Küsten- saum des Namaqua Landes leben ^*'). F. obscura Desm. wäre ent- 1) Im Herzen v. Afr. 2, 420. 2) Peteem. Erg. 50, 27. 3) Petekm. Mitth. 1881, 87. 4) Daselbst 1883, 329. 5) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 7, 431. 6) Journal Geogr. Soc. London 29, 123. 7) Mem. de l'Acad. de St. Petersbourg 3, 304; Petekm. Mitth. 18G1, 14; Zool. Gart. 2, 216; Scheebke-Wagnee 526. 8) Sieben Jahre in Südafr. 1, 507. 390. 9) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 3, 58; Scheebee-Wagnee 530. 10) Natal HO; vgl. Zool. Gart. 9, 53. 11) Yerhandl. der Ges. f. Erdk. 1, 89. 12) Peteem. Mitth. 1858, 211. 13) Daselbst und Journal Geogr. Soc. London 8, 26. 14) Travels in South Afr. 2, 338. 15) Culturskizze des Marutse Reiches 174. 16) Petekm. Mitth. 1858, 211. 718 B- LANGKAVEL, weder eine schwarze Hauskatze oder aber eine Varietät von F. ca- ligata '). Die Loango-Expedition^) erwähnt einer dem Leoparden an Grösse ziemlich nahe kommenden Camivore mit runderem Kopfe und Stummel- schwanz ; das mit kleineren Flecken übersäete Fell war weniger schön, Pechuel-Loesche, welcher dies gänzlich zerschossene Exemplar sah, möchte es für einen sehr starken Luchs halten. Dies nur einmal auf- gefundene Thier soll im Buschlande und in der Campine leben, aber auch geschickt Bäume besteigen und ein frecher Räuber sein, der selbst Ziegen und Schafe aus den Dörfern fortschleppt, dem Menschen jedoch nicht gefährlich wird. Aus dem Songo Lande sah Wissmann acht verschiedene Felle vom Luchs ^). Am Senegal lebt F. caracal ^ ). In der Landschaft zwischen Benue und Niger soll der Luchs nicht zahlreich sein'^). In Bornu, Wolodje, Ssömo, Musgo und im Innern Baghirmis kommen Karakals vor, wenn die ssumoli und waktoto mit ihm identisch sind*'). In Algerien, wo Moritz Wagner^) keinen Luchs bemerkte, steigt nach Buvry^) F. caracal nachts aus der bewaldeten Bergregion in die Ebene, F. licycus ist in den dortigen Steppen sehr selten. Auf der Reise nach Ghat will im Flussbett Wed Jhan der Dolmetscher des Bureau Arabe zu el-Aghuät, Bu Derba einen Luchs gesehen haben ^). In Amerika kommen so mannigfache Luchsformen wie in Afrika vor. Lediglich nach aussein Merkmalen gelangte Schrenck zu der Entscheidung, dass L. canadensis eine vom europäisch - asiatischen Luchs verschiedene Art bilde'**). Cet animal, dans ses migrations erratiques en apparence, n'atteint pas la lisiere des forets. On s'en 1) ScHEEBEE- Wagneb 531. 2) 3, 230. 3) Mitth. der deutschen Afr. Ges. 3, 151. Eine Beschreibung einer kleinen Katzenart, „wahrscheinlich der KafFernkatze" findet sich bei Stüdek in: Zeitschr. der Ges. f. Erdk. 11, 88 vom Congo. 4) Peteem. Mitth. 1861, 14; Zool. Garten 2, 216; Scheebeb - Wag- neb 526. 5) Peteem. Ergänz, 34, 76. 6) Nachtigal, Sahara und Sudan 2, 384; Baeth's Reise 3, 153. 574; Ed. Vogel, der Afrikareisende 227. 7) Reisen in der Regentschaft Algier 'S, 80. 8) Zeitschr. für allg. Erdk. 2, 307; vgl. Zeitschr. der Ges. f. Erdk. 3, 58 ; Scheebeb-Wagnee 526, 9) Zeitschr. für allg. Erdk. N. F. 8, 478. 10) MiDDENDOEFP, Relso 4, 2. 793. Die Verbreitung der Luchse. 719 procure quelques peaux en Fort George sur la grande cote Est et ä la Factorerie d'York. II a et6 parfois assez nombreux aux environs du comptoir d'Oxford ' ). Am Beaver River wandert er mit den Hasen, durchschwimmt auch oft den Fluss^). Die Kutchin nennen ihn ni- itchi, die Chepewyans ghise. F. rufa hat eine weite Verbreitung ; sie lebt nach Adams-'') als wild cat*) nicht nur in Canada, obgleich das früher Schreber- Wagner ^) läugnete, häufig, sondern auch im Osten der Vereinigten Staaten, in Mexico, in Californien " ) und dem nord- westlichen Amerika mit den dortigen Inseln^). Die von den Tschukt- schen zu Markt gebrachten Felle sind aber nicht, wie Middendorff annahm, bei ihnen selbst erlegt, sondern sie erhielten dieselben von amerikanischen Stämmen durch Tauschhandel ^). Ob F. rufa wirk- lich auf Dominica ^) lebt, ist noch unentschieden. F. maculata Horsf., die bay-cat bei Penn. syn. 188, ist synonym mit F. rufa. Welche Formen sonst noch im früheren russischen Amerika '<*), im Chilkat Gebiet ^^), als käg bei den Tlinkit-Indianern -2), in Neu Mexico und Colorado ^2), am Athabasco'*) vorkommen, ist noch wenig oder gar nicht aufgehellt. L. montanus, L. floridanus'^^) und L. aureus bei EAPiNESque sind höchst zweifelhaft und nicht minder dessen L. fas- 1) Commiss. Geolog, et d'Hist. nat. et Musee du Canada 1882 — 4, Annexe 11 p. 49 DD; vgl. Richaedson's Beobachtung in Schrebee- Wagner 5 19; Petebm. Mitth. 1861, 218 über Schädelfunde im nördl. Labrador und Transact. of Geogr. Soc. of Quebec 1, 18 über den. Lynx der Mi- stassini Region. 2) RicHARDSOM, Arctic searching exped. 1, 106. 211. 3) Jfield and forest rambles 59; vgl. Allen, Mammalia of Massa- chusetts. 4) Ueber diese Bezeichnung vgl. Andree, Geogr. des Welthandels 1, 214 und Ratzel, die Vereinigt. Staaten 1, 418. 5) 522. 6) Hoffmann, California Nevada Mexico 247. 7) Middendobff a. a. 0. 1003. 8) Wbangel's Reise 1, 274; Peteem. Erg. 54, 13; Woldt, Jacobsen'b Reise in N.W. Amerika 156. 9) Obee, Camps in the Caribbees 54. 10) Zeitschr. für allg. Erdk. N. F. 13, 246. 11) Ausland 1883, 1010. 12) Keause, die Tl. Indianer 88. 13) Peterm. Mitth. 1875, 443. 14) Geogr. Proeeedings 1883, 640. 15) vgl. Barbour, Florida 287. 720 B. LANGKAVEL, data auf Vancouver i), wo die Eingebornen aus deren Wollhaar braune Decken anfertigen 2). In den Vereinigten Staaten muss mit der Aus- rottung des Luchses (zusammen mit der der Wälder) schon frühzeitig begonnen sein ; denn schon , als die ersten Deutschen nach Missouri kamen, war das Thier dort selten 3). Die Hudsonbai Gesellschaft lieferte nach früheren Berechnungen Lomer's jährlich 30000 Luchs- feile^). Dr. Reinh. Bernh. Brehm erwähnt in seinem kürzlich erschie- nenen Werke über das Inka-Reich^), dass man dort einst von dem Fang des ozoljo (das der Verf. mit Luchs übersetzt) einen Zoll erhoben habe. Ich kenne auch andere Uebersetzungen dieses Wortes, doch erscheinen diese mir ebenso unsicher. Reinhold Hensel hat den von Burmeister ^) beschriebenen F. pajeros in seinen „Beitr. zur Kennt, der Säugethiere Südbrasiliens" und in seiner Abhandlung über „Homologien und Varianten in den Zahnformeln einiger Säugethiere '^ ) auch wegen des Fehlens von Prae- molar 3 zu den Luchsen gestellt. Ich entnehme auch aus seinen hinterlassenen Papieren, dass der Schädel des Berl. Zool. Mus. zu 3435 nicht $ (wie dort notirt), sondern S ist mit kurzer ziemlich hoher Crista sagittalis , und dass p. 2 oben sowohl bei ihm als bei 3801 ? mit „hohen Vorderseiten ohne Zacke (wie bei LynxY ist. Weit jenseits der geschichtlichen Zeit haben die Luchse sich über einen beträchtlichen Theil der Erde ausgebreitet und nach und nach derartig diiferenzirt , dass eine Gruppe entschieden das Dickicht ge- schlossener Waldungen in der Ebene oder in Gebirgen bevorzugte, andere dagegen mehr die Steppen und Wüsten. Je nach der geogra- phischen Lage der so gestalteten Ländergebiete haben sich nach Ablauf vieler Generationen in ihnen gewisse innere und äussere Eigenthüm- lichkeiten (auch Mimicry) herausgebildet, welche bei fortgesetzter Inzucht auf beschränktem Gebiete , ähnlich wie z. B. bei den Hyrax- Varietäten am Kap, in Abessinien, Syrien, am Kiliraa-Ndscharo, in Dongola u. s. w., die eine Art in mehrere zu gestalten scheinen, dage- 1) Ygl. Macfie, Vancouver Island 305. 2) Zeitschr. für Ethnologie 2, 384. 3) Ausland 1883, 477. 4) Elfter Jahresbericht des Ver. für Erdk. in Leipzig 65. 5) 1, 225. 6) üescript. phys. de la Republ. Argentine 3, 128 ; vgl. Petekm. Mitth. 1880, 50. 7) Gegknbaur's Moi-pholog. Jahrb. 5 (1879), 552. Die Verbreitung der Luchse. 721 gen bei Veraiiscliurig verschiedener Varietäten aus benachbarten Ört- lichkeiten neue mit neuen Eigenthümlichkeiten hervorriefen. Wenn man in Brasilien glaubt, dass die kleinen Tigerkatzen in der Wildnis mit einander fruchtbar sich vermischen , wenn in Indien , Aegypten und Syrien einem on-dit zufolge Sumpfluchse mit Hauskatzen sich paaren, so versuchte man dadurch die Beobachtung des Ineinander- fliessens verschiedener Formen sich zu erklären. Nun ist auch in Russland das Kleid des Luchses so variirend, „dass kaum einer dem andern gleicht" ; bei Dorpat schoss Middendorpf ein grösseres Weib- chen (Rothluchs) und sein Sohn ein kleines Weibchen (Hirschluchs), ein bei Stockholm erlegtes Weibchen zeigte nach Ström's Untersuchung alle Kennzeichen von F. cervaria, während sein männliches Junge die von F. virgata trug, in der Amurgegend säugte eine Mutter zwei Junge, von denen das eine ein Rothluchs, das andere wie sie selber ein Hirschluchs war. Die Zerlegung in verschiedene Arten nach den einzelnen Ländern, wie Schrenck es thut, ist nicht zutreff"end, weil da, wo man überhaupt noch von einer Heimat der Luchse sprechen kann, mehrere Formen von ihnen zugleich vorkommen, und weil die Luchse ausserdem nicht zu den ausschliesslich stationären Thieren gehören, sondern, wie z.B. in Nordamerika und am Amur, ihrer wandernden Nahrung nachwandern. Durch die stete Verfolgung von Seiten des Menschen und durch die Veränderungen, welche er allmählich auf der Erdoberfläche hervor- ruft, werden der homogenen Verbreitung nach und nach Grenzen ge- steckt, es bilden sich Oasen ihres Vorkommens, die stetig vereinzelter werden, bis endlich das betrefiende Thier gänzlich aus einem grössern Gebiete verschwunden ist. Um dies an dem Luchse zu zeigen, be- handelte ich den Abschnitt über Deutschland in solcher Ausführlichkeit. Ein verloren gegangenes Gebiet kann unter gewissen Umständen von einer Thierart zurückerobert werden , wie wir das bei dem Luchs in den Amurgebieten sehen, wie das Elch jetzt solche Versuche im euro- päischen Russland in seiner Ausbreitung nach Süden hin zu machen scheint, und wie der Luchs sie, wahrscheinlich vergeblich, an der Tatra begonnen hat. Wenn wir die verschiedenen Abschnitte in systematischen Zoolo-- gien einer genauen Vergleichung in Betrefl" des Luchses unterziehen, so finden wir, dass die zahlreichen Namen, durch welche man die Luchse einer bestimmten Oertlichkeit von andern unterscheiden wollte, als blosse Synonyme zusammenschrumpfen auf sehr wenige. Wie aus Zoolog. Jahrb. 1. 4 g 722 B- LANGKAVEL, Die Verbreitung der Luchse. den drei Luchsen des europäischen Nordens trotz aller Verschieden- heit der Fleckung, der Haarpinsel und der Schwanzlänge nur ein einziger geworden, so, meint Middendorff nach seinen vielen Beob- achtungen, werden alle Luchsarten des Nordens der alten und auch wohl der neuen Welt in eine einzige sich vereinigen lassen; und ähn- liche Resultate werden sich wahrscheinlich auch für die andern For- men ergeben, wenn einst künftigen Forschern ein ausreichendes osteo- loeisches Material zu Gebote stehen wird. I M i s c e 1 1 e n. Notiz über eine Bezeichnung des Autornamens hinter dem Art- namen, wenn ersterer sich nur auf letzteren und nicht auf den Gattungsnamen beziehen soll. Von A. B. Meyer (Dresden). Herr Möbius sagt in seiner Abhandlung: „Die Bildung, Geltung und Bezeichnung der Artbegriffe" etc. (diese Zeitschrift p. 266): „Will man angeben, dass der Autor nur den Artbegriff aufgestellt, den ange- führten Gattungsbegriff ein Anderer, so setzt man hinter den Autornamen die Buchstaben sp., z. B. Tropidonotus natrix L. sp.^' Ein noch einfacherer Modus ist seit lange in der Ornithologie ganz allgemein eingeführt, und ich möchte dafür plaidiren, dass derselbe sich auch auf den anderen Gebieten der Zoologie und in der Botanik einbür- gerte. Er besteht einfach darin, dass man den Autoruamen, wenn er sich nur auf die Artbezeichnung beziehen soll, und nicht auf die Gattung, einklammert. Z. B. : Turdus musicns L., da LiNNE in S. N. I, 292 (1766) sie als solche aufführt, aber Monticola saxatilis (L.), da LiNNE sie 1. c. p. 294 als Turdus saxatilis aufführt. 46^ 724 Miscellen. Biologische Mscellen aus Brasilien von Prof. Dr. E. A. G ö 1 d i. (Rio de Janeiro.) iir. Die Eier zweier brasilianischen Gespenstheuschrecken (Phasmodea). Mit 4 Figuren. Wallace 1) bemerkt mit Recht, dass neben Schmetterlingen und Ameisen als diejenigen Insecten , die in den Tropen zunächst die Auf- merksamkeit des Naturfreundes auf sich zögen, die mannigfaltigen Formen der Mantidae und Phasmidae in erster Linie aufgeführt werden müssen. Wenn schon die getrockneten, doch immer mehr oder minder erblassten und in Dimensionen und Farbe alterirten Exemplare in unseren europäi- schen Museen manche Episoden ahnen lassen , die sich während des Le- bens dieser perfecten Mimiker aus der Orthopteren-Ordnung zutragen werden, wie muss die Bewunderung sich steigern, wenn wir diese Comö- dianten in ihrer Heimath, mitten in ihrem Treiben belauschen! Alles ist Trug, Schelmerei und Heuchelei an ihnen. Zumal gilt dies von den Mantiden (Gottesanbeterinnen), von denen eine grasgrüne Art mit Augen- flecken auf den Flügeln oft genug Abends zum offenen Fenster auf meinen Arbeitstisch hereinfliegt, ohne Zweifel durch den Schein meiner Lampe von der nächtlichen Insecten - Jagd auf dem benachbarten Caja- Baum abgezogen. Die Phasmiden dagegen scheinen nicht diese „Tiger- Natur" zu besitzen; hinter ihrer Verkleidung suchen sie lediglich Schutz. Auch ihre Färbung ist eine Schutzfärbung, denn man trifft sie nächtlicher Weile im Unterholz der Gesträuche stets nur vegetabilischer Nahrung nachgehend. Hat man sie erkannt, so wissen sie der sie ergrei- fenden Hand keinen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen. Sie krüm- men sich wohl und suchen sich zu entwinden, aber unter eine Glasglocke gestellt nehmen sie alsbald wieder ihre eigenthümliche Stellung ein, Antennen und Vorderbeine schnurgerade vorwärtsgestreckt. Eine ge- fangene Mantis aber wird sich wüthend wehren , sie beisst und klemmt mit ihren am Innenrand sägeartig geformten Fangbeinen, so dass ein nicht sehr beherzter Neuling bei der ersten Begegnung beim Fang seine Finger sorgsam ausser deren Bereich zu bringen suchen wird. Die Phasmiden belegt die einheimische Bevölkerung hier in Rio mit dem bezeichnenden Namen „bicho-pao" („Holzthier"). Wenn ich vorhin sagte, dass an diesen Orthopteren-Familien Alles Trug und Täuschung sei, so bezieht sich das (für die Phasmiden wenig- stens) nicht bloss auf das Thier als solches , sondern auch auf das E i. 1) A. R. Wallace, „Tropical Nature", p. 91. M i s c e 1 1 e n. 725 Ich wundere mich, dass in der Litteratur Niemand dies zur Sprache ge- bracht hat, und weiss nicht, ob vielleicht die Eier der ausser-brasilianischen Arten weniger geeignet sind, solche Betrachtungen zu wecken, oder ob — was mir wahrscheinlicher scheint — überhaupt die Fortpflanzung der Ge- spenstheuschrecken noch wenige Beobachter gefunden. Meine beiden Beispiele sind zu frappant, als dass ich sie mit Stillschweigen übergehen möchte. Es will mich bedünken , dass hinter den zu schildernden Ver- hältnissen eine Thatsache von allgemeiner, naturphilosophischer Wichtig- keit verborgen liege : diejenige, dass das protective Kleid von der Mutter dem Ei, (obwohl in ganz anderer Form) als Erbstück mit auf den Lebensweg gegeben wird. Diese Vorsorge, die sich über die Lebensdauer des Bionten auf das hülf- und wehrlose fötale Stadium der frei gewordenen und somit dem Kampfe ums Dasein überantworteten Progenitur erstreckt, ist wohl geeignet, unser Nachdenken zu erregen. Wenn ein protectiv gekleidetes Individuum A durch Viviparität ein ihm gleiches Individuum A ^ erzeugt, 80 erblicken wir am Ende nichts Besonderes dabei. Aber wenn ein In- dividuum B, das einem Ast gleicht, ein Ei A^ legt, das einem Samen täuschend ähnlich sieht, das erst nach Ablauf verschiedener Metamor- phosen zu einem B^ wird, mit dem dem fertigen Insecte eigenen Schutz- kleid, so haben wir es sicherlich mit Thieren zu thun, bei denen durch besonders augepasste Vererbung ein die Existenz und Ausbreitung der Art sicherer stellendes, äusserliches Merkmal auf dem Optimum seiner Vor- theilhaftigkeit angelangt ist. Auf die weitere Begründung dieser Vortheil- haftigkeit komme ich weiter unten zurück. a. Acanthoderus perfoliatus. Anfangs März 1886 brachte mir der Präparator der zoolog. Sectiou, Senhor Eduaedo Siqüeiea eines Montags von einer Tags vorher unter- nommenen Excursion nach den Bergthälern bei Cascadura (Prov. Eio de Janeiro) in einem Schächtelchen einige kleine Körper, deren Natur ich errathen sollte. Sowohl die Umstehenden als ich selbst glaubten Pflan- zensamen vor uns zu sehen. SiQXJErEA, der das wohl vermuthete, zog dann aus der Rocktasche eine Schachtel hervor , in der eine lebende Phasmide sich befand, der er die Mutterschaft zuschrieb. Ich stellte nun das Thier unter meine specielle Beobachtung, hoffend noch weitere Eier zu erlangen. Diese Hoffnung erfüllte sich; ich erhielt im Lauf der näch- sten Tage in Zwischenräumen von einigen Stunden nacheinander etwa ein Dutzend Eier , genau gleichend den drei oder vier mir vorher über- gebenen. Ich bestimmte die eingebrachte Gespenstheuschrecke als Acanthoderus perfoliatus. Die BuEMEisTER'sche Diagnose stimmt völlig überein und lässt keinen Zweifel aufkommen ^). Die beigegebenen Zeichnungen werden dem Verständniss dieser Eier 1) H. BURMEiSTEE, Handbuch der Entomologie, Berlin 1838, Bd. II, p 569 : „Ver- tice aiirito , prothorace et mesothorace cylindrico bispinoso ; femoribus 4 posticis bis trifoliatis. Abdominis apice obtuso. Long. 2" 10'" ( 2 ). Brasilia." Mein $ Exemplar misst 79 mm. T26 Miscellen. hinsichtlich ihrer äusseren Gestalt und Grösse eher zu Hülfe kommen, als es mit Worten geschehen könnte [Fig. 1 und 2, a, b, c]. Fig. 1. Ei von Acanthodet~us pa-foliatus, von der Seite gesehen (vergrössert). Links Dorsalseite, rechts Ventralseite. In der Medianlinie der Ventralseite wird in Fig. 2 a die kreisrunde Narbe ersichtlich. \ geben die Ober-Ansicht der Deckel zweier verschiedenen Eier. ^ J Die nahezu geradlinige Seite ist in Bezug auf die Lagerung des Embryos im Ei die dorsale, die convexe demnach die ventrale. In der Medianlinie zeigt die Ventralseite unweit vom unteren Pole eine kreis- runde Narbe. Am oberen (oralen) Pol ist ein zierliches Deckelchen zu sehen, welches mit denselben Vertiefungen versehen ist wie die ganze Aussenfläche des Eies. Diese Vertiefungen , bezüglich deren Grösse und Anordnung bald grössere bald mindere Regelmässigkeit obwaltet, erweisen sich als fensterartige Lücken in der äusseren starken Chitinhaut des Eies. Gegen das Licht gehalten, schimmert schwach gelblich der Inhalt durch; dasselbe tritt ein, wenn mit einer Nadel sorgfältig das Deckelchen abge- sprengt wird. — Die Farbe der Eier ist allerseits ein helles Lehmgelb. Die Aehnlichkeit dieser Eierchen mit irgend einem Pflanzensamen ist überraschend. Alle Personen , die ich in gleicher V^eise über die Natur derselben rathen liess, wie es mit mir geschehen, riethen aus- nahmslos auf Samen; auch keine einzige traf das Richtige, was mir einigermaassen Vergnügen machen musste, um so mehr als sogar mehrere Entomologen sich darunter befanden. Welches sind die Pflanzen , deren Samen damit einige Aehnlichkeit besitzen könnten? — An solchen fehlt es in der That nicht; beim Durch- blättern eines grösseren botanischen Werkes wird mau auf eine ziemliche Anzahl stossen. Das illustrirte Werk von Le Maoüt und Decaisne ^) bildet zum Beispiel ab von solchen Samen : 1) Tulasnea aus der Familie der Melastomaceae (p. 289) ^)^ 2) Cajophora aus der Familie der Loaseae (p. 279), 3) Orobanche (Orobancheae) (p. 171, 4) Rafflesia (Rafflesiaceae) u. 8. w. 1) Trait^ gendral de botanique descriptive et analytique. Paris, F. Didot, 1868, 2) Es ist mir aufgefallen, dass die Melastomaceen verhältnissmässig wenig Insecten- leben beherbergen ; ihre derben Hlätter behagen als Futter nur einer geringen Anzahl von Formen. Soll man es nun Zufall nennen, wenn die jicanthoderus-VHar gerade die Samen einer an Species- und ludividuenzahl so hervorragenden , für den Urwald Bra- siliens physiognomisch so wichtigen Pflanzenfamilie vortäuschen? Mi s c el 1 en. 727 b. Cladoxerus phyllinus. Gleich iü den nächsten Tagen bekam ich noch ein grosses Weib- chen eines Clado.cenis phi/l/inus^) von der Insel Paqueta in der Bucht von Ilio. Diese Art ist gemein; ich habe sie überall in der Umgebung der Hauptstadt constatirt. Die Männchen sind geflügelt. Es dürfte vielleicht manchen europäischen Entomologen iuteressiren, zu erfahren, dass auch bei diesen exotischen Phasmiden die auf den Geschlechtstrieb der cj ba- sirende Fangmethode hier (wie bei sehr vielen z. Th. seltenen und schwierig zu beschaffenden nächtlichen Lepidoptereu) in der Regel sehr gute Resultate liefert. Bindet man ein lebendes $ von Cladoxerus an günstiger Stelle an einen Baum, so wird man Morgens öfters eine ziem- liche Anzahl von $ in der Nähe finden, die sich sämmtlich während der Nacht eingestellt. Ich kenne hier Jemanden , der sich beliebig viele (J dieser Art zu verschaffen wusste auf dem angedeuteten Wege. Besagtes Weibchen brachte ich in einen Raupeukasten und wartete der Eierablage, die nicht lange auf sich warten Hess. In Zwischenräumen von einigen Stunden fiel je ein Ei auf das als Unterlage dienende weisse Papier. Nach dem 18. Ei ging mir das Insect ein; Futter hatte es be- harrlich verweigert. Diese Eier [Fig. 3, Fig. 4, a, b, c] sind, entsprechend der Art — Fig. 3. Fig. 4. Fig. 3. Ei von Cladoxerus phyllinus, seitlich (vergrössert). Fig. 4 a. Dasselbe von der Ventralseite gesehen. Man beachte die Form. der Narbe. b. Deckel des Eies, von oben gesehen (oraler Pol). c. Der aborale Pol desselben Eies, von oben gesehen. (BüEMEiSTEE giebt die Länge des $ zu T' S'" an, das meinige misst 224 mm) — erheblich grösser als die von Acanthoderus. Auch die Un- terschiede in Form und äusserer Gestaltung gegenüber den oben bespro- chenen Phasmiden-Eiern sind auffallend genug. Ihre Grundfarbe ist braun , ihre Gestalt völlig die einer kleinen Erbse. Distalwärts sind sie abgeplattet; die dorsale Umrisslinie ist etwas schwächer gekrümmt als die ventrale. In der ventralen Medianlinie liegt die langgezogene Narbe, etwas dunkler gehalten. Der orale Pol besitzt 4) Stimmte mit der Diagnose des ^ , wie sie in Burmkister, Handbuch d. Entomo- logie Bd. II, p. 571, gegeben wird. 728 Miscellen. wiederum einen Deckel von dunkelbrauner Färbung und einer besonderen, strahligen Seulptur. Der aborale Pol zeigt einen runden , dunklen, kleinen Fleck , die Stelle , wo die äussere Chitinschale zur Zeit ihrer Bildung im unteren Abschnitt des Geschlechtsapparates gleichsam zuge- pfropft wurde. Die Oberfläche dieser Eier zeigt nichts von jenem zier- licher Alveolen-Bildung , wie wir sie bei Acunlhoderus beschrieben ; sie ist eben, matt, während bei Flächenansicht sich auf jeder der distalen Flächen ein ovaler Fleck präsentii-t, der wie mit Lack bestrichen oder glänzend geschliffen aussieht. Hier zumal ist die Aehulichkeit mit irgend einem kleinen Legumi- nosen-Samen, aus der Nachbarschaft etwa der Linsen, eine so augen- fällige, dass ich keinen Widerspruch fürchte, von Seiten selbst des hart- näckigsten Skeptikers. Kommen, sehen — und sich überzeugen, ein weiteres giebt es nicht! Man vergleiche doch nur Punkt für Punkt. Oder sollte etwa der Deckel die Imitation stören ? Oder der entgegengesetzte Ab- schlussfleck? Dann könnte mit demselben Kechte gefragt werden, wess- halb die Natur auf dem Flügel der Mautiden und verwandten Gattungen (l'hyllium, Plerochroza u. s. s.) sich nicht das Blatt einer bestimmten Pflanze zum Vorwurf gewählt, indem sie die Blattnerven in Stellung, Zahl und Verzweigung bis ins Detail genau copirte. Oder: warum bei der die Orange-Blüthen nachahmenden Spinne Eripus heterogasler ^) nicht gerade die Zahl der Stamina innegehalten wird in der Anzahl der ana- logen Eückenzapfen. Ich vermuthe, dass manche Leser dieser Zeilen die Samen - Aehnlich- keit dieser Phasmiden-Eier mir zwar zugeben werden, aber den Einwurf bereit halten, inwiefern diese Imitation denn eigentlich für die Existenz- sicherung dieser Gespenstheuschrecken sich nützlich erweisen könne. Man möchte mir vielleicht geradezu entgegenhalten, dass diese Eier im Gegen- theil der Gefahr ausgesetzt seien , von den Vögeln gefressen zu werden. Der Einwurf verdient gewiss Berücksichtigung. Aber ich glaube, dass eine solche Gefahr bei weitem compensirt wird durch Verhütung einer erheblich grösseren. Es ist denkbar, dass das eine oder andere Ei von einem körnerfressenden Vogel irrthümlicher Weise aufgelesen und verschluckt wird. Dafür wird es von manchem der alles durchstöbernden Insectenfresser verkannt und liegen gelassen werden ; ich denke z, B. an den so häufigen Troglodyles furviis , an die Crofo/j/n/ga - Arten (Maden - kukuke). Das schuldende Kleid der Eier vermag eben nur relative Sicherheit zu gewähren , indem es sicherlich neue Gefahren involvirt. Dies gilt ja auch vom fertigen Insect. Sollte nicht irgend ein auf Kecognoscirung nach Nistmaterial befindlicher Vogel in der Gespenstheuschrecke ein mund- gerechtes Stück Holz erblicken können, sehr geeignet zu seinem Baue? Gesetzt, unsere europäischen Dohlen lebten in einem Striche, wo Phas- miden vorkämen. Niemand würde daran zweifeln, dass solche Vorkomm- nisse häufig sich ereignen müssten. 1) S. diese Zeitschrift Bd. I S. 411. Miscellen. 729 Meine Vermuthuug über die Vortheile eiues samenähnlichen Eies geht indess auf einen anderen Punkt hinaus, — Ich glaube, dass auf diese Weise die Ichneumoniden, diese furchtbaren Feinde der lu- secteneier, um einen Kaub getäuscht werden möchten. Die Wirksamkeit dieser in der Regulirung der numerischen Verhältnisse gewisser grösseren Insecteu so bedeutsamen , schon in der alten Welt so artenreichen und mannigfaltigen Familie der Schlupfwespen lernt man in den Tropen noch weit höher anschlagen. Man muss hier in Brasilien Raupen gezüchtet haben , um zu wissen , wie mächtig diese Feinde sind. Meine hiesigen eutomologischen Freunde sind voller Klagen über all' den Schabernack, den jene anrichten, und von gewissen Schmetterliugs-Arten stellen die- selben difci Züchtung als eine höchst unerquickliche Aufgabe, ein Kunst- stück hin — wegen der Ichneumoniden. Meine eigenen Erfahrungen bestätigen dies vollkommen. Vor noch nicht langer Zeit brachte ich eines Tages 14 Stück Puppen mit nach Hause, die ich gelegentlich einer Excursion von einem Waldbaume ablas, wo sie alle dicht neben einander etwa in Mannshöhe augeheftet waren — (einer Zeu2era-Art angehörig). Aus diesen 14 Puppen kamen 13 Schlupfwespen aus in 2 Arten, im Verhältniss von 12:1. Die 14. Puppe lieferte einen Schmetterling, leider einen Krüppel. Es könnte mir fernerhin eingewendet werden, dass die intellectuelle Begabung, sowie die Ausbildung des Siunesapparates bei den Ichneumo- niden doch nicht so weit unterschätzt werden dürfe, um sie — die doch auf das Anstechen von lusecteneiern angewiesen sind — einer solchen Täuschung unterworfen zu halten. Mit Genugthuung führe ich gegen eine solche Argumentation eine schöne Beobachtung von Belt ') ins Feld. Dieser angesehene Naturforscher sah in Central- Amerika einst eine blatt- imitirende Heuschreckenart, die von einem Zuge insectivorer Ameisen über- rascht in deren Mitten sich völlig bewegungslos verhielt; letztere rannten ihr über den Körper, ohne zu merken, dass sie ein Insect — und kein Blatt vor sich hatten. Ich weiss nun allerdings nicht , ob schon Ichneumoniden bekannt wurden , die an Orthopteren schmarotzen. Und wenn dies auch bisher nicht der Fall sein sollte, so werden wir doch desshalb die Möglichkeit nicht von der Hand weisen. Scheint ja doch auch die den Ichneumoniden so nahe verwandte Gruppe der Braconiden vorzugsweise an Käferlarven gebunden zu sein, die in faulem Holze leben. Der beste Weg, um aus den Theorien auf den festen Boden der Ge- wissheit zu kommen, bestünde auch hier wohl in diesbezüglichen Experi- menten. Ihn zu betreten, wird meine angenehme Forscherpllicht sein. Rio de Janeiro, Ende Mai 1886. 1) Th. Belt, ,,The Naturalist in Nicaragua". Ich finde diese höchst interessante Beobachtung citirt in Wallace Tropical Nature p. 93 (Leaf and stick insects). 730 M 1 s c e 1 1 e n. IV. Eigenthümliche, unterirdische Bauten einer brasilianischen Polydesmus-Art. Mit 2 Figuren. Die Biologie der Myriapoden, besonders der tropischen Arten, scheint mir noch sehr wenig studirl zu sein, gerade wie auch die Embryonalent- wicklung noch lange nicht aufgeklärt ist. Ich glaube, dass jeder noch so kleine Beitrag zur Kenntniss der Lebensgewohnheiten von Rei)räsen- tanten dieser Classe willkommen sein wird, und in diesem Sinne übergebe ich nachfolgende Zeilen der Oeifentlichkeit. Im Laufe der trockenen Jahreszeit 1885 erhielt ich in Eio de Janeiro den Besuch eines Brasilianers, der ( — hier zu Lande eine wegen ihrer Seltenheit hoch anzuschlagende Ausnahme von der der intellectuellen Ent- wicklung so verderblichen Regel ! — ) reges Interesse an Naturt-tudien be- zeigt und sich mir schon mehrmals bei Beschaffung von Material ebenso dienstfertig wie nützlich erwies. Dr. Basilio Fuetado, Fazendeiro in Bio Novo (Provinz Minas Geraes), brachte mir diesmal von seiner der Campos - Region Brasiliens angehörenden Besitzung einige Natur-Objecte mit, die mich in hohem Grade interessirten. Es sind dies in erster Linie zwei Kugeln, die ringsum völlig abge- schlossen waren und Aehnlichkeit mit Ziegelsteinmaterial haben. Der Ueberbringer hatte sie beim Umarbeiten eines zu seiner Fazenda gehöri- gen Grundstückes gefunden. Er wusste nicht, was ihre Bildung veran- lasst hatte, und war überhaupt über ihre Natur im Unklaren. In seiner Gegenwart sägte ich beide Gebilde durch einen Meridian- schnitt entzwei. Sie erwiesen sich als Hohlkugeln. Aus der Höhlung der einen fiel ein aus- gebildeter Myriapode heraus, todt , aber wohl erhalten ; die andere enthielt staub- und sand- artige Residua eines zerfallenen Cadavers eines nämlichen Thie- res. Der Architect dieser unter- irdischen Hohlkugeln ist ein Chilognathe aus der an süd- amerikanischen Arten besonders reichen Gattung l'ohjde^miis. Die Gestalt dieser beiden Gebilde ist unter sich sehr übereinstimmend (Fig. 1). Sie nähert sich eher derjenigen eines Ellipsoides als derjenigen einer Kugel, weil die eine Axe etwas Fig. 1. Mi scell en. 731 verkürzt ist. Beide tragen den einen Pol mehr abgeplattet als den andern. Dort tritt ein nahezu ebenflächiges Polfeld auf mit lamellenartiger Schichtung um einen excentrisch auf der Seite liegenden Punkt. Auf diese Fläche ge- stellt stehen diese Hohlgebilde solid auf jeder ebenflächigen Unterlage. Die Aussenseite ist uneben ; man sieht, dass das Bauwerk durch Aufeinander- kleisterung tropfenartiger Häufchen entstand. Mehrere, zum Theil bloss halb, zum Theil zu ^ die Kugel umlaufende Zonen werden gebildet durch mehr oder minder spitze, erhabene Leisten und da- zwischen liegende, ausge- ruudete Thäler. Ganz an- ders die Innenseite der Hohlgebilde (Figur 2). Diese ist überraschend glatt ausgerundet und ver- räth besondere Soi'gfalt. Auffallend ist es nun, dass ich bei keinem der beiden Gebilde irgend eine sichere Spur von einem verbin- denden Kanal zwischen Höhle und Aussenwelt aufzufinden vermochte : der Tausendfuss hat seine räthselhafte Kammer nach aussen zu gänzlich abge- schlossen. Ich vermuthe indess , dass es obengeschildertes Polfeld sein möchte, welches den Verschluss der Kammer darstellt. Das Ganze ist sehr solid gearbeitet, steinhart, und die Structur an den Bruchstellen zeigt, dass der Baumeister sein Baumaterial, die rothe Erde Brasiliens, in fein durchgekneteter Form gar sorglich und fest zu- sammengeleimt hat. Das .Mauerwerk ist feiner und fester als etwa bei dem backofenförmigen Nest jenes merkwürdigen Vogels ,,Toao de barro" {Ftirniirius rufus), der dem in der Camposregion Brasiliens Reisenden über- all seinen sonderbaren Gruss entgegenschreit. Die Längsaxe beträgt für beide Tausendfuss - Gehäuse 5,5 cm und 5,1 cm, während die Polaxe zu 3,8 cm und 4,1 cm gefunden wurde. Die Wandungsstärke beträgt durchschnittlich etwa 5 bis 6 mm, an dem Polfeld sinkt sie auf c. 3 mm herab und verstärkt sich in entsprechender Weise an der gegenüberliegenden Stelle. Das Gewicht des einen Ge- häuses (sammt Tausendfuss) bestimmte ich zu 58 Gramm, dasjenige des anderen (ohne T.) zu 51 Gramm. Nachdem Dr. Basilio Fuetado wieder nach Rio Novo zurückgekehrt war, bat ich ihn um Auskunft über die genaueren Umstände des Fundes. In einem poitugiesi sehen Briefe vom 28. Nov. 1885 erhielt ich hierüber folgende Informationen, die ich in wörtlicher Uebersetzung wiedergebe: „Die Kugeln werden in einer Tiefe von annähernd einem Meter unter der Oberfläche, und zwar einer Aushöhlung grober, rother Erde ange- Fig. 2. Y32 Miscellen. troffen (Muster l). Innerhalb dieses Kessels ruhten sie in einer Schicht feiner, mit Sand untermischter Erde (Muster 2). Letztere hinweg ge- dacht, würden sich die Kugeln frei suspendirt gefunden haben innerhalb einer runden, glattwandigen Grube von annähernd einer Spanne Durch- messer. Diese Grube communicirte mit der Aussenwelt vermittelst einer Gallerie, die mit demselben Material verstopft war, welches ich eben als Inhalt der ersteren angab. Jede Grube enthielt eine einzige Kugel und alle ersteren standen unter sich in Verbindung durch kleine Gänge. Da- bei lagen sie jeweils über eine Spannenlänge von einander ab. Diese Gruben und Gallerien sind identisch mit den unterirdischen Bauten der Saiiba-Ameise [,,icas"] ; wahrscheinlich sind es deren verlassene Ansied- lungeu. Ich denke mir, dass die Myriapoden erst nachträglich von diesen Ameisen-Bauten Besitz ergriffen, dort ihre eigenthümlichen Kugeln her- stellten, welche wiederum durch die Thätigkeit der Regengüsse mit feiner Ei'de und Sand überschlämmt worden sein mochten. An Localitäten, die solcher Ameisen -An Siedlungen entbehren, habe ich die fraglichen Kugeln dicht unter der Oberfläche angetroffen, bloss leichthin überdeckt mit einer geringen Humusschicht." — Welches mag die Rolle sein , welche in der Lebensgeschiohte der Polydesmiden diesen Hohl-Ellipsoiden zukommt? Claus schreibt*): „Viele (Chilognathen) kugeln sich nach Art der Kugelasseln zusammen oder rollen ihren l^eib spiralig auf, überwintern auch in solcher Haltung des Körpers". Vermuthlich sind auch diese Hohlgebilde für die Poly- desmiden nichts anderes als Zufluchtsorte auf eine ihnen nicht zusagende Periode des tropisch -brasilianischen Klimas, und die ausgeführte Ueber- schlämmung scheint darauf hinzuweisen, dass es die heisse oder Regen- zeit sein muss, welche diese Tausendfüsse in solche Kammern sich einzu- mauern zwingt. Die in diesen Zeilen behandelte Angelegenheit hat aber ausserdem noch ein geologisch-paläontologisches Interesse. In verschierlenen Schichten der Erdkruste Brasiliens sind nämlich Knauer und Hohlkugeln angetroffen worden, über deren Bedeutung die Geologen im Unklaren sind. Einige besitzt mein Freund Prof. Orville A. Deuby in seinen geologischen Sammlungen aus- Brasilien. Ich hoffe später diese Gebilde zum Gegen- stand einer besonderen Notiz machen zu können und begnüge mich, für heute die Vermuthung auszusprechen, dass einige derselben fossile Glie- derthier - Bauten sein möchten. Jedenfalls verdienen die modernen (!e- bilde um so eher eine gründliche Untersuchung, als wohl nur auf diesem Wege die richtige Basis gewonnen werden kann zu Schlüssen über die Natur fossiler Bildungen. 1) Claus, Grundzüge der Zoologie 4 Aufl. Hd. I. p. 680. FrominBiiusche nuclidiiickeii:! (Hcrmauu Pohl«) iii.'ena. — 268 Zooluii Jalirhüthef ßd I /. 'lofi Jalirliriflitr, Bd I F„( ,V I «iloii JaMüfher, Bd I T.lill ZmlogJahrbüdw.Bd L. TiiilV Verl v.Custav Fisthen in Jena Litlt.Anst.».A,Cillsch,Jena Zoolog. Jahrbücher Bd.l Taf. 5. C-Müel dei 1 Ploceus xanihops. üPsakalava. 3.Ptoulm,us 4 P sul.p.r.,matas Verlag V. Gustav Fischer m Jena ■ltvCBonra.Be! jTi I Zoolog. JnhrhicherjBd, I. Tarn. h'SSS^sSÖSs. 05 0 -r'o'S ^ Ooo Ö0^rs°0^^^ Ludwig.del Zoolo(fJahfiücher,Bd. I. Tai: m Verl.u Guslav Fischer in Jena. Lith Ansl « A.GiltsctiJena Zoolog Jahrbucher Bd:J. TaflX Vaia^ vGiistay Fischer. Je ■/Mi/iM/m/i,' JuMmrh-i: Jl,/. /. VctIw von Giislar Fischer üi. Jen. ZooItJffMrhiMerJd.I. TaJXl Lilh.AnstJ.A. Glitsch, Jena- Zoolog. Jahrbiulier Bdl. Tafjo ^^^ ^\ ] Verlag v. GustarRscherinJena. LühJnsLvWimeri WaurfianMut '^'M. ? Zoolog Jahrbucher Bd / raf/5 ■Jv vi'/ 3. fi;t% ,y. !7 V 3;? # „fe- y-. li f^ f i 7^ Y \).iji; >/> '. \ i h ^O Äfe u. \ VctIz0 v&isiay Fischer. Jaz, LiÜtJbtst.vVlimerA WmttrJiaBiUäit '^ Zoolofj Jahrbücher Bell TafJ'l. .^./ Vertag ydiistavFtscka-Jena.. Utk Allst V y/mierA V^nter.FmnkTa/t ^A I J.(thJlnil