SCHOENHOF || $% Tremont st® GLENDOWER EVANS BORN MARGH 23 1856 DIED MARCH 281886 Let knowledge grow from more to more, But more of reverence inus dwell; That mind and soul, according well, May make one music as before, But vaster. FB N: IR "an SOARS ” ; HAB. | Gee 5214. ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER. ABTHEILUNG FUR ANATOMIE UND ONTOGENIE DER THIERE. HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. J. W. SPENGEL IN GIESSEN. DRITTER BAND. MIT 38 LITHOGR. TAFELN UND 32 ABBILDUNGEN IM TEXTE. JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1889. À my’ Kar, ¥ Y Tate a K D? as Lx ve te M AA en ia "hk Bi, ¥ 2 Le Wis Lid I ‘à 17 4 À w? Pa ie Fe 3S ) (A fs Li à | N u a VE da OA LI FEVER | nut oe aa 90 Mo an! à OL APE A in Be ; 2 AD. |! Bi i? ‘ s" WBA AUTANT vay RO NAN yet HOKE fe | ANBAUE- Al. Br OA LAS CET AE Bad NUMA SE AU ARTA OCÉANS | ; | A VE Gl h % it con iA | | AA VAVAUO. LOW DAMON u. Saas ips LG A i ra u er we : aan m), ’ ul à * Inhalt, Heft I (ausgegeben am 19. Mai 1888.) van Reus, J., Dr., Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. Mit Tafel I und II und 15 Ab- bildungen im Texte Et cat) Me eee Prats, L., Dr, Studien über Protein Mit Tafeln II—V . Heft II (ausgegeben am 15. Juli 1888). Wu, Lupwıg, Entwieklungsgeschichte der viviparen En: Mit Tafel VI—X : . Leypie, Franz, Beiträge zur Kenniniss de unlesiachen Eies im un- befruchteten Zustande. Mit Tafel XI—XVII. Doro, Louis, Sur le proatlas > Heft III (ausgegeben am 30. November 1888). Kennet, J., Prof. Dr., Untersuchungen an neuen Turbellarien. Mit Tafel XVII und XIX Prare, Lupwie H., Dr., Beiträge zur NA echo de D Mit Tafel XXX. Herzreıv, P., Dr, Ueber das JacopBson’ che Ofsanı dee Menschen und der Säugethiere. Mit Tafel XXIII und XXIV Weismann und IschmkawA, Weitere Untersuchungen zum Zahlen- gesetz der Richtungskörper. Mit Tafel XXV—XXVIII und 5 Ab- bildungen im Text EL UR ve ONE EN RE, Heft IV (ausgegeben am 20. Mai 1889). SCHÄFFER, Cisar, Dr, Beiträge zur Histologie der Insekten. (Aus dem zoologischen Institut in Freiburg i. B.) Mit Tafel XXIX und XXX BE en ee N Seite 287 433 447 487 551 575 Inhalt. KorscHELT, Eucen, Dr. Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. Nach Beobachtungen an Strongylocentrotus lividus Lam. Mit Tafel XXXI und 6 Abbildungen im Texte . Mürter, G. W., Dr, Die Spermatogenese der Ostracoden. Mit Tafel XXXII und XXXIII . PR Ne. - Bearp, J., Ph. D., B. Sc, Morphological Studies. No. 3. The Nature of the Teeth of the Marsipobranch Fishes. (Aus dem anatomischen Institut zu Freiburg i. B.) Mit Tafel XXXIV—XXXV Brarp, J., Ph. D., B. Sc. Morphological Studies. No. 4. The Nose and Jacobson’s Organ. (Aus dem anatomischen Institut zu Frei- burg i. Br.) Mit Tafel XXXVI—XXXVIII und 6 Abbildungen im Texte . A Le 4 ER. OS Seite 653 677 127 153 Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. Von Dr. J. van Rees, Lector fiir Histiologie an der Universitit zu Amsterdam. Mit Tafel I und II und 10 Holzschnitten. Einleitung. Die Untersuchung, deren Hauptresultate ich auf den folgenden Seiten niedergelegt habe, wurde im Frühjahr 1854 im Zoologischen Institute zu Freiburg i. B. angefangen und während 1'/, Jahren mit geringen Unterbrechungen fortgesetzt, sodann nach der Wiederaufnahme meiner hiesigen Thätigkeit weiter ausgearbeitet, wenn auch die wich- tigsten Resultate sich bereits im Laufe der technischen Arbeit bis zum Sommer 1885 ergeben hatten. Indem ich den Wunsch hege, später in einer grösseren Publication die vielen interessanten Erscheinungen der Fliegen-Metamorphose ausführlicher darstellen zu können, erlaube ich mir, in gegenwärtiger Mittheilung eine vorläufige Schilderung der Hauptpunkte aus den Ergebnissen zu entwerfen. Durch Hinzufügung von zwei Tafeln hoffe ich, die Darstellung leichter verständlich und überzeugender zu machen. Der geschichtliche Ueberblick über den Gegenstand dieser Mit- theilung braucht an dieser Stelle nur kurz zu sein. Dies lässt sich um so eher erreichen, als nur wenige Forscher sich mit der nachembryonalen Entwicklung der Fliegen beschäftigt haben und auch bei anderen In- seeten diese Erscheinungen nur selten erforscht worden sind. Nur in- Zon, Jahrb. Wi Abth. 1. Anat- 1 9 Dr. J. van REES, sofern ist es durchaus geboten, die Resultate der friiheren Forscher zu besprechen, als dies nöthig ist zur Beantwortung der Frage, ob es gerechtfertigt war, die Untersuchung noch einmal aufzunehmen. Für mich gab auf diese Frage schon die Thatsache eine genügende Antwort, daß es der erste und weitaus eingehendste der früheren Unter- sucher, Prof. WEISMANN selbst, war, der mir die Bearbeitung dieses Themas vorschlug, als ich mich in der Absicht, eine grössere Unter- suchung zu unternehmen, in sein Laboratorium aufnehmen liess. Dass ich es nicht unterlassen kann, ihm, meinem hochverehrten Lehrer und Freund, hier für diese seine Gastfreiheit, sein reges Interesse an dem Gedeihen meiner Arbeit, sowie vor Allem für die von ihm in reichem Maasse erhaltene wissenschaftliche Anregung nach allen Richtungen öffentlich meinen herzlichen Dank auszusprechen, dies möge mir der Lehrer verzeihen, da im täglichen Verkehr der Freund sich diesem Danke stets entzogen hat. WEISMANN !) ist bekanntlich der erste gewesen, der sich dem Stu- dium der inneren Veränderungen in der Puppe der Musciden zugewandt hat und an die schwer zu beantwortende Frage herangetreten ist, wie sich hier der Imagokörper äusserlich sowohl als innerlich aufbaut und gestaltet. Die von SwAMMERDAM bei den Schmetterlingen zuerst ent- deckten Anlagen der Gliedmaassen in der Larve hat WEISMANN zuerst bei den Tipuliden, dann auch bei den Fliegen wieder aufgefunden, bei Letzteren allerdings in sehr abweichender Lage, nämlich nicht unter der Haut und in unmittelbarem Zusammenhange mit ihr, also als Fort- setzung derselben, sondern tief im Innern des Körpers, in Verbindung mit Nerven- resp. Tracheen-Stielen. Diesen merkwürdigen Anlagen hat er den Namen „Imaginalscheiben“ gegeben und diesen Namen so- dann allgemein auch auf die ähnlichen Bildungen bei Tipuliden und anderen Formen ausgedehnt. Wie aus solchen Imaginalscheiben einer- seits die Hypodermis des Kopfes sammt dessen Anhängen und Augen, andererseits diejenige des ganzen Thorax der Imago mit den drei Beinpaaren und den diesen entsprechenden drei Paar Rückenanhängen (vordere Stigmata der Puppe, Flügel und Schwinger) hervorwachsen, während gleichzeitig die alte Hypodermis vollständig verdrängt wird und verschwindet; wie ferner die Gliedmaassen innerhalb einer dieselben umhüllenden Membran aus den scheibenförmigen Anlagen sich hervor- 1) Weismann, Die Entwicklung der Dipteren. II. Die nachembryonale Entwicklung der Musciden, p. 101; auch in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XIV, p. 165. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 3 bilden und gliedern, dies wurde mit grosser Ausführlichkeit geschildert und abgebildet. Von der Hypodermis des Abdomens meinte WEISMANN feststellen zu können, dass dieselbe zwar eine Umbildung erleidet, aber dennoch als solche für die Imago erhalten bleibt, wie dies ja auch bei den Tipuliden mit der ganzen Hypodermis der Fall sein soll. War hiermit die Entstehungsweise der Puppe in der tonnen- förmigen erhärteten Larvenhaut der äusseren Gestalt nach dargelegt worden, so wurde den während dieser ersten Bildungsperiode statt- findenden inneren Vorgängen nicht weniger Aufmerksamkeit zugewandt. Diese Vorgänge äußerten sich in erster Linie in dem bei keiner der untersuchten Insektenordnungen sonst noch in gleichem Grade vor- kommenden Zerfall der meisten Larvenorgane, wie der Muskeln, Speichel- drüsen, peripherischen Nerven (mit Ausnahme des Opticus resp. nervösen Augenstiels), des Oesophagus, Saugmagens, Enddarms, sowie des Fett- gewebes und eines grossen Theiles der Tracheen. Diesem allgemeinen Degenerationsprocesse entgingen, abgesehen von den völlig unberührten Geschlechtsanlagen, nur das centrale Nervensystem, das Rückengefäss, der Chylusmagen und Darm nebst den Marrrénrschen Gefässen und ein Theil der Tracheen, welche Organe indessen mehr oder weniger bedeutende Umgestaltungen erlitten, was in die zweite Periode, die der Ausbildung oder Entwicklung der Imago hinüberführte, in welcher die völlige Neubildung der zerstörten Organe stattfand. Während nun bei den blos umgebildeten Organen, welche den von WEISMANN mit dem Namen der Histolyse bezeichneten Process durchmachen, die de- generirten und histologisch aufgelösten, aber der Form nach im Ganzen erhaltenen Gewebsmassen selbst das Material für den Wiederaufbau des Organes für die Imago lieferten — theilweise vielleicht unter Er- haltung der Zellkerne, — so meinte WEISMAnN in der Neubildung von Muskeln, Nerven, Tracheen und Fettgewebe eine freie Zellbildung er- blicken zu müssen, eine Auffassung, welche bei dem damaligen Stande der Wissenschaft nicht nur vollkommen gerechtfertigt war, sondern in den früheren Ergebnissen Weısmann’s hinsichtlich der Bildungs- weise des Insecten-Blastoderms eine bedeutende Stütze zu haben schien. Eine grosse Rolle sollten bei dieser Neubildung gewisse eigenthümliche Zerfallsprodukte der Larvenorgane spielen, die Körnchenkugeln, deren Ursprung und Zellnatur von WEISMAnN mit den ihm zu Gebote ste- henden Hülfsmitteln nicht festgestellt werden konnte. Ueberhaupt, wo die einfache Präparationsweise und die mangel- haften Reagentien Weismann bei der Beantwortung von bestimmten Fragen im Stich liessen, handelte es sich mit wenigen Ausnahmen nur Le 4 ‘Dr. J. van REES, um das Erkennen von verwickelten histiologischen Processen in Or- ganen und Geweben, deren Form und Lagerung sowie allgemeine Um- gestaltungen vollständig erkannt und ausführlich geschildert worden waren. Anatomisch hat Weısmann den Gang der inneren Metamorphose in seinen Hauptzügen feststellen können und dadurch eine breite Basis geschaffen, auf welcher die späteren Forscher weiter bauen konnten. Auf diese Weise war er auch im Stande, den grossen Gegensatz zwischen der Musciden-Metamorphose und den viel einfacheren Veränderungen bei den Tipuliden klarzulegen und ferner die wichtige Thatsache fest- zustellen, dass die ganze Erscheinung der eingreifenden Umwandlungen einem Generationswechsel, womit man sie früher gerne verglichen hatte, durchaus ferne stand und nur als eine echte, wenn auch höchst aus- gebildete und durchgreifende Metamorphose aufzufassen wäre. Was hierbei in erster Linie als maassgebend galt, war die Thatsache, dass die Geschlechtsanlagen aus dem Ei durch den Larvenkörper hindurch in die Imago übergehen, wodurch die Continuität des Individuums auf das Entschiedenste dargethan wird. Uebrigens galt dasselbe von dem centralen Nervensystem, welches trotz Umlagerung und Ausdehnung sewisser Abschnitte in seiner wesentlichen Zusammensetzung nur wenig umgeändert wurde, sowie von einigen anderen Organen, wie wir oben gesehen haben. Es wird sich im Laufe dieser Abhandlung heraus- stellen, dass diese directe Continuität der Gewebe auch dort noch viel- fach erhalten ist, wo WEISMANN als wichtiges Resultat seiner Forschung wenigstens die Contiruität der anatomischen Form hatte constatiren können. Der erste, welcher sich für das Studium der Veränderungen im Puppenzustand der Insecten neuerer Methoden, speciell der Schnitt- methode, bedient hat, war GANIN, welcher die Resultate seiner Unter- suchungen !) im Jahre 1875 in russischer Sprache bekannt gemacht hat. Diese Publication ist denjenigen Forschern, welche diese Sprache nicht verstehen, grösstentheils blos durch zwei sich ungefähr deckende Auszüge von Hoyer?) zugänglich, welche den Stoff nur in allgemeinen Zügen wiedergeben, was umsomehr zu bedauern ist, als die Arbeit in ihrem Texte mehr zu bieten scheint, als es die nicht sehr zahlreichen 1) Materialien zur Kenntniss der postembryonalen Entwicklungs- geschichte der Insecten. (Russisch.) Warschau, 1875. 2) In: Jahresbericht von Horrmann und SchwaLgE über 1875 und Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXVIII, p. 385. ic Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 5 und dabei wenig ins Detail gehenden und nicht prägnanten Zeich- nungen erwarten lassen !). Aus den Hoyer’schen Referaten entnehmen wir, dass GANIN die Erscheinungen der postembryonalen Entwicklung ausser bei einer Fliege (Anthomyia) auch bei Formica, Myrmica, Lithocolletis, Chrysomela und Tenebrio untersucht hat. Dass er überdies auch auf Musca vomi- toria seine Untersuchungen ausgedehnt hat, dies erfahren wir erst aus einer bald näher zu erwähnenden Schrift des französischen Forschers VIALLANES, welcher. GAnın’s diesbezügliche Befunde grösstentheils ein- gehend bespricht, teilweise sogar eitirt. Aus diesen beiden Quellen habe ich also meine Kenntniss der russischen Arbeit ausschliesslich geschöpft. Dass die Anwendung der Schnittmethode GANIN gestattete, in mehreren Hinsichten über die Ergebnisse WEISMANN’s hinauszugehen, liegt in der Natur der Sache. Dem allgemeinen anatomischen Bilde konnte er nur wenig Neues hinzufügen und auch die anatomischen Details fast ausnahmslos nur bestätigen; dagegen gab es mehrere histiologische Einzelheiten, zu deren Erkenntniss es eben neuerer Me- thoden bedurfte. In dieser Hinsicht hat GANIN am meisten geleistet für das richtige Verständniss der Umbildung des Darmkanals und der Hypodermis des Abdomens. Für den ersten entdeckte er im Mittel- darm zwischen den gewöhnlichen Epithelzellen der Wand mehrere, von vielen kleinen Epithelzellen gebildete Inselchen, welche während der Abstossung der ersteren durch Wucherung die ganze innere Zell- wand des Darmes wiederherstellten. Für die abdominale Hypodermis entdeckte er ähnliche kleinzellige Inseln, und zwar auf jedem der acht Abdominalsegmente deren vier, doch sollten diese nur den Ausgangs- punkt bilden für die Neubildung der Haut, woran sich sämmtliche Hypodermiszellen durch wiederholte Theilung mitbetheiligten. Auch über die Bildung des Mesoderms hat er sich ausführlich und bestimmt ausgesprochen und zwar soll dieses ausschliesslich aus den kleinzelligen Epithelzellen jener Inseln sowie der sonstigen Imaginalanlagen hervor- sehen. Ferner hat er die Entstehung der Muskelsehnen aus dem Ectoderm klargelegt; in vielen und wichtigen Punkten stimmt er übrigens einfach WEISMANN’s Auffassung vollständig bei, so bezüglich der Abstammung der Imaginalscheiben sowie in der wichtigen Frage 1) Leider ist auch die Tafelerklärung ausschliesslich in russischer Sprache, abgefasst, ein Mangel, den wenigstens ein Theil der neueren russischen Abhandlungen zu vermeiden anfängt. 6 Dr. J. van REES, nach dem Bildungsmodus von Thorax und Kopf. Wir werden darauf später ausführlicher zurückkommen. Schliesslich erschien 1882 die umfangreiche französische Abhand- lung von VIALLANES !), welche theilweise die uns hier nicht näher berührende Histiologie der Dipteren-Larven, zum grössten Theil aber die postembryonale Entwicklung der Musciden behandelt?). Auch dieser Forscher hat sich der Schnittmethode bedient und auf den Gegenstand seiner Untersuchung viel Fleiss und Geschicklichkeit ver- wendet; auch sind die der Abhandlung beigefügten zahlreichen Zeich- nungen lehrreich und characteristisch, und legen Zeugniss davon ab, wie vorzüglich recht viele Schnitte gelungen sind. Trotzdem ist VIALLANES in vielen wesentlichen Punkten nicht über GanIN hinaus gekommen und, obgleich er sehr Vieles an seinen Durchschnitten ge- nauer und besser gesehen hat als seine Vorgänger, so ist er leider in seinen Deductionen recht unglücklich gewesen, so dass viele seiner Endresultate als unrichtig zu betrachten sind. Da ich später Ver- anlassung haben werde, auf mehrere Details einzugehen, will ich hier nur erwähnen, dass er hinsichtlich der Neubildung der Flügelmuskeln sowie des Tracheenepithels sich wieder auf den alten, in gegenwärtiger Zeit sehr gewagten Standpunkt der freien Zellbildung gestellt hat. Dagegen sind die Angaben über die Entwicklung der Augen und des Bulbus opticus, denen ein grosser Theil des Werkes gewidmet ist, sehr wichtig, weil seit WEısmAnN auf diesen Gegenstand nicht wieder die Aufmerksamkeit gelenkt war. Auch in der Erkenntniss der Neubildung der abdominalen Hypodermis hat VIALLANES einen Schritt über GANIN hinaus gethan. Dass der Verfasser bei den vielen von ihm gut beobachteten De- tails und der vollständigen Beherrschung der Literatur die Haupt- fragen „der histiologischen Erscheinungen, welche die postembryonale Entwicklung der Insecten begleiten“, nicht richtiger zu beantworten verstanden hat, schreibe ich namentlich dem Umstande zu, dass die 1) Vıarzanes, Recherches sur l’histologie des insectes et sur les phé- nomenes histologiques qui accompagnent le développement postembryonnaire de ces animaux, in: Annales Sciences Natur., Zoolog. (série 6) vol. XIV, 1882, pag. 1. 2) Ferner ist zu erwähnen: KünckeL »'Hercurais, Recherches sur l’organisation et le développement des Volucelles. Paris, 1875. Ich habe mir diese grosse Monographie leider nicht verschaffen und sie des- halb hier auch nicht besprechen können. Nach den Citaten in VıaLLanzs’ Schrift scheint sie jedoch nur Bruchstücke aus der Entwicklungsgeschichte zu enthalten. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 7 Methoden, deren er sich für die Anfertigung seiner Schnitte bedient hat, nicht ausgereicht haben, um ihm die dazu unbedingt erforderlichen lückenlosen Schnittserien zu liefern. Zur Zeit der Untersuchung GANIN’s mögen solche Serien noch kaum zu erhalten gewesen sein, er musste sich begnügen, an seinen besten Schnitten gerade das zu studiren, wozu sie ausreichten. Für seine Nachfolger genügte dies aber nicht mehr. Indem ich selber das Glück hatte, erst im Anfang meiner Untersuchung zu sein, als die überaus wichtigen Fortschritte in der Schneidetechnik, speciell die Färbung der aufgeklebten Schnitte, von Neapel aus den Histiologen als überaus werthvolle Gabe dargeboten wurden, musste VIALLANES sich nach älteren Methoden mit Mühe und Noth durch die ungeheuren Schwierigkeiten, welche das Schneiden von Insecten darbot, hindurcharbeiten; ich gestehe gerne, dass die Ge- schicklichkeit und Ausdauer, welche er dabei bekundet hat, mir grosse Achtung abzwingt. Nach genauer Kenntnissnahme von VIALLANES’ Arbeit waren es also namentlich die Fortschritte der Technik, worauf ich mich gestützt habe, als ich die Erwartung hegte, durch eine von Grund aus wiederholende Untersuchung der Fliegenpuppe zu befriedigenderen Re- sultaten zu gelangen. Denn befriedigend konnte man die Summe unserer Kenntnisse auf diesem Gebiete auch nach VIALLANES’ Unter- suchungen keineswegs nennen, ganz abgesehen davon, dass er sowohl wie GANIN viele Fragen gar nicht berührt hatte. Denn nicht nur in histiologischer Beziehung hatten Beide noch manche Lücke oder Un- sicherheit bestehen lassen, oder waren sie gar in directem Wider- spruch mit einander, sondern auch wichtige anatomische Fragen, wie die nach der Bildungsweise von Kopf und Thorax, waren einer Lösung nicht näher gebracht. Die Schnittmethode hatte dafür also bis dahin so gut wie nichts geleistet, und beide Forscher hatten sich WEISMANN’S schon erwähnten Auffassungen ganz oder grösstentheils angeschlossen. Nun schien mir gerade dieser Punkt einer der wichtigsten der ganzen Untersuchung zu sein, weil ja durch die merkwürdige innere Lage der zur Kopf- und Thoraxbildung dienenden Imaginalscheiben der Fliegen und durch die gangbare Vorstellung ihres Zusammen- wachsens zur neuen Hypodermis von Kopf und Thorax sammt allen ihren Anhängen die Fliegen unter allen Insecten eine ganz exceptionelle Stellung einnehmen. Dass durch eine noch so sorgfältige Präparation der Theile des sich bildenden Puppenkörpers das Problem nicht voll- ständig zu lösen war, dies zeigen uns zur Genüge WEISMANN’S sorg- fältige Bemühungen in dieser Hinsicht. 8 Dr. J. van REES, Hier war also das richtige Arbeitsfeld für die neuesten Methoden, welche die Herstellung von lückenlosen Schnittserien sogar an einem so schwierigen Object möglich machten und damit die Untersuchung von neuem auf die Tagesordnung brachten. Es kam also darauf an, von möglichst vielen Entwicklungsstadien durch die Combination sämmt- licher Schnitte ein vollständiges Bild zu erhalten, welches über das be- treffende Stadium vollkommen aufzuklären im Stande war. Wäre dies früher eine in Jahrzehnten kaum erreichbare Arbeit gewesen, so war es jetzt, wenn auch keine einfache, so doch eine innerhalb der Grenzen jeder grösseren Untersuchung liegende Aufgabe und zugleich eine Ar- beit, von der ich mir versprechen durfte, dass sie die Mühe des Unter- nehmens wohl lohnen würde. | Ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass es, als ich mich auf Grund der obigen Betrachtungen zu dieser Arbeit entschloss, von vorn- herein in meinem Plane lag, die Untersuchung auch auf andere Gruppen von Insecten auszudehnen und die Erscheinungen der inneren Meta- morphose in ihren verschiedensten Formen und Abstufungen kennen zu lernen, weil daraus gewiss die wichtigsten Schlüsse auf die Phylo- genese der Hexapoden und auf deren Verwandtschaft mit anderen Tracheaten und Articulaten zu erwarten sind. Dennoch bin ich gerne dem Rathe Prof. Wrismann’s gefolgt, mich in erster Linie eingehend und ausschliesslich mit der Fliege zu beschäftigen, weil hier nach seinen eigenen Erfahrungen die Veränderungen am eingreifendsten sind und weil ihr Studium daher die Einsicht in die analogen aber einfacheren Erscheinungen der anderen Formen bedeutend erleichtern muss. So gebe ich denn augenblicklich nur die Resultate dieser ersten Unter- suchung, ohne mir viele Seitenblicke auf andere Formen oder etwa Schlüsse auf Abstammung oder Verwandtschaft zu erlauben. Indessen hoffe ich später im Stande zu sein, die Resultate weiterer, auch über andere Ordnungen ausgedehnter Untersuchungen vorzulegen. Es bleibt mir für diesen Abschnitt nur noch übrig, der wenigen Mittheilungen Erwähnung zu thun, welche während des Verlaufes meiner Untersuchung publicirt wurden. Zuerst habe ich selbst September 1884 in einem Artikel über die Erscheinungen der intracellulären Ver- dauung!) meine bis dahin erhaltenen Resultate in Bezug auf die Rolle 1) J. van Rees, Over intra-cellulaire spijsverteering en over de beteekenis der witte bloedlichaampjes, in: Maandblad voor Natuurweten- schappen, 1884, Jaarg. 11, Aug., Oct. und Nov. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 9 der Blutkörperchen bei der Degeneration der Muskeln und Fettzellen beschrieben !). Auf diese Mittheilung werde ich unten zurückkommen. Dann erschien Febr.—März 1885 ein grösserer Artikel aus der Feder KowALEvsKky’s im Zoolog. Anzeiger?), worin er unter dem Datum Dec. 1884 die Hauptergebnisse seiner au demselben Objecte gemachten Untersuchungen veröffentlichte. Da ich, als dieser Artikel erschien, viel zu weit mit der eigenen Untersuchung vorgerückt war, um von ihrer Durchführung noch abstehen zu können, auch wenn ein so be- währter Forscher wie KowALEvsky sie gleichfalls in die Hand ge- nommen hatte, da weiter meine ersten Mittheilungen, soweit der Gegenstand sich deckte, in KowALEvsky’s Darstellung eine vollkommene Bestätigung fanden, andererseits jedoch einige seiner Resultate mit meinen eigenen inzwischen erlangten Ergebnissen nicht überein- stimmten und ich überdies in einigen wichtigen Punkten, worüber KOWALEYVSKY gänzlich schwieg, zu befriedigender Erkenntniss gelangt zu sein glaubte, so konnte ich mich an der Thatsache der Gleich- zeitigkeit unserer Untersuchungen nur freuen, indem ich erwartete, dass die complicirten Erscheinungen der Metamorphose dadurch besser würden aufgeklärt werden, als wenn nur der Eine von uns Beiden die Untersuchung jetzt in Angriff genommen hätte; denn die grossen Schwierigkeiten hätten in diesem Falle vielleicht für mehrere Jahre von einer Nachuntersuchung abgeschreckt. Auch konnte es als ein günstiger Umstand betrachtet werden, dass wir wenigstens theilweise nach verschiedenen Methoden gearbeitet hatten, KowaLevsky wohl namentlich an Isolationspräparaten sowie an dem lebenden, in Eiweiss- lösung conservirten, aus der Chitintonne herausgeschälten Objeet, ich dagegen hauptsächlich nach Schnittserien. Wo sich jetzt die Er- gebnisse decken, haben sie einen um so grösseren Werth, während andererseits viele Beobachtungen sich gegenseitig ergänzen Konnten. KowaLevsky’s Mittheilungen betreffen namentlich die Degeneration der Larvenorgane und die Umwandlung des Darmtractus. -In einer zweiten kurzen Mittheilung in der erwähnten Zeitschrift ?) legte ich sodann im Jahre 1885 weitere Ergebnisse meiner Unter- suchung nieder, welche sich namentlich auf die Bildung von Thorax 1) 1. e., Nov., p. 114—116. 2) KowaALevsky, Beiträge zur nachembryonalen Entwicklung der Mus- ciden, in: Zoolog. Anzeiger, Bd. 8, p. 98— 103, 123—128, 153—157. 3) J. van Rees, Over de post-embryonale ontwikkeling von Musca vomitoria in: Maandblad voor Natuurwetenschappen, Juli 1885, p. 67—77. 10 Dr. J. van REES, und Kopf der Puppe beziehen und über welche KowALEvsky keine eigenen Resultate mitgetheilt hatte. Endlich theilte ich in der 4. ausserordentlichen Sitzung der Niederländischen Zoologischen Ge- sellschaft einige weitere Ergebnisse, speciell über die Umbildung des Darmes sowie über das Wachsthum des imaginalen Epithels, mit, welche im Sitzungsberichte Erwähnung !) fanden. Alle diese vorläufigen Mit- theilungen werden unten gelegentlich zur Besprechung gelangen. Die drei erstgenannten finden sich unmittelbar nach einander in derselben Reihenfolge referirt im Neapeler Jahresbericht über 18852), erstere in dem von 1884 bereits erwähnt). Methoden der Untersuchung. Als Fixirungs- resp. Härtungsmittel habe ich nach vielen Ver- suchen ausschliesslich heisse Flüssigkeiten gebraucht, und zwar nament- lich bis zur Gerinnungstemperatur von Eiweiss erwärmtes Wasser oder Alcohol von verschiedener Stärke (30 °/, bis absolut), dann auch heisse schwache Chromsäure. Man erzielt dadurch einen dreifachen, nicht zu unterschätzenden Vortheil vor den von VIALLANES angewandten kalten Flüssigkeiten: erstens die momentane Abtödtung des Objectes, zweitens die Fixirung jedes einzelnen auch noch so kleinen Theilchens des Puppeninnern in seiner natürlichen Lage in der geronnenen Körper- flüssigkeit, was namentlich während der Stadien des Zerfalls der Larven- organe von höchster Wichtigkeit ist; schliesslich die angenehmere Consistenz zur späteren Zerlegung in Schnitte, welche der Puppen- körper bei der Gerinnung annimmt, und welche es ermöglicht, bereits nach kurzer Nachhärtung in absolutem Alcohol die Puppen in beliebiger Richtung ohne jede Gefahr vor Substanzverlusten bis über die Mitte des Körpers anzuschneiden, was für das regelmässige Eindringen der Einbettungsflüssigkeit von der grössten Bedeutung ist. Eingebettet wurde in Paraffin, weil dieses technisch die aller- grössten Vortheile bot. Die Einbettung wurde aus Benzin vor- 1) In: Tijdschrift der Ned. Dierk. Vereeniging. (Ser. 2) Bd. I, p. CXLIII. 2) L c. II. Abth, p. 159—161. 3) L. e. I. Abth,, p. 58, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. dl genommen; die Versuche mit dem üblicheren Chloroform hatten mir für dieses Object keinerlei Vorzüge gezeigt; letzteres ist immerhin durch seine geringe specifische Schwere etwas umständlicher zu be- handeln. Ebensowenig bot das während der Untersuchung in Mode gerathene Xylol mir einen Vortheil. Von Paraffin wurde im Sommer die Sorte mit hohem Schmelz- punkt gewählt, an kalten Tagen und im Winter dieses mit etwa 1|,, bis 1|, der weicheren Sorte gemischt. Um ein vollständiges Durch- dringen des Objectes zu erreichen, musste dies. mindestens 2 X 24 Stunden in dem auf 52°—-58° C erhitzten Paraffinbad belassen werden, manchmal schien dies noch kaum genügend und waren 3—5 Tage er- forderlich, was ohne bemerkbaren Schaden für das Object geschehen konnte. Das zwischen Bleiformen ausgegossene Paraffin sammt Object wurde sofort nach Beginn der Erstarrung unter Wasser getaucht, was bekanntlich zur Erlangung einer gleichmässigen Consistenz bedeutend beiträgt. Geschnitten wurden die Objecte mit einem mittleren Mikrotom von Jung in Heidelberg, und zwar mit dem kurzen meistens halbschräg gestellten Messer. Dass von der Herstellung von Schnittbändern nach dem Muster der Engländer auch bei quergestelltem Messer bei diesem schwierigen Objecte keine Rede war, werde ich kaum noch besonders hervorzuheben brauchen. Im Gegentheil, trotz aller Vorsichtsmassregeln, wie genaue Lage des Schnittstreckers, richtige Stellung und absolute Reinheit des Messers u. s. w., trotz grösster Sorgfalt und Aufmerksamkeit beim Schneiden und reichlicher Geduld bleibt die Anfertigung von schönen und tadellosen Schnitten immerhin eine sehr schwierige Auf- gabe; bei nicht vollkommen gut erhärteten und eingeschlossenen Ob- jecten ist sie geradezu unerreichbar. Die Schnitte wurden nach Paun Mayer’s bekannter Vorschrift vermittelst des Glycerin-Eiweissgemisches auf die Objectträger geklebt, welche ich bis zu solcher Grösse gewählt hatte, dass sie noch bequem ohne seitliche Stütze in jeder Lage auf dem Objecttisch der ge- gewöhnlichen Mikroskope liegen konnten; dieser Forderung entsprach die grösste im Cataloge von Zeiss abgebildete Form vollständig. Bei sorgfältiger Aneinanderreihung der 300 bis 500 Querschnitte oder der 80 bis 120 Längsschnitte einer Puppe fanden diese auf zwei bis drei derartigen Gläsern immer Platz. Von den verschiederen angewandten Färbungsmitteln haben sich am besten Ranvier’sches Picrocarmin und Hämatoxylin nach FLEMMING 12 Dr. J. van REES, bewährt, namentlich wo Beides nach einander angewandt wurde Wo diese Doppelfärbung blos ein schärferes Hervortreten von Kernen auf anders gefärbtem Hintergrunde bezweckte, da leistete gleich gute Re- sultate die Combination von Hämatoxylin und Eosin, ebenfalls am besten nach einander anzuwenden. Ausserdem führte aber die erste Combination zur Erkenntniss besonderer Affinitäten bestimmter Elemente zu je einem der beiden Farbstoffe, wodurch in vielen Fällen ein rasches sicheres Erkennen ermöglicht wurde; es wird unten ausführlicher davon die Rede sein. Lithioncarmin verhielt sich in seinen Affinitäten voll- ständig wie Hämatoxylin. Bei der Doppelfärbung habe ich die Gläser derart gehandhabt, dass die beiden Farbstoffe je nach der einen Seite maximal, nach der anderen minimal eingewirkt hatten, so dass in der Mitte des Glases die Schnitte von beiden ungefähr gleich stark, an den Seiten aber von je einer der Farben am stärksten gefärbt waren, durch welches Verfahren an irgend einer Stelle des Glases die für be- stimmte Zwecke günstigste Färbung resp. Doppelfärbung anzutreffen war. Die Hämatoxylinfärbung wurde, wie man vielfach zu thun pflegt, durch Abspülen in schwach angesäuertem Alcohol 70°|, verschärft, was ohne Gefahr für ein späteres Verblassen geschehen kann, wenn bis zum Hervortreten der tiefblauen Farbe in ammoniakhaltigem Alcohol nachgespült wird, wie meine nicht im geringsten verblassten 31|, Jahr alten Präparate beweisen. Zur Entfernung des absoluten Alcohols habe ich mich mit Vorliebe des Bergamotöls bedient. Das vielfach empfohlene Xylol eignet sich für die viele Schnitte tragenden grösseren Objectgläser wegen seines schnellen Verdunstens gar nicht. Wo ich aus der lebenden Puppe die zellenführende Körper- flüssigkeit oder auch die mit Nadeln zerzupften macerirten Theile nach- träglich zu färben hatte, habe ich öfters mit Vorteil die Mayer’sche Eiweiss-Klebemethode angewandt, um die Färbung leichter vornehmen zu können. Für dickere Theile hat dies indessen keinen Werth. Zur Färbung des ausgespannten Hautmuskelsystems der Larve und der jungen Puppe hat mir in Nelkenöl gelöstes Eosin vortreffliche Dienste geleistet. Vermittels der angedeuteten Arbeitsmethoden habe ich nun vor- läufig ein Untersuchungsmaterial von 35 Schnittserien erhalten, welche mit wenigen Ausnahmen die ganze Puppe (resp. Larve oder Imago) umfassen und fast alle verschiedenen Entwicklungsstadien angehören, und zwar theils in Querschnitt, theils in sagittalem oder frontalem Längsschnitt. Einige dieser Serien, namentlich die im Beginn der Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 13 Untersuchung erhaltenen, sind allerdings nicht lückenlos (theils durch Risse in den Schnitten, theils durch Verluste einiger unvollkommen festgeklebten Schnitte), der bei weitem grösste Theil dagegen kann als durchaus tadellos betrachtet werden und entspricht den oben gestellten Forderungen vollkommen. Noch muss ich kurz erwähnen, dass der Fixirungsgrad der histio- logischen Elemente in den fertigen Präparaten ein sehr befriedigender genannt werden muss, wenn es auch nur in wenigen Fällen zur Er- haltung einer Kerntheilungsfigur gekommen ist. Augenblicklich scheint es jedoch keine besseren Fixirungsmittel für die Puppe als Ganzes als die von mir angewandten zu geben. I. Bildung der Puppe. Zerfallder Larvenmuskeln. Die erste Erscheinung, welche im Puppenkörper den Eintritt der inneren Metamorphose bekundet, ist bekanntlich die bald nach der Einstellung sämmtlicher äusseren Bewegungen eintretende Degeneration der Muskeln oder, genauer gesagt, recht vieler Muskeln. Da nun die dabei entstehenden Zerfallsproducte bald an den verschiedensten Stellen des Körpers anzutreffen sind und den Raum zwischen den Organen all- mählich erfüllen, so dass sie bei deren Besprechung erwähnt werden müssen, da ferner die Degenerationserscheinungen dieser Muskeln zu den ersten und interessantesten Vorgängen gehören, welche die Unter- suchung an’s Licht gebracht hat, so erscheint es mir passend, mit der Schilderung dieser Erscheinung meine Beschreibung anzufangen. METSCHNIKOFF !) hat in den Jahren 1882 und 1883 in seinen epochemachenden Studien über die intracelluläre Verdauung ?) mehrfach 1) Merscuntxorr, Untersuchungen über die intracelluläre Verdauung bei wirbellosen Thieren, in: Arbeiten a. d. zoolog. Institut zu Wien. Bd N. ip ka DES Se 2) Ein ausführlicher Bericht über diese Studien findet sich in meinem oben citirten Aufsatz: Over de intra-cellulaire spijsverteering etc. 14 Dr. J. van REES, auch die Resorption von Muskeln durch Vermittlung von Leucocyten erwähnt, zuletzt bei der Beschreibung der Degenerationserscheinungen am Schwanze der Batrachierlarven'), wo allerdings in nur 10 Zeilen die Rolle, welche die Leucocyten dabei spielen, characterisirt wurde. In jener Schrift erwähnt METSCHNIKOFF die schon früher von GANIN ausgesprochene Vermuthung, dass bei der sogenannten Histolyse der Muskelfasern der Fliege amöboide Mesodermzellen eine active Rolle spielen. Auch glaubt er in VIALLANES diesbezüglichen Zeichnungen entschiedene Andeutungen in dem gleichen Sinne zu entdecken, obgleich dieser Untersucher selbst diese Bilder ganz anders gedeutet hat. Ich selbst fand alsbald nach Beginn meiner Arbeit diese Ver- muthungen Ganin’s und METSCHNIKOFF’S vollkommen bestätigt und gab diesem Befunde in dem erwähnten ersten Aufsatz folgendermasseu Ausdruck: „Was ich selbst gefunden habe, ist in Kurzem Folgendes, und zwar bezieht sich dasselbe auf Puppen von Musca vomitoria, welche im März (1884) gezüchtet wurden, zu weicher Zeit die Imago 24—28 Tage zu ihrer Entwicklung braucht. Während des ersten und zweiten Tages nach der Verpuppung waren auf dünnen Querschnitten noch keine Degenerationserscheinungen an den Muskeln zu beobachten. Diese zeigten sich auf solchen mehr oder weniger länglich und ziemlich homogen, mit 2—4 grossen, flachen Kernen , eingebettet in eine An- häufung der übrigens äusserst spärlichen Protoplasmaschicht, welche sich zwischen Sarcolemma und Muskelsubstanz befindet. Am zweiten Tage erschienen diese Muskelkerne etwas mehr oval gestaltet, wie dies zuerst WEISMANN (1863) beobachtet hat. In der Muskelsubstanz selbst, d. h. zwischen den Fibrillen, aus welchen diese aufgebaut ist, war auf keinem der Schnitte ein einziger Kern zu bemerken. In beiden Stadien befanden sich amöboide Blutkörperchen in grosser Anzahl in unmittel- barer Berührung mit den Muskeln wie mit vielen anderen Organen. Anders verhielt es sich auf den Querschnitten vom dritten Tage nach der Verpuppung. Hier fiel es mir sofort auf, dass nach der 1) Mrrscunixorr, Untersuchungen über die mesodermalen Phagocyten einiger Wirbelthiere, in: Biol. Centralbl. Bd. II], p. 560. 2) J. van Ress, |. c. Jaarg. 11, p. 104— 106. Ich gebe zum Vergleich mit dem später von Kowatrvsky im Zool. Anzeiger Veröffentlichten die betreffende Stelle hier wörtlich aus dem Holländischen übersetzt und in toto wieder. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 15 Färbung mit Picrocarmin oder mit Hämatoxylin in einer Anzahl von Muskeln kleine, schwach gefärbte Kernchen in der Muskelsubstanz selbst zu bemerken waren. Bei stärkerer Vergrösserung liess sich um jedes von ihnen eine geringe Menge feinkörnigen Protoplasmas erkennen, welches zwischen den auseinander gewichenen Fibrillenbündeln wie ein- geklemmt lag und in Folge dessen sehr verschiedene Formen darbot. Eine Vergleichung dieser Zellen mit den amöboiden Blutkörperchen der Umgebung sowie mit den Blutkörperchen der beiden früheren Entwicklungsstadien ergab die Identität dieser drei. Uebrigens zeigte blos der äussere Kreis von Muskeln die erwähnte Erscheinung, der innere war noch vollkommen normal. WEeismanx hat festgestellt, dass die Histolyse von vorn nach hinten im Körper fortschreitet. In Ueber- einstimmung hiermit fand ich in diesem Stadium in den vorderen Körpersegmenten die Blutkörperchen tiefer in die Muskelsubstanz ein- gedrungen, in den hinteren dagegen mehr oberflächlich gelagert und zwar an der nach aussen gerichteten Oberfläche der Muskeln, welche letztere Beobachtung GAnın’s diesbezügliche Angaben bestätigt. So- bald in der Muskelsubstanz deutliche Spalten zu erkennen waren, fand ich die Blutkörperchen so weit wie nur möglich in dieselben ein- gedrungen, was mich vermuthen liess, dass sie activ mitwirken, um die Muskeln zum Zerfall zu bringen. Am vierten und fünften Tage, in einzelnen Muskeln schon am dritten, waren neben den beschriebenen Bildern auch solche zu sehen, wo amöboide Zellen den ganzen Muskel durchsetzten. Von einer Ver- wechslung mit den Muskelkörperchen selbst konnte bei der bedeuten- deren Grösse der letzteren und der verschiedenen Beschaffenheit des Protoplasmas, welches um sie angehäuft war, nicht die Rede sein, auch lag kein Grund vor, an einen genetischen Zusammenhang zwischen beiden zu denken. Auch andere Muskeln, welche zwar noch die normale Stelle im Schnitt einnahmen, waren schon dermassen desorganisirt, dass die meisten Muskelfragmente sich abgerundet zeigten und theilweise noch weiter zerfallen waren, so dass sich neben grösseren Stücken bereits eine Anzahl kleinerer Kügelchen befanden; zwischen und neben diesen lagen überall sehr zahlreiche Blutkörperchen. Die Muskelkörperchen befanden sich in solchen Schnitten grösstentheils noch an der alten Stelle, dem ovalen Muskel-Querschnitt angeschmiegt oder aber in dessen Umgebung in der Körperflüssigkeit. In den vorderen Körpersegmenten sind inzwischen die Muskel- 16 Dr. J. van REES, massen bereits mehr und mehr zerfallen ; grössere und kleinere Muskel- ballen, stark lichtbrechend und mehr oder weniger deutlich gestreift, sind nun sammt den amöboiden Zellen in die Leibesflüssigkeit gelangt, und beide füllen im Thorax jeden Raum aus, der von den kräftig sich entwickelnden Imaginalscheiben freigelassen wird. Hier nun begegnet man Bildern, welche den weiteren Verlauf der Muskelentartung er- kennen lassen. Ein Theil der Blutkörperchen zeigt noch die gewöhn- liche Grösse, doch kommen neben diesen solche vor, welche an Grösse zugenommen haben; ausserdem findet man, und zwar schon am dritten Tage, einige wenige amöboide Zellen, welche einen der kleinsten Muskelballen, von fast gleichen Dimensionen, zu umfassen versuchen oder gar thatsächlich in sich aufgenommen haben. Der Zellkern liegt sodann gänzlich auf die Seite gedrückt und der Muskelballen ist nach der anderen Seite hin von einer nur äusserst dünnen Schicht von Protoplasma umhüllt. Am vierten und fünften Tage sind die Muskel- fragmente noch kleiner geworden, während die Anzahl der Blutkörperchen, welche solche in sich eingeschlossen haben, zugenommen hat; die Zahl der von diesen Blutkörperchen aufgenommenen Muskelballen ist gleich- falls gewachsen und konnte hier bis fünf betragen. Im Abdomen findet man diese Zellen jetzt ebenfalls immer häufiger neben zwar an- getasteten, doch noch nicht zerfallenen Muskeln. Nebenbei ist eine grosse Anzahl von freien Muskelballen sowie von Blutkörperchen ohne Muskelfragmente in der Körperflüssigkeit anzutreffen. Theilung habe ich an diesen Zellen ebensowenig beobachtet wie das Vorkommen von zwei Kernen in einer Zelle.“ Hiermit war nun die Thatsache der Muskeldegeneration vermittels Phagocyten festgestellt und, insofern dies nach den Schnittbildern möglich war, der merkwürdige Process in seinen Hauptzügen charac- terisirt worden. Sobald ich zur Untersuchung von einigen während des Frühsommers gezüchteten Puppen geschritten war, sah ich indessen, dass bei solchen die Erscheinung schon viel früher, und zwar schon wenige Stunden nach der Bräunung der Puppe auftritt, was mich zu folgender, dem obigen hinzugefügten Bemerkung veranlasste: „die Entwicklung der Imago aus der Puppe geht in wärmeren Tagen bekanntlich viel schneller vor sich, als es im März der Fall ist. Im Mai, Juni und Juli sah ich sie in 13—14 Tagen zu Stande kommen. Alle hier ge- schilderten Processe verlaufen in diesem Falle auch entsprechend rascher.“ Vergleicht man mit obiger Schilderung die Resultate, zu denen Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. IX KowALEVSKY bald darauf ebenfalls gelangte und die er in seinem oben erwähnten Aufsatz veröffentlichte, so findet man darin eine vollkommene Bestätigung meiner Befunde, und der einzige scheinbare Widerspruch, nämlich in Bezug auf die Zeitangabe des ersten Auftretens der Degenerationserscheinungen, erklärt sich laut obiger Bemerkung voll- kommen aus der verschiedenen Jahreszeit der Untersuchung. Dagegen werden die auf einander folgenden Phasen der Degeneration theilweise bis in die feinsten Einzelheiten vollkommen übereinstimmend geschildert, so die Umlagerung des Muskels seitens der Leucocyten, das Eindringen und Tieferrücken dieser Letzteren in die verursachten Spalten (Risse), ihre Zerkleinerung der Muskelfragmente und schliesslich die Incorpo- rirung dieser die Querstreifung noch eine Zeit lang aufweisenden Frag- mente. Zur Erläuterung dieser Erscheinungen mögen die nach Querschnitten von Puppen verschiedenen Alters gezeichneten Fig. 17—20 Taf. U dienen. In Fig. 17 ist die eine Hälfte des Muskelquerschnittes noch so gut wie normal, wenigstens noch nicht angetastet. Obige Bemerkung, dass die Blutkörperchen von der Aussenseite in die Muskeln eindringen, ist zwar die Regel, aber auch das Umgekehrte trifft man an; so ist auch hier die angetastete Seite die innere. Hier sieht man nun die Leucocyten sehr verschieden weit, — und je weiter, desto mehr vereinzelt, — in die Muskelsubstanz eingedrungen. Durch die Doppelfärbung mit Picrocarmin und Hämatoxylin heben sich die kleinen Kerne recht scharf von der Umgebung ab, und auch das wenig gefärbte, ziemlich grob- körnige Protoplasma der Leucocyten ist von der leicht roth tingirten, fast homogenen Muskelmasse leicht zu unterscheiden, so dass eine Miss- deutung des Bildes nicht möglich ist. Bei M% oben sieht man einen der Muskelkerne, welcher sich zwar verbreitert hat und von der Muskelmasse durch eine deutliche Protoplasmaschicht getrennt ist, dabei nach aussen vorspringt, jedoch von den Leucocyten noch nicht angegriffen ist. Ein Theil der Muskelmasse ist schon so weit zerkleinert, dass er von den Blutkörperchen hat umschlossen werden können, der Haupttheil der angetasteten Muskelmasse unterliegt indessen nur erst einer Zerklüftung. Die tiefsten Spalten reichen bis an den gegenüber- liegenden Rand des Muskelquerschnittes. In einem weiter vorgeschrittenen Grade der Zerbröckelung befindet sich der Muskel von Fig. 18. Hier ist die ganze Muskelmasse wie mit Blutkörperchen durchspickt und dadurch in eine grosse Anzahl mannigfach gestalteter Bruchstücke von sehr verschiedener Grösse zer- theilt. Die Zerkleinerung ist auch hier noch im Gange, denn man Zool, Jahrb. III. Abth, f, Morph. 9 td 18 Dr. J. van REES, sieht hie und da noch Risse, in welche die Leucocyten erst hinein- rücken. Uebrigens ist nicht nur die Lage, sondern auch die Form des Muskels noch unverändert geblieben, bis auf einige kleine Defecte an den Rändern, wo Leucocyten kleine Muskelfragmente mögen weg- gefressen haben. Von dem Sarcolemma ist hier keine Spur mehr zu finden; ich vermuthe, wie KOWALEVSKY, dass es sich nach der allseitigen Durchlöcherung einfach auflést. Muskelkerne sind noch an der Ober- fläche zu finden, wenn auch etwas mehr in lockerer Verbindung mit den Muskeltriimmern, doch noch nicht von Leucocyten umschlossen. Ebensowenig ist letzteres in dem nächsten Stadium der Fall, welches in Fig. 19 veranschaulicht wird. Die runden Contouren sämmtlicher Muskelfragmente sind hier wohl nicht nur durch weitere Zerbröckelung allein, sondern auch durch die beginnende Verdauung verursacht worden, und es mögen viele, namentlich von den kleineren Fragmenten durch ein und dasselbe Blutkörperchen vollständig umschlossen sein, so dass der degenerirte Muskel jetzt grösstentheils nur noch aus einem Con- glomerat von mit verschieden grossen Muskelballen befrachteten Leuco- cyten besteht, das sich bei der geringsten Berührung, z. B. bei der Präparation in frischem Zustande, sofort in seine einzelnen Bestand- theile auflösen würde. Aber auch in der Fliegenpuppe selbst dauert es jetzt nicht lange mehr, bis sich diese Auflösung thatsächlich ein- stellt. Das Resultat davon sieht man an solchen Stellen des Schnittes, die sich namentlich durch die Abwesenheit jeder an den früheren Muskel erinnernden Form von dem vorigen Bilde unterscheiden. Hier findet man die Muskelballen in verschiedenster Grösse und Zahl von je einem Leucocyten umschlossen, und darin haben wir hier die schon von WEISMANN beobachteten und in der Einleitung erwähnten eigen- thümlichen Gebilde vor uns, die alsbald den ganzen Körper durch- setzen und für welche KowALEVSKY passend den von WEISMANN stammenden und vollkommen eingebürgerten Namen „Körnchen- kugeln“ beibehalten hat. In Fig. 20 sieht man einige der unendlich vielgestaltigen Formen wiedergegeben. Dass auch freie Muskelballen neben ihnen vorkommen, welche indessen bald ebenfalls von Leucocyten incorporirt werden, die noch keine oder erst wenige Ballen in sich aufgenommen haben, ist früher schon erwähnt worden. Auf Längsschnitten sieht man, wie in dem ersten Stadium die Leucocyten den Muskel zuerst in Fibrillenbündel zerlegt haben, indem diese durch unregelmässige Reihen von Leucocyten getrennt werden. Die Vielecke zwischen den Spalten in Fig. 17 sind also Querschnitte dieser Fibrillenbiindel. Bald werden indessen diese Bündel auch in Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 19 die Quere zerkleinert, und dann zeigt ein Längsschnitt ein ähnliches Bild wie der Querschnitt in Fig. 18 und 19. Mit dem Zerfall des Muskels sind nun auch sämmtliche Muskel- kerne in die Körperflüssigkeit gelangt, und zwar als feste, kuglige Ge- bilde mit sehr stark färbbarem compacten Kern, welche längere Zeit den Angriffen der Leucocyten zu widerstehen scheinen. Wenigstens sieht man sie noch Tage lang zwischen den Körnchenkugeln liegen, wenn freie Muskelfragmente schon längst nicht mehr zu finden sind. Als ich die erste Mittheilung niederschrieb, glaubte ich, dass sie vielleicht vor einer vollkommenen Auflösung verschont blieben, indessen muss ich nach späteren Erfahrungen KowALEVSKY beipflichten, dass auch sie, wenigstens theilweise, den Leucocyten anheimfallen, wenn vielleicht auch ein Theil von ihnen spontan zu Grunde geht, wofür ich indessen keinen directen Beweis anführen kann. Eigenthümlich erschien es mir nur, dass man in dem Stadium unmittelbar vor dem Angriff der Leucocyten auf die nicht mehr functionirenden Muskeln oft die Kerne sämmtlich mit dem Protoplasma abgehoben sieht, namentlich auf Längsschnitten manchmal höchst characteristisch, als wollten diese Muskelkörperchen, mit Rücksicht auf eine spätere Rolle, von der bedrohten Muskelmasse wegfliehen, um so der allgemeinen Vernichtung zu entgehen. Gewiss verlassen in dem Zeitpunkt auch schon viele Kerne die Muskeln, aber nicht alle, wie wir oben sahen. Eine spätere Verwendung der frühzeitig frei gewordenen Muskel- körperchen habe ich indessen nicht nachweisen können. Die hier geschilderten Degenerationserscheinungen treten nicht an allen Muskeln zu gleicher Zeit auf. Zu allererst, und zwar bald, nach- dem die Ausstülpbarkeit des ersten Segments sich eingestellt hat, werden dessen mächtige Retractoren angegriffen. Die aus diesem Stadium erhaltenen Schnittbilder weichen von der oben gegebenen Dar- stellung einigermaassen ab, indem hier die Muskelkerne nicht unmittel- bar unter dem Sarcolemma liegen, sondern in mehreren Reihen in der Muskelmasse zwischen den Fibrillenbündeln eingebettet sind; übrigens erfolgt die Degeneration auch dort mit Hülfe der Blutkörperchen und in der Hauptsache in gleicher Weise. Erst einige Zeit darauf werden die Muskeln des Thorax und dann auch die des Abdomens mit Erfolg von den Blutkörperchen angetastet. Indessen zeigt sich ein noch grösserer Unterschied in dem Zeitpunkt, wann dies erfolgt, zwischen den verschiedenen Muskeln desselben Abschnittes. Zuerst sind es immer nur bestimmte Muskeln, welche dem ersten Anfall unterliegen, und man geht wohl nicht irre, wenn man dies mit dem nicht für alle 2 * 20 Dr. J. van REES, Muskeln zu gleicher Zeit eintretenden Moment, in dem die normale Function ihr Ende erreicht, in Verbindung bringt. So bin ich voll- kommen mit KOWALEvSKY einverstanden, dass nur die nicht mehr functionirenden Organe von den Leucocyten überwältigt werden, wenn ich auch später Gelegenheit haben werde, über die Ursache des An- griffs selber einige nicht unwichtige weiter zielende Andeutungen zu machen. Was nun also den Grund betrifft, warum nicht alle Muskeln zu- gleich erliegen, so muss dieser darin gelegen sein, dass die unan- getasteten Muskeln noch eine Rolle zu erfüllen haben, und wir werden bald sehen, worin diese für die Thoraxmuskeln sowie andererseits für die Abdominalmuskeln besteht. Ohne hier schon auf das weitere Schicksal der Körnchenkugeln einzugehen, welches erst in einer späteren Periode der Imaginalent- wicklung liegt, will ich doch kurz die Bedeutung hervorheben, welche die Art der Muskeldegeneration für die jetzige Bildungsstufe besitzt. Wir haben es in diesem Zeitpunkt noch mit dem Larvenkörper zu thun; der Puppenleib muss erst gebildet werden; die Imaginalscheiben, aus denen der Puppen-Thorax entstehen soll, müssen sich noch bedeutend vergrössern und brauchen dazu Raum; dieser wird durch die Beseitigung der degenerirten Muskelmassen vermittels der Leucocyten sehr viel rascher frei, als wenn diese Muskeln an Ort und Stelle durch die Körperflüssigkeit aufgelöst werden würden, wenn solches überhaupt möglich wäre. Dazu bekommen die übrig gebliebenen Muskeln einen freieren Spielraum für die eigenthümliche Rolle, welche sie bald spielen werden. Und schliesslich bildet sich durch das Einwandern der Körnchenkugeln in alle Spalten und Höhlungen des Thorax und Ab- domens, welche vorher blos von der Körperflüssigkeit und deren Blut- körperchen eingenommen waren, ein festeres Polster, das die rasch sich entfaltenden imaginalen Theile im Thorax bei ihrer Entwicklung in bestimmten Richtungen unterstützen wird, wie sich dies unten bei der Beschreibung dieser Verhältnisse zeigen wird. Noch andere Organe als die Muskeln kommen unter Mitwirkung der Leucocyten ganz oder theilweise zum Zerfall. Es zeigen sich jedoch hier einerseits erhebliche Differenzen in den Einzelheiten, an- dererseits fallen diese Erscheinungen erst in die Zeit nach der Bildung des Puppenthorax oder gar des Kopfes, so dass es mir passender erscheint, ihre Besprechung in ein späteres Capitel zu verlegen. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. ai Bildung des Puppenkörpers als Ganzes. A. Bildung des Thorax. Dass nach WrISMANN’s Erfahrungen über die Thoraxbildung bei Simulia, Chironomus und Corethra die Entstehungsweise des imaginalen Körpers bei den so nahverwandten Fliegen sich ihm so völlig ver- schieden zeigte, konnte in der That nur Erstaunen erregen, und auch bis jetzt kann man keinen Grund angeben, warum innerhalb einer kleinen Thiergruppe dasselbe Ziel nur auf zwei fundamental ver- schiedenen Wegen sollte erreicht werden können. Während bei Corethra der alte Thorax sich einfach in den neuen umwandelt und die Gliedmaassen sich wie bei den ametabolen Insecten als directe Fortsätze der Thoraxwand bilden durch locales Auswachsen desselben, wenn auch zeitweise in einer Hauttasche unter der Oberfläche ge- borgen, so entsteht bei der Fliege der Thorax sammt seinen Anhängen aus schon im Ei angelegten oder differenzirten Bildungen, welche zu- erst getrennt im Inneren des Körpers heranwachsen und sich erst nach halb erlangter Reife zum neuen Thorax vereinigen. Obgleich nun nach Wersmann’s Untersuchungen kaum irgend welche Erschei- nungen an anderen Insecten beobachtet sind, welche geeignet wären, die beiden sehr abweichenden Bildungsweisen der Tipuliden und der Fliegen zu vermitteln, so glaube ich dennoch in der Lage zu sein, durch Aufdeckung ganz besonderer Vorgänge bei der Bildung des Thorax der letztgenannten selbst den Weg zeigen zu können, auf welchem man einen tieferen Blick in diese scheinbar gänzlich isolirt dastehenden Erscheinungen gewinnen könnte. War vor mehr als zwanzig Jahren, als WEISMANN seine Unter- suchungen anstellte, dem Histiologen noch vollkommene Freiheit gelassen, mit der Möglichkeit, ja mit der Wahrscheinlichkeit von freier Zellbildung zu rechnen, so konnte auch die Annahme, dass der neue Thorax sich aus eigenen Keimen entwickele, damals wohl kaum Bedenken erregen, um so weniger, als diese Keime sich aus Geweben herausbilden sollten, welche ohne Frage ectodermalen Ursprungs waren, nämlich theils aus dem Epithel bestimmter Tracheen, theils aus peripheren Nervenfasern. Diese Art der Abstammung ist später auch von GANIN vertheidigt worden auf Grund eigener, speciell auf diesen Punkt gerichteter Beobachtungen, bei welchen er WEISMANN’s Angaben im Wesentlichen bestätigen konnte. Nun hat aber die seitherige Entwicklung der Wissenschaft den Unter- suchern mit den neuen Errungenschaften und Hülfsmitteln auch die 29 Dr. J. van REES, Nothwendigkeit einer Lösung der Probleme in engerem Rahmen auf- erlegt; von diesem Gesichtspunkte aus kann man den Standpunkt, auf dem VIALLANES sich an die Lösung der verschiedenen Fragen heran- wagte, nicht anders denn als einen um etwa ein Jahrzehnt verspäteten bezeichnen, weil er der Möglichkeit einer freien Zell- und Kernbildung einen ungenügend controlirten Raum gewährt. Daher auch, trotz seiner sorgfältigen Untersuchungen, das durchaus Verfehlte so vieler von ihm erhaltener Resultate. Es schien mir, dass es bei den jetzigen Erfordernissen nur in einem Falle möglich sein’ würde, zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen, wenn man es nämlich wahrscheinlich machen könnte, dass die Imaginalscheiben nicht nur aus ectodermalem Gewebe sich ent- wickelten, sondern in letzterInstanz vom Ectoderm selbst herzuleiten sind, wenn auch Anpassungs halber auf bedeutendem Umwege. Ob hier in erster Linie von der Embryonalentwicklung leicht eine Aufklärung zu erwarten sein würde, konnte schwer festgestellt werden, doch liessen mich WEISMAnN’s und GANIN’s Resultate dies kaum hoffen '), auch lag es nicht in meiner Absicht, diesen Weg ein- zuschlagen. Dagegen setzte ich von vornherein grosse Hoffnung auf das Studium des feineren anatomischen Verhaltens der Imaginalscheiben der Larven-Hypodermis gegenüber. Ich konnte mir die Erscheinung nur in der Weise vorstellen, dass bei weit zurückliegenden Vorfahren der Fliegen die Imaginalscheiben wie bei den Tipuliden in unmittel- barer Verbindung mit der alten Hypodermis gelegen waren, dass sie dann in späteren Generationen unter Beibehaltung einer Verbindung mit dieser Hypodermis immer tiefer und tiefer gerückt wären, bis sie se tief zu liegen kamen, wie es jetzt während ihrer Entwicklung der Fall ist. Da nun bei Corethra jede Imaginalscheibe einen Nerven ?) und eine Trachee erhält, so konnte man sich denken, wie das allmähliche Hineivrücken der Imaginalanlage an einem dieser beiden entlang statt- gefunden hat, so dass anfänglich die sich an der Trachee oder dem Nerven entwickelnde Imaginalanlage bei ihrem Wachsthum sich bald bis an die Hypodermis erstreckt haben muss und bei der Häutung leicht an die Oberfläche gelangen konnte, während später die Lage aus bestimmten, nicht ohne Weiteres zu ermittelnden Gründen sich 1) Diese Meinung stellte sich als richtig heraus, als KowALkvsky im Biol. Centralblatt, VI. Bd., No. 2, 15. März 1886, als Resultat seiner speciellen Aufmerksamkeit auf die embryologische Entstehung der Imaginal- scheiben hinstellen musste, ,,er habe die Sache nicht ganz aufklären können.“ 2) Weismann, Die Metam. d. Cor. plumic., Z. f. w. Z. Bd. XVI, p. 34. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 23 immer mehr von der Hypodermis entfernte. Sollte dabei indessen nur eine Verschiedenheit dem Grade und nicht dem Wesen nach ein- getreten sein, so dürfte auch bei der jetzigen tiefen Lage erstens die directe Verbindung mit derjenigen Stelle der Hy- podermis, wo bei den Vorfahren die Imaginalscheibe gelegen haben sollte, nicht verloren gegangen sein; und zweitens müsste auch jetzt noch diese Verbindung mit der Hypodermis den Weg angeben, an dem entlang die Imaginalscheibe und damit der in dieser gebildete Körperanhang an die Oberfläche gelangen Konnte. Wäre dagegen das Eine wie das Andere nicht mehr der Fall, so schien mir damit jede Möglichkeit einer einheitlichen Auffassung der beiden Bildungsweisen ausgeschlossen, wenigstens insofern dies das ana- tomische Zustandekommen des Thorax betrifft; für die homologe Ab- stammung der Imaginalscheiben in beiden Gruppen wäre dann nur von dem Studium der frühesten Entwicklungsstadien noch etwas zu hoffen; immerhin blieben die späteren Entwicklungsweisen unüberbrückt. So war es denn zunächst meine Aufgabe, nach den postulirten Verbindungen der Imaginalscheiben mit der Hypodermis zu suchen; und ich will hier gleich erwähnen, dass ich so glücklich war, ein positives Resultat zu erhalten, indem ich sowohl für die drei Paar Brustscheiben wie für die Flügel- und die Schwingerscheibe, bei der halb wie bei der ganz erwachsenen Larve und der jungen Puppe die Verbindung in vollkommen befriedigender Weise auf- fand. War es mir schon bei den ersten, noch nicht ganz lückenlosen Schnittserien durch ganz junge Puppen aufgefallen, dass an allen ge- nannten Imaginalscheiben eine Fortsetzung nach vorne weit über ihren eigentlichen Bezirk hinaus und bis in die Nähe der Hypodermis zu bemerken war, so gab mir doch erst eine sehr gut gelungene Serie von Längsschnitten durch eine vollkommen ausgewachsene noch nicht zusammengezogene Larve von 161}, mm Länge das Material, um die gestellte Frage beantworten zu können, während das Resultat später an gleichfalls höchst befriedigenden Schnittserien durch junge Puppen controlirt und bestätigt werden konnte. In den Figuren 1 bis 4 sind einige hierauf bezügliche Bilder wiedergegeben, welche geeignet sein dürften, die Sache klarzulegen; sie beziehen sich auf die beiden vor- deren Paare der Bauchscheiben. Es wäre gewiss überflüssig, den anatomischen Bau der Imaginalscheiben selbst hier in ihren verschie- denen Entwicklungsstufen ausführlich zu schildern, und es wird da der 24 Dr. J. van REES, Hinweis auf die Darstellung in WEISMANN’s sowie in GAntn’s Arbeit genügen. Nur dies eine will ich in Erinnerung bringen, dass die Imaginalscheibe bei der erwachsenen Larve eine Blase darstellt, deren Wand nach der Peripherie des Körpers äusserst dünn, nach der Körperachse dagegen sehr verdickt ist, und dass von dieser verdickten Wand aus in die Höhlung der Blase hinein die künftige Extremität sich erstreckt, von der serösen Flüssigkeit, welche die Blase enthält, umspült; dabei geht das Epithel der Wand unmittelbar und ohne den Character zu ändern in dasjenige der Extremität über, und letztere ist also eine directe Ausstülpung der Wand. Man sieht danach, dass diese Imaginalscheiben sich keineswegs durch eigenthümliche anato- mische Verhältnisse, sondern einzig durch die tiefe Lage von den- jenigen bei Corethra unterscheiden, bei welchen die eingestülpte Haut- tasche, die das künftige Glied umgiebt, der Blasenwand entspricht. Fig. 1—3 stellen Theile von dem 56., 62. und 65. Längsschnitt durch die erwachsene Larve dar. In Fig. 1 sind die fünf vorderen Segmente im Ganzen wiedergegeben, von den Einzelheiten ist nur ein Theil ein- gezeichnet. Die Grenzen der Segmente sind an den feinen Chitinhaken zu erkennen, welche sich am Vorderrande jedes Segmentes befinden. Ausser den Imaginalscheiben und der Hypodermis sind mehr oder weniger ausgeführt: das centrale Nervensystem, der Schlund und der Oesophagus, nur im Umriss wiedergegeben der Saugmagen. Die beiden Letzteren sind durch den vordersten Theil der Augenblase (Aub) ge- trennt; ihre Verbindung liegt um einige Schnitte früher. Auch der Oesophagus selbst ist unterbrochen, indem die fehlende Strecke mehr nach rechts im Körper gelegen und auf den folgenden Schnitten an- zutretien war. Das untere Stück des Oesophagus zeigt sich gerade bei seiner Durchbohrung des centralen Nervensystems. Von dem Zusammenhang von Augenblase und Schlund wird weiter unten die Rede sein. Von den Imaginalscheiben sieht man die rechte untere Prothoracal- scheibe und Mesothoracalscheibe, d. h. diejenigen, welche das erste und zweite rechte Bein bilden werden, B,r und B,r. Beide sind so getrofien, dass man die Beinanlage im Längsschnitt sieht, wobei man bemerkt, dass die Gliederung sich ungefähr wie die Ringe eines ein- schiebbaren Reisebechers darstellt; bekanntlich ist diese Gliederung lange da, bevor sich das Glied in die Länge dehnt!). Für den mit Flüssigkeit gefüllten Raum der Scheibe möchte ich den Namen „peri- 1) Weısmann, 1, c., p. 143 d. Sep.-Abdr. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 25 podaler Raum“ vorschlagen; ebenso für die nach aussen liegende dünne Wand der Scheibe die Bezeichnung „peripodale Membran“. Letztere deckt sich also mit Weısmann’s „Hüllmembran“ (deren Continuität mit der an der Neubildung sich betheiligenden „Rinde“ ihm nicht klar geworden war) und mit GANIN’s auch von VIALLANES adoptirter „provisorischer Membran“. Betrachten wir nun zuerst die untere Mesothoracalscheibe B , r, so sehen wir ihre nach vorn gerichtete Spitze in einen Stiel über- gehen, der sich bis an die Hypodermis verfolgen lässt; er setzt sich an den unteren Rand des dritten Segmentes an. Es hatte sich hier beim Schneiden der Stiel im Präparat von dem Chitin ein wenig zurückgeschoben, was ich in der Zeichnung wiedergegeben habe. Der breite Anfangstheil des Stieles ist hohl, indem der peripodale Raum sich einfach in denselben fortsetzt. Auch ferner zeigt der Stiel ein feines Lumen, welches im Durchmesser !/, bis 1/, des Stieles beträgt und von einer äusserst zarten Cuticula ausgekleidet ist, die sich deut- licher präsentirt als die noch viel zartere cuticulare Auskleidung des peripodalen Raumes selbst. Querstreifen habe ich an der erstgenannten Cuticula nicht beobachten können. Es ist mir nicht gelungen, die feine Höhlung des Stieles mit dem erwähnten spitzen vorderen Ende des peripodalen Raumes in directer Verbindung zu sehen, vielmehr schien es mir, als ob erstere sich in die feine Tracheenschlinge fort- setzte, welche sich bis an die Mitte der Beinanlage unmittelbar unter dem Epithel verfolgen liess. Das Epithel des Stieles jedoch zeigt keinen grösseren Unterschied von demjenigen der Scheibenwand als zwischen verschiedenen Stellen dieser letzteren selbst zu bemerken sind; die Zellkerne ähneln den grössten ovalen Kernen der Wand und liegen mit der Längsachse parallel der Achse des Stieles. Genau dieselben Verhältnisse zeigt die linke untere Mesothoracal- scheibe, welche in der Fig. 3, B,! wiedergegeben ist. — Bei den unteren Prothoracalscheiben hingegen sind die Verhältnisse etwas complicirter und erfordern eine besondere Besprechung. Schon in WEISMAnN’s Arbeit werden wir sehr ausführlich orientirt über drei verschiedene Ausläufer, welche sich schon in den jüngsten Stadien der Larvenentwicklung von den in der Mittellinie verwachsenen vorderen Bauchscheiben nach vorne erstrecken. Durch die ganze weitere Ausbildung der Scheiben hat WrisMANnN diese Ausläufer ver- folgt, und er erkannte die theils nervöse, theils tracheale Natur der beiden seitlich gelegenen, glaubte dagegen den unpaarigen medianen als ein blosses fixirendes Band betrachten zu müssen. WEISMANN be- 36 Dr. J. van REES, schreibt an diesem Band eine „feine, structurlose Hülle, längsstreifigen, „blassen Inhalt, zwischen beiden spärliche, ovale, 0,010— 0,012 mm lange Kerne“. „Es gelang mehrmals, den Strang bis zu seiner An- heftungstelle zu verfolgen. Sie liegt am vordern Rande des zweiten Segmentes in der Mittellinie des Bauches, und zwar setzt sich der Strang, ohne sich zu verästeln, an die Hypodermis fest‘ !). Dieser Strang ist es, den man in Fig. 2 in Verbindung mit den Imaginal- scheiben wiedergegeben sieht. Letztere lagen nicht vollkommen sym- metrisch, sodass der Schnitt sie halb über einander gelagert zeigt. Der unpaare Strang entspringt der Rückseite des gemeinsamen media- nen Theiles der Scheiben. Er war in einem einzigen Schnitt nicht in der ganzen Länge zu verfolgen, sondern theilweise in die zwei nächsten Schnitte abgebogen; ich habe diese Theile in das Bild mit eingetragen ?). Auch in diesem Strang sehe ich zwei feine Längslinien, die Con- touren des äusserst feinen Lumens, welches sich durch den ganzen Strang verfolgen lässt. Nach hinten wird der Strang breiter und reicher an Kernen, letztere hier bedeutend grösser als in der Mitte und vorn. Die Ansatzstelle ist hier mehr in oder etwas hinter der Mitte des zweiten Segmentes; auch sah ich den Strang nicht an der Hypo- dermis, sondern vielmehr unmittelbar an dem Chitin befestigt; letztere Thatsache konnte ich an einer Serie von Querschnitten durch eine ganz junge Puppe bestätigen. Auch die beiden von WEISMANN erwähnten seitlich gelegenen Stränge waren in den Längsschnitten der Larve zu beobachten. Man sieht deren Anfangstheile in Fig. 1 und Fig. 3 als Fortsetzungen der Imaginalscheiben bei B,r und B,! abgebildet. Ich konnte diese Stränge bis in die Nähe der Hypodermis verfolgen, wo sie nach den Seiten umbiegen und sich zwischen Haut und Muskeln ausbreiten. Sie erregen nur insofern die Aufmerksamkeit, als man sie leicht mit dem unpaarigen Stiel verwechselt. An Querschnitten fällt in der Beziehung übrigens jede Möglichkeit einer Täuschung weg. Deshalb habe ich in Fig. 4 eine Anzahl Querschnitte durch den vorderen Theil der be- treffenden Imaginalscheiben und ihrer Fortsetzungen abgebildet, welche hierüber die nöthige Auskunft geben. Die einzelnen Figuren a, b, c u. s. w. folgen von hinten nach vorn auf einander, jedoch mit be- 1) Weısmann, L. c., p. 139. 2) Mit Ausnahme von diesem einen Punkt sind die Figuren voll- kommen naturgetreu und frei von irgend welcher Schematisirung. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 27 deutenden Intervallen (siehe Tafel-Erklärung). Man sieht, wie die beiden Imaginalscheiben nach hinten ganz getrennt sind; allmählich findet nach der Mitte zu die Verschmelzung statt, indem man die peripodalen Membranen sich an einander legen und bald als trennende Fläche in der Mittellinie aufhören sieht; die Beinanlagen bleiben da- gegen vollkommen selbständig und getrennt. Noch weiter nach vorn findet nun der Uebergang in die drei Stränge statt. Zuerst zeigt sich hier der linke Seitenstrang isolirt (f), dann trennt sich auch der rechte ab, in der Mitte bleibt der zarte Stiel zurück, dessen Lumen sich direct aus dem peripodalen Raum fortsetzt. Die jetzt besprochenen Imaginalscheiben sind diejenigen, welche von allen am nächsten an der Hypodermis gelegen sind. Hier können also die Stiele, welche sie mit letzterer in Verbindung setzen, möglichst kurz und dabei nahezu gerade sein, indem keine anderen Organe als die gestreckten Hautmuskeln die beiden trennen. Anders dagegen verhält sich die Sache bei den Scheiben des dritten Beinpaares, den Flügelscheiben und den Schwingerscheiben. Diese liegen tiefer im Körper, und zwar findet man sie un- gefähr gleich weit von der Median- fläche entfernt, sodass sie auf wenigen Längsschnitten zu überblicken sind. Die untere Metathoracalscheibe liegt unmittelbar ventral von der Flügel- scheibe im 4. Segmente, die Schwin- gerscheibe hinter den beiden im 5. Segment und ein wenig mehr nach der Seite. Von der Haut sind sie alle durch vielerlei Organe getrennt, doch haben auch diese Imaginal- scheiben eine nach vorn und ventral gerichtete Spitze, und auch hier setzt sich diese Spitze je in einen Strang fort, der sich bis an die Hypodermis verfolgen lässt, wobei er sich erst ein wenig nach aussen, dann aber nach innen wendet, um auf der Fig. I. Fig. I. Vorderer Abschnitt einer ausgewachsenen Larve. Die drei Beinscheiben, deren Stielanfang mit 3.1, 3.2 und B.3 angegeben sind, sowie die Fliigetscheibe (#7) und die Schwingerscheibe (H) sind in natürlicher Lage eingetragen. 1. th, 2. th und 3.th: I, II. und ZIZ Thoraxsegment. | 28 Dr. J. van REES, ventralen Seite des Körpers zu enden: der Flügelscheibenstiel am unteren Rande des dritten Segmentes, die beiden andern etwas über die Mitte des vierten Segmentes, der Schwingerscheibenstiel be- deutend mehr seitlich als der Stiel der Beinscheibe (siehe Fig. I). In diesen Stielen ist nun eine unverkennbare Trachee enthalten, welche ein relativ weites Lumen und eine aus eng anschliessenden Epithelzellen bestehende Wand aufweist, insofern sich immerhin von den feinen Tracheenästen bedeutend unterscheidend. Neben dieser Trachee aber verläuft auch hier ein Strang, welcher die unmittelbare Fortsetzung der Scheibenwand ist, und in welche der peripodale Raum sich als feine Röhre mehr oder weniger weit verfolgen lässt; in einigen Präparaten schien es mir sogar, als ob diese Röhre sich durch den ganzen Strang fortsetzte. . Die Kerne dieses Stranges zeigen denselben allmählichen Uebergang der grösseren Form in der Nähe der Scheibe in die kleinere Form des weiteren Verlaufes, wie dies bei den oben besprochenen Stielen der Fall ist. Nun musste vor Allem die Thatsache die Aufmerksamkeit erregen, dass in jedem einzelnen Falle die Imaginalscheibe mit dem- jenigen Segmente in Verbindung steht, welches sie in der Puppe zu ersetzen haben würde, denn das 2., 3. und 4. Segment der Larve entsprechen dem 1., 2. und 3. Thorax- segment der Puppe und der Imago. Folglich steht die Anlage des 1., 2. und 3. Beinpaares durch einen Stiel mit dem 1., 2. und 3. Brust- segment in Verbindung, desgleichen je die Anlagen des 1. (Stigma), 2. (Flügel) und 3. (Schwinger) Paares der oberen Imaginalscheiben !). Damit wäre also die erste Forderung zur besseren Einsicht in das Wesen der Imaginalscheiben erfüllt. Es bliebe nur die Frage zu stellen, als was man die Stiele zu betrachten hätte. Ohne es ver- suchen zu wollen, hierauf eine definitive Antwort zu geben, will ich doch die Resultate erwähnen, die mir in allerjüngster Zeit die noch- malige Untersuchung einer halbwüchsigen Larve auf Längsschnitten ergeben hat, da ich glaube, dass diese Befunde uns einer späteren Beantwortung um ein Geringes näher bringen können. Ich fand bei dieser Larve, in Uebereinstimmung mit WEISMANN’S Angaben, alle Scheiben bereits anwesend, mit Ausnahme der oberen 1) Die obere Prothoracalscheibe ist hier nicht früher erwähnt, weil ihre Verbindung mit der Haut des 1. Thoraxsegmentes vermittels des Längstracheenstammes längst bekannt ist. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria, 29 Rückenscheibe, die erst später sich herausbildet. Auch zeigten alle ihre Stiele und zwar in noch viel unzweideutigerer und übersichtlicher Weise als bei der erwachsenen Larve ; namentlich war der characte- ristische Unterschied zwischen denjenigen der beiden vorderen Bein- scheiben einerseits und denjenigen der Flügel- und Schwingerscheiben andrerseits hier viel schärfer und augenfälliger. Bei ersteren zeigte sich ein dünner, fast gerader Strang von der Haut bis an das Bauchmark, der auf !/,—!/, der Länge von der Hypodermis entfernt (siehe Fig. IIB) die Imaginalscheibe als eine längliche Verdickung aufwies (es gilt dies natürlich wörtlich nur von dem zweiten Paar, da das erste Paar, ausser den seitlichen anders gebildeten, nach vorn nur einen einzigen gemeinsamen Strang besass, wie im erwachsenen Zustande). Centralwärts ist der sehr lange Strang ausgesprochen ner- vöser Natur; peripheriewärts dagegen zeigt er ein sehr feines Lumen, umschlossen von relativ dicker Wand, welche spärlich grosse ovale Kerne führte. Einer dieser Kerne lag sogar im Niveau der Hypo- dermis. Der Stielcanal stand beim ersten Paar unverkennbar mit der gemeinsamen, eben an- gelegten Scheibenhöhle in Con- tinuität. Bei der Flügelscheibe war wieder die Trachee sammt be- gleitendem Epithelstrang bis an die Hypodermis zu verfolgen, Die Imaginal- Scheibe selbst zeigte auf einem der Schnitte ein Bild, das täuschend der Figur 32 aus WEISMANN’S Ab- handlung ähnlich sah, nur dass die Anlage oben im Winkel anstatt unten lag, also die ganze Figur umgekehrt. Die dort mit p bezeichnete Trachee ist es, welche den Stiel im Präparat begleitete. Sie besass Fig. IL. Fig. II. Theile zweier Längsschnitte durch eine halbwüchsige Larve, A Imaginal- scheibe des Flügels (#7) mittels feiner Trachee bis an die Hypodermis zu verfolgen. B Imaginalscheibe des 1. Beines sammt Nervenstiel (N) und Hypodermisstiel, Ps Bauch- strang. 30 Dr. J. van REES, noch vollkommen den ächten Character der feineren Tracheen mit sehr plattem Epithel und hervorragenden spärlichen Kernen und relativ sehr weitem Lumen. Die Schwingerscheibe zeigt in kleinerem Maassstabe genau die- selben Erscheinungen, bis auf einen Punkt, der nicht ohne Bedeutung ist. Es erstreckte sich hier nämlich der begleitende Epithelstrang nicht bis an die Hypodermis, sondern nur bis auf etwa 1/, der Länge der betreffenden Trachee; im peripheren Theil war letztere von anderen Tracheen in der Umgebung nur durch ihren Verlauf zu unterscheiden. Ich habe diese Erscheinung an beiden betreffenden Scheiben mit voll- kommener Deutlichkeit beobachten können. Es scheint mir, dass das zuletzt Erwähnte in hohem Grade die von WEISMANN angenommene Entstehungsweise der Flügel- und Schwingerscheibe aus dem trachealen Epithel unterstützt; für die drei oberen Imaginalscheiben wäre danach diese Entstehungsweise eine einheitliche. Für die unteren Scheiben hingegen möchte ich einen anderen Bildungsmodus vermuthen, wenig- stens was die beiden vorderen Paare betrifft; das dritte Paar nimmt durch seine tiefere Lage gewissermaassen eine eigene Stellung ein; die betreffenden Hautstiele zeigten bei der halbwüchsigen Larve grosse Aehnlichkeit mit einer feinen Trachee, doch konnte ich dieselben nicht bis an die Hypodermis verfolgen, weil die Schnitte an der Stelle nicht ganz fehlerfrei waren. Bei den vorderen Beinpaaren nun halte ich es für höchst wahr- scheinlich, dass die Scheiben sammt ihren Verbindungsstielen mit der Hypodermis ectodermale Bildungen sind, deren Anlage sich an der Stelle entwickelt hat, wo der embryonale Hautnerv die Hypodermis berührt (wie bei Corethra), die aber dann in der Richtung des Nerven- verlaufes — als ob der sich verkürzende Nerv einen Zug ausübte — in die Tiefe rücken , dabei einen kurzen Strang bildend, dessen tiefster Abschnitt, also an der Ansatzstelle des Nerven, sich alsbald zur künftigen Imaginalscheibe differenzirt, während sich zu gleicher Zeit in dem Strang ein feines Lumen bildet. In diesem Stadium würde der Strang also eine feine Röhre darstellen, welche nichts anderes wäre als der stark verlängerte Halstheil einer in das Innere des Körpers eingestülpten, wenn auch anfänglich soliden Hauttasche. Damit würden dann in der That diese Imaginalscheiben sich nur durch die Länge dieses Taschenhalses und durch ihre eigene tiefe Lage von den ober- flächlichen Imaginalscheiben von Coreihra unterscheiden. Für das vordere Paar käme noch die Complication hinzu, dass, indem die beiden Hautnerven sich an naheliegenden Hautstellen inserirten, es Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 31 zwar zur Bildung zweier getrennten Imaginalanlagen gekommen war, welche jedoch bei dem Tiefer-Rücken nur einen einzigen Stiel bekamen. Inwiefern die beiden seitlichen Stränge des vorderen Paares mit einer solchen Bildung in genetischem Verband stehen, oder ob sie, wie die später anwesenden feinen Tracheen, eine secundäre Bildung sind, dar- über kann ich auf Grund meiner Präparate kein Urtheil abgeben. Ich möchte hier eine von KOwALEVSKY !) gemachte embryologische Bemerkung nicht unerwähnt lassen, welche sich mit meiner Ansicht wohl verträgt, ja meine Vermuthung zu stützen scheint. KOWALEVSKY gelangte „zu dem Resultat, dass (die Imaginalscheiben) nicht aus der Zellwand der Tracheen entstehen, sondern dass die schon gebildeten jungen Imaginalscheiben mit den Tracheen und Nerven verschmelzen.“ Es würde mich — Angesichts der eigenen Bemerkung des Verfassers, dass er die Entstehungsweise der Imaginalscheiben nicht feststellen konnte — keineswegs wundern, wenn er das soeben mitgetheilte Re- sultat nur an einigen der Imaginalscheiben erhalten hätte, und sogar wahrscheinlich nur an den am nächsten der Oberfläche gelagerten, was nach der obigen Darstellung die beiden vorderen unteren Paare sind, für die ich die Entstehung direct aus dem Ectoderm für wahrschein- lich halten muss. Der in der Anlage gewiss sehr zarte Nerv könnte sich anfänglich wohl ganz der Beobachtung entzogen haben oder als solcher nicht zu erkennen gewesen sein, namentlich an Zupf- oder Trans- parentpräparaten; dass aber KOWALEVSKY diese seine Resultate an Schnitten gewonnen hätte, kann ich aus keiner Bemerkung in seiner Mittheilung schliessen. Bestimmt für meine Auffassung scheint das Resultat zu sprechen, welches KÜNCKEL D’HERCULAIS in seiner oben erwähnten Arbeit über die Anatomie und Entwicklung einer anderen Dipterengruppe, der Volucellen, erhalten hat. Da ich nicht in der Lage gewesen bin, das Werk selbst kennen zu lernen, so musste ich mich mit dem Wenigen begnügen, was VIALLANES darüber mittheilt. Hinsichtlich der Frage, die uns augenblicklich beschäftigt, ist dies übrigens interessant genug. VIALLANES sagt nämlich Folgendes?): ,ayant remarqué que sur de jeunes larves de Volucelle les disques se montraient chacun comme une petite ampoule reliée à la peau par un pédicule, il pensa que ces organes se constituent par suite d’un refoulement de l’hypoderme 1) Biol. Centralblatt Bd. VI, p. 54. 2) L c., p. 202 oben, 39 Dr. J. vAN REES, larvaire. Généralisant les résultats qu'il avait obtenus chez les Volucelles, il pensa que les disques ne pouvaient point dériver de la membrane péritrachéenne ou de la gaine nerveuse, comme lavait admis M. WeIsMANN pour la Mouche“ Ich bin auf diese Stelle bei VIALLANES erst aufmerksam geworden, als ich die Stiele bei der er- wachsenen Larve schon gefunden hatte; die Verhältnisse scheinen da- nach bei den Volucellen bedeutend einfacher zu liegen, wenigstens wenn es richtig sein sollte, dass KinckEL D’HERCULAIS die Sache bei allen Imaginalscheiben so gefunden hätte. Sollte der Verfasser nicht gerade hierin verallgemeinert haben, so würden wir allerdings in Volucella eine sehr interessante Zwischenstufe zwischen Corethra und Musca besitzen, welche nur zu Gunsten meiner Vermuthung sprechen könnte. Doch auch wenn KÜNCKEL D’HErRCULAIS’ Angaben sich nur auf be- stimmte Scheiben beziehen, so zeigen sie wenigstens, dass auch er deutliche Stiele gesehen hat, und unterstützen auch dadurch schon meine eigenen Befunde. Wir gelangen jetzt zum zweiten Punkte, nämlich der Frage, in- wiefern die Scheibenstiele eine Rolle spielen bei dem Hervortreten der Gliedmaassen, mit welchem Punkte zugleich die ganze Frage nach dem Modus der Thoraxbildung nahe berührt wird. Schon in der Einleitung habe ich erwähnt, wie WEISMAnN sich den Aufbau des neuen Thorax durch seitliches Zusammenwachsen der zu je einem Segment gehörenden und bis zur Berührung herangewachsenen Imaginalscheiben vorstellte, wobei die Hüllmembran der Scheiben und auch die alte Hypodermis zu Grunde gehen würde, letztere, indem sie einfach abgestossen wird. Dieser Vorstellung hat sich auch Ganın angeschlossen, wenigstens nach dem, was VIALLANES darüber berichtet; daher auch seine Be- nennung „provisorische Membran“ und „provisorische Höhlung“. (Wie GANIN die Hypodermis des Larventhorax zu Grunde gehen lässt, kann man bei VIALLANES nicht erfahren.) Nach dieser Vorstellung bekommt man von dem werdenden Puppenkörper das bekannte Schema, welches GRABER!) davon bei der Besprechung der damaligen Resultate der Forschung gegeben hat: eine Puppe mit einfachem abdominalen Hypo- dermisschlauch und mit doppeltem in einander geschachtelten Thorax- schlauch, aussen die abfallende Larvenhypodermis, innen die Puppen- hypodermis als Neubildung. Ich muss hier indessen ausdrücklich hervorheben, dass WEısMAnN die Bemerkung gemacht hat, man treffe 1) Virus Grazer, Die Insecten, II. Th., Fig. 163 und 178, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 35 nach dem Zusammenwachsen der Imaginalscheiben niemals mehr Theile der alten Hypodermis ausserhalb der neuen an !). Die von VIALLANES gegebene Schilderung konnte in vielen Hinsichten schon mehr in die Einzelheiten gehen, weil er über die hier so viel günstigere Schnittmethode verfügte. So war er schon ganz auf dem Wege, die Art, wie die Gliedmaassen an die Oberfläche treten, zu erkennen, doch scheint in seinen Schnitten die Hypodermis durch ungenügende Fixirung bei dem Abtödten der Puppen zerbröckelt zu sein, so dass er dadurch wohl auf eine falsche Fährte gekommen ist. Vollkommen bestätigen kann ich es, wenn er beschreibt, wie die Scheibe „der Antenne‘ ?) sich immer näher an die Hypodermis anschmiegt, während die dickeren Theile der Scheibenwand auf Kosten der ,,pro- visorischen“ Membran Terrain gewinnen, bis letztere mit der Hypo- dermis in Berührung kommt, während die verdickten (ectodermalen) Theile der Scheibenwand bis an diese letzte hinanreichen. Nun aber lässt er die aus der alten Hypodermis und der provisorischen Membran zusammengeschmolzene Epithelschicht, welche die „provisorische“ Höhlung der Scheibe nach aussen einzig verschliesst, zerreissen, wobei die Höhlung der Scheibe mit der Aussenwelt in Verbindung geräth. Dann hebt auch nach ihm die Hypodermis sich ab, und zwar: „en grandes écailles qui sont détachées du corps de l’animal bien au delà des points qu’atteint le bord de l’exoderm“. Es bleibt an den Stellen nur die Basalmembran als zeitweiliger Schutz des Körperinhaltes übrig. Wir werden jetzt bald sehen, dass letzteres vollkommen unrichtig ist, dass weder die alte Hypodermis abgehoben wird, noch auch die ,,pro- visorische* Membran zu Grunde geht, dass jedoch die Schilderung VIALLANES’ von der Weise, wie die Imaginalscheibe an die Oberfläche tritt, mit meinen eigenen Resultaten in der Hauptsache vollkommen übereinstimmt. Betrachten wir dazu einige Skizzen nach Querschnitten durch eine Puppe von 10 bis 20 Stunden, Fig. 5, 6 und 7, welche deshalb unser Interesse beanspruchen, weil die Puppe so zu sagen in der Bildung des Thorax und in dem Freilegen der Gliedmaassen ertappt worden ist. In allen drei Figuren sind mit dunkler Farbe nur die imaginalen Theile wiedergegeben, ausgenommen den Hakenapparat, welcher der Wirk- DP) Ashes ps LEB: 2) Diese Bezeichnung muss wohl ein Irrthum sein, denn, was er beschreibt und abbildet, kann er nur an einer der Beinscheiben oder an der Schwingerscheibe gesehen haben. Zool, Jahrb. III. Abth, f, Morph, 3 34 Dr. J. van REES, lichkeit entsprechend theilweise ganz schwarz dargestellt ist. Von Zellbildungen sind nur die grössten Hypodermiszellen angegeben; im Innern sieht man den Schlund sammt Augenblasen, ferner den Oeso- phagus und eine Anzahl Tracheen. Mehrere Imaginalscheiben sind in verschiedener Weise getroffen, worüber gleich Auskunft gegeben werden wird. Was in erster Linie an den Figuren auffällt, ist, dass die Hypodermis nicht mehr dem Chitin anliegt, sondern sich in Fig. 5 und Fig. 6 im ganzen Umfang, in Fig. 7 theilweise von letzterem zurückgezogen hat, wodurch ein beträchtlicher Raum entstanden ist, in welchem sich Serum angesammelt hat. Dieser Process schreitet im Thorax von vorn nach hinten fort und äussert sich also zuerst an der Imaginalscheibe des Stigmas, welches dadurch vollkommen frei wird, indem bei dem Zurückziehen der Hypodermis das Epithel der Längs- trachee, welche sich oben am ersten Thoraxsegment öffnet, gewisser- maassen umgestülpt wird!). Die Intima des Tracheenstammes bleibt nun nackt durch den Raum zwischen Chitin und Hypodermis aus- gespannt; nur ganz nahe am Chitin sah ich einige abgerissene Epithel- zellen an ihr haften. In der Umgebung des neuen Stigmas ist jetzt Alles aus imagi- nalem Epithel gebildet, und man hat es hier schon vollends mit der neuen Thoraxwand zu thun. Dasselbe gilt von den seitlichen Theilen des Thorax, abgebildet in Fig. 5; hier sieht man bereits Theile von Ima- ginalscheiben, und zwar von den Flügelscheiben, an der Oberfläche liegen und zwar in vollkommener Continuität mit der ganz geschlossenen Hypodermis. In den Schnitten durch den hinteren Theil des Thorax, wie in Fig. 7 und noch weiter nach hinten, bekommt man dagegen ein Bild, das noch grösstentheils oder vollständig in Uebereinstimmung ist mit solchen aus entsprechenden Schnitten von jüngeren Puppen von wenigen Stunden oder von der erwachsenen Larve selbst: die Hypo- dermis liegt noch dem Chitin unmittelbar angeschmiegt (in Fig. 7 nur stellenweise), und die Imaginalscheiben vom 3. Beinpaar und den Halteren liegen ganz tief im Körper. Es geht hieraus hervor, dass von einem einfachen Zusammenwachsen der Imaginalscheiben an ihren Seitenrändern weder im älteren Sinne, noch nach der VIALLANES’schen 1) Ich meine sogar an einer Stelle beobachtet zu haben, dass auf diese Weise tracheales Epithel dauernd an die Oberfläche gelangte, um künftig als Hypodermis zu functioniren, was immerbin interessant wäre, wenn wir auch längst wissen, dass das Epithel dieses Tracheenstammes selbst einer Einstülpung des Ektoderms sein Entstehen verdankt. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 35 Auffassung die Rede sein kann. Die Lösung aber des Problemes werden wir in den mittleren Schnitten des Thorax zu suchen haben. Vorerst muss ich bemerken, dass es keine einzige Stelle am ganzen Thorax giebt, die nicht von Epithel bekleidet ist, sei es nun das neue Epithel der Imaginalscheiben, sei es dasjenige der alten Hypodermis; denn diese beiden liegen an vielen Stellen unmittelbar neben einander, ohne irgend welche Lücke oder Spalte zwischen sich zu lassen. So ist in Fig. 5 die ganze obere Seite zwischen den beiden Flügeltheilen (F1) vollständig aus alter Hypodermis gebildet, ebenso alle Stellen der Hypodermis in den Fig. 5—7, welche die grossen Kerne zeigen. Verfolgen wir nun die auf einander folgenden Schnitte durch die jungen Flügelanlagen von Fig. 5 an nach hinten, so sehen wir, dass nach mehreren Schnitten vom Rücken her sich eine von der Leibes- flüssigkeit, — grösstentheils Körnchenkugeln — gefüllte Hautfalte ent- wickelt, welche von hinten her den freien Theil der Flügelanlage (eigentlich des Flügelansatzes) zu umfassen strebt, immer mehr und mehr nach vorne herüberreicht, bis dies in der That erreicht ist und die Flügelanlage sich somit als echte im Körperinnern gelegene Ima- ginalscheibe darstellt. Man sieht in Fig. 6 rechts diesen Zustand erreicht, während links der letzte Schnitt durch die Flügelanlage vor- liegt, bevor auch hier der peripodale Raum nach aussen vollständig abgeschlossen erscheint, wie dies in dem auf Fig. 6 folgenden Schnitt wirklich der Fall ist. In Fig. 6 sieht man, wie die innere Bekleidung des scheinbaren Hautwulstes nichts anderes ist als ein Theil der peri- podalen Membran, wie sie ähnlich, aber in diesem Schnitt in sich ab- geschlossen, rechts ebenfalls zu sehen ist. Es grenzen also an dieser instructiven Stelle links unmittelbar an einander: alte Hypodermis und peripodale Membran, nach unten ferner neue Hypodermis und alte Hypodermis. Auf letztere folgt bald ein anderer imaginaler Theil, das thoracale oder das Ansatzstück des rechten zweiten Beines (B,r) mit davor liegendem angeschnittenem Femoraltheil!), der bekanntlich in diesem Zeitpunkt nach oben gewandt ist, während die Spitze des Beines in der Tiefe resp. nach hinten liegt. Einerseits ist indessen auch dies Bein so gut wie das linke 2. Bein (B,l) von der peripo- dalen Membran halb umgeben, und um 7 Schnitte weiter nach hinten, 1) Für die anatomischen Verhältnisse der Gliedmaassen während ihrer Bildung sowie für ihre Lage bei der sich bildenden Puppe verweise ich auf Weiısmann’s Arbeit (z. B. Fig. 38 bis 44), wo dieser Gegenstand er- schöpfend behandelt worden ist. 3# 36 Dr. J. van REES, nämlich in Fig. 7, ist auch um diese Extremität bei (B,l) der peri- podale Raum wieder allseitig da; bei (Dyr) ist nur noch eine kleine Communication mit der Aussenwelt vorhanden. Ein vollkommen gleiches Verhalten beobachten wir am ersten Beinpaare; vorn in seinen thoracalen Theilen frei an der Oberfläche liegend, stecken die Spitzen nach hinten noch in dem peripodalen Raume, der in dieser Höhe für das 1. Beinpaar ein gemeinsamer ist, wie es bei dessen oben besprochener Verwachsung natürlich nicht anders sein kann (Fig. 5). Auch das dritte Paar Beinanlagen zeigt dasselbe ; in Fig. 7 sieht man beim rechten Bein den thoracalen Theil der Ima- ginalscheibe, darunter wieder das angeschnittene Femur; in den wei- teren Schnitten auch hier der Haupttheil des Gliedes in den peri- podalen Raum gebettet, und an allen Gliedmassen (inclusive Flügel und Schwinger) reichen also die Spitzen bis in die hintersten Schnitte durch die Imaginalscheiben; so in Fig. 7 für die Flügel bei Fl. In der aus den Schnitten reconstruirten Puppe sieht man diese Verhält- nisse sowohl in der Vorder- (Fig. III) wie in der Seitenansicht (Fig. IV) übersichtlich wiedergegeben. Wir müssen uns nun Rechenschaft zu geben versuchen, wie sich, in Zusammenhang mit dem Zurückweichen der Hypodermis von dem Chitinskelet, dieser soeben be- trachtete Zustand aus demjenigen bei der erwachsenen Larve entwickelt hat. Von den hier in Betracht kommen- den Zwischenstufen besitze ich leider nur drei grössten- theils vollkommen gelungene Schnitt- serien, alle vom Fig. IH. ersten halben Tag Fig. III. Vorderansicht der aus den Querschnitten reconstruirten Puppe vom Ende des 1. Tages. Die Beine stecken noch halb in den Imaginaltaschen (peripodaler Raum). Die Hypodermis des Abdomen bildet eine Duplicatur. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 37 nach der Verpuppung. In dem ersten Stadium zeigen sich noch keine Veränderungen in der Lage der Imaginalscheiben; das zweite Stadium und besonders das dritte lassen dagegen sehr bedeutende Abweichungen erkennen: es scheint also zu der Zeit die Entwicklung sehr rasch vor sich zu gehen. Im zweiten Stadium zeigen sich namentlich wichtige Veränderungen an den Stielen, welche ein weites Lumen erhalten haben und sich nur durch ihre bedeutend grösseren Epithelzellen von der Scheibenwand unterscheiden. Der peripodale Raum setzt sich aber ohne plötzliche Verjüngung in den Stiel fort. Der Stielcanal reicht indessen nicht ganz bis an die Hypodermis oder gar zwischen deren Zellen, sondern ist von ihnen durch Haufen von Zellen getrennt, von denen ich nicht feststellen konnte, ob sie dem Stiel selbst oder einer geringen Verdickung der Hypodermis entstammen. Somit ist der hohle Stiel nach aussen blind geschlossen, obschon mit der Hypodermis in Continuität. Ferner sind die Stiele bedeutend verkürzt, wenigstens ist die Anlage der Gliedmaassen in der Scheibe der Oberfläche beträchtlich näher gerückt. Ich konnte diese Erscheinungen mit vollkommener Deutlichkeit sowohl an der Flügel- und der Schwingerscheibe als an den Scheiben des dritten und zweiten Beinpaares feststellen: bei den drei ersten waren die Stiele schräg getroffen, bei dem zweiten Beinpaar sehr übersichtlich der Länge nach — es waren nämlich frontale Längs- schnitte. — Nur am ersten Beinpaar war der Stiel wegen eines Fehlers in der Schnittserie nicht zu verfolgen. In dem dritten Sta- dium konnte eigentlich von Stielen gar nicht die Rede sein; die Imaginal- scheiben zeigten nach vorne allerdings eine be- stimmte Verschmälerung, Fig. IV. Fig. IV. Seitenansicht derselben Puppe, auch die halbgeöffneten Imaginalscheiben von Flügel und Schwinger zeigend. Letztere und die dritte Beinscheibe öffnen sich in der Hypodermistasche innerhalb der abdominalen Duplicatur. 38 Dr. J. van REES, die also gebildete sehr stumpfe Spitze lag indessen in Berührung mit der Hypodermis selbst und war, wie im vorigen Stadium die Spitze des Stieles, aus ziemlich grossen Epithelzellen zusammengesetzt; nach innen fand sehr bald der Uebergang in peripodale Membran und ver- dickte kleinzellige Scheibenwand statt. Wir treffen hier also auf das von VIALLANES beschriebene Stadium, wo die Imaginalscheibe hart an der Hypodermis liegt, die diese letz- tere „direct berührende provisorische Membran nicht mehr zu erkennen ist“ (weil sie an der Stelle überhaupt nicht da ist) und das Exoderm (die Thoraxanlage der Scheibe) bis an die Hypodermis heranreicht. Wie diese Lage indessen zu Stande gekommen ist, darüber hat er sich nicht ausgesprochen. Ich glaube, dass die Erweiterung und gleichzeitige Verkürzung der Stiele durch zwei Ursachen bedingt ist. Erstens scheint der peripodale Raum, wahrscheinlich durch Arhäufung des serösen In- haltes, immer mehr und mehr vergrössert zu werden, indem zu gleicher Zeit die Glieder sich strecken und auch an Volumen zu gewinnen scheinen. Dadurch muss natürlich erstens die peripodale Membran stets dünner und dünner ausgespannt werden, wie dies in der That der Fall ist, zweitens aber muss der Raum sich nach vorne immer weiter in den soliden oder bloss von dem ganz feinen Lumen durchsetzten Stiel hinein erstrecken, so dass an dem breiten und schon erweiterten Theil des Stieles, welchen wir schon in der Larve kennen lernten, das Epithel an der Vergrösserung der peripodalen Membran ‘Antheil nimmt; dadurch verkürzt sich aber dieser Stiel ganz bedeutend. Der zweite Grund ist mehr speciell wirksam für das Freilegen der Imaginalanlagen, wie wir gleich sehen werden, doch auch an der Verkürzung der Stiele mag er immerhin mit bethätigt sein; er besteht nämlich darin, dass die bis dahin von den Leucocyten unberührt ge- bliebenen Thoraxmuskeln sich kräftig zusammenziehen, wodurch die Hypodermis, an welcher sie befestigt sind, an verschiedenen Stellen von dem Chitin abgezogen, stellenweise als stets tiefer werdende Falten in das Innere des Körpers und nach hinten gezogen wird, wobei die drei Thoraxsegmeute sich scharf markiren, und dabei gewiss auf die Ansatzstellen der Stiele einen Zug ausüben, der zur Verkürzung der Letzteren mitwirken dürfte. Die Stellen, wo diese Muskeln angreifen, sind der untere Rand der drei Thoraxsegmente. Die Verschiebung ist so bedeutend, dass nicht nur der ganze Thorax sich schliesslich vollständig vom Chitin gelöst und beträchtlich davon entfernt hat, sondern er wird auch theilweise in das Abdomen wie versenkt, so dass Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 39 der umgeschlagene Rand der Hypodermis des ersten Abdominalsegmentes wie ein weiter Kragen den unteren Theil des Thorax umgiebt. Wir können uns davon eine Vorstellung machen, wenn wir Fig. 7 be- trachten, wo die mit h« bezeichnete Hautduplicatur nichts anderes ist als dieser Kragen der abdominalen Hypodermis, welcher an der ventralen Seite sich kaum erhebt, dagegen am Rücken und namentlich an den Seiten desselben mächtig entwickelt ist. An letzteren Stellen ist er (bei A?) noch auf dem in Fig. 6 wiedergegebenen Schnitt zu beobachten. In Fig. II und IV ist dies an der reconstruirten Puppe wiedergegeben. Der mächtige Muskelzug, der diese Faltenbildung zu Stande ge- bracht hat, ist es nun auch gewesen, der das Einzige, was noch nöthig war, um die Imaginalscheiben an die Oberfläche zu bringen, vollführt hat, nämlich das Zerreissen derjenigen Epithelinseln, welche noch den Verschluss des peripodalen Raumes bildeten. Natürlich wird man an den Schnitten diese Erscheinung selbst wohl nie beobachten können; dafür scheint der Process zu schnell zu verlaufen. Ich stelle mir die Sache so vor, dass nach dem Zerreissen der Verschlussstelle die Oeffnung sich bald sehr erweitert, indem auf das Epithel anhaltend in mehreren Richtungen ein Zug ausgeübt wird. Ob nun auch die peripodale Membran dabei als solche an die Oberfläche geräth, vermag ich nicht zu sagen, obschon ich es einige Male in der That zu be- obachten meinte; sie muss dann jedenfalls bald den Character des imaginalen Thorax annehmen. In Fig. 6 (bei FT) in den davor ge- legenen Schnitten sieht man die alte Hypodermis so weit reichen, wie die Haut an der Oberfläche liegt; erst als Bekleidung des geöffneten peripodalen Raumes sieht man die peripodale Membran sich erstrecken. Am wahrscheinlichsten erscheint es mir, dass letztere sich seitlich zu- sammenzieht und dabei verdickt und ihren früheren Character verliert, je nachdem die den peripodalen Raum nach aussen noch abschliessende Hautduplicatur sich zurückzieht. Dies letztere findet bald in dem Maasse statt, dass auch die Extremitäten selbst nebst den Thoracalanlagen, in welche sie an ihrer Basis übergehen, frei zu Tage treten und in das Niveau der Oberfläche zu liegen kommen. Damit wären wir nun an dem Stadium angelangt, dem Fig. 5, 6 und 7 entnommen sind. Dass dieses Freilegen der Gliedmaassen sich zuerst am vorderen Ab- schnitt verwirklicht, haben wir bei der Besprechung dieser Figuren schon gesehen. Es setzt sich aber bei fortwährendem Zug an der alten Hypodermis und dem stetigen Ausgleich der noch übrig ge- bliebenen imaginalen Hauttaschen so lange fort, bis alle Gliedmaassen 40 Dr. J. van REES, auch mit den Spitzen frei an der Oberfläche liegen und jede Falte an der Hypodermis ausgeglättet ist. Damit ist die merkwürdige Bildung des Puppenthorax zu Ende geführt. Inzwischen sind die neuen Thoraxtheile immer noch eine Zeit lang durch Reste der alten Hypodermis von einander getrennt, und zwar sowohl was die verschiedenen Segmente unter einander, als auch was die verschiedenen Constituenten eines und desselben Segmentes be- trifft. So ist namentlich am Rücken zwischen den weit aus einander liegenden Flügelbasen ein mächtiges Stück alter Hypodermis noch ziemlich lange aufzufinden, wie in Fig. 5—7 und in der später zu besprechenden Fig. 12 Taf. II zu beobachten ist. Es wird durch diese Thatsache auf das entschiedenste dargethan, dass die alte Hypodermis nicht abgehoben wird, weder im Ganzen noch in Schuppen, und zwei- tens, dass der Epithelverschluss in Widerspruch mit VIALLANES’ An- gaben niemals an irgend welcher Stelle unterbrochen wird; im Gegen- Fig. V. Fig. VI. Fig. I (wiederholt). Vorderer Abschnitt einer ausgewachsenen Larve. Die drei Beinscheiben, deren Stielanfang mit 2.1, B.2 und 3.3 ange- * geben sind, sowie die Flügelscheibe (77) und die Schwingerscheibe (4) sind in natürlicher Lage Fig. I (wiederholt). eingetragen. 1.th, 2.th und 3.th: I, II. und III. Thoraxsegment. Fig. V. Ventrale Hälfte des vorderen Drittels einer Puppe von der Mitte des 1. Tages. Die drei Beinscheiben sind an die Oberfläche gerückt bei gleichzeitiger Ver- kürzung und Erweiterung des Stieles. (Die dritte Beinscheibe liegt thatsächlich mehr nach der Seite, was hier nicht wiederzugeben war.) Fig. VI. Idealer Schrägschnitt durch eine Puppe vom Ende des 2. Tages, geführt durch die Ansatzstellen der drei halbausgestülpten Beine. Vergl. Fig. II und IV. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 41 theil ist auch bei der genauesten Betrachtung stets eine innige Be- rührung von alter und neuer Hypodermis zu constatiren. In meiner vor zwei Jahren erschienenen Mittheilung, in welcher die jetzt beschriebenen Erscheinungen in ihren Hauptzügen bereits vollständig wiedergegeben sind, habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass die larvale Hypodermis auch des Thorax !) gar nicht zu Grunde ginge, sondern Antheil nehme an der Bildung des Imago-Thorax, indem die grossen Hypodermiszellen sich durch wiederholte Theilung in klein- zelliges Epithel umwandelten, wobei ich durch Bilder, welche einer Zelltheilung ähnelten, irregeführt war. Diese Ansicht nehme ich jetzt als unrichtig zurück. Antheil an der Thoraxbildung nimmt allerdings die alte Hypodermis, wie wir gesehen haben, aber nur vorübergehend, Antheil also an der Bildung des Puppenthorax, wenn man will; der Thorax der Imago dagegen enthält in seiner Epithelbekleidung keine anderen Elemente als die, welche von den Imaginalanlagen abstammen. Die alte Hypodermis wird also doch entfernt; wie dies indessen ge- schieht, werden wir in einem der nächsten Capitel sehen. Bevor ich diesen Gegenstand verlasse, möchte ich noch mit wenigen Worten erwähnen, wie WerismAnn’s Beschreibung des neu gebildeten Puppenthorax ?) eigentlich noch vollkommene Geltung hat, nur mit der einzigen Ergänzung, dass die dünnere verbindende Zellenlage, welche als schmaler Streif zwischen den Segmenten angetroffen wurde, nicht erst secundär entstanden, sondern nichts weiter als die noch nicht ersetzte alte Hypodermis ist. B. Bildung des Kopfes. WEISMANN ist der einzige Untersucher, welcher die Frage zu be- antworten versucht hat, wie aus der jungen Puppe der Kopf hervor- wächst. Die Form und Lage derjenigen Theile, aus welchen der Kopf sich entwickeln wird, der Augen- und Stirnscheiben, sind an den ver- schiedenen Larvenstadien sehr genau von ihm erforscht worden *); ich will von seinen Resultaten nur dies in Erinnerung bringen, dass beide vom Hirn, mit welchem die Augenscheiben durch je einen Stiel in 1) Für die Hypodermis des Abdomens war dies ja von allen früheren Untersuchern bis auf VrALLANES angenommen worden, worüber unten des weiteren zu berichten sein wird. 2) L c. p. 166 unten, Fig. 38—40. 3) L c. p. 157 fig. 42 Dr. J. van REES, Verbindung stehen, bis an den Schlund reichen ; dass die Augenscheibe sich in der erwachsenen Larve wie ein Pilzhut über die vordere Seite der Hemisphäre erstreckt, ohne an dieser Stelle mit ihr verwachsen zu sein; während die Stirnscheibe, in welche die erstere sich un- mittelbar und unter Bildung von Falten fortsetzt, mehr eine Röhren-, später Kegelform besitzt, sich nach vorne zuspitzt und „durch Aus- stülpung einen Anhang aus sich hervorgehen lässt“, die Antenne, deren „Bildungsmodus im Wesentlichen mit dem der Beine genau zusammen- fällt“. Dies Alles trifft vollkommen zu, wie viele andere hier nicht zu erwähnende Einzelheiten, worüber an der angegebenen Stelle nach- zuschlagen ist. Um nun zur Bildung des künftigen Kopfes zu gelangen, sollten die bis dahin völlig getrennten Stirnscheiben mittelst ihrer medianen Ränder in der Mittellinie mit einander verwachsen, während auch die Augenscheiben auf der Rückseite desgleichen thun, wodurch also eine einzige, faltige, weite Blase entsteht, die Kopfblase, deren Scheitel aus den nach vorn gerichteten Spitzen der Stirnscheiben hervor- geht, und deren ventraler Wandung die Antennen angehören. Diese Kopfblase wird nun später als Kopf aus dem Thorax geschoben werden, „um mit seinen hinteren Rändern auch sogleich mit jenem (nämlich dem Thorax) zu verwachsen“. Auf dieses letztere kommen wir bald ausführlicher zu sprechen. GANIN hat nach seiner Entdeckung des Mesoderms in den Imaginal- anlagen für die Kopfscheiben eine vollkommen identische Zusammen- setzung wie bei den Thoraxscheiben angenommen, und VIALLANES ist ihm auf diesem Irrwege, wenigstens theilweise, gefolgt. Es hat dies nur dazu geführt, dass Letzterer zu einer absolut unrichtigen Auf- fassung der Augenscheiben gelangt ist, wie dies in seiner Fig. 5 Pl. 15 an den Tag tritt; ich kann mir diese nach seinem Studium an Quer- schnitten kaum erklären, es müssten denn die Schnitte sehr unvoll- kommen und zerrissen ausgefallen sein. Man wird mir hierin bei- pflichten, sobald ich die Figuren 8 und 9 werde besprochen haben, welche uns zeigen werden, wie einfach die Verhältnisse sich an einem (Querschnitt durch die Kopfscheiben darstellen. Vorher muss ich noch kurz auf das Bild hinweisen, welches wir in Fig. 3 sehen, wo bei der erwachsenen Larve die Augenscheibe und Stirnscheibe sammt Antenne sich in ihrem Zusammenhange zeigen. Von ersterer ist eine Falte derart getroffen, dass sie in diesem Schnitt mit dem Haupttheil der Scheibe nicht mehr in Verbindung steht. Das verdickte Epithel der Scheibe ist das künftige Augenepithel. Die An- tenne ist nicht durch ihre Achse getroffen, sondern der Schnitt geht Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 43 lediglich durch das gleichfalls sehr dicke Epithel. In dieser Figur reicht die Stirnblase nicht weit nach vorne, dagegen sieht man in Fig. 1 ihren schon erwähnten Zusammenhang mit dem Schlunde; die sehr schmale Stelle zwischen oberer und mittlerer Partie der Stirn- scheibe rührt von der seitlichen Verschiebung dieses Theiles durch den breiten Halstheil des Saugmagens (Sm) her, der links an den beiden Stirnscheiben vorbeigeht. Das Lumen dieser Stelle ist im nächsten Schnitte gelegen. Nur an der allervordersten Spitze, wo die Stirnscheiben den Schlund berühren, stehen die beiden auch mit einander in Verbindung, wobei indessen, soviel ich wenigstens habe ermitteln können, weder ihre beiden Lumina unter einander, noch auch diese mit dem Schlundlumen in offener Communication stehen. Das- selbe gilt auch von dem Verhalten in der halb erwachsenen Larve, bei welcher Augen- und Stirnscheiben schon recht characteristisch hervor- treten. Nicht ohne Interesse scheint mir die Thatsache, dass bei dieser jungen Larve der Saugmagen nicht links, sondern rechts von den - beiden Hirnanhängen vorbeiläuft. Diese Lage muss also rein zufällig sein, nur deutet dieses auf eine frühzeitige Anlage dieser Hirnanhänge sammt „Augenstielen“, d. h. also derjenigen Theile, welche das Hirn mit dem Schlund in Verbindung bringen. Beim Auswachsen aus dem Oesophagus findet der Saugmagen sodann seinen Weg beliebig rechts oder links von diesem doppelten Verbindungsstrang. Betrachten wir nun eine Schnittserie durch eine Puppe von 4 bis 6 Stunden, so sehen wir eine weite Communication hergestellt zwischen dem Vorderende der Stirnscheiben mit dem Hinterende je einer der beiden Schlundspalten, so dass man jetzt vom vorderen unpaaren Theil des Schlundes aus in zwei lange Säcke gelangt, welche in ihrem vorderen Abschnitte von je einem der beiden hinteren Zacken des . Hakenapparates eingenommen werden, und genau bis so weit dem Schlund angehören, deren hinterer Theil von den sich allmählich dorso- ventral verbreiternden Hirnanhängen gebildet wird. Für diese letzteren werde ich künftig einfach den Namen Augenblase gebrauchen, der also jetzt die in keiner Weise mehr zu trennende Stirnscheibe und Augen- scheibe zusammen umfasst. Noch anders gestaltet sich die Sache in dem nächsten Puppen- stadium (etwa 8 bis 12 Stunden). Hier reicht der unpaare Abschnitt des Schlundes ganz bedeutend weiter nach hinten, und zwar in dem Maasse, dass nur noch die hinteren Abschnitte der Augenblasen von einander getrennt sind, während davor diese Blasen sammt dem Schlund über die ganze Breite zusammenhängen. Die Grenze zwischen Schlund- 44 Dr. J. van REES, wand und Augenblasenwand ist hier an der Rückseite noch genau wie in der Larve durch die beiden Spitzen der Hakenzacken angedeutet. Man vergleiche hiermit die Figuren VII und IX unten. Auch im nächsten Stadium, von der Mitte des ersten Tages (Fig. 5 bis 7), sind die hintersten Theile der Augenblasen noch seitlich ge- trennt (siehe Fig. 9); erst kurz bevor der Kopf hervortritt, sind auch diese Vertiefungen verschwunden, und kann in dieser Beziehung nur noch von einer einzigen, wenn auch dorso-ventral gefalteten Blase, der Kopf- blase, gesprochen werden. Diese Kopfblase lässt sich nun in Fig. 8, welche von eh: RN N K einer Puppe von der Mitte des zweiten Tages stammt, #7 eichtim Querschnitt über- blicken, und sie ist nichts Anderes als die Kopf- wand, die sich bloss nach aussen umzustülpen ‚|@Öd braucht, um den Kopf selbst äusserlich darzu- stellen. Dies müssen wir nun zunächst klarlegen. Fig. 8 stellt den gan- Fig. VII. zen inneren Theil eines Querschnittes dar, wie Fig. VII. Sagittaler Längsschnitt durch die Mitte olai einer Puppe von der Mitte des 2. Tages. Kopf noch an durch Vergleichung nicht ausgestiilpt. Von der Augenblase, sowie vom mit den entsprechenden eee opticum ist einer der lateralen Schnitte in Theilen in Fig. 6 und 7 ie Figur eingetragen, um den Augenstiel einzeichnen sae zu können. Abdomen durch eine Punktlinie, Thorax sehen kann, auf die ich durch eine feinere, Kopfepithel durch eine gröbere zur leichteren Orientirung Linie angedeutet. B verweise. Rechts und links erstrecken sich die etwas abgeflachten, faltigen Augenblasen, welche nach der Mitte zu durch eine ziemlich enge Spalte mit dem Schlund in Verbindung stehen. Letzterer zeigt sich auf dem Querschnitt halb- mondförmig und ist durch die in ihm befindlichen Hakenzacken er- kennbar. Mehr nach vorn in der Puppe (siehe auch Fig. 6 und 7), namentlich aber nach hinten zu, ist die Verbindung mit dem Schlund sehr viel breiter, so dass dort die verschiedenen Abschnitte der Kopf- ||) in | | Hi i N | | | i) jh ih | M v Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 45 blase nicht so in die Augen fallen. Unten in der Mitte der Figur befindet sich der Oesophagus (Oes), hier vollständig vom Schlunde getrennt; doch nur 5 Schnitte mehr nach vorn findet man beide mit ihren in unserer Figur sich am meisten nähernden Seitentheilen com- municiren. Der in dieser Figur im Centrum zwischen beiden gelegene, aus Muskeln bestehende Theil bildet nach vorn einen Zapfen, der durch mehrere Schnitte hindurch als eine Insel mitten in dem Schlund liegt. — Auch der Oesophagus zeigt Chitintheile in sei- nem Lumen. Das Ganze ist umgeben von zerfallenden Muskélmassen , und Körnchenkugeln so- wie Leucocyten und einigen zerstreuten imaginalen Meso- dermzellen. Zu äus- serst findet man rechts und links einen Querschnitt durch die zwei Hauptstämme des Tracheensystems, während kleinere Tracheen oben und Fig. VILL. im Innern zu sehen Fig. VIII. Sagittaler (etwas schräger) combinirter Längs- sind. schnitt theilweise durch die Mitte einer Puppe vom Ende des . 2. Tages. Kopf ausgestülpt. Eingetragen ist der Oesophagus Betrachten wir (0es) mit Ausnahme des vorderen Theiles, sowie der Chylusmagen : und der Bauchstrang. Die Zeichen + und >< deuten wie in nun die Wand der Fig. VII die Grenze von Thorax und Kopf an. d. s. einer der Augenblasen etwas Speichelgänge, deren Drüsen zerfallen sind. Hk Hakenapparat. näher, so zeigt sich 7?” Pupphaut. an vier Stellen eine bedeutende Verdickung, nämlich da, wo der Schnitt durch die Anlage der Augen oder durch die der Antenne gegangen ist. Erstere (Auep) ist in ihrem vordersten Theil getroffen, der hier nur geringe Ausdehnung besitzt. In mehreren Reihen liegen die Kerne mit grosser Regelmässigkeit über einander, namentlich in der rechten Augenanlage. Weniger regelmässig zeigt sich dagegen das Epithel der Antennen, was von der schiefen Richtung herrühren mag, in welcher 46 Dr. J. van REES, diese getroffen sind. Das Epithel der Wand neben diesen Anlagen ist nur von einer Reihe von Zellen gebildet, und wo es anders zu sein scheint, haben wir es gleichfalls mit einem Schnitt schräg zur Ober- fläche zu thun. Das Epithel des Schlundabschnittes zeigt ebenfalls eine Zusammen- setzung aus jungen, kleinen Zellen. Bei dem Oesophagus jedoch ist dies nur stellenweise der Fall, nämlich an den beiden Seiten, also an den Stellen, wo, wie wir oben sahen, in vorher- gehenden Schnitten die Verbindung mit der klein- zelligen Schlundwand vor- lag. Vorn und hinten sind die Zellen und Kerne sehr beträchtlich grösser: wir haben es dort noch mit den alten Larvenzellen zu thun; es kommen jedoch auch Uebergangsstufen zwischen den beiden vor, und obschon ich an dieser Stelle keine einzige Kern- INN] theilungsfigur aufgefun- II] | den habe, so bin ich den- | Kb | Die x +: vy PEF a FERTIG al J ig | — noch überzeugt, dass die grossen Zellen hier durch Theilung in die kleineren Fig. IX. übergehen. Bei der Be- sprechung des Darmcanals Fig. IX. Idealer frontaler Längsschnitt durch die muss ich auf diesen Punkt reconstruirte Puppe der Fig. III und IV. Dorsale An- sicht (Kopf noch nicht ausgestülpt). Eingetragen wurden specieller die Aufmerk- das centrale Nervensystem und die Augenstiele. Die sqmkeit lenken. Kopfblase in ihrer grössten Breite wiedergegeben. Fl Flügel, H Schwinger (nur links getroffen). Neben der rechten Augenanlage (Auep) liegt der Schrägschnitt durch einen nervösen Theil (pNpl), WEISMANN’S Augenstiel, die nervöse Verbindung der Augenanlage mit dem Hirn. An dieser Stelle sind die beiden nicht mit Sicherheit mit einander in Verbindung zu sehen, verfolgen wir aber die Schnittserie mehr nach hinten, so ändert sich das Bild bedeutend: die Augenanlage und mit ihr die nervöse Ausbreitung gewinnen mehr und mehr an Breite, bis uy N il || | | || il INN I) I | | III | ||| I || || | Il) | he | = N Il | juil (EL) || I IN i I) i} 1 | Beiträge zur Kenntnig der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 47 der ganze Querschnitt jeder Augenblase bis auf das kleine mittlere Stückchen, welches dem tiefsten Rückentheil des Schlundes angehört, aus lauter Augenepithel besteht, während die nervöse Ausbreitung sich von der Stelle, die sie in der Fig. 8 einnimmt, um die Seitenwand bis genau so weit erstreckt, wie das Augenepithel selbst reicht. Dabei zeigt diese Ausbreitung durchweg denselben Character wie in Fig. 8, so dass sie sich wie der Schnitt durch eine ziemlich zarte, kleine Kerne besitzende und das imaginale Epithel von aussen vollkommen ein- hüllende Membran dar- stellt. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass VIALLANES ein sol- ches Bild, jedoch aus einem in der Mitte be- schädigten Schnitt, vor sich gehabt hat, als er seine Fig. 5, Pl. 15 zeich- nete und beschrieb. Bis auf die grössere Zartheit der scheinbaren Membran und ihren directen Ueber- J gang an den Rändern in das Augenepithel selbst, welche unschwer vorge- täuscht gewesen sein kön- Fig. X. Ideale, dorsale Ansicht des centralen . 5 = Nervensystem und der Augenstiele einer Puppe vom Dun ist solch ein Bild Ende des 2. Tages. Vergl. Fig. VIII. Kopf ausgestülpt. Fig. X. seiner Zeichnung ausser- ordentlich ähnlich. Auch in meiner Schnittserie sind einige Schnitte an dieser Stelle in geringem Grade zerrissen, und ich kann mir sehr gut denken, wie man, wenn man einmal an der völligen Identität der Kopfscheiben mit den Thoraxscheiben, namentlich in Bezug auf die „provisorische“ Membran, festhält, die betreffenden Bilder so auffassen kann, wie dies in VIALLANES’ erwähnter Figur zur Darstellung gelangt ist. Dass seine Auffassung jedoch unrichtig ist, dies ist sofort aus VIALLANES’ Schilderung und Abbildung des Mesoderms zu folgern. Denn während er dies Mesoderm, in das er den nervösen Augenstiel übergehen lässt, nach seiner Auffassung selbstverständlich von der inneren Seite der Imaginalscheibe an diese muss herantreten lassen 48 Dr. J. van REES, und es in der That auch so abbildet, breitet thatsächlich, wie wir gesehen haben, dieser nervöse Augenstiel sich von aussen über das imaginale Epithel aus, während im Innern nur der seröse Inhalt der Augenblase anzutreffen ist. - Um dies überzeugend darzuthun, möchte ich die Aufmerksamkeit auf Fig. 9 lenken, in welcher ein Theil eines Schnittes aus derselben Puppe, welcher Fig. 5 bis 7 angehören, abgebildet ist, und welche ausser der einen Augenblase in ihrem hinteren, noch sackartig isolirten Abschnitt auch einen Theil des Ganglion opticum nebst der Verbindung beider durch den schon erwähnten Augenstiel darstellt. Zur Orien- tirung an dem Bilde diene Folgendes. Ausser durch die schon ge- nannten Organe sieht man den Schnitt durch das obere und das untere Schlundganglion geführt (gso und gio), ersteres mit schönen grossen Ganglienzellen ; daneben liegt der Oesophagus, durch zerfallende Muskel- massen vom Herzen getrennt, welches letztere gerade auf der Höhe einer Klappe getroffen ist. Oben und rechts befinden sich einige Fett- zellen, während zwischen und neben diesen sich die Querschnitte durch zwei Imaginalscheiben befinden: oben durch die Scheibe des Flügels, dessen äusserste Spitze gerade getroffen wurde, mitten in dem peri- podalen Raum gelegen, dessen Membran sich innig an die umgebenden Theile anschmiegt, ohne indessen ihre Selbständigkeit zu verlieren; unten durch die Scheibe des dritten Beines, und zwar gleichfalls einer von dessen letzten Querschnitten. (Daneben liegt im Präparat noch der, der Raumersparniss wegen nicht mitgezeichnete Längsschnitt durch den Schwinger.) Endlich sieht man unten zwischen Bein und unterem Schlundganglion noch ein Stück von einer der Speichelröhren. In dieser Figur sehen wir nun die oben besprochene nervöse Aus- breitung in grosser Ausdehnung sich an dem Augenepithel entlang erstrecken. Obschon nur in geringem Maasse und in der Zeichnung auch kaum angedeutet, sieht man doch an mehreren Stellen feinste Fäserchen von der Ausbreitung auf das Epithel herübergehen, so dass ich nach einigem Schwanken jetzt überzeugt bin, dass Nerv und Epithel hier in der ganzen Länge mit einander in Verbindung stehen. Da dasselbe Bild sich auf einer grossen Anzahl von Schnitten mit geringen Abänderungen wiederholt, erkennt man, dass die nervöse Bildung eine in einer krummen Fläche ausgebreitete Membran darstellt, welche centralwärts mittels eines breiten nervösen Bandes dem Ganglion opticum entspringt. In beiden Theilen der nervösen Bildung erkennt man leicht die feine Streifung und die kleinen Kerne, spärlich von grösseren begleitet, wie man dies an dem peripheren Nervensystem Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 49 gewohnt ist. Ich möchte weiterhin die alte Bezeichnung Augenstiel nur für den bandartigen Theil, für den mit dem Epithel in directer Verbindung stehenden dagegen den Namen „peripherer Nervenplexus“ gebrauchen. Auch über das Epithel der Augenblase selbst werden wir in diesem Schnitt eines weiteren belehrt; es besteht in seinem ganzen Umfang bis auf den linken Theil aus Augenepithel. Man erkennt hier un- schwer, dass diejenigen Theile dieses Epithels, welche sich zu den spe- cifischen empfindenden Elementen, den Ommatidia, entwickeln werden, wie man nach der Lage des Nervenplexus jetzt auch erwarten sollte, nach innen liegen; man sieht da nämlich grössere Kerne, und zwar regelmässiger in Reihe und Glied geordnet, als nach aussen. Das, was in der Zeichnung als grössere Kerne wiedergegeben ist, entspricht bei stärkerer Vergrösserung zwei hart an einander gelagerten, länglichen Kernen, welche sich bei der für die Zeichnung benutzten schwächeren Vergrösserung nicht auflösen. In einigen dafür günstigeren dem jetzt besprochenen Bilde entsprechenden Schnitten der älteren Puppe, welcher die Fig. 8 angehört, lässt sich schon eine noch grössere Zahl der je zu einer bestimmten Einheit gehörenden Kerne erkennen, welche sich indessen bei schwacher Vergrösserung und nicht vollkommen gelungener Differenzirung als ein grösseres Element darstellen, als welches VIALLANES sie auch beschrieben und abgebildet hat‘). Diese Zusammensetzung ist übrigens schon von WEISMANN beschrieben worden. Hat man nun bis so weit die Entwicklung der Augenblasen ver- folgt, d. h. bis zur Ausbildung der einheitlichen, noch im Innern des Körpers gelegenen Kopfblase, so findet man im nächsten Stadium plötzlich den Kopf vollständig fertig vor dem Thorax, der zuvor die Puppe nach vorn abgeschlossen hatte, und von diesem sogleich durch einen ringförmigen Einschnitt scharf getrennt, während vom Schlund sowie dessen Nachbartheilen im Körper keine Spur mehr vorhanden ist und der Oesophagus mit starker Biegung in dem proximalen Ab- schnitt nach hinten und unten zurückgebogen ist. Es hat sich also, wie schon oben gesagt, die ganze Kopfblase als solche einfach nach aussen umgestülpt und sich dabei vor den Thorax gelegt, während die frühere Ausmündung des Schlundes zum Hals geworden ist, durch welchen Kopf und Thorax verbunden sind; oder vielmehr dies Alles ist durch Druck von innen zu Stande gekommen. Es kann über diesen Vorgang nach der obigen Schilderung wohl kein Zweifel mehr 11.0 Pl". 15, Big. 4) wad: 9. Zool, Jahrb, III. Abth. f. Morph, 4 50 Dr. J. van REES, aufkommen, um so weniger, als schon WEISMANN einmal eine Puppe bei der Ausstülpung des Kopfes so zu sagen ertappt hat. Ich gebe der Wichtigkeit halber eine kurze Schilderung seiner Beobachtung. Die ausgeschälte kopflose Puppe war während einer halben Stunde dem geringen Druck des Deckglases ausgesetzt gewesen, als WEISMANN den Kopf an dem inzwischen abgestorbenen Thiere zur Hälfte hervor- getreten sah, und es glückte ihm, zwar nicht ohne Zerreissung der Gewebe, durch weiteren Druck den Kopf ganz herauszupressen. „Ich glaube“, sagt WEISMANN, „dass sich die Natur des- selben Mittels bedient, welches hier im Experi- ment angewandt wurde: des Druckes, und zwar scheinen es mir die Mus- keln des Hinterleibs zu sein, welche diesen Druck hervorbringen.“ Weıs- MANN fand nämlich das Abdomen vor der Kopf- bildung bedeutend länger als hernach, während durch dessen Verkürzung Fig. XL und entsprechendes Zu- rückweichen des Thorax ; Fig. XI. Sagittaler Längsschnitt durch die Mitte der Raum frei wird, der einer Puppe von der Mitte des 2. Tages. Kopf noch à nicht ausgestülpt. Von der Augenblase, sowie vom für das Hervortreten des Gangl. opticum ist einer der lateralen Sehnitte in Kopfes nöthig ist. „Es die Figur eingetragen, um den Augenstiel einzeichnen : 3 zu können. Abdomen durch eine Punktlinie, Thorax ist also die Zusammen- durch eine feinere, Kopfepithel durch eine gröbere ziehung der Bauchmus- TE keln, welche das Volumen des hinteren Körperabschnittes verringert, den zum grössten Theil verflüssigten Inhalt der Leibeshöhle vorwärtstreibt und dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach auch den Kopf aus dem Innern des Thorax hinausdrängt. Ich brauche dieser Darstellung nichts hinzuzufügen, nur will ich betonen, dass aus diesem Citat zur Genüge erhellt, dass WEISMANN, obschon er mit seinen einfachen Methoden über das We- sentliche bei der Bildung der Kopfblase nicht ins Klare kommen Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 51 konnte, doch die Mechanik der Ausstülpung vollkommen richtig er- kannt hat. Um nun diesen wichtigen Act noch etwas näher kennen zu lernen, habe ich in Fig. 10 den Theil eines Schnittes durch den fertigen Kopf abgebildet, den ich so gewählt habe, dass wir so viel wie möglich die entsprechenden Theile wieder finden, die wir in Fig. 8 getroffen haben. Es war dies dadurch zu erreichen, dass die jetzt zu be- sprechende Figur nach einem Längs- schnitt angefertigt wurde, in welchem, wie im vorigen Sta- dium im Quer- schnitt, Augenepi- thel und Ganglion opticum in derselben Fläche anzutreffen waren. Wir sehen also diese Beiden, Ersteres diesmal an derOberfläche, Letz- teres in geringer Entfernung davon, also bedeutend durch den Act nach vorne gezogen; Beide ver- bindend zieht sich der Augenstiel schräg durch die Figur; nach aussen geht derselbe in den peripheren Plexus Fig. XI. Fig. XII. Sagittaler (etwas schräger) combinirter Längs- schnitt theilweise durch die Mitte einer Puppe vom Ende des 2. Tages. Kopf ausgestülpt. Eingetragen ist der Oesophagus (Oes) mit Ausnahme des vorderen Theiles, sowie der Chylusmagen und der Bauchstrang. Die Zeichen + und >< deuten wie in Fig. XI die Grenze von Thorax und Kopf an. ds. einer der Speichelgänge, deren Drüsen zerfallen sind. Hk Hakenapparat. Pph Puppenhaut. Md Mitteldarm = Chylusmagen. über, der sich hier deutlicher als im vorigen Stadium mittels feiner Fäserchen mit dem Epithel in Verbindung setzt. Zwischen diesen Fasern sieht man sowohl einzelne freie Leucocyten als auch in verschiedenem Grade mit Fremd- kürpern angefüllte Körnchenkugeln liegen ; dass sie hier dazu dienen, durch Abgabe ihrer Verdauungsproducte oder gar durch ihren Zerfall zur raschen Ernährung des nun bald kräftig sich vergrössernden 4* 59 Dr. J. van REES, Augenepithels mitzuwirken, unterliegt keinem Zweifel; wir werden dieser Erscheinung weiterhin öfters begegnen. Man sieht ferner an der Figur, dass der Kopf in Ermangelung anderer Organe prall angefüllt ist mit Fettzellen und Körnchenkugeln. Es zeigt sich also durch die Schnittmethode, dass die Fettzellen nicht so rasch zu Grunde gehen, als man früher glaubte, und dass eine srössere Zahl, als man meinte, ihre Selbständigkeit noch lange erhält, wenn sie auch bei der Präparation des lebenden Gewebes leicht in Fett- kügelchen auseinander- fallen mögen, wie Weis- MANN dies immer be- obachtete. Die Figur giebt | von der scheinbaren Ord- FI- | | | II) nungslosigkeit dieser Ge- | bilde, sowie von ihrer mannigfaltigen Beschaf- fenheit ein getreues Ab- bild. Schliesslich sieht man in ihr deutlicher als in Fig. 9 den Ursprung des Augenstieles aus dem Ganglion opticum; man kann Ersteren als eine anfänglich breiter wer- dende Fibrillenmasse ver- Fig. XII. folgen, die alsbald in einen kernreichen Abschnitt Fig. XIII. Idealer frontaler Langsschnitt durch die übergeht, welcher seiner- reconstruirte Puppe der Fig. III und IV. Ventrale An- Q : E : sicht (Kopf noch nicht ausgestülpt). Eingetragen wurden seits unter deı epithel- das centrale Nervensystem und die Augenstiele. Die artigen Rinne des Gan- Kopfblase in ihrer grössten Breite wiedergegeben. FU %„. . : Flügel, H Schwinger (nur links getroffen). glion opticum verschwin- det. Auf diese Verhält- nisse werde ich in dem Kapitel über das Nervensystem ausführlicher zurückkommen. Es bleibt jetzt noch kurz das Augenepithel zu erwähnen; wir sehen dessen Grenzen nach oben und unten scharf gezogen, nicht nur an der Verschiedenheit seiner Mächtigkeit, sondern auch an der- jenigen des Baues selbst. Die je zusammen ein Ommatidium bildenden ef " N Nn SG ae Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 53 Zellen sind jetzt noch inniger mit einander verbunden und von der Umgebung abgehoben, doch erkennt man mit starken Linsen, wenn auch schwierig, ihre Zusammensetzung aus mehreren Elementen; ich habe ihnen den Ton gegeben, welchen sie in dem tingirten Präparate mit den mittleren Vergrösserungen zeigen, und nur an einer einzigen die kleinen Kerne, welche sie aufweisen, hineingezeichnet. Die Kerne der tieferen Schicht, welche zu dem umhüllenden Elemente der Omma- tidien werden, sind deut- licher von einander zu unterscheiden. Um die genaue Lage des Augenepithels in die- sem Schnitt der übrigen Kopfwand gegenüber so- wie diejenige des Ganglion opticum zu verdeutlichen, habe ich in der Fig. 11 bei geringerer Vergrösse- rung den ganzen vorderen Theil dieses Schnittes skizzirt, wodurch zu gleicher Zeit das Verhält- niss von Kopf und Thorax zu einander wiedergegeben wird. Weil der Schnitt neben der Medianebene verläuft, sind ferner eine Fig. XIV. Ideale, dorsale Ansicht des centralen der beiden Antennen, so- Nervensystems und der Augenstiele einer Puppe vom = R Ende des 2. Tages. Vergl. Fig. VIII. Kopf ausgestülpt. wie auch von den Beinen È al BE sun, die Anfangsstücke zu erkennen. (Vergl. ferner Holzschnitt Fig. XII). Vergleichen wir jetzt noch einmal Fig. 9 und 10 mit einander, so sehen wir, wie während der Umstülpung des Kopfes der Augenstiel sich von dem Ganglion opticum wie abgewunden hat‘), was schon WEISMANN bekannt war. Es geht dies jedoch ohne Zerreissungen dieser Theile vor sich; dass auch die anderen peripheren Nerven, Fig. XIV. 1) In der holländischen Mittheilung vom Jahre 1885 ist durch ein Versehen anstatt „von dem Gangl. opticum“ ‚von der Augenblase“ ge- druckt worden. Uebrigens ist die ganze Schilderung dort ähnlich wie hier, wenn auch viel kürzer, 54 Dr. J. van REES, wenigstens zum grössten Theil, dabei unverletzt bleiben, werden wir später sehen; nur will ich hier noch bemerken, dass ein Organ bei der Kopfbildung vollständig zerrissen wird, nämlich die Speicheldrüsen. Die Schilderung hiervon, sowie die der verschiedenen Vorgänge, welche die Ausbildung der Schlundwand zur Kopfhaut begleiten, werden wir in einem der späteren Capitel finden. Es sei mir gestattet, am Ende dieses Capitels noch die Bedeutung kurz zu besprechen, welche die mitgetheilten Resultate der Unter- suchung für die Frage nach dem Ursprung der Kopfscheiben besitzen. Nun wir gesehen haben, dass während der ersten Tage der Puppen- entwicklung Schlund und Augenblasen, welche bis dahin nur mit einander in directer Verbindung waren, nunmehr in die innigsten Beziehungen zu einander treten, welche sich namentlich in der stets wachsenden Communication ihrer beiden Höhlungen äussern und welche zu der gemeinsamen Bildung des Kopfes führen, kann der Gedanke nicht fern bleiben, dass die Augenblasen überhaupt zum Schlunde in genetischer >eziehung gestanden haben, ja dass sie aus demselben hervorgegangen sind. Es findet dies eine bedeutende Stütze in einer Beobachtung, welche WEISMANN bei seiner Untersuchung über die embryonale Ent- wicklung der Fliege gemacht hat. Er fand nämlich, dass zwei Körper- segmente, welche noch vor dem Kopfsegment selbst gelegen sind, und die er Vorderkopf und Mandibularsegment genannt hat, sich später einstülpen, um sodann sich zum Schlundkopf weiter umzugestalten '). Es kommt mir danach nun sehr wahrscheinlich vor, dass die Anlagen der Augenblasen aus einer Umwandlung dieses am tiefsten in den Körper versenkten Vorderkopfes entstanden sind. Jedenfalls aber stammen sie von Theilen ab, die früher zur Hypodermis gehörten, und somit kann die Bildung des Kopfes der Imago durch Ausstülpung der inzwischen ausgebildeten Theile nichts überraschendes haben. C. Bildung des Abdomens und Zerfall der larvalen Hypodermis. Wenn bald nach einander Thorax und Kopf der Puppe vollständig zur Entfaltung gelangt sind und sich bereits auf dem Wege befinden, theils durch Verdrängung der in der Thoraxwand noch zurückgebliebenen Larventheile, theils durch Vergrösserung und Vermehrung der Elemente 2) 1. «9.2605 Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 55 sowie durch Auswachsen der gesammten Theile sich zu Thorax und Kopf der Imago umzugestalten, so haben sich in der Wand des Ab- domens noch keine bedeutenden Processe kundgethan, und seine Hypo- dermis zeigt, abgesehen von einigen sehr geringen bald zu besprechenden Aenderungen, vollkommen denselben Character wie diejenige der reifen Larve. Es besteht also die Puppe in diesem Zeitpunkt äusserlich in ihren drei Hauptabschnitten aus sehr ungleich weit vorgerückten Theilen, indem der Thorax und bald auch der Kopf nur imaginales, klein- zelliges Epithel aufweist, das Abdomen dagegen noch vollständig die larvale Zusammensetzung behalten hat. Damit soll indessen nicht ge- sagt sein, dass die abdominale Hypodermis zu dieser Periode gar keine Spuren imaginalen Gewebes enthält, denn in der That sind solche da, wie dies zuerst von GANIN !) beschrieben wurde; sie stellten nach ihm für jedes der acht Segmente je vier kleinzellige Inselchen dar, welche als die Ausgangspunkte der Hypodermis-Umwandlung am Ende des zweiten Tages seitlich in der Puppe angetroffen wurden, und zwar je zwei in jeder Segmenthälfte. Für das letzte Segment muss jedoch von dieser Regel nach KünckeL p’HERCULAIS’ ?) Entdeckung der zwei Paar imaginalen Genitalanlagen, welche eine eigene Lage haben, eine Ausnahme gemacht werden. Auch von VIALLANES 3) sind sie beobachtet und als embryonale Verdickungen des Epithels beschrieben worden; sie wurden von ihm als Imaginalscheiben des Abdomens bezeichnet. Dass man sie schon bei der reifen Larve vorfindet, hat auch dieser Forscher nicht erwähnt; ich sah sie dort indessen sehr deutlich aus- geprägt als gewölbt hervorragende, aus sehr vielen winzigen Epithel- zellen aufgebaute Gebilde, welche manchmal die grossen Hypodermis- zellen der Umgebung kaum an Länge übertrafen. Meist waren ein oder mehrere nicht ganz so grosse Hypodermiszellen seitlich an die Inseln angelagert, doch immer an der Innenseite, nie zwischen den Inseln und dem Chitin; ein allmählicher Uebergang zwischen beiden Zellarten, wie VIALLANES diesen beschreibt +), wobei die äussersten Zellen der Inseln weiter auseinander und in dem Protoplasma der Nachbarzellen eingebettet sein sollten, habe ich nie beobachten können ; im Gegentheil sah ich stets eine vollkommen scharfe Grenze zwischen den beiden Epithelarten. Ausser den vier schon beschriebenen ima- be NDS 2) Siehe VIALLAN=s, |, c., p. 201. a) ip 1217. 4) 15.45 p. 219. 56 Dr. J. van REES, ginalen Inseln habe ich übrigens noch zwei andere in jedem Segment angetroffen, welche jedoch bedeutend kleiner sind; sie gehören, wie zwei der grösseren Inseln, der Rückenwand an und liegen hart hinter jenen, durch wenige grössere Hypodermiszellen von ihnen getrennt. Die genaue Lage der vier grossen Inseln ist medianwärts von den Stellen, wo der vorderste und längste der seitlich gelegenen dorso- ventralen Muskeln sich an das Integument inserirt; die kleineren liegen unmittelbar hinter dieser Insertion auf dem Rücken, vom mittleren dorsoventralen Seitenmuskel (welcher auf halber Länge auch an der Haut befestigt ist) überdeckt. Ob hinsichtlich dieser zwei noch nicht beobachteten Inselchen individuelle Unterschiede vorliegen, kann ich nicht entscheiden, doch habe ich sie im Anfang der Verpuppung stets angetroffen. Später schienen sie sich bei der Verflachung und Ausbreitung der Inseln mit den davor gelegenen vereinigt zu haben, doch habe ich dies nicht bestimmt feststellen können. Wie nun die imaginale Hypodermis der thoracalen Imaginalscheiben bei der Bildung des Thorax die Rolle der Larvenhypodermis über- nimmt, indem sie sich rasch entwickelt und sich dabei über die ganze Oberfläche des Körpers ausdehnt, so stellen auch die abdominalen Epithelkeime die Anlagen zur Neubildung der ganzen Hypodermis des Abdomens dar, und mit vollem Recht kann man mit VIALLANES die 4 (resp. 6) Inseln jedes abdominalen Segmentes als die Analoga der 4 Imaginalscheiben der Thoraxsegmente betrachten, von denen sie sich wesentlich nur durch den Mangel der Extremitäten und den dadurch bedingten Bau unterscheiden. Es zeigt sich diese Analogie noch besonders deutlich in der Art und Weise, wie aus den imaginalen Anlagen die neue Hypodermis zu Stande kommt, und welche für das Abdomen im Wesen genau die- selbe ist wie für den Thorax, wie ich dies jetzt mit Bestimmtheit zu behaupten wage. Bis jetzt liefen darüber die Meinungen nicht weniger auseinander als über so manchen andern Punkt. Während WEISMANN bloss von einer Umgestaltung der Hypodermis spricht, ohne sich über die histologischen Details weiter auszusprechen, meint GANIN in seinen Imaginalinseln die Stellen entdeckt zu haben, in welchen vor allen anderen eine Umbildung der larvalen Hypodermis in die imaginale vermittels Zelltheilung stattfindet, welcher Process alsdann von diesen vier Stellen aus sich über das ganze Segment ausbreitet; die neue Hypodermis des Abdomens sollte danach also keine Neubildung sein, wie diejenige des Thorax, sondern bloss eine Umbildung der alten. Dem ist nun VIALLANES mit der Behauptung entgegengetreten, dass Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 57 die neue Hypodermis bloss durch Wucherung der vier segmentalen Inseln zu Stande komme, während die grossen Hypodermiszellen des Abdomens sich nicht weiter theilen, sondern sämmtlich zu Grunde gehen. Er schildert diesen Process ausführlich, geht aber seinerseits zu weit, indem er den Untergang dieser Larvenhypodermis früher zu Stande kommen lässt, als es thatsächlich der Fall ist, nämlich zu einer Zeit, wo die Inseln noch nicht angefangen haben, sich zu vergrössern, so dass er gezwungen ist, den Abschluss fast der ganzen Oberfläche des Abdomens, in Ermanglung der durch ,,Abschuppung“ verloren ge- gangenen Hypodermiszellen, durch die kurz vorher von ihnen abge- schiedene zarte Cuticula zu Stande kommen zu lassen. Es beruht dies auf einem Irrthum, den ich mir als durch Bilder von ungenügend erhärteten Puppen entstanden sehr gut vorstellen kann. Es ist nämlich auch in meinen Präparaten die abdominale Hypodermis in diesem Stadium äusserst brüchig, namentlich zeigen sich die einzelnen Zellen sowohl auf Flächenansichten als ganz besonders im Längs- oder Querschnitt scharf von einander abgegrenzt, oft ziemlich weit von einander entfernt, was natürlich grösstentheils auf Rechnung der Härtungsmittel etc. zu setzen ist. Es mag dabei immerhin darauf hindeuten, dass die Zellen nicht mehr normal sind und die bald sich unzweideutig offenbarende Degeneration bereits angefangen hat. Wo nun die Schnitte nicht ganz tadellos gelungen sind, ereignet es sich mitunter, dass einige dieser nur locker mit den Nachbartheilen verbundenen Zellen einzeln oder zu mehreren fehlen, indem sie von dem Messer mitgenommen worden oder sonst wo im Schnitt verloren gegangen sind; dabei kann die festere Cuticula sehr wohl vollkommen intact an ihrer Stelle geblieben sein. Auf solche Bilder glaube ich VrALLANES’ Auffassung zurück- führen zu müssen. Das thatsächliche Verschwinden der alten Hypo- dermiszellen findet nämlich in einer ganz anderen Weise statt, und diesen interessanten Process, welcher, wie bemerkt, für Thorax und Abdomen identisch ist, wollen wir nun etwas näher ins Auge fassen. Von vornherein muss ich da als Resultat meiner Untersuchung den Satz aufstellen, dass zu keinem Zeitpunkt der Ent- wicklung zwischen alter und neuer Hypodermis eine Lücke oder ein Defect zu bemerkenist, dass also der Körper stets von einer vollkommen geschlossenen Hy- podermis bekleidet ist, indem der Zerfall der larvalen Theile derselben nicht rascher fortschreitet als das Wachsthum der imaginalen, sondern beide durchaus Hand in Hand gehen. Zweitens ist die That- sache hervorzuheben, dass an der Grenze der beiden Hypodermis- 58 Dr. J. van REES, Arten diese einigermaassen über einander greifen, - - wie dies an den meisten Stellen in geringem Grade und an einigen wenigen besonders deutlich zu beobachten ist — die imaginale Hypodermis immer ausser- halb, die larvale nach innen gelegen ist, was in öconomischer Hinsicht von Wichtigkeit ist. Es hält also die absterbende und bereits zum Zerfall hinneigende alte Hypodermis sich noch aufrecht , bis sie von der wachsenden und in kräftiger Lebensenergie stehenden neuen Hypo- dermis überwuchert ist und diese ihre schützende Rolle vollständig übernommen hat, um dann sofort oder doch sehr bald die deutlichsten Zeichen der Degeneration aufzuweisen und als zusammenhängende Schicht zu verschwinden. Da ich in dem Capitel über die Bildung des Thorax die Schil- derung in dem Moment abgebrochen habe, wo wir durch das Hervor- treten der Gliedmaassen den Puppenthorax gebildet sahen, ohne mich weiter über das Verhalten der zweierlei Epithelarten auszusprechen, weil dies wohl zur weiteren Entwicklungsgeschichte des Thorax, nicht aber zu dessen Bildungsgeschichte gehörte, so möge jetzt bei der Be- sprechung der Degeneration der Hypodermis zuerst des Thorax ge- dacht werden. So rasch die Entwicklung des imaginalen Epithels auch vor sich gehen mag, so habe ich es doch bei zwei Puppen in verschiedenen Stadien fixirt gefunden. Die erste ist eben die Puppe der Figuren 5—7, bei welcher der Antheil der Imaginalanlagen an der Hypodermis noch nicht besonders gross ist. Dem in Fig. 5 wiedergegebenen Schnitt sind die beiden Figuren 12 und 16 entnommen !), welche das Verhältniss der beiden Epithelarten zu illustriren geeignet sein dürften. In Fig. 12 ist ein Theil der Rückenhypodermis zu sehen, aus den beiden Zellarten aufgebaut. Das imaginale Epithel stammt von der verdickten Hypodermis der Flügelbasis, welche zum Theil mit ab- gebildet ist. Es erstreckt sich von dort gegen die Mitte des Rückens, ohne diese schon erreicht zu haben; wo es aufhört, findet sich die larvale Hypodermis als Fortsetzung. Die Stelle, wo beide zusammen- stossen, ist durch eine Verdickung angedeutet, welche dadurch ent- steht, dass das junge Epithel das alte überwuchert hat. Hier finden sich die beiden oben ausgesprochenen Sätze verwirklicht, indem sich nicht nur zeigt, wie diese Ueberwucherung äusserlich stattfindet, sondern auch, dass als deren unmittelbare Folge, aber auch keinen Moment früher, die Degeneration der grossen Zellen eintritt, welche sich zuerst 1) Siehe die Tafelerklärung. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 59 kundgiebt in einer Verkleinerung des Kernes und einer Zusammen- ballung der chromatischen Substanz desselben; manchmal erscheint auch die ganze Zelle bedeutend geschrumpft. Genau so wie hier.zeigt sich das Verhalten der alten Hypodermis dem überwuchernden jungen Epithel gegenüber an allen anderen be- treffenden Stellen. So pünktlich zeigt sich das erste Kennzeichen der eingetretenen Entartung, dass man den Eindruck bekommen muss, als stehe die unmittelbare Nähe des kräftig wachsenden Gewebes und namentlich der Einfluss der Stoffwechselproducte desselben damit in directem Zusammenhang, indem die durch sonstige Einflüsse (Unter- gang der Hautnerven sowie Verzerrungen verschiedener Art) bereits abgeschwächten Zellen jenem neuen Einfluss vollends unterliegen. Auch die Fig. 16 mag als Beleg für dieses momentane Auftreten der Dege- neration und zur Befestigung obiger Erklärung davon dienen. Sie giebt einen Theil der schmalen Körperzone, welche eine der Bein- anlagen von der Oberfläche trennt, auf dem Querschnitt wieder (vgl. Fig. 5 bei 1b); p. M. ist die peripodale Membran dieser Beinanlage, Hl. und Hi. die larvale und imaginale Hypodermis. Die erste noch normale grosse Hypodermiszelle ist diejenige, welche erst im nächsten Augenblicke von dem nach rechts vorschreitendem jungen Epithel überdeckt werden wird; die nächste grosse Zelle links zeigt mit der Ueberwucherung auch schon die eingetretene Degeneration. Noch mehr links ist sogar der Verband der alten Larvenzellen bereits gelockert, und sie sind im Begriff, einzeln den Leucocyten anheimzufallen. Dasselbe Verhältniss zeigt auch die Fig. 12. Dass im jungen Epithel ein kräftiger Stoffwechsel sich vollzieht, beweist, abgesehen von der rasch erfolgenden Ausdehnung über die ganze Oberfläche, auch noch das Verhalten desselben an dem vorwärts- rückenden Rand. In beiden hier gegebenen Figuren ist die Epithel- verdickung an diesem Rand nicht sehr stark; auch scheint der Umstand, dass die äussersten Zellen die seitlichen an Grösse überragen, darauf hinzudeuten, dass hier mehr ein durch seitlichen Nachschub bewirktes Fortkriechen der Epithelzellen über die Larvenhypodermis stattfindet, dass wenigstens die rascheste Zellvermehrung nicht am Rande selbst zu suchen ist. An einigen anderen Stellen indessen, namentlich an einer um weniges weiter entwickelten Puppe, wo nur noch am Rücken ein kleiner Rest der alten Thoraxhypodermis zu finden ist, zeigt sich dieses Wachsthum hart am Rande und in dem Grade, dass die äussersten Zellen dafür nicht rasch genug vorwärtsrücken können, sodann die mächtig verdickte Epithelmasse medial über die 60 Dr. J. van REES, Grenze wie herüberquillt und an dieser Stelle der alte Hypodermis- streifen breiter ist als die Entfernung der von rechts und links auf einander zufliessenden Epithelmassen. Auch darin kann man ferner einen Beweis für die rasche Ent- wicklung des jungen Epithels erblicken, dass die den Leucocyten (wie alle anderen zerfallenden Gewebstheile) zur Beute fallenden Hypo- dermiszellen noch als äusserste Schicht, wenn auch mit anderen Körnchenkugeln vermischt , eine kleine Strecke weit unter der fertigen imaginalen Hypodermis aufgefunden werden , also noch keine Zeit hatten, von den Leucocyten weitergetragen zu werden. Sie sind in der Lage noch an den grossen Chromatinklumpen von den andern Körnchenkugeln zu unterscheiden, ausser von den sparsamer vertheilten, welche Muskelkerne in sich aufgenommen haben. Bald jedoch, nämlich kurz nach der vollständigen Verdrängung der Larven- hypodermis haben, die sie einschliessenden Leucocyten die allgemeine Wanderung angetreten. Mag nun auch in Bezug auf das Abdomen das Erkennen dieser Vorgänge nicht so leicht sein — mir wenigstens hat sich dies ergeben — so kann mir jetzt doch kein Zweifel darüber aufkommen, dass sie hier nicht vollkommen identisch verlaufen. Die imaginalen Inseln haben sich am zweiten Tage bedeutend abgeplattet, wie VIALLANES dies schon erwähnt und auch in seiner Abbildung ') klar wieder- gegeben hat. Der Beginn ihrer Wucherung fällt in meinen Präparaten erst nach der Bildung des Kopfes, also nachdem die abdominalen Muskeln durch ihre letzte Contraction den Umfang des Abdomens — bei gleichzeitigem Auspressen eines Theiles seines beweglichen Inhalts — bedeutend reducirt, dabei den Rest ihrer eigenen Energie ein- gebüsst haben und nun ihrerseits gleichfalls der Degeneration ent- segeneilen. Es scheint die erzielte Aenderung im Umfang des Abdomens nun auch für die Hypodermiszellen verhängnissvoll geworden zu sein. An dem Längsschnitt aus diesem Stadium sehe ich die imaginalen Inseln bereits in der Ausbreitung begriffen und dabei, getreu dem obigen Satze, ausserhalb der von ihnen um ein Weniges überragten grossen Hypodermiszellen gelegen. Von Letzteren sieht man manchmal Theile, welche in relativ grosser Ausdehnung keinen Kern aufweisen. Hier nun könnte es leicht den Anschein haben, als wäre die alte Hypodermis schon geschwunden ; noch mehr bestärkt wird man in dieser Meinung, wenn an solchen Hel 0," Taf. 14, Riper Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 61 Stellen Leucocyten thatsächlich sich schon daran gemacht haben, Theile der alten Hypodermiszellen anzugreifen, bevor noch der Saum des neuen Epithels letztere umhüllt hat. Denuoch kam ich bei sorgfältiger Unter- suchung solcher Stellen in meinen Präparaten stets zur Ueberzeugung, dass wenigstens ein Theil des alten Zellenleibes die Begrenzung des Körperinnern bis zu diesem Augenblick festhält. Der soeben erwähnte verfrühte Angrifi seitens der Leucocyten macht jedoch einen Punkt aus, in welchem der Process am Abdomen sich von demjenigen am Thorax in den von mir beobachteten Fällen unterscheidet: denn dort trat ohne jede Ausnahme der Angriff erst nach der Umhüllung seitens der wuchernden neuen Epithelzellen auf, während am Abdomen manchmal sogar in bedeutender Entfernung vom neuen Epithel die Leucocyten sich in die zarten Larvenzellen einbetten. Ich schreibe dies dem Umstand zu, dass die Abdominalzellen bei dem hier später auftretenden Process weniger resistenzfähig geworden sind, als es am ersten Tage die Thoraxzellen noch waren. Von nun an geht das Wachsthum der neuen Hypodermis ungemein rasch vor sich, so dass sie in kürzester Frist die Rolle der larvalen Epithelzellen vollständig übernimmt und durch Zusammentreten der Ränder aller einzelnen Bezirke zur vollständigen Umhüllung des Ab- domens gelangt, die von der Oberfläche verdrängten Epithelzellen einer raschen Besiegung seitens der Leucocyten anheimgebend. Wie in der Brust, so ist auch hier die Lage der dabei gebildeten Körnchenkugeln noch eine Zeit lang sehr peripherisch, bald aber zerstreuen letztere sich so dass nichts mehr an den beendigten Kampf an der Oberfläche erinnert. In der ueugebildeten Hypodermis tritt nun alsbald eine eigen- thümliche Differenzirung ein, welche wohl geeignet wäre, den Unter- sucher bei einer nahe liegenden Frage irrezuführen, nämlich bei der Frage, ob von den larvalen Hypodermiszellen nichts aufgespart bleibt. Kaum ist nämlich die imaginale Hypodermis zu einem vollständig ge- schlossenen Ganzen geworden, so erkennt man, dass sie aus Zellen von sehr verschiedener Grösse zusammengesetzt ist, und zwar mit einer grossen Regelmässigkeit, indem inmitten der schon beschriebenen kleinen Zellen in gleichmässiger Entfernung von einander eine sehr grosse Anzahl kleiner, scharf umschriebener Inseln gelagert sind, welche die in einzelner Lage ausgebreiteten kleinen Zellen stellenweise ersetzen und selbst aus nur wenigen Zellen aufgebaut erscheinen. Eine davon ist immer bedeutend grösser als die zwei oder drei anderen und kann bis 0,025 mm Durchmesser erreichen, während derjenige 62 Dr. J. van REES, des nahezu sphärischen Kernes bis 0,014 mm betragen kann. Dieser grössten Zelle liegen in abnehmendem Umfang eine zweite und eine dritte Zelle angeschmiegt, zuweilen auch noch mehr, doch steigt deren Umfang nie vollständig zu demjenigen der umgebenden Hypodermis- zellen herunter; auch die kleinsten Kerne der Inselchen sind immer noch doppelt so gross wie die des gewöhnlichen Epithels. Ich bin nun durch diese Bilder in der That zuerst irregeführt worden, indem ich die grosse Zelle für eine unveränderte larvale Hypodermiszelle hielt, welche bei der allgemeinen Umbildung der abdominalen Hypodermis ungetheilt geblieben war, während die nächstliegenden einige wenige Theilungen, die umgebenden aber deren viele durchgemacht hatten. Danach meinte ich in dem betreffenden besprochenen Bilde eine Stütze zu finden für die GANIN’sche Auflassung, wonach die alten Hypodermiszellen durch Theilung die neuen aus sich hervorgehen lassen: in der zweiten vor- läufigen Mittheilung hatte ich auch an dieser Auffassung festgehalten. Eine genaue Untersuchung der Larvenzellen bei ihrem Verhalten den Leucocyten gegenüber hat mich jedoch bald eines Besseren belehrt. Dass auch die grossen Zellen in der imaginalen Hypodermis nicht etwa Larvenzellen waren, welche ausnahmsweise dem Angriff der Leuco- cyten widerstanden hatten, davon konnte ich mich bei einer genauen Durchmusterung der ganzen Oberfläche des Abdomens der betreffenden Puppe vollständig überzeugen. Ich fand nämlich, dass die grössten der erwähnten Inselchen namentlich in der hinteren Hälfte des Abdomens vorzufinden waren, während nach dem Thorax zu ihre Grösse abnimmt, ihre Zahl und Nähe gleichzeitig bedeutend zunimmt. Die am aller- meisten nach vorn gelegenen sind zwar noch deutlich von der Um- gebung zu unterscheiden, dennoch ist der Unterschied in der Grösse nicht mehr bedeutend; neben einander fand ich 0,0045 mm breite kleine Epithelzellen und 0,0065 mm breite kleinste Inselzellen. Letztere liegen in dieser Gegend noch nicht an Stelle der ersteren, sondern in einer zweiten Schicht, und zwar ausserhalb des gewöhnlichen Epithels. Solche aussen gelegene Epithelzellen fanden sich bei nachträglichem Suchen schon in den flach ausgebreiteten imaginalen Inseln des vorhergehenden Stadiums. Damit war denn endgültig die Frage nach ihrer Herkunft beantwortet. Die Differenzirung dieser so besonders mächtigen Hypo- dermiszellen schreitet also von hinten nach vorn und war in dem vor- deren Drittel des Abdomens der erwähnten Puppe noch nicht im Gang. Dass sie auch hier bald zu Stande kommen muss, dies zeigen die späteren Stadien, wo die Inselchen ziemlich gleichmässig über die ganze Oberfläche des Abdomens zerstreut erscheinen. Wir werden in einem Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 63 späteren Capitel, bei der Besprechung der weiteren Ausbildung der Hypodermis, auch die Rolle dieser Epithelinselchen als Bildungsstätten der schönen gereiften, grossen Haare des Abdomens kennen lernen. Bis hier interessirten sie uns bloss in Bezug auf die Frage nach der Bildungsweise der bleibenden Hypodermis des Abdomens. Bildung des Mesenchyms. Seit Ganrn’s Untersuchungen wissen wir, dass für Thorax und Kopf das Mesenchym (Mesoderm) seinen Ursprung aus den Imaginal- scheiben nimmt und in gleichem Sinne für das Abdomen aus den oben besprochenen imaginalen Inseln der Hypodermis, und zwar durch Ab- spaltung und Differenzirung der Zellen aus den innersten Schichten !). Dieser Auffassung hat sich VIALLANES zwar nur theilweise ange- schlossen, indem er die Ueberzeugung erhielt, „dass in einigen be- stimmten Fällen das Mesoderm der Scheiben sich auf Kosten von im Innern des Körpers zerstreuten embryonalen Zellen (Blutkörperchen oder anderen) entwickle“?). Letztere Ansicht erscheint mir jedoch sehr schwach begründet und ihre Richtigkeit in der von VIALLANES gewählten sehr unbestimmten Form höchst unwahrscheinlich. Auch scheint KOwALEVSKY sich ohne weiteres der älteren GAnIN’schen Auf- fassung anzuschliessen, wenigstens acceptirt er dessen Angaben be- züglich ihrer weiteren Verwendung im Körper “), ohne eine eigene Meinung hinsichtlich ihres Ursprungs zu äussern. Da ich selber die Entwicklung der Larve nicht zum Gegenstand meiner Untersuchung gemacht habe, und in der einen Schnittserie durch eine halbwüchsige Larve noch keine Spur von Trennung der Imaginal- anlagen in Epithel und Mesenchym zu beobachten ist, in der voll- wüchsigen Larve dagegen diese Trennung im Thorax schon vollständig zu Ende geführt zu sein scheint, so bin ich nicht im Stande, nach eigenen Erfahrungen darüber zu urtheilen, wie das Mesenchym "zu allererst auftritt. Nur über die Frage, ob es sich in der jungen Puppe im Thorax noch nachträglich aus anderen Elementen bildet, kann ich mich aussprechen, und da kann ich VIALLANES unmöglich beipflichten. 4 1) Gantn, 1. c., p. 32 fig. 2) VIALLANES, 1. c., p. 214, Concl. 2. Im vorhergehenden Text ist für diese Rolle besonders die Rede von sich zerstreuenden trachealen Epithelzellen (p. 209 fig.). 3) Kowatrvsxy, l. c. p. 99. 64 Dr. J. van REES, Im Gegentheil, bei einer genauen Durchmusterung der mesenchym- artigen Anhäufungen der Imaginalscheiben bin ich nie auf andere als in ihrem Character vollkommen erkennbare Elemente gestossen, und zwar einerseits auf die sehr verschieden gestalteten, mehr oder weniger abgerundeten, spindelförmigen Elemente des Mesenchyms selbst oder auf zwischen diesen eingelagerte vollständig scharf erkennbare Leucocyten oder gar Kürnchenkugeln. Ich erhielt also die Ueber- zeugung, dass, falls in der That Leucocyten sich an diesen Stellen in die Elemente des Mesenchymkeimes umwandeln sollten, dieser Process von unsern jetzigen Hülfsmitteln noch nicht erkannt werden kann. Andrerseits bin ich ebensowenig auf unverkennbare Theilungs- stadien von Mesenchymzellen gestossen, doch kann diese Thatsache nicht als Beweis gegen die Vermehrung dieser Elemente durch Theilung verwandt werden, da ja an vielen anderen Stellen des Körpers, wo eine recht bedeutende Zelltheilung wohl von Niemand in Abrede ge- stellt wird — wie am (imaginalen) Epithel der Thoraxscheiben und der sich entwickelnden Thoraxwand — ebensowenig Bilder von directer oder indirecter Zelltheilung weder von Andern noch von mir selbst beobachtet worden sind. Wie die Sache jetzt steht, muss ich mich für die GAnin’sche Auf- fassung einer Entstehung des besprochenen Gewebes durch Abspaltung von den Zellen des Epithels der Imaginalanlagen erklären. Darin liegt auch der Grund, weshalb ich für dieses Gewebe den Namen „Mesenchym‘“ der älteren Bezeichnung ‚Mesoderm‘ vorziehe, welche letztere nicht nur unbestimmter, sondern, seitdem die in der HERTWIG’- schen Cölomtheorie niedergelegten Auffassungen allgemeiner Eingang gefunden haben, direct unrichtig genannt werden muss; dies hier ge- nauer auszuführen, halte ich Jedem gegenüber, der diese Theorie kennen gelernt hat, für vollkommen überflüssig. In dem Abdomen wird das Mesenchym bekanntlich viel später, nämlich erst am 2. (?) oder 3. Tage der Puppenentwicklung angelegt. Hier lag also das Verfolgen dieses Processes innerhalb meines Unter- suchungsgebietes, und ich glaube in der That auch eine interessante Entwicklungsstufe in einer der Schnittserien fixirt zu haben. Es be- trifft dies die Puppe vom 3. Tage, bei welcher das imaginale Epithel sich schon über die ganze Oberfläche des Abdomens ausgedehnt hat und die oben (p. 61) erwähnte Differenzirung der Epithelzellen ein- getreten ist. Die Puppe stellt das jüngste Stadium dar, in welchem ich das Mesenchym des Abdomens beobachtet habe. Es beschränkt sich hier noch hauptsächlich auf die Stellen, wo in einem früheren Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 65 Stadium die imaginalen Inseln gelegen waren, und hat sich also zuerst — wenn nicht ausschliesslich — aus diesen Inseln selbst oder doch aus den centralen Theilen der aus den Inseln hervortretenden Bezirke, also aus den ältesten Zellen der imaginalen Hypodermis entwickelt. Die Mesenchymzellen liegen an den genannten Stellen — wie namentlich deutlich am Rücken zu beobachten ist — in nur wenigen Schichten unmittelbar der Membrana propria der Hypodermis an, nach vorn und hinten (auf dem Längsschnitt) wird die lockere Masse bald sehr spär- lich und nur einschichtig, um dann rasch ganz aufzuhören, während man bei weiterem Verfolgen der Membrana propria nun bald auf den äussersten Bezirk der nächsten Mesenchymanhäufung gelangt. Im Centrum ist die Membrana propria in geringem Grade von dem Epithel abgehoben und letzteres selbst merkbar verdickt. Letzterer Umstand rührt nicht nur von der etwas grösseren Länge der einzelnen Epithel- zellen her, sondern auch daher, dass diese hier in doppelter bis drei- facher Schicht anwesend sind; in diesem Punkte bin ich vollkommen sicher, nicht etwa durch Schrägschnittsbilder durch einschichtiges Epithel getäuscht zu sein; dafür ist die Höhe des Epithels zu un- bedeutend, die Zellen sind nahezu cubisch. Nun zeigt die äusserste Schicht des Epithels an diesen Stellen nur geringe Abweichungen von demjenigen, welches zwischen den Insel- centren gelegen ist; dagegen ist die innere Lage insofern abweichend, als ihre Zellen viel weniger regelmässig geschichtet sind; in Ueber- einstimmung damit zeigen sie auch sehr verschiedene Formen, theils mehr abgerundet, theils ins Spindelförmige übergehend. In dem schmalen Raum, welcher sich zwischen abgehobener Membrana propria und dem Epithel gebildet hat, liegen sogar vielfach einige zerstreute Zellen der Membran unmittelbar angeschmiegt, und andererseits sieht man jenseits dieser Membran unter den zu äusserst gelegenen Mesenchymzellen ebenfalls kurze Spindeln, welche die grösste Uebereinstimmung mit den letztgenannten Elementen zeigen. Das ganze Bild macht kurz den Eindruck, als ob man die Mesenchymzellen hier bei ihrer allmählichen Abspaltung vom Epithel ertappt hat. Durch Theilung aus den ein- schichtig gelagerten Epithelzellen entstanden, scheinen sie alsdann die Membrana propria zu durchbohren und sich an deren inneren Fläche entlang auszubreiten. Ist diese Deutung des beschriebenen Bildes richtig, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass man hier mit einem echten Mesenchym zu thun hat. — Das Mesenchym der Bauchseite ist in dieser Puppe bereits etwas weiter ausgebildet. Die Besprechung der weiteren Entwicklung dieser und der übrigen Zool, Jahrb. III, Abth, f, Anat, 5 66 Dr. J. van REES, in Thorax und Kopf gelegenen Mesenchymanlagen gehört einem Capitel des zweiten Theiles dieser Arbeit an. Verhalten des Darmeanals. Die complicirten und vielgestaltigen Processe, welche sich zur Um- und Neubildung des Darmtractus im Innern der Puppe und zwar so gut wie ganz unabhängig von den äusseren wie inneren Veränderungen der Puppe abspielen und welche in den mehrfach erwähnten „Beiträgen“ von KOwALEVSKY ausführlich besprochen sind, brauchen in vorliegender Schrift nicht mit der Ausführlichkeit der vorhergehenden Capitel be- handelt zu werden, weil es hier nur darauf ankommen kann, die Punkte, worin ich mit KowALevsky’s Auffassung übereinstimme, sowie diejenigen, worin ich zu anderen Resultaten gelangt zu sein glaube, kurz zu be- leuchten. Ausser den bekanntlich von GAnIn für die Fliegen sowie für eine Anzahl anderer Insecten entdeckten imaginalen Epithelinseln in der Wand des Mitteldarms hat KowArLevsky an der Grenze von Mittel- und Vorderdarm einerseits, sowie von Mittel- und Hinterdarm anderer- seits einen gleichfalls aus kleinzelligem ,,imaginalem“ Epithel aufge- bauten ‚Ring‘ entdeckt, dessen Rolle es ist, das Epithel des allmählich zerfallenden Vorder- und Hinterdarms zu ersetzen. Ich hatte bis zum Erscheinen der KowAuevsky’schen vorläufigen Mittheilung meine Aufmerksamkeit diesem Punkte noch nicht zugewandt, doch kann ich seine Entdeckung vollkommen bestätigen ; nur differire ich mit diesem Verfasser in Bezug auf den Grad, bis zu welchem die von den Imaginalringen ausgehende Wucherung an dem neuen Aufbau von Vorder- und Hinterdarm theilnimmt. Erstens stellte das Verschwinden des larvalen Saugmagens sich nür ganz anders dar, als es von KowALEvsKY beschrieben wird. Nach seiner Beschreibung werden Muskeln wie Epithel dieses Organes sammt und sonders von Leucocyten angegriffen und aufgenommen, und zwar in der Weise, dass zuerst bloss die Muskelwand ihnen anheimfällt, so dass „nur noch das innere Epithel bestehen bleibt‘, während weiter „der Blindsack immer kleiner und kleiner wird, wobei die denselben bildenden Epithelzellen immer an Zahl abnehmen und vermittels der Blutkörperchen in die Körnchenkugen umgewandelt werden“. Mit anderen Worten: an Ort und Stelle wird die Epithelwand des Blind- sackes, der dem Verfasser zufolge nach seiner Zusammenziehung „kaum Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 67 bis zum Gehirn reicht“, durch Wegfressen des Epithels seitens der Leucocyten immer kleiner. Später „bleiben von dem Saugmagen nur einige Epithelzellen, welche aussen von einem Haufen von Körnchen- kugeln bedeckt sind. — Bald zerstreuen sich auch letztere und es bleibt vom Saugmagen keine Spur mehr. An der Stelle aber, wo die Mündung des Saugmagens war, bleiben einige Kerne, welche den Zellen angehören, die das Epithel des Oesophagus bilden“ 1), Dass die Umbildung des ganzen Darmtractus, also auch die des Saugmagens, mit der Vertilgung des Muskelschlauches oder -Netzes be- ginnt, dies lässt sich an allen Theilen deutlich nachweisen ; es scheint die Bedeutung zu haben, dem Epithel bei seinen ferneren Umge- staltungen und Wachsthumserscheinungen durchaus freien Spielraum zu gewähren. Dagegen ist von einem Verschwinden des Epithels des Saugmagens vorläufig noch gar nicht die Rede, und in dem Sinne, wie ich Kowa- LEVSKY’S Angaben auffassen muss, niemals. Die Kräfte, welche den mächtigen Saugmagen dazu gebracht haben, sich in der nicht mehr fressenden Larve schon bedeutend zusammenzuziehen ?), sind offen- bar nicht bloss in dem Muskelschlauch zu suchen, denn sie wirken nach Zerstörung dieser Muskeln ungehemmt weiter, und das nackte Epithel ist durch die Befreiung von ihnen nur um so plastischer geworden. Die Verkleinerung des Saugmagens geht nun allerdings in gewissem Sinne stets weiter, bis er in der That als seitlicher Blindsack aufgehört hat zu bestehen, dafür aber im Ganzen, das heisst ohne eine Zelle seiner Wand eingebüsst zu haben, indenVerlaufdes Oesophagus selbstzu liegen gekommen ist und sich als eine mächtige Erweite- rung desselben präsentirt, welche den vollständigen cuticularen Schlauch und Blindschlauch von Oesophagus und Saugmagen in natürlichem Zusammenhang, wenn auch zusammengeballt, enthält). Diese letztere nicht zu verkennende Erscheinung liefert für die Richtigkeit meiner Auffassung, wie mir scheint, einen unumstösslichen Beweis. In einem 1) Sind hiermit die Zellen des vorderen Imaginalringes gemeint? Siehe 1. o., p. 127. 2) Siehe Fig. 1, Tafel I, wo der hintere Theil des Saugmagens, noch im Besitze seines Muskelmantels, der Länge nach getroffen ist und nur die seitliche Umbiegung um die Augenblasen den vorderen Theil sowie die Ausmündung in den Oesophagus aus der Schnittfläche gebracht hat. Wäre von dem Längsschnitt, dem Fig. 2 angehört, ein grösserer Theil abgebildet, so würde man dort diese Ausmündung getroffen sehen. 3) Siehe Holzschnitt XI, S. 50. 5% 68 Dr. J. van REES, solchen Bilde sieht man an Stelle des früheren Muskelmantels einen Mantel von Körnchenkugeln getreten, welche letztere ziemlich gleich- mässig über die ganze Oberfläche verbreitet sind. So ist dann das Saugmagen-Epithel, welches sich aus dem Oesophagus-Epithel seinerzeit im Embryo entwickelt hat, wieder zu seiner Geburtsstätte heimgekehrt, und zwar in solcher Weise, dass weder eine Grenze noch ein Character- unterschied zwischen den Abkömmlingen der beiderseitigen embryonalen Geschwisterzellen nachgewiesen werden kann. Es mag diese Erscheinung für die Beurtheilung der gestaltenden Kraft und der Geschmeidigkeit der von keinen äusseren Kräften berührten Epithelien nicht ohne Be- deutung sein. Auch sind wir bei solchem Thatbestand verschont von der heiklen Frage, wie man sich das Verhalten des Loches an der Ausmündung des Saugmagens in den Oesophagus zu denken haben würde, was dort nothwendigerweise zu Stande kommen müsste, wenn der Saugmagen in der von KowALEvskyY geschilderten Weise ver- schwände. Ein zweiter Punkt, in welchem ich zu anderen Resultaten gelangt bin als der russische Forscher, betrifft die Frage nach dem Antheil, welchen der Vorderdarmring an der Neubildung des Oesophagus hat. Nach KowaLEevsky soll diesem imaginalen Ring — ausser dem neuen Proventriculus und dem Saugmagen — auch der ganze hintere Theil des Oesophagus entstammen, ja der Verfasser scheint geneigt zu sein, den ganzen Oesophagus daraus hervorgehen zu lassen, mit Ausnahme von einem „Theil der alten Zellen“, welcher „am ganz vorderen Ende bestehen bleibt‘ 1). Mir selbst scheint nun dieser Antheil des imaginalen Ringes an der Bildung des imaginalen Oesophagus nicht so bedeutend zu sein; ich glaube vielmehr, dass dessen Wand zum grössten Theil aus der alten Wand hervorgeht, indem deren Zellen durch wiederholte Theilungen zum kleinzelligen Epithel des neuen Oesophagus umgewandelt werden. Ich fand nämlich in dem Stadium, welches der Ausstülpung des Kopfes vorangeht und welchem Fig. VII angehört, bis in die vorderste Hälfte des stark erweiterten Oesophagus hinein inselartige oder auch theilweise zusammenhängende Stellen, welche aus kleinzelligem Epithel bestanden und nicht continuirlich bis an den Vorderdarmring zu verfolgen waren; umgeben waren diese Zellinseln von den noch unveränderten grossen larvalen Epithelzellen. Falls hier nun trotzdem weit vor- geschobene Epithelwucherungen des Vorderdarmringes vorliegen sollten, 1) Kowazevsxy, 1. c., p. 128. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 69 so müsste man nothwendig die Reste der von ihnen verdrängten lar- valen Zellen in ihrer nächsten Nähe auffinden können, denn wir wissen aus dem Verhalten der degenerirenden Hypodermis von Thorax und Abdomen, dass die freien oder gar von Leucocyten bereits einge- schlossenen, von der Oberfläche losgelösten Epithelzellen noch eine kurze Zeit lang am Orte ihres Unterganges aufzufinden sind. Davon war hier nun durchaus nicht die Rede, auch sind die grossen und intensiv färbbaren Epithelkerne zu characteristisch, um nicht schon bei einer viel weniger gewissenhaften Prüfung, als ich in diesem Punkte anstellte, erkannt werden zu müssen. Es erscheint mir das erwähnte Criterium um so mehr maass- gebend, als im nächsten Stadium, d. h. nach der Ausstülpung des Kopfes, an dem hintersten Abschnitt des Oesophagus, wo die von KowALEvsky beschriebene Wucherung des Ringes auch von mir be- obachtet wurde, die auf die Verdrängung hinweisenden degenerirenden Epithelzellen nebst bereits gebildeten Körnchenkugeln als durchaus unverkennbare Schicht dem neuen Epithel von aussen angelagert waren; überdies war auch in diesem Stadium wenigstens ventralwärts noch ein schmaler Saum von larvalem Epithel erhalten, welcher zwischen der kräftig vordringenden imaginalen Wucherung des Ringes und den bereits früher umgebildeten mittleren Epithelzellen eingeschaltet lag. Diesem larvalen Rest wird nun von beiden Seiten her rasch ein Ende gemacht. Dabei stossen also das neugebildete und das umgewandelte Epithel natürlich auf einander, und es wird nun wohl dem ersteren durch das gleichfalls in kräftigem Stoffwechsel befindliche letztere ein ener- gisches Halt geboten. Ob alle vor dieser Stelle des Zusammentreffens gelegenen Larvenzellen sich durch Theilung umgestalten, oder ob ein Theil von ihnen degenerirt und verdrängt wird, dies konnte ich nicht fest- stellen. Dagegen traf ich in diesem Stadium im vordersten Abschnitt des Oesophagus, der grösstentheils noch aus larvalen Elementen zu- sammengesetzt ist, mitten zwischen diesen auf eine gut fixirte Kern- spindel, und zwar von solcher Grösse, dass sie nur einer sich theilenden Larvenzelle angehören konnte. Hierdurch zeigt sich also, dass bis ganz vorn wenigstens ein Theil der alten Zellen des Oesophagus sich an dessen Umbildung betheiligt. Dass der Oesophagus nach der Bildung des Kopfes in seinem vorderen Abschnitt sehr bedeutend ventralwärts und nach hinten um- gebogen erscheint, dies hat KowALEvsky bereits betont. Auch hat er hinzugefügt, dass er anfänglich ‚noch ungemein breit bleibt und erst 70 Dr. J. van REES, allmählich zu einem dünnen Rohr wird.“ Ich habe dieses breite Sta- dium nicht beobachtet und kenne den Oesophagus der fertigen Puppe nur als dünnes Rohr!). Das erstere mag wohl sehr rasch vorübergehen, wenigstens scheint mir, unmittelbar nachdem die voluminöse Intima des Saugmagens aus dem Oesophagus entfernt ist, kein absehbarer Grund mehr vorhanden zu sein, welche denselben verhindern könnte, dem Drucke des Körperinnern zu weichen und sich zusammenzu- ziehen; und die Entfernung dieser Intima aus dem Oesophagus mag wohl nicht allzu lange nach Ausstossung des mit ihr verbundenen Hakenapparates aus dem Schlund stattfinden, welche Ausstossung schon WEISMANN zugleich mit dem Hervortreten des Kopfes erfolgen sah 2). Ich möchte also die Vermuthung aussprechen, dass der von KOWALEVSKY beobachtete weite Oesophagus die Intima noch umfasst hielt und das Hervortreten des Kopfes somit noch nicht vollständig beendigt gewesen sein mag. Für den imaginalen Saugmagen kann ich die von KOWALEVSKY gemachte Angabe ihrer Entstehung aus dem hinteren Theil des Vorder- darmringes bestätigen. Was die Regeneration des Chylusmagen betrifft — welcher von KowALEvsky als Mitteldarm bezeichnet wird —, so habe ich KowALEVSKY’S Ergänzungen der Schilderungen GAnIn’s nur wenig hinzuzufügen. Der ganze innere Epithelschlauch sammt einer Anzahl von kleineren Zellen, die ich als Bindegewebe zu deuten geneigt bin, wird nach dem Lumen zu abgestossen; nur eine Anzahl (etwa 200 bis 300) imaginaler Epithel- Inselchen, denjenigen der Hypodermis des Abdomens nicht unähnlich, bleiben zurück, und zwar angeschmiegt an die vorläufig noch unauf- gelöste, larvale Muskelschicht. Ich will letzteres hier ausdrücklich betonen, weil KowALEVSKY dies versäumt hat. Nach der Ablösung des larvalen Epithels von dem noch nicht zu einer continuirlichen Schicht ausgewachsenen imaginalen, ist es nämlich die larvale Muskel- schicht, welche den Epithel-Inseln die Unterlage darbietet, um sich auszubreiten, d. h. den nächsten Inseln entgegen zu wachsen. Sind diese Inseln zu einem Epithelschlauch zusammengewachsen, dann erst wird die larvale Muskelschicht von Leucocyten und Körnchenkugeln angetastet, wie dies, wie wir gesehen haben, bereits früher mit der Muskelschicht des Oesophagus stattgefunden hat. Die neuen Muskelzellen des Mitteldarmes glaube ich von Zellen 1) Siehe Fig. XII, S. 51. 2) Weismann, L. ¢., p. 178. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 71 herleiten zu müssen, welche zeitweilig den imaginalen Inselchen von aussen angeschmiegt liegen und sich zu der Zeit von den Epithelzellen nicht oder kaum unterscheiden lassen. In Bezug auf die Flüssigkeit, welche den Mitteldarm nach der Regeneration füllt, muss ich annehmen, dass sie theils durch Aus- schwitzen seitens des contrahirten „eingekapselten‘‘ larvalen Epithel- schlauches geliefert, theilweise aber, nämlich was die äussere Schicht betrifft, durch das neue Epithelrohr nach innen ausgeschieden wird. Bei der von mir angewandten Härtungsmethode ist dieser gallertige Inhalt nämlich meist ohne die geringste Schrumpfung zur Gerinnung gebracht, und kann man sowohl die Grenze der beiden Flüssigkeitsschichten, als auch feinste, regelmässige, auf den Ursprung der Abscheidung hindeutende radiäre Streifchen mit grösster Deutlich- keit erkennen. — In dieser geronnenen Masse liegen sehr kleine, mässig stark färbbare compacte Kügelchen unregelmässig zerstreut, deren Herkunft mir nicht klar wurde. Ob sie als Derivate von Chromatin aufzufassen sind und vielleicht durchgewanderten Leucocyten ent- stammen, oder ob sie ein Excretionsproduct darstellen, welches der Puppenkörper vermittels der jungen Darmzellen — in Ermangelung functionirender Malpighi’schen Gefässe — ausscheidet, konnte nicht festgestellt werden. Ich muss hier noch kurz an eine Beobachtung erinnern, welche KOROTNEFF !) bei seiner Untersuchung der postembryonalen Entwicklung von Gryllotalpa gemacht hat. Er fand nämlich in dem sich umwan- delnden Mitteldarm Epithelinseln, den soeben erwähnten von Musca in gewissen Hinsichten sehr ähnlich. Diese Inseln werden durch grosse je einen Kern aufweisende Dottermassen von einander getrennt und sollen letztere allmählich ganz verdrängen. KOROTNEFF sah nun amö- boide Zellen im Dotter zerstreut liegen und stützt darauf seine fol- sendermaassen formulirte Ansicht ?). ,,Die Entstehung der an der Metamorphose des Darmes theilnehmenden Zellen ist aus der Fig. 78 klar: es sind amöboide Blutzellen, die massenhaft um den Darm im Blute flottiren und zwischen die Muscularis ins Innere der Dotter- schollen gelangen“ ..... und ferner: „die innere Bekleidung des Darmes stammt von den amöboiden Zellen her.“ Es erscheint mir dieser Schluss vollkommen unbegründet; nach KowALEvsky’s und 1) A. Korornerr, Die Embryologie von Gryllotalpa, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 41, 1885, p. 570. 2).1. 0.,.p. 598, T. XM Fig, 78, 80) und! 81, 72 Dr. J. van REES, meiner Bestätigung von Ganin’s Angaben für Musca muss ich es viel- mehr für sehr wahrscheinlich halten, dass auch bei Gryllotalpa die Inseln als ein echtes Epithel vom inneren Keimblatte abstammen. Was die Rolle der in den Dotter eingewanderten Leucocyten ist, scheint mir vorläufig schwerlich festzustellen zu sein; nach dem, was ich unten über den intra-epithelialen Untergang von Leucocyten bei Musca mittheilen werde, könnte eine erneuerte Untersuchung dieser Erscheinung bei Gryllotalpa vielleicht wichtige Resultate bringen. Für den Hinterdarm kam ich nicht ganz zu den gleichen Re- sultaten wie KowaLevsky; der Hauptunterschied ist, dass er dem von ihm entdeckten imaginalen Hinterdarmring für die Bildung des neuen Hinterdarmes eine grössere Bedeutung zuschreibt, als sie mir zu haben scheint. Der larvale Hinterdarm zerfällt allerdings, wenigstens theilweise, jedoch nicht plötzlich, sondern vollkommen Schritt haltend mit dem Vorwärtswachsen der vom imaginalen Ringe stammenden Zellen. Eine Trennung der Continuität findet nie statt. — Ferner ist es nur der vordere Theil des larvalen Hinterdarmes, welcher zu Grunde geht; das Epithel des Rectums dagegen bleibt wenigstens grössten- theils für die Neubildung erhalten, während die Muskelwand von Leuco- cyten zerstört wird. In noch viel höherem Grade, als dies beim Mitteldarm der Fall ist, für welchen KowALEvsky es erwähnt !), täuschen die Muskel- zellen auf dem Längsschnitt des Rectums am Ende des zweiten Tages mächtige Epithelzellen vor. Das echte Epithel aber liegt, sobald das Lumen zusammengefallen und die Intima geschwunden ist, wie ein zarter Strang im Innern dieses scheinbaren Epithelrohres. Nach dem Anus zu steht es mit höherem larvalen Epithel in Zusammenhang, welches den Endtheil des Rectums bildet. Diesen Endabschnitt mag derjenige Theil darstellen, welchen GAnm als eine Einstülpung der Hypodermis betrachtete, was er vielleicht auch ist. Am Ende des zweiten Tages streckt sich das Rectum bedeutend in die Länge, und nun findet von hinten nach vorn eine Regeneration statt, welche vielleicht vom Endabschnitt ausgehen mag, sich aber weiter auch über das übrige Rectalepithel erstreckt. Unter wieder- holter Zelltheilung wird dabei das kleinzellige Epithel des definitiven Rectums sowie die Rectalpapillen gebildet. Wir haben also hier eine ähnliche Erscheinung wie beim Oesophagus, welcher auch theilweise durch Umbildung der Larvenzellen regenerirt wird. Ich stütze mich 1) 1.20.,,9. ip. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 1713 bei dieser Auffassung hier gleichfalls auf gut erhaltene grosse Mitosen welche in zwei verschiedenen Puppen vom dritten Tage mitten in dem- jenigen Theile der Epithelwand liegen, welche noch aus den grossen Zellen besteht, somit vom Hinterdarmring nicht abstammen können. Nach hinten davon hat die Umwandlung in kleinzelliges Epithel bereits stattgefunden. — Bei einer etwas älteren Puppe kann man, wie beim Oesophagus, eine Stelle erkennen, wo die beiden verschiedenen Epithel- wucherungen — nämlich die vom imaginalen Ring nach hinten zu und die vom regenerirten Rectalepithel nach vorne zu — beinahe auf einander stossen, wobei die letzten dort noch befindlichen larvalen Zellen vom Lumen abgedrängt und der Vernichtung preisgegeben werden. Es ist danach Kowarevsky’s Darstellung !), als sollte die zeit- weilig „blindgeschlossene Anlage“ des Hinterdarmes — welche im Lauf des dritten und vierten Tages „die Form eines conischen Körpers hat‘‘ — ‚in gerader Linie nach hinten auswachsen, bis sie sich mit der Haut begegnet“, jedenfalls nicht im ganzen Umfang richtig. Denn wenn auch die Regeneration des Rectalepithels weniger umfangreich sein sollte, als ich dies annehmen muss, so ist nicht zu leugnen, dass am zweiten Tage gleichzeitig vorn und hinten am Hinterdarm kleinzelliges Epithel angetroffen wird, durch eine breite Zone von larvalem Epithel getrennt, welch letzteres theils sich regenerirt, theils verdrängt wird. Ueber die Art der Neubildung der Malpighi’schen Gefässe konnte ich, weil mir die dazu am meisten geeignete Entwicklungsstufe fehlte, nicht ins Klare kommen. Es schien mir sehr viel dafür zu sprechen, dass auch hier wenigstens eine theilweise Regeneration der Larven- zellen stattfindet; man sieht u. a. am dritten Tage an der Grenze von Gefäss- und Darmring nicht einen plötzlichen, sondern einen ganz all- mählichen Uebergang von larvalem in imaginales Epithel; auch liegt letzteres nicht nach innen, wie beim Hinterdarm, sondern nach aussen, was nicht ohne Gewicht ist. Andererseits habe ich an einzelnen Zellen deutliche Spuren von Degeneration beobachtet, so dass ich es für das Wahrscheinlichste halte, dass eine Regeneration der alten Zellen durch Theilung, mit gleichzeitiger Entfernung einiger wenigen Elemente statt- findet. BWA. re, p.155: 74 Dr. J. van REES, Zerfall einiger anderen specifischen Larventheile. A. Speicheldrüsen. Im Anschluss an die grösstentheils vollkommen zutreffenden Zeich- nungen VIALLANES’!), aber von dessen Deutung vollständig abweichend, hat Kowazevsky?) den Zerfall der Speicheldrüsen vermittels Leuco- cyten ausführlich geschildert. Der Process besteht kurz darin, dass die Leucocyten, sei es nur von aussen, sei es erst nach einer inter- cellulären Wanderung und später auch von innen heraus, die Zellen der Drüsen, speciell auch ihren Kern antasten und allmählich incor- poriren, wodurch ein mehr oder weniger rascher Zerfall und bald darauf erfolgendes vollständiges Verschwinden der Speicheldrüse zu Stande kommt. Meine eigenen Resultate stimmen in der Hauptsache vollständig mit denen KOwALEvsKY’s überein. Doch giebt es ein Punkt, in welchem ich durchaus andere Erfahrungen gemacht habe als er, ohne dass ich jedoch deshalb die Richtigkeit seiner Beobachtungen im geringsten in Zweifel ziehen möchte; ich schreibe vielmehr die Differenzen zwischen unseren Beobachtungen dem Umstande zu, dass die Vorgänge bei der Zerstörung der Speicheldrüsen in den verschiedenen Fällen einen verschiedenen Verlauf genommen haben. Ich selbst habe nämlich den Zerfall der Drüsen, ja sogar jeden Angriff der Leucocyten auf die- selben stets erst nach der Bildung des Kopfes und dann so plötzlich eintreten sehen, dass die Zerreissung des Organes mit dem Anfall der ‘ Leucocyten zu gleicher Zeit eintrat. In sämmtlichen 16 jüngeren Puppen, die ich in Schnitte zerlegt habe, findet sich keine einzige Stelle, die auf einen activen Angriff der Leucocyten hindeutet. Nun stammen diese Puppen theils vom März, theils auch vom Mai und Juni, aber keine einzige aus der Zeit der grössten Hitze, und ich bin des- halb geneigt, die Differenzen so zu erklären, dass VIALLANES und KowALEvsky an Hochsommerpuppen gearbeitet haben und dass bei diesen die active Rolle der Leucocyten noch rascher sich äussert, als dies schon an den weniger heissen Tagen der Fall ist. Wissen wir ja schon, dass die Frühlingspuppen sogar 20 bis 22 Tage zu 1) Viattanss, 1. c., Taf. X, Fig. 1—4. 2) KowazevsEx, |. c., p. 102. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 75 ihrer Umwandlung brauchen (gegen 12 bis 14 Tage im Sommer) und dass bei ihnen die ersten Angriffe der Leucocyten nicht in den ersten Stunden, sondern erst am zweiten oder dritten Tage auftreten. Während ich also an meinen Puppen vor der Bildung des Kopfes vergeblich nach einem Eingreifen seitens der Leucocyten ausschaute, fand ich, wie erwähnt, nach der Ausstülpung desselben die Drüsen vollständig in Trümmer verschiedener Grösse zerstückelt und die Leu- cocyten in voller Thätigkeit der Bewältigung. Es ist überflüssig, nach KowALeEvsky’s ausführlicher Beschreibung die verschiedenen dabei hervortretenden Erscheinungen nochmals zu besprechen ; alle denkbaren Formen von dem Einbohren in die Substanz und von dem Incorporiren dieser letzteren lassen sich beobachten. Ein grosser Theil der vorderen Gegend von Kopf und Brust ist mit dem zerfallenen Gewebe angefüllt, und dieses tritt durch seine intensive Färbung in den Schnitten be- sonders deutlich hervor. Die günstigen Eigenschaften der Picrocarmin- färbung, welche KowALkvsky erwähnt, konnte auch ich kennen lernen, doch waren die Bilder noch bedeutend schöner differenzirt in den- jenigen Schnitten meiner Serien, welche der oben (S. 12) erwähnten Doppelfärbung mit Picrocarmin und Hämatoxylin ausgesetzt gewesen waren, wobei die Drüsensubstanz dunkelviolett, sämmtliche Kerne kräftig blau bis schwarz, das Protoplasma der Leucocyten dagegen sehr schwach und zwar mehr oder weniger röthlichviolett gefärbt waren, je nachdem das Picrocarmin oder das Hämatoxylin länger ein- gewirkt hatte. Ein Contrast durch gelbe Picrinfärbung war bei dieser Behandlungsweise natürlich ausgeschlossen. Wenn die Zerstörung der Speicheldrüsen in den von mir unter- suchten Puppen auch erst nach der Bildung des Kopfes auftrat, so waren doch vorher schon einige Aenderungen an ihnen wahrzunehmen, welche noch kurz erwähnt werden müssen. Sie bestanden theilweise in der Bildung vieler verschieden grosser Vacuolen im Innern der Zelle, von welchen die grössten bis an die Grösse der Leucocyten heranreichten, ohne dass jedoch in irgend einem Falle eine Ver- wechslung mit letzteren möglich gewesen wäre. Ob ein Theil der von VIALLANES abgebildeten endogenen Zellen durch derartige — manchmal schwachkörnige — Vacuolen vorgetäuscht ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Ferner zeigten die Zellen eine ähnliche Erscheinung, wie wir sie bereits bei der Hypodermis des Abdomens beobachtet haben, nämlich eine Tendenz, durch die Härtungsmittel gelockert zu werden. Dies mag auch hier aus einer Abnahme ihrer Vitalität erklärt werden. 76 Dr. J. van REES, Endlich füllte sich das Lumen der Drüse bis zur Mitte des dritten Tages allmählich stärker an, theilweise mit einer in Carmin intensiv färbbaren Masse, vermuthlich Schleim, theilweise wohl auch mit einem Exsudat anderen Ursprungs. In diesem Stadium hat der paarige Speichelgang, welcher in der Larve und namentlich in der ganz jungen Puppe mässig gestreckt erscheint, sich bedeutend verkürzt, so dass die Drüsen selbst nur durch einen schmalen Zellreifen von dem unpaarigen Gang getrennt sind. In einer Puppe, welche im Begriff gewesen sein muss, ihren Kopf auszustülpen, fand ich den Inhalt der Drüsen nicht mehr in diesen, sondern in die beiden Speichelgänge übergetreten, so dass diese sich jetzt als übermässig gedehnte, mit geronnener Flüssig- keit gefüllte mächtige Säcke darboten, denen die geschrumpften Speichel- drüsen nach hinten angehängt erschienen. Ich muss bemerken, dass auch der vor dem centralen Nervensystem gelegene Abschnitt des Oesophagus in gleicher Weise mit geronnenem Transsudat gefüllt er- schien und sich noch mehr erweitert zeigte als in Fig. XI (siehe S. 50). Ob die geschilderten Bilder einem abnormen Zustand angehören oder nicht, ist an diesem einzigen Falle nicht zu entscheiden, doch dünkt letzteres mir wahrscheinlicher. Vielleicht dienen die mit Flüssigkeit gefüllten Säcke gewissermaassen als Kissen, um das Umstülpen der Kopfblase ohne Schaden für die benachbarten Theile zu Stande kommen zu lassen, oder um den Druck des sich zusammenziehenden Abdomens gleichmässig auf die Kopfblase zu übertragen. Nach der Bildung des Kopfes ist die zerbröckelte Drüsenmasse von den beiden Speichelgängen abgelöst, und sieht man diese blind im Körperinnern enden (siehe Fig. XII ds, S. 51). B. Fettzellen. Die Zerstörung der Fettzellen durch Vermittlung der Leucocyten nimmt früher ihren Anfang als diejenige der Speicheldrüsen, erreicht jedoch bei sehr vielen Fettzellen erst viel später ihren Abschluss. Letzteres folgt schon unmittelbar aus der bereits von WEISMANN !) und später von GANIN?) beobachteteten Thatsache, dass eine mehr oder weniger grosse Anzahl von larvalen Fettzellen noch in der aus- geschlüpften Imago — und zwar vielfach noch Tage lang — aufzu- 1) Wetsmany, ]. c., p. 221. 2) Ganin, l. c. p., 34 fig. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. aa finden ist. Auch KüNCKEL D’HERCULAIS !) sah sie noch unverändert bei Puppen, in welchen die Brustmuskeln bereits angelegt waren. Die zwei erstgenannten Forscher und ebenso VIALLANES?) und KOWALEVSKY*) nehmen indessen an, dass die Hauptmasse des Fettkörpers in den ersten Tagen der Metamorphose als solche zu Grunde geht, wenn auch die diesem Vorgang gegebenen Deutungen sehr von einander abweichen. Meine eigenen Erfahrungen gehen dahin, dass zwar in sehr frühen Stadien, etwa gegen die Mitte oder das Ende des ersten Tages, der Zerstörungsprocess der Fettzellen eingeleitet wird, dass jedoch die Auflösung der Zellen nur sehr allmählich und für den weitaus grössten Theil von ihnen erst während der zweiten Hälfte des Puppenstadiums stattfindet. Doch mögen die meisten Zellen schon viel früher derart verändert sein, dass bei einer Präparation, wie sie WEISMANN als ein- ziges Untersuchungsmittel zu Gebote stand, ein Zerfliessen ihres Inhaltes und die Bildung einer feinzertheilten Masse von Fettkörnchen noth- wendig erfolgen musste. Schon im Anfang meiner Untersuchung sah ich an Frühjahrspuppen vom dritten und vierten Tage, dass auch den Fettzellen gegenüber die Leucocyten eine Rolle spielen. Was ich in meiner ersten vorläufigen Publication darüber mitgetheilt habe, lasse ich hier in wörtlicher Ueber- setzung folgen, wobei ich bemerken muss, dass sich die Beobachtungen ausschliesslich auf die erwähnten im März gezüchteten Puppen be- ziehen. Die Stelle lautet folgendermaassen : „Es sind aber nicht die Muskeln der Larve allein, welche von den Leucocyten der Puppe als Nahrung benutzt werden. Ich habe ge- funden, dass auch die Fettzellen von ihnen heimgesucht werden, ihnen zur Nahrung dienen und mindestens theilweise von ihnen zum Zerfall gebracht werden. Dieser Process verläuft gleichzeitig mit dem von den Muskeln geschilderten, jedoch in ganz verschiedener Weise. Der hauptsächlichste Unterschied besteht darin, dass der Zerfall bei den Fettzellen viel später und in anderer Weise vor sich geht als bei den Muskeln. Am dritten Tage, wenn der dunkle Inhalt der Fettzellen sie für die Untersuchung im lebenden Zustande ganz ungeeignet ge- macht hat, konnte ich an Querschnitten von weniger als ;!:; mm Dicke die Anwesenheit einer geringen Zahl von Blutkörperchen im Innern 1) Küncker v’Hercutats, 1. c., p. 198. 2) VIALLANES, |, c., p. 162. 3) KowaLevsexy, 1. c., p. 101, 78 Dr. J. van REES, dieser Fettzellen mit Sicherheit erkennen. Die von VIALLANES in den Fettzellen aufgefundenen Elemente, welche er jedoch im Protoplasma derselben entstehen lässt, sind auf jene Blutkörperchen aller Wahr- scheinlichkeit nach zurückzuführen. Die meisten von ihnen lagen in unmittelbarer Nähe des Kernes, einige wenige im Protoplasmanetz der Fettzelle, zwischen den kleinen Fettkörnchen. In einzelnen Blut- körperchen traf ich zwei bis drei Kerne an, ja sogar bis sechs oder vielleicht noch mehr, in welchem Falle die betrefienden Blutkörperchen bedeutend grösser waren als die einkernigen; es ist also nicht un- wahrscheinlich, dass sie (wie die früher besprochenen Riesenzellen) durch Verschmelzung von mehreren einkernigen entstehen. Am fünften Tage hatte sich ihre Zahl in vielen Zellen bedeutend vergrössert; am sechsten waren sie zu mehr als hundert um den Kern gelagert, der an färbbarer Substanz fortwährend verliert, so dass der Gedanke nahe liegt, dass dieselbe sich löst und auf osmotischem Wege den Blut- körperchen zugeführt wird. Erst nach mehreren Tagen zerfällt ein Theil der Fettzellen, ein anderer noch später. Auch die Leucocyten zerstreuen sich nun in die Körperflüssigkeit, und man ist dann an sehr dünnen und passend gefärbten Schnitten im Stande, neben ein- kernigen Leucocyten auch solche zu erkennen, welche mehrere Kerne, bis etwa zwölf, besitzen. Fettkörnchen habe ich in diesen Zellen nie beobachtet.“ Seitdem ich dies geschrieben habe, hat nun KOwALEVSKY uns seine interessanten diesbezüglichen Beobachtungen an lebenden ausgeschälten Puppen vom dritten und vierten Tage mitgetheilt, bei welchen er das Eindringen der Leucocyten, resp. Körnchenkugeln im Kopfe sub oculis zu Stande kommen sah. Meine Deutung der in den Fettzellen ent- deckten Zellen fand darin eine vollkommene Bestätigung, und die in der Einleitung erwähnte Auffassung VIALLANES’, als seien diese Ele- mente in den Fettzellen durch Endogenese gebildet, mag durch unsere damit unvereinbaren Befunde als widerlegt betrachtet werden. Doch auch mit KowArevsky kann ich nicht in allen Punkten übereinstimmen. Wie sehr man auch seine bei der Beobachtung der lebenden Puppen wieder einmal an den Tag gelegte Gewandtheit be- wundern muss, so glaube ich doch, dass die in dieser Weise gewonnenen Präparate kaum geeignet gewesen sein werden, über die feineren Be- ziehungen zwischen Fettzellen und Leucocyten aufzuklären. Namentlich kann ich mir nicht denken, dass die beobachteten Fettzellen bis zum Moment dieser Beobachtung am dritten und vierten Tage von Leucocyten verschont gewesen sein sollten, um dann während einiger Stunden den Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 79 ganzen Process bis zu ihrer vollständigen Auflösung durchzumachen. Thatsächlich findet die erste Einwanderung der Leucocyten in die Fett- zellen bei Sommerpuppen schon im Laufe des ersten Tages statt, und von dem Zeitpunkt an ist nach meinen Erfahrungen keine einzige Fettzelle mehr aufzufinden, welche nicht mehrere Leucocyten im Innern enthält. Und auch bei Frühjahrspuppen ist dieser Zustand längst eingetreten, bevor es zur Ausstülpung des Kopfes kommt. Auch in Bezug auf KowaLevsky’s Angabe, dass die Körnchen- kugeln unter seinen Augen in die Fettzellen eindrangen und nach kurzer Frist sich zerstreuten, so dass auf diese Weise eine „Auflösung der Fettzellen“ zu Stande kam, kann ich mich nach meinen eigenen Erfahrungen seiner Deutung des Gesehenen nicht anschliessen. Niemals, weder in jungen noch in älteren Puppen, habe ich im Innern der Fettzellen solche Leucocyten beobachtet, welche bereits Fremd- körper in sich aufgenommen hatten. Man könnte nun zwar mit Kowa- LEVSKY !) annehmen, „dass der ganze Act der Verdauung (nämlich innerhalb der Körnchenkugeln) eigentlich sehr schnell vor sich gehen muss“ — was indessen, wie wir später sehen werden, durchaus nicht bewiesen ist —; die Abwesenheit von Fremdkörpern in den be- trefienden Leucocyten liesse sich dann so erklären, dass bei der Wanderung in die Fettzellen die Körnchenkugeln durch Verdauung der aufgenommenen Körper sich wieder in „leere‘‘ Leucocyten umge- wandelt hätten. KOwALEVSKY hat in der That gemeint auf einen solchen Vorgang bei den Speicheldrüsen schliessen zu müssen. Doch würde uns diese Erklärung für die Deutung des vorliegenden Falles, nämlich KowaLEvsky’s Beobachtung über die Auflösung der Fettzelle, nichts nützen, da K. selbst ausdrücklich erwähnt, dass man nach einer gewissen Zeit „anstatt der Fettzelle einen Haufen von Körnchenkugeln findet, welche sich nach allen Seiten zerstreuen‘“ ?). In diesem Falle müssten die Körnchenkugeln doch wohl auch auf Schnitten im Innern der Fettzelle zu beobachten gewesen sein. Ich vermuthe, dass bei der besprochenen Beobachtung die Körnchenkugeln sich nur an der Oberfläche der Fettzelle befunden haben ?), um so mehr als Kowa- LEVSKY selbst nach der citirten Stelle also fortfährt: „der centrale 1) 1. ec. p. 108. Zjabec: p. 101: 3) Man vergleiche hiermit das Verhältniss von Fettzellen (F) und Kérnchenkugeln (##) in meinen Fig. 10, 14 und 15, 80 Dr. J. van REES, Haufen bleibt etwas länger an der Stelle liegen, wo die Fettzelle war, aber auch er zerstreut sich bald.“ Dieser centrale Haufen mag also wohl die Fettzelle selbst gewesen sein, die im Zerfall begriffen war. Ueber das Verhalten der Fettzellen, welche in den ersten Tagen der Metamorphose noch nicht zerfallen, hat KowaLevsky keine An- gaben gemacht. Darüber muss ich meinen oben mitgetheilten Be- obachtungen noch Einiges hinzufügen. In erster Linie will ich be- merken, dass ich in der Doppelfärbung mit Picrocarmin und Häma- toxylin ein überaus wichtiges Hülfsmittel zum Auffinden resp. zum Erkennen ‘der Leucocyten innerhalb der Fettzellen gefunden habe. Während der Kern und die wohl nicht aus lauter Fett bestehenden Kügelchen der Fettzellen sich bei einfacher Färbung stärker mit dem Hämatoxylin als mit dem Carmin tingiren, findet mit den einge- wanderten Leucocyten genau das Gegentheil statt, ja ihre Affinität zum Hämatoxylin ist eine äusserst schwache geworden, so dass sehr starke und anhaltende Tinction nöthig ist, um die Kerne deutlich zu machen. Dagegen färben sie sich rasch und lebhaft mit dem Picro- carmin. Wo beide Stoffe nun gleich stark eingewirkt haben, bekommt man das ganz frappante Bild eines Haufens von schwach röthlichen ovalen Zellen mit dunkelrothem Kern, welche in einer mehr oder weniger ausgedehnten Schicht den dunkelblauen grossen Kern der Fett- zelle umgeben — dessen Kernsaft indessen gleichfalls roth gefärbt erscheint — und welche ihrerseits von ziemlich stark gefärbten blauen oder violetten Fettkügelchen umgeben sind. Die neben den Fettzellen gelegenen Leucocyten zeigen wie die Körnchenkugeln einen blauen Kern. Es müssen also mit den Leucocyten bei der Einwanderung in die Fett- zellen gewisse chemische Umänderungen stattgefunden haben, welche zu verfolgen nicht im Rahmen dieser Arbeit lag. Für die Erkennung der eingewanderten Leucocyten ist mir diese Färbung nicht nur durch den sprechenden Contrast der gefärbten Elemente von grossem Nutzen gewesen — und wie gross dieser ist, tritt bei einer Vergleichung von doppeltgefärbten Fettzellen mit z. B. nur durch Picrocarmin gefärbten scharf hervor, — sondern namentlich, weil sie mit der Sicherheit eines Reagens auftritt und sofort erkennen lässt, ob man es mit eingeschlossenen oder mit freien Leucocyten zu thun hat, auch in den Fällen, wo an den dünnsten Schnitten der Contour der Fettzellen nicht mehr allzuscharf zu erkennen ist. Hier gerade ist das Farbenbild überaus zierlich und klar, und ich bin überzeugt, dass VIALLANES bei Anwendung dieses Färbemittels nicht in seinen Irrthum einer endogenen Zellbildung in der Fettzelle verfallen sein würde, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musea vomitoria. 81 Zur Erläuterung der oben mitgetheilten Beobachtungen an den Fettzellen und zur Demonstration der mit der erwähnten Methode erhaltenen Bilder mögen die Fig. 21 bis 23 sowie theilweise auch die Fig. 9, 10, 14 und 15 dienen. In Fig. 21 aus einer Puppe vom Ende des ersten Tages sieht man schon eine beträchtliche Anzahl Leuco- cyten um den Kern der Zelle angesammelt. Bei Vergleichung mit den ausserhalb der Zelle befindlichen Blutkörperchen bemerkt man, dass diese sich in dem Innern der Fettzelle merkbar zusammenge- zogen haben, dass sie geschrumpft sind. Die regelmässige, ziemlich grobe Körnelung ist bei den Leucocyten in den Fettzellen noch genau so deutlich wie bei denen ausserhalb derselben; sie bildet einen der Hauptzüge, welche die Annahme rechtfertigen, dass beide ein und dieselbe Art von Elementen sind. Der Kern ist gleichfalls etwas ge- schrumpft; theilweise sieht man auch schon mehr als einen Kern in einer Zelle liegen. Die Leucocyten liegen in den jüngsten Puppen dermaassen ge- drängt um den Kern, dass die Kernmembran auf dem optischen Schnitt gezähnt erscheint, weil die Leucocyten der innersten Schicht wie in dieselbe eingebohrt sind. Die Grenzflächen dieser inne- ren Schicht sind dabei natürlich radiär gestellt; es mögen diese radiären Grenzlinien gewesen sein, welche VIALLANES vor Augen hatte, als er in dem Protoplasma der Fettzellen beobachtete „des striations rayonnantes autour du noyau comme autour d’un centre“). Die gleichfalls in den Fettzellen der jungen Puppen aufgefundenen ,,trés nombreux granules sphériques colorables en rouge par le carmin‘ ?) sind wohl die Kerne der nicht erkannten Leucocyten gewesen. Die Bedeutung dieser anfänglichen Anhäufung um den Kern der Fettzelle scheint vorläufig noch im Dunkeln zu liegen. Zu meiner oben mitgetheilten Vermuthung, dass die sich lösende chromatische Substanz des Kernes von den Leucocyten aufgenommen wird, bin ich auf Grund der Beobachtung gelangt, dass niemals Fettkörnchen incor- porirt werden, während die sich bald vermehrenden, wenigstens be- deutend vergrössernden Leucocyten doch irgendwoher ihre Nahrung erhalten müssen und ein Schwund von Fettkörnchen vor der Hand auch nicht zu bemerken ist. Ich muss jedoch jetzt annehmen, dass die Leucocyten hauptsächlich von diesen Körnchen zehren, weil der Kern 1) Le. p. 162. 2) Cp 167. Zool, Jahrb. IIT, Abth, f, Morph, 82 Dr. J. vAN REES, der Fettzellen sich noch lange, nämlich bis zum Zerfall dieser Zelle selbst, beinahe unverändert erhält. Nicht lange verhalten sich die Leucocyten in der eben beschrie- benen Weise. In den Puppen vom zweiten und dritten Tage bemerken wir eine weniger enge Lagerung der Leucocyten um den Kern der Fettzelle; im Thorax, wo der Zerfall der Fettzellen früher eintritt als im Abdomen, sind in den meisten Zellen die Leucocyten schon grössten- theils mehr oder weniger gleichmässig zwischen den Fettkörnern ver- theilt (Fig. 10 und 14, 7); auch hat die Anzahl der Kerne in den Leucocyten hier schon zugenommen (Fig. 23, 7’). Noch mehr ist dies nach dem fünften Tage der Fall; manchmal habe ich über 20 Kerne im Innern einer einzelnen Zelle gezählt (Fig. 15, 7’; 15 von den Kernen liegen in diesem Schnitt). Dabei hat bis dahin die Zahl der Leucocyten selbst in einer Fettzelle bedeutend abgenommen. Während ich früher geneigt war, diese Erscheinung als eine Bildung von Pseudo-Riesen- zellen durch Verschmelzung vieler Leucocyten aufzufassen, glaube ich jetzt, dass eine grosse Anzahl derselben allmählich die Zellen ver- lässt, während die zurückbleibenden sich vergrössern und durch Theilung der Kerne, dann auch der Zelle selbst, für weiteren Nachschub Sorge tragen. Ich beobachtete nämlich am Ende des zweiten Tages, zu einer Zeit, wo „leere“ Leucocyten im Rumpf sehr selten und bei der An- wesenheit so vieler zerfallenden Muskeln im Abdomen auch kaum zu erwarten sind, dass dennoch eine geringe Anzahl solcher Leucocyten in der unmittelbaren Nähe der Fettzellen, im Kopfe und im Thorax gelegen waren. Diese Beobachtung, verknüpft mit der peripherischen Lage vieler Leucocyten in den Fettzellen (Fig. 10, 7 oben), recht- fertigt gewiss meine Vermuthung einer Auswanderung. Wir werden unten sehen, welche Rolle den ausgewanderten Leucocyten ferner vor- behalten ist. Im Thorax erscheinen zu dieser Zeit die Fettzellen dermaassen an einander gedrängt, dass man kaum noch die Membran der Zellen er- kennen kann; doch lässt sie sich in den meisten Fällen nachweisen. Indessen nimmt allmählich die Zahl der Fettzellen hier ab, wie dies bei dem bedeutenden Wachsthum der neu gebildeten Organe wohl nicht auffallen kann. Im Abdomen geht dieser Zerstörungsprocess langsamer vor sich und vollzieht sich hauptsächlich erst in den letzten Tagen der Puppe sowie in den ersten Wochen nach dem Ausschlüpfen der Fliege. «, In diesen letzten Tagen sieht man in den noch übrig gebliebenen Fettzellen vielfach eigenthümliche Löcher, als wenn grössere Körper Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 83 ausgetreten wären. Wahrscheinlich findet ein Austritt von Leucocyten zu dieser Zeit in grossem Maasse statt. Eigenthümlich färbbare Körper bleiben dabei zwischen den Resten der Fettkörner in den Zellen zu- rück; ich konnte sie nicht als normale Leucocyten erkennen, vielleicht sind es degenerirte Formen derselben. Ob sich in diesen letzten Tagen die ausgewanderten Leucocyten noch an besonderen Gewebsbildungen (etwa an der riesigen Vermehrung des bereits angelegten neuen Fett- körpers) betheiligen, wage ich nach meinen bisherigen Erfahrungen noch nicht zu entscheiden. Ich hoffe in einem späteren Capitel hierauf zurückkommen zu können. Zerfall und Umbildung der Tracheen. Viel schwieriger als bei anderen Geweben und Theilen der Puppe ist bei den Tracheen die Frage zu beantworten, wie die Larventheile sich in die imaginalen umgestalten, resp. von ihnen ersetzt werden. Es hängt dies grösstentheils damit zusammen, dass hier entfernt nicht ein so einheitlicher Umwandlungsmodus vorliegt, wie es bei der Hypo- dermis der Fall ist; in noch höherem Grade, als wir dies schon bei dem Darmepithel kennen gelernt haben, zeigt das Tracheensystem in seinen verschiedenen Abschnitten die extremsten Arten der Um- und Neubildung; dies gilt nicht nur für den Vergleich zwischen den Haupt- stämmen und den Endästchen, sondern auch von den verschiedenen Gegenden eines einheitlichen Stammes. Wie nur ein Theil der larvalen Tracheen in die Puppe und ferner nur ein Theil der Puppentracheen in die Imago übergeht, hat Weis- MANN ') bereits ausführlich besprochen. Ein anderer Theil der Tracheen gelangt also dabei zur vollständigen Degeneration. Was das Verhalten der ersterwähnten, sich reconstruirenden Theile des Tracheensystems angeht, so würde es vieler Zeichnungen und aus- führlicher Beschreibungen bedürfen, wollte man von den mannigfachen Einzelheiten, welche dabei hervortreten, ein erschöpfendes Bild ent- werfen. Dies kann nicht die Absicht dieser Mittheilung sein, und ich will mich daher hier auf eine kurze Besprechung der verschiedenen Umbildungsprocesse beschränken. Lange Zeit habe ich gemeint, dass eine regelrechte Umbildung 1) l. c. p. 169 und 218, 6* 84 Dr. J. vAN REES, des Tracheenepithels durch Theilung der alten Zellen an den Haupt- und Seitenstämmen die einzige Art der Umwandlung darstelle. Zwar war ich an ihnen zuweilen auf Stellen gestossen, welche — an der Grenze von gross- und kleinzelligem Epithel gelegen — eine durch Schrumpfung hervorgerufene dunklere Tinction einzelner larvalen Kerne erkennen liessen ; doch konnte ich in der Umgebung solcher Stellen niemals Körnchenkugeln mit nachweisbaren Epitheltrümmern entdecken, wie diese bei der degenerirenden Hypodermis so unverkennbar vorliegen. Dagegen fand sich an mehreren Stellen ein durch Zwischenstufen ver- mittelter Uebergang zwischen den extremen Epithelarten völlig frei von jeder auf Zerfall hindeutenden Erscheinung, so dass an einer directen Regeneration vermittels Zelltheilung hier nicht zu zweifeln war. Solche Stellen finden sich am zweiten Tage im vorderen Abschnitt der Haupt- längsstämme, ferner an diesen Stämmen an den Punkten, wo die seg- mentalen Seitenäste abgehen (vorher im Verlauf dieser Aeste selbst), und an einigen anderen Punkten, in der Nähe der verschiedenen, theil- weise schon von WEISMANN beschriebenen und abgebildeten !) Imaginal- scheiben des Tracheensystems. Die überzeugendsten Bilder haben mir die genannten zur Hypo- dermis ziehenden Seitenzweige geliefert. Es scheint bis jetzt unbe- achtet geblieben zu sein, dass dieselben sich nicht etwa wie andere feine Zweige unverändert bis zu ihrem Ende zwischen den Geweben erstrecken, sondern dass jede mit einer Anschwellung endigt, welche wie eine kleine Insel im Niveau der Hypodermis gelegen ist, sich also an der Begrenzung des Körpers betheiligt. Diese Epithelinselchen werden von der Intima des Tracheenastes durchbohrt; diese steht so- nach mit der Chitinhaut der larvalen Hypodermis in Zusammenhang. Wie die Puppenschale wird auch der peripherische Abschnitt dieser Intima bald nach der Verpuppung braun. Erst bei der Abhebung der Puppenhaut wird derselbe aus der Trachee herausgezogen. Bei der ausgebildeten Larve, wo ich auf diese Inselchen zuerst aufmerksam wurde, sind sie vollkommen scharf ausgeprägt; ich fand sie an allen Segmenten des Abdomens mit Ausnahme des 8., also desjenigen Segmentes, welches selbst ein Stigma trägt. In dem 3. bis 7. Segment bestehen die Inselchen bei der reifen Larve bereits aus imaginalem Epithel, — aus 20 bis 100 winzigen Zellen aufgebaut — den abdominalen Hypodermis-Inseln in verkleinertem Maassstabe sehr ähnlich. Nur die beiden vordersten zeigen die gewöhnliche Art von Are. poll, Tat. XII, Fig. 48: Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 85 Zellen bis an das Ende, die Anschwellung selbst wird hier von nur einer bis zwei Zellen gebildet. Von diesem peripherischen Theile der Seitenäste geht nun die oben erwähnte Regeneration des Astes sowie des entsprechenden Theiles des Stammes aus; die in den weiteren Stadien zu Tage tre- tenden Bilder zeigen dies mit grosser Klarheit. Man findet an der Grenze des larvalen und des imaginalen Bezirkes sehr oft Kerne, welche in der Grösse eine vermittelnde Stellung einnahmen und zuweilen seit- lich nur von den ursprünglichen Zellen begrenzt waren; ferner waren die kleineren schon getheilten Elemente manchmal centripetal ein wenig vorgeschoben, doch dann lagen sie stets ausserhalb der Larven- zellen, so dass diese, wenn sie in Folge dessen zerfallen wären, in das Lumen der Trachee hineingelangen müssten, was niemals beobachtet wurde. Auch die Abwesenheit von bereits in Zerfall begriffenen Ele- menten mit compactem, dunklem Kern liess sich an diesen Stellen con- statiren, ebenso das Fehlen von specifischen Körnchenkugeln in der nächsten Umgebung der Tracheen. Eine Umbildung derselben unter gleichzeitiger Theilung der alten Elemente scheint mir somit durch diese verschiedenen Thatsachen sichergestellt zu sein. Fragt man, was aus diesen regenerirten segmentalen Seitenästen wird, so kann ich hierüber mittheilen, dass sie theilweise zu den vier Stigmen tragenden abdominalen Stämmchen der Imago werden. Für die beiden vordersten ist dies schon am dritten Tage festzustellen. Eins der hintersten (wahrscheinlich das 6.) scheint zum Endabschnitt des ganzen Hauptstammes zu werden. Letzterer functionirt in der Puppe zwar nur in seinem vorderen Abschnitt bis zu der Stelle, wo er sich in die haarschopfähnlichen feineren Aestchen spaltet, wie Weıs- MANN!) sehr genau beschrieben hat; der dahinter liegende Abschnitt der Larventrachee bleibt aber erhalten, bis genau zu der Stelle, wo der erwähnte hintere Seitenast darin einmündet. Nur der darauf folgende Endabschnitt bis zu dem terminalen Larvenstigma zerfällt vollständig, und hier betheiligen sich die Leucocyten lebhaft. Sie lassen hier nur die nackte Intima übrig. — Die nicht functionirenden Stämme und Aeste haben ein relativ viel höheres Epithel als die mit Luft ge- füllten Theile. Da ich an den sich offenbar regenerirenden Abschnitten des Tracheensystems, wie erwähnt, niemals degenerirende Zellen zwischen den andern angetroffen hatte, war ich gezwungen, meine volle Auf- 1) L e. p. 170. 86 Dr. J. van REES, merksamkeit noch einmal denjenigen Stellen zu schenken, wo dies wohl der Fall war. Es hat dies hauptsächlich Geltung für den hinten im Thorax gelegenen Theil der beiden Hauptstämme. An den meisten Querschnitten davon erhält man Bilder, wie sie die Fig. 8 aufweist, wo entweder sämmtliche Kerne klein sind (links bei Zr”), oder noch ein oder mehrere grosse Kerne (rechts bei ir’) die Anwesenheit von alten Zellen neben vielen neuen zu erkennen geben. Bei einer ge- wissenhaften Durchmusterung sämmtlicher Schnitte von mehreren Sta- dien fand ich jedoch, und zwar etwas mehr nach vorn als in genannter Figur, eine Strecke, welche nicht nur die Degenerationsbilder im Epithel selbst, sondern auch die erwarteten Körnchenkugeln in nächster Nähe zeigte, in wenigen Fällen sogar ins Epithel vorgedrungene normale Leucocyten; ferner sah ich an einzelnen Stellen die wuchernde neue Epithelschicht weit innerhalb des alten Epithels vorgedrungen, so dass dies an der Begrenzung des Lumens keinen Antheil mehr hatte. In diesen Fällen konnte über die Bedeutung der Erscheinung kein Zweifel mehr bleiben, es geht also das tracheale Epithel hier stellenweise in der That zu Grunde. Allein in grosser Ausdehnung scheint dies nicht stattzufinden. Es macht mir mehr den Eindruck, als ob nur in solchen Bezirken, wo aus unbekannten Gründen die Reconstruction der alten Elemente durch Theilung nicht rasch genug erfolgen kann, diese durch die kräftiger sich entwickelnden schon regenerirten Nachbartheile über- wuchert und verdrängt werden. So mögen auch hier und da inmitten der sich theilenden Zellen einzelne Elemente, als weniger geeignet für den Process der Erneuerung, zerstört und ausgestossen werden, im Kampfe der Theile von den nächstliegenden Zellen besiegt. Auf einen solchen Process würden sich dann die anfangs erwähnten Bilder be- ziehen, wo degenerirte Zellen vereinzelt zwischen den normalen ange- troffen wurden, ohne Anhäufung von Körnchenkugeln in der Umgebung. In dem weitaus grössten Umfang des Tracheensystems muss ich also eine Erneuerung durch Regeneration der alten Elemente annehmen. Auch scheinen nach meinen Erfahrungen viele aus der Larve her- stammende Theile des Systemes, welche in der Puppe keine Verwen- dung finden, in der Imago zur Function zu gelangen. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 87 Nervensystem. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, war WrISMANN in Bezug auf die Umwandlungen des Nervensystems zu der Ueberzeugung ge- langt, dass einerseits der centrale Theil bei erheblichen Aenderungen in Gestalt und Lage!) den eigenthümlichen Process der Histolyse ?) durchmacht , wobei die Continuität der Gewebstrümmer - Materie erhalten bleibt; dass andererseits der peripherische Theil voll- ständig zerstört wird. Für die Muskelnerven ergab sich dies schon unmittelbar aus der Thatsache, dass sämmtliche Larvenmuskeln zu Grunde gehen; für die Nerven der Gliedmaassen war WEISMANN aller- dings anfänglich einer entgegengesetzten Meinung zugethan. Diese hat er folgendermaassen formulirt 3): „Ich möchte es für wahrscheinlich halten, dass später (gegen Ende der Puppenperiode), wenn die histo- logische Differenzirung der Beine in Haut, Muskeln und Nerven ein- tritt, die neugebildeten Nerven im Innern des Beines in Verbindung treten mit den Nervenfasern des Stieles“. Er stützte sich dabei auf die Beobachtung von in grosser Menge anwesenden Nervenfasern inner- halb der Scheibenstiele (der beiden vorderen Beinscheiben), „kurz ehe die Scheiben sich aus ihren Hüllen befreien, zu emer Zeit, wo die Larvenmuskeln schon in Zerfall begriffen sind“. Von dieser Auffassung ist WEISMANN Später zurückgekommen, namentlich im Hinblick auf die Thatsache, dass bei dem Hervortreten der Kopfblase das gesammte centrale Nervensystem — welches durch die Augenstiele mit ersterer verbunden ist — nach vorne rückt; denn hierdurch würden die ner- vösen Stiele der zu einem Theil des Thorax gewordenen Beinscheiben eine Zerrung erleiden, die wohl nicht ohne Zerreissung der Nerven möglich wäre. Hierzu gesellte sich der Umstand, dass WEISsMANN, als er „sein Augenmerk auf das Verhalten der Stiele kurz vor und wäh- Lb) lie. p 191 2) Von den späteren Autoren ist die Bezeichnung „Histolyse“ viel- fach in einem weiteren Sinne angewandt worden als von WEISMmann selbst; letzterer gebraucht dieselbe ausschliesslich für die ganz besonderen Pro- cesse, welche ohne bedeutende Umgestaltungen nur durch innere Recon- struction der Gewebsmassen zu Stande kommen. 3) Weismann, Ueber die Entstehung des vollendeten Insects in Larve und Puppe, Frankfurt a. M. 1863, p. 24. 88 Dr. J. van REES, rend der Thoraxbildung gerichtet“ hatte, diese „niemals mehr auf- finden konnte, sobald einmal der Thorax geschlossen war, kurz vorher aber zeigten sie sich im Innern feinkörnig und offenbar im Zerfall be- griffen“. Aus letzterer Beobachtung geht jedenfalls deutlich hervor, dass sich in den betreffenden Nerven zu dieser Zeit gewisse Vorgänge abspielen, und ferner, dass, falls sie etwa nicht vollständig zu Grunde gehen sollten, sie doch so zart und zerreissbar werden, dass ihre anato- mische Präparation nicht mehr ausführbar ist. Auch in den Schnitten meinte ich zuerst an einem Theil der Stellen, wo bei den jungen Puppen die nervösen Stiele der drei Beinscheiben und der Flügel- und Schwingerscheiben !) gelegen waren, in den spä- teren Stadien, d. h. nach Bildung des Thorax, nur noch Anhäufungen von Körnchenkugeln anzutreffen. Als ich aber an der Puppe mit eben hervorgestülptem Kopfe nach den erwarteten neugebildeten Nerven suchte, fand ich da nicht nur für die Gliedmaassen, sondern auch für die erst vor kurzer Frist in ihrer Lage so sehr veränderten Antennen den hinzutretenden Nerv vollkommen deutlich ausgebildet, so dass es nicht wahrscheinlich schien, dass man es mit einem eben neu vom centralen Nervensystem hervorgewachsenen Nervenstrang zu thun haben sollte. Trotzdem konnte die Hervorstülpung des Kopfes für diesen Nerv — falls es noch der larvale selbst war — wohl kaum ohne Zerrungen vorübergegangen sein. Bei Zurückverfolgung dieses Punktes in den Schnitten der vorhergehenden Stadien konnte ich nun — zwar nicht ohne grosse Mühe, aber doch zweifellos — den Nerv stets in voller Ausdehnung auffinden. Umgekehrt habe ich dann bei der Larve anfangend die Nerven der Gliedmaassen verfolgt und dasselbe Resultat eines directen Ueberganges dieser Nerven in die Puppe erhalten ?). Nur in einem Falle sah ich im Verlauf eines der Nerven vom 1. oder 2. Beine eingedrungene Leucocyten anwesend, welche auf den Anfang 1) Bei den Scheiben der beiden vordersten Beinpaare sind die ner- vösen Stiele mächtig und kurz, die anderen Imaginalscheiben stehen in- dessen gleichfalls vermittels Nerven mit dem Bauchstrang in Verbindung. 2) Ich darf nicht unerwähnt lassen, dass in wenigen Fällen kleine Fehler in den Schnitten, verursacht durch die ausserordentliche Brüchigkeit der- selben, es unmöglich machten, den Nerv in vollständiger Ausdehnung auf- zubauen, was niemanden wundern wird, der sich mit ähnlichen Gegen- ständen beschäftigt hat. Niemals war dies indessen in solchem Maasse der Fall, dass man über die Frage selbst in Ungewissheit hätte bleiben können, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v, Musca vomitoria. 89 eines Zerfalles hinwiesen. Es war dies kurz vor der Bildung des Thorax, also nach dem Zerfall der Thoraxmuskeln. Die früher so massiven Nerven der vorderen Beinpaare sind in dem Stadium lang und schmächtig geworden, ohne jedoch merkbaren Schaden aus den erlittenen Zerrungen davongetragen zu haben. Nun ist die unterste Hälfte dieser Nerven gemischt, indem von dem zur Scheibe laufenden Haupttheil in etwa halber Höhe ein Muskelast sich abzweigt. Ich ver- muthe, dass es die motorischen Nervenfasern waren in diesem ge- mischten Theile des Nerven, denen der Besuch der erwähnten Leuco- cyten galt. Möglicherweise sind es auch solche Nervenabschnitte ge- wesen, an denen WEISMANN seine Beobachtung eines feinkörnigen Innern gemacht hat. Doch will ich andererseits die Möglichkeit geringer, mit der Bildung von feinsten Fetttrépfchen verbundener Processe im Innern der sich regenerirenden Nerven nicht bestreiten, weil bei der von mir befolgten Arbeitsmethode darüber keine Erfahrungen zu machen waren. Ueberhaupt wird man bei dieser Methode darauf verzichten müssen, die in WEısmann’s Beschreibungen so oft erwähnte Erscheinung der Bildung von fein vertheiltem Fette in den Elementen, sei es beim Zerfall, sei es bei der blossen Umwandlung des Zellinnern, kennen zu lernen. In diesem Punkt wird die Präparation der Theile bei grösseren Ob- jecten wie Coleopteren- und Lepidopteren-Larven wohl ergänzend heran- gezogen werden müssen. Nach dem oben Gesagten muss ich mich also WEISMANN’s erster Auffassung anschliessen. Für den Hauptstamm der Nerven betont er selber schon die Möglichkeit, dass die drei aus dem mittleren Theile des Bauchmarkes seitlich abgehenden Nervenpaare, welche „offenbar das dritte, vierte und fünfte Paar der Larve sind“, „sich zu den drei Hauptnerven des Thoracalknotens der Fliege umwandeln“, mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass „nur der Stamm der Rest eines Larven- nerven sein könnte“, während „die Nerven der Beine in ihrer grössten Länge neu entstehen“, wie „ihre Endigung in neu entstandenen Theilen beweist“. Hierin muss ich Wersmanx durchaus beipflichten. Ich konnte den larvalen Nerven nur bis an die Basis der eben ausgestülpten Beine verfolgen, der weitere Verlauf war in diesem Stadium noch nicht aus- gebildet. Der am meisten peripher noch eben erkennbare Abschnitt des Nerven war kaum von feinsten blassen Fasern zu unterscheiden, welche im Basalglied des Beines im Mesenchym zu erkennen waren. Obschon also die Vermuthung nahe liegt, dass der in den Gliedmaassen gelegene Abschnitt des Nerven sich aus diesem Mesenchym durch Differenzirung ausbildet — und zwar unter Einfluss des hinzutretenden 90 Dr. J. van REES, regenerirten Larvennerven und in directem Anschluss an die sich be- kanntlich aus den Mesenchymfasern bildenden Muskelfasern — so kann ich nach meinen jetzigen Beobachtungen mich hierüber noch nicht be- stimmt aussprechen und muss vor der Hand die Möglichkeit zugeben, dass an dieser Stelle das Mesenchym nur die Muskeln liefert, während der Beinnerv von dem auswachsenden Larvennerven gebildet wird. Theoretisch scheint mir dies bei dem innigen Znsammenhang des Nervenendes mit den Mesenchymzellen der Imaginalanlagen ebenso denkbar. Ueber das Loos der übrigen peripherischen Nerven der Larve habe ich keine umfassenden Beobachtungen angestellt, so dass ich über die Frage, inwiefern dieselben in dem Körper der Imago Verwendung finden, keine Auskunft geben kann. Nur darf ich nicht unerwähnt lassen, dass ich in den Schnitten in keinem Stadium die am hinteren Ende des Bauchmarkes entspringenden Abdominalnerven vollständig vermisste, so dass ich annehmen muss, dass auch hier in der zeitweise besonderen Zartheit der Grund gelegen ist, warum WEISMANN von dieser ,,Cauda equina zu einer gewissen Zeit keine Spur mehr auf- finden konnte. Auch die wichtige Frage, wie die neue Verbindung von Nerv und Muskel oder Sinnesorgan in der Puppe zu Stande kommt, musste ich bis jetzt an dem untersuchten kleinen Objecte vollständig ungelöst lassen. Dagegen möchte ich in diesem Capitel noch einige Bemer- kungen machen über den oben bereits zur Sprache gelangten nervösen Augenstiel, speciell über dessen Ursprung aus dem Ganglion opticum in Bezug auf die hierin bei der weiteren Entwicklung auftretenden bedeutenden Aenderungen. Soviel ich weiss, ist die eigenthümliche Art, in welcher der Augenstiel dem genannten Ganglion entspringt, noch nie genau be- schrieben worden. WEISMANN hat sich darüber nicht speciell ausge- sprochen ; wahrscheinlich liess die Beobachtung der durchscheinenden Ganglien von den hier gemeinten feineren Verhältnissen sehr wenig erkennen. GANIN scheint dem Augenstiel überhaupt wenig oder gar keine Aufmerksamkeit zugewandt zu haben. Dagegen gebührt VIALLANES das Verdienst, die Theile des Ganglion opticum, mit welchen die Nervenfasern des Augenstieles in unmittelbarer Verbindung stehen, er- kannt und nach seinen Schnitten sorgfältig beschrieben zu haben !), wie er denn auch die schon von WEISMANN beobachtete bedeutende 1) ViazLANESs, |. c., p. 269 sequ. (flg.). Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 91 Verkürzung dieses Augenstieles !), sowie das Hervorwachsen der nächst- gelegenen Theile des Ganglions während der weiteren Entwicklung ausführlich geschildert hat ?). Trotzdem ist auch VIALLANES zu einem richtigen Verständniss des Zusammenhanges dieser beiden nicht gelangt. Es mag dies wohl hauptsächlich daher rühren, dass er sich nicht genügend bemüht hat, die Theile aus den aufeinander folgenden Schnitten zu reconstruiren, sondern sich seine Auffassung nach denjenigen Schnitten bildete, welche ihm gut orientirt zu sein schienen. Nun ist dies beim aus- gebildeten Auge mit seiner ausgesprochenen Achse sehr leicht zu ent- scheiden, denn hier ist jeder Schnitt gut orientirt, welcher durch diese Achse geht und also sämmtliche radiär angeordneten Theile der Länge nach getroffen zeigt. Anders verhält es sich dagegen bei der Larve und Puppe, wo diese Achse nach VIALLANES eigenen Angaben ?) noch nicht gebildet ist; hier ist eine sichere Orientirung nur an einem solchen Schnitte möglich, in welchem der Augenstiel der Länge nach getroffen ist. Dies ist nun an Querschnitten eigentlich nie der Fall, wenn es auch an einigen den Anschein haben mag. Namentlich gilt dies von dem Zustand nach der Ausstülpung des Kopfes, wo der Augenstiel noch bedeutend mehr nach vorne gerichtet verläuft. Da nun VIALLANES seine Beobachtungen ausschliesslich an Querschnitten gemacht hat, so stellen auch seine Abbildungen *) nicht in der Längs- achse orientirte Schnitte dar. Nur eine Figur5) macht eine Aus- nahme, es ist gerade diejenige, über deren Richtung er nach seiner Angabe) eben nicht orientirt ist; wir haben hier einen ganz richti- gen Längsschnitt durch den Augenstiel vor uns, welcher dessen Ver- bindung mit dem Ganglion, wie andererseits mit dem Augenepithel vollkommen übersichtlich zeigt. Es weicht dies aber hinreichend von dem in den übrigen Figuren wiedergegebenen ab, um bei VIALLANES die Meinung zu wecken, dass es nur einem Uebergangsstadium ange- hört, welches kaum einige Stunden dauern dürfte, weil er es unter zahlreichen Puppen nur einmal beobachtet habe. Wenn wir aus den verschiedenen Bildern, welche uns die auf- einander folgenden Schnitte zeigen, das ganze Organ wieder aufbauen, 1) Weısmann, 1. c., p. 197. 2) VIALLANES, 1. c., p, 317. Bec. hip 20: 4) l.¢, Taf. XVI, Fig. 9, Taf. XVII, Fig. 1, 2, 4 und 5. 5) L c., Taf. XVII, Fig. 3. 6) l. c., p. 316. 92 Dr. J. van REES, so tritt der besprochene Zusammenhang deutlich zu Tage. Hierzu können natürlich sowohl Längs- wie Querschnitte verwendet werden, am Besten zur genaueren Controle beide. In Figur XIII und XIV, S. 52 und 53, habe ich in diesem Sinne einen Versuch gewagt. Die Sache verhält sich danach sehr einfach. Die Basis des Augenstieles hat die Gestalt eines Halbmondes, und dieser Halbmond ist seitlich und dorsal über die Oberfläche des Ganglion opticum ausgebreitet und zwar nach der Ausstülpung des Kopfes (Fig. IV) mit dem convexen Rand nach der Seite und ventral, sowie nach vorn, mit dem concaven Rand dorsal und medial gerichtet. Der Halbmond ist bedeutend länger als breit; der Stiel stellt entsprechend ein mässig breites, aber sehr plattes Band dar. In der Richtung des Epithels verbreitert dies sich, wie oben erwähnt, zu dem dem Epithel innig angeschmiegten und ver- mittels feinster Fäserchen mit demselben verbundenen peripherischen Nervenplexus (Taf. I, Fig. 9 und 10, pNpl). Vor der Bildung des Kopfes ist die Lage des Halbmondes eine andere; der convexe Rand ist nämlich nicht nach der Seite, sondern hauptsächlich nach vorne gerichtet, theilweise auch ventral; es lässt dies auf eine durch Zug des Augenstiels bei der Kopfbildung hervorgerufene geringe Umdre- hung der Gesichtsganglien, und zwar nach der Seite hin, schliessen. Jeder Schnitt nun, welcher senkrecht auf den Halbmond steht, also senkrecht auf das Ganglion in dem ganzen Bereich des Stielansatzes, wird ein gleiches Bild derjenigen Theile des Ganglions zeigen, mit wel- chen der Stiel selbst in unmittelbarer Verbindung steht. Ferner wird ein Theil dieser Schnitte auch den Stiel selbst der Länge nach treffen. Einen solchen Schnitt habe ich in Fig. XII, S. 51, wiedergegeben; er liegt um einige Schnitte weiter der Mitte zu als derjenige von Taf. I, Fig. 10, dessen Lage in Fig. XIV durch die unterbrochene Linie angege- ben ist. Trotz der geringen Vergrösserung wird man erkennen kön- nen, dass ein solcher Schnitt vollkommen mit VIALLANES’ erwähnter Fig. 3 (Taf. XVII) übereinstimmt, abgesehen von den tieferen Theilen des Ganglions'). Diese Abbildung des Stieles sammt dessen Ursprung macht es mir vollkommen überflüssig, auf die Einzelheiten der Struc- tur hier näher einzugehen, da ich in diesem Punkte in den Haupt- sachen VIALLANES’ Befunde nur bestätigen kann; ebenso gilt dies von 1) Aus der Betrachtung von Fig. XIV folgt mit Sicherheit, dass dieser Schnitt, über dessen Orientirung Vrazzanes im Unklaren blieb, nichts an- deres gewesen sein kann als ein ziemlich schräg gerathener Querschnitt und zwar durch den bereits ausgestülpten Kopf, einen Winkel von etwa 45° bildend mit der angegebenen Richtung meiner Längsschnitte. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 93 seiner Beschreibung des merkwürdigen Processes der Verkürzung des Stieles, wobei die aus Zellschnüren gebildete Ganglienschicht (lame ganglionnaire) sowie die tieferen Schichten — welche im besprochenen Stadium noch keilförmig in dem Ganglion eingebettet liegen — wie hervorgezogen und zu ausgebreiteten Schichten von verschiedener Mäch- tigkeit ausgedehnt werden, wobei sie als nervöser Theil des Auges (wie in der Retina der Wirbelthiere) dem Sinnesepithel innig ange- schmiegt werden. Ich kann mich damit begnügen, hierüber auf VIAL- LANES’ gewissenhafte Ausführungen und Abbildungen zu verweisen. Aus meiner Fig. XIV ist ersichtlich, dass man das keilförmige Bild der Stielwurzel (bei senkrecht getroffenem Halbmond) sowohl bei einer gewissen Anzahl von Längs- oder Schrägschnitten (sagittal) wie bei Querschnitten erhalten kann. Dies gilt gleichfalls von dem Stadium vor der Kopfbildung (vergl. Fig. XIII); der Längsschnitt muss in die- sem Falle frontal gemacht sein; auf sagittalen Längsschnitten wird der Halbmond nicht senkrecht, sondern tangential oder sehr schräg getroffen, wie Fig. XI, S. 50, es uns zeigt. Bei der bedeutenden Krümmung des Halbmondes ist es leicht ersichtlich, dass auf Querschnitten durch dieses Stadium der Halb- mond zweimal getroffen wird. Da letzterer sich an der dorsalen Fläche des Ganglions weiter nach hinten erstreckt als an der ventra- len, so müssen die hintersten Schnitte, welche den Halbmond noch treffen, diesen nur dorsal gelegen zeigen. Verfolgt man die Schnitte nun weiter nach vorn, so kommen bald solche, die auch ventral den ‚Durchschnitt durch den Halbmond zeigen. Beide sind meistens jedoch nicht genau senkrecht und weichen also einigermaassen von dem er- wähnten typischen keilförmigen Bilde ab. Solche Durchschnitte sieht man bei VIALLANES in Fig. 8, Taf. XVI und Fig. 2, Taf. XVII wie- dergegeben. Um diese Bilder zu erklären, hat VIALLANES angenom- men, dass die Stielwurzel sich nach hinten wie ein A in zwei Schen- kel spaltet. Dass dem nicht so ist, das lehrt uns die weitere Ver- folgung der Schnitte nach vorne, wobei die beiden Durchschnitte sich allmählich nähern, um bald zusammenzutreten, — jedoch mit verän- dertem Aussehen, weil die tieferen Theile des Keiles nicht mehr getroffen sind, — um dann sehr bald gar nicht mehr im Schnitt zu erscheinen, weil dieser über den vorderen Rand des Halbmondes hin- ausgegangen ist. In den vordersten dieser den Halbmond tangirenden Querschnitt ist natürlich von denselben nur die äussere Ganglien- zellenschicht noch getroffen, meist in Verbindung mit einem längeren oder kürzeren Theil des Augenstieles. Dasselbe zeigt sich in jedem 94 Dr. J. van REES, anderen Schnitt, der parallel dem Aussenrande des Halbmondes ge- führt ist, so z. B. in Fig. 10, Taf. I. Die an Kernen reiche Gegend, auf welche die Bezeichnung Aus hinzeigt, ist dieser peripherische Theil der Stielwurzel (Ganglienzellenschicht). Nun sieht man diese Schicht nach aussen (also nach links in der Figur) scharf begrenzt von einer rinnenartigen Bildung, welche sich in der Ausdehnung wie in Fig. 10 (R) nur in sehr wenigen Schnitten zeigt, dagegen in den hinteren Schnitten ventral und dorsal und zwar als seichte Furche so lange noch zu erkennen ist, als der Halbmond überhaupt noch ge- troffen wird. Es sind diese letzteren senkrechte Schnitte durch die Rinne, welche VIALLANES als problematisches „U-förmiges Organ“ be- schrieben und abgebildet ') hat; man sieht sie bei ihm meiner Be- schreibung gemäss je an der Aussenseite des ventralen und des dor- salen Durchschnittes durch den Halbmond. Wo letzterer nur einmal und dabei senkrecht getroffen wird, erscheint die Rinne natürlich ebenfalls nur einmal und dann gleichfalls genau senkrecht durch- schnitten, sodass man ihre Tiefe dann sicher ermitteln kann. Es er- gibt sich also hieraus, dass diese Rinne, in ihrem regelmässigen bogenförmigen Verlaufe über die Oberfläche des Ganglion opticum genau die mediale resp. (nach Bildung des Kopfes) ventrale Begren- zung der Stielwurzel darstellt. Die Elemente, welche diese Grenzrinne bilden, zeigen bei ihrer regelmässigen Lagerung eine grosse Aehnlichkeit mit echtem Epithel, dürfen jedoch wohl nur als eine eigenthümliche Form der äusseren Schicht der kleinen zelligen Rinde des Ganglions betrachtet werden. Auch noch in Fig. 9, Taf. I gibt sich diese epithelähnliche Anord- nung, wenn auch weniger deutlich, zu erkennen; der Schnitt liegt hier bedeutend oberflächlicher, sodass von der Rinne nur der mediane oder äussere Wall (der Krümmung nach) getroffen ist. Eine ähnliche Zu- sammensetzung aus scheinbaren Epithelzellen zeigt die Oberfläche des Ganglions auch an einigen anderen Stellen. Ich muss die Bedeutung davon, sowie diejenige der Grenzrinné, vorläufig noch dahingestellt bleiben lassen, doch hofie ich die anatomische Lagerung dieser Rinne, der angrenzenden Stielwurzel und des Stieles selbst, vor und nach der Kopfbildung, hiermit klargelegt und dadurch VIALLANES’ Ausfüh- rungen in einigen Punkten theils berichtigt, theils ergänzt zu haben. Ueber die immer noch nicht detaillirt genug beschriebenen Unter- theile des Ganglion opticum und der übrigen Abschnitte des centralen 1).1. 0, pe neds. Pat 17, ) Hig 3, 2, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 95 Nervensystems lässt sich ohne viele und ausführliche Zeichnungen, wie ich diese jetzt nicht darbieten kann, nicht handeln, so verlockend die Aufgabe sonst auch wäre. Ich will jedoch einen einzigen Punkt daraus hier noch zur Sprache bringen, nämlich die Form desjenigen centralen weissen Abschnittes des Augenganglions, welches die Stiel- wurzel direct aus sich hervorgehen lässt und welches VIALLANES noyau central“ genannt hat!). Es genügt hervorzuheben, dass in den Puppen mit noch unverkürztem Augenstiel diese Schicht in der Form sich vollständig derjenigen des Halbmondes anschliesst; sie hat also auch Hufeisenform, wenn auch in ganz anderem Sinne als VIAL- LANES dies meint ?), nämlich mit der Concavität nicht nach aussen, sondern nach hinten; es sind also nicht die Enden dieses Hufeisens welche in VIALLANES’ Figuren ?) mit den Durchschnitten der Stiel- wurzel in Verbindung stehen, sondern beliebige Theile des Hufeisens in seinem (seitlichen) Verlauf, welches über seine ganze Länge mit der Stielwurzel in nächster Verbindung steht. Nicht in einem Quer- schnitt, wie der erwähnten Fig. 8 von VILLANES, sondern im sagitta- len (vor der Kopfbildung) oder frontalen Längsschnitt (nach dieser Bildung) kann man dieses Hufeisen der Länge nach getroffen sehen ‘). Bildung der Brustmuskeln aus Larvenmuskeln. Im ersten Abschnitt dieser Abhandlung habe ich kurz erwähnen müssen, dass nicht alle Larvenmuskeln früher oder später den Leuco- cyten anheim fallen, sondern dass gewisse Muskeln des Thorax diesem Schicksal entgehen, indem sie dem Eindringen der Leucocyten Wider- stand leisten, um sodann eine weitere und grossartige Entwicklung an- zutreten. Wir werden uns jetzt zu einer näheren Betrachtung dieses höchst eigenthümlichen und bis jetzt noch nicht erkannten, unter den Erscheinungen der Metamorphose einzig dastehenden Processes wenden müssen. jé Die Entstehungsweise der imaginalen Brustmuskeln gehört zu den- jenigen Punkten der postembryonalen Entwicklungsgeschichte der Del. c.,.p: 321, Tat. 17 nig. 1 ne. 2) l. c., p. 323 und 324. 3) Le, Taf. XVI Fig, 8 «und Taf. XVII): Fig. 2. 4) Man erblickt dasselbe in dem äusseren, hellen, halbkreisförmigen, centralen Abschnitt des Längsschnittes durch das Ganglion opticum auf Taf. I, Fig. 3. 96 Dr. J. van REES, Fliegen, welche von den verschiedenen Autoren am ausführlichsten behandelt worden sind. Dadurch ist die Ausbildung der Muskeln von dem Zeitpunkt an, wo sie als eigenthümliche strangförmige Gebilde nicht zu verkennen sind, in den Hauptpunkten vollständig klargelegt worden, wenn auch in den Einzelheiten die Angaben vielfach aus- einander gehen. Dies Letztere aber ist in viel höherem Maasse der Fall, wo es sich um die Frage nach der Herkunft der Muskelanlagen handelt. Während WeismAnN') eine Entstehung aus den Producten der Körnchenkugeln annahm, liess KÜNCKEL D’HERCULAIS ?) sie den Imaginalscheiben, GAnIn *) dem Mesoderm dieser Scheiben entstammen; VIALLANES *) hingegen leitete sie aus den Producten einer Spross- bildung der Fettzellen her, welche Ansicht uns später noch beschäf- tigen wird. KowaLevsky 5) endlich schliesst sich der Gantn’schen Auffassung an. Letztere ist sicher theilweise vollkommen richtig, doch hat sie die Hauptsache des Problems gar nicht gelöst, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die beiden russischen Forscher, wie dies auch bei WEISMANN und KÜNCKEL D’HERCULAIS der Fall gewesen war, nur die mesodermalen Umhüllungen des Muskels in dessen Anlage er- kannt und diese für die Anlage des Muskels selbst gehalten haben; die im Innern gelegene wirkliche Muskelsubstanz scheint ihnen ent- gangen zu sein. In diesem Punkte hat nun VIALLANES entschieden einen bedeu- tenden Schritt vorwärts gethan, indem er — die Entwicklungsbilder an den Schnitten von den späteren Stadien an zurückverfolgend — bis zu jüngeren Stadien den Sachverhalt hat aufklären können, als seine Vorgänger dies gethan hatten. Dennoch hat ihn dies aus Mangel an noch zwei bis drei jüngeren Stufen nicht davor schützen können, zu vollständig falschen Deductionen zu gelangen; auch mag unzweck- mässige Färbung der Schnitte an diesem Misserfolg mit Schuld ge- wesen sein. Wie VIALLANES habe ich die Stadien ,,à reculons‘ untersucht und bin dabei über seine Anfangsstadien hinaus zu drei weiteren Stadien gelangt, welche mir das überraschende Resultat lieferten, dass es drei Paar Larvenmuskeln sind, welche durch eine be- sondere Umbildung zur Anlage der Brustmuskeln 1) Weısmann, |. c., p. 201. 2) Küncker pv’Hercvtars, |. c., p. 196, 199. 3) Ganin, |. c., vergl. VIALLANES 1. c., p. 236. 4) VIALLANES, |. c., p. 238. 5) Kowaevskry, IL. c., p. 123. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 97 werden. Bei der Schilderung dieses Processes schreite ich sofort zur Darstellung der aufeinanderfolgenden Entwicklungsstadien, ohne diese zuerst im Sinne der angewandten Untersuchungsmethode in um- gekehrter Folge zu beschreiben, wie VIALLANES dies gethan hat, was zwar in solchen Fällen sehr zu empfehlen ist, wo der Zusammenhang der vorgeführten Stadien dem Autor selbst ziemlich wenig gesichert erscheinen dürfte — wie es den Anschein hat —, was indessen in unserem Falle durchaus überflüssig ist. Bei der Larve wie bei der jungen Puppe können wir die regel- mässige segmentale Anordnung der verschiedenen Muskeln des Ab- domens, welche nur im 8. Segment Abweichungen unterliegt, auch im 3. und 2. Segment des Thorax wiedererkennen, während das erste Segment und das Kopfsegment der Larve bedeutende Abänderungen dieses Schemas aufweisen. Eine ausführliche Erörterung der Mus- culatur bei der Fliegenlarve liegt durchaus ausserhalb des Rahmens dieser Abhandlung. Ich will nur erwähnen, dass an der Rückenseite, unmittelbar neben dem Rückengefäss, beiderseits eine äussere und eine innere Gruppe von je drei gestreckten Schrägmuskeln gelegen ist, und zwar ungemein regelmässig und eng neben einander, in der Weise, dass, namentlich bei der äusseren Gruppe, jeder Muskel bei seinem schrägen Verlauf sich an der Grenze des nächsten Segmentes da in- serirt, wo der Nachbar des entsprechenden Muskels von diesem Seg- ment entspringt, indem also, mit andern Worten, die Insertionsstelle der Muskeln bei dem schrägen Verlauf immer genau um die Breite eines Muskels sich versetzt. Dabei convergiren die drei Muskelpaare der inneren Gruppe nach hinten, die der äusseren nach vorn. Diese drei Paar Schrägmuskeln der äusseren Gruppe nun sind es, welche im zweiten Thoraxsegment erhalten bleiben, um durch eine Reihe von Umgestaltungen und Entwicklungsprocessen zu den bedeutendsten Thoraxmuskeln der Imago, den Flügelmuskeln, zu werden. Wie dies zu Stande kommt, soll uns die folgende Schilderung klarlegen. Während man bei einer ganz jungen Puppe an den Querschnitten durch die eben angedeuteten drei Paar Muskeln keine Merkmale ent- decken kann, durch welche sie sich von den nächstliegenden oder von andern Muskeln wesentlich unterscheiden, und nichts an ihnen uns auf den Gedanken einer ganz anderen Bestimmung bringen könnte, so kann dies von einer Puppe, bei welcher die Gliedmaassen im Be- griff sind, an die Oberfläche zu treten, nicht mehr behauptet werden. Es sind in der Muskelgegend des Rückens zwei Aenderungen aufge- treten, wodurch dies Stadium sich von dem vorhergehenden bezeich- Zool, Jahrb, III. Abth. f. Morph. 7 98 Dr. J. van REES, nend unterscheidet. Erstens hat sich mesodermales Gewebe !) in der Umgebung der äusseren Muskelreihe und namentlich zwischen den beiden Reihen entwickelt; zweitens zeigen die Muskeln selbst eine scheinbar geringe, jedoch wesentliche Veränderung. Zur Illustration dieses Stadiums möge Fig. 12, Taf. II dienen, in welcher die Hälfte der hinteren Randpartie eines (in Fig. 5, Taf. I abgebildeten) Quer- schnittes durch die Mitte des zweiten Thoraxsegments einer Puppe von der zweiten Hälfte des ersten Tages wiedergegeben ist. Die theils aus larvalem, theils aus imaginalem Gewebe aufgebaute Hypodermis fand in einem früheren Abschnitt (S. 54) bereits Erwähnung. Von den die Muskel- und Epithelfragmente einschliessenden Körnchenkugeln, sowie von „leeren“ Leucocyten sind die Elemente der Mesenchym- wucherung deutlich zu unterscheiden; sie erstrecken sich beinahe an der ganzen inneren Seite der drei Muskeln entlang, wenn auch nicht gleichmässig stark angehäuft. An anderen Schnitten ist dies indessen nicht so der Fall, und bei einer vollständigen Durchmusterung ergiebt sich die Mesenchymmasse in dieser Puppe als ein längliches und plattes Band, welches, in der Mitte breiter als an den Enden, schräg von hinten nach vorn und von aussen nach innen, an den drei Muskeln entlang verläuft; es beginnt hinten in unmittelbarer Nähe der Meso- dermmasse der Flügelbasis (siehe Fig. 5 mes), um mit seiner Haupt- masse nach einander am linken, am mittleren und dann am rechten Muskel entlang zu laufen und neben diesem letzteren sein Ende zu erreichen, welches nur noch aus spärlichen Ausläufern der Zellschnüre besteht. Die einzelnen Mesenchymzellen sind meist breit spindelförmig, mit stumpfen Spitzen, mehr oder weniger eng an einander gelagert und je nachdem mehr polyedrisch oder mehr abgerundet auf dem (Querschnitt. In den Lücken zwischen den Zellen sind hier und da einzelne Leucocyten zu bemerken, gleichfalls in kleinen Haufen neben ersteren. Was die Muskeln selbst betrifft, so unterscheiden sie sich von allen anderen Muskeln nicht nur durch ihre längere Widerstands- fähigkeit gegen die Angriffe der Leucocyten, in welcher Hinsicht, wie wir oben gesehen haben, auch einige andere Muskeln bei ihrer fort- dauernden Thätigkeit Bedeutendes leisten, sondern durch die Lage 1) Auch dies bis jetzt von meinen Vorgängern mit dem Namen ,,Meso- derm“ bezeichnete Gewebe fällt vollständig unter den von den HeErtwies aufgestellten Begriff des ,Mesenchyms‘“, so dass ich es vorziehe, mich dieser Bezeichnung zu bedienen, vergl. oben 8. 64. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 99 und Form ihrer Kerne. Diese haben nämlich nicht die gewöhnliche oberflächliche Lage, bei flach linsenförmiger Gestalt, sondern sie sind mehr oder weniger vollkommen sphärisch geworden und haben ange- fangen, sich um ein Geringes von der Oberfläche zu entfernen. Es hat sich hier also ein Zustand gebildet, welcher dem Verhalten der Kerne bei den anderen nicht mehr functionirenden Muskeln — welche sich von der Muskelmasse abheben, als wollten sie wegfliehen — voll- ständig entgegengesetzt ist. Es ist dies um so bemerkenswerther, als die persistirenden Muskeln mit ihrer Function als solcher vorläufig gleich- falls zu Ende sind, da in diesem Stadium eine Ablösung von ihrer vor- deren Ansatzstelle bereits erfolgt ist, und zwar noch vor der Verdrän- gung der mit den Muskelsehnen in Verbindung stehenden larvalen Hypodermiszellen; dagegen ist nach hinten die Verbindung von Mus- kel und Haut noch unverändert erhalten. Auch in der Muskelsubstanz ist indessen eine nicht minder wich- tige Aenderung eingetreten. Sucht man an der Oberfläche des Mus- kels nach Spuren der Protoplasmareste, welche an den normalen Lar- venmuskeln in der Umgebung der Kerne und dort auch noch im ersten Stadium oder kurz vor der Degeneration (siehe Fig. 17 obere Hälfte) zu erkennen sind, so wird man diese hier nicht mehr finden; dafür erscheint die differenzirte (contractile) Muskelsubstanz deutlicher fein- körnig, als dies beim Larvenmuskel der Fall ist, wo die gröbere Zeich- nung auf das Mosaik der Connuerm’schen Felderung zurückzuführen ist. Es scheint somit, als wenn die nicht differenzirten Protoplasma- reste des Muskels sich mit der contractilen Substanz vermischt ha- ben; indessen kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben, ob auch die Querstreifung hier schon vollständig aufgegeben ist, weil ich nicht über Längsschnitte aus diesem Stadium verfüge, doch war an Quer- resp. Schrägschnitten durch die Muskeln einer Puppe von nahezu gleicher Entwicklungsstufe eine schwache Andeutung von, Streifen noch zu bemerken. Jedenfalls werden wir sehen, dass bald auch davon durchaus nicht mehr die Rede sein kann. In Fig. 17 tritt der Unterschied zwischen den persistirenden Muskeln und den darunter liegenden degenerirenden deutlich zu Tage. Die äussere Erscheinung der ersteren ist so characteristisch, dass ich sie auch in der eben erwähnten nur wenig älteren Puppe sofort erkannte, obgleich hier die nächstliegenden Muskeln der inneren Reihe weniger weit in der Degeneration vorgeschritten und noch kaum von Leucocyten angetastet waren. An dieser Puppe zeigte sich recht deutlich, dass die verschiedenen und theilweise von einander auch pe 7 100 Dr. J. van REES, unabhängigen Entwicklungsprocesse des Körpers durchaus nicht gleichen Schritt halten, indem in dem einen Individuum das eine Organsystem, in einem anderen wieder das andere den übrigen in der Schnelligkeit der Entwicklung, sei es vorwärts oder rückwärts, den Rang abläuft. Denn bei dieser Puppe war neben den minder weit vorgeschrittenen Stadien der Muskeln eine viel weitere Entwicklung der Hypodermis nicht nur, sondern auch des Mesoderms der zukünftigen Flügelmus- keln zu constatiren. Letzteres zeigte insofern eine über obige Be- schreibung hinausgehende Entwicklung, als es bei dem engen Zusam- menliegen der bleibenden und der zerfallenden Muskeln zwar weniger kräftig zwischen diese beiden vorgedrungen war, dafür aber um so reichlicher sich in der Körperflüssigkeit zwischen Muskeln und Hypo- dermis entwickelt hatte, wobei es als lockere Masse genau so weit nach der Mittellinie reichte, als die neue Hypodermis sich über die zerfallende larvale ausgebreitet hatte. Seitlich aber, also in nächster Nähe des äusseren schmalen Muskels, hatte es sich zu einer compac- teren Anhäufung ausgebildet, welche in eine viel innigere und breitere Communication mit dem mesodermalen Hauptlager der Flügelbasis getreten war, als dies im vorigen Stadium der Fall war. Ich kann mir das erste Auftreten des Mesenchyms in der Muskelgegend danach nur in der Weise vorstellen, dass von jenem mesodermalen Haupt- lager anfänglich nur wenige Mesenchymzellen in die betreffende Mus- kelgegend wandern, sich dort allmählich in bestimmter Lage ansanı- meln, um sodann theils durch eigene Vermehrung, theils durch weite- res Nachwandern neuer Elemente, welche unter Anderem auch an der imaginalen Hypodermis entlang ziehen, zur grösseren Mächtigkeit sowie zu einer näheren Verbindung mit dem Hauptlager selbst zu gelangen 1). 1) Ich darf hier eine Thatsache nicht unerwähnt lassen, welche ge- eignet sein dürfte, auf die (wenn auch sehr wenig wahrscheinliche) Mög- lichkeit einer anderen Entstehungsweise des betreffenden Mesenchyms hinzudeuten. Lateral an der Mesenchymwucherung von Fig. 12 entlang erstreckt sich ein eigenthümlicher zarter Strang, zum Theil wenigstens aus einem feinen Nerven bestehend, welcher von einer Bindegewebshülle umgeben ist. Diese letztere ist in Fig. 12 getroffen in der kurzen ver- ticalen von der Linie MP durchzogenen Zellmasse (ganz links), und man sieht deren Zellen sich innig an diejenigen des Mesenchyms anschliessen. Der Nerv selbst war bis zu einer geringen Entfernung vom Rückenepithel zu verfolgen, rückwärts erstreckte er sich durch die ganze Höhe des Körpers, bis man das Stämmchen in der Bauchgegend zwischen dem Mesenchym verlor. Ob ein degenerirender oder ein erst neu angelegter Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 101 Ist in der zuletzt besprochenen Puppe die Verbindung der Muskeln mit der Hypodermis noch vollständig erhalten — bis auf den hinteren Ansatz des seitlichen Muskels, für welchen die betrefienden Hypodermis- zellen durch die Ueberwucherung der neuen Hypodermis der Degenera- tion bereits anheimgefallen sind —, so finden wir in dem nächsten Sta- dium, über das ich verfüge, eine vollständige Ablösung der Muskeln von ihren früheren Sehnen, begleitet von einer allseitigen Umwachsung der- selben durch das Mesenchym, welches in der Entwicklung mächtig vor- wärtsgeschritten ist. Man kann sich hiervon leicht überzeugen, wenn man Fig. 13 mit der vorigen Figur vergleicht. Es sind in dieser Fig. 13 die gleichen Theile der anderen Seite wie in Fig. 12 dargestellt und die beiden Figuren sind auf der Tafel so angebracht, dass sie zu- sammen bis auf die kleine Lücke in der Mittellinie — und abgesehen davon, dass sie verschiedenen Entwicklungsstufen angehören — den ganzen hinteren Randtheil eines Querschnittes wiedergeben. In Fig. 13 nun ist der Körper einzig von imaginaler Hypodermis begrenzt, wie denn überhaupt in diesem Stadium die larvale Hypodermis durchweg von der imaginalen verdrängt ist, und in nächster Nähe dieser Hy- podermis erkennt man die Elemente des Mesenchyms, und zwar haupt- sächlich um die drei Muskeln selbst angehäuft, jedoch noch nicht zu einer geschlossenen Masse verbunden, denn sowohl normale Leucocyten wie auch Körnchenkugeln sind in wechselnder Anzahl zwischen den Elementen des Mesenchyms anzutreffen. Die Gestalt dieser Elemente ist hier noch deutlicher als früher als eine unregel- mässig spindelförmige zu erkennen, schlanker und an den Enden viel- fach mehr gebogen als auf dem vorigen Stadium; ihre Länge beträgt 0,01 bis 0,02 mm, die Breite 0,003 bis 0,004 mm. Betrachten wir die Muskelquerschnitte dieses Stadiums, so sehen wir erstens, wie die Kerne sich noch mehr der Kugelform genähert haben und die Oberfläche verlassen, ja theilweise sogar eine vollkom- men centrale Stellung eingenommen haben, so dass sie jetzt im Stande wären, die ganze Muskelmasse bei etwaigen Lebensprocessen wieder vollständig zu beherrschen. Dann zeigt diese Masse selbst eine grö- bere Körnelung als im vorigen Stadium; dabei ist von Quer- oder Längsstreifen, auch wo die Schnitte den Muskel ein wenig schräg treffen, keine Spur mehr zu entdecken; dass solche Streifung jetzt in der That vollständig fehlt, wird vollends zur Sicherheit durch die Bilder, Nerv vorlag, blieb unentschieden, ich konnte nur feststellen, dass ihre Hülle mit dem Muskelmesenchym in continuirlicher Verbindung stand. 102 Dr. J. van REES, welche eine Serie von Längsschnitten durch dies selbe Stadium ge- liefert hat, auf welchen die der Länge nach getroffenen körnigen Muskelmassen die Streifung bestimmt aufweisen müssten, falls sie wirklich vorhanden wäre. Noch zwei weitere Punkte dürften an den Muskeln unsere Auf- merksamkeit erregen. An der links gelegenen breitesten Muskelmasse sieht man den allerersten Beginn einer Zertheilung in zwei Massen, welcher offenbar vermittels der Mesenchymzellen zu Stande kommt. Wir wissen, dass sich diese Muskeln aus einer Anzahl (von 4 bis 6, breitere Muskeln wohl bis 8 oder 12) secundärer Faserbündel von bei- nahe kreisrundem Querschnitt zusammensetzen, wie dies an den En- den des Muskels bei dem Uebergang in die Hautsehnen an den Tag tritt, wo die Trennung thatsächlich zu Stande kommt. Man könnte sich nun denken, dass die Wucherung des Mesenchyms den idealen Trennungsflächen entlang stattfände; doch findet diese Annahme in der durchaus gleichmässigen Beschaffenheit der ganzen Muskelmasse keinen weiteren Stützpunkt. Sicher ist indessen, dass die Wucherung weder zufällig ist — denn man sieht sie nicht nur an dem linken Muskel und in diesem Schnitt, sondern in fast allen und auch an den beiden andern Muskeln auftreten —, noch dass sie den Character eines Angriffes und des Anfanges einer Zerstörung seitens der Mesen- chymzellen trägt — denn zu einer solchen könnte man viel eher eine Bethätigung von Seiten der Leucocyten erwarten, welche viel schneller als andere Elemente der Existenz der bis dahin. so sorgfältig geschon- ten Muskeln ein Ende bereiten würden. Der weitere Fortgang der Entwicklung wird uns bald zeigen, dass die Deutung der Erscheinung als eines Angriffes wohl als unberechtigt ausgeschlossen werden muss. Der zweite Punkt, der noch zu besprechen wäre, ist die That- sache, dass neben vielen in der Grösse unverändert gebliebenen Mus- kelkernen auch einige viel kleinere, namentlich im mittleren Muskel zu bemerken sind, welche mit den kleinen der Muskelmasse zunächst gelegenen oder in diese Masse eingedrungenen Mesenchymzellen des- halb nicht verwechselt werden können, weil sie stets durch eine, wenn auch oft sehr schmale, so doch unverkennbare Brücke der Muskel- substanz von der Oberfläche getrennt sind‘). Es ist also der Ge- 1) Man sieht zwei solche kleine Kerne in dem mittleren Muskel in der Mitte oben unmittelbar neben einander liegen; die sie von der Ober- fläche trennende Substanzbrücke ist zwar gering, aber doch unzweifelhaft vorhanden, während die Zellen, welche am oberen Rande der linken Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 103 danke an eine Einwanderung von fremden Elementen, oder vielmehr von deren nackten Kernen, so gut wie ausgeschlossen; auch brauche ich nicht ausdrücklich zu betonen, dass an ein Eindringen von Leu- cocyten gar nicht zu denken ist, weil diese an ihrer groben Granuli- rung sofort zu erkennen sein würden. Dagegen liest der Gedanke äusserst nahe, dass wir es in den viel kleineren sphärischen Kernen mit Theilungsproducten der grossen Muskelkerne zu thun haben. Be- weisen lässt sich die Richtigkeit dieser Auffassung aus Mangel an fixirten Theilungsfiguren allerdings nicht, doch scheint mir anderer- seits auch kein triftiger Grund dagegen beigebracht werden zu kön- nen, und so muss zunächst auch hier die weitere Entwicklung, wenn möglich, für oder gegen sie entscheiden. Jedenfalls muss dabei als vollständig sicher betrachtet werden, dass die besprochenen kleinen „Kerne“ in der That solche sind und nicht etwa dunkle Zellen mit undeutlichem Kern !). Ein nur wenig älteres Stadium liegt in einer Serie von Längs- schnitten vor; es unterscheidet sich in nur zwei Punkten von dem zuletzt beschriebenen. Die bei diesem eingeleitete Zertheilung der drei ursprünglichen Muskelmassen in mehrere Längsstränge ver- mittels sich zwischendrängender Mesenchymzellen ist hier bei der in- neren Masse weiter vorgeschritten, so dass man bis zu vier solcher kernhaltiger Protoplasmastränge inmitten der Mesenchymwucherung erkennen kann; freilich ist dies auf den Längsschnitten nicht so über- sichtlich, wie es sich auf Querschnitten würde dargestellt haben. Da- gegen bemerkt man hier besser, als Querschnitte es zeigen könnten, dass die Stränge nicht genau von vorn nach hinten, sondern schräg verlaufen, und zwar sowohl schräg zur sagittalen Schnittfläche als in dieser Fläche selbst (dorso-ventral). Diese Aenderung der Lage wird sich bald, wie wir sehen werden, noch bedeutend steigern. Muskelmasse (MP) in diese eindringen, von dem darüber liegenden Me- senchym nicht getrennt sind. 1) Für Diejenigen, welche geneigt sein möchten, diese Angaben an eigenen Präparaten zu prüfen, will ich nicht unterlassen, ausdrücklich zu betonen, dass die Bilder manchmal ausserordentlich trügerisch sind, na- mentlich an Schrägschnitten, wo kleine, von einem Plasmasaum umgebene Kerne auch innerhalb des Muskelplasmas zu liegen scheinen. Ich habe mich mit starken Linsen an solchen Stellen stets davon überzeugen kön- nen, dass diese Gebilde entweder über oder unter dem Muskelplasma gelegen waren. Es müsste, falls sie dennoch in den Muskel eindrangen, ihr Zellkörper sich sehr rasch lösen, denn es fehlt jede Andeutung eines solchen Vorgangs. 104 Dr. J. van REES, Die in der Entwicklung nächstvorgeschrittene Puppe, die jüngste mit ausgestülptem Kopfe, welche ich untersucht habe, zeigt gleichfalls bedeutende Fortschritte in der Ausbildung der Flügelmuskeln. Erstens ist eine Trennung der von den drei Larvenmuskeln herrührenden Muskelanlagen zu Stande gekommen, welche theilweise von einer sehr bedeutenden, aber für die drei Anlagen verschiedenen Aenderung der Lage begleitet wird. Dabei ist auch die Zahl der jetzt isolirt in der Mesenchymmasse befindlichen Protoplasmacylinder bedeutend gestiegen. Wir finden also jetzt drei vollkommen selbständige Muskelanlagen in jeder Puppenhälfte: die innere hat die Richtung kaum merkbar ge- ändert; sie zieht sich unweit der Medianebene von vorn nach hinten hart an der Hypodermis entlang und zeigt 6 isolirte Muskelstränge ; letztere liegen nicht genau parallel der Längsachse der ganzen An- lage, sondern neigen sich von vorn nach hinten etwas ventralwärts; dabei liegen sie in einer Reihe dorso-ventral hinter einander, so dass die ganze Anlage sich auf dem Querschnitt als eine länglich-ovale Masse darstellt, welche mit ihrem grössten Durchmesser fast senkrecht auf die dorsale Fläche gerichtet ist; auf einem sagittalen Längsschnitt bildet die Anlage ein längliches Dreieck, indem die Muskelstränge nicht alle gleich lang sind, sondern von aussen nach innen an Länge zu- nehmen, was dadurch bedingt wird, dass sie einer nach dem andern in gleicher Nähe der dorsalen Fläche anfangen, aber alle nach hinten ungefähr auf demselben Niveau ihr Ende erreichen. Die längsten dieser Muskelstränge erreichen 0,45 bis 0,5 mm Länge bei 0,035 mm Dicke. Die mittlere der drei Muskelmassen hat ihre Richtung bedeutend geändert, noch mehr die laterale, welche jetzt nahezu dorso-ventral, also senkrecht durch die Brust verläuft; in ersterer sind 2 Muskel- stränge vorhanden, in letzterer deren 5. Die Form dieser Massen lässt sich nicht so genau feststellen wie bei der inneren Muskelanlage, doch besitzt die laterale wie die innere (mediale) die Gestalt einer länglichen und breiten, aber wenig dicken Masse, die mittlere dagegen mehr diejenige eines abgeplatteten Cylinders. Man wird wohl nicht fehlgreifen, wenn man die bedeutende Ver- schiebung der Muskelmassen, welche sich für die weitere Entwicklung als durchaus maassgebend erweisen wird, mit der Thatsache der Aus- stülpung des Kopfes, d. h. mit der Bildung des dabei frei gewordenen Raumes, sowie mit Wachsthumsdifferenzen in der Hypodermis der Brust selbst in Zusammenhang bringt. Jedenfalls ist es nicht ohne Bedeutung, dass erst jetzt von einer innigeren Verbindung der Mus- Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 105 kelanlagen mit der Brust-Hypodermis als nur durch zarte und un- regelmässige Mesenchymstränge die Rede ist. Es haben sich nämlich in diesem Stadium in sehr einfacher Weise höchst eigenthümliche Sehnen gebildet, welche für die weitere Ausbildung der Thoraxmuskeln eine ganz besondere und vielseitige Rolle zn spielen bestimmt sind, indem sie erstens den noch wenig ausgewachsenen Muskeln einen sicheren Halt bieten und dabei den vorher vollständig freien Muskeln die genaue Befestigung an den bestimmten Stellen der Haut ermögli- chen, und indem sie zweitens das Wachsthum der Muskeln mit beför- dern helfen, theils wahrscheinlich, indem sie in der Richtung der zukünftigen Ansatzstellen einen Zug auf die Muskeln ausüben, theils indem sie sich an dem Zustandekommen einer ausgiebigen Ernährung der wachsenden Muskeln mit betheiligen. Bevor ich mich, anlehnend an einen günstigen Querschnitt aus einem nur wenig älteren Stadium (Fig. 14), zur näheren Besprechung dieser Sehnen wende, muss ich noch ausdrücklich erwähnen, dass ich mir wohl der Kluft bewusst bin, welche das zuletzt beschriebene Stadium von dem viel weniger ausgebildeten vorletzten trennt; indessen meine ich, dass man dennoch mit einiger Sicherheit es wagen darf, die Brücke zu schlagen. Die Spaltung der einzelnen Muskelcylinder, sowie das Auseinanderbiegen der drei Anlagen sind zwar nicht direct zu beobachten, und es wäre deshalb nicht unerwünscht gewesen, noch ein Zwischenstadium vor- legen zu können; doch scheint es mir, dass die Continuität der be- sprochenen Bildungen wohl nicht bezweifelt werden kann. Hierbei darf namentlich auf den eigenthümlichen Character der eigentlichen Muskelkeime hingewiesen werden, welche in ihrem Wesen unverändert geblieben sind und nur einen Schritt mehr auf der Bahn der weiteren Entwicklung gethan haben ; dieser besteht darin, dass neben und an Stelle der Reihen von ziemlich grossen Kernen (von 0,008 —0,01 mm Länge bei 0,007—0,008 mm Breite) sehr viele Reihen von bedeutend kleineren Kernen (0,002—0,0045 mm Länge) aufgetreten sind, welche letztere mit äusserst geringen Zwischenräumen longitudinal an einander gelagert sind, während auch die Reihen selbst manchmal nur um die Breite eines Kernes von einander entfernt liegen. Trotz dem Fehlen von Theilungsstadien resp. von Mitosen — welche auch an den Stel- len der Präparate, wo eine sehr ausgiebige Zelltheilung thatsächlich stattfindet, nur ausnahmsweise zur Beobachtung gelangten — möchte ich den naheliegenden Gedanken einer genetischen Beziehung zwischen den beiden festhalten. Es lässt sich eben keine andere Entstehungsweise der dereinstigen definitiven Muskelkerne als durch Theilung der grossen 106 Dr. J. van REES, von den Muskelkernen der Larve abstammenden aufrecht erhalten. Ich muss hierauf bald noch zurückkommen und wende mich jetzt erst zur Besprechung des nächsten in Querschnitten vorliegenden Stadiums, wel- ches zugleich zur Erläuterung des zuletzt besprochenen dienen mag. Der Schnitt, von dem Fig. 14 einen Theil wiedergibt, ist so ge- wählt, dass man neben einander einen Querschnitt durch den oberen Theil der inneren, fast longitudinal verlaufenden Muskelanlage (rechts) und einen Schrägschnitt durch den Anfangstheil der mittleren Anlage zu Gesicht bekommt. Beide liegen, unfern der Hypodermis, einge- bettet in der von Körnchenkugeln und nicht weniger von vollkommen scharfbegrenzten Fettzellen dicht erfüllten Körperflüssigkeit und sind als eigenthümliche Gebilde von allem Andern scharf zu unterscheiden, Die specifische Muskelsubstanz (MP) zeigt sich auf dem Querschnitt mit nahezu kreisrundem Contour, auf dem Schrägschnitte länglich oval; die umgebenden Mesenchymzellen lassen bei der angewandten Ver- grösserung ihren grossen sphärischen Kern nicht deutlich erkennen und stellen sich dar als durch Hämatoxylin (oder Picrocarmin an an- deren Stellen der Serie) ziemlich dunkel gefärbte, mehr oder weniger eckige Flecken, welche zusammen eine sehr compacte Masse bilden, die sowohl nach innen, um den Protoplasmastrang, als nach aussen sehr scharf begrenzt ist. Dass in der im Querschnitt getroffenen Muskelanlage nur zwei Plasmastränge zu sehen sind, während in diesem Stadium doch deren 6 existiren, dies liegt daran, dass die vier übrigen erst hinter diesem Puppen-Querschnitt entspringen, zwei Schnitte weiter sind deren 3 getroffen, nach noch zwei Schnitten 4, im nächsten 5 und auf dem achten Schnitte hinter dem in Fig. 14 dargestellten finden wir alle 6 Muskelmassen schon dorsoventral hintereinander in der länglich ovalen Anlage eingebettet. Desgleichen wächst auch die Zahl der schräg getroffenen Plasmastränge in der linken Muskelanlage auf den folgenden Schnitten, doch steigt diese nur auf 2, während eine ähnliche schrägverlaufende Muskelanlage mit ebenfalls zwei Plasmasträngen um einige Schnitte weiter gleichfalls neben der inneren Muskelanlage entspringt, um wie erstgenannte schräg nach hinten und schwach lateral ventralwärts zu verlaufen. In diese beide scheint sich also die mittlere Anlage gespalten zu haben. Die äussere Anlage dagegen, welche, wie wir bereits gesehen haben, auch die am meisten vorn gelegene und fast genau dorso-ventral gerichtet ist, muss natür- lich in den mehr nach vorn liegenden Querschnitten gesucht werden. Wichtig ist nun, was uns die Figur hinsichtlich der jungen Muskel- sehne lehrt. Sahen wir bereits in Fig. 13 an der Hypodermis in der Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 107 Nähe der persistirenden Muskeln eine eigenthümliche Verlängerung der der Membrana propria zugewandten Epithelfortsätze und ein damit verbundenes Zurückweichen dieser Membran nach innen, so lag uns darin schon der Beginn derjenigen Erscheinung vor, welche auf eine solche Weise ihren Abschluss in der Bildung der Sehne findet, dass dieses Auswachsen der Epithelfortsätze sich local bis zur Bildung eines von der Membrana propria überzogenen Zapfens steigert, welcher sich mit der Muskelanlage in Verbindung setzt. Wie in Fig. 13 sehen wir auch hier den schwach färbbaren Körper der Epithelzelle sammt Kern an der Oberfläche der Hypodermis gelegen, die dünnen und wenig regelmässig verlaufenden Fäden, zu welchen sich das basale Ende der Zellen umgebildet hat, ist dagegen äusserst in die Länge gezogen, so dass es beim ersten Blick eher als Bindegewebe oder elastisches Ge- webe erscheinen würde, wozu auch das auf starker Lichtbrechung be- ruhende glänzende Aussehen mitwirkt. Wahrscheinlich hat sich die Substanz auch bedeutend verändert; das Verhalten der Membrana propria, welches auch an den anderen Sehnen dieser Brustmuskeln genau das gleiche ist, lässt über den epithelialen Ursprung dieses Sehnengewebes keinen Zweifel bestehen. Unbeantwortet muss indessen vorläufig die Frage bleiben, ob das Epithel dem Muskel entgegen- wächst, wofür das so frühe Auswachsen der Epithelzellen in Fig. 13 allerdings spricht, oder aber ob der Ansatz des künftigen Muskels an die Hypodermis früh zu Stande kommt und die Verlängerung der An- satzstelle, also die Bildung der Sehne erst etwa nach der Ausstülpung des Kopfes und gleichzeitiger Ausdehnung der Brustwand durch Zug seitens der Muskeln, welche dieser Ausdehnung nicht sofort folgen können, zu Stande kommt. Die letztere Auffassung erscheint mir die plausiblere. Wir müssen jetzt noch etwas genauer die Stellen bezeichnen, wo die verschiedenen Muskelsehnen sich befinden, wobei zu gleicher Zeit die Form und Länge dieser Sehnen zur Sprache kommen wird. Für die longitudinal verlaufenden inneren Muskelanlagen müssen wir uns da- für zu den vorhin besprochenen sagittalen Durchschnitten wenden. Die schmale vordere Sehne ist bei dem Ursprung dieser Muskelanlagen hart an der Hypodermis nur sehr wenig ausgebildet; ihre Insertion erstreckt sich von dem Vorderrand des zweiten Brustsegmentes sagittal bis zur Mitte dieses letzteren. Dagegen ist die hintere Sehne bereits mäch- tig entwickelt — was mit dem Absteigen des Thorax gegen das Ab- domen hin im Einklang stehen würde; — sie entspringt der gegen das Abdomen geneigten hinteren Fläche des dritten Thoraxsegments und 108 Dr. J. van REES, erreicht eine Länge von 0,35 mm, also zwei Drittel der Länge der Muskelanlage selbst. Die dorsalen Sehnen der beiden anderen Anlagen liegen in un- mittelbarer Nähe der ersten, nur wenig mehr nach vorn und nach aussen; sie sind sowohl in den sagittalen als in den Querschnitten fast oder ganz der Länge nach getroffen; für die mittlere Muskelan- lage besitzt sie eine etwa kegelförmige Gestalt (siehe Fig. 14), für die seitliche die eines platten breiten Bandes von 0,5 mm Länge. Die ventralen Sehnen liegen dagegen weiter auseinander ; diejenige der fast vertical durch die Brust verlaufenden Muskelanlage liegt an der oberen Grenze des 2. Brustsegments seitwärts von dem Basaltheil des 2. Bein- paares, 0,4 mm breit und 0,6 mm lang; die ventrale Sehne der mitt- leren Anlage liegt mehr nach hinten lateral vom 3. Beinpaare. In der zuletzt besprochenen quergeschnittenen Puppe ist diese Sehne wie die Muskelmasse selbst in zwei getrennte Partien gesondert, welche die Länge von etwa 0,4 mm erreichen. Die an Längs- und Querschnitten vorgeführten zukünftigen Tho- raxmuskeln von ganz bestimmter Richtung und Ausdehnung stellen nun dasjenige Stadium dar, welches von den mir vorangegangenen Unter- suchern als das jüngste zu erkennende beschrieben war. Denn obschon es scheinen könnte, als wäre VIALLANES in der Entdeckung jüngerer Stadien bedeutend glücklicher gewesen als WEISMANN, welcher die sich bildenden Muskeln als solche erst als sehr kernreiche längliche Stränge im Innern der Brust unterscheiden konnte, so kann ich mich bei ge- nauer Betrachtung nicht davon überzeugen, dass VIALLANES’ früheste Stadien jüngeren Datums sind als die hier zuletzt betrachteten, wenn er an ihnen auf den Querschnitten auch mehr zu unterscheiden ver- mocht hat, als es Weısmann bei seiner einfachen Präparation mög- lich gewesen war. VIALLANES erkannte nämlich die centralen feinkör- nigen und Kerne enthaltenden inneren Partien der Muskelanlagen innerhalb der aus sehr vielen dichtgelagerten Zellen zusammengesetzten umhüllenden Masse. Seine Stadien I bis IV unterscheiden sich nur durch die Anzahl dieser sich auf dem Querschnitt als kleine, helle Flecken präsentirenden Gebilde, die er als die künftigen Primitiv- bündel (faisceaux musculaires) vollkommen richtig gedeutet hat!). Er beschränkt sich in den Betrachtungen ausschliesslich auf die Anlage 1) VIALLANES, 1. c., p. 238—262; 1. Stadium: Fig. 2 und 3, Taf. 16; 3. Stad.: Fig. 12, Taf. 12; 4. Stad.: Fig. 2, Taf. 13, sowie (in Längs- schnitt) Fig. 17, Taf. 5 und Fig. 2, Taf. 14. — Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 109 des inneren Brustmuskels, welche, wie wir schon gesehen haben, die sechs Protoplasmastränge nicht auf allen Querschnitten zeigt, sondern sie von vorn nach hinten eins nach dem andern erscheinen lässt. In Fig. 1, Taf. 12, mit nur einem hellen Fleckchen, sowie in der als zweites Stadium erwähnten mit zwei bis drei Flecken scheinen nur solche durch den verjüngten vorderen Theil der Muskelanlage ge- führten Schnitte vorgelegen zu haben. Was bei dieser Vermuthung maassgebend erscheint, ist die Anwesenheit von Fettzellen in der un- mittelbaren Nähe der Muskelanlage in sämmtlichen von VIALLANES beschriebenen Stadien, was sicher auf den Zeitpunkt nach der Aus- stülpung des Kopfes schliessen lässt, wie denn auch bei der Beschrei- bung des ersten Stadiums der Anlagen die ganze Brusthöhle, abge- sehen von den Producten der Muskelhistolyse, als von Fettzellen er- füllt geschildert wird, nachdem erwähnt worden ist, dass die Imaginal- scheiben (also wohl auch die des Kopfes) gerade zur Entwicklung gelangt waren. Dass VIALLANES die wirklichen früheren Stadien nicht beobachtet oder wenigstens nicht als solche erkannt hat, dies ist für seine Schluss- folgerungen verhängnissvoll geworden. Indem er sein I. Stadium als das jüngste betrachtete, sah er sich gewissermaassen gezwungen, sich unter den umgebenden Gebilden nach Elementen umzusehen, aus wel- chen sich die Muskelanlagen zusammengesetzt haben könnten, und so kam er, verleitet durch eine gewisse Aehnlichkeit, welche in seinen Präparaten die einzelnen Kügelchen (granules) der Fettzellen mit den Mesenchymzellen (cellules musculogènes) aufweisen, zu der falschen Vermuthung, dass diese beiden mit einander in genetischer Beziehung stehen müssten, wenn er auch selbst erklärt, das Problem noch nicht als gelöst zu betrachten, und zuerst den Beweis beigebracht wissen will, dass diese „granules“, welche wir bei der Degeneration der Fett- zellen schon besprochen haben, wirkliche lebende Organismen wären. Trotz dieser Reserve hat die genannte Vermuthung ihn auf weitere Irrwege geführt, indem sie ihn von der Forschung nach anderen Mög- lichkeiten in Bezug auf den Ursprung der verschiedenen Elemente der Muskelanlage zurückhielt. War es ihm einmal wahrscheinlich ge- worden, dass die einzelnen proliferirenden Kügelchen der peripherischen, sich rascher als die centralen auflösenden Fettzellen nach ihrer Zer- streuung (dissémination) auf besondere Weise gruppirten und zu den Zellen der anfänglich cylindrischen Anlagen der Brustmuskeln wurden, so mussten auch die wenigen Kerne des helleren centralen Stranges gleichen Ursprungs sein. Diesen Strang selbst fasste er nur als eine 110 Dr. J. van REES, Anhäufung von Intercellular - Substanz auf, welche ohne bestimmte Grenze in die spärliche identische Substanz der umgebenden Zellan- häufung (aurèole) verlief, und welche die einzelnen Zellen dieser letz- teren, anfänglich in geringem Maasse, aber allmählich immer umfang- reicher in sich einschloss und durch besondere Wachsthumsprocesse zu länglichen Reihen gruppirte, wobei die helle Substanz selbst alsbald eine fibrilläre Beschaffenheit annehmen und contractile Muskelsubstanz darstellen sollte. Bin ich bei der Ausführlichkeit der VıaLLanzs’schen Betrachtungen gezwungen, einen Augenblick dabei zu verweilen, so brauche ich ge- genüber seiner Auffassung hinsichtlich der möglichen Rolle der Fett- kügelchen oder der mit ihnen vermischten Leucocyten nur zu betonen, dass in meinen eigenen Präparaten diese Gebilde durch Grösse (Fett- kügelchen :0,002 bis 0,006 mm, kleinste Leucocyten 0,009 mm) und Farbstoffreaction scharf von den Mesenchymzellen, welche 0,004 bis 0,005 mm Durchmesser zeigten und nur bei stärkeren Vergrösserungen ihren Kern aufwiesen, zu unterscheiden waren, und an eine Verwechs- lung nicht zu denken war; die in dieser Beziehung durchaus nicht ge- schmückte oder verschönerte Fig. 14 wird dies zur Genüge bestätigen, wenn auch an wenig prägnant gefärbten Schnitten eine grössere Aehnlichkeit vorhanden sein mag. Weniger begreiflich scheint mir in- dessen der Versuch, die contractile Muskelsubstanz von einer Inter- cellularsubstanz herzuleiten, ja noch weiter zu gehen und in der Schlussbetrachtung jenes Kapitels die Flügelmuskeln des Insects histo- logisch und morphologisch mit dem Bindegewebe, speciell mit dem Sehnengewebe der Vertebraten, zu vergleichen, wobei die Muskelzellen den Sehnenkörperchen und die fibrilläre Muskelsubstanz der fibrillären Grundsubstanz der Sehne entsprechen würden. Wie sehr nun auch zwischen bestimmten Bindegewebszellen und den animalen Muskelzellen auf Grund ihres mesenchymatösen Ur- sprungs ein hoher Grad von Verwandtschaft besteht, welcher an ge- wissen Objecten sogar im erwachsenen Zustand morphologisch zur Geltung kommt, so ist obiger Vergleich doch ganz unstatthaft, we- nigstens durch keine bekannten Thatsachen zu begründen. Wie ver- schiedener Meinung man auch hinsichtlich des Entstehungsmodus des Sehnengewebes und des fibrillären Bindegewebes überhaupt sein mag, so wird doch kaum Jemand die grosse Kluft verkennen, welche die junge, einheitliche, vielkernige Masse eines sich entwickelnden Primitiv- bündels von der aus vielen isolirten Zellen zusammengesetzten Anlage eines Bindegewebsstranges trennt, eine Kluft, welche in der Histo- Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria. 111 genese, d. h. in der durchaus verschiedenen Herkunft, eine ausrei- chende Begriindung findet; auch hat der Differenzirungsprocess des werdenden Primitivbündels in Fibrillen und Muskelkörperchen mit der Differenzirung des Bindegewebes in Fibrillen und Bindegewebskörperchen histogenetisch nichts gemeinsames, mag man sich letztere als Abschei- dung und Umwandlung von intercellularer Substanz oder als Aus- wachsen von zelligen Elementen denken. Der Unterschied zwischen beiden Arten von Fibrillen ist so gross wie die zwischen einem activ und einem bloss passiv thätigen Körper. Man könnte die fernere Verwendung desselben Wortes für die ungleichen Begriffe tadeln, wenn die Thatsache dieser Ungleichheit nicht so offenkundig wäre. Man kann sich die irrige Auffassung VIALLANES’ nur erklären aus seiner festen Ueberzeugung, dass die Brustmuskeln in der That auf die von ihm geschilderte Weise entstehen, nämlich durch Umwandlung von Intercellularsubstanz in Fibrillen und nachträgliche Gruppirung der hinzugehörenden Zellen. Er vergass dabei nur, dass ein solcher Vorgang bis jetzt noch von keinem Forscher beobachtet worden ist und mit der Entwicklungsweise des Primitivbündels, wobei das lebende Protoplasma zu den Fibrillen wird, auch in directem Widerspruch steht, so dass die Aussicht auf eine jemalige Entdeckung einer inter- cellulären Abstammung gewisser Muskelfasern eine äusserst geringe ist. Bei dieser Sachlage wäre eine strengere Prüfung der beobachteten Thatsachen wohl am Platze gewesen. VIALLANES hat bei seinen Beobachtungen in den folgenden Punkten geirrt. Erstens hat er die feine Punktirung der hellen Flecke als Kennzeichen einer fibrillären Structur aufgefasst, ohne zu bedenken, dass diese sich auf dem Querschnitt als Felderung oder doch als Ver- einigung von kleinen Kreisen zeigen müsste, während er Längsschnitte auf diese Frage hin nicht geprüft zu haben scheint. Wesentlicher ist, dass er ferner die ganz scharfe Grenze dieser hellen Flecke gegen das umgebende Gewebe übersehen und dadurch den ganz besonderen Character dieser centralen Massen verkannt hat. Drittens hat er die Kerne in den centralen Flecken fälschlich für ein und dasselbe wie die Zellen des umgebenden Gewebes gehalten, während er bei beiden das Kernkörperchen als den Kern auffasste. So konnte er denn das Hervorgehen der ersteren unmittelbar aus den umgebenden ,,cel- lules musculogenes“ annehmen; vielleicht hätte eine genauere Betrach- tung der bestehenden Grössendifferenz zwischen ihnen ihn von dieser Folgerung zurückhalten können. Ich finde nämlich die umgebenden (Mesen- chym-)Zellen durchgehends bedeutend kleiner (0.004 bis 0.005 mm) als die 112 Dr. J. van REES, oben (8. 105) erwähnten grossen Kerne der Muskelstränge, welche 0.008 bis 0.01 mm messen; dagegen sind sie wiederum erheblich grösser als die kleinen in Schnüren angeordneten Kerne, welche in der Fig. 14 in der schräg getroffenen Muskelmasse wiedergeben sind und in diesem Stadium überhaupt bei weitem überwiegen — im Querschnitt der Muskelmasse rechts in Fig. 14 sind ein Paar der seltenen grösseren Kerne zu sehen, welche in der Mitte zwischen den beiden zu stehen scheinen und mit für die genetischen Beziehungen zwischen beiden sprechen — und welche den geringen Durchmesser von 0.003 bis 0.005 mm besitzen. Auch ich habe nicht eine so grosse Anzahl von Entwicklungsstufen der Brustmuskeln kennen gelernt, um nicht die Möglichkeit einer Einwanderung der fremden Elemente in die präfor- mirte Muskelmasse prüfen zu müssen, doch bin ich zu dem Resultat gelangt, dass eine solche nicht stattfindet, weder für das in Fig. 12 wiedergegebene Stadium, wie ich bei dessen Besprechung schon an- gegeben habe, noch für das jetzt behandelte. Auch auf den schönsten und dafür günstigsten Längsschnitten habe ich nie die geringste That- sache beobachtet, welche auf eine solche Einwanderung hindeuten könnte. Von den inneren Kernreïhen tragen auch die zuäusserst ge- lagerten stets vollkommen denselben Charakter wie die andern, sie verlaufen immer parallel der Oberfläche und von dieser durch eine wenn auch manchmal recht schmale Schicht von Protoplasma getrennt. Auch die Mesenchymzellen andererseits tragen in der unmittelbaren Nähe der Muskelstränge durchaus denselben Charakter wie in weiterer Entfernung; selten sind die Zellen der inneren Lage regelmässiger geschichtet, meist jedoch liegen sie auch hier wie überall sonst ziem- lich unregelmässig durcheinander, wie dies einem jugendlichen Mesen- chymgewebe ziemt. Ich muss also auch bis zu dieser Entwicklungs- stufe meine Ansicht aufrecht erhalten, dass sämmtliche in dem künftigen Primitivbündel gelegenen Kerne von den ursprünglichen Kernen der einstigen Larvenmuskeln abstammen. Obschon von diesem Stadium zum nächstbeobachteten vom 4. Tage (Fig. 15) ein bedeutender Sprung ist, namentlich in Bezug auf die re- lative Mächtigkeit von Muskelsubstanz und Mesenchym (siehe die Tafelerklärung), so weist doch der Vergleich des schräg getroffenen Muskels (MP links) mit dem entsprechenden von Fig. 14 zur Genüge auf die Identität der sehr kleinen Muskelkerne hin. Aus den durch mächtiges Mesenchym getrennten Plasmasträngen sind nun die eng aneinander liegenden constituirenden Theile der definitiven Flügel- muskeln entstanden. Damit sind diese in ihrer characteristischen Ge- Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 113 stalt zu Tage getreten. — Die genauere Beschreibung der Muskeln dieses Stadiums sowie ihrer endgültigen Ausbildung wird der zweite Theil dieser Abhandlung bringen. Weiteres Schicksal der Körnchenkugeln und Leucocyten. Wir haben die schon in mehreren Capiteln zur Sprache gelangten Körnchenkugeln bisher immer verlassen im Zeitpunkte, wo sie von dem Orte ihrer Bildung, dem degenerirenden Organ oder Gewebstheil hinweg, zur regelmässigen Zerstreuung durch den Körper gelangt waren. Es drängt sich uns jetzt die Frage auf, was aus diesen eigenthümlich beladenen Zellen wird und welche Bedeutung ihr Auftreten hat. Es hat meiner Ansicht nach KowALEVSKY hierauf theilweise eine ganz richtige, wenn auch nicht vollständig genügende Antwort gegeben. Indem er es vor der Hand unentschieden lässt, ob die Leucocyten nach Beendigung ihrer Verdauungsthätigkeit zur Gewebsbildung bei- steuern, wovon er die Möglichkeit eingesteht, so sieht er jedenfalls die Hauptfunction der Körnchenkugeln in dieser Verdauung der unbrauchbar gewordenen Larventheile, ähnlich wie ich dies in meiner ersten Mit- theilung in Hinsicht auf die Muskeln bereits angedeutet hatte. Es leuchtet wohl ein, dass eine rasche Auflösung dieser Theile und eine gleichmässige Vertheilung der in denselben niedergelesten, für die Oekonomie des Puppenhaushaltes unentbehrlichen Kräfte durch die Hülfe der Leucocyten ausserordentlich begünstigt wird und ohne sie unmöglich in der erforderlichen Frist besorgt werden könnte. Die bereits in meiner ersten Mittheilung ausgesprochene Vermuthung, dass in der That eine solche Verdauung zu constatiren sei, fand sich in Kowatevsky’s Angaben bestätigt. Ich hatte mein Urtheil gestützt auf das eigenthümliche Bild, welches viele Leucocyten bereits am dritten und vierten Tage nach der Verpuppung zeigten, zu welcher Zeit der bei weitem grösste Theil der Körnchen noch strotzend mit Gewebs- ballen gefüllt ist. Die betreffenden Blutkörperchen nun zeigten bei auffallend bedeutenderer Grösse im Innern des körnigen Protoplasmas theils kleine Vacuolen, theils noch kleine Körnchen der incorporirten Masse; und nicht nur an besonderen Stellen des Körpers, wie in den Beinspitzen, sondern mitten zwischen den andern Körnchenkugeln fanden sich jene „leeren“ Zellen, welche offenbar mit ihrer Aufgabe bereits fertig zu sein schienen. Wenige Tage später traf ich mehrere Zool. Jahrb, III. Abth f. Morph, 8 114 Dr. J. van REES, der eben beschriebenen Leucocyten in einem noch anderen Zustande an, nämlich entweder ganz ohne oder doch mit zerfallenem oder nicht mehr farbbarem Kern, während die anderen ‚leeren‘ oder noch vollen Leucocyten den Kern schön gefärbt zeigten (Fig. 15 7%). Ich möchte vermuthen, dass in diesem Falle die Leucocyten, sei es an den Folgen der Ueberbürdung mit Nahrungsstoffen, sei es aus anderen Gründen, selbst der Degeneration unterliegen. Eine andere Erscheinung deutet auch für einen Theil derjenigen, welche bis dahin noch in voller Thätigkeit der Verdauung sind, auf ein ähnliches Loos. Ich fand nämlich am vierten und fünften Tage zwischen den echten Körnchenkugeln mit färbbarem Kern eine be- deutende Anzahl von Körnchenhaufen, an welchen ich weder den Kern noch den feinen Protoplasma-Ueberzug entdecken konnte, die ich mir nur durch Zugrundegehen des betrefienden Leucocyten erklären kann, wenn man nicht annehmen will, dass dieser die früher incorporirten Ballen einfach wieder von sich gegeben hat. Immerhin ist diese Be- obachtung insofern von Wichtigkeit, als sie zu zeigen scheint, dass auch ohne dauerndes Zuthun der Leucocyten die Gewebstrümmer durch die auflösende Wirkung der Körperflüssigkeit zur Verdauung gelangen können. Denn man findet nach dem achten bis zehnten Tage von diesen nackten Trümmerballen ebensowenig eine Spur mehr wie von den ächten Körnchenkugeln. Nun fand ich solche nackten Körnchenhaufen namentlich häufig an solchen Stellen, wo sie als Nahrung für die wachsenden Organe unmittelbar Verwendung finden konnten, dagegen noch nicht in einer Zeit, wo dieses Wachsthum kaum angefangen hatte. Solche Theile sind u. A. viele Stellen der Hypodermis (Fig. 13 und 14 bei A), die Geschlechtsorgane und die Thoraxmuskeln. Bei letzteren sind es namentlich die später zu beschreibenden eigenthümlichen Hautsehnen, welche zwischen ihren geschlungenen Fasern einen vorzüglichen Raum für die Körnchenkugeln darbieten, der denn auch von unzählig vielen eingenommen wird (Fig. 14 und 15 bei S). Unter diesen fehlen nun auch die eben erwähnten nackten Haufen nicht, und es schien mir, als ob deren Anzahl den eingeschlossenen gegenüber in den nächsten Tagen noch zunähme. Ich glaube berechtigt zu sein, aus dieser Be- obachtung den Schluss zu ziehen, dass nicht die rasche Verdauung der Gewebstrümmer der einzige Zweck der Incorporation derselben seitens der Leucocyten ist, sondern dieser gleichfalls sich darin äussert, dass das Baumaterial für die nahrungsbedürftigen imaginalen Gewebe von den Leucocyten an Ort und Stelle geschafit wird, so dass erstens Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 115 der Raum für neue Gestaltungen frei wird und zweitens die zu ver- dauenden Theile innerhalb des Wirkungskreises der Stoffwechselpro- ducte aller in kräftiger Thätigkeit verkehrenden neuen Gewebe ge- rathen. Doch hiermit scheint die Thätigkeit der Leucocyten noch nicht erschöpft zu sein. Nicht alle wachsenden Theile sind so gut im Stande, die relativ mächtigen Körnchenkugeln als Nahrung zu ver- wenden, wie dies bei der lockeren Hypodermis an verschiedenen Stellen oder bei den erwähnten Muskelsehnen der Fall ist. Auch mag nicht jedes Gewebe dazu genügende verdauende Kraft besitzen. Solchen Geweben scheint nun in anderer Weise geholfen zu werden, ohne dass sie auf die nährende Zufuhr von „fester Substanz“ zu verzichten brauchen. Schon an den eben ausgestülpten Beinen können wir die Beobach- tung machen, dass nicht Körnchenkugeln allein hineinwandern. Die „leeren“ Leucocyten, welche vor dem Hervortreten der Körperanhänge im Mesenchym gelagert waren und selbst noch im Stadium der Figuren V und VI durch dasselbe zurückgehalten wurden, treten nach voll- endeter Ausstülpung in das Lumen der Extremitäten über, um rasch bis in die Spitze derselben zu gelangen ; erst später folgen dann auch die schwerfälligeren Körnchenkugeln !). Ob nun diese Leucocyten bloss in die Beine hineinwandern, um später mit den zu leeren Leucocyten zurückverwandelten Körnchen- kugeln zu den Blutkörperchen der Fliege zu werden — wobei sie natürlich zum weitaus grössten Theil das Bein wieder verlassen müssen —, oder ob sie in dessen Lumen selbst zerfallen und dadurch den Nährgehalt der Körperflüssigkeit erhöhen, dies mag dahingestellt bleiben. In Hinblick jedoch auf die Hunderttausende von in den Fett- zellen befindlichen Leucocyten ist eine Erhaltung Aller für die Fliege wohl kaum anzunehmen. Sehr erwünscht also müsste uns eine sichere Kunde über irgend eine Art des Untergangs eines Theiles der uner- hört vielen Leucocyten sein. 1) Ohne hier ausführlicher auf die oben berührte Frage der mehr oder weniger raschen Verdauung innerhalb der Leucocyten zurückkommen zu wollen, muss ich doch beiläufig bemerken, dass mir die Thatsache, dass — sowohl in den Beinen wie zwischen den Zellen der Speichel- drüsen — die „leeren“ Leucocyten meist weiter vorgeschritten gefunden werden, viel einfacher durch ihre grössere Leichtigkeit in der Bewegung als durch die Annahme einer raschen Verdauung auf der kurzen Strecke (wie es Kowazevsky will) erklärt zu werden scheint. g * 116 Dr. J. van REES, Dies glaube ich nun in der That gefunden zu haben. Ich sah nämlich an den verschiedensten Stellen des Epithels — ob zwischen den Zellen oder innerhalb derselben war nicht bestimmt auszumachen, doch halte ich ersteres für wahrscheinlicher — grössere und kleinere, aber immerhin winzige Körnchen, welche sich intensiv färbten und dadurch sowie durch ihre Lage im Innern eines ziemlich breiten Hofes scharf von der Umgebung abstachen. Diese Gebilde waren in der Regel um so kleiner, je tiefer sie im Epithel gelegen waren. In der von der Körperflüssigkeit bespülten Zone dieses Epithels waren ausser der grössten Art dieser Körper hier und da auch Leucocyten zu be- obachten ; letztere überragten die ersteren nur wenig an Grösse. In den tieferen Regionen lassen sich solche normale Leucocyten niemals beobachten. Ich trage nun keinen Augenblick Bedenken, die fraglichen Gebilde für degenerirende Leucocyten zu halten, welche, ihrer angeborenen Neigung in die Gewebe einzudringen Folge leistend, diesmal keine Beute erlangen, sondern selbst das Opfer ihrer Activität werden. So sind sie auch hier dem Zwecke des Ganzen untergeordnet und erfüllen in dieser Rolle einen gleichfalls wichtigen Theil ihrer Thätigkeit als Vertheiler des vorhandenen Nährstoffes in dem auf sich selbst ange- wiesenen Haushalt des Puppenkörpers. Die Gewebe, denen die Ernährung durch Leucocyten zu Gute kommt, sind — ausser einzelnen Nerven (z. B. denjenigen der An- tennen) und dem wachsenden Mesenchym von Kopf und Brust (wenig- stens wahrscheinlich) — hauptsächlich die Epithelien und zwar von den verschiedensten Stellen des Körpers. Ich habe die Erscheinung angetroffen in der Hypodermis, sowohl in den Imaginalscheiben als an der Oberfläche (Fig. 157°), im Pharynx (Fig. 87°), in der Augenblase in der Umgebung des Augenepithels (Fig. 97°) sowie an dem gleichen Ort nach der Bildung des Kopfes (Fig. 107°), im Rüssel, ferner im Epithel des Rectums und der Rectalpapillen, sehr reichlich in dem sich ausbildenden Geschlechtsgang und endlich im Hauptstamm des Tracheensystems, sowie in einem der Stigmata. Stets waren es schnell wachsende und also in kräftigem Stoffwechsel befindliche Theile, in welchen die Leucocyten zu Grunde gingen, und dies deutet einerseits auf die Nützlichkeit der Erscheinung, andererseits erklärt es die That- sache, dass in diesem Falle nicht die Leucocyten — wie bei den nicht mehr functionirenden oder unnütz gewordenen Theilen — sondern das normale Gewebe im Kampfe um’s Dasein siegte. Es folgt aber weiter daraus, dass KOwALEVSKY nicht ganz Recht hat, wenn er behauptet, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. ji dass nur die nicht mehr functionirenden Organe von den Leucocyten an- gefallen werden. Der Anfall ist auch in den hier beschriebenen Fällen nicht zu leugnen; der Sieg dagegen entscheidet sich in anderer Weise. Obgleich der Process der inneren Metamorphose als Ganzes sich nicht in zwei Perioden zeitlich trennen lässt, deren eine den Zerfall der Larvenorgane, deren andere die Ausbildung der Imaginalanlagen in sich schliesst — und zwar deshalb nicht, weil die verschiedenen Organe sich in Bezug auf eine solche Trennung zeitlich sehr verschieden verhalten, Degenerations- und Regenerationsprocesse also vielfach in- einander greifen —, so hielt ich es dennoch zur leichteren Orientirung in dem Complex der gleichzeitigen Erscheinungen für zweckmässig, an der von WEISMANN vorgenommenen Trennung der Gesammterscheinung festzuhalten und nach einander die „Bildung der Puppe“ und die „Ausbildung“ derselben zur Imago zu behandeln. Mit dem Oben- stehenden habe ich, so weit mir dies bis jetzt möglich war, die erste dieser beiden Aufgaben erfüllt. Wenn auch einige Organe noch un- besprochen blieben — wie das Herz, welches keinen eingreifenden histiologischen Aenderungen unterliegt, der guirlandenförmige Strang und die grossen subdermalen Zellen, über deren Degenerationsweise ich noch nicht ganz ins Klare gekommen bin — so habe ich doch in Vorliegendem für die meisten übrigen Organe und Gewebe die Schil- derung bis zu dem Punkte zu führen versucht, wo der unverkennbare Keim der Imago sich herausgebildet hatte, also die Imago ‚in nuce“ als Ganzes an Stelle der Larve getreten war. Die Ausbildung dieser jungen Imago gehört sodann dem zweiten Theile an, welchen ich dem- nächst zu veröffentlichen hoffe. — Will man mir entgegenhalten, dass ich den ersten Abschnitt nicht als Bildung „der Puppe“, sondern „der Imago“ hätte bezeichnen müssen, so habe ich dagegen nichts einzu- wenden, denn der Begriff „Puppe“ ist in diesem Falle den inneren Erscheinungen gegenüber sehr schwankend. Will man als Puppe das gelten lassen, was an seiner Oberfläche die Puppenhaut absondert — was logisch wohl das richtigste ist — so muss man in der That die Puppe schon als gebildet betrachten, sobald der Kopf hervorgestülpt ist; denn dies ist der Zeitpunkt des Abhebens der Puppenhaut, an deren Bildung sich indessen auch das larvale Epithel des Abdomens be- theiligt, zu einer Zeit also, wo die Hypodermis des Abdomens noch zum weitaus grössten Theile aus larvalem Epithel besteht, die „Junge Imago“ also auch als Körper noch nicht fertig ist. Da indessen diese Erscheinungen äusserlich nicht zu erkennen sind, so hat man es sich 118 Dr. J. van REES, zur Gewohnheit gemacht, von der Puppe zu reden, sobald die Chitin- haut der Larve zur Tonne erhärtet ist. Diese Ausdrucksweise wird aus praktischen Rücksichten wohl kaum bald aufgegeben werden, ob- schon sie falsch ist, was bei einem Vergleich mit der Schmetterlings- puppe sofort in die Augen fällt. — Ich habe also die Bezeichnung Puppe, als die dehnbarste, nur deshalb gebraucht, um nicht gleich Anfangs zu weitläufigen Auseinandersetzungen schreiten zu müssen. Um mit wenigen Worten hier noch das Hauptsächlichste der bis jetzt mitgetheilten Resultate meiner Untersuchung zusammenzufassen, so erinnere ich erstens an den Nachweis einer activen Betheili- sung seitens der Leucocyten an der Zerstörung und Ver- dauung der Larvenorgane — welche Erscheinung KOWALEVSKY und ich unabhängig von einander festgestellt haben —; ferner an die Ernährung vieler Epithelien durch eingewanderte und zur Auflösung gelangende Leucocyten. Zweitens muss ich betonen, den Beweis geliefert zu haben, dass der imaginale Thorax keine Neu- bildung im alten Sinne ist, sondern in einer Art zur Bildung ge- langt, welche zwar sehr von derjenigen bei den ametabolen Insecten und den Tipuliden abweicht, sich aber morphologisch vollständig da- mit vergleichen lässt. Namentlich scheint mir durch meine Befunde für den Nachweis eines nie unterbrochenen Zusammenhanges von larvaler und imaginaler Körperwand vieles erbracht zu sein, was auch für den Kopf gilt, der als paarige Einstülpung des Schlundes ange- legt und am Ende des zweiten Tages einfach umgestülpt wird. Ein Zusammenwachsen von imaginalen Hypodermisstücken, ohne Vermittlung der larvalen Hypodermis, wie man dies bis jetzt ange- nommen hat, findet nicht statt. Endlich kann ich als nicht unwichtiges Resultat hervorheben, dass im Gegensatz zu den bisherigen Angaben nicht alle Larven- muskeln zu Grunde gehen, sondern dass von den dorsalen Muskeln des zweiten Thoraxsegmentes (Flügelsegmentes) drei Paar bestehen bleiben, sich unter zeitweisem Verlust der Querstreifung regeneriren, um sodann zum Mittelpunkt einer die umhüllenden Theile liefernden Mesenchymwucherung zu werden und sich zu den specifisch gebauten Flügelmuskeln der Imago definitiv zu gestalten. Der mäch- tige Unterschied im Bau dieser Flügelmuskeln von den anderen, theilweise auch thoracalen, aber vom Mesenchym stammenden Mus- keln, lässt sich danach also auf eine durchaus verschiedene Abstam- mung zurückführen. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 119 Nachschrift. Von dem weitaus grössten Theile der vorliegenden Abhandlung war Ende Juli das Manuscript vollständig abgeschlossen, als ich von der inzwischen (Ende Juni) erschienenen ausführlicheren Arbeit Kowa- LEVSKY’S Kenntniss bekam. Auch die wenigen, noch nicht vollständig ausgeführten Capitel meines Aufsatzes waren indessen schon zu weit gediehen, um diese wichtige Arbeit noch genügend zur Berücksichtigung gelangen zu lassen. Ich muss also hier noch eine kurze Besprechung derjenigen unserer Resultate folgen lassen, welche in beiden Abhand- lungen zur Sprache gekommen sind. Es gilt dies von der Degeneration sämmtlicher specifischen Larvenorgane (excl. Fettzellen), ferner von den Processen am Darmtractus, drittens von der Bildung von Kopf, Thorax und Abdomen und endlich vom Ursprung der Flügelmuskeln. Was zunächst die Degeneration der Larventheile betrifft, so sind in der Hauptsache unsere Resultate in erfreulicher Weise in Ueber- einstimmung, wie ich dies in Bezug auf die Muskeln ja schon mehr- mals hervorzuheben im Stande war. Da Kowarevsky den Neapeler Jahresbericht nicht zu kennen, wenigstens nicht zu benutzen scheint, so wird er für seinen Theil zu dieser Erfahrung um mindestens ein Jahr später gelangt sein, als es sonst der Fall gewesen wäre. — So- wohl für die Muskeln als auch für die anderen Larvenorgane sind die Abweichungen in unseren Berichten von zu geringer Bedeutung, als dass ich mich hier nicht grösstentheils darauf beschränken könnte, für den Vergleich auf die Originale selbst hinzuweisen; es müssen in- dessen drei Punkte davon eine Ausnahme machen. In Bezug auf die Degeneration der Speicheldrüsen habe ich, trotz der relativ grossen Zahl der Schnittserien der ersten Tage, das Anfangsstadium des Leucocyten-Anfalls nicht kennen gelernt; es geht nach KowarEevsky’s Beschreibung sehr rasch vorüber, bei den von mir untersuchten Sommerpuppen wohl besonders rasch, Durch Kowa- 120 Dr. J. van REES, LEvsky’s Angabe, dass die Degeneration der Speicheldrüsen unmittel- bar nach dem Hervortreten des Kopfes erfolgt, fällt der oben erwähnte scheinbare Widerspruch zwischen unseren bisherigen Angaben hinweg. Zu vollständig übereinstimmenden Resultaten sind wir gelangt in Bezug auf die Degeneration der Hypodermis, wovon KOWALEVSKY freilich bis jetzt nur diejenige des Abdomens besprochen hat; ich hebe besonders die sowohl von ihm wie oben von mir in den Vordergrund gestellte Thatsache hervor, dass die junge Hypodermis schneller wächst, als die alte verschwindet, die zellige Körperwand also niemals eine Unterbrechung aufweist. In dritter Linie muss ich in Sachen der Degeneration noch einen Augenblick bei der Frage verweilen, warum gewisse Organe, nämlich die nicht mehr functionirenden Larvenorgane, von den Leucocyten zerstört, andere dagegen, nämlich die imaginalen Theile, ver- schont bleiben. KowALEvsKy hält hinsichtlich dieser Frage bestimmt an seiner oben erwähnten Meinung fest, dass letztere in der That gar nicht angegriffen werden. Wie wir oben gesehen haben, ist diese Auf- fassung wenigstens für das imaginale Epithel nicht richtig. Hier findet in der That ein Angriff statt, die Leucocyten nehmen so gut wie andern Orts den Kampf auf, welcher jedoch in diesem Falle mit ihrem Unterliegen endet, weil der kräftigere Stoffwechsel des Epithels den Sieg davon trägt. Dass, wie KOwALEVSKY vermuthet, etwaige für die Leucocyten giftige Stoffwechselproducte der imaginalen Gewebe hierbei eine Rolle spielen, lässt sich sehr gut denken ; insofern ist der von ihm herangezogene Vergleich mit dem Kampfe der Leucocyten mit abge- schwächten und mit virulenten Bacterien sehr glücklich; doch unter- liegt es wohl keinem Zweifel, dass sie auch mit virulenten Bacterien den Kampf wagen, allerdings mit noch weit rascher eintretendem un- günstigen Erfolg. Es wäre somit gerade die von KOWALEVSKY erwähnte Erscheinung einer sich steigernden Immunität der Leucocyten gegen die Virulenz ja nur unter der Bedingung zu begreifen, dass anfänglich wenigstens einige der Leucocyten in einem solchen Kampfe Sieger bleiben und die Eigenschaften, welche dies möglich machten, auf ihre Nachkommen vererben, wobei die relative Zahl der immunen Leucocyten natürlich bedeutend gesteigert wird !). Es muss also bei 1) Eine andere Sache wäre die Vererbung auf die Person einer zweiten Generation, welche nach Crenkowsky und KowaLevsky bewiesen sein soll, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. Al KOWALEVSKY eine Verwechslung der Begriffe, Sieg und Angriff statt- 5 ; 5 8 gefunden haben, welche ich näher zu beleuchten hier nicht unterlassen durfte. Ueber die Um- und Neubildungsprocesse am Darm kann ich mit wenigen Worten auskommen, weil KOowALEvSskY keine bedeutenden Aenderungen in seine früher schon ziemlich ausführlich mitgetheilten Auffassungen hineingebracht hat. In einem Punkte indessen — näm- lich dem Zeitpunkt des Zerfalls und völligen Verschwindens des lar- valen Epithels des Hinterdarmes — ist er meiner Auffassung insofern bedeutend näher gerückt, als auch er jetzt betont, dass die auswach- senden imaginalen Theile in steter Continuität mit dem zwar zerfallenden, aber noch nicht weggeschafften larvalen Epithel stehen, so dass eben so wenig im Darmrohr wie in der Hypodermis je eine Lücke vor- handen ist. Ferner noch einige Worte über die Bildung der epithelialen Kör- perbedeckung der jungen Imago. In Bezug auf das Abdomen haben wir eine vollkommene Uebereinstimmung erzielt. Ob dies in Bezug auf Thorax und Kopf auch der Fall ist, darüber wage ich keine Entscheidung. Was KowALEvsky von den austretenden Imaginalschei- ben resp. Gliedmaassen, sowie von der Kopfblase vor und nach der Ausstülpung abgebildet hat, stimmt mit meinen eigenen Figuren und Präparaten ja vollständig überein, er hat sich jedoch darüber nur höchst vorübergehend ausgesprochen, ein paar Mal das Ausstülpen der Kopfblase erwähnt, welcher Ausdruck schon von WEISMANN in ganz anderem Sinne gebraucht worden ist. Ob ihm indessen die Art der „Umstülpung“ dieser Kopfblase klar geworden ist, das kann man aus dem Text nicht herausfinden. Dasselbe gilt von der Art und Weise, wie die Gliedmaassen an die Oberfläche gelangen. Auch von der Degeneration des larvalen Thorax-Epithels, sowie von der Wuche- rung der Thoraxabschnitte der Imaginalscheiben redet er mit keinem Worte. Ich hege die Vermuthung, dass KOWALEVSKyY, wenn er die Bildungsweisen von Kopf und Thorax vollständig erkannt hätte, sich gleich in dieser ersten Hälfte seiner Arbeit darüber ausführlich aus- gesprochen haben würde, weil ihm dabei die grosse Vereinfachung, den älteren Ansichten gegenüber, in die Augen gefallen sein müsste. In dieser Ansicht werde ich bestärkt durch eine Aeusserung hinsicht- lich gewissser imaginaler Theile, welche ihm in einem der abgebildeten Querschnitte vorlagen und welche er „nicht gut zu deuten weiss“ '). 1) L c. p. 550, Taf. XXVI, Fig. 13, cm (oben). 122 Dr. J. van REES, Nun wird ein blosser Vergleich seiner Figur mit meiner Fig. 5 so- fort zeigen, dass diese Theile nichts anderem als dem thoracalen Ab- schnitt der Flügelscheiben angehören können, welcher hier schon an die Oberfläche gelangt ist. Uebrigens ist K. auch über einen anderen Theil dieser Figur im Unklaren geblieben, ohne dies indessen selbst zu bemerken ; die von ihm als „die seitlichen Theile der Prothora- calscheiben“ gedeuteten imaginalen Theile!) haben nämlich mit diesen nichts zu thun; letztere liegen auf diesem Schnitt noch ganz in dem hier gemeinsamen peripodalen Raum eingeschlossen, wie in meiner Fig. 6; die ersteren imaginalen Theile dagegen sind thoracale Theile von der Mesothoracalscheibe, d. h. vom zweiten Bein- paare. Ich glaube aus dieser Verwechslung mit einiger Wahrschein- lichkeit ableiten zu können, dass die Thoraxbildung KowALEVSKY bis dahin noch nicht vollkommen klar gewesen sein kann, wenn er auch über die Continuität zwischen Imaginalscheibe und alter Hypodermis eine bessere Vorstellung gehabt haben wird als ViALLANES. Es war dies bei dem Besitzer solcher Schnitte, wie der in Fig. 12 und 15 abgebildeten, auch nicht anders zu erwarten. Beide beziehen sich nämlich genau auf das günstige von mir in der einen Querschnittserie (Fig. 5—7 und Holzschnitt IX— XI) fixirte Stadium des Ausschlüpfens der Gliedmaassen. Bei dem wenigen Positiven, was KowALevsky über Kopf- und Thoraxbildung mitgetheilt hat, bleiben hierüber also seine weiteren Ausführungen abzuwarten. Noch stärker als früher betont er jetzt die mesodermale Ab- stammung sämmtlicher Thoraxmuskeln. Die anfänglich zerstreuten und von speciellen imaginalen Keimen (also nicht von den imaginalen Hypodermisinseln) abstammenden Mesoderm- (Mesenchym-)zellen sollen sich allmählich zu Strängen vereinigen, die erst bei einem gewissen Umfang auf dem Querschnitt sichtbar werden; ja sie sollen sogar bei durchsichtigen Formen von Dipteren , wie Corethra, auf dem Schnitt auch dann noch nicht als eigene Bildung zu erkennen sein, wenn man sie beim lebenden Thier bereits hat durchschimmern sehen. Scheint dies nun in der That nicht sehr dafür zu sprechen, dass sie von KowALEvsky blos deshalb auf dem Schnitt nicht gefunden wurden, weil die wirklichen ersten Anlagen von ihm nicht erkannt 1) Lo, p. 550, Tafel XXVI, Fig. 13 pr, rechts jedoch im be- zeichnet. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria, 123 sind, indem diese auf dem Schnitt eben für gleichgültige Larvenmus- keln angesehen wurden? Denn erst wenn sich um diese persisti- renden Muskeln die Mesenchymzellen angehäuft haben, dann fällt auch auf dem Schnitt diese Masse als eine besondere Bildung auf; dennoch ist das Mesenchym, wie wir oben gesehen haben, nicht die Hauptsache. Ich hege die Hoffnung, dass KowALEVsKY demnächst in diesem wichtigen Punkte meiner Auffassung wird beistimmen können. Amsterdam, Anfang Januar 1888. abd ant Aub Au ep AUS Bl, B2, B3 B!r, Bilu.s Erklärung der Abbildungen. Buchstabenverzeichniss. Abdomen. Antenne. Augenblase. Augenepithel. Augenstiel. 1., 2., 3. Bein. . w., rechtes, linkes erstes Bein u. s. w. Bauchstrang. Cornea. Chitin. Speichelgang. Fettzelle. Flügel. Ganglion infraoesopha- geale. Speicheldrüse. Ganglion supraoeso- phageale. Ganglion opticum. Hypodermis. Hypodermiszelle in De- generation, ImaginaleHypodermis. Larvale Hypodermis. Herz. Imaginalscheibe. Kopf der Imago. Erstes Larvensegment. Kopfblase. Körnchenkugeln. Leucocyte. Ie / ” {d I* M, M! M d Mp Mk Mke mes m pr n Leucocyte im Innern einer Fettzelle. Fettzellen - Leucocyte mehrfachen Kernen. Leucocyte in Degeneration. Ins Epithel gewanderte Leu- cocyte. Muskel der Larve. Muskel in Degeneration. Persistirende Larvenmuskeln. Muskelkern. Muskelkern in Degeneration. Mesenchym. Membrana propria. Nucleus. Oesophagus. Ommatidium. Pharynx. Peripodale Membran. Peripherer Nervenplexus. Peripodaler Raum. mit Epithelähnliche Rinne an der Oberfläche des Ganglion opticum. Rüssel. Epithel-Sehne eines Thorax- muskels. Saugmagen der Larve. Chitin-Stacheln. Thorax. Trachee. Larventracheein Umbildung. Umgebildete Trachee. Sämmtliche Figuren sind im Umriss mittelst der neuen Asse’schen Camera lucida gezeichnet. Die Vergrösserungen betragen: Fig. 1—7 120 mal (Zeiss C. 1), Fig. 8—10 und 12—16: 200 mal (Zeiss C. 3), Fig. 11 12 mal und Fig. 17—23 350 mal (Zeıss DD. 3). Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 125 Tafel I. Fig. 1-3. Theile dreier Sagittalschnitte einer erwachsenen weissen Fig. 1. Fig. 3. Larve mit theilweise eingezogenem 1. Segment, zur Darstellung der Hypodermisstiele des ersten und zweiten Paares der unteren Imaginalscheiben (1. und 2. Beinpaar). Die fünf ersten Segmente der Larve aus dem 73. Längsschnitt. Der Kopf ist theilweise eingezogen (A'). Die drei Thoraxseg- mente sind mit /. th., II. th. und JIL. th. bezeichnet. 1. abd. und JJ. abd.: 1. und 2. Abdominalsegment. Angedeutet sind die Fettzellen (F), die Speicheldrüse (g/s), ferner der Saugmagen (Sm!) und einige Larvenmuskeln (J/‘), etwas mehr ausgeführt die Imagi- nalanlagen, nämlich die Beinscheiben B'r und B?r und die Augen- blase 4ub, sowie der mit letzterer in Verbindung stehende Schlund (ph), der Oesophagus (oes) und das von einem Theil des letzteren durchbohrte Nervensystem. Vorn im Oesophagus und Schlund erblickt man Theile des Hakenapparates, zwischen beiden eine schräg getroffene Trachee. Auch die Hypodermiszellen (4!) sind in ihrer relativen Grösse einigermaassen angedeutet. Die Chitin- Stacheln (St) bezeichnen die Grenze der Segmente. Die Anlage des rechten 2. Beines (B?r) ist, in Verbindung mit seinem Hypodermisstiel (**) in dessen ganzer Länge bis an die Hypodermis des 2. Thoraxsegmentes selbst, getroffen. Da- neben liegt blos angeschnitten die Imaginalanlage des linken 2. Beines. Vor den beiden das rechte 1. Bein in der Anlage mit nach vorne strebendem Anhang (kein Hypodermisstiel). Die Beinanlagen des 69. Längsschnittes der Larve. Bir + /: die zusammenhängenden Imaginalscheiben des 1. Beinpaares mit ihrem gemeinsamen Hypodermisstiel, welcher bis an die Hypo- dermis des 1. Thoraxsegmentes zu verfolgen ist. Von X an nach vorne ist dieser Stiel aus den beiden nächstfolgenden Schnitten in die Figur hineingetragen. B?r und B?/: Schnitte durch die beiden unteren Mesothoracalscheiben (das rechte und linke zweite Bein). Die nämlichen Beinanlagen aus dem 64. Schnitt sammt ihrer Um- gebung. Vom Saugmagen ist hier ein beträchtlich grösseres Stück getroffen als in Fig. 1, namentlich nach vorne zu. In der Augen- blase (4ub) sieht man vorne die Antenne (an!) in Längsschnitt, obschon nicht in der Achse getroffen; nach hinten die faltenreiche Augenscheibe Wrısmann’s, davon eine Falte scheinbar vollständig abgetrennt nebenan. Unmittelbar an diese Augenscheibe gelagert, aber an dieser Stelle nicht mit ihr verbunden, sieht man das Ganglion opticum (go), in Verbindung mit dem noch eben ge- troffenen Bauchstrang (Bs), von welchem letzteren der Anfangs- theil des an die nächste Imaginalscheibe (B2/) tretenden Nerven abgeht. (Auch die zur Antenne ziehenden feineren Nerven sind Fig. 5, Fig. 5. Dr. J. van REES, in diesem Schnitt getroffen, ihrer Zartheit wegen indessen hier nicht eingetragen). Von dem schön in Längsschnitt getroffenen linken ersten Beine (21/) sieht man, ungefähr wie in Fig. 1 vom rechten, einen feinen Strang nach vorne gehen, der indessen auch hier kein Hypodermisstiel ist. Dagegen sieht man bei X X den Hypodermis- stiel des linken zweiten Beines (3?/) (wie von dem rechten in Fig. 1) und zwar gleichfalls bis an dessen Verbindung mit der Hypodermis des 2. Thoraxsegmentes. Das rechte 2. Bein (B?r) ist als Imaginalscheibe hier nur noch eben angeschnitten. Acht in verschiedenen Intervallen auf einander folgende Quer- schnitte durch die beiden unteren Prothoracalscheiben einer ganz jungen Puppe (in den ersten Stunden), um die mediane Verwach- sung dieser Scheiben darzulegen. In a (99. Schnitt der Puppe) sind die Imaginalscheiben noch vollständig getrennt. In b liegt der letzte Schnitt nach vorne vor (91. Schnitt), wo die Trennungs- membran noch vollständig, in ce (80. Schnitt) ist diese vorn und hinten nur noch spurweise vorhanden, in d (65. Schnitt) nur noch hinten. In e (60. Schnitt) zeigt sich vorn eine Einbiegung der gemeinsamen peripodalen Membran, welche in f (58. Schnitt) zur Trennung in zwei Räume führt, wovon der linke den einen seitlichen Anhang aus sich hervorgehen lässt, während der grössere Kreis sich in g (54. Schnitt) noch in den rechten seitlichen An- hang und in den echten Hypodermisstiel getrennt hat, letzterer ist auch bei h (im 29. Schnitt) immer noch vorzufinden, wenn auch als winziges Kreischen, und lässt sich noch mehr nach vorn bis unmittelbar an das Chitin verfolgen. 6 und 7. 51., 66. und 73. Querschnitt einer Puppe von der Mitte des ersten Tages mit theilweise an die Oberfläche getretenen Gliedmaassen (vergleiche Holzschnitt I und Il). Alles imaginale Epithel (von den Imaginalscheiben, von Pharynx und Augenblasen sowie von den Tracheen) ist dunkel wiedergegeben, der stärkeren Tinction mit Haematoxylin entsprechend. Die Kerne der larvalen Hypodermiszellen sind in ihrer wahren (relativen) Grösse richtig dargestellt, auch sonst ist nichts in den Figuren schematisirt. Von den inneren Organen sind ausser dem Mesenchym der Ima- ginalscheiben und der Tracheen nur die persistirenden und ein Paar der zerfallenden Larvenmuskeln angedeutet worden (Fig. 5), sowie der Speichelgang in seinem unparen Abschnitt (Fig. 6 u. 7). Bei X die Grenze des erstarrten Exsudats innerhalb der Tonne. Querschnitt durch die Ansatzstellen der Flügel gehend, welche an der Begrenzung der Oberfläche theilnehmen; dasselbe gilt in geringem Maassstabe von dem thoracalen Theil der unteren Meso- thoracalscheiben (2. Beinpaar); die übrige Begrenzung wird noch von der alten Hypodermis (4!) geliefert. Von den Beinen ist das 1. Paar getroffen, hier noch in dem gemeinsamen peripodalen Raum gelegen, vollständig von der Hüllmembran nach aussen be- grenzt. Ferner sehen wir bei B?/ den 2. Schnitt durch das nach Fig. 6: Kies 7. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. ION vorne gerichtete freie Femorocoxalstück des linken 2. Beines, neben dem zugehörigen imaginalen thorocalen Theil der Anlage gelegen. Vom rechten zweiten Beine sehen wir wohl das letztere, das Bein selbst aber noch nicht getroffen. Im Pharynx (p4) sieht man die Zacken des Hakenapparates. Von der mit ersterem zu- sammenhängenden Kopfblase (#5) ist der vordere einheitliche Ab- schnitt getroffen, in weichem man die paarigen Anlagen des Rüssels liegen sieht. Die drei Paar persistirenden Larvenmuskeln (MP), wovon die drei links gelegenen in Fig. 12 der Tafel II bei stärkerer Vergrösserung abgebildet sind, findet man hier in ihren Beziehungen zum ganzen Querschnitt. (Der mittlere rechts ist durch ein Versehen zu dick dargestellt). Letzter. Schnitt (von vorn gerechnet), wo der peripodale Raum bei der rechten Flügelanlage (Fl links) noch mit der Aussenwelt in Verbindung steht. Im nächsten Schnitt ist dieser Raum nach aussen geschlossen, wie dies beim linken Flügel (F/ rechts) in dieser Figur der Fall ist; man erhält dann den Eindruck eines echten Imaginalscheiben-Querschnittes. Von den Beinen sind zwei Paar getroffen, vom 1. Paar die Spitzen, in den hier getrennten peripodalen Räumen liegend (B'r und B1/), vom 2. Paar die Basaltheile und die Femorocoxalstücke, letztere in den geöffneten peripodalen Räumen. — Die Augenblasen (4ub) stehen in ge- räumiger Verbindung mit dem Pharynx (pA), von letzterem ist der Oesophagus noch nicht als besondere Röhre abgegrenzt; der Hakenapparat zeigt jedoch bereits die Trennung in einen paarigen pharyngealen und einen oesophagealen Abschnitt. — Am Rücken wird die Hypodermis von besonders grossen vertical gestellten Zellen aufgebaut. — Bei #* ist rechts und links der Rand einer die Rückseite des Thorax einhüllenden kragenähnlichen Duplicatur der abdominalen Hypodermis getroffen. Querschnitt, in welchem auch das dritte Bein (B3r) getroffen ist und zwar dessen nach vorn ragendes Femorocoxaltheil sowie der hinzugehörige imaginale Thoraxabschnitt; rechts sieht man nur letzteres, nicht das Bein selbst. Bei dem linken zweiten Bein (B77) ist auf diesem Schnitt der peripodale Raum nach aussen geschlossen, bei dem rechten (3?r) dagegen noch offen und erst auf dem nächsten Schnitt ähnlich wie bei 32/. Von den Flügeln sind die frei in den perip. Raum ragenden Spitzen, sowie ein schmaler Theil vom thoracalen Abschnitt der Flügelscheibe ge- troffen, neben diesem das Mesenchym. Augenblasen (4ub) in weitem Zusammenhang mit dem Schlundraum (p/), in welchem die Zacken des Hakenapparates sehr deutlich zu erkennen sind. Der Oesophagus (oes) ist gänzlich vom Schlund getrennt. Die abdominalen Hypodermisduplicaturen (A*) treffen hier dorsal in der Mittellinie zusammen, um weiter nach hinten nur noch eine einzige, bald um den ganzen Thorax reichende Falte zu bilden. Etwas mehr nach hinten in der Schnittserie gehen die beiden inneren Epithelkreise allmählich in einander über, womit nur noch 128 Fig. 10. Dr. J. van REES, die äussere Begrenzung als Wand des Abdomens übrig bleibt. Bei hi links (dasselbe auch rechts) ist eine der segmental angeordneten kleinen Imaginalscheiben des Abdomens sichtbar. Theil eines Querschnittes durch eine Puppe von der Mitte des zweiten Tages, die Augenblasen und deren Zusammenhang mit dem Pharynx darstellend. Der Schnitt liegt ein wenig hinter der Stelle, wo der Oesophagus mit dem Pharynx zusammenhängt. Beide schliessen Theile des abgestossenen Hakengestelles (44) in sich ein. Vom Augenepithel (4uep) ist blos in der linken Augen- blase (rechts im Schnitt) ein Theil getroffen, der periphere Nerven- plexus (p Npl) d. h. die Endausbreitung des nervösen Augen- stieles, schmiegt sich von aussen diesem Theile innig an. Links ist an der entsprechenden Stelle nur die Epithelverdickung zu sehen, welche, als Fortsetzung des Augenepithels, über den Be- reich dieses Nervenplexus hinausgeht. An der Innenseite der Augenblasen ist beiderseits gleichfalls eine bedeutende Verdickung im Epithel zu bemerken, welche der Anlage der Antennen ange- hört. Der Oesophagus besitzt grösstentheils noch seine alten, noch nicht umgebildeten Zellen und Kerne, nur an den oberen Winkeln ist deren Theilung bereits im Gange. Zwischen Oesophagus und Pharynx liegen die Pharynxmuskeln, seitlich bereits zerfallen, daneben und an vielen anderen Stellen Muskelfragmente und Körnchenkugeln, grösstentheils von der Hautmuskulatur stammend, Tracheen theils in der Umbildung begriffen (fr’), theils bereits regenerirt (/r”). An einzelnen Stellen sieht man im Epithel dunkle, von einem schmalen Hof umgebene Körnchen (/*), welche ein- gewanderte und halb verdaute Leucocyten darstellen. Theil des 104. Querschnittes durch die Puppe von der Mitte des ersten Tages (vergl. Holzschnitt I), Augenblase (4ub) und Ganglium opticum (go) in Zusammenhang zeigend. Die faltige Augenblase zeigt das regelmässig geschichtete Augenepithel (4wep) sowie die Epithelverdiekung, welche über den Bereich des peri- pheren Nervenplexus (p Np/) hinausgeht; die feinsten Nerven- fidchen, welche letzteren mit dem Epithel verbinden, waren hier nur theilweise sichtbar. Die Hauptmasse des Gangl. opt. wird von kleinsten Ganglienzellen dargestellt. Oben rechts bei À sieht man die das Gangl. opt. überziehende epithelähnliche Rinne an- geschnitten, unterhalb welcher der nervöse Augenstiel (auf den nächsten Schnitten sichtbar) aus dem Ganglion hervortritt (vergl. d. Text, S. 48 u. Holzschnitt Fig. XIV). In dem oberen und unteren Schlundganglion (gso und go) sind kleinere und grössere Ganglienzellen zu erkennen. Die Fettzellen (F) zeigen theilweise Blutkörperchen im Innern. Die Imaginalscheiben (F/ Flügel und B°! drittes Bein) zeigen ausserhalb der getroffenen Bein- und Flügelspitze den peripodalen Raum und die perip. Membran; letztere legt sich stellenweise vollständig an die Nachbartheile an. Längsschnitt durch Augenepithel (4uep), Augenstiel (4us) und Ganglion opticum (go) einer Puppe vom Ende des zweiten Tages, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 129 kurz nach dem Umstülpen des Kopfes. Das in Fig. 9 nach innen vor dieser Umstülpung in die Augenblase gerichtete Augenepithel liegt hier an der Oberfläche und nach aussen gerichtet. Der in jener Figur scheinbar von aussen herantretende nervöse Augenstiel erreicht hier mit seiner Endausbreitung (p Npl) das Augenepithel von innen. Zwischen diesen beiden liegen zahlreiche zur Er- nährung des Epithels dienende Körnchenkugeln ; desgleichen ist an einigen Stellen (/*) eine Einwanderung von Leucocyten in das Epithel zu bemerken. Die Grenze zwischen specifischem Epithel und Hypodermis ist ziemlich scharf. Die bei Fig. 9 er- wähnte Rinne an der Oberfläche des Ganglion opticum ist hier etwas tiefer getroffen, so dass man theilweise beide Ränder sehen kann. Der breite Ursprung des Augenstieles aus dem Ganglion lässt sich erkennen, doch ist die Uebergangsstelle selbst erst in den folgenden Schnitten getroffen. In den Fettzellen sieht man zahlreiche zerstreute Leucocyten (/’), zwischen jenen sind Körnchen- kugeln in allen möglichen verschiedenen Formen und Zuständen sowie einzelne „leere“ Leucocyten zu erkennen. Fig. 11. Skizze des sagittalen Längschnittes, welchem die Fig. 10 ent- nommen ist. Kopf (#) und Thorax (th) sind durch eine tiefe Einschnürung von einander getrennt. Von den Beinen sind nur die basalen Theile getroffen worden. Das Abdomen ist bedeutend kürzer als vor der Bildung des Kopfes. Da der Schnitt etwas schräg gerathen ist, sieht man sowohl eine der Antennen (ant) als auch den Rüssel (A&) getroffen. Ta: Oberlippe. Der Augen- stiel, welcher das Augenepithel (4uep) mit dem Ganglion opticum (go) verbindet, ist zu dick wiedergegeben, vergl. Fig. 10. Die eigenthümliche Rinne am Ganglion zeigt sich bogenförmig. Tafel II. Fig. 12—15. Vier Stadien aus der Bildungsgeschichte von Thoraxmuskeln der Imago aus drei Paar persistirenden Larvenmuskeln vom zweiten Thoraxsegment. Fig. 12 und 13. Diese beiden Figuren ergänzen sich symmetrisch, indem sie, bis auf den leeren Zwischenraum in der Tafel, den ganzen hinteren Rand eines Querschnittes bilden, wobei indessen die beiden Figuren je einem anderen Stadium angehören und Fig. 13, entsprechend der grösseren Ausbildung der Theile, einen relativ grösseren Raum einnimmt. Fig. 12. Querschnitt durch die drei rechten äusseren Rückenmuskeln (Mp) des zweiten Thoraxsegments der Larve, welche der allgemeinen Muskeldegeneration entgehen und zu den rechten Brustmuskeln der Fliege werden, sowie durch die umgebenden Theile. (Die Figur stellt den linken oberen Theil der Fig. 5 bei stärkerer Zool, Jahrb, III, Abth, f, Morph, 9 130 Fig. 13. Dr. J. van REES, Vergrösserung dar). Die Kerne dieser persistirenden Muskeln haben bereits nicht mehr die gewöhnliche periphere Lage, sondern liegen etwas unter der Oberfläche. In unmittelbarer Nähe dieser Muskeln sieht man Ausläufer (mes) der grossen Mesodermmasse, welche sich an der Basis der Flügelanlage befindet (siehe in Fig. 5 links und rechts bei mes). Sie erstrecken sich hier namentlich an der inneren Seite der persistirenden Muskeln und trennen diese dadurch von den Muskeln der inneren Reihe, welche hier schon in Zerfall sind, bei Md durch Vermittlung von Leucocyten, bei Md* wahrscheinlich ohne diese durch blossen katalytischen Einfluss der Körperflüssigkeit. Das Mesoderm ist mehr oder weniger von Leucocyten durchsetzt. Ausserhalb der Muskelreihe ist die feinkörnig geronnene Körperflüssigkeit von Zerfallsproducten (hk?) der Larvenhypodermis durchsetzt, da die Figur genau die Stelle wiedergiebt, wo die Grenze von Larvenhypodermis (4!) und imaginaler Hypodermis (4) angetroffen wird. Letztere befindet sich an dieser Grenze ausserhalb der larvalen, und diese behält ihren Zusammenhang nur genau bis an den Punkt, bis zu welcher die neue Hypodermis bei ihrem Fortschreiten gelangt ist; dort zeigt sich erstens die Concentration der chromatischen Substanz und bald darauf die Abtrennung der einzelnen ziemlich kuglig zusammengezogenen Hypodermiszellen, welche auf diese Weise in die Körperflüssigkeit gelangen und von Leucocyten früh oder spät incorporirt werden. Eine Lücke zwischen beiden Hypodermis- arten ist niemals da. Theil eines Querschnittes durch eine, ein weiteres Stadium in der Umbildung der Muskeln darbietende Puppe vom zweiten Tage. Die Larvenhypodermis ist hier vollständig durch die imaginale Hypodermis ersetzt. Epithelzellen theilweise sehr in die Länge gestreckt, Membrana propria (mpr) grösstentheils stark abgehoben, der Raum zwischen ihnen mit Körperflüssigkeit und Gewebs- trümmern angefüllt. Die persistirenden Muskeln (MP) sind grob- körniger als in dem früheren Stadium, die Kerne sind noch mehr nach Innen gerückt. Mesoderm viel mächtiger entwickelt, sowohl ausserhalb als innerhalb der Muskelreihe, theilweise an der Mem- brana propria entlang ziehend, grösstentheils indessen in der un- mittelbaren Umgebung der. Muskelmassen angehäuft. Die Form der einzelnen Mesenchymzellen ist unregelmässig spindelförmig, auf dem Querschnitt kreisrund, wenn nicht polyedrisch durch gegenseitige Berührung. An mehreren Stellen sieht man, wie die Mesenchymzellen bemüht sind, sich in die Muskelmasse einzubohren, und diese in kleinere Stücke zu vertheilen. In dem in der Mitte gelegenen Muskelschnitt bemerkt man ferner zwei kleinere Kerne, welche in der Masse selbst gelegen sind und also keine Mesen- chymzellen oder deren Kerne sind, sondern Theilungsproducte der Muskelkerne selbst. Zwischen dem Mesenchym und namentlich ausserhalb desselben befinden sich zahlreiche Leucocyten und Körn- chenkugeln. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 131 Fig. 14. Fig. 15. Querschnitt (resp. Schrägschnitt) durch zwei junge imaginale Thoraxmusklen einer Puppe vom Ende des 3. Tages. Der Schnitt ist so gewählt, dass man die Beziehungen des schräg getroffenen Muskels zur Hypodermis erkennen kann. Der quergetroffene rechte Muskel zeigt einen nur geringen Umfang, weil nahe an seiner vorderen schmalen Spitze getroffen. Das Mesenchym hat sich zu einer mächtigen compacten Masse herangebildet, welches die hier von einander abgetrennten Muskelmassen MP allseitig umgibt und von einander entfernt hält. (In den tieferen Schnitten sieht man in dem Mesoderm nicht nur zwei, sondern bis sechs solcher Muskelmassen eingebettet, was darauf beruht, dass diese Muskelfäden nach den Enden des ganzen Muskels hin nicht alle zu gleicher Zeit ihr Ende erreichen. An den Mesenchymzellen ist der Kern jetzt sehr gross und der ihn umgebende Zellkörper nur mit sehr starken Linsen deutlich zu unterscheiden, so dass in dieser Figur der Eindruck wiedergegeben ist, den man bei der angewandten Vergrösserung von dem Bilde erhält. Die Kerne in den specifischen Muskelmassen haben sich in starkem Grade ge- theilt, Kerne von der Grösse wie in Fig. 13 sind hier nicht mehr da, nur einige von mittlerer Grösse, bei welchen der Theilungs- process noch nicht vollständig zu Ende geführt ist (bei MP in der Mitte). Das Resultat dieser Kerntheilungen sind die zarten fädchenartigen Kernreihen, wie man sie auf dem linken schräg- getroffenen Muskelschnitt erblickt. Die einzelnen Kernchen dieser Reihen liegen merkwürdig eng an einander, anscheinend ohne protoplasmatische Zwischensubstanz. Die Hypodermis (A) zeigt, wie im früheren Stadium, Ge- webstrümmer und namentlich auch Körnchenkugeln zwischen ihrem compacteren äusseren Theil und der Membrana propria (mpr), also zwischen den feineren Ausläufern der Epithelzellen. Als Muskelsehne hat sich ein bedeutender Strang aus diesem lockeren Epithelgewebe entwickelt, welcher sich, von der Membrana propria umgeben, mit dem Wachsen des Muskels immer mehr in die Länge dehnt, innig verbunden mit dem Mesenchymgewebe des Muskels, und von Körnchenkugeln reichlich durchsetzt. Auch zerfallende blasse Leucocyten (/@) mit sehr wenigen kleinen oder gar keinen Fremdkörpern im Innern sind in dieser Sehne an einigen Stellen zu sehen. Bei A* befinden sich zwischen den kleinen Epithelzellen zwei viel grössere Zellen, welche bei der späteren Bildung der grösseren Haare eine Rolle spielen werden. Neben den besprochenen Neubildungen sind Körnchenkugeln und Fettzellen in verschiedensten Gestaltungen in der Körperflüssigkeit zerstreut; die Letzteren zeigen mehrere Leucocyten im Innern unregelmässig vertheilt. Theil eines Querschnittes durch eine Puppe vom 4. Tage, in welchem, wie in der vorigen Figur, der eine Muskel quer, der andere schräg getroffen ist. (Des Raumes halber konnte ersterer nicht vollständig abgebildet werden, ebensowenig die Sehne (5) 9 # 132 Fig. 16. Dr. J. van REES, des anderen Muskels bis an ihren Ursprung aus dem Epithel). Die Muskelmasse (MP) hat sich dem Mesenchymgewebe gegen- über mächtig entwickelt; letzteres findet sich theilweise wieder in dem feinen Ueberzug von platten Zellen, welcher jede der ge- sonderten, aber eng zusammenliegenden Muskelmassen MP umgibt; ob ausserdem die anliegenden Nerven (N), vielleicht auch nachbar- liche kleinere Tracheen (fr) sich aus diesem Mesenchym entwickelt haben, blieb unerörtert. Die Muskelkernreihen der Fig. 14 haben sich jetzt zu einem langmaschigen Netzwerk von Balken oder Platten entwickelt, welche aus eng aneinanderliegenden winzigen Kernen bestehen, wie der Vergleich von deren Bilde auf dem Quer- und dem Schrägschnitt dies kundgibt. Die Muskelsehne ist in noch höherem Grade als in Fig. 14 von Körnchenkugeln (Kk) sowie von freien Muskelballen und von grossen blassen (de- generirenden ?) Leucocyten durchsetzt. Die wenigen ganz oder theilweise abgebildeten Fettzellen der Umgebung zeigen zufällig keinen eigenen Kern, doch sehr viele eingeschlossene Leucocyten (!’) theilweise von bedeutender Grösse und alsdann viele Kerne enthaltend. Im Epithel der Hypodermis (4°) erkennt man viele eingewanderte und der Verdauung anheimgefallene Leucocyten (/*), in der Höhe der Kerngegend kaum noch als winzige dunkle Pünktchen zu erkennen. Der breite Raum zwischen dem rechten Fettzellen-Streifen und dem Muskel mag zum Theil durch Zu- sammenziehung des Muskels bei der Erhärtung hervorgerufen sein, wurde aber der Einheitlichkeit halber in der Zeichnung als über die ganze Breite von der Körperflüssigkeit ausgefüllt dargestellt. Ein kleiner Theil vom unteren Rande des Querschnittes von Fig. 5 der vorigen Tafel bei stärkerer Vergrösserung und zwar die durch „16“ angedeutete Stelle. Sie zeigt noch deutlicher, als dies in Fig. 12 der Fall ist, die Verdrängung der alten Hypo- dermis (Al) durch die neue (A). Die alten Hypodermiszellen ändern ihren Character erst, wo sie von den vordringenden neuen Epithelzellen überdacht sind; die dritte larvale Hypodermiszelle von rechts zeigt starke Zusammenziehung der chromatischen Sub- stanz, liegt aber noch in Reihe und Glied mit den anderen; links davon ist der Zellenverband aufgelöst und sind nur noch dege- nerirte zerstreute Epithelkerne (4%) sowie Körnchenkugeln anzu- treffen, letztere dort sowie ganz rechts von anderen Stellen hinein- gewandert. Nach innen wird die ganze Masse durch die peri- podale Membran (pp M) des zweiten rechten Beines begrenzt, deren platte Kerne (7) hier weit auseinander liegen. Fig. 17—20. Querschnitte durch degenerirende Larvenmuskeln in ver- ig. 1:74 schiedenen Stadien der Einwirkung der sie angreifenden Leuco- cyten (0). Querschnitt durch einen Muskel, welcher in der oberen Hälfte noch vollkommen unangetastet ist. Mk Muskelkern, von Pro- toplasma umgeben und weniger abgeplattet als im thätigen Muskel. In der unteren Hälfte sind mehrere Leucocyten ver- Fig. Fig. Fig. Fig. Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose v. Musca vomitoria. 133 schieden weit zwischen die Fibrillenbündel des Muskels einge- drungen, dabei mehr oder weniger tiefe Spalten hervorgerufen habend, wovon die tiefsten (bis an das gegenüberliegende Sarco- lemm reichend) die ganze Breite des Muskels durchsetzen. Wo die Leucocyten an einander grenzen, sind ihre Contouren nicht absolut scharf zu erkennen, Der Muskel liegt eng an drei Fett- zellen (F) seitlich angeschmiegt. In dem Raum zwischen den beiden untersten ist in dem Muskel bereits eine Zerkleinerung seiner Substanz eingetreten, welche sich in der Anwesenheit mehrerer kleineren Muskelballen äussert. Ob der bereits einigermaassen degenerirte und von einem Leucocyten halb umschlossene Muskel- kern Mk von diesem Muskel oder einem anderen in weiterer Degeneration befindlichen entstammte, konnte ich nicht feststellen. In der Regel werden indessen die Muskelkerne nicht so rasch von Leucocyten incorporirt, wie die Figuren dies zeigen. 18. Theil eines Muskelquerschnittes bei weiterem Eindringen der Leucocyten. Letztere haben an allen Stellen die gegenüberliegende (rechte) Breitseite erreicht und sich hier theilweise flach ausge- breitet. Viele kleine und runde Muskelfragmente sind schon allseitig von Leucocyten umgeben, indessen haben noch die meisten Trümmer bei der Zerspaltung eine höchst unregelmässig und ver- schieden gestaltete Form sowie ziemlich scharfe Kanten behalten. Die meisten Risse sind bedeutend breiter als in dem Stadium der vorigen Figur. (Die Form des Kernes der Leucocyten kann man hier wie dort aus den verschiedenen Bildern (nämlich schmal von der Kante, breit von der Fläche gesehen) als eine platt unregel- mässig elliptische erkennen.) Der Muskelkern (MA) zeigt die eigenthümliche sphärische Form sowie die beginnende Zu- sammenballung der chromatischen Substanz, wie sie bei der De- generation dieser Gebilde characteristisch auftreten. g. 19. Theil aus einem Muskelquerschnitt bei hochgradiger Zertrüm- merung der Muskelsubstanz. Die meisten Fragmente (Hd) sind vollkommen abgerundet. Leucocyten (/) theilweise in ihrer Viel- zahl als (Grundsubstanz) Medium, worin die Muskelballen einge- bettet sind, theilweise aussen an die Masse angelagert und in ihren Umrissen scharf zu erkennen. Der Muskelkern (Mk) befindet sich hier, wie in Fig. 20c, in seiner typischen Degene- rationsform, wie sie der Incorporation seitens eines Leucocyten meistens während längerer Zeit vorangeht. 20a und b. Körnchenkugeln verschiedener Gestaltung, zwei bis viele Muskelfragmente der verschiedensten Grössen in sich bergend. c. Solche Körnchenkugeln in ihrer natürlichen Lage neben einander. Das Bild von dem Stadium der Fig. 19 wandelt sich nach einiger Zeit in ein solches um, wie es in Fig. 20c vorliegt. 21—23. Drei Fettzellen mit eingewanderten Leucocyten aus ver- schieden alten Puppen. 21. Fettzelle aus einer Puppe vom Ende des 1. Tages, / freie, / eingewanderte Leucocyten; letztere sind durchschnittlich etwas 134 Dr. J. van REES, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose etc. compacter, ihre Kerne bedeutend kleiner als bei den freien Leuco- cyten; nur einer zeigt zwei Kerne. Durch die Doppelfärbung mit Pierocarmin und Hämatoxylin ist im Präparat der Nucleolus und das Kerngerüst des Kernes der Fettzelle blau, der Kernsaft sowie die Kerne des Leucocyten schön roth tingirt. Die Leuco- cyten sind wie in die Kernmembran eingedrückt. Fig. 22. Fettzelle aus einer Puppe vom Anfang des 2. Tages. Leuco- cyten nicht so sehr in der nächsten Umgebung des Kernes an- gehäuft. Fig. 23. Fettzelle aus einer 1!/, Tage alten Puppe. Leucocyten un- regelmässig durch die innere Zone der Fettzelle zerstreut; viele ({") enthalten mehrere Kerne. (In den grösseren Leucocyten ist zuweilen der Kern nicht getroffen.) Carminfärbung sehr schwach, Hämatoxylinfärbung intensiv. Inhaltsverzeichniss. Seite Einleitung, geschichtlicher Ueberblick . . . . . 2 2 . . . 1 Methoden-der Untersuchung). . vun ln! Ye Says Bat, OI Oe Es Bildung der ‚Puppb 9% sag oh. Gav HN). a SS Zerfall der Larvenmuskeln . . . au PUS). ER N el Bildung des Puppenkörpers als Gaazen A. Bildung des: Thérax . (sn, ÉGAL See aa B. Bildung des Kopfes . . 41 C. Bildung des Abdomens und Zerfall der larvalen Hypodermis 54 Bildung des Mesenchyms . . . . . . 2 63 Verhalten des Darmkanals . . . Je ol m. BE ee Zerfall einiger anderen specifischen Latventhoile A, Bpeicheldrüsen ) 2.7.4 1430), MONO" TA B. Fettzellen . . . ERDE]. AR AS i es ane Zerfall und Umbildung der Mraekeen GEN, Re SN BE Nervensystem . . HAT. GOT ET Bildung der Brustmaskeln aus Tmrvenmuskel „Ale SONAR LA OS Weiteres Schicksal der Körnchenkugeln und Leucocyten . . . 113 Schlussbetrachtung 544 us OR PUS NT ER FT Nachschrift . . re rt MONA EU RER al Erklärung der Abbildungen x Studien über Protozoen. - Von Dr. L. Plate in Marburg. Hierzu Tafel III-V. Die im Nachfolgenden mitgetheilten Beobachtungen sind zu sehr verschiedenen Zeiten angestellt worden und ohne tieferen inneren Zu- sammenhang aus dem Wunsche entstanden, die Biologie der Protozoen in einigen Richtungen zu fördern. Vornehmlich habe ich der Frage, in wie weit die Conjugation und die Copulation der Protozoen sich mit der grossen organischen Fundamental - Erscheinung der Befruch- tung vergleichen lassen, fortdauernd meine Aufmerksamkeit zugewandt, und aus diesem Grunde kann die vorliegende Abhandlung als eine Fortsetzung meiner früheren Untersuchungen über die Ektoparasiten des Gammarus pulex angesehen werden. Theoretische Betrachtungen habe ich thunlichst nicht in den beschreibenden Theil aufgenommen, sondern sie zu einem besonderen Schlusscapitel zusammengestellt; mögen sie ihren Zweck erfüllen und einen kleinen Beitrag zur Klärung jener interessanten Verschmelzungsprocesse liefern ! I. Die Gattung Acinetoides n. g., eine Intermediär-Form zwischen den ciliaten Infusorien und den Acineten. Auf Zoothamnium-Colonien des Neapeler Golfes fand ich im Früh- jahr 1886 zwei eigenthümliche, bis jetzt noch nicht beschriebene Suc- torien, welche von einigem Interesse sind, weil sie zeitlebens auf dem 136 Dr. L. PLATE, Entwicklungsstadium stehen bleiben, welches bei den übrigen Acineten durch die frei-beweglichen Knospen repräsentirt wird. Sie gestatten den schon in der Ueberschrift dieses Capitels ausgesprochenen Schluss, dass wir es hier mit einer Thierform zu thun haben, welche einige der charakteristischen Merkmale der ciliaten Infusorien und der Aci- neten in sich vereinigt. Die zwei Species, welche mir in Neapel zu Gesicht gekommen sind, mögen in Zukunft unter dem Gattungsnamen Acinetoides vereinigt werden, der zugleich andeutet, dass die in Rede stehenden Protozoen in ihrem Gesammthabitus den Suctorien immer- hin noch näher stehen als den Ciliaten. Die Figur 1 der Tafel III stellt die grössere der beiden Arten dar; ich erlaube mir, dieselbe zu Ehren des Herrn Prof. R. GREEFF, dem wir verschiedene werthvolle Untersuchungen über Protozoen ver- danken, Acinetoides greeffii zu nennen. Das Thier wird bis zu 0,046 mm gross und erreicht eine Höhe von 0,02 mm. Die Gestalt erinnert sehr an die der Schwärmknospen mancher Acineten, z. B. des Dendroco- metes paradoxus St, nur ist die Anordnung der Cilien eine durchaus verschiedene. Die Acinetoides greeffii hat eine planconvexe Körper- form. Von oben oder von unten (Fig. 2) betrachtet zeigt das Thier einen elliptischen Umriss: die gewölbte Seite unseres Infusors möge als Rücken, die flache als Bauch bezeichnet werden. Die letztere ist selten ganz eben, sondern in der Regel muldenförmig vertieft, sowie Fig. 1 dies veranschaulicht. Nur das eine Ende derselben, welches wir als das vordere ansehen wollen, pflegt hiervon eine Ausnahme zu machen; dasselbe springt in der Form eines flachen Kegels über den ventralen Körperrand vor und trägt in seiner Mitte das Organ für die Nahrungsaufnahme, einen an seiner Spitze geknöpften Saugfaden, der sich bis tief in’s Innere des Zellkörpers verfolgen lässt und sich nur durch seine auffallende Kürze und Starrheit von den gleichen Organen der meisten andern Acineten unterscheidet; wenigstens habe ich nie Exemplare gefunden, die ihren Tentakel völlig in das Zell- plasma retrahirt hatten, sondern auch bei stark beunruhigten Thieren war dieser kurze Saugfaden stets sichtbar. Ueber die feinere Struc- tur dieses Gebildes habe ich aus Mangel an starken Objectiven nicht viel ermitteln können; es schien mir ein von einem Längscanal durch- zogener Plasmastab zu sein. — Für die Gattung Acinetoides ist die dauernde Bewimperung der Bauchseite in hohem Grade charakteri- stisch. Sie erstreckt sich nicht über die ganze Unterseite, sondern nimmt, wie man bei der Betrachtung der Ventralfläche (Fig. 2) sieht, nur ein elliptisches inneres Feld ein, lässt dagegen den peripherischen Studien über Protozoen. tat Saum cilienfrei. Die Wimpern sind in Langsreihen angeordnet und scheinen in besonderen Furchen zu stehen; wenigstens bemerkt man auf der Bauchseite eine zarte Längsstreifung, die sich über ein genau so grosses Feld ausbreitet wie die Cilien. Jeder Streifen besteht aus hintereinander liegenden Körnchen und macht daher ungefähr den- selben Eindruck wie bei Stentor die Körnchenreihen, zwischen denen die myophanen Fibrillen verlaufen. Irgendwelche Fäden, die den letz- teren entsprächen, habe ich bei den Acinetoides-Arten nicht entdecken können, obwohl es ganz sicher ist, dass der Bauchfläche von Acine- toides greeffii ein hoher Grad von Contractilität zukommt; ich ver- muthe daher, dass eine mit sehr starken Linsen vorgenommene Unter- suchung auch bei unserer Thierform muskelartige Fibrillen wird nach- zuweisen vermögen. Mit Hilfe dieser Contractilität ist dieselbe im Stande, ihre Gestalt etwas zu modificiren, namentlich die Rückenfläche bald stark halbkuglig, bald etwas flacher zu wölben. Ich komme weiter unten bei der Schilderung der Lebensweise unserer Infusorien noch darauf zurück, welchen Gebrauch die Acinetoides-Arten von die- ser Fähigkeit machen. — Die Acinetoides greeffii wird nach aussen überall von einer dünnen Cuticula begrenzt. Das Innere des Zellkör- pers entbehrt aller besonderen Eigenthümlichkeiten. Wir finden da- selbst einen länglichen, häufig wurstförmig gekrümmten Kern (Fig. 1 N), der sich fast durch die ganze Zelle ausdehnt, eine feinkörnige Struc- tur besitzt und von einer besonderen Membran umschlossen wird; ferner zahlreiche, fettartig glänzende Körnchen und eine dicht über der Bauchfläche gelegene contractile Vacuole (Fig. 1, 2, c. v). Die zweite hierher gehörige Art, welche nach ihrem Aufenthalts- ort den Speciesnamen Ac. zoothamni führen mag, gleicht der soeben beschriebenen fast in allen Punkten. Nur ist sie bedeutend kleiner, nämlich ungefähr halb so gross wie Acinetoides greeffii, und besitzt einen anders geformten Kern, von kugelrunder Gestalt und relativ sehr geringer Grösse (Fig. 4, N). Auch in der Lebensweise giebt sich die Artverschiedenheit der zwei soeben geschilderten Infusorien deutlich zu erkennen. Beide haben das miteinander gemein, dass sie sich auf Colonien der Vorti- cellinengattung Zoothamnium aufhalten und sich durch Aussaugen der Individuen derselben ernähren. Sie sind also Schmarotzer und werden jenen zierlichen Stöcken in hohem Maasse gefährlich. Ich habe oft Bäumchen derselben angetroffen, die an einzelnen Zweigen alle Indi- viduen durch die sie umschwärmenden Acinetoides verloren hatten. 138 Dr. L. PLATE, Merkwürdiger Weise sucht sich nun jede Acinetoides-Art eine ganz bestimmte Körperregion einer Zoothamnie zur Festheftung aus. Die Individuen von Acinetoides greeffii bevorzugen stets die Basis ihrer Beutethiere, dort, wo der Muskel des contractilen Stieles pinselförmig in die Glocke ausstrahlt, und fixiren sich hier dadurch, dass sie in der Mitte ihres Körpers quer zusammenknicken und sich dabei eng an ihr Opfer anpressen (Fig. 3). Offenbar sind sie hierzu nur durch die hohe Contractilität der Ventralfläche befähigt, indem die Fest- heftung durch Bildung eines luftverdünnten Raumes innerhalb der muldenförmig vertieften Bauchseite erfolgt. Während das Plasma der Vorticelline in die Acinetoides überströmt, verhalten sich die Wimpern der letzteren in der Regel ganz ruhig; nur zuweilen gerathen sie für wenige Augenblicke sämmtlich oder theilweise wieder in Bewegung, ein Beweis, dass bei der Anheftung nur der periphere Rand der Bauch- seite unserer Suctorie der Beute angeschmiegt wird. In dieser Stel- lung verharrt die Acinetoides oft geraume Zeit, eine Stunde und län- ger, manchmal hingegen nur wenige Minuten. Kurz vor der Loslösung beginnen die Cilien heftiger zu schlagen, das Thier bewegt sich etwas hin und her, ja rotirt zuweilen um die noch immer in der Beute steckende Saugröhre und reisst sich endlich ganz von seinem Opfer los. Die Bewegungen während des freien Umherschwärmens sind sehr unstät und erinnern ganz an das ruckweise Hin- und Hertaumeln deı Acinetensprösslinge. Vielfach habe ich beobachtet, dass die Thierchen schon ca. eine Minute nach der Loslösung sich auf’s neue festgeheftet hatten. Die Acinetoides greeffii ist so gross, dass nur zwei derselben gleichzeitig an einer Zoothamnie Platz finden, da sie eben stets die Basis der Glocke zur Fixation aufsucht. Anders ist es dagegen bei der kleineren Art. Diese meidet die Nähe des Stielgrundes und setzt sich mit Vorliebe aın Peristom, auf dem Peristomdeckel oder den Körperseiten fest, und in Folge der geringeren Grösse sieht man oft 3—5 Individuen gleichzeitig mit dem Aussaugen derselben Zoothamnie beschäftigt. Der Tod der letzteren tritt schon sehr bald nach der Festheftung einer Acinetoides ein, so dass diese offenbar ihre Beute mit irgend einer ätzenden Flüssigkeit in Berührung bringt. Durch den Substanzverlust, den die Zoothamnie sodann erleidet, collabirt der vordere Abschnitt der Glocke, und die Cuticula derselben legt sich in zahlreiche Runzeln und Falten (Fig. 3. 4). Merkwürdige Weise saugen unsere Thierchen ihre Opfer — auch wenn mehrere Individuen von einem und demselben zehren — nie ganz aus, sondern beschränken sich auf einen Theil des Plasmas, um sich sodann auf ein anderes Studien über Protozoen. 139 Infusor zu stürzen. Es kann dies wohl nur darin seinen Grund haben, dass die Körpersubstanz der Zoothamnie durch längeres Einwirken der von der Acinete ausgeschiedenen abtödtenden Flüssigkeit verändert wird und dann unseren Thierchen nicht mehr mundet. Ueber die Fortpflanzung der Gattung Acinetoides konnte ich mich nur an der kleineren Art unterrichten (Fig. 4). Es ist eine genaue Erkenntnis derselben natürlich von der grössten Wichtigkeit, weil ohne dieselbe die Möglichkeit bestehen bleibt, dass die beschriebenen Pro- tozoen nur Schwärmknospen anderer Suctorien darstellen; unterschei- den sie sich von diesen doch nur durch das Vorhandensein der einen Saugröhre! Dass eine solche Vermuthung nicht richtig wäre, war mir freilich von Anfang an klar, da ich die Acinetoides stets in grösserer Zahl zusammen beobachtete, und sich an den von ihnen befallenen Zoothamnium-Colonien im Uebrigen nur einige wenige Podophryen vorfanden, die kleiner waren als die hier geschilderten Suctorien, da- her unmöglich mit denselben zusammenhängen konnten. Ausserdem kamen mir auch die schwärmenden Knospen dieser Podophryen zu Gesicht; sie hatten eine ganz andere Körperform als die Acinetoides- Arten und besassen auch keinen Saugtentakel. Der Schluss, dass diese selbständige Organismen und nicht blosse Entwicklungsformen seien, war daher unabweisbar und wurde auch später durch die Be- obachtung der Fortpflanzung der Acinetoides zoothamni durch einfache Quertheilung (Fig. 4) bewahrheitet. Die in der Durchschnürung be- griffenen Individuen schwammen theils umher, theils sassen sie auf ihren Nährthieren, ohne dass es mir jedoch gelungen wäre, in letzte- rem Falle einen doppelten Saugtentakel zu bemerken. — Die Fort- pflanzung durch Quertheilung liefert einen neuen Beweis für die ver- mittelnde Stellung, welche die Gattung Acinetoides zwischen den Ci- liaten und den Suctorien einnimmt. Ein derartiger Fortpflanzungs- modus ist freilich schon bei verschiedenen anderen Acineten, so bei Podophrya fixa, Acineta mystacina, Urnula epistylidis und einigen anderen beobachtet worden, bleibt aber immerhin eine seltene Ver- mehrungsweise der Suctorien, welche hinter der Fortpflanzung durch äussere oder innere Knospen ganz zurücktritt, während umgekehrt bei den Ciliaten die neuen Individuen in der Regel durch Quer- oder Längstheilung entstehen und nur bei einzelnen festsitzenden Gattungen als Knospen angelegt werden. Dieser Gegensatz, der zwischen Wim- perinfusorien und Acineten hinsichtlich der Fortpflanzung besteht, ist kein principieller, sondern nur durch die verschiedene Lebensweise bedingt. Ein sessiler Organismus befindet sich in Betreff der Ernäh- 140 Dr. L. PLATE, rungsmöglichkeit im Vergleich mit einem ebenso gebauten, aber frei- beweglichen stets im Nachtheil und bedarf daher zur Erhaltung seiner Art einer grösseren Nachkommenschaft, ein Ziel, das natürlich durch Bildung zahlreicher kleiner Knospen eher erreicht wird als durch ein- fache Theilung, die aus einem Mutterthier nur zwei Nachkömmlinge liefert. Welche systematische Stellung die Gattung Acinetoides einzuneh- men hat, kann nach dem Gesagten nicht zweifelhaft sein; sie ist zu den Suctorien zu rechnen und als ein Bindeglied zwischen diesen und den ciliaten Infusorien anzusehen. Die Existenz einer der- artigen Intermediär-Form liefert, wie mir scheint, ein neues Argument zur Stütze der schon von verschiede- nen Forschern vertretenen Ansicht, dass die Acineten modificirte Ciliaten sind, welche im Zusammenhang mit der Erwerbung einer sesshaften oder schmarotzenden Lebensweise eigen- thümliche Saug- und Fangfäden, die als Organe sui generis anzusehen sind, erlangt haben. Diese Anschauung fusst vornehmlich auf der Thatsache, dass die Knospen der Acineten durch ihren holo-, hypo-, oder peritrichen Wimperbesatz an die eigentlichen Infuso- rien erinnern, dass die Acineten also in ihrer Jugend ein ciliaten- artiges Stadium durchlaufen. Man hat gegen diese Auffassung der Schwärmknospen — wie mir scheint mit Unrecht — vorgebracht, dass das sogenannte „biogenetische Grundgesetz‘ auf einzellige Organismen überhaupt nicht anwendbar sei, und daher die freie Beweglichkeit der Acinetensprösslinge als eine besondere Anpassungserscheinung betrach- tet werden müsse. Liegt im Organismus wirklich die Tendenz, in der Ontogenie gewisse morphologische Verhältnisse, die in ihrer Aufein- anderfolge der phylogenetischen Entwicklung entsprechen, zu recapi- tuliren, so bleibt es sich ganz gleich, ob sich diese Verhältnisse an einer Zelle oder an einem Zellencomplexe abspielen. Bei der Knospen- bildung, wo Mutter- und Tochterthier schon äusserlich so verschieden gebaut sind, wird höchst wahrscheinlich auch die Micellarstructur des Plasmas in der Knospe von derjenigen der Mutter abweichen, und es ist ganz gut denkbar, dass die erstere mit der den Vorfahren des betreffenden Infusors eigenthümlichen Plasmastructur annähernd über- einstimmt, und daher auch auf die Entwicklungsgeschichte der Knospe das biogenetische Gesetz sich anwenden lässt. Das letztere ist nur dann unmöglich, wenn ein Protozoon in zwei Theilstücke zerfällt, die sich äusserlich und in ihren weiteren Wachsthumserscheinungen ge- Studien über Protozoen. 141 nau gleich verhalten; dies ist aber bei der Vermehrung durch Knospen nicht der Fall. Suctorien von der Beschaffenheit der Gattung Acinetoides lassen sich ungezwungen nur auf ciliate Infusorien zurück- führen, — sei es nun direct oder durch Ableitung beider Familien von einer gemeinsamen Stammform — und daher scheint mir auch die Ansicht, welche MAupaAs !) neuerdings vertreten hat, dass nämlich die Acineten den Rhizopoden, speciell den Heliozoen ?) näher stehen als den Ciliaten, nicht richtig zu sein. Denn sind wirklich die Saugorgane der Suctorien aus Pseudopodien der Rhizopoden hervorgegangen , so müssten dieselben stets in grösserer Zahl vorhanden sein, während doch bei Acinetoides sich nur ein solcher Tentakel vorfindet. Man müsste also zur Aufrechterhaltung der Maupas’schen Anschauung eine Reduction in der Zahl der Tentakeln für das eben genannte Genus an- nehmen, eine Vermuthung, die sich nur schwer mit den übrigen pri- mitiven Charakteren derselben vereinigen lässt. Maupas*) führt zur Stütze seiner Hypothese eine Behauptung ENGELMANN’s an, nach der die Cilien bei niederen Pflanzen und Thieren so verbreitet seien, dass man bei phylogenetischen Untersuchungen keinen Werth auf ihr Vor- handensein oder Fehlen legen könne. Ich glaube, die genannten For- scher gehen in ihrer Schlussfolgerung etwas zu weit; richtig ist es gewiss, dass Organe, welche, wie z. B. die Cilien oder die Augen- pigmentflecke, in den verschiedensten Klassen wiederkehren, bei phy- logenetischen Fragen nur mit Vorsicht zu verwerthen sind; aber völ- lig bedeutungslos werden sie deshalb noch nicht, denn auch sie werden in ihrer Anordnung und Stellung durch die Vererbung bedingt. Nur so wird es erklärlich, dass nah verwandte Acineten vielfach Schwärm- knospen mit gleicher oder ähnlich gruppirter Flimmerung haben, wo- für die im folgenden Capitel beschriebene Suctorie, deren nächste Ver- wandte unzweifelhaft der Dendrocometes paradoxus ist, ein gutes Beispiel liefert. Man kann daher mit Recht aus dem Flimmerkleide der Acinetenknospen schliessen, dass die Suctorien genealogisch mit den Ciliaten zusammenhängen, eine Folgerung, die sich um so unge- zwungener ergiebt, als wir viele Wimper-Infusorien kennen, die ihre Mundöffnung durch Anpassung an eigenartige Lebensverhältnisse ver- 1) E. Maupas, Contribution à l’étude des Acinétiens, in: Arch. de Zool. Expérimentale, T. IX, 1881, p. 299—368. 2) Mauras, L. c. p. 367. 3) Mauras, |. c, p. 363. 142 Dr. L. PLATE, loren haben. — Bei Sphaerophrya magna hat Maupas1) Tentakeln nachgewiesen, welche sehr an die Pseudopodien der Rhizopoden erin- nern. Es sind contractile Stabe, welche von einer plasmatischen Axe und einer Rindenschicht gebildet werden, also nicht hohl sind und sich auch nicht in den eigentlichen Kérper der Acinete fortsetzen. Sie endigen mit einem Knopfe, der die mit ihm in Berührung kom- menden Infusorien sehr schnell abtédtet und festhalt. Darauf nimmt der Tentakel sehr an Dicke zu, was Maupas wohl mit Recht auf Rechnung eines nicht sichtbaren Plasmastromes setzt, der von der Suctorie aus nach der Beute fliesst und auch wohl in diese eindringt. Schliesslich bemerkt man einen Strom in umgekehrter Richtung, der das Plasma des gefangenen Thierchens dem Körper der Sphaerophrya zuführt. Die Nahrungsaufnahme geschieht hier also in ganz ähnlicher Weise wie mittels echter Pseudopodien, nämlich ohne pumpende Be- wegung. Derartige Organe sind aber keineswegs charakteristisch für die ganze Classe der Acineten, sondern sind bis jetzt nur von jener einen Form bekannt. Speciell den Suctorien eigenthümlich sind die „Saugröhren“, Plasmastäbe, welche von einem Kanal durchzogen wer- den, in der Regel tief im Zellkörper entspringen und durch eine pum- pende Bewegung die Nahrung ihrer Beute entziehen. Bei den mei- sten Gattungen treffen wir nur derartige Gebilde an, die sich weder auf die Wimpern der Ciliaten noch auf die Pseudopodien der Helio- zoen zurückführen lassen, sondern als Organe sui generis anzusehen sind; aus ihnen sind dann auf einer höheren Differenzirungsstufe erstens jene pseudopodienartigen Tentakel und zweitens die Fang- fäden hervorgegangen, die nur zum Ergreifen der Beute dienen und über deren Bau die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. R. Herrwia schreibt ihnen bei Podophrya gemmipara eine solide Structur zu, während Maupas einen Canal im Innern gefunden haben will. — Der letztere Forscher hat schon hervorgehoben ?), dass Neben- kerne bis jetzt nur von gewissen Ciliaten und einigen Suctorien be- kannt sind, aber bei Rhizopoden noch nicht gefunden wurden; dieser Umstand spricht ebenfalls zu Gunsten der alten Theorie, welche ich hier weiter zu stützen versucht habe. — Schliesslich sei noch erwähnt, dass sich auch im Verlaufe der Conjugation Homologien zwischen Acineten und Ciliaten nachweisen lassen. Bei Dendrocometes para- 1) Maupas 1. c. p. 300 ff. 2) Maupas, 1. c. p. 364. Studien über Protozoen. 143 doxus z. B. wächst der Kern, wie ich in einer früheren Arbeit!) ge- zeigt habe, bei Beginn jenes Vorganges zu einem langen Faden aus und zerfällt sodann in zahlreiche Stücke, gerade so, wie dies von manchen Wimperinfusorien (z. B. Paramaecium aurelia und putrinum) bekannt ist. Die Suctorie, welche im folgenden Abschnitte dieser Ab- handlung eingehend geschildert werden soll, weist ferner ein interes- santes Conjugationsstadium auf, das sich gegenwärtig nur mit einem ähnlichen von Paramaecium aurelia vergleichen lässt. Im Uebrigen sind wir über die Conjugation der Acineten noch zu wenig unterrich- tet, um genealogische Beziehungen aus derselben ableiten zu können. II. Asellicola digitata, die „gefingerte Acinete“ STEIN’S. Die im Nachstehenden beschriebene Acinete ist eine nahe Ver- wandte des Dendrocometes paradoxus St. und lebt auf den Kiemen- blättern des Asellus aquaticus; sie ist generisch von allen bis jetzt bekannten Suctorien verschieden, und ich schlage für dieselbe nach ihrem Vorkommen den Gattungsnamen Asellicola vor. Den Species- namen digitata habe ich gewählt, weil der verdienstvolle Forscher FR. vy. STEIN dieselbe in seiner ersten grösseren Publication über In- fusorien ?) schon recht deutlich beschrieben und abgebildet hat. STEIN hielt, als er die Asellicola entdeckte, die Acineten irrthümlicher Weise für Entwicklungszustände der Wimperinfusorien und gab unserem Thiere, da er die zugehörige ciliate Form noch nicht gefunden hatte, vorläufig nur die Bezeichnung ‚die gefingerte Acinete“; er scheint dieselbe auch nicht gründlich studirt zu haben, da er in seiner Be- schreibung nur die allgemeine Körpergestalt erwähnt, ohne auf den Bau der Arme, die Beschaffenheit des Kernes und des Zellinneren, die Fortpflanzung und die Conjugation einzugehen 3). 1) L. Pirate, Untersuchungen einiger an den Kiemenblättern des Gammarus pulex lebenden Ektoparasiten. in: Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XLIII, p. 175— 241. 2) Fe. Sırın, Die Infusionsthiere auf ihre Entwicklungsgeschichte untersucht. Leipzig, 1854, p. 228. 3) Craparkpe und Lacumann (Etudes sur les Infusoires etc. I, p. 386), sowie auch $S. Krnt (Manual of the Infusoria, Il, p. 812) stellen, wie ich nachträglich finde, die 4sellicola in das Genus Trichophrya, ohne 144 Dr. L. PLATE, Die Asellicola digitata (Taf. III, Fig. 5) ist eine stiellose, halb- kugelförmige, mit Kern (N) und contractiler Vacuole (c. v) versehene Acinete, welche mit der flachen, sanft abgerundeten Unterseite der Kiemenblattfläche sich eng anschmiegt. Sie erreicht im Maximum ungefähr eine Länge von 0,11 mm und eine Höhe von 0,06 mm. Der ganze Körper wird von einer dünnen, aber dennoch doppelt contourirt erscheinenden Cuticula bedeckt, die sich auch auf die zahlreichen Arme (£) fortsetzt, welche von der Rückenfläche ausstrahlen und in ihrer Form und Gruppirung für unsere Art sehr charakteristisch sind. Die Cuticula ist am eigentlichen Körper überall gleich dick und farb- los, nur in der Mitte der Unterseite bildet sie einen elliptischen, ver- dickten Ring (r), der sich über die Basalfläche erhebt und mittels dessen das Thier auf seiner Unterlage festgeheftet ist. Die Körper- gestalt ist natürlich, wie bei allen Suctorien, geringen Abweichungen unterworfen , von denen der Leser einige bei Stein!) abgebildet fin- det. Auch durch Reagentien kann man die Körperumrisse verändern. Während bei den lebenden Individuen die Basalfläche eigentlich immer dem Kiemenblatte dicht anliegt, hebt sich dieselbe, wenn die Thiere im Wasser abgestorben sind, in halbkugeliger Wölbung von jenem ab, und man erkennt dann sehr deutlich, dass die Asellicola nur mit dem erwänten Ringe aufsitzt. Dasselbe lässt sich durch Essigsäure und andere Mittel, welche eine Quellung des Plasmas bewirken, erreichen. — Während der Dendrocometes paradoxus nur selten sich auf dem Rande der Kiemenblätter des Gammarus pulex festsetzt, sondern ganz überwiegend auf der eigentlichen Blattfläche angetroffen wird, verhält sich die Asellicola digitata in dieser Hinsicht gerade umgekehrt. Die Individuen der letzteren lassen sich neben einander auf dem Kiemen- blattsaume nieder und zwar vorzugsweise auf den nach aussen und nach hinten gelegenen Theilen desselben. Die nach innen gekehrte Seite der Blattkante, sowie die Blattfläche werden nur ausnahmsweise bewohnt, meist nur dann, wenn der äussere Rand schon dicht besetzt ist. Auch habe ich öfters an Kiemen, welche sehr zahlreiche, eng bei einander sitzende Asellicolen aufwiesen, die Beobachtung ge- macht, dass die wenigen Exemplare des Innensaumes sämmtlich klei- indessen diese Ansicht durch eigene Beobachtungen zu stützen; die Tr. epistylidis unterscheidet sich aber, vornehmlich im Bau der Tentakeln, so erheblich von der „gefingerten Acinete“, dass für diese unbedingt eine neue Gattung geschaffen werden muss. 1) ibid. Taf. V, Fig. 19—22. Studien über Protozoen. 145 ner, also jünger waren als jene, so dass man annehmen darf, dass die Schwärmknospen unseres Thierchens trotz des Mangels äusserer Sin- nesorgane sehr gut die verschiedenen Blattseiten zu unterscheiden vermögen und nur bei Ueberfüllung der äusseren Kanten mit der in- neren fürlieb nehmen. Diese offenbar zweckmässige Handlungsweise eines so niedrig stehenden Organismus lässt sich auch nicht gut rein mechanisch erklären. Freilich läuft in Folge der Stellung und Be- wegung der Kiemenblätter der Wasserstrom bei beiden Crustaceen von aussen nach innen über jene Respirationsorgane hinweg, und die ausgesprochene Vorliebe der Asellicola für den Aussenrand ist wegen der reicheren Nahrungszufuhr, die ihr hier geboten wird, leicht ver- ständlich. Aber andererseitts befinden sich doch die Schwärmknospen des Dendrocometes in ganz derselben Lage, und trotzdem fixiren sich dieselben an irgend einer beliebigen Stelle der Blattfläche, meiden aber ängstlich den Rand, als ob sie im voraus wüssten, dass die Basalmembran') des ausgebildeten Thieres nur auf einer Fläche eine passende Unterlage finden könne. Auch Spirochona gemmipara ST. bevorzugt in ganz unverkennbarer Weise die nach aussen gekehrten Blattränder, wovon ich mich nachträglich durch Betrachtung meiner Dauerpräparate überzeugt habe, und stimmt auch darin mit Asellicola überein, dass nur selten Exemplare auf die peripherische Blattfläche übertreten. Wir dürfen daher den Schwärmknospen der drei hier er- wähnten Kiemenbewohner die Fähigkeit zuschreiben, die ihrer Art im ausgewachsenen Zustande am meisten zusagenden Blatttheile von den weniger günstigen zu unterscheiden. In Folge dieses Instinktes treffen wir die jungen Asellicolen häufig so eng aneinander sitzend, dass sie später, wenn sie zur vollen Grösse herangewachsen sind, nur ungenügend Platz haben und sich durch gegenseitigen Druck eine viereckige Gestalt geben oder auch wohl ein schwächeres Individuum vom Rande auf die Blattfläche hinaufdrängen. Das Plasma des Zellkörpers zerfällt nicht, wie bei manchen Acineten, in eine Mark- und Rindenschicht, sondern weist überall dieselbe Be- schaffenheit auf. — Der Kern hat eine längliche, wurstförmige Gestalt und ist häufig mit halbkugeligen Vorsprüngen und kleinen unregel- mässigen Seitenästen versehen. Nicht selten besitzt er die Contouren eines irregulären Kreuzes (Fig. 8). Nach aussen wird er von einer zarten Kernmembran begrenzt und im Innern tritt uns eine feine 1) Cf. über diesen Punkt meine frühere Arbeit p. 179. Zool, Jahrb. III, Abth, f, Morph, 10 146 Dr. L. PLATE, Körnelung als Ausdruck eines sehr engen Maschenwerkes entgegen. Nebenkerne sind nicht vorhanden, wohl aber besitzen die Asellicolen häufig dieselben runden, mit Farbstoffen sich stark tingirenden Kügel- chen (Fig. 5, ti), welche ich früher als „Tinctinkörper“ von Dendro- cometes beschrieben habe. Es sind offenbar irgendwelche Assimilations- producte, die mit dem Kern nichts zu thun haben, denn in ihrer Zahl und Grösse sind sie bedeutenden Schwankungen unterworfen. Manche sind nur punktgross, während andere einen Durchmesser von 0,005 mm erreichen. In gut genährten und von zahlreichen Fetttrépfchen durch- setzten Thieren findet man manchmal an 30 durch das Zellinnere zer- streut; in anderen Exemplaren fehlen sie wieder ganz. Dass sie nicht mit den Nebenkernen der Ciliaten zu identificiren sind, folgt mit Sicherheit aus dem Umstande, dass sie bei der Conjugation keine Ver- änderungen erleiden. In der Asellicola digitata finden sich ausserdem , wie bei Den- drocometes, nicht selten grüne oder gelbgrüne Körner von 0,003 — 0,005 mm Grösse, die auf den ersten Anblick sehr an Chlorophyll erinnern. Ich habe auch hier wieder die Ueberzeugung gewonnen, dass die Kügelchen von der Acinete selbst gebildet werden, daher nicht erst mit der Nahrung in das Thier gelangen. Denn einmal mangelt ihnen jede zellige Structur, sodass eine Verwechslung mit parasitischen Algen ausgeschlossen ist, und zweitens erhalten sie sich oft stundenlang im Plasma unverändert; sieht man sie doch auch in Exemplaren, die ihre sämmtlichen Arme eingezogen haben, ein Process, der geraume Zeit in Anspruch nimmt. Da nun die Protozoen ganz allgemein echte Chlorophyllkérner, die mit der Nahrung aufge- nommen sind, schnell verdauen und dabei entfärben, so bleibt nur die eine Deutung übrig, der zu Folge diese grünen Gebilde Assimilations- producte irgend welcher Art vorstellen. Der grüne Farbstoff lässt sich mit Alcohol ausziehen, und es bleiben dann Körner zurück, die sich von den übrigen glänzenden Granula der Zelle nicht unterschei- den lassen. Die contractile Vacuole der Asellicola digitata (Fig. 5, c. v) liegt nahe dem unteren Rande des einen der seitlichen Körperpole. Sie mündet, wie bei Dendrocometes paradoxus, durch einen kleinen Canal direct nach aussen und zieht sich auch so zusammen, dass die Flüs- sigkeit, welche sich in ihr angesammelt hat, durch jenes Röhrchen herausgepresst werden muss. Das Zeitmaass, mit dem die Pulsationen auf einander folgen, ist sehr verschieden und hängt scheinbar von dem Wohlbefinden des Thieres ab. Bei lebenskräftigen Individuen können Studien über Protozoen. 147 mehrere in einer Minute stattfinden, während bei solchen, die schon längere Zeit im Uhrschälchen gehalten wurden, sich dieselben viel langsamer wiederholen. Das Cytoplasma der Asellicola weist noch eine Eigenthümlich- keit auf, die den Beobachter leicht irre führen kann. Ueber dem Cuticularring, mit dem unsere Acinete an der Unterlage festsitzt, be- merkt man eine fächerförmig nach allen Seiten hin ausstrahlende strei- fige Structur (Fig. 5), die den Eindruck macht, als ob hier eine Anzahl von feinen Canälen zusammenstiessen. Die einzelnen Radien sind schräg nach oben gerichtet, und zwar bilden die äusseren mit der Basalfläche ungefähr einen Winkel von 45°. Da sie sich bis in die Höhe des Kernes, also ziemlich weit in das Zellinnere hinein deutlich verfolgen lassen, so vermuthete ich Anfangs, dass die Canäle, welche die Arme ihrer ganzen Länge nach durchziehen, sich bis zum Centrum der Unterseite fortsetzten. Dies ist jedoch nicht der Fall: die streifige Structur des Plasmas hängt mit den Saugorganen in keiner Weise zu- sammen, sondern hat wohl nur die Aufgabe, dem Zellkörper an seinem Fixationspunct durch Ausbildung starrer Stäbe eine erhöhte Festigkeit zu geben. Die von der Rückenfläche auslaufenden Arme (Fig. 5, ¢) fesseln das Interesse des Beobachters mehr als irgend ein anderer Körper- theil unserer Acinete. Es sind im Vergleich mit den Tentakeln der übrigen Suctorien ungewöhnlich breite, spitz endigende Körperfortsätze von durchschnittlich 0,056 mm Länge, welche bei verschiedenen Indi- viduen in sehr variabler Anzahl angetroffen werden und an jeder Stelle der Dorsalseite entstehen können. So weit sie vom eigentlichen Rücken ausstrahlen, sind sie in der Regel völlig gerade, während die in der Nähe des Basalrandes gruppirten sanft nach oben gekrümmt zu sein pflegen. Ihre feinere Structur ist aus der Fig. 6 Taf. III ersichtlich. Sie werden nach aussen von einer dünnen Membran, einer Fortsetzung der Cuticula des Körpers bekleidet, die nach der Spitze zu sehr zart wird. Das Plasma der Arme erscheint ganz hell, da alle gröberen Granula in ihm fehlen. Es wird in der Mitte der Länge nach von einem mit einer wasserklaren Flüssigkeit erfüllten Canal durchzogen, der am vorderen Ende ausmündet. Eine besondere Wandung vermochte ich an demselben nicht zu erkennen und halte ihn daher für einen einfachen Längsspalt im Plasma. Er ist am lebenden Thiere wegen seiner grossen Feinheit oft gar nicht zu bemerken, lässt sich aber durch Osmiumsäure fast immer mit aller Sicherheit nachweisen. Dieser Canal setzt sich nicht, wie dies bei den Saugröhren der meisten Acineten 107 148 Dr. L. PLATE, der Fall ist, in das Innere der Zelle fort, wenigstens ist dies nie der Fall bei völlig ausgestreckten Armen. Häufig werden dieselben aber durch einen langsamen, mehrere Stunden währenden Process in den Körper eingezogen, und bei solchen, schon auf, die halbe Grösse re- ducirten Tentakeln sah ich den Canal auch wohl eine kurze Strecke nach innen vordringen. Sind aber die Arme erst völlig dem Zell- plasma wieder einverleibt worden, so ist auch jede Spur von jenen Canälen verschwunden. — Die nahe Verwandtschaft der Asellicola mit dem Dendrocometes, auf die im Vorhergehenden schon mehrfach hin- gewiesen wurde, offenbart sich auch bei einer genauen Betrachtung des freien Endes der Saugröhren. Fixirt man ein solches für einige Minuten bei einem lebensfrischen Exemplare, so bemerkt man, wie die äusserste Spitze sich als ein besonderes Tentakelchen von dem Arme abhebt (Fig. 6) und beständig — mehrere Male in einer Minute — ein- und ausgestülpt wird. Diese pumpende Bewegung findet also auch statt, wenn der Arm durchaus nicht in der Lage ist, Nahrung in sich auf- zunehmen. Wesshalb sie erfolgt, lässt sich schwer sagen. Man kann vermuthen , das die Thiere entweder blos Wasser einsaugen, welches dann später wieder durch die contractile Vacuole entfernt wird, oder dass hier eine Art unwillkürliche Bewegung vorliegt, die nur dann für das Individuum von Nutzen ist, wenn zufällig eine Amöbe, ein Infusor oder sonst irgendwelche Nahrung mit dem Arme in Berührung ge- kommen und an diesem kleben geblieben ist. Dieser letzteren Auf- fassung lässt sich aber mit Recht entgegenhalten, dass die Tentakelchen oft nur zum Theile in Thätigkeit sind, während die anderen an dem- selben Thiere sich ganz ruhig verhalten. — Im völlig ausgestreckten Zustande ist die hintere Grenze des Tentakelchens kaum wahrzunehmen. Sowie aber die Einstülpung, die an der Basis des Tentakelchens an- fängt, begonnen hat, bildet sich ein kleiner Wulst, der die beiden Ab- schnitte deutlich von einander trennt und um so markirter wird, je mehr das Endglied verschwindet. Ist das letztere schliesslich voll- kommen eingezogen, so fällt der Wulst auf dem optischen Querschnitt als zwei glänzende, an der Spitze des Armes liegende Knötchen sofort in die Augen (Fig. 7, a). Diese Tentakelchen gleichen genau den Spitzen der Fingerchen, welche sich in grösserer Anzahl an jedem Arme des Dendrocometes paradoxus finden, nur sind sie etwas grösser (0,0025 mm im Durchschnitt) und daher leichter in ihrem Bau und ihrer Wirkungsweise zu erforschen. Bei der zuletzt genannten Acinete ist demnach augenscheinlich jeder Arm aus der Verschmelzung mehrerer solcher Tentakeln hervorgegangen, wie sie uns noch jetzt bei Asellicola Studien über Protozoen. 149 entgegen treten. Der Dendrocometes repräsentirt auch insofern ein höheres Stadium der Differenzirung, als jeder von einem Fingerchen ausgehende Kanal eine eigene zarte Wandung besitzt und mittels dieser tief in den Zellkérper eindringt. — Die Tentakelchen der Asellicola sondern sehr wahrscheinlich eine klebrige Substanz aus, denn ich habe öfters bemerkt, dass sehr kleine Flagellaten an denselben hängen blieben, ohne doch mit der vorderen Oeffnung in Berührung zu kommen und ausgesogen zu werden. Bei derartigen kleinen Organismen wird die Nahrung einfach mittels des Tentakelchens in den Armkanal ge- pumpt. Für die Bewältigung grösserer Beutestücke, z. B. kleiner In- fusorien, scheint die Saugkraft desselben nicht zu genügen, denn in solchen Fällen schlägt unsere Suctorie noch ein anderes Verfahren ein (Fig. 9). Sie zieht den grössten Theil des ganzen Armes ein, sodass derselbe nur !/, oder !/, der ursprünglichen Länge aufweist. Auch das Tentakelchen schwindet völlig, und der Arm nimmt die Gestalt einer kurzen Röhre an, deren oberstes Ende sich etwas verbreitert und hier eine vielfach gefaltete und mit Runzeln versehene Wandung besitzt. Ganz entsprechend der Bewegung des Tentakelchens dehnt sich nun diese obere Partie des Armes etwas aus — wodurch die Falten verschwinden — und zieht sich wieder zusammen und bewirkt auf diese Weise, dass in wenigen Augenblicken kleine Organismen, z. B. Vorticellen, vollständig ausgesogen sind, sodass nur die Cuticula des gefangenen Thieres noch als eine leere Blase dem Arme ansitzt. Diese letztere von der klebrigen Armspitze zu entfernen, macht der Asellicola oft grosse Mühe. Sie hilft sich dadurch, dass sie das freie Armende zu einer kleinen schmalen Röhre ausdehnt (Fig. 9, b), diese dann plötzlich wieder einzieht und dabei die Blase abzustreifen sucht. — Durch die soeben geschilderte Ernährungsweise wird ein eigen- thümliches Aussehen bedingt, das man bei unserer Acinete nicht selten beobachten kann. Man findet nämlich die untere Armregion dicht mit kleinen stabförmigen Bacterien bedeckt, die nur mit ihrem einen Ende aufsitzen, im übrigen aber schräg nach oben und aussen abstehen (Fig. 9, 10). Dieser fremdartige Ueberzug hört bei allen Armen in derselben Höhe auf, die ungefähr der Grösse entspricht, welche jene beim Verzehren ansehnlicherer Beutestücke annehmen. Offenbar ver- mögen sich die Bacterien nur an den proximalen Theilen der Arme festzusetzen, weil die distalen zu oft bei der Ernährung eingezogen werden. — Hinsichtlich der Stellung und Gruppirung der Arme wird die Asellicola digitata von keiner Gesetzmässigkeit beherrscht. Sie können überall auf der Oberseite des Körpers hervorsprossen und auch 150 Dr. L. PLATE, ganz unabhängig von einander wieder eingezogen werden. Nicht selten trifft man völlig armlose Individuen an. Das Hervorstülpen der Saug- organe nimmt einige Stunden in Anspruch, vollzieht sich also ziemlich langsam. Während der Fortpflanzung verschwinden dieselben meist nur in der nächsten Umgebung der Austrittsöffnung des Schwärm- sprösslings. Ist das Thier jedoch gezwungen, bei der Häutung des Kiemenblattes seinen bisherigen Wohnort zu verlassen, so zieht es vorher sämmtliche Arme ein und entfernt sich auf eine Weise, die ich weiter unten ausführlich schildern werde. Bei den in Conjugation be- findlichen Individuen findet man meist die Arme unverändert, zuweilen sind sie jedoch nur halbseitig, auf der rechten oder der linken Körper- hälfte entwickelt, ohne dass übrigens die zwei mit einander verbundenen Thierchen sich hierin zu entsprechen brauchten (Fig. 16). Schliesslich sei noch bemerkt, dass die Saugröhren bei ihrem ersten Auftreten in der Gestalt blasser, schmal-kegelförmiger Körperfortsätze (Fig. 7, b) noch kein Tentakelchen besitzen. Sobald sie dagegen ungefähr ein Drittel oder die Hälfte ihrer definitiven Grösse erreicht haben, erscheint auch jenes einstülpbare Endglied. Hinsichtlich der Fortpflanzung der Asellicola kann ich mich kurz fassen, weil sie ganz derjenigen des Dendrocometes paradoxus gleicht, die ich früher ausführlich beschrieben habe. Freilich ist die Knospen- bildung hier bei weitem nicht so leicht zu beobachten, als bei jenem Ektoparasiten des Gammarus pulex, weil das Plasma der Asellicola in der Regel viel dichtkörniger und undurchsichtiger ist. Die Anlage der Schwärmknospen wird zuerst in dem Auftreten einer zweiten con- tractilen Vacuole unter der Mitte der Dorsalfläche bemerkbar. Es bildet sich sodann vom Rücken her eine flaschenförmige Einstülpung, die schliesslich durch Verwachsung der äusseren Oeffnung eine all- seitig geschlossene, im Innern der Zelle gelegene Höhle erzeugt. Das nächste Stadium lässt beim Beobachter schon keinen Zweifel mehr aufkommen, dass wir es hier wirklich mit der Fortpflanzung zu thun haben. Man bemerkt einen ungefähr parallel mit der Basalfläche ge- legenen, äquatorial die innere Höhle umziehenden Kranz langer Wim- pern (Fig. 10), die unregelmässig hin- und herschlagen. Nach diesem ersten Cilienstreifen werden noch zwei weitere angelegt, und gleich- zeitig wird der Boden der Höhle buckelartig emporgetrieben, sodass er sich der Decke bis auf einen kleinen Spalt nähert (Fig. 11). Schliesslich entsteht auf dem Rücken aufs neue eine Oeffnung, die in die Bruthöhle führt; die Knospe, d. i. jene aufgetriebene Partie, Studien über Protozoen. 151 schiebt sich durch jene Oeffnung hindurch nach aussen und schnürt sich hierauf erst vom Mutterthiere ab. Auch die Kerntheilung findet erst im Momente des Freiwerdens der Knospe durch einfache Durch- schnürung des etwas in die Länge gezogenen mütterlichen Nucleus statt. Die Stelle, wo sich das Tochterthier von der Mutter abtrennt, ist auf dem Rücken nicht genau fixirt, sondern liegt bald hier, bald dort. Das frei bewegliche Jugendstadium der Asellicola digitata hat ungefähr die Gestalt des erwachsenen Thieres, nur ist die Rücken- fläche flacher gewölbt und der Körper naturgemäss viel kleiner (0,048 mm lang, 0,02 mm breit) (Fig. 12, 13). Die ebene Unterseite trägt drei ovale Wimperkränze, welche in der Regel etwas schief und unsymmetrisch liegen und nicht genau dem Aussenrande parallel ziehen. Der eine Pol der Längsaxe des Schwärmers wird durch die Abchnürung vom Mutterthier fast immer etwas verändert; er erhält ein Grübchen oder auch wohl einen kurzen Höcker. An diesem Kör- perende gehen die Cilienstreifen der beiden Seiten nicht in einander über, sondern sind auf eine kleine Strecke hin unterbrochen. Im In- nern des Schwärmers liegen ein länglich oder unregelmässig geformter Kern, eine contractile Vacuole und ausserdem nicht selten jene grünen Körner und Tinctinkörper, deren ich schon oben gedachte. Die Thier- chen schwimmen unstät umher und setzen sich, sobald sie einen pas- senden Wohnort gefunden haben, sofort wieder fest. Sie gleichen den Knospen des Dendrocometes paradoxus fast vollständig und unter- scheiden sich von denselben eigentlich nur dadurch, dass die Wimper- kränze mehr nach dem Centrum der Unterseite vorrücken, während sie bei jener Acinete ganz dem Aussenrande ansitzen. Sie stimmen auch darin überein, dass zuweilen die Ventralfläche nahezu ebenso stark gewölbt ist wie die Oberseite. Hat sich die Schwärmknospe fixirt, so verliert sie auf eine nicht genauer festgestellte Weiseihre Cilien und geht durch Ausstülpung zarter Arme direct in die Gestalt des alten Thieres über. Auffallender Weise zeigt der Kern von Individuen, die, nach ihrer Grösse zu schliessen, noch nicht lange die sessile Lebensweise angenommen haben, gar nicht selten eine äusserst scharfe Längsstreifung (Fig. 14). Diese Anord- nung der chromatischen Elemente im Kern scheint später wieder der gewöhnlichen Form eines feinen Maschenwerkes zu weichen, wenigstens beobachtete ich sie nie an alten Exemplaren. Auch bei den Kernen der Schwärmknospen habe ich sie vermisst. Ich muss es dahingestellt sein lassen, weshalb diese Kernstructur auftritt; jedoch ist es sicher, 152 Dr. L. PLATE, dass sie nicht im Zusammenhang steht mit Theilungserscheinungen der Acinete. Wenn der Dendrocometes paradoxus gezwungen ist, sich bei der Häutung des Kiemenblattes einen neuen Wohnort zu suchen, so zeigt er, wie ich früher nachgewiesen habe, ein sehr eigenthümliches Ver- halten. Er durchläuft sämmtliche Stadien der Knospenbildung und verwandelt sich unter Zurücklassung der Basalmembran und eines kleinen Bläschens plasmatischer Substanz in einen Embryo, der fast so gross ist wie das Mutterthier. Dieselbe Erscheinung kehrt auch bei der Asellicola wieder, so dass man auf Kiemenblättern, deren Ober- haut sich schon etwas abgehoben hat, gar nicht selten alle Individuen scheinbar in der Fortpflanzung begriffen antrifft. Ein Unterschied ist (ob immer?) nur insofern vorhanden, als das gesammte Plasma der Mutter in den Körper des Schwärmers übergeht, ohne gewisse Sub- stanzreste zurückzulassen. Den interessantesten Abschnitt in der Biologie der Asellicola di- gitata bildet die Conjugation derselben. Obwohl diese in vielen Punkten ihres Verlaufes mit dem gleichen Vorgange bei Dendroco- metes übereinstimmt, so besteht doch zwischen beiden eine wesentliche Abweichung, die sehr zu Gunsten der Ansicht spricht, dass die Con- jugation der Infusorien eine Art Vorstufe des Befruchtungsactes dar- stellt. Es kommt nämlich zu einem Stadium, in dem die Kerne beider Thiere längere Zeit dicht neben einander liegen, um sodann wieder auseinanderzuweichen, ein Process, der auf eine gegenseitige Be- einflussung der Kerne hindeutet. — Da die Asellicolen in der Regel nicht so dicht zusammensitzen, dass sie sich gegenseitig berühren und also direct mit einander verschmelzen können, so sind diejenigen Individuen, welche conjugiren wollen, fast immer genöthigt, sich durch einen Körperfortsatz mit einander zu verbinden. Sie bedienen sich hierzu eines der an einem Körperende befindlichen Arme, der dabei häufig enorm über seine gewöhnliche Grösse anwächst. Fig. 15 stellt eine auf diesem Stadium befindliche Suctorie dar und lässt die Struc- tur des Armes, namentlich das Vorhandensein eines centralen Längs- canales, sehr schön erkennen. Manchmal traf ich zwei Thiere neben einander sitzen, die beide einen solchen „Conjugationsarm‘ aufwiesen, die also offenbar beide das Bestreben hatten, zu conjugiren, während in anderen Fällen nur einer der beiden Paarlinge die Verbindungs- brücke liefert. Die Conjugationsarme werden von den Asellicolen langsam hin und her bewegt, gleichsam tastend, bis sie ihr Ziel er- Studien über Protozoen. 153 reicht haben. Die Thiere werden augenscheinlich in hohem Maasse von der Begierde nach einer solchen Vereinigung beherrscht, denn man muss sich oft wundern über die Grösse der Canäle, die sie zu diesem Zwecke herstellen. Dieselben sind oft länger als jedes Einzel- thier (Fig. 16). Sind beide Individuen glücklich mit einander in Zu- sammenhang getreten, so verschwindet der ursprünglich zum Ueber- leiten der Nahrung bestimmte Plasmaspalt, und darauf wird der Conjugationscanal allmählich immer dicker, indem mehr Körpersubstanz von beiden Seiten in denselben übertritt (Fig. 17). Obwohl das Cyto- plasma beider Thiere auf diese Weise sehr innig im Canal gemischt wird, erlischt doch nicht der Gegensatz der Individualitäten. Man erkennt dies daran, dass bei der geringsten Beunruhigung die Zell- körper sich in der Mitte des Canales von einander sondern und, von einer dünnen Hautschicht bedeckt, gegen einander legen. Da schwache Störungen der conjugirten Asellicolen bei der Lostrennung der Kiemen- blätter fast unvermeidlich sind, so findet der Beobachter häufig genug in der Mitte des Canals eine senkrecht oder etwas schief stehende Scheidewand (Fig. 17), die aus jenen zwei an einander gepressten Hautschichten besteht. Sie verschwindet wieder, wenn die Paarlinge in günstige Bedingungen gebracht werden. — Hat nun in der ge- schilderten Weise die Verbindungsbrücke ungefähr die halbe Höhe der Individuen erreicht, so schwillt dieselbe in ihrer Mitte noch mehr an (Fig. 18), sodass manchmal bei jedem Paarling die ursprünglich im Centrum der Unterseite gelegene Haftscheibe durch die Verlagerung des Plasmas an das eine Körperende zu liegen kommt, und nun folgt das Stadium, welches ich schon oben kurz andeutete und das unser höchstes Interesse in Anspruch nimmt: die Kerne beider Paarlinge, welche bis dahin keine Veränderung erkennen lassen — höchstens, dass sie sich zuweilen etwas mehr in die Länge strecken (Fig. 17), — wandern in den Verbindungscanal und auf einander zu, kriimmen dabei die sich gegenüberliegenden Enden — ungefähr !/, der ganzen Länge — rechtwinklig nach unten um und legen sich in dieser Hal- tung dicht neben einander (Fig. 18). Ich habe nie Individuen an- getroffen, deren Kerne sich direct berührten, sondern stets war eine schmale Plasmawand zwischen beiden, die zuweilen so breit war, dass sich jene oben erwähnte Hautschichtlamelle darin ausbilden konnte. Es wäre natürlich zu weit gegangen, wollte man die Möglichkeit einer vorübergehenden wirklichen Kernverschmelzung leugnen, denn es ist sehr gut denkbar, dass dieses Stadium der Conjugation mir nicht zu Gesicht gekommen ist. Andererseits liegt aber bis jetzt durchaus kein 154 Dr. L. PLATE, Grund vor, eine solche anzunehmen, ja dieselbe ist sogar sehr unwahr- scheinlich, weil es unzweifelhaft ist, dass die Kerne während dieser Periode gegenseitiger Annäherung keine Structurveränderungen durch- machen. Nachdem die Nuclei nämlich sich eine Zeit lang — wie lange, vermag ich nicht anzugeben — gegenseitig beeinflusst haben, wandern sie wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück und nehmen dabei auch wieder ihre alte Form an. Gleichzeitig tritt das Plasma aus dem Verbindungscanal in die eigentlichen Zellkörper zurück, jener wird in Folge dessen schmäler und schmäler (Fig. 16), reisst schliess- lich in der Mitte durch und wird in seinen Resten gänzlich von den betreffenden Individuen eingezogen. Schon auf dem Zeitpunkte, welcher der Figur 16 entspricht — siehe das linke Thier derselben —— oder erst nachdem die Paarlinge sich von einander getrennt haben, be- ginnen sodann die Kerne sich vielfach zu furchen und einzuschnüren und zerfallen endlich in eine Anzahl grösserer und kleinerer Stücke, welche durch den ganzen Zellkörper zerstreut sind (Fig. 19). Leider ist es mir nicht gelungen, die Regeneration des neuen Nucleus zwei- fellos festzustellen. Da sich die Asellicolen in der feuchten Kammer nicht lange am Leben erhalten lassen, war ich gezwungen, den Verlauf der Conjugation aus der Combination möglichst vieler Einzelstadien zu erschliessen, was bei der Einfachheit des ganzen Vorganges die Sicherheit unserer Erkenntniss kaum beeinträchtigen dürfte. Das Schlussstadium ist mir unglücklicher Weise nur einmal zu Gesicht ge- kommen, und danach scheint der neue Kern in jedem Paarling aus der Verwachsung der Bruchstücke des alten hervorzugehen. Bei Dendrocometes entsteht höchst wahrscheinlich der neue Kern in etwas anderer Weise: die Bruchstücke des alten lösen sich (sämmtlich oder nur theilweise?) im Plasma auf und scheiden sich als einen einheit- lichen Körper wieder aus, ähnlich wie Krystalle aus ihrer Mutterlauge unter gewissen Bedingungen hervorwachsen. — Theoretisch wichtig ist eine Beobachtung, die ich öfters bei Asellicola gemacht habe, dass nämlich zuweilen drei Individuen mittels zweier Verbindungscanäle mit einander conjugiren. Es bleibt jedoch noch festzustellen, wie sich in diesem Falle der Nucleus des mittleren Thieres zu den beiden an- deren Kernen verhält. — Die Conjugation ist bei unserer Acinete durchaus keine seltene Erscheinung, wie dies für fast alle anderen Infusorien gilt. Man kann auch bei ihr von einer Art „Epidemie“ reden, insofern man ziemlich sicher Paarlinge an allen Kiemenblättern eines Krebses findet, wenn sie an einem beobachtet wurden. In der Studien über Protozoen. 155 Regel conjugiren mittelgrosse Individuen, während die ausgewachsenen der Knospenbildung obliegen. III. Zwei neue Lagenophrys-Arten. Die Untersuchung') der an den Kiemenblättern des Gammarus pulex lebenden Lagenophrys ampulla Sr. hatte mir gezeigt, dass diese Gattung wegen eines eigenthümlichen Vorganges, der bis jetzt noch bei keinem anderen ciliaten Infusor hat nachgewiesen werden können, eine besondere Beachtung verdient. Leider stand mir, als ich jene Beobachtungen machte, ein nur sehr ungenügendes Material zu Gebote, und so sah ich mich veranlasst, den Gegenstand neuerdings noch ein- mal wieder aufzunehmen. Nach Srem, welchem wir die erste Be- schreibung der Lag. ampulla verdanken, soll diese Vorticelline an den Kiemen der Wasserassel besonders häufig vorkommen. Ich kann diese Angabe nicht bestätigen, denn obwohl ich eine sehr grosse Zahl jener Isopoden hieraufhin untersucht habe, traf ich nie eine Lag. ampulla auf denselben an, wohl aber zwei neue Arten dieser Gattung, welche im Folgenden eingehend geschildert werden sollen. ich vermuthe daher, dass Stein dieselben auch schon gesehen, jedoch irrthümlicher Weise für identisch mit der auf dem Flohkrebs lebenden Lagenophrye ge- halten hat. Die grössere dieser beiden Vorticellinen (Taf. III, Fig. 20), welche den Namen Lag. aselli in Zukunft führen mag, findet sich stets nur auf der (in der natürlichen Haltung) unteren Seite der Kiemenblätter, während die kleinere, für die ich die Bezeichnung Lag. aperta vor- schlage (Taf. III, Fig. 21), sich ausschliesslich auf der entgegen- gesetzten Fläche ansiedelt. Beide Species kommen zuweilen in so grossen Mengen auf den Respirationsorganen der Wasserassel vor, dass dieselben wie mit den Gehäusen derselben gepflastert erscheinen. Bei Lag. aselli ist es mir in solchen Fällen immer aufgefallen, dass fast alle Individuen gleich orientirt sind; die Schalenöffnung und der Wimperapparat sind gegen den hinteren oder den äusseren Rand des Kiemenblattes gekehrt, was offenbar mit der Richtung des über die Kieme gleitenden Wasserstromes zusammenhängt. — Beide Lagenophryen besitzen eine planconvexe Schale, welche mit der flachen Seite aufsitzt 1) L o. p. 211—216. 156 Dr. L. PLATE, und an dem einen Ende eine Oeffnung zum Austritt des Peristom- feldes aufweist. Bei Lag. aselli sitzt dieselbe in der Mitte des etwas flacher abgerundeten Vorderrandes des Gehäuses, während sie bei Lag. aperta in der Regel ein wenig unsymmetrisch nach links verschoben ist. Bei jener Art ist bald der Längs-, bald der Querdurchmesser der Schale der grössere (0,068—0,08 mm), während bei dieser die Breite überwiegt (0,066 mm). Bei jungen Individuen ist die Schale überall gleichmässig dünn, bei älteren Exemplaren beider Arten ist dagegen der Schalenrand durch eine starke Verdickung ausgezeichnet, welche schmutzig-gelbbraun und ca. 0,0025 mm breit ist. Diese Färbung be- schränkt sich bei Lag. aselli auf den dicken Saum der Hülse, greift hingegen bei Lag. aperta ausserdem auf die peripherischen Partien des Gehäuses über, wobei sie schnell von aussen nach innen an Intensität abnimmt. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden Arten, durch den man sie — abgesehen von ganz jungen Individuen — sofort von ein- ander unterscheiden kann, besteht darin, dass die Schale der Lag. aperta in bestimmter Weise gestreift ist. Vom Rande derselben laufen zarte Verdickungslinien nach innen, ungefähr so, wie Fig. 21 es ver- anschaulicht. Im Detail der Streifung kommen bei den verschiedenen Individuen kleine Schwankungen vor, bald lässt sich in der Mitte des Gehäuses eine Längslineirung von dem einen Pol zum anderen verfolgen, bald eine solche in querer Richtung, bald endlich sind alle Streifen in kleine Punkte aufgelöst. — Alle Lagenophrys-Species besitzen bekanntlich eine Schalenöffnung, deren Rand direct mit dem Zellkörper zusammenhängt. Sie zeigt bei den verschiedenen Arten Abweichungen, die besonders in der Systematik verwerthbar sind. Am einfachsten ist dieselbe bei Lag. aperta gestaltet; sie stellt hier einen ovalen Ring dar, der sich direct in die Randverdickung der Schale fortsetzt und auf seiner der Kiemenblattfläche zugekehrten Seite fast geradlinig und nicht so dick ist wie auf der Oberseite. Das Thier selbst hängt nur an der Ober- lippe des Schaleneinganges mittels einer dünnen Membran fest. Die ganze Oeffnung ist steif und daher nicht verschliessbar, wenn das Thier sich in sein Gehäuse zurückgezogen hat!). Dadurch tritt diese Art in einen Gegensatz zu allen anderen, bei denen die Lippen der Oeffnung aneinandergepresst werden, sobald sich das Thier in seiner Hülse verbirgt. — Bei Lag. aselli wird die Unterlippe durch eine dünne glashelle Membran (Fig. 20 m) von halbmondförmiger Gestalt gebildet. 1) Daher der Speciesname aperta. Studien über Protozoen, 157 Sie überragt den Schalenrand etwas nach vorn und ist in der Mitte häufig ein wenig eingekerbt. Da sie unbeweglich ist, wird der Ver- schluss der Schale ausschliesslich durch die zwei verdickten und ge- bogenen Leisten bewirkt, welche den Dorsalrand der Oeffnung bilden (Fig. 20 2). Die Gestalt des Körpers der beiden von mir aufgefundenen Lage- nophryen entspricht genau derjenigen der Hülse; doch sind die Thiere nur selten so gross, dass sie dieselbe ganz ausfüllen. Das Plasma besitzt überall dieselbe Structur und lässt eine besondere Rindenschicht nicht erkennen. Der Wimperapparat ist bei Lag. aselli länger ge- stielt als bei Lag. aperta. Die Form desselben bei der vorangestellten Art ist aus der citirten Figur ersichtlich, und es sei hier nur noch er- wähnt, dass ich im Innern des Stieles jederseits einen zarten Faden von dem die Cilien tragenden Ringwulste bis dorthin, wo der Stiel in den eigentlichen Körper übergeht, verfolgen konnte (Fig. 20 f). Ich halte denselben für eine myophane Fibrille, welche das blitzartige Ein- ziehen des Wimperapparates bewirkt. — Hinsichtlich der Schlundröhre (oe) und der contractilen Vacuole (cv) gilt für beide uns hier inte- ressirenden Infusorien das, was ich früher bei Lag. ampulla angegeben habe. — Der Kern (N) der Lag. aselli, ein im lebenden Thiere nur selten zu erkennendes Gebilde, hat eine wurstförmige Gestalt und er- streckt sich etwas unterhalb der contractilen Vacuole quer durch die Zelle; seine Umrisse sind im Einzelnen manchen kleinen Schwankungen unterworfen. Besonders häufig besitzt das linke Ende des Kernes eine stiefelartige Configuration, während das rechte, in der Nähe der Vacuole liegende einfach abgerundet ist (Fig. 24, 25). Wieder in anderen Fällen sind beide Enden einander gleich und keulenartig angeschwollen (Fig. 22). Der Nucleus wird allseitig von einer dünnen Membran umgeben und zeigt im Innern die bekannte feinkörnige Structur. Von besonderem Interesse ist nur das Verhalten der Nucleoli, die übrigens nicht immer vorhanden zu sein brauchen. Sind sie, was gewöhnlich der Fall ist, in grösserer Anzahl anwesend, so liegen sie vorzugsweise in Kleinen Nischen der Kernwandung (Fig. 22, 25) Erreichen sie dabei eine beträchtlichere Grösse (Fig. 25), so sind sie’ äusserlich gar nicht von dem einen Nebenkern :) zu unterscheiden, der allen Lagenophryen zukommt und dem Hauptkern ebenfalls dicht an- geschmiegt zu sein pflegt. Die Figur 25 zeigt das Bild eines relativ 1) Um terminologischen Verwechslungen vorzubeugen, erscheinen 158 Dr. L. PLATE, recht bedeutenden Nucleolus bei stärkerer Vergrösserung. Man er- kennt, dass die Kernmembran sich nicht auf die Nische fortsetzt, sondern das glänzende, homogen erscheinende Kernkörperchen liegt direct in einem von dem feinmaschigen Gerüstwerk des Kernes gebildeten Hohlraum. — Der Nebenkern ist rundlich oder spindel- förmig und von homogenem Aussehen; er hat durchschnittlich einen Durchmesser von 0,005 mm und in Folge seines festen Gefüges einen matten Glanz. Er liegt vornehmlich in der Nähe des rechten Kern- endes, doch auch häufig genug sonst irgendwo neben der Kernmembran oder in einer kleinen Vertiefung derselben, und da auch die Nucleoli zuweilen ein wenig aus ihren Nischen herausrücken, lässt er sich von diesen nicht immer mit Sicherheit unterscheiden. In einem solchen Falle giebt nur die Färbung darüber Aufschluss, welche Kügelchen als Kernkörperchen zu deuten sind und welches als Nebenkern, denn der letztere färbt sich immer schwächer als die eigentliche Kernsub- stanz, muss daher auch chemisch anders als diese zusammengesetzt sein. Nichtsdestoweniger scheint mir aus dem geschilderten Ver- halten der Kernkörperchen hervorzugehen, in welcher Weise wir uns die Entstehung der Paranuclei der Infusorien zu denken haben; der Nebenkern ist in morphologischer Hinsicht ein modifieirter Nucleolus und von solchen peripheren Kernkörperchen abzuleiten, wie sie bei Lag. aselli häufig zu finden sind. Zu demselben Resultate führt auch das Studium des Kernes bei Lag. aperta. Derselbe besitzt nicht die wurstförmige Gestalt, die für den Nucleus aller übrigen Lagenophrys-Arten charakteristisch ist, son- dern ist ein rundlicher, links von der Mündung des Oesophagus ge- legener Körper (Fig. 21, N), der in einer besonderen Nische in der Regel ein sich etwas schwächer tingirendes Kügelchen, den Nebenkern (n), beherbergt. Im lebenden Thiere fällt der Kern nur als ein heller Fleck im Plasma auf. Die Structur desselben ist, wie bei Lag. aselli, bald eine gleichmässig feinkörnige, bald finden wir eine grosse Anzahl sehr kleiner Kernkörperchen, bald endlich erreichen einige derselben beträchtliche Dimensionen. In letzterem Falle liegen sie fast aus- schliesslich in Nischen der Kernwandung (Fig. 26, a—e) und lassen mir die Bezeichnungen: Hauptkern — Nucleus; Nebenkern = Para- nucleus; Kernkörperchen — Nucleolus am zweckmässigsten. Wird ein- fach von „Kern“ gesprochen, so ist darunter natürlich der Hauptkern zu verstehen. Studien über Protozoen. 159 sich dann in ungefärbtem Zustande von dem Paranucleus nicht sicher unterscheiden. Der Kern hat überhaupt gar nicht selten die merk- würdige Tendenz, grössere Partien durch eine — wie mir scheint, all- seitig ausgebildete — Furche von der Hauptmasse zu isoliren (Fig. 26, a, d); oder seine Oberfläche wird von unregelmässigen Furchen durch- zogen, in denen ein oder mehrere Nucleoli liegen (Fig. 26, c, e). Auch der Nebenkern kann in mehrere Stücke zerfallen, die unter einander gleich oder verschieden gross sind. Schon das Studium der Lag. ampulla bot mir Gelegenheit, eine merkwürdige Beobachtung STEIN’s zu bestätigen, der zu Folge die- jenigen Thiere, welche auf einem in der Häutung begriffenen Kiemen- blatte sitzen, dieses und ihre Schalen mit Hülfe eines neugebildeten Wimperkranzes verlassen und dabei regelmässig eine ziem- liche Portion von Protoplasma ausstossen. Man kann diesen Process augenscheinlich nur so deuten, dass er bezweckt, gewisse Plasmamengen, welche abgenutzt und für den Stoffwechsel unbrauchbar geworden sind, periodisch aus dem Zellkörper zu entfernen. Ein solcher Vorgang ist meines Wissens bisher noch von keinem anderen Infusor bekannt, und ich war daher um so gespannter, wie sich die beiden neuen Lagenophrys-Species in diesem Punkte verhalten würden, als STEIN denselben nur von Lag. ampulla, nicht aber von Lag. vaginicola und Lag. nassa erwähnt, obwohl er gerade die zweite Art verhältniss- mässig genau beschrieben hat. Es hat sich nun herausgestellt, dass eine periodische Abschnürung von nicht mehr lebensfähigem Proto- plasma in der That nicht allen Arten dieser Gattung zukommt. Sie findet sich ganz regelmässig auch bei Lag. aselli, fehlt dagegen Lag. aperta; letztere Thierform durchläuft dagegen periodisch einen anderen, ebenso merkwürdigen Process, den ich nur als Ausstossung von Nucleo- plasmastücken deuten kann. Merkt eine Lag. aselli, dass das von ihr bewohnte Kiemenblatt seine Oberhaut abzustreifen beginnt, so löst sie ihr vorderes Körper- ende theilweise von der Schalenöffnung, nimmt eine schiefe Stellung in ihrer Hülse ein und schnürt gleichzeitig eine kleine Portion Cyto- plasma ab (Fig. 27). Dieser anfangs noch lebende Plasmarest bleibt an der dorsalen Lippe der Schalenöffnung hängen (Fig. 28), so dass das betreffende Individuum sich erst dann frei in seinem Gehäuse be- wegen kann, wenn die Abschnürung vollendet ist. Das Thier verwendet zur Locomotion nicht etwa die Cilien des Peristomdeckels, sondern einen Kranz langer Wimpern, der gleichzeitig mit jener Substanzent- 160 Dr. L. PLATE, äusserung auf der Unterseite entsteht und etwas unsymmetrisch gelagert ist (Fig. 27). Bei Lag. aselli vermochte ich nun ferner mit aller Sicherheit nachzuweisen, dass sich in jenem Plasmarest stets ein oder mehrere Kügelchen (Fig. 27, 28, N’) befinden, die, nach ihrer starken Tinctionsfähigkeit zu schliessen, nur aus dem Kern stammen können. Es findet also bei diesem Infusor periodisch eine Ausstossung grösserer Mengen von Cytoplasma und geringer von Nucleoplasma statt. Bei Lag. ampulla sind mir irgendwelche Kernstücke im Plasmarest nicht aufgefallen , und es muss daher einer nochmaligen Untersuchung vor- behalten bleiben, festzustellen, ob sie hier nur übersehen sind oder ob sie in der That fehlen. Leider habe ich bei Lag. aselli nicht ermitteln können, wie diese Kernrudimente in den Plasmarest hereingelangen. Thatsache aber ist, dass sie stets vorhanden sind und sich vielfach auch dann noch durch Färbung nachweisen lassen, wenn die vom Infusor abgetrennte Zellportion bis auf die zarte, zusammengeschrumpfte Membran längst zerfallen ist. Eine Verwechslung mit Fetttröpfchen, an die man wegen des matten Glanzes jener Kügelchen denken könnte, ist auch ausgeschlossen, denn sie schwärzen sich nicht bei Behandlung mit Osmium. Eine besondere Structur konnte ich in ihnen nicht er- kennen ; sie erscheinen vielmehr homogen und gleichen äusserlich voll- ständig den Nucleoli oder dem Nebenkern. Da nun der letztere in dem betreffenden Individuum noch deutlich nachweisbar ist (Fig. 27, n), und da ferner der Hauptkern sich während des Wohnortwechsels nicht merklich verändert, so halte ich jene Kernstückchen des Plasmarestes vermuthungsweise für periphere Kernkörperchen, die aus ihren Nischen herausgewandert sind. Figur 28 zeigt in anschaulicher Weise, zu welch beträchtlicher Grösse die Plasmareste zuweilen anwachsen können, und wie dieselben anfangs der ganzen Dorsallippe der Schalenöffnung ansitzen. Mit zunehmendem Zerfall ziehen sich dieselben auf die eine (fast ausnahmslos die rechte) Seite derselben zurück. — Die frei umher- schwimmenden Individuen der Lag. aselli besitzen am vorderen Körper- pole schon dieselben Einrichtungen (eine halbkreisförmig vorspringende dünne Membran und zwei darüber liegende verdickte Leisten), welche oben von der Schalenöffnung geschildert wurden (Fig. 27). Es folgt daraus, dass dieselben eigentlich nicht zur Hülse, sondern zum Thiere selber gehören. Bemerkenswerth ist ferner, dass der Kern des be- wegungsfähigen Thieres eine U-förmige Gestalt annimmt und mit seiner Hauptmasse sich in die Richtung der Längsaxe stellt, anstatt, wie früher, parallel der Queraxe gelagert zu sein. Es liegt hier offenbar eine Anpassung an die enge Schalenöffnung vor, durch welche unser Studien über Protozoen. 161 Thierchen sich hindurchpressen muss, ehe es seine Locomotionsfreiheit verwerthen kann. Beim Verlassen der Hiilse schiebt sich die Lage- nophrys stets mit dem hinteren Körperpole voran durch die Oeffnung. Lag. aperta ist ebenfalls gezwungen, ihren Wohnsitz zu verän- dern, sobald das betreffende Kiemenblatt sich häutet. Sie erhält, wie die andere Art, auf der Unterseite einen Kranz langer Wimpern; Plasma und Kern bleiben dagegen unverändert, eine Substanzentäusse- rung findet hier also nicht statt. Wie oben schon kurz angedeutet wurde, habe ich dagegen viele Individuen dieser Art angetroffen, die ebenfalls Portionen ihrer Kernsubstanz auszustossen schienen. Dieser Process fällt aber nicht mit der Häutung des Respirationsorganes zu- sammen, oder doch wenigstens nicht mehr und nicht minder, als jede andere Phase aus dem Leben einer Lagenophrys mit jener Erschei- nung coincidirt. Die Figuren 29 a—g (Taf. IV) stellen verschiedene Stadien dieses eigenthümlichen Vorganges dar, den ich übrigens nicht an einem und demselben Kerne in continuo habe beobachten , sondern nur durch Combination verschiedener Bilder habe erschliessen können. Es liegt dies an der Beschaffenheit des Nucleus, der im lebenden Thiere nur undeutlich als eine hellere Partie im Plasma auffällt und daher sich nicht sicher von Vacuolen unterscheiden lässt. Die abge- bildeten Lagenophryen, welche im übrigen von den normalen Individuen nicht abweichen, zeigen — mit Ausnahme von 29 d — sämmtlich in der linken vorderen Ecke des Körpers einen Kern mit Nebenkern von gewöhnlicher Structur; ausserdem aber besitzen sie in der rechten Zellhälfte 1—4 andere Nucleusstücke von sehr verschiedener Grösse und unregelmässig rundlichen Contouren. Sie haben in der Regel einen Durchmesser von 0,004—0,008 mm und liegen fast immer, bald einzeln, bald zu mehreren , in einer Vacuole, so dass man sie im un- gefärbten Thiere unwillkürlich für Nahrungsballen hält. Sowie man freilich unser Infusor mit Carmin behandelt hat, ist eine solche Ver- wechslung gänzlich ausgeschlossen, denn jene rundlichen Ballen färben sich ebenso scharf und ausnahmslos wie der Hauptkern. Der Umstand, dass man dieselben nicht selten (Fig. 29 d, g) noch unmittelbar neben dem Nucleus liegen sieht, lässt wohl nur die eine Deutung zu, dass sie durch Abschnürung von jenem entstanden sind. Vielleicht stehen solche mit grösseren isolirten Portionen und mit Furchen versehene Kerne, wie sie in Figur 26 d, e (Taf. III) abgebildet wurden, in Zusammenhang mit dieser Erscheinung. Ueber das weitere Schicksal dieser Kernbrocken kann ich leider keine völlig sicheren Mittheilungen machen, weil man eben den ganzen Process nur an abgetödteten Exem- Zool, Jahrb, III, Abth, f. Morph, 11 162 Dr. L. PLATE, plaren verfolgen kann. Ich vermuthe, dass dieselben nach und nach aus dem Zellkörper entfernt werden, und halte demgemäss den ganzen Vorgang für homolog mit jenen Ausstossungserscheinungen, die wir oben bei Lag. aselli kennen gelernt haben. Für diese Anschauung spricht erstens der Umstand, dass jene Kernbrocken fast regelmässig in Vacuolen angetroffen und in diesen langsam im Plasma hin und her bewegt werden. Sie ähneln hierin ganz den unverdaulichen Nah- rungsresten, welche bei den Infusorien ebenfalls in Vacuolen rach aussen befördert werden. Zweitens weist die wechselnde Zahl, in der jene Kernstücke angetroffen werden, auf eine derartige allmähliche Aus- stossuug hin. Die ganze Erscheinung tritt, wie die Conjugation, epi- demisch auf, d. h. es werden gleichzeitig immer mehrere Individuen von derselben ergriffen. Nicht selten beobachtete ich die überwiegende Mehrzahl aller auf einem Kiemenblatt sitzenden Lagenophryen in diesem scheinbar vielkernigen Zustande. Wenn nun von diesen Thieren einige vier Nucleusballen, andere drei, wieder andere nur zwei oder nur einen ausser ihrem Hauptkern besassen, so lässt sich, da der ganze Vorgang ja überhaupt nur vorübergehender Natur ist, nur ein successives Ver- schwinden derselben hieraus folgern. Endlich habe ich drittens in einigen wenigen Fällen, wie ich glaube, den Moment der Ausstossung direct beobachtet. In Figur 29 d (Taf. IV) liegt das eine Kernstück- chen so unmittelbar neben der Schalenöffnung, als ob es im nächsten Augenblicke aus der Zelle entfernt werden sollte. Das in Figur 29 e abgebildete Thier lässt darüber keinen Zweifel, dass der eine Nucleus- ballen, von etwas Plasma umgeben, ausserhalb der Hülsenöffnung sich befindet. Leider bemerkte ich dieses Individuum erst nach der Ab- tödtung durch conc. Sublimat, wodurch ein genaues Erkennen des Wimperapparates und der jenes Kernstückchen umgebenden Plasma- theile unmöglich wurde. Da aber diese Lagenophrys sowie alle übrigen auf demselben Kiemenblatt sitzenden einen ganz normalen Eindruck machte, so wäre es ganz unnatürlich, hier ein Kunstproduct zu ver- muthen. — Der ganze Vorgang verläuft demnach wahrscheinlich in folgender Weise: von dem Hauptkern der Lag. aperta schnüren sich von Zeit zu Zeit mehrere, in der Regel 3—4, rundliche Ballen ab, die zusammen ungefähr so gross sind wie der zurückbleibende Rest des Kernes. Eine Veränderung des Paranucleus geht hierbei nicht vor sich. Um diese Ballen bildet das Cytoplasma vacuolige Räume und stösst sie nach und nach aus dem Zellkörper aus. Ob ein Verlust an Zellplasma hiermit Hand in Hand geht, oder ob dies nicht der Fall ist, muss weiteren Untersuchungen zur Entscheidung Studien über Protozoen. 163 überlassen werden. Der eine oder der andere Leser könnte vermuthen, die geschilderten Kernveränderungen möchten Stadien der Conjugation darstellen, da diese bei den Infusorien ja ebenfalls epidemisch aufzu- treten pflegt und vielfach zum Zerfall des Hauptkernes in kleinere Stücke führt. Obwohl mir nun der Verlauf der Conjugation genauer nur von Lag. aselli bekannt ist, halte ich dennoch eine solche An- nahme für durchaus unzulässig; denn ich habe vielfach Individuen von Lag. aperta beobachtet, die offenbar sich in Conjugation befanden, da sie den entsprechenden Stadien der Lag. aselli vollständig glichen. Ausserdem bleibt bei dem hier behandelten Processe der Nebenkern völlig unverändert, was im Widerspruch steht mit allen bis jetzt über die Conjugation der Infusorien gemachten Erfahrungen. — Auch als einen Fortpflanzungsact, eine Theilung, lässt sich der in Rede stehende Vorgang nicht ansehen; wenigstens habe ich nie bemerkt, dass bei derartigen Individuen das Cytoplasma in zwei oder mehrere Portionen zerfallen war. Die einzige Vermehrungsweise der Lagenophryen ist die Thei- lung. Stein glaubte, dass auch die Knospen sich zu jungen Thieren entwickelten, eine Anschauung, die nicht richtig ist. Die Knospen sind vielmehr, wie ich schon früher vermuthete und jetzt sicher nachweisen kann, nur zur Conjugation bestimmt. Die Theilungsebene verläuft bei allen Lagenophryen in diagonaler Richtung durch den Zellkörper. Bei Lag. ampulla und aselli sah ich sie stets links von der Schalen- öffnung beginnen, so dass die linke Theilhälfte einen neuen Wimper- apparat, eine contractile Vacuole und einen auf der Unterseite gele- genen Cilienkranz erhält; bei Lag. aperta wird umgekehrt die rechte Plasmahälfte mit jenen Neubildungen ausgerüstet. Von einigem Interesse ist im übrigen nur der Umstand, dass der Kern der Lag. aperta vor der Theilung diejenigen Umrisse annimmt, welche für den Nucleus der andern Lagenophrys-Arten characteristisch sind: er wird wurstförmig (Fig. 30), schnürt sich dann in der Mitte durch, und seine beiden birnförmigen Theilstücke gehen darauf wieder in eine runde Gestalt über. Seine Structur ändert sich hierbei nicht, sondern bleibt stets gleichmässig feinkörnig. — Von den beiden aus der Theilung hervor- gehenden Individuen entfernt sich nur dasjenige mit dem ventralen Wimperringe. Das andere bleibt im Besitz der alten Schale und zieht sich von der vorderen Oeffnung derselben nur so weit zurück, als es erforderlich ist, um das Schwesterthier aus der Hülse herauszulassen. So sah ich einmal, dass eine Lag. aselli nur die dorsale Lippe der Oefinung freigab, an der ventralen hingegen kleben blieb, und über 11* 164 Dr. L. PLATE, jenes Thier hinweg schob sich das zweite Individuum mit dem hinteren Körperende voran ins Freie. — Schliesslich habe ich hier noch zu erwähnen, dass mir einmal ein abnormer Fall vorgekommen ist, wo eine sehr grosse Lag. aselli sich gleichzeitig in drei verschieden grosse Tochterthiere getheilt hatte (Fig. 31). Zwei derselben, die durch echte Quertheilung aus einer Plasmaportion hervorgegangen zu sein schienen — füllten die rechte Schalenhälfte aus, das dritte die linke. Nur an dem letzteren liess sich ein Wimperapparat deutlich erkennen. Alle drei Individuen besassen einen Nebenkern ; die Hauptkerne waren bei zweien derselben normal gebaut, bei dem dritten in drei Stücke zerfallen. Die Conjugation zerfällt bei allen Lagenophryen in zwei von einander sehr verschiedene Vorgänge, in die Bildung der Conjugations- knospen und in die eigentliche Conjugation, d. h. die Copulation einer oder mehrerer Knospen mit einem normal gebauten Thiere. Ob beide Processe an demselben Individuum vorkommen, oder ob bei dieser Gattung ein sexueller Gegensatz zwischen Thieren, die nur Knospen bilden, dagegen nicht mit Knospen anderer Individuen copuliren, und solchen, die nur für das letztere bestimmt sind, ohne je derartige Schwärmstadien zu entwickeln, vorhanden ist, lässt sich zur Zeit noch nicht entscheiden. Am wahrscheinlichsten erscheint die erste Annahme, weil man nicht selten an einem Kiemenblatt fast sämmtliche Bewohner in der Knospenbildung, an einem anderen in Conjugation antrifft, was schwer erklärlich wäre, wenn die Lagenophryen theils nur zur Knospen- bildung, theils ausschliesslich zur Copulation befähigt wären. Hält man die Conjugation für gleichwerthig mit dem Befruchtungsacte der Eier der Metazoen — und gerade für die Lagenophryen lässt sich ein solcher Vergleich noch am leichtesten durchführen —, so wären dem- nach die Individuen dieser Vorticellinen-Gruppe zeitweilig männlicher, zeitweilig weiblicher Natur, resp. geschlechtlich indifferent, so lange sie sich nur durch Theilung fortpflanzen. Die Knospenbildung der Lag. aselli wird, wie ich dies schon früher von Lag. ampulla angegeben habe, durch einen Zerfall des Hauptkernes in zahlreiche (ec. 40—50) Kügelchen eingeleitet. Sodann wölbt sich die links neben der Schalenöffnung gelegene Körperpartie in Gestalt eines flachen Buckels hervor (Fig. 32). Eine Anzahl Kernkugeln treten in die so angelegte Knospe über, und dieselbe schnürt sich, nachdem eine contractile Vacuole in der Mitte des Körpers sichtbar geworden ist, vom Mutterthiere ab. Der Schwärmer (Fig. 33 a) hat eine ovale bis eiförmige Gestalt und schwimmt mit Hülfe eines Cilienkranzes, der parallel zur Längsaxe den einen der seitlichen Körperpole umzieht, in Studien über Protozoen. 165 der Schale umher. Die der Knospe angehörigen Kernkugeln, deren Zahl in der Regel zwischen 3—10 schwankt, verwachsen hierauf wieder zu einem einheitlichen, stabförmigen oder rundlichen Nucleus, und der gleiche Vorgang spielt sich auch an den Kernkugeln des Hauptthieres ab, wobei übrigens häufig zuerst zwei Kerne gebildet werden, die nach- träglich mit einander verschmelzen (Fig. 33d). Die in der geschil- derten Weise entstandene Schwärmknospe ist noch nicht copulationsreif. Sie theilt sich zunächst aufs neue, und zwar je nach ihrer Grösse einmal oder zweimal, so dass also zwei, resp. vier Conjugationsschwärmer aus der ursprünglichen Knospe hervorgehen. Die Theilungsebene steht senkrecht zum Cilienkranze (Fig. 33 b), und der ganze Vorgang macht sich schon etwas früher durch das Auftreten einer zweiten contractilen Vacuole bemerkbar. In dem fertigen Schwärmer habe ich nur einen Nucleus, aber keinen Nebenkern beobachtet. Da aber während des Zerfalls des Hauptkernes der Mutter der Paranucleus derselben sich der Wahrnehmung entzieht, ist es nicht unmöglich, dass auch Neben- kernderivate in die Knospe übertreten. — Die Schwärmerbildung der Lag. aperta verläuft genau so, wie sie soeben von Lag. aselli ge- schildert wurde. Auffallend ist mir nur, dass bei derselben der Nucleus nicht selten bloss in einige wenige (c. 6—10) Kugeln zerfällt, die sich auch nicht durch den ganzen Zellkörper zerstreuen, sondern dicht bei ein- ander an der Stelle des früher einheitlichen Kernes liegen bleiben. — Zuweilen theilt sich die Knospe der Lag. aselli schon einmal, ehe sie sich von der Mutter ganz losgelöst hat. Fig. 34 stellt einen solchen Fall dar. Das obere Theilstück der Knospe ist nur halb so gross wie das untere; durch eine nochmalige Theilung des letzteren würden im Ganzen drei Schwärmer resultiren, was ich in der That dann und wann bei Thieren beobachtet habe, die noch vollständig mit der Schalen- öffnung zusammenhingen, also vermuthlich ihren Knospen noch keine Gelegenheit zum Ausschlüpfen gegeben hatten. — Einige Male ist mir auch eine besondere Modification der Knospenbildung zu Gesicht ge- kommen, die von Interesse ist, weil sie uns einen Fingerzeig giebt, wie man sich phylogenetisch die Entstehung eines solchen Vorganges zu denken hat. Ich traf nämlich Lagenophryen (Fig. 35), die an der linken Seite eine deutliche Knospe mit contractiler Vacuole angelegt hatten, deren Kerne aber nicht zerfallen waren, sondern mit ihrem einen Ende in die Knospe hereinragten. Bei der Abschnürung der Knospe gelangt jenes kurze Stück des Nucleus in dieselbe. Der vor- dere Pol des 0,017 mm grossen Schwärmers ist viel dichter mit Cilien besetzt, als es normaler Weise der Fall ist. Da jedoch eine besondere 166 Dr. L. PLATE, Mundöffnung fehlt, können derartige Thierchen auch wohl nur zur Copulation bestimmt sein. Die Conjugationsschwärmer entstehen also zuweilen durch eine echte Theilung, bei der freilich sehr ungleich grosse Individuen von einander getrennt werden, und erinnern durch ihren rudimentären Wimperapparat an die aus einer normalen Theilung resultirenden Lagenophryen. Sie machen es wahrscheinlich, dass die Conjugation ursprünglich zwischen völlig gleichartigen Individuen statt- fand und erst auf einer weiteren Differenzirungsstufe zur Ausbildung kleiner, mundloser Schwärmer führte. Die eigentliche Conjugation wird dadurch eingeleitet, dass ein oder auch wohl zwei Schwärmer, die auf irgend eine Weise in die Schale einer Lagenophrys eingedrungen sind, mit dieser verwachsen (Fig. 36) und ihren Kern in sie übertreten lassen. Es scheint hierbei nur auf die Ueberführung der Nucleussubstanz des Schwärmers in das Hauptthier anzukommen, denn ich fand zuweilen vorgeschrittenere Conjugationsstadien, denen äusserlich noch der oder die Knospen als faltige, ziemlich viel Plasma enthaltende Säckchen ansassen (Fig. 37). Gleichzeitig mit der Copulation des Schwärmers treten auch am Haupt- thier die ersten Veränderungen auf. Der Nebenkern desselben wächst zu einem relativ sehr grossen, spindelförmigen, anfangs feinkörnigen, später streifigen Körper heran (Fig. 36). Sodann theilt er sich in zwei Spindeln, während der Hauptkern in eine Anzahl verschieden grosser Kugeln zerfällt (Fig. 38). Die nun folgenden Stadien verlau- fen nicht bei allen Thieren in derselben Weise. In einzelnen Indivi- duen scheinen die Nebenspindeln sich noch weiter zu theilen, während die Bruchstücke des Hauptkernes sich im Plasma sämmtlich auflösen. Ein Beispiel hierfür bietet das in Figur 39 nach Sublimat-Behandlung abgebildete Thier, denn in diesem waren auch nach der Färbung nur 6 Nebenkernspindeln, aber keine Nucleusstücke zu erkennen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bleibt dagegen ein grosser Theil der letzteren (vielleicht sogar alle) während der ganzen Conjugation erhalten und betheiligt sich später direct an dem Aufbau des neuen Kernes. Man trifft dann in den Lagenophryen viele sich stark fär- bende Kugeln, von denen einige — bis zu8 — sich durch besondere, unter einander so ziemlich übereinstimmende Grösse (0,0068 mm) aus- zeichnen (Fig. 40 a—d). Diese letzteren halte ich für modificirte Nebenkernspindeln und glaube, dass der neue Kern entweder aus die- sen allein durch Verwachsung entsteht — wobei natürlich nicht aus- geschlossen ist, dass die im Plasma gelöste Substanz der Nucleus- bruchstücke auch verwerthet wird — oder aus der Verschmelzung der Studien über Protozoen. 167 Derivate des Nebenkernes und des Hauptkernes hervorgeht. Sind jene grösseren Kugeln in der That Produkte des Paranucleus, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass dieselben in erster Linie an dem Auf- bau des neuen Kernes betheiligt sind. IV. Epistylis simulans n. sp. An den Kiemenblättern des Asellus aquaticus fand ich sehr häu- fig eine kleine Epistylis- Art, welche mit der von WRZESNIOWSKI ') als Ep. steinii beschriebenen Species die grösste Aehnlichkeit besitzt. Beide Formen haben dieselbe Körpergestalt, dieselbe Grösse und einen gleich gebauten Kern, und ich würde kein Bedenken tragen, dieselben für identisch zu erklären, wenn nicht der Stiel des von mir beobach- teten Infusors eine sehr deutliche Längsstreifung aufwiese, deren WRZESNIOWSKI nicht gedenkt. Da der letztere Forscher den Stiel seiner Ep. steinii eingehend schildert, so ist wohl kaum anzunehmen, dass hier ein Beobachtungsfehler vorliegt, sondern sehr wahrscheinlich unterscheidet sich die Bewohnerin der Wasserassel durch jene Structur von der ihr im Uebrigen sehr nahe stehenden Vorticelline des Gam- marus pulex und darf daher auch wohl als eine besondere Species — wenigstens vorläufig — angesehen werden. Ausser dieser Längsstreifung besitzt der Stiel der Ep. simulans auch noch eine unregelmässige quere Ringelung (Fig. 42). Dieselbe hat ihren Sitz in der oberen Membran, welche den Stiel von aussen umgiebt, und ist nur der Ausdruck von Falten und Runzeln, die sich in ihr — häufig in ziemlich regelmässigen Abständen — bei allen älteren Exemplaren bilden. Das Innere des Stiels scheint mit einer Gallerte erfüllt zu sein, die in ihrer ganzen Länge jene fibrilläre Structur aufweist. In der Axe des Stieles verläuft ausserdem ein Faden, der von unten nach oben an Stärke zunimmt und unter Bil- dung einer kegelförmigen Anschwellung in den Körper der Epistylıs übergeht. Obwohl ich nichts von einer pinselförmigen Ausstrahlung desselben im Zellkörper wahrzunehmen vermochte, bezweifle ich doch nicht, dass dieser Strang dem Stielmuskel einer Vorticelle homolog ist. Derselbe ist hier rudimentär geworden oder hat wenigstens seine ursprüngliche Function einer contractilen Fibrille verloren und dient 1) P. Wrzesniowskı, Beiträge zur Naturgeschichte der Infusorien, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 29, p. 280. 168 Dr. L. PLATE, jetzt nur als Befestigungsmittel. Die Epistylis simulans vermag näm- lich nicht, ihren Stiel irgendwie zu verändern, und die Querfalten desselben sind daher nicht die Folge einer Contraction jenes Muskels. Ich vermuthe, dass sie durch die Art des Wachsthums des Stieles be- dingt werden. Der übrigen Organisation unseres Infusors habe ich keine genaue Beachtung geschenkt. Es sei daher hier nur noch erwähnt, dass dem wurstförmigen Nucleus kein Nebenkern anliegt, und dass in der Nähe des hinteren Körperpoles eine ringförmige, querliegende, myophane Fibrille, wie bei manchen anderen Vorticellinen, vorhanden zu sein scheint. Ich habe sie wegen ihrer Zartheit nicht direct erkennen können, aber ihre Existenz wird durch häufige Contractionen, welche eine Ringfurche hervorrufen, sehr wahrscheinlich gemacht. Ueber diesem Ringe bildet sich ein Kranz von Cilien, wenn die Epistylis, wie dies nicht selten vorkommt, ihren Wohnsitz verlassen will. — Das hinter dieser Fibrille gelegene Plasma unterscheidet sich sehr auffallend von der vor ihr befindlichen Körpersubstanz; es ist beson- ders dichtkörnig, und die so beschaffene hinterste Körperregion, welche nach vorn eine muldenförmige Vertiefung bildet, erscheint daher viel dunkler als das übrige Cytoplasma (Fig. 48). An unserem Thierchen interessirte mich vor allem die Conjuga- tion. Dieselbe ist bei Epistylis simulans, abweichend von fast allen übrigen Ciliaten, eine keineswegs seltene Erscheinung, sondern ich be- gegnete ihr auf Schritt und Tritt. Stets wird eine grössere Anzahl von Thieren — häufig so ziemlich alle Individuen, soweit sie dasselbe Kiemenblatt bewohnen — von ihr ergriffen, und ein einziges solches Blatt genügt dann, um dem Beobachter ungefähr alle Stadien zu zeigen. Der Vorgang zerfällt, wie bei Lagenophrys, in zwei sich auf verschiedene Individuen vertheilende Abschnitte, in die Bildung der Conjugationsschwärmer und in die eigentliche Copulation. — Wie die Conjugationsknospen entstehen, habe ich im Einzelnen nicht verfolgt. Ich kann nur angeben, dass dieselben sich stets von dem basalen Körperende ihrer Mutter abschnüren (Fig. 41) und sich von dieser nur durch die sehr viel geringere Grösse, durch das Fehlen einer Mundôffnung und einer Schlundröhre sowie durch die rudimentäre Ausbildung des vorderen Wimperapparates unterscheiden. Sie besitzen einen kleinen wurstförmigen Kern, eine pulsirende Vacuole und ferner in der Nähe des hinteren Körperpoles die oben erwähnte contractile Ringzone, über der in einer Furche die Cilien auftreten, mit deren Hülfe das Thierchen fortschwimmt. Wie bei der gewöhnlichen Fort- Studien über Protozoen. 169 pflanzung durch Längstheilung der rudimentäre Stielmuskel in zwei, mit einander in Zusammenhang bleibende, kurze Aeste sich gabelt, so läuft auch zur Conjugationsknospe ein Seitenzweig jener Fibrille (Fi- gur 41). Dieselbe ist auch offenbar eng mit dem Körper derselben ver- bunden, denn gar nicht selten zieht sie sich bei der Loslösung des Schwärmers zu einem Faden aus, der fast so lang ist wie jener selbst. Die Knospe zerrt dann an dem Faden herum, bis es ihr glückt, den- selben zu zerreissen. — Der Conjugationsschwärmer ist, wie schon oben erwähnt wurde, auch mit einem rudimentären vorderen Wimper- apparate ausgerüstet. Das Peristom bildet nämlich eine enge Oeff- nung (Fig. 41), welche in eine spaltförmige Höhlung führt. Der Boden derselben ist dicht mit kleinen Cilien bedeckt und entspricht, da er auch etwas hervorgewölbt werden kann, offenbar einer redu- cirten Wimperscheibe. Diese Deutung folgt auch aus dem Umstande, dass jene Wimpern beim Mangel einer Mundöffnung nicht zum Her- beistrudeln von Nahrung und wegen ihrer geringen Grösse auch nicht zur Locomotion verwerthet werden können, daher augenscheinlich functionslose Gebilde sind. Ihre Anwesenheit wird nur verständlich, wenn man sie für homolog mit dem vorderen Wimperapparate der normalen Individuen hält, woraus dann weiter derselbe Schluss zu ziehen ist, wie oben bei der Gattung Lagenophrys, dass nämlich höchst wahrscheinlich die Conjugation ursprünglich zwischen völlig gleich- artigen Thieren stattfand. Der Verlauf der eigentlichen Conjugation, die Verschmelzung eines Schwärmers mit einem gewöhnlichen Individuum, gestaltet sich relativ einfach, weil ein Nebenkern nicht vorhanden ist. Die Schwärmer setzen sich mit ihrem hinteren Körperpole, der zu einer flachen Scheibe wird, einem grossen Thiere an und verwachsen mit demselben. Die Cilien der Knospe gehen auf nicht näher beobachtete Weise verloren, und noch ehe die Verwachsung beider Paarlinge so innig wird, dass das Plasma des kleineren in directe Berührung mit dem des grösseren kommt, also noch vor der Resorption der Cuticulae, zerfallen die Kerne beider Copulirenden in kleine, sich intensiv färbende Kügelchen. In der Knospe liegen ungefähr 10 derselben, im Hauptthier weit mehr, aber von derselben Grösse (Fig. 44, a). Zuweilen bemerkt man unter den Kernkugeln des Hauptthieres eine von besonderer Grösse (Fig. 44, b). Auf dem nächsten Stadium wird die Körpersubstanz des Schwärmers vollständig von der des andern Paarlings aufgenommen (Fig. 44, c), und nur die Cuticula des ersteren bleibt als ein faltiges Bläschen an dem letzteren hängen. Um diese Zeit lassen sich die Kernkugeln der 170 Dr. L. PLATE, Paarlinge nicht von einander unterscheiden. Allmählich beginnen einige derselben, zunächst eine, dann eine zweite, schliesslich eine dritte und häufig auch eine vierte, an Masse zu wachsen, bis sie Kugeln werden, deren Durchmesser 0,005—0,008 mm betragen. Gleichzeitig wird die Zahl der kleinen Kügelchen immer geringer, was auf eine successive Auflösung derselben hinweist. Ich vermuthe, dass die im Cytoplasma gelöste Kernsubstanz dieser Gebilde das Material zum Wachsthum jener grossen Kugeln liefert. In der Regel verschwinden aber nicht alle von den kleinen Kugeln, sondern meist sind 5—10 derselben noch vorhanden, wenn die grossen zum neuen Nucleus unter einander ver- schmelzen. Jene lagern sich dann diesen an (Fig. 44, g) und gehen so ebenfalls in den neuen Kern über. In anderen Fällen lösen sich alle kleinen Kügelchen auf, ehe sich der Hauptkern regenerirt (Fig. 44, h, wo noch die Furchen zwischen den verschmelzenden Kugeln zu er- kennen sind). Bei einigen wenigen Exemplaren habe ich ausserdem eine besondere Modification des ganzen Vorganges beobachtet; es trat nur eine Kugel von beträchtlicherem Umfange auf (Fig. 45), die zum neuen Kern heranwuchs. — Möglicherweise stammen die Kügelchen, welche sich bis zum Schluss nicht selten erhalten, aus dem Schwärm- paarling. Hierfür spricht ihre Zahl, doch lässt sich nichts Sicheres weder für noch gegen eine solche Annahme vorbringen, da die Kern- stücke von Knospe und Hauptthier im Aussehen völlig identisch sind. Der im Vorstehenden geschilderte Verlauf der Conjugation bei Epistylis simulans entspricht in allen wesentlichen Punkten demselben Vorgange bei Vorticella microstoma und Epistylis plicatilis, von dem wir eine vortreffliche Darstellung durch ENGELMANN !) besitzen. Man kann daher diesen Modus einstweilen ohne Bedenken als typisch für die nebenkernlosen Vorticellinen (im engeren Sinne) ansehen. Bei den einen Paranucleus besitzenden Infusorien dieser Gruppe verläuft die Conjugation im allgemeinen auch ebenso. Bürschuı?) berichtet, dass bei Vort. nebulifera und Carchesium polypinum der Nucleus der conjugirten Thiere in zahlreiche Bruchstücke zerfällt, und dass der neue Kern aus einer Anzahl grösserer Kugeln reconstruirt wird, ganz ähnlich, wie ich dies oben von Lagenophrys aselli geschildert habe. 1) Tu. W. Enertmann, Ueber Entwicklung und Fortpflanzung von Infusorien, in: Morph. Jahrb. I, p. 621 ff. 2) O. Bürscazr, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Ei- zelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien, in: Abhandl. der Senckenberg’schen Naturf. Gesellschaft X, p. 234 des Separatums, Studien über Protozoen. 171 BürschLı hält es für sehr wahrscheinlich, dass die grösseren Kern- kugeln aus dem einen (oder beiden ?) Paranucleus hervorgehen, eine Ansicht, die auch für Lagenophrys zuzutreffen scheint. Ist dieselbe richtig, so liegt der wichtigste Unterschied in dem Verlauf der Con- jugation bei Vorticellinen mit Nebenkern und solchen ohne diesen in dem verschiedenen Ursprung der grösseren Kernkugeln, die den neuen Kern — ausschliesslich oder wenigstens zum grössten Theil — auf- bauen: bei jenen sind dieselben Paranucleusderivate, bei diesen modi- ficirte Bruchstücke des alten Kernes. Ein principieller Gegensatz scheint mir hierin nicht zu bestehen, denn ich halte die Annahme für unab- weisbar, dass in beiden Fällen jene Kugeln auf Kosten der im Plasma gelösten übrigen Theilstücke des alten Nucleus herauswachsen. Die Differenz läuft vielmehr nur darauf hinaus, dass bei den mit einem Nebenkern versehenen Infusorien diejenigen Kernelemente, welche während der Conjugation zum neuen Nucleus heranwachsen sollen, schon vor derselben als isolirte Gebilde vorhanden sind, wohingegen dieselben sich bei den nebenkernlosen Formen erst im Beginn der Conjugation von der Hauptmasse des Kernes sondern. — Zwischen der Conjugation von Lagenophrys aselli und der von Epistylis simulans besteht ein Unterschied, auf den ich hier kurz eingehen will: bei ersterer tritt der Kern des Schwärmers in toto, bei letzterer nach einem Zerfall in mehrere kleine Stücke in das Hauptthier über. Aber auch dieser Gegensatz schwindet, wenn man die Entstehungsweisen der Schwärmknospen sich bei beiden Arten vergegenwärtigt. Bei Lagenophrys tritt der Kernzerfall ein, während die Knospe sich anlegt, und der Nucleus des fertigen Schwärmers hat daher eine nochmalige innige Mischung mit seinem Cytoplasma — eine solche ist, wie mir scheint, der Zweck jedes während der Conjugation auftretenden Kern- zerfalls — nicht mehr nöthig. Bei Ep. simulans ist mir zwar die erste Anlage der Knospe entgangen. Da aber in derselben und im zugehörigen Mutterthiere nie Kernbruchstücke bemerkt wurden, ist es unzweifelhaft, dass sie ebenso entsteht, wie ENGELMANN es für Vorti- cella microstoma nachgewiesen hat: der Nucleus des Hauptthiers wächst in die Knospe hinein und wird dann bei der Loslösung derselben mit durchschnitten. Eine innige Durchdringung von Cyto- und Nucleo- plasma findet hierbei nicht statt, sondern wird erst dann herbeigeführt, wenn sich die Knospe einen Paarling ausgesucht und sich an diesem fixirt hat, 172 Dr. L. PLATE, V. Heliochona sessilis mihi, eine neue Vorticelline. An den Kiemenblättern eines Gammarus aus der Nordsee habe ich eine neue Vorticelline gefunden, deren nächste Verwandten unter den Gattungen Spirochona und Stylochona zu suchen sind. Wie bei diesen Infusorien ist das vordere Körperende trichterartig erweitert und innen mit zahlreichen Cilien besetzt, welche die Nahrung herbei- strudeln. Das Thier möge den in der Ueberschrift genannten Namen führen, da für den Kopftrichter desselben ein sonnenartiger Besatz dünner, steifer Stäbchen characteristisch ist, die vom Rande ausgehen (Taf. IV, Fig. 49, 50, 51). Die Heliochona sessilis hat die Gestalt einer Flasche, deren Hals in jenen Trichter übergeht. Dabei ist je- doch der Querschnitt des Flaschenbauches und des Trichters nicht rund, sondern oval, so dass man zwei Schmal- und zwei Breitseiten unterscheiden kann. Mit dem unteren, quer abgestutzten Körperpole sitzt das Infusor dem Kiemenblatte breit auf, und zwar vornehmlich der Fläche, weniger der Peripherie desselben. Die Länge beträgt von der Basis bis zum Beginn des Halses c. 0,054 mm, von hier bis zum Trichterrande 0,02 mm. Die Querachse der Heliochona bei der Breitenansicht misst c. 0,025 mm, während derjenigen der Schmal- seite nur eine Länge von 0,007 mm zukommt. Der Körper ist überall von einer dünnen Cuticula bedeckt, die sich an der Anheftungsstelle durch besondere Zartheit auszeichnet. Von einigem Interesse ist an unserm Infusor nur der Trichter. Die eine Breitseite desselben — sie möge als Rücken bezeichnet werden — ist nämlich in zwei symme- trisch gestellte Lappen ausgezogen, die nach innen übergeklappt sind und den Hohlraum des Trichters theilweise überdecken (Fig. 51). Ausserdem ist der ganze Rand des Trichters mit einer grossen Zahl starrer Stäbchen versehen, die so ziemlich in gleichen Abständen von einander stehen und sich als schwache Leisten noch eine kurze Strecke in der Trichterwand verfolgen lassen. Bei einigen Individuen konnte ich mich ganz sicher überzeugen, dass einige von diesen Stäbchen, ungefähr jedes vierte, noch einmal so lang waren wie die dazwischen stehenden; bei andern war dagegen ein solcher Unterschied nicht fest- zustellen. Die von dem Trichterrand ausstrahlenden Radien fehlen nur auf der kurzen Strecke zwischen den beiden überhängenden Kelch- lappen ; auf diesen selbst sind sie dagegen vorhanden und bewirken, dass der Zugang zum Trichterraum theilweise versperrt ist. Nur die kleineren der herbeigestrudelten Nahrungspartikelchen können das Studien über Protozoen. 173 Lattenwerk jener Stäbchen passiren und in den am Grunde des Trich- ters befindlichen kurzen Oesophagus gelangen, und in diesem Um- stande liegt oftenbar der Vortheil jener Einrichtung. — Im Zellplasma fällt dem Beobachter leicht ein rundlicher, feinkörniger Kern auf, von einem Paranucleus habe ich dagegen nichts bemerkt. Die Fortpflan- zung geschieht wie bei Spirochona gemmipara durch Knospen, welche sich an einer bestimmten Stelle der Bauchseite, an der Basis des Halses, abschnüren (Fig. 49). Die näheren Einzelheiten dieses Vor- ganges habe ich aus Mangel an Material nicht verfolgen Können. VI. Aegyria oliva CL. et LACH. In seiner Abhandlung ‚Ueber Infusorien des Golfes von Neapel“ !) bemerkt GÉzZA Entz von der Aegyria oliva: „Der Kern liegt unterhalb des Schlundes. Er ist ein recht grosser, heller, runder oder ovaler Körper mit einem Querspalt; an wechselnder Stelle seiner Oberfläche konnte ich einen runden Nebenkern ganz deutlich, auch ohne Anwendung von Reagentien unterscheiden.“ Dieser kurzen Beschreibung möchte ich noch Einiges hinzufügen, da der Nucleus dieses Infusors einen etwas ungewöhn- lichen Bau aufweist. Er ist nämlich aus zwei, sich gegen Farbstoffe verschieden verhaltenden Hälften zusammengesetzt, in ähnlicher Weise, wie dies von Spirochona gemmipara, Leptodiscus medusoides und einigen Rhizopoden bekannt ist. Nach Abtödtung durch Osmiumsäure zeigt die eine Hälfte des Kernes ein dunkelkörniges Aussehen (Fig. 46, 3), während die andere nahezu homogen und hell erscheint (2) und nur an ihrem vordersten Pole eine ganz leichte Körnelung besitzt. Die Abschnitte 2 und 3 liegen eng an einander, sind aber durch eine deut- liche Linie geschieden, so dass der von GEzA Entz beobachtete Quer- spalt wohl nur ein Artefact gewesen sein kann. Bei Anwendung von Carminlésungen färbt sich die helle Kernhälfte ganz intensiv, die dunkle dagegen nur sehr schwach. Der Kern der Aegyria oliva verhält sich demnach gegen Farbstoffe gerade umgekehrt wie der der Spirochona gemmipara, bei welcher die dunkelkörnige Partie die chromatische, die helle die achromatische ist. Es wäre interessant zu erfahren , ob auch bei jener Form die Kerntheilung so complicirter Natur ist wie bei dieser; denn wäre dieses der Fall, so würde man berechtigt sein, 1) in: Mittheilungen der Zoolog. Station zu Neapel, Bd. V, 1884, p. 349. 174 Dr. L. PLATE, die getrennte Anordnung der chromatischen und der achromatischen Kernelemente als Ursache einer derartigen Mitose anzusehen. VII. Bemerkungen über Noctiluca miliaris SUR. und das durch sie hervorgerufene Meerleuchten. Während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes anf der Nordsee- Insel Borkum im Herbste 1886 habe ich die Noctiluca miliaris einer eingehenden Untersuchung unterworfen. Da jedoch erst neuerdings durch Bürschriı ') unsere Kenntnisse von dieser viel beobachteten Cystoflagellate in vortrefflicher Weise zusammengestellt sind, will ich mich hier auf einige kurze ergänzende Notizen beschränken. Ueber den Kern der Noctiluca miliaris lauten die Angaben der verschiedenen Forscher ziemlich abweichend. ROBIN — dessen neueste Arbeit über Noctiluca ich mir leider nicht verschaffen konnte, sodass ich seine Ansichten nur aus der Bürscarrschen Darstellung kenne — und Vignal ?) halten ihn für völlig homogen, während Crenkowsk1 *) seiner Binnensubstanz die Fähigkeit zuschreibt, sich in Fäden und Stränge auszuziehen, welche dem Beschauer im optischen Querschnitt als Kügelchen erscheinen. Nach meinen Beobachtungen ist der Nu- cleus ein von einer deutlichen Membran begrenztes Bläschen, dessen wasserklarer Inhalt zuweilen völlig homogen resp. nach Anwendung von Reagentien gleichmässig feinkörnig ist; in der Regel finden sich aber im Kern mehrere Nucleoli, die echte Kügelchen sind und keines- wegs blos optische Durchschnitte von Plasmasträngen darstellen. Kerne, welche CiENKOwSKI’s Figur 12 entsprechen, habe ich nie ge- sehen und halte demgemäss solche Nuclei — ohne übrigens ihr Vor- kommen bestreiten zu wollen — für nicht normal gebaut. — Der Kern der Noctiluca ist, wie allbekannt, dem sogenannten ,,Central- plasma“ eingebettet. Dass er jedoch auch zuweilen, wie die übrigen Plasmakörner, passiv auf grössere Strecken hin und her bewegt werden kann, lehrten einige Individuen, bei denen er, weit vom Munde ent- 1) Bronn’s Classen und Ordnungen. Bd. I: Protozoa, neu bearbeitet von QO. Bürscazr, 1885, p. 1030 ff. 2) W. Vienat, Recherches histol. et physiol. sur les Noctiluques, in: Arch. de Physiol. (2. Ser.), T. 5, 1878, p. 436. 3) L. Crexxowskr, Ueber Noctiluca miliaris Sur., in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. IX, 1873, p. 49. Studien über Protozoen. 175 fernt, in einer etwas dichtmaschigeren Portion des Plasmas lag !). — Hinsichtlich des sog. „Staborganes“ schliesse ich mich ganz der Bürscatischen Deutung an, der zufolge die Leisten desselben bloss durch eine besonders dichte Anheftung des Plasmas an der Körper- membran hervorgerufen werden. Legt man eine Noctiluca so, dass man von oben in die Mundöffnung hineinsieht und dabei die Band- geissel vor der letzteren hat, so nimmt bekanntlich das Staborgan hinter dem Vestibulum in Gestalt zweier auf einander zulaufender Falten seinen Anfang. Ich glaube nun, dass sich auch vor der Mundéfinung eine gleiche Bildung wird nachweisen lassen. Zu dieser Vermuthung bin ich durch die Betrachtung der in Regeneration befindlichen Noc- tiluken geführt worden. Dieselben lassen nämlich sehr häufig nicht nur 3 mehr oder minder weit über die Körperoberfläche hervorragende Körner (Fig. 47, 48, a, b, c) erkennen, die den 3 Enden des Stab- organes entsprechen, sondern noch zwei andere (d und e), die, sym- metrisch gruppirt, nicht weit von der Bandgeissel stehen und die ihre Entstehung doch sicherlich den gleichen Verhältnissen verdanken werden wie die durch das Staborgan gebildeten Auswüchse. Leider habe ich es unterlassen, mich am lebenden Thiere hierüber zu orien- tiren. Die in Regeneration befindlichen Noctiluken sind in Folge ihres zusammengezogenen Plasmas specifisch etwas schwerer als die nor- malen Individuen; während diese in einem ruhig stehenden Gefässe an die Oberfläche des Wassers steigen, sinken jene zu Boden. Durch- mustert man daher den Bodensatz, so erblickt man unter den in der Länge und Form der Hörner sowie im Körperumriss ausserordentlich variirenden Regenerationsthieren leicht auch solche fünfhörnige. Es ist bis jetzt noch nicht sicher nachgewiesen worden, welche von den beiden Fortpflanzungsarten der Noctiluca die häufigere ist. Nach meinen Beobachtungen kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Bildung von Schwärmern der Zahl nach die Fortpflanzung durch ein- fache Theilung übertrifft. Nur der Umstand, dass gewisse Stadien des letzteren Vorganges sich von der Conjugation, welche bei Nocti- luca sehr häufig ist, auf den ersten Blick nicht unterscheiden lassen, erschwert die Erkenntniss des wahren Sachverhaltes. Ich habe eine grosse Anzahl bisquitförmiger Paare isolirt und eine Zeit lang contro- lirt; nur ganz wenige derselben waren in der Theilung begriffen, während alle übrigen schliesslich zu einem Individuum verschmolzen. Da man nun solche achtförmige Noctiluken ungefähr ebenso häufig antrifft wie 1) Eine Verwechslung mit einer Vacuole ist ausgeschlossen, 176 Dr. L. PLATE, Thiere mit einer Schwärmerplatte, so folgt hieraus ein beträchtliches numerisches Uebergewicht der Knospung über die einfache Theilung. Ueber den Verlauf der Conjugation im Einzelnen sind wir durch ÜIENKOWSKI schon gut unterrichtet. Die beiden Paarlinge sind fast immer gleich gross und gehören in der Regel zu den mittelgrossen oder kleinen Individuen ; da nun andererseits die in der Schwärmer- bildung begriffenen Noctiluken meist vollständig ausgewachsen sind, so spricht auch dieser Umstand dafür, dass die Knospen nach einer Conjugation angelegt werden, ihre Bildung demnach auch wohl ur- sächlich mit dieser zusammenhängt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass gerade bei der Noctiluca miliaris sich das Alter der Individuen nicht immer nach der Körpergrösse abschätzen lässt, weil die Thiere zu häufig einen Theil ihrer Membran !) abwerfen und durch Zusammen- ziehung des Plasmas ein geringeres Volumen annehmen. — Die An- einanderheftung der beiden Paarlinge geschieht mittels einer klebrigen, structurlosen Gallerte, welche in dünner Schicht von dem über dem Centralplasma gelegenen Theile der Körperwandung ausge- schieden wird. Merkwürdiger Weise verschmelzen nun die Kerne nicht sofort mit einander, nachdem die zwischen ihnen liegenden Membran- partien resorbirt worden sind; sie fliehen einander vielmehr Anfangs, so dass sie auf einem der ersten Stadien der Conjugation, wenn sich ein schmaler Verbindungscanal zwischen den Paarlingen entwickelt hat, räumlich näher beisammenliegen als etwas später. Während dann der bisquitförmige Einschnitt zwischen den Individuen immer flacher wird und diese mehr und mehr verwachsen, rücken die Kerne wieder auf einander zu und vereinigen sich schliesslich. Den Moment der Ver- schmelzung der Kerne habe ich einmal beobachtet. Eine Structur- veränderung erleiden sie nicht hierbei, wohl aber vollführt der neu- gebildete Nucleus anfangs geringe amöboide Bewegungen. Die Band- geisseln der Paarlinge verschwinden meist schon bei Beginn der Conjugation, und zwar werden sie entweder abgeworfen, in welchem Falle sie vorher zu einem runzeligen, welken Faden werden, oder sie werden allmählich eingezogen. Conjugationsthiere, welche man in der feuchten Kammer hält, ermatten oft so sehr, dass sie nicht mehr im 1) Diese Beobachtung kann man sehr leicht an Thieren anstellen, die auf dem Objectträger etwas beunruhigt worden sind; sie scheint mir zu beweisen, dass BürschLı (in: Morpholog. Jahrbuch, Bd. X, p. 564) nicht im Rechte ist, wenn er der Noctiluca jede cuticulare Membran ab- spricht. Studien über Protozoen. 177 Stande sind, die oft dicht genäherten Kerne zur Verschmelzung zu bringen; sie erhalten sich 3—4 Tage in diesem doppelkernigen Zu- stande am Leben und stülpen auch zuweilen während dieser Zeit aufs neue jedes eine Bandgeissel aus. Die Bildung der Schwärmknospen soll nach Cienkowskr dadurch eingeleitet werden, dass zwei Plasmahügel sich über das Niveau der Kugel erheben. Dieselben sollen sich darauf in 4 Hügel theilen, diese in 8 und so fort. Dass solche Stadien mit 2 und 4 Hügeln vor- kommen, ist wehl gewiss, aber sicherlich treten sie nicht immer auf, denn vielfach fand ich nur eine dicke Plasmaschicht mit einigen wenigen Kernen, die wohl nach innen, aber nicht nach aussen vorsprang. — Ropin verdanken wir Mittheilungen über die Veränderungen, welche der Kern bei seinen successiven Theilungen durchmacht; solche an das indirecte Schema erinnernde Umwandlungen treten aber nur während der ersten Theilungen auf; später zerfällt er, wie ich öfters beobachtet habe, durch einfache Durchschnürung. — Die Ausbildung der Cilien fällt nicht immer genau auf dasselbe Entwicklungsstadium; zuweilen erscheinen sie schon sehr früh, wenn die einzelnen Plasmaauswüchse noch eine Reihe von Theilungen durchzumachen haben. Dann ereignet es sich auch wohl, dass einzelne Knospen zwei Geisseln erhalten. Auch die Gestalt der Schwärmer ist manchen kleinen Schwankungen unter- worfen, wie dies schon von CIENKOWSKI bemerkt wurde. Besondere Beachtung verdient nur der Umstand, dass die Quer- und die Längsfurche nicht selten völlig fehlen, was gegen den von BürschLı und POuCHET gemachten Versuch, an den Schwärmern der Noctiluca einen dinofla- gellatenartigen Bau nachzuweisen, sprechen würde. Dieselben stellen in diesem Falle eiförmige oder ovale Körperchen dar, die an der Be- festigungsseite der Geissel etwas abgeflacht sind. Eine besondere Mundöfinung fehlt den Thierchen, was auf eine kurze Dauer dieses Entwicklungsstadiums hindeutet. — Das Schicksal der Noctiluken, welche die Hauptmasse ihres Körpers bei der Knospenbildung einge- büsst haben, ist zur Zeit noch unbekannt. Bei einigen Thieren, welche eine reife, schon mit Cilien versehene Schwärmerplatte hatten, konnte ich noch einzelne Kernbrocken durch Tinction nachweisen. Es ist daher nicht unmöglich, dass einige Individuen nach der Loslösung der Knospen noch weiterleben, zumal da in dem dünnen Plasmanetz, welches stets zurückbleibt, ab und zu auch grössere Portionen ange- troffen werden. Die von mir in der feuchten Kammer gehaltenen Noctiluken gingen stets zu Grunde, weil sie äusserst leicht colla- biren. Zool. Jahrb, Ill. Abth. f. Morph. 12 178 Dr. L. PLATE, Die Wirkung der verschiedenartigsten chemischen Körper und physikalischen Kräfte auf das Leuchtvermögen der Noctiluca ist schon von einer grossen Anzahl von Naturforschern untersucht worden. Diese kamen alle zu dem Resultat, dass sich das Leuchten durch jeden stärkeren Reiz, welcher Natur er auch sein mag, hervorrufen lässt, so- lange nur die Luft nicht abgeschlossen ist. Dieser letztere Umstand weist — da das Licht im Stickstoff erlischt — darauf hin, dass das Leuchten in die Kategorie der Oxydationsprocesse gehört. Es hält nicht schwer, einige weitere Beobachtungen zu erbringen, welche für die Richtigkeit dieses Satzes sprechen: so tritt z. B. das Leuchten nur in dem peripheren Körperplasma auf, und ferner sind die in einem ruhig stehenden Gefässe am Boden sich ansammelnden Regenerations- zustände der Noctiluca, welche ihre Leuchtkraft noch in vollem Maasse besitzen, viel schwerer zum Phosphoreseiren zu bringen als die an der Oberfläche schwimmenden normalen Individuen, weil diese in höherem Maasse unter dem Einfluss der atmosphärischen Luft stehen. Man sollte nun erwarten, eine Sättigung des Wassers mit Sauerstoffsas würde die thierische Phosphorescenz in besonderer Intensität hervor- rufen, was QUATREFAGES !) bestreitet. Ich habe daher diesen Versuch wiederholt, und es ist mir auch in einigen Fällen gelungen, durch ein mehrere Minuten andauerndes Einleiten von reinem Sauerstoff ein mattes Licht zu veranlassen, das nach der Gasentwicklung noch ca. 10 Minuten ununterbrochen sichtbar war. Dass der Versuch zu- weilen fehlschlug, lag vermuthlich an den primitiven Verhältnissen, unter denen ich zu arbeiten hatte. Legt man Noctiluken auf feuchtes Fliesspapier und betrachtet sie mit einer stärkeren Vergrösserung, so lässt sich das von ihnen ausstrahlende Licht in 4 Kategorien gliedern: 1) blitzartiges, intensives Aufleuchten der gesammten äusseren Plasmaschicht mit gleich darauf folgender Dunkelheit; 2) ebenso, jedoch folgt ein 1—2 Minuten währendes schwaches Nachleuchten ; 3) mattes Leuchten der äusseren Plasmazone oder einiger grösseren Partieen derselben und gleichzeitiges starkes Funkeln einzelner kleiner Punkte; 4) ein grösster Kreis der Kugeloberfläche ist ganz oder theilweise leuchtend, und zwar setzt sich derselbe aus vielen kleinen Punkten zusammen. 1) A. pe QuaTRErAGEs, Mémoire sur la phosphorescence du port de Boulogne etc., in: Comptes rendus T. 31, 1850, p. 618. Studien über Protozoen. 179 Berücksichtigt man die Resultate, zu denen RADZISZEWSKI!) ge- langt ist, so wird es wahrscheinlich, dass das diffuse Licht der Körper- oberfläche von den kleinsten Fetttrépfchen des engmaschigen Plasma- netzes, welches sich überall direct unter der Cuticula vorfindet, aus- geht, während das aus einzelnen Punkten bestehende Licht den gröberen Fetttrépfchen des peripheren Sarcodenetzes seinen Ursprung verdankt. Die Frage, ob die Phosphorescenz der Noctiluca eine dem Willen des Thieres unterworfene Erscheinung ist oder nicht, ist bis jetzt wenig erörtert worden. Ich schliesse mich Poucxer?) an, welcher von dem Leuchten der Cilioflagellaten sagt: „c’est une simple propriété physicochimique qui paraît chez les êtres inférieurs indépendante des manifestations vitales réciproques des individus“, und halte demgemäss das Leuchten der Noctiluca für einen unwillkürlichen Act, der durch einen äusseren Reiz bedingt wird, und dem sich das Thier nicht zu entziehen vermag. Beobachtet man nämlich lebensfrische Noctiluken, die sich an einem völlig ruhigen Orte befinden, so constatirt man ein vollständiges Schwinden des Lichtes. Dass Spuren desselben ab und zu wiederkehren, liegt wohl daran, dass sich die an der Oberfläche des Wassers in dichter Schicht ansammelnden Noctiluken theils gegen- seitig beunruhigen, theils durch Entomostraken und andere kleine Thiere, deren Gegenwart sich nicht ausschliessen lässt, gereizt und dadurch zum Leuchten gebracht werden. Andererseits folgt die Er- scheinung ausnahmslos und sofort jeder intensiven Reizung, wie der Donner dem Blitze. Ob und inwiefern das wunderbare Phänomen, das seinen Ursprung dem Zusammenwirken von Tausenden und Abertausenden winziger Organismen verdankt — das Meerleuchten — von den jeweiligen Witterungsverhältnissen abhängt, ist meines Wissens noch wenig ge- prüft worden. Ich habe daher 1'/, Monate lang auf der Insel Bor- kum Wind und Wetter mit Rücksicht auf die grössere und geringere Intensität des Meerleuchtens controlirt und bin zu dem Resultat ge- kommen, dass nur der Wind und die Stärke des Wellenschlages einen nachweisbaren Einfluss auf das Zustandekommen jener schönen Er- scheinung ausüben. Damit das Phänomen sich in seiner ganzen Pracht 1) Br. Rapziszewsxr, Ueber die Phosphorescenz der organischen und organisirten Körper, in: Lızsıe’s Ann. d. Chemie, Bd. 203, 1880, p. 305. 2) G. Poucuer, Contribution à l’histoire des Cilioflagellés, in: Journ. Anat. Physiol, T. 19, 1883, p. 437. 12 * 180 Dr. L. PLATE, zeige, muss der Wind einige Tage anhaltend von der offenen See auf die Küste zu geweht haben. Trifft dieser Umstand mit einer mässig bewegten Meeresoberfläche zusammen, so kann der Besucher unserer Nordseeküste, der sehr oft vergeblich Abends an den Strand zieht, mit Sicherheit auf den ersehnten Genuss rechnen. In Folge des See- windes sammeln sich offenbar grosse Mengen von Noctiluken in un- mittelbarer Nähe der Küste, während die Thiere durch Landwind wie- der von derselben entfernt werden. Dass ein starker Wellenschlag das Schauspiel nicht zur vollen Schönheit heranreifen lässt, trotz der grösseren Reizung, welcher die Thiere dann ausgesetzt sind, erklärt sich leicht daraus, dass in diesem Falle die Noctiluken zu sehr unter die Oberfläche des Wassers gerissen werden, da ja jedes Wellentheil- chen eine Curve beschreibt und um so tiefer herabsteigt, je höher die Welle war. Für die weit verbreitete Ansicht, dass das Phänomen besonders in gewitterschwülen Nächten sich zeige, habe ich keine Be- weise gefunden. An mehreren Abenden war die Insel Borkum von allen Seiten von Gewittern umgeben, aber keine Spur von Meerleuchten war zu sehen, weil einige Zeit hindurch Landwind geherrscht hatte. Andererseits rief eine hohe electrische Spannung der Atmosphäre bei gleichzeitigem Seewind keine besondere Intensität der Erscheinung hervor. Diese Behauptung hat daher wohl nur deshalb Anklang ge- funden, weil an Gewitterabenden die See sich zu beruhigen pflegt und dadurch das Zustandekommen des Meerleuchtens begünstigt. VIII. Die Copulation und die Conjugation von Puramae- cium putrinum CL. et L. Durch ENGELMANN!) sind wir mit der in theoretischer Hinsicht sehr wichtigen Thatsache bekannt gemacht worden, dass bei Sty- lonychia mytilus, pustulata und histrio zweierlei verschiedene Conju- gationsprocesse vorkommen, welche er als Copulation und Conjugation s. str. unterscheidet. Die erstere besteht in einer totalen und dauern- den Verschmelzung der beiden Paarlinge, wobei die zwei in jedem normalen Thiere vorhandenen Kerne, ohne weitere Structurveränderungen zu erleiden, sich vereinigen. Aus den vier ursprünglichen Nuclei werden demnach zwei. Diese verwachsen darauf mit einander, um nach einiger Zeit wieder in zwei gesonderte Körper zu zerfallen. Die Nebenkerne 1) 1. c. p. 612 ££ Studien über Protozoen. 181 verhalten sich bei der Copulation ganz ähnlich wie die Hauptkerne. Auch sie verschmelzen mit einander. — Bei der eigentlichen Conjugation hingegen vereinigen sich beide Individuen nur mit ihrer vorderen Körperhälfte — zuweilen auch mit ihren Längsseiten — und bleiben für einige Zeit, etwa 24 Stunden, mit einander verbunden. Die Kerne und Nebenkerne durchlaufen während der Syzygie und nach Lösung derselben tiefgreifende, zu einer vollständigen Neubildung derselben führende Veränderungen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann. — Conjugation und Copulation sind zwei in morphologischer Hinsicht vollkommen von einander verschiedene Processe, von denen man daher auch annehmen darf, dass sie physiologisch differenten Zwecken dienen, und zwar wird man wohl nicht irregehen, wenn man die Aufgabe der Copulation darin erblickt, zwei Thiere mit all’ ihren individuellen Eigenthümlichkeiten zu einem einzigen Organismus zu vereinigen, wäh- rend die Conjugation eine Regeneration, eine Verjüngung der Kerne herbeizuführen sucht. Ein solcher Gegensatz zwischen einer Copulation und einer Conju- gation findet sich nun auch bei Paramaecium putrinum. Ich beobachtete eine Conjugationsepidemie im Juli 1887 und fand unter den Thieren derselben einige Paare — im Ganzen c. 12 bis 15 —, deren Individuen auf eine ungewöhnliche Weise verbunden waren. Die Thiere lagen nicht mit ihrer einen Längsseite aneinandergepresst, sondern hatten sich nur mit der hinteren Leibeshälfte im stumpfen Winkel vereinigt (Taf. V Fig. 52). Als hintere Körperhälfte fasse ich hierbei diejenige auf, in deren Bereich die Mundöffnung fällt, weil die Paramaecien in der Regel mit dem entgegengesetzten Körperende voran umherschwimmen. Beide Copulirenden verschmelzen vollständig und kehren sich dabei die Bauchseiten mit den Mundöffnungen zu. Auf den gegenüberliegenden Rückenflächen sieht man ausserdem die vier contractilen Vacuolen der beiden Paarlinge sich abwechselnd zusammenziehen und wieder aus- dehnen. Auf den jüngsten Stadien des ganzen Vorganges beträgt der von beiden Individuen gebildete Winkel ungefähr einen Rechten, und die Mundöffnungen liegen ziemlich weit von einander entfernt. All- mählich aber wird die Verschmelzung eine immer innigere, der Winkel stumpfer und stumpfer, bis schliesslich beide Paarlinge zu einem gerad- linigen Organismus verwachsen sind, dessen zwei Vestibula dicht neben einander stehen (Fig. 53). Von gewöhnlichen Individuen sind der- artige Thiere meist an ihrer etwas abweichenden Gestalt schon mit schwacher Vergrösserung zu unterscheiden. Sie pflegen in der Mitte des Bauches und des Rückens buckelartig aufgetrieben zu sein und 182 Dr. L. PLATE, zeichnen sich ausserdem durch besondere Grösse aus, da die Paarlinge nicht selten ausgewachsen sind. Leider sind die Copulationspaare sehr empfindlich, so dass ich sie nie länger als 24 Stunden in der feuchten Kammer am Leben erhalten konnte, ein Zeitraum, in dem die bis jetzt geschilderten Veränderungen durchlaufen wurden. Das weitere Schicksal der beiden Mundöffnungen und der pulsirenden Vacuolen bleibt aus diesem Grunde noch festzustellen; es schien mir, als ob erstere zu einer einzigen verwüchsen. — Die Kerne verhalten sich bei der Co- pulation sehr einfach; ohne sich irgendwie zu verändern, wandern sie einander entgegen und verschmelzen in der Mitte des gemeinschaft- lichen Körpers oder in deren Nähe durch Nebeneinanderlagerung zu einem einzigen Gebilde. Auch die Nebenkerne rücken auf einander zu, doch ist es mir nicht gelungen, ihre Vereinigung zu constatiren; trotzdem kann dieselbe kaum zweifelhaft sein, denn ich habe beide Paranuclei in unveränderter Gestalt öfters unmittelbar bei einander liegend gefunden. — Die Copulation ist bei Paramaecium putrinum eine seltene Erscheinung und wohl nur aus diesem Grunde bis dahin übersehen worden. Die von mir beobachteten Paare befanden sich sämmtlich zwischen vielen Hunderten von Thieren, die mit wenigen Ausnahmen eine Conjugationsperiode eben durchlaufen hatten oder in den letzten Stadien derselben standen. Als die Epidemie fast voll- ständig erloschen war, habe ich auch vergebens nach Copulationspaaren gesucht. Dies scheint auf einen Zusammenhang beider Vorgänge hin- zudeuten; doch können erst weitere Untersuchungen entscheiden, ob derselbe nicht bloss zufälliger Natur war und vielleicht bei anderen Epidemien fehlen wird. Die Conjugation von Paramaecium putrinum stimmt in allen wesentlichen Zügen mit der von Par. aurelia‘) überein, und da die zahlreichen Angaben, welche über den letzteren Vorgang von früheren Forschern gemacht worden sind, erst ganz kürzlich in vortrefflicher Weise durch GRUBER ?) zusammengestellt und erweitert worden sind, will ich mich hier auf die Besprechung einiger controverser und zweifel- hafter Punkte beschränken. 1) Diese beiden Arten stehen sich überhaupt sehr nahe. Nament- lich scheint das Fehlen resp. das Vorhandensein einer Trichocystenschicht keinen Speciesunterschied auszumachen, denn ich traf öfters — wie auch Bürscuzr — dieselbe bei Par. putrinum sehr deutlich ausgebildet, (Fig. 53). 2) A. GRUBER, Der Conjugationsprocess bei Paramaecium Aurelia. in; Ber. Nat,-forsch. Ges., Freiburg i, Br., Bd. II, Studien über Protozoen. 183 Zunächst sei hervorgehoben, dass eine Eigenthümlichkeit des Nebenkernes im normalen Zustande bis jetzt übersehen worden ist. Derselbe besitzt eine spindelförmige, ovale oder auch wohl runde Ge- stalt und im Verhältniss zum Kern ein viel geringeres Tinctionsver- mögen, eine Eigenschaft, die seine Derivate auch während eines grossen Theiles der Conjugation charakterisirt. Ausserdem weist der Neben- kern constant einen lichten, körnchenfreien Pol auf, der stets vollständig ungefärbt bleibt (Fig. 54). Derselbe macht den Eindruck, als ob ihm die Nebenkernsubstanz völlig fehle, und er nur von einer wasserklaren Flüssigkeit erfüllt sei. Eine derartige lichte Stelle habe ich schon früher von den Paranuclei der Spirochona gemmipara beschrieben und sie auch bei einigen andern, nicht näher bestimmten Infusorien wieder gefunden. Ihr scheint daher eine weitere Verbreitung zuzukommen, wenn es auch sicher ist, dass sie manchen Arten fehlt. Die von JICKELI!) vertretene Ansicht, dass der Nebenkern mit dem Hauptkern bei den Infusorien irgenwie verbunden sei, trifft für Par. putrinum und aurelia nicht zu. Er liegt frei in einer Nische des Nucleus oder neben ihm. Die conjugirenden Paramäcien vereinigen sich bekanntlich in schwach gekreuzter Stellung, und zwar so, dass die Verwachsungs- stelle etwas vor die Mundöffnungen der Paarlinge fällt. Man erkennt diese Verhältnisse am besten an Thieren, die im Begriff sind, sich wieder zu trennen (Fig. 55). Beide Individuen der eitirten Abbildung stehen durch einen kleinen Canal in offener Communication mit ein- ander. Die Mundöffnungen liegen ein wenig hinter dieser Verbindungs- brücke, und zwar die eine unter, die andere über derselben. Beide Paarlinge kehren dem Beschauer daher auch nicht die gleiche Körper- seite zu, sondern man erblickt die linke des einen und die rechte des andern. Es ist ein genaues Verständniss dieser Verhältnisse — die auch während der eigentlichen Syzygie die gleichen sind, nur dass dann die Thiere dichter aneinandergepresst sind — wesentlich , weil sich eine wichtige Phase der Conjugation an der Verwachsungsstelle abspielt. Ich meine das Stadium der gekreuzt über einander liegenden Nebenkernspindeln, das so manchen der früheren Beobachter zu der irrigen Vorstellung ?) eines gegenseitigen Austausches derselben ver- 1) C. Jıckerı, Ueber die Kernverhältnisse der Infusorien, in: Zoolog. Anzeiger, 1884. 2) Sie wird neuerdings noch yon E. Mavras (in: Comptes rendus Ac. Sc. Paris 1886, No. 26, Juni, p. 1569—73) aufrecht erhalten; doch 184 Dr. L. PLATE, leitet hat. Wie schon aus der citirten Abhandlung GRuBER’S hervor- geht, weiche ich von diesem Forscher nur in einem kleinen Punkte ab. Während er angiebt, dass die Nebenkernspindeln unter Annahme einer petschaftförmigen Gestalt mit einander vorübergehend ver- schmelzen, habe ich verschiedene Male beobachtet, dass dieselben, ohne ihre Form zu ändern, auf einander zurückten, sich kreuzten und nach einigen Stunden wieder auseinandergingen. Als ich jene Unter- suchungen an Param. aurelia anstellte, glaubte ich auch noch an einen Austausch der Spindeln und achtete, um diese Frage zu entscheiden, vornehmlich auf die Gestalt der gekreuzten Samenkapseln. Es kommt nun nicht selten vor, dass dieselben leicht von einander zu unter- scheiden sind, indem die eine etwas breiter oder in anderer Weise zugespitzt ist als die zweite (Fig. 56). Diese Unterschiede liessen sich nun auch noch deutlich nachweisen, als die Spindeln sich wieder von einander entfernt hatten, ein Umstand, der sich schwer mit der GruBer’schen Ansicht vereinigen lässt. Kann man doch kaum an- nehmen, dass an Spindeln, die einmal petschaftförmig geworden sind, später wieder dieselben kleinen individuellen Eigenthümlichkeiten der Gestalt auftreten, die ursprünglich vorhanden waren. Ohne übrigens deshalb GrRUBER’s Beobachtungen für unrichtig erklären zu wollen, glaube ich doch, dass eine solche Verschmelzung der Samen- kapseln nicht in allen Fällen eintritt. Bei der Untersuchung meiner Präparate von Par. putrinum bin ich zu denselben Resultaten gelangt. Auch hier fand ich die Spindeln nur über einander liegend, nicht ver- wachsen. An die soeben besprochene Phase des Conjugationsprocesses knüpft sich noch eine zweite Frage, die zur Zeit noch einer sicheren Beantwortung harrt. ENGELMANN hat jenen Vorgang bei Param. aurelia zu einer Zeit beobachtet, wo jeder Paarling nur eine Spindel besass. GRUBER findet in seltenen Fällen wohl auch Thiere, „bei welchen zwei lange, halbmondförmig gekrümmte, überaus umfangreiche Spindeln über einander gelagert waren, und sonst in keinem der Thiere ein Nebenkern sichtbar war.“ In der Regel soll die Annäherung aber auf dem Zweispindel-Stadium erfolgen. Ich traf sie bei Par. putrinum ungefähr gleich häufig bei Anwesenheit von 1, 2 oder 4 normal ge- bauten Spindeln in jedem Thier an. Besass jeder Paarling 2 Samen- gehe ich hier nicht auf dieselbe ein, weil die interessanten, aber vielfach von den bisherigen Anschauungen abweichenden Angaben des französi- schen Forschers noch nicht in ausführlicher Mittheilung vorliegen, Studien über Protozoen. 185 kapseln, so lagen die zwei freien zuweilen unmittelbar neben den ge- kreuzten, als ob sie die Thätigkeit derselben zu unterstützen suchten. Zukünftige Untersuchungen werden nun zu entscheiden haben, wie die angegebenen Beobachtungen zu erklären sind; ob das Stadium der Spindelkreuzung nur einmal in jeder Syzygie — und zwar bald vor, bald nach der ersten oder zweiten Theilung der Spindeln — auftritt, oder ob sich dieser Vorgang mehrere Male wiederholt. Eine genaue Aufklärung dieser Verhältnisse würde auch Licht auf die Bedeutung der Spindelkreuzung werfen. Bei mehrfacher Wiederkehr dieses Sta- diums wird es — vorausgesetzt, dass dasselbe stets sich gleich bleibt — unmöglich, einen Substanzaustausch zwischen beiden Spindeln im Sinne GRUBER’S anzunehmen, da für die Erreichung dieses Zweckes eine einmalige innige Berührung genügen würde. Gehen doch alle 8 (resp. 16) Spindeln der beiden Paarlinge aus den zwei primären Samenkapseln hervor, die schon einmal in Wechselwirkung zu einander getreten sind. In diesem Falle würde man den Nebenkernspindeln die Beeinflussung und Förderung eines energischen Plasmaaustausches zwischen beiden Conjugirenden zuzuschreiben haben, eine Ansicht, die sich schon jetzt durch eine Thatsache stützen lässt: das Plasma nimmt in der Umgebung der Vestibula eine ganz veränderte Beschaffenheit an (Fig. 56). Es bildet einen lichten körnerfreien Hof um jede Spindel, wodurch man bei einiger Uebung in den Stand gesetzt wird, schon bei schwacher Vergrösserung die auf diesem Stadium befindlichen Paare zu erkennen. Diese hellen Plasmapartien verschwinden wieder, wenn die Spindeln auseinandergerückt sind, ein Beweis, dass letztere in der That das Cytoplasma irgendwie beeinflussen. Von den durch BÜrscHLI, GRUBER und BALBIANI vertretenen An- sichten über die nach Lösung der Syzygie erfolgenden Umwandlungen des Nebenkernes weiche ich in einem wichtigen Punkte ab: der neue Paranucleus entsteht nach meinen Beobachtungen aus einem der Bruch- stücke des Hauptkernes und ist kein Derivat des ursprünglichen Neben- kernes. Ohne Zweifel kommt es manchmal in den Einzelthieren zur Bildung von 8 Nebenkernspindeln, von denen also möglicher Weise 4 zum neuen Hauptkern, die übrigen alle oder theilweise zum Neben- kern werden könnten. Ich glaube jedoch, dass in diesem Falle das betreffende Infusor sich theilt, und somit jedes Tochterthier 4 Spin- deln erhält, die zu den bekannten grossen, lichten, und mit einem deutlichen Nucleolus versehenen „Keimkugeln“!) werden. Färbt man 1) Ich behalte diesen Ausdruck bei, natürlich nicht im Sinne der 186 Dr. L. PLATE, nämlich mit Picrocarmin, zieht gehörig aus, so dass das Zellplasma ganz ungefärbt erscheint, und untersucht darauf in Wasser oder noch besser in Glycerin (nicht Canadabalsam oder Damarharz!), so unter- scheiden sich die Nebenkernderivate während der ersten Tage nach Lösung der Syzygie auffallend von den Hauptkernbruchstücken: wäh- rend diese sich intensiv tingiren, nehmen jene den Farbstoff gar nicht oder fast gar nicht auf. Viele hundert Präparate, die ich durch- musterte, zeigten nun stets neben zahlreichen Zerfallproducten des alten Kernes ausschliesslich 4 ungefärbte Keimkugeln, aber nie irgend welche Gebilde, die durch Färbung oder Structur sich von jenen zwei Gruppen von Körpern unterschieden, also eventuell ebenfalls Neben- kernderivate sein konnten. Auf diesem Stadium ist daher, wie ich überzeugt bin, der neue Nebenkern noch nicht in irgend welcher Form angelegt. — Jene 4 lichten Körper, die Eiern in der That so täuschend ähnlich sehen, dass man BALBıAnTs frühere Deutung wohl verzeihlich finden muss, wachsen nun zum Hauptkern heran, und zwar bald alle vier, bald nur zwei derselben, in welchem Falle die zwei anderen durch Theilung einem anderen Individuum zugeführt werden. Zu- weilen trifft man sogar in Folge einer nochmaligen Theilung nur eine Keimkugel an. — Hinsichtlich der feineren Structur der Keimkugeln gehen die Angaben der verschiedenen Forscher ziemlich auseinander. KÖLLIKER !) und BALBIANT finden in denselben einen centralen Körper, der nach ersterem bald homogen, bald mit einem Hohlraum versehen sein soll. Bürscari?) hält dies Gebilde für eine einfache Vacuole, und GRUBER hebt nur die granulirte Beschaffenheit der lichten Körper hervor. Ich bin sicher, dass die beiden erstgenannten Forscher der Wahrheit näher gekommen sind als die beiden letzteren. Jene vier Gebilde besitzen nämlich in der That einen nach Abtödtung mit Os- miumsäure sehr deutlichen centralen Kern von dichtem, homogenem Bau und schwach ölartigem Glanz (Fig. 65). Derselbe wird 1— 3 u gross und ist rund oder auch wohl länglich. In Canadabalsam wird er unsichtbar. Er wird umgeben von einer schmalen Zone sehr lichten und körnchenfreien Plasmas, auf die nach aussen die Hauptmasse der Keimkugel folgt. Sie macht ebenfalls einen homogenen, hellen Ein- druck, ist aber immer von mehr oder minder zahlreichen Körnchen Srern’schen Embryonentheorie, sondern wei! diese Kugeln die Keime des späteren Kernes sind. 1) Icones histiologicae, 1864, Heft I. 2) Bürscaus, 1. c. p. 92. Studien über Protozoen. 187 durchsetzt. Nach aussen liegt ihr eine Membran auf, die sich. häufig abhebt und dann sehr in die Augen fällt. Die ganze Keimkugel bleibt bei der angegebenen Behandlungsweise farblos, weil eben von Anfang an der Nebenkern sehr arm an Chromatin ist. Sie entwickelt sich in der Weise aus einer längsstreifigen Spindel, dass ihre Substanz dicht und homogen wird und zahlreiche, ziemlich grobe Körnchen abscheidet (Fig. 57). Diese scheinen später zu zerfallen und sich über die ganze Grundmasse zu vertheilen ; gleichzeitig wird das Gebilde rundlich. Wie sich auf diesem Stadium das centrale Korn anlegt, ist mir unklar ge- blieben. — Dasselbe bleibt häufig bis fast zum Schluss der Kern- regeneration erhalten und liefert dann den sichersten Beweis für die Entstehung des neuen Nucleus aus jenen lichten Keimkugeln (Fig. 58, 59). Sobald diese letzteren vollständig ausgebildet sind, fangen die Bruchstücke des alten Kernes an, eine eigenartige Veränderung zu erleiden. Sie verlieren ihr Chromatin, und zwar zunächst nur auf einer kleinen, meist im Centrum gelegenen Stelle, die gleichzeitig etwas grobkörniger wird. Ist dieser Process weiter fortgeschritten, so erhalten die Trümmer des alten Kernes ein sehr charakteristisches Aussehen, das auch schon Bürschtı'!) aufgefallen ist (Fig. 60): in- mitten eines stark tingirten Ringes liegt eine helle, körnige und un- gefärbte Substanz, die von der Aussenzone nicht selten auch besonders abgesetzt erscheint (Fig. 61). Bei anderen Thieren verschwindet das Chromatin zuerst an irgend einer peripherischen Stelle (Fig. 62). In allen Fällen werden die Bruchstücke des alten Kernes auf diese Weise zu untingirten, dichtkérnigen Körpern, die sich anfangs noch vom um- gebenden Plasma unterscheiden lassen, schliesslich aber ganz in dieses übergehen. In demselben Maasse nun, in dem das Chromatin die Trümmer des alten Kernes verlässt, fangen die Keimkugeln an, sich mehr und mehr zu färben, während sie gleichzeitig auch an Grösse zunehmen und körniger werden. Das Chromatin der Bruchstücke wird daher sehr wahrscheinlich im Cytoplasma gelöst und wandert in dieser für Farbstoffe nicht mehr besonders empfindlichen Form in die Keim- kugeln über. Dabei kommt es häufig vor, dass die Grundsubstanz der letzteren sich schon gut tingirt hat, während das centrale Korn noch ganz ungefärbt hindurchschimmert. Die Neubildung des Hauptkernes kann nun in verschiedener Weise erfolgen: 1) In der Regel verschwinden die Bruchstücke des alten Kernes 1) Börscaus, 1. c. Taf, VIII, Fig. 21—23, 188 Dr. L. PLATE, in der geschilderten Art bis auf einige wenige (2—10). Von diesen geht eins noch eines Theiles seines Chromatins verlustig, erhält einen hellen Pol und wird so zum Nebenkern. Alle übrigen verschmelzen mit den Körpern, welche aus den Keimkugeln hervorgegangen sind, und deren Anzahl je nach den eingetretenen Theilungen 4, 2 oder 1 beträgt (Fig. 63). 2) Nur wenige Bruchstücke des alten Kernes wandeln sich in Cytoplasma um; die meisten bleiben erhalten und verschmelzen un- verändert mit den lichten Körpern zum neuen Hauptkern. Diesen Modus habe ich nur einige wenige Male nachweisen können (Fig. 64). 3) Es verschwinden alle Bruchstücke bis auf einen, der zum Nebenkern wird. Der neue Nucleus entsteht ausschliesslich aus der Verwachsung der Keimkugeln (Fig. 59). Da in diesem Falle manch- mal auch der Paranucleus vor der Neubildung des Hauptkernes noch nicht vorhanden ist, so kann er dann nur durch Ablösung vom neuen Nucleus entstehen (Fig. 58). Wie man sieht, erfolgt die Neubildung des Hauptkernes im Prin- cipe stets gleich, nur die Anzahl der hierbei benutzten Bruchstücke des alten Kernes unterliegt erheblichen Schwankungen. IX. Schlussbetrachtungen über das Wesen der Copulation und der Conjugation. Aus den in der vorstehenden Abhandlung mitgetheilten Beobach- tungen lassen sich, bei möglichster Berücksichtigung aller übrigen bis jetzt über die Conjugation gesammelten Erfahrungen, einige theoretische Schlüsse ziehen, die im Folgenden besprochen werden sollen. Ich gebe ihnen die Gestalt von Thesen, um sie in eine präcise Form zu kleiden. I. Die bisher unter dem allgemeinen Namen der Conjugation bei den Protozoen bekannten Verschmelzungsprocesse zweier Individuen zerfallen in zwei scharf zu sondernde Vorgänge: 1) in die der Copulation, bei welcher die Zellkörper und die Kerne der beiden Paarlinge dauernd zu einem einzigen Organismus verwachsen, ohne dass ein Zerfall und eine Re- generation der Nuclei hierbei stattfindet. Sind Nebenkerne vorhanden, so vereinigen sich diese ebenfalls, ohne bemerkens- werthe Structurveränderungen zu durchlaufen. Studien über Protozoen. 189 2) indie der Conjugation s. str., bei welcher die Zellkörper der Paarlinge vorübergehend oder dauernd mit einander ver- schmelzen, während die Kerne in allen Fällen eine mehr oder minder complicirte Regeneration erfahren !). Der wesentliche Inhalt dieser These ist früher schon von ENGEL- MANN hervorgehoben worden. Jedoch hat sich dieser Forscher damit begnügt, auf das Vorkommen von zweierlei verschiedenen Conjugations- processen bei den Stylonychien hinzuweisen, ohne dieser Thatsache eine allgemeinere Verbreitung und eine tiefere Bedeutung zuzuerkennen. Ich glaube, dass wir gegenwärtig schon diesen weiteren Schritt thun dürfen, weil wir einmal Copulation und Conjugation neben einander noch bei einer zweiten, der eben genannten ziemlich fernstehenden Infusorienform kennen gelernt haben — was mit einiger Wahrschein- lichkeit für eine weitere Verbreitung der Copulation bei den Ciliaten spricht — und weil wir zweitens über die grossen morphologischen Verschiedenheiten der beiden Vorgänge augenblicklich viel besser unter- richtet sind, als es zur Zeit des Erscheinens der wichtigen ENGEL- MANN’schen Untersuchungen der Fall war. Die Ausdrücke Copulation und Conjugation findet man nicht selten in der Protozoenliteratur mit dem Unterschiede gebraucht, dass mit ersterer die dauernde, mit letz- terer die vorübergehende Verschmelzung zweier Individuen bezeichnet wird, gleichviel wie die Kerne sich hierbei verhalten. In diesem Sinne lässt sich aber unzweifelhaft eine scharfe Sonderung zwischen Copu- lation und Conjugation nicht vornehmen, da eine echte Kernregeneration sowohl im Zusammenhang mit einer dauernden Vereinigung (Vorti- cellinen) als einer vorübergehenden (die übrigen Ciliaten) angetroffen wird. Maassgebend für die Unterscheidung zweier Gruppen von Ver- schmelzungsprocessen der Protozoen kann daher nur das Verhalten der Kerne sein. Sobald die Nuclei der Paarlinge und, wenn sie vor- handen sind, auch die Nebenkerne einfach mit einander verwachsen, ohne dass erstere vorher zerfallen oder sich bemerkenswerth verändern, werden wir von Copulation reden. Läuft der ganze Vorgang dagegen darauf hinaus, den Kern zu regeneriren, d. h. ihn gänzlich oder theil- weise aus neuen Elementen aufzubauen, so haben wir es mit einer Con- jugation zu thun. 1) Aus practischen Griinden rede ich auch dann noch yon einer Conjugation, wenn die Schlussstadien dieser Regeneration an Einzelthie- ren, also nach Aufhebung der Syzygie, sich abspielen. 90 Dr. L. PLATE, Dass die beiden in Rede stehenden Processe in der That streng zu sondern sind, und dass man ihnen eine verschiedene physiologische Bedeutung zuschreiben muss, geht meines Erachtens aus ihrem gleich- zeitigen Vorkommen bei denselben Species hervor. Möglich wäre ja es auch, dass die Conjugation und die Copulation nur verschieden hoch entwickelte Stadien eines und desselben Vorganges seien; aber dann dürften sie nicht beide bei derselben Art anzutreffen sein und vor allem nicht in einer so total verschiedenen morphologischen Ausbildung. Allein das Verhalten der Nebenkerne, die in einem Falle ebenso wie die Hauptkerne sich vereinigen, im anderen dagegen auf complicirte Weise zum neuen Hauptkern heranwachsen, weist klar darauf hin, dass beide Vorgänge verschiedener Natur sind. Ist diese Anschauung richtig, so braucht die Conjugation eine Copulation nicht auszuschliessen, und in der That stammten die von mir beobachteten Copulationsfälle sämmt- lich aus kleinen Uhrschälchen, in denen eine intensive Conjugations- epidemie geherrscht hatte und noch herrschte. Ausserdem berichtet ENGELMANN: „einmal wurde Copulation von zwei mit grosser Placenta versehenen‘ — d. h. also noch in Conjugation stehenden — „Exem- plaren von Stylonychia pustulata beobachtet. Im Laufe einiger Stunden waren die Leiber beinahe und die Placenten vollständig ohne sonstige Veränderung zu einem einzigen Körper verschmolzen.“ Hierin liegt ein directer Beweis, dass die Conjugation und die Copulation ver- schiedene Aufgaben zu erfüllen haben. Wie könnten sonst zwei noch in jenem Processe stehende Individuen schon in diesen eintreten! Auch die verschiedene Verbreitung der uns hier interessirenden Verschmelzungserscheinungen spricht für eine verschiedene Natur der- selben. Die Copulation ist weit verbreitet und bei den verschieden- sten Abtheilungen der Protozoen nachgewiesen. Sie kehrt in der gleichen Form auch bei unendlich vielen niederen Pflanzen wieder. Wahre Conjugationsprocesse sind dagegen mit Sicherheit nur von den Infusorien, den Ciliaten und den Suctorien, bekannt. Diese nehmen offenbar eine Stufe hoher Differenzirung unter den Protozoen ein, und es ist daher wohl denkbar, dass sie im Zusammenhang mit dieser eigenartige Verjüngungsvorgänge erworben haben, für die es bei den übrigen Abtheilungen nichts Homologes giebt. II. Die Conjugation ist bei den Individuen einer und derselben In- fusorienspecies mehr oder minder erheblichen Schwankungen unter- worfen, ein Umstand, der auf ein verschieden intensives Rege- nerationsbedürfniss der betreffenden Thiere hinweist. Studien über Protozoen. 191 Die Richtigkeit dieses Satzes wird von keinem aufmerksamen Beobachter einer Conjugationsepidemie bezweifelt werden. Zunächst ist schon die Zahl der conjugirenden Individuen eine nicht ganz con- stante. Während als Regel nur 2 Thiere sich mit einander verbinden, kommt es auch vor, dass 3 oder sogar 4 derselben sich vereinigen. JICKELI hat zuerst 3 Paramäcien verschmolzen gesehen, und seine Angaben werden von GRUBER bestätigt. Ich selbst habe solche Dril- linge gar nicht so selten angetroffen, doch ist es mir leider aicht geglückt, über den weiteren Verlauf des Vorganges in diesem Falle etwas zu ermitteln. Zuweilen waren zwei Individuen in normaler Weise verbunden, und das dritte hatte sich dem hinteren Körperende eines derselben angefügt. In anderen Fällen waren alle 3 Thiere zu einander gleich angeordnet. Bei der Asellicola digitata kommen, wie oben angegeben wurde, Drillinge ebenfalls dann und wann vor. Bei Paramaecium putrinum fand ich einmal 2 normale Paare mit ihren vorderen Körperenden zusammenhängend, so dass also in diesem Falle 4 Individuen conjugirten. Bei Lagenophrys aselli und anderen Vorti- cellinen ist es ebenfalls sicher constatirt, dass bald eine Microgonidie, bald deren zwei mit einem grossen Paarling verschmelzen. Als ein weiterer Umstand, der den Verlauf der Conjugation bei den einzelnen Individuen variirt, ist die ungleich rasche Aufeinander- folge der Theilungen anzusehen. Erst neuerdings hat MAupas!) in einem interessanten kleinen Aufsatze gezeigt, wie sehr die Theilungs- fähigkeit der Infusorien von den jeweiligen Ernährungs- und Tempe- raturverhältnissen abhängig ist. Dies gilt in gleicher Weise für die normalen, wie für die in Conjugation stehenden Infusorien. GRUBER hebt hervor, dass je nach der Anzahl der vollzogenen Theilungen der neue Kern bei Par. aurelia aus 4, aus 2 oder aus einer Spindel auf- gebaut wird; dasselbe habe ich bei Par. putrinum beobachtet und Aehnliches für manche andere Infusorien in der Literatur angegeben gefunden. Wichtiger als die besprochenen Differenzen im Verlaufe der Con- jugation scheinen mir die folgenden zu sein, die sich vornehmlich an den Paramäcien deutlich übersehen lassen. Bei denselben zerfällt bekanntlich der Hauptkern in eine Anzahl runder Stücke, deren Be- 1) in: Comptes rend. Ac. Sc. Paris, T. 104, 1886, No. 14, p. 1006 bis 1008. 192 Dr. L. PLATE, stimmung es ist, ihr Chromatin an das Cytoplasma abzugeben und sich dann selbst in dieses zurückzuverwandeln. Offenbar vermag der alte Kern das Leben der Zelle nicht mehr in der richtigen Weise zu fördern, das harmonische Verhältniss zwischen ihm und dem Cyto- plasma ist gestört, seine Substanz, wie man wohl geradezu sagen kann, ganz oder theilweise verbraucht. Zweck der Conjugation ist es nun, dies Missverhältniss zwischen Nucleus und Cytoplasma wieder aufzu- heben und der Zelle wieder zu einem neuen lebenskräftigen Kern zu verhelfen. Die Paramäcien bedienen sich hierbei der Nebenkerne, in- dem in diese das Chromatin in demselben Maasse abgelagert wird, wie es aus den Bruchstückchen des alten Kernes schwindet. Die indivi- duellen Variationen, auf die es uns hier ankommt, äussern sich nun darin, dass bei manchen Thieren die Bruchstücke des alten Kernes sämmtlich sich in Cytoplasma zurückverwandeln, während bei anderen ein mehr oder minder beträchtlicher Theil derselben ‘erhalten bleibt und direct mit den Keimkörpern zum neuen Kern verwächst. Ich schliesse hieraus, dass die Regenerationsbedürftigkeit in den einzelnen Individuen verschieden gross ist; dass im ersteren Falle das gesammte Nucleoplasma eine innige Durchmischung mit dem Cytoplasma nöthig hat, während im letzteren ein Theil des Kernes noch brauchbar ist. Bei Lagenophrys aselli und Epistylis simulans liegen die Ver- hältnisse ebenso wie bei Paramaecium, und sie werden sich ohne Zweifel noch für viele andere Infusorien nachweisen lassen. II. Die Conjugation verläuft bei den verschiedenen Infusorienarten in mehr oder minder complicirter Weise. Man kann daher anneh- men, dass sie keine fest normirten Processe umfasst, sondern solche, die in einer langsamen Weiterentwicklung begriffen sind. Das Ziel dieser Entwicklungsrichtung scheint die Herbeiführung eines der Befruchtung ähnlichen Vorganges zu sein. Trotzdem ist nur die Copulation als ein der Befruchtung des Metazoeneies homologer Act zu bezeichnen. Die Conjugation ist hiervon mor- phologisch und physiologisch so verschieden, dass sie höchstens als eine Vorstufe der Sexualität angesehen werden darf. Die Art und Weise, in der sich der Conjugationsprocess bei den verschiedenen Infusorienspecies abspielt, ist eine so mannigfache und wechselvolle, dass die Frage wohl berechtigt ist: welche Stellung neh- men die einzelnen Modi zu einander ein? Erreicht hier die Natur auf verschiedenen Wegen dasselbe Ziel oder verfolgt sie, im Grunde Studien über Protozoen. 193 genommen, nur eine Bahn, deren einzelne Etappen dem mehr oder minder complicirten Verlaufe der Conjugation bei den verschiedenen Arten entsprechen? Ich glaube, nur die letztere Anschauung lässt sich aufrecht erhalten, denn bei aller Verschiedenartigkeit im Einzel- nen geht doch durch alle hierher gehörigen Erscheinungen ein gemein- samer Zug: die Bildung eines Kernes aus Elementen, die eben erst unter dem Einflusse des Zellplasmas herangewachsen sind. Die Man- nigfaltigkeit der Conjugationsprocesse kann demnach nur eine Folge ihrer ungleichen Differenzirung sein, und es verlohnt sich wohl der Mühe, diese näher ins Auge zu fassen. Für den einfachsten Modus einer Conjugation halte ich den des Dendrocometes paradoxus. Hier vereinigen sich zwei einander völlig gleiche Thiere vorübergehend durch einen kurzen Canal und tauschen vermittelst desselben Theile ihres Cytoplasmas gegenseitig aus. Gleich- zeitig wächst der Kern — Nebenkerne sind nicht vorhanden — zu einem langen Bande aus und zerfällt, nachdem der Verbindungsarm der Paarlinge wieder eingezogen worden ist. Auf späteren Stadien findet man in jedem Thiere eine besondere Kugel, die entweder ganz allein oder unter gleichzeitiger Verschmelzung mit einem Theil der Kernbruchstücke — dieser Punkt bedarf noch weiterer Aufklärung — zum neuen Nucleus heranwächst. Zwei Erscheinungen sind für diese Conjugation bezeichnend: 1) der wechselseitige Austausch von Cyto- plasma zwischen den Conjugirenden und 2) die Auflösung des ganzen Kernes oder wenigstens eines Theiles desselben im Zellplasma. Der Zerfall des Kernes in einzelne Stücke ist nicht von wesentlicher Be- deutung, denn mir sind auch Fälle vorgekommen, wo sich derselbe in toto auflüste. Berücksichtigen wir nun, dass die Conjugation beim Dendrocometes einfacher sich gestaltet als bei irgend einer anderen daraufhin untersuchten Infusorienart, so werden wir nicht anstehen, jene beiden charakteristischen Merkmale als die Fundamentalerschei- nungen der Conjugation überhaupt anzusehen. Mir ist auch aus der Literatur kein Fall bekannt, wo einer dieser beiden Processe mit Sicherheit ausgeschlossen wäre !), dagegen haben sie sich bei vielen 1) Für Param. bursaria giebt Bürscuzr (1. c. p. 78) an, dass sich der Nucleus während der Conjugation nicht verändert; nur soll seine Structur gleichmässig feinkörnig werden. Ich vermuthe, dass ausserdem die Tinctionsfähigkeit geringer werden wird, indem das Chromatin theil- weise in Lösung geht; dieser Punkt bedarf einer erneuten Untersuchung, Zool, Jahrb. III. Abth. f. Morph. 15 194 Dr. L. PLATE, genauer untersuchten Conjugationen nachweisen lassen. GRUBER hält es für fraglich, ob beim Dendrocometes „nicht doch kleinste Bestand- theile von Kernsubstanz mit ausgetauscht werden könnten“. Soweit es sich hierbei um geformte Theile des Kernes handelt, muss ich diese Frage verneinen, denn der Kernzerfall tritt erst nach Aufhebung des Verbindungscanales ein. Anders aber liegt die Sache rücksichtlich der Elemente, die sich im Plasma lösen, also vornehmlich des Chromatins, das aus dem Kernfaden langsam verschwindet. Doch entzieht sich das Schicksal dieser Bestandtheile der Beobachtung, und es ist daher nutzlos, dasselbe zu discutiren. Bei der im zweiten Capitel beschriebenen Asellicola digitata be- gegnen wir einer Conjugationsform, die sich als die zweite Stufe in der Entwicklungsreihe dieser Processe ansehen lässt. Die zwei für Dendrocometes charakteristischen Stadien des Plasmaaustausches und der Auflösung von Theilen des alten Kernes kehren hier in derselben Weise wieder. Zwischen sie aber fällt jene merkwürdige Periode, in der die Nuclei der beiden Paarlinge in der Mitte des Verbindungscanales, ohne ihre Structur zu verändern, dicht neben einander liegen und sich einen möglichst grossen Theil ihrer Oberfläche zukehren. Welche Be- deutung diesem Vorgange zukommt, ist sehr schwer zu sagen. Am nächstliegenden erscheint die Annahme, dass beide Kerne einen Theil ihrer Substanz austauschen, ähnlich wie es das sie umgebende Cyto- plasma thut, dass wir es also hier mit einer Art Befruchtung zu thun haben. Aber hiergegen sprechen zwei gewichtige Bedenken: 1) ist von einem solchen Austausch nichts zu sehen, und da die Kerne ihre Structur nicht ändern, wird die Existenz desselben sehr problematisch; und 2) wird es schwer verständlich, warum die Nuclei nach einer solchen Periode gegenseitiger Befruchtung noch einen Zerfall und eine echte Regeneration durchzumachen haben. Dass die letzteren Vor- gänge trotz jenes befruchtungsähnlichen Stadiums nöthig sind, beweist eben, dass dieses nicht so ohne Weiteres für identisch mit dem Co- pulationsacte der Protozoen oder der Befruchtung eines Metazoeneies durch einen Samenfaden erklärt werden kann. Vielleicht ist daher die Bedeutung desselben in einer ganz anderen Richtung zu suchen: die beiden Kerne rücken in die Mitte des Verbindungscanales, um den Nach einer jüngst erschienenen Mittheilung Gruser’s (Sexuelle Fortpflan- zung und Conjugation, in: „Humboldt“, Januar 1888) bleibt der Haupt- kern hier in der That ganz erhalten; seine Regeneration findet aber da- durch statt, dass ein Theil der Paranucleusderivate mit ihm verschmilzt. Studien über Protozoen. 195 hier stattfindenden Plasmaaustausch durch ihre unmittelbare Nähe energischer zu gestalten. Einem solchen Erklärungsversuche liegt die Anschauung zu Grunde, dass der Kern in vielen Fällen die ihn um- gebenden Plasmamassen nur auf eine bestimmte Entfernung hin direct beeinflussen kann, jenseits derselben aber nicht mehr oder nur in schwachem Maasse zu wirken vermag. Daher haben langgestreckte Protozoen fast immer einen ebenso geformten Nucleus, in welchem Falle man annehmen kann, jedes Kerntheilchen vermöge nur auf die ihm zunächst liegenden Plasmaportionen bestimmend einzuwirken. Bei anderen Protozoen wird aus demselben Grunde der Nucleus in viele Stücke zerfällt, das Thier also vielkernig. Für die beiden geschilderten Differenzirungsstufen der Conjugation weiss ich keine anderen Vertreter als die beiden genannten Acineten anzuführen, obwohl sicherlich der Vorgang bei anderen nebenkernlosen Formen ebenso oder ganz ähnlich verlaufen wird. Die grosse Menge der bis jetzt bekannten Conjugationsfälle vertheilt sich daher auf die folgenden Gruppen. Als dritte Stufe derselben möchte ich jene Processe ansehen, in denen bei vorübergehender Verschmelzung ein besonderer Nebenkern schon von vornherein vorhanden ist, mit der Bestimmung, während der Conjugation zum neuen Nucleus heranzuwachsen. Der Paranucleus ist also offenbar, wie dies zuerst BUTSCHLI in seiner grundlegenden Arbeit gezeigt hat, ein Ersatz- oder Reservegebilde, das nur mit Rück- sicht auf die Conjugation entstanden ist. Er stellt die Kernanlage für die nächste Lebensperiode des betreffenden Infusors dar, während bei den nebenkernlosen Formen die Anlage des neuen Kernes erst dann sichtbar wird, wenn der alte in Stücke zerfallen ist. In manchen Fällen lässt sich nachweisen, dass einige von diesen Bruchstücken zum neuen Nucleus heranwachsen. Diese würden also den Nebenkernen ent- sprechen. Eins steht jedenfalls fest, dass der Verlauf der Conjugation bei nebenkernlosen Arten und solchen mit Paranucleus nicht wesent- lich verschieden ist. Das bestuntersuchte Beispiel für die letzteren bieten die Paramäcien. Das bis jetzt nur von diesen bekannte Sta- dium der gekreuzt über einander liegenden Nebenkernspindeln ent- spricht offenbar dem Vorgange, der sich zwischen den Kernen der Asellicolen im Verbindungscanale abspielt. Die Schwierigkeiten, welche sich der Deutung desselben entgegenstellen, sind ähnlicher Art wie bei Asellicola. Doch will ich hier auf dieselben nicht eingehen, weil sie schon im vorigen Capitel besprochen worden sind. Weitere Unter- suchungen müssen ferner entscheiden, ob die Nebenkerne bei allen In- 137 196 Dr. L. PLATE, fusorien eine solche Periode gegenseitiger Annäherung durchmachen, oder ob dieselbe auch fehlen kann. Bei den bis jetzt betrachteten Conjugationen waren die sich ver- einigenden Individuen stets gleich gross und verschmolzen nur vorüber- gehend mit einander. Es fragt sich nun, welche Stellung wir der Conjugation der Vorticellinen einräumen wollen, bei welchen die Paarlinge mit wenigen Ausnahmen dauernd zu einem Thiere ver- wachsen. Hierin liegt eine unverkennbare Aehnlichkeit mit der Copu- lation: in beiden Fällen verschmelzen zwei Individuen zu einem ein- zigen Organismus, dessen Kern daher auch wohl 2 verschiedene Idioplasmen in sich birgt. Im übrigen aber verläuft die Conjugation - bei den Vorticellinen ebenso wie bei den anderen Infusorien. Der alte Kern zerfällt, seine Bruchstücke werden theilweise oder sämmtlich aufgelöst, und der neue Kern entsteht entweder aus einigen, besonders heranwachsenden Bruchstücken des alten, oder der Nebenkern über- nimmt, wo er vorhanden ist, die Rolle des letzteren. Diese vierte und höchste Differenzirungsstufe der Conjugation weist noch eine bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit auf: bei vielen Vorticellinen ver- schmelzen nicht gleich grosse Individuen, sondern es kommt zur Aus- bildung von sogenannten Micro- und Macrogonidien. Zu einer Zeit, wo es noch nicht feststand, dass das Wesen der Befruchtung in einer einfachen Vereinigung der Kerne bestehe, wie sie uns z. B. in der Copulation entgegentritt, durfte man gewiss hieraus den Schluss ziehen, welchen ENGELMANN im letzten Capitel seiner Arbeit aussprach: „die Vorticellinen sind für gewöhnlich geschlechtslos, werden aber zeitweise getrennt geschlechtlich: Gonochoristen.“ Gegenwärtig aber gilt es, sich nicht zu verhehlen, dass zwischen der Befruchtung eines Metazoeneies durch einen Samenfaden und der Verschmelzung einer Micro- und Macrogonidie doch erhebliche Unterschiede bestehen. Vor allem darf man nicht vergessen, dass der Zerfall eines Kernes und dessen theilweise Auflösung Vorgänge sind, die sich absolut nicht mit irgend einem Stadium des Befruchtungsactes der Metazoen vergleichen lassen, und dass es sich augenblicklich noch nicht entscheiden lässt, ob die Kernkugeln der Microgonidie sich direct an dem Aufbau des neuen Kernes der Macrogonidie betheiligen, oder ob sie nicht vielmehr im Cytoplasma der letzteren aufgelöst werden. Meiner Ansicht nach ist es nur erlaubt, die Copulationsvorgänge mit dem Befruchtungsact zu homologisiren, die Conjugation ist dagegen nur als eine Vorstufe der Sexualität anzusehen. Während Copulation und Befruchtung aus dem dem ganzen organischen Reiche innewohnenden Bedürfniss ent- Studien über Protozoen. 197 standen sind, die Eigenschaften zweier verschiedenen Individuen auf ein Thier zu vereinigen, ist die Conjugation der Infusorien eine Folge besonderer biologischer Verhältnisse, welche es nöthig machten, ver- brauchte Theile des Kernes periodisch auszuscheiden, und denselben neu zu kräftigen. Dabei haben die Conjugationsprocesse sich allmäh- lich so entwickelt, dass sie, ohne ihrer ursprünglichen Aufgabe untreu zu werden, eine gewisse Aehnlichkeit mit der Befruchtung gewonnen haben und vermuthlich den Vorticellinen auch schon einen Theil der durch diese erzielten Vortheile gewähren. Bei den Paramäcien und Stylonychien ist dieser Höhepunkt noch nicht erreicht, und deshalb finden wir neben der Conjugation eine echte Copulation. Bei dieser Auffassung der Conjugation ist es natürlich nicht aus- geschlossen, dass dieselbe schliesslich zu einem Stadium führt, das als ein direeter Uebergang von der Conjugation zur Copulation ange- sehen werden darf. Ich denke hier an die Spirochona gemmipara, deren Conjugation in mehr als einer Hinsicht bemerkenswerth ist. Zwei jugendliche Thiere, von denen jedes mit 3 Nebenkernen versehen ist, verschmelzen mit einander. Während das Cytoplasma des einen Paarlings durch einen breiten Canal in den Körper des anderen über- strömt, durchlaufen beide Kerne sehr merkwürdige, von einander ver- schiedene Veränderungen, die eine innige Durchmischung der ursprüng- lich getrennten chromatischen und achromatischen Substanz herbei- führen. Beide Kerne nehmen darauf wieder ihre ursprüngliche Gestalt an und verwachsen. Die Nebenkerne werden zu streifigen Spindeln, betheiligen sich aber nicht, wie man erwarten sollte, an dem Aufbau des neuen Kernes, sondern je zwei derselben vereinigen sich zu einem. Hier haben wir in der That einen Vorgang vor uns, der genau zwi- schen Conjugation und Copulation steht. Durch jene tumultuarischen Umwälzungen werden die Kerne regenerirt und copuliren sodann. Dabei ist es interessant, dass der geschlechtliche Gegensatz der Kerne schon vor ihrer Vereinigung in der Verschiedenartigkeit ihrer inneren Veränderungen zum Ausdruck kommt. Schliesslich möchte ich an dieser Stelle noch kurz auf die Aus- stossungserscheinungen zurückkommen, die ich im dritten Capitel von verschiedenen Lagenophryen geschildert habe. Etwas Aehnliches ist schon früher von JıckELı in dem oben citirten Aufsatze beschrieben worden. Nach ihm löst sich zuweilen bei Colpidium colpoda von dem mächtig angewachsenen Kern ein beträchtlicher Theil ab und zerfällt in viele Stücke, die nach einander am hinteren Ende des Thieres aus- 198 Dr. L. PLATE, gestossen werden. Gleichzeitig wird auch etwas Cytoplasma entfernt, indem sich eine Knospe bildet, die im Momente der Lostrennung sofort auseinandergeht. Ferner fand er, dass bei Chilodon cucullulus der Kern vor der Encystirung im Innern krümelig wird. Diese Brocken „zerstreuen sich entweder in das Protoplasma des Thieres, oder aber sie wandern in eine gleichzeitig entstandene Protoplasma- knospe ein und lösen sich mit dieser zugleich vom Organismus ab.“ JICKELI sieht in diesen Ausstossungen eine der Bildung der Richtungs- körper ähnliche Erscheinung. Ich glaube, man geht nicht fehl bei der Annahme, dass auf diese Weise abgenutzte Theile des Cyto- und Nucleoplasmas entfernt werden, dass es also Vorgänge sind, die in physiologischer Hinsicht eine entfernte Aehnlichkeit mit der Conju- gation haben. Marburg, 3. Juli 1837. Studien über Protozoen. 199 Erklärung der Abbildungen. In sämmtlichen Zeichnungen bedeutet: N == Hauptkern. br = Bruchstück des Hauptkernes. n — Nebenkern. c. v = contractile Vacuole. o == Mundöffnung. t == Tentakel. k = Keimkugel. ti == Tinctinkugel. G == starke Vergrösserung = 540/1. g == schwache 7 == 235/1. * == beliebige à Tafel IIL. Fig. 1—3. Acineloides greeffü n. sp. 1,2 = *, 3 = G. 4. Acinetoides zoolhamni n. sp. G. » 9—19. Asellicola digitata Sr. os G. en 69. * » 10—11. g. 19-13. * Ped 19 G: » 20—40. Lagenophrys aselli und aperta n. sp. G. » 20. Lagenophrys aselli n. sp. G. ul. ss aperta n. sp. G. » 23—26. * 200 Dr. L. PLATE, Studien über Protozoen. Tafel IV. Fig. 29, 30. * AR (ee IDD NDS. 054 30 0 AO „ 4l—45. Epistylis simulans n. sp. AL SEC: 742, AMAR „ 46. Aegyria oliva Cr. et L. „ 47, 48 Noctiluca mitiaris Sur. g. „ 49—51. Heliochona sessilis n. sp. G. Tate lv. „ 52—65. Paramaecium putrinum Cr. et L. 59 58. g. Copulation: „ 54. * Nebenkern in normalem Zustande. „ 55—65. Conjugation. » 62 G. alles Uebrige *. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, 12. 15. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. Von Dr. Ludwig Will, Assistenten am Zoologischen Institut zu Rostock. Hierzu Tafel VI—X. Literaturverzeichniss. Ayers, Howarp, On the development of Oecanthus niveus and its Parasite, Teleas. in: Mem. Boston. Soc. Nat. Hist. Vol. 3, No. VIII, Boston, Jan. 1884. BazgrANt, Mémoire sur la génération des Aphides, in: Ann. Sciences Natur. Zool. (Ser. 5), T. 11, 1869, T. 14, 1870, T. 15, 1872. Bazrour, Handbuch der vergl. Embryologie. Deutsch von Verrrr, Bd. 1, 1880. 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Wie dann ein Jahr später die Arbeit WirLaczır’s erschien, konnte ich sofort ersehen, dass dieselbe gerade in den wichtigsten Punkten verfehlt war. Wırraczır’s Fehler war, dass er die Hülfs- mittel unbenutzt liess, welche ihm die moderne Technik an die Hand gab; er verliess sich vollständig auf die Durchsichtigkeit des Objectes und unterliess es, gleichzeitig auch an Schnitten zu studiren. — Doch erst jetzt, nach vier Jahren, komme ich zur Veröfientlichung meiner Unter- suchungen, nachdem sowohl Text wie Tafeln einer gänzlichen Umar- beitung unterzogen sind. Bezüglich des Inhalts der Arbeit muss ich bemerken, dass ich auf die Entstehung der allgemeinen Körperform nur theilweise, auf die Umrollung des Embryos und auf die Ent- stehung der Mundwerkzeuge aber gar nicht eingehe, weil diese Punkte bereits bei WITLAczIL ihre völlige Erledigung gefunden haben. Ueber die angewandte Untersuchungsmethode habe ich nur noch zu bemerken, dass ich zur Tödtung heisses Wasser, das nahe vor dem Kochen war, als das beste Mittel erprobte. Da die Wirkung bei der Kleinheit des Objects eine fast momentane ist, werden selbst die feinsten Zellstructuren sehr schön erhalten. Zur Färbung wurde Pi- krokarmin, Boraxkarmin und Hämatoxylin benutzt. Als Untersuchungsobject diente mir in erster Linie Aphis pelar- gonw KALT.; ferner wurden berücksichtigt Aphis saliceti KALT. und Aphis rosae L. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 205 I. Kurze Uebersicht über die Entstehung des Blastoderms. Die ersten Stadien der Blattlausentwicklung bis zur Bildung des Blastoderms habe ich bereits vor vier Jahren beschrieben (48), sodass ich einfach auf jene Arbeit verweisen kann. Während bei den oviparen Aphiden das Ei wie bei allen übrigen Insecten zu einer völligen Reife gelangt, bevor es seinen Entwicklungs- lauf beginnt, kommen bei den viviparen Aphiden die Verhältnisse dadurch ganz anders zu liegen, dass bei ihnen die Embryonalentwick- lung im Interesse möglichst beschleunigter Nachkommenerzeugung be- reits früher anhebt. Dieser eine modificirte Factor erklärt alle Eigen- thümlichkeiten, welche die Entwicklung der viviparen Blattläuse von der der oviparen Generation unterscheidet. Das Ei der lebendig gebärenden Blattlaus wird bereits von dem Eintritt der Embryonal- entwicklung überrascht, wenn es eben angelegt ist, wenn sich eben die ersten Reifungserscheinungen in dem Auftreten kleiner Deutoplasma- trépfchen bemerkbar gemacht haben. Gegenüber den Angaben BürscaLzrs bestritt ich in der eitirten Abhandlung ebenso wie Brass (8) und Wrr- LACZIL (50) das Austreten von Richtungskörperchen und liess den Ei- kern in toto in den ersten Furchungskern übergehen. Neuerdings je- doch behauptet BLOCHMANN (4) in sehr positiver Weise das Vorhan- densein von Richtungskörperchen auch bei den viviparen Aphiden, so- dass ich auf Grund seiner Zeichnungen die Möglichkeit eines Irrthums auf meiner Seite gerne zugebe. Während sich der erste Furchungskern zur Theilung anschickt, nehmen die hellen Deutoplasmatrôpfchen im Innern des Eiplasmas an Zahl zu, ordnen sich aber in bestimmter Weise zur Eioberfläche so- wie zum Furchungskern an. Immer lassen sie das oberflächliche Proto- plasma vollständig frei, sodass die Peripherie des Kies stets von einer Schicht homogenen Protoplasmas eingenommen wird, die man mit WEISMANN als Rindenschicht bezeichnen kann, Nun kann entweder 206 Dr. LUDWIG WILL, der Furchungskern peripherisch oder im Centrum des Eies liegen. Im ersteren Falle ist er einer Verdickung der Plasmarinde eingelagert, und es wird dann das ganze Eiinnere von den hellen Dottertröpfchen eingenommen, die in einem zarten Protoplasmanetz suspendirt liegen, das unmittelbar mit dem Plasma der Rindenschicht zusammenhängt (Fig. 13 meiner unter 48 citirten Arbeit). Liegt aber der Furchungs- kern im Centrum des Eies, so lassen die Deutoplasmatröpfchen ausser der peripheren Plasmarinde auch eine den Kern umgebende Plasma- masse frei (Fig. 10 der früheren Arbeit), welche von grösserer oder geringerer Ausdehnung sein kann. Der Furchungskern theilt sich und ebenso der umgebende Plasma- hof. Aus den beiden neuen Kernen werden durch abermalige Theilung 4, 8 u. s. w. Eikernderivate, die, alle von Protoplasma umgeben, an die Peripherie rücken und sich der Plasmarinde einlagern. Auf diese Weise wird die Oberfläche des Eies mit einem Blastoderm um- geben, das vorläufig noch ein Syncytium darstellt, d. h. aus jener Plasmarinde mit den eingelagerten Eikernderivaten besteht. Erst später, während der Gastrulation, gliedert sich dieses Blastoderm in einzelne Zellen, deren Plasmaleib aber noch längere Zeit mit dem die Dottertrépfchen umspinnenden Plasmanetz zusammenhängt. Sonderbarer Weise macht Wrruaczın bei Besprechung meiner An- gaben über die Blastodermbildung p. 575 (50) die Bemerkung, dass er bei frischen Eiern nie eine hervortretende Protoplasmaschicht um die Kerne beobachtet habe, wie ich sie zeichne. Ich habe sie jedoch stets sowohl auf Schnitten wie an frischen Eiern sehr klar hervor- treten sehen. Da überdies das Vorhandensein eines Protoplasmahofes in der Umgebung der jungen Embryonalkerne eine weit verbreitete Erscheinung ist und bei den Insecten allgemein vorkommt, so hat dieser Widerspruch WırrLaczır’s wenig zu bedeuten und ist wohl nur seiner einseitigen Untersuchungsmethode zuzuschreiben, indem er es versäumte, seine am frischen Object angestellten Beobachtungen an Schnittpräparaten zu controliren. Uebrigens geräth der genannte Autor p. 567 seiner Abhandlung mit sich selbst in Widerspruch, indem er hier wie noch an andern Stellen angiebt, dass das Keimbläschen von einer geringen Protoplasmamenge umgeben ist. Damit scheint mir dieser Widerspruch von selbst hinfällig zu werden. In einem Punkte habe ich meinen Beobachtungen über die Blasto- dermbildung eine Ergänzung hinzuzufügen. Sie betrifft die Kernthei- lungsvorgänge während des Furchungsprocesses. Ich beschrieb und erläuterte durch Abbildungen, dass bei den Kerntheilungsvorgängen Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 207 sich sehr regelmässig eine Stäbchenfigur bilde, die den Moment kurz vor der Theilung andeute. Schon damals musste es mir nahe liegen, diese eigenthümliche Figur, die noch neuerdings von Ayers (1) in den Jungen Geschlechtsanlagen von Oecanthus niveus ohne die richtige Deutung beschrieben wurde, für den Durchschnitt der Kernplatte einer Spindelfigur zu halten. Allein der Umstand, dass ich nie zwei Kern- platten neben einander als den Ausdruck des auf die Spindel noth- wendig folgenden Tonnenstadiums fand, liess mich von einer solchen Deutung absehen und nöthigte mich, die Stäbchen für eine besondere Bildung zu halten. Ich bin jedoch zu anderer Ueberzeugung gekom- men, da meine bereits vor vier Jahren angefertigten Präparate sich im Lauf der Zeit so aufgehellt haben, dass ich diese feineren Struk- turverhältnisse mit bedeutend grösserer Deutlichkeit wahrnehmen konnte. Es gelang mir nicht nur, in den verschiedensten Entwick- lungsstadien Kerne mit zwei parallelen Kernplatten nachzuweisen, son- dern ich konnte sogar in manchen Fällen jene die Kernplatten verbin- denden Faserzüge erkennen (Fig. 1, 2), welche die Kernfigur mit Sicherheit als die bekannte Tonnenform characterisiren. Es ist daher unzweifelhaft, dass das einfache Stäbchen die Kernplatte einer Spindel- figur darstellt, deren nach beiden Seiten convergirende Kernfasern ich allerdings nicht wahrnehmen konnte. Da ich die Kernplatte der Spindel bereits am Furchungskern beobachtet habe (Fig. 13 meiner vorigen Arbeit) und sie ebenso wie die Tonnenform während der ganzen Embryonalentwicklung an sich theilenden Zellen constatiren konnte (Fig. 4, 16, 22) so folgt daraus, dass sich in der Entwicklung von Aphis sämmtliche Kerntheilungen auf dem Wege der Karyokinese vollziehen. II. Die Entstehung der Keimblätter und der Embryonalhüllen. 1. Die Gastrula. Während des Verlaufs der Blastodermbildung hat das Anfangs nahezu kuglige Ei allmählich eine länglich gestreckte (Fig. 3, 6, 7, 8), oft birnförmige (Fig. 4, 5) Gestalt angenommen, die während der weiteren Entwicklung mehr oder weniger erhalten bleibt. Wie ich bereits am Schlusse meiner oben citirten Abhandlung be- merkte, überzieht das Blastoderm nicht die ganze Oberfläche des Eies. Vielmehr verjüngt es sich, während es das ganze übrige Ei in ziem- 208 Dr. LUDWIG WILL, lich gleichmässiger Schicht überzieht, nach dem untern Eipol zu bald ganz allmählich (Fig. 3), bald ziemlich plötzlich (Fig. 5), um diese untere Partie des Eies ganz frei zu lassen. Am untern Eipol tritt demnach der in dem zarten Plasmanetz suspendirte Dotter direkt an die Oberfläche. Diese untere Oeffnung des Blastoderms, die in einigen Fällen schon an ganz jungen Stadien (Fig. 1 und 2) durch eine sehr geringe Dicke der Plasmarinde angedeutet wird, wurde bereits von METSCH- NIKOFF (37) beschrieben und abgebildet, obwohl er ihr eine besondere Bedeutung nicht beizulegen wusste. Ebenso beschrieb derselbe die Verjüngung des Blastoderms nach dem untern Eipol zu, glaubt aber irrthümlicher Weise, dass die von diesem Theil des Blastoderms um- gebene Partie des Eies für die fernere Entwicklung verloren gehe. Schon in meiner vorigen Arbeit wies ich an der Hand meiner Fig. 21, 22 auf diese Verhältnisse hin und machte gleichzeitig auf ihre grosse Bedeutung aufmerksam. Nichtsdestoweniger hat Wiriaczin dieselben völlig übersehen; derselbe lässt im Gegensatz zu METSCHNIKOFF und mir das Ei allseitig vom Blastoderm umschlossen werden. Die Sonderung des Blastoderms in einzelne distincte Zellen erfolgt zu verschiedener Zeit, meist während oder kurz nach der Gastrulation. In Fig. 4, wo die letztere relativ früh eingetreten ist, befindet sich das Blastoderm noch in einem ziemlich primitiven Zustand. Dasselbe besitzt erst wenige Kerne, die sämmtlich im Begriff sind, sich zu theilen, von Zellgrenzen ist noch keine Spur vorhanden. In Fig. 5 dagegen, in welcher gleichfalls die Bildung des Entoderms eben ihren An- fang genommen hat, ist das Blastoderm schon zu viel höherer Ent- wicklung gediehen; dasselbe enthält bereits eine viel grössere Anzahl von Kernen, und es sind ausserdem zwischen diesen schon Zellgrenzen aufgetreten, von denen nur der verjüngte Blastodermtheil frei bleibt. Man kann jetzt also bereits von Cylinderzellen reden, die nur nach dem von ihnen umschlossenen Dotter zu noch des Abschlusses ent- behren, indem sie nach dieser Seite hin nach wie vor mittelst ihres Plasmaleibes mit dem protoplasmatischen Netzwerk des Eiinnern in directer Verbindung stehen. Erst später wird diese Abgrenzung der ‘ Blastodermelemente nach dem Dotter hin erreicht; so z. B. ist sie in Fig. 9 eingetreten, einem Stadium, in dem der Process der Entoderm- bildung bereits seinen vollständigen Abschluss erreicht hat. Wie grossen Schwankungen das Auftreten der Zellgrenzen der Zeit nach unterliegt, lehren am besten die Fig. 6, 7, besonders aber die Fig. 8, sämmtlich Stadien, in denen die Entodermbildung bedeutend mehr Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 209 vorgerückt ist als in Fig. 5, uud die trotzdem von einem Zer- fall des Blastoderms in einzelne Zellen noch keine Spur erkennen lassen. Der Process der Entodermbildung selbst verläuft bei un- seren Aphiden in einer Weise, die im Stande ist, das richtige Ver- ständniss der Insectenentwicklung wesentlich zu erhöhen. Die untere weite Oeffnung des Blastoderms stellt einen Blasto- porus, ein ächtes Prostoma (PBlp in Fig. 4—8) dar, dessen Ränder, die verjüngten nicht in einzelne Zellen zerfallenen Blastodermtheile, das Entoderm liefern. In der sehr instructiven Fig. 5 sehen wir in den erwähnten verjüngten Rändern des Blastoporus zahlreiche Kern- spindeln angehörende Kernplatten, die auf eine rege Kernvermehrung in diesem Blastodermtheil hinweisen. Ausserdem ist ein Kern sammt einer ihn umhüllenden zarten Protoplasmaschicht im Begriff, sich vom Blastoporusrande abzulösen, was bei einem andern benachbarten be- reits geschehen ist, um dann nach erfolgter Ablösung in die oberen Partieen des Dotters aufzusteigen, woselbst wir schon auf dem be- treffenden Schnitt vier andere gelegen sehen. In Fig. 4 ist die Gastru- lation schon auf einem früheren Zeitpunkt eingetreten. Das Syncytium des Blastoporusrandes zeigt eine Reihe von protoplasmatischen Her- vorragungen, in welche relativ grosse Kerne eingetreten sind, welche ge- nau den Kernen jener Entodermzellen gleichen, die bereits in den Dotter eingewandert sind. In lebhafterem Schwunge finden wir die Entodermbildung in den Figuren 6, 7 u. 8, welche sämmtlich etwas ältere Stadien darstellen. Hier haben sich ziemlich gleichzeitig so zahlreiche Entodermzellen losgelöst, dass sie, namentlich in Fig 8, den Blastoporus zeitweilig fast verstopfen, welch letzterer erst wieder frei wird, nachdem die jungen Entodermelemente weiter in das Innere des Eies vorgedrungen sind. Ihren Abschluss hat die Bildung von Entodermzellen in der Fig. 9 erfahren, einer Figur, die noch andere erst später zu berück- sichtigende Eigenthümlichkeiten aufweist. Hier hat sich auch schon - der Blastoporusrand in distincte Zellen gegliedert, ein Zeichen, dass sich von ihm keine weiteren Zellen ablösen werden. Die entstandenen Zellen des Entoderms aber haben hier ausnahmsweise eine oberfläch- liche Lage im Dotter angenommen, so dass sie direct unter dem Blasto- derm zu liegen kommen. Ueber die histologische Natur des Entoderms kann kein Zweifel sein. Jede einzelne Entodermzelle besteht aus einem runden Kern nebst Kernkörperchen und einem ziemlich schmächtigen Protoplasma- 210 Dr. LUDWIG WILL, leib, der nur ausnahmsweise (Fig. 9, 14, 15 En) eine ansehnlichere Grösse erreicht. Wenn sie daher durch ihre Zusammensetzung aus Kern- und Protoplasmaleib eine zellige Natur documentiren, so bedarf es doch trotzdem noch einer Verständigung, bevor wir sie kurzweg als Zellen, als Entodermzellen, bezeichnen. Wir müssen uns nämlich darüber im Klaren sein, dass sie nicht Zellen in dem Sinne sind wie die Cylinderzellen des Blastoderms, da sie nicht wie diese allseitig umgrenzt sind. Vielmehr stehen sie durch ihre Ausläufer mit einander in Verbindung und stellen so in ihrer Gesammtheit le- diglich ein Syncytium dar, ein Syncytium jedoch, dessen Grundsub- stanz nicht von einer gleichmässigen Masse, sondern von einem feinen protoplasmatischen Netzwerk gebildet wird, das mit seinen Maschen die Tröpfchen des hellen Dotters umschliesst. Von diesem Gesichts- punkte aus betrachtet, stellen unsere Entodermzellen nur knotige Verdickungen mit eingelagerten Kernen dar, welche sich an solchen Stellen finden, wo mehrere Fäden des Netzwerks zusammenlaufen. Indem ich diese wahre Beschaffenheit des Entoderms strenge im Auge behalten werde, begehe ich keinen Fehler, wenn ich, um bei der Be- schreibung einen kurzen Ausdruck zu gewinnen, die einzelnen Ento- dermelemente kurzweg als Zellen bezeichne. In dem eben besprochenen Entwicklungsstadium haben wir eine echte Gastrula vor uns, ein Stadium, das man in so typischer Gestalt bisher vergeblich bei den Insecten gesucht hat und wohl am werigsten bei den Blattläusen erwartet hätte. Wir werden sehen, dass die Auffassung der basalen Oeffnung als Blastoporus durchaus in keinem Widerspruch mit jener Ansicht steht, welche die Mesoderm- furche der Insecten als Prostomialnaht aufzufassen gewohnt ist, son- dern dass im Gegentheil beide Ansichten im besten Einklange mit einander stehen. In Folge der Gastrulation ist eine Sonderung in zwei verschie- dene Keimblätter eingetreten, von denen das oberflächlich gelegene Blastoderm das Ectoderm, die inneren vom Prostomarande ent- sprungenen Zellen das Entoderm darstellen. Die Form der Aphiden-Gastrula steht ihrer ganzen Entstehung nach der embolischen Gastrula am nächsten. Sie unterscheidet sich von ihr nur dadurch, dass hier keine continuirliche Zellschicht als Archenteron eingestülpt wird, sondern der Invaginationsprocess die Gestalt der Einwanderung von einzelnen Entodermzellen vom Rande her annimmt, Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 211 Sehr häufig trifft man in Eiern mit noch unfertigem Blastoderm noch kurz vor der Gastrulation Zellen im Innern des Dotters, die sich im Ganzen nicht deutlich von den künftigen Entodermzellen un- terscheiden lassen (Fig. 3), die jedoch mit diesen in keiner Beziehung stehen. Es sind dies einfach Blastodermelemente, die noch nicht an die Oberfläche des Eies gerückt sind, das Versäumte aber, nach zahl- reichen Bildern zu urtheilen, noch nachholen. So gewahrt man in Fig. 3, einem Stadium kurz vor der Gastrulation, im Innern des Dotters eine solche verspätete Blastodermzelle; rechts im Bilde aber bemerken wir zwei andere, die eben erst in das Blastoderm eingetreten sind, allein noch zum grössten Theil in den Dotter hineinragen, um erst allmählich ganz vom Blastoderm aufgenommen zu werden. Möglich bleibt es ja immerhin, dass einige Blastodermzellen wirk- lich im Dotter zurück bleiben und dann mit zur Bildung des Ento- derms verwandt werden, obwohl ich es für unwahrscheinlich halte. An der Auffassung dieser Embryonalform als Gastrula könnte natür- lich ein derartiges Vorkomniss in keiner Weise etwas ändern; es würde dadurch lediglich der Character als embolische Gastrula eine Trübung erfahren. Wie schon erwähnt, ist WırLaczıL (50) die Gastrula der Aphiden gänzlich unbekannt geblieben. Er hat sowohl den Blastoporus wie die Zellbildungen an den Rändern derselben übersehen und kommt in Folge dessen zu der Auffassung, dass bei den Aphiden die Bildung des Entoderms auf gleiche Weise wie nach Boprerzky (5) bei den Lepidopteren vor sich gehe, indem einzelne Blastodermzellen im Dotter zurückbleiben und direct zum Entoderm werden. Brass (8) allein hat dieses Stadium als eine Gastrula erkannt und sie in seinen Figuren 16, 17 und 20 abgebildet. Wie dieser Autor aber bei der Untersuchung der früheren Furchungsstadien offen- bar künstlich deformirte Eier vor sich gehabt hat, so war er auch bei der Beschreibung der Gastrulation vom Missgeschick verfolgt. Er hat nämlich Embryonen vor sich gehabt, wie meine Fig. 10, 11, 12 sie abbilden, Embryonen, bei denen die später zu beschreibende ganz regelmässig auftretende Verschmelzung des hintern Eipols mit dem Follikelepithel abnormer Weise nicht eingetreten ist und daher auch die Entwicklung einen von der gewöhnlichen abweichenden Verlauf genommen hat, trotzdem der Gastrulacharacter gewahrt geblieben ist. Wenn er über die Entstehung dieser Gastrula, die er als ,,Amphi- gastrula“ bezeichnet, vollkommen irrthümliche Ansichten hat, so ist 212 Dr. LUDWIG WILL, das eine logische Folge seiner bereits in meiner vorigen Arbeit zu- rückgewiesenen Angaben über den Furchungsprocess. 2. Anlage von Scheitelplatte und Serosa, Auftreten der bilateralen Symmetrie. Die ersten Veränderungen, die man für gewöhnlich an der wach- senden Gastrula wahrnimmt, bestehen in einer Verdickung des Blasto- derms am Scheitelpol, die uns sehr gut durch die Fig. 9 veranschau- licht wird. Wir können diese Ectodermverdickung mit Fug und Recht als Scheitelplatte bezeichnen, da sie der Scheitelplatte der Würmer vollkommen homolog ist und hier wie dort aus ihr dieselben Bildungen hervorgehen, nämlich ausser einem Theil der Hypodermis des Kopfes vor allen Dingen das Hirn und die Augen. Eine andere Veränderung besteht in dem allmählichen Hervor- treten der bilateralen Symmetrie, welche sich bald nach Ent- stehung des Entoderms bemerkbar zu machen beginnt. Noch in der Fig. 9 hat der Embryo einen ausgesprochenen strahligen Bau. Der Scheitelpol seiner Hauptachse wird von der Scheitelplatte, der Gegen- pol vom Prostoma eingenommen, und alle Ebenen, welche man durch die Hauptachse legt, zerlegen das Embryo in congruente Hälften. Der Uebergang zur bilateralen Symmetrie hat nun zweierlei Ursachen, erstens Lageverschiebungen innerhalb des äusseren Keimblattes und zweitens das Auftreten einer neuen Bildung, der Bauchplatte. Sehr bald nach Anlage der Scheitelplatte bemerkt man ein un- gleiches Wachsthum in den verschiedenen Theilen des Blastoderms, was zunächst eine Verschiebung der Scheitelplatte zur Folge hat. Diese, bisher genau am oberen Pol gelegen, verlässt denselben und rückt, Anfangs nur ein wenig (Fig. 15, 16, 21, 22), auf die Seite und zwar in den Zeichnungen stets nach rechts. (Da meine Figuren alle in gleicher Weise orientirt sind, kann ich zur leichteren Verständigung die Ausdrücke rechts und enka gebrauchen). Bald aber wird diese Lageverschiebung noch auffallender (Fig. 17, 18) und gleichzeitig bemerken wir, dass die cerebrale Blasto- dermhälfte, d. h. diejenige, welche an ihrem oberen Ende die Schei- telplatte trägt und aus der später der präorale Abschnitt des Kopfes hervorgeht, beträchtlich an Dicke zunimmt. Das ist vor allem in demjenigen Theil der Fall, welcher der Scheitelplatte ent- spricht; hier werden die Zellen palissadenförmig unter gleichzeitiger entsprechender Verjüngung der anderen Hälfte des Blastoderms, welche Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 213 wir als die seröse bezeichnen können, da sie später zur äusseren Embryonalhülle, zur Serosa wird. So ist denn in Fig. 19 die cere- brale Blastodermhälfte zu einer ausserordentlich mächtigen Zellschicht geworden, welche am Scheitelpol ganz plötzlich, ohne jeden Uebergang in den zu einer dünnen Haut gewordenen serösen Theil des Blasto- derms übergeht. Doch auch in dieser seitlichen Lage findet die Scheitelplatte noch nicht ihre Ruhe, sondern sie rückt unter auftal- lender gleichzeitiger Verkürzung und zunehmender Dicke nunmehr weiter nach unten (Fig. 24, 25, 26, 27), bis sie in Fig. 28, 29 ff. ihre definitive Lage am untern Eipol erreicht hat. Selbstverständlich muss diese Lageverschiebung andre im Gefolge haben, von denen jedoch an dieser Stelle nur der Veränderungen im serösen Theil des Blastoderms gedacht werden soll. Dieser, welcher in Fig. 19 nur vom untern Eipol bis an den Scheitelpol reichte, wird durch das Abwärtsrücken der Scheitelplatte immer mehr zu einer dünnen Haut ausgezogen und nimmt einen immer grösseren Theil der Eioberfläche ein, wie man an den Figuren 24—27 verfolgen kann. (Auf die folgenden Figuren verweise ich hier deshalb noch nicht, weil in diesen weitere Complicationen eingetreten sind, die erst später be- sprochen werden können). Die verdünnte Blastodermhälfte verliert in Folge dieser Vorgänge ihren blastodermalen Character vollständig und geht damit für den Aufbau des Embryos gewissermaassen verloren. Ihre einzige Function kann darin gesehen werden, dass sie dem Em- bryo als schützende Hülle dient; wir betrachten sie in Folge dessen nunmehr als äussere Embryonalhülle und bezeichnen sie nach Analogie der entsprechenden Bildung bei den Vertebraten als Serosa. In Folge dieser Lageverschiebungen hört der Embryo auf, durch beliebige durch die Scheitelachse gelegte Ebenen in congruente Hälften getheilt zu werden. Es giebt jetzt nur noch eine Ebene, die Median- ebene, welche den Embryo nicht mehr in congruente, sondern nur noch in symmetrische Hälften zerlegt. Diese Medianebene ist genau fest- gelegt einerseits durch die Scheitelachse, andererseits durch die Mitte der Scheitelplatte. Noch mehr wird die bilaterale Symmetrie ausgebildet durch eine auf der Innenseite der Scheitelplatte auftretende Längsfurche (Fig. 36), welche dieselbe in zwei mächtige Scheitellappen theilt, die bereits die Anlagen der beiden spätern Hirnhälften darstellen. 214 Dr. LUDWIG WILL, 3. Anlage von Bauchplatte und Amnion, Auftreten der Genitalanlage und des Mesoderms. Im Verfolg der Verschiebung der Scheitelplatte sind wir der übrigen Entwicklung bedeutend vorangeeilt und müssen daher wieder auf ein Stadium zurückgreifen, in dem die Entodermbildung eben ihren Abschluss erreicht hat. Die erste Veränderung, die uns nach der Ablösung der Entodermzellen am basalen Pol entgegentritt, besteht in einer hier stattfindenden Verschmelzung des Eies mit dem Follikelepithel (Fig. 9) einer Erscheinung, die mit der Bildung des dunklen Dotters in Be- ziehung steht und für die hier zu beschreibenden Vorgänge vorläufig nicht in Betracht kommt. Alsbald nach der Anheftung des Eies beginnen die Zellen des Blastoporusrandes auf's Neue lebhaft zu wuchern; doch lösen sich jetzt die neugebildeten Zellen nicht mehr ab, sondern bilden eine ring- förmige Verdickung der Lippen des Blastoporus (Fig. 14), welche die erste Anlage des Keimstreifens darstellt. Dieser Ringwulst bringt bereits einen Theil des Prostomas zum Verschluss, wie es das Schema Fig. 52a und auch Fig. 14 zeigt, in der Blp die ehemalige Aus- dehnung des Blastoporus angiebt. Der vom Epithel her durch den Blastoporus eindringende Strom secundären Dotters hindert nun aber den vollständigen Verschluss des Gastrulamundes und in Folge dessen auch das Zustandekommen einer über dem Blastoporus gelegenen Keimscheibe. Vielmehr sind die verdickten Lippen des letzteren, welche die ersten Anfänge einer Keimscheibenbildung darstellen, bei ihrem weiteren Wachsthum genöthigt, sich in den Dotter einzustülpen (Fig. 52b, Fig. 14). Diese Einstülpung (Fig. 14, 15 u. s. f.) hat die Form eines Hohlcylinders, der unten und oben offen ist. Das ehe- malige Prostomialfeld; (Bip!, Fig. 52 a) wird in Folge dieser Invagination ausserordentlich in die Länge gezogen, wie durch die punktirte Linie des Schemas (Fig. 52 b) angedeutet ist. Die obere Oeffnung dieses K ei m- cylinders ist nichts andres als der hoch in den Dotter empor- gehobene, noch offne Theil des Blastoporus, während wir die untere Oefinung als Invaginationsporus bezeichnen können. Im Umkreis dieser letztern geht der Cylinder allmählich in das Blastoderm über. Ebenso wie das Blastoderm zeigt nun auch der eingestülpte Keim- cylinder eine ungleiche Dicke seiner Wandungen, und zwar ist von Anfang an die dem serösen Theil des Blastoderms anliegende Seite Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 915 die dünnere. Wie ich schon hier erwähnen will, wird diese Hälfte des Keimeylinders zur Bildung der inneren Embryonalhülle, des Amnions, verwandt, sodass nur die verdickte Cylinderwand zur Bildung der Bauchplatte übrig bleibt (Fig. 14 u. ff... Von untergeordneter Bedeutung ist der Umstand, dass in den meisten Fällen die dünnere Hälfte auch niedriger als die gegenüberliegende Seite ist (Fig. 15, 16 u. a.), ein Verhalten, das in der Fig. 14 allerdings noch nicht zum Ausdruck gekommen ist. Dafür zeigt aber diese Figur eine Be- sonderheit, die ich sonst nur noch in wenigen Fällen beobachtet habe ; sie besteht darin, dass sich noch von dem in den Dotter empor- gehobenen Rande des Blastoporus einige wahrscheinlich verspätete Entodermzellen loslösen, um in den Dotter aufzusteigen. Eine bestimmte Anordnung der Zellen ist auf den ersten Stadien der Invagination (Fig. 14) noch nicht vorhanden, wie überhaupt in den wenigsten Fällen zu dieser Zeit etwas von Zellgrenzen zu bemerken ist. Bald aber sieht man die obersten Zellen der verdickten Cylinder- seite sich in besonderer Weise differenziren; sie wachsen sehr schnell zu ansehnlicher Grösse heran (Fig. 15), nehmen polyedrische Gestalt an und zeichnen sich durch eine geringere Tinctionsfähigkeit ihres Plasmaleibes sowie eine andre Beschaffenheit des Kernes aus. Durch rege Theilung vermehren sie sich sehr lebhaft (Fig. 16) und stellen bald einen rundlichen Zellenhaufen, die Geschlechtsanlage, dar, welche in dieser Gestalt während der nächsten Entwicklungsstadien verharrt. — Die Geschlechtszellen liegen auf der Grenze zwischen dem Ento- derm, dem Ectoderm der Bauchplatte und dem gleich sich bildenden Mesoderm. Ueber ihre Zugehörigkeit zu einem der drei Keimblätter lässt sich streiten; mir genügt es vollkommen, zu constatiren, dass wir in ihnen indifferente Gebilde vor uns haben, die gerade dort ent- stehen, wo die drei Keimblätter an einander stossen. Querschnitte durch diese Stadien bestätigen nur, was wir an den medianen Längsschnitten bereits gesehen haben. Von den Querschnitten Fig. 13a und b, die einem Embryo auf dem Stadium der Fig. 15 entnommen sind, ist der erste durch den untern, der andere durch den oberen Theil der Einstülpung geführt. Beide zeigen, dass das Lumen des Cylinders auf dem Querschnitt wirklich Kreisförmig, und dass die rechtsseitige Cylinderwand bedeutend verdickt ist. Weiter zeigen sie, dass von der späteren epithelartigen Anordnung der Ektodermzellen noch keine Spur vorhanden ist. In der Fig. 13a vermissen wir links 216 Dr. LUDWIG WILL, die Wandung des Cylinders, die naturgemässe Folge davon, dass die — verdickte Cylinderwand die gegenüberliegende beträchtlich überragt. In Fig. 17 ist der Entwicklungsprocess in ein weiteres Stadium gerückt. Die Einstülpung ist höher geworden, ausserdem aber haben sich ihre Zellen in Form eines Cylinderzellenepithels angeordnet, das deswegen auf dem Längsschnitt nicht ganz klar zur Anschauung ge- kommen ist, weil gleichzeitig die Mesodermbildung schon eingetreten ist. Das Auftreten des Mesoderms wird durch die Figuren 19 und 20 illustrirt, welche letzteren einer anderen Species, Aphis saliceti KArr., entnommen sind. Alle diese Längsschnitte zeigen uns, dass die Bauchplatte in Folge des Auftretens eines dritten Keimblatts mehr- schichtig geworden ist. Das Ectoderm der Bauchplatte besteht aus einer einfachen Schicht hoher Cylinderzellen, über welcher die neu- gebildete Zellenmasse des Mesoderms gelegen ist, das in Fig. 19 erst in seinen oberen Theilen deutliche Zellgrenzen aufweist. An die Me- sodermzellen schliessen sich nach oben die Zellen der Genitalanlage, deren Elemente denen des Mesoderms ausserordentlich an Gestalt gleichen, von denen sie sich jedoch deutlich durch ein weit heller ge- färbtes Protoplasma unterscheiden. Die Figuren 18 und 19 ergeben ferner, dass diejenige Hälfte des Keimcylinders, welche zum Amnion wird, von der Mesodermbildung vollkommen frei bleibt. Ein ent- sprechend anderes Bild bietet natürlich die Figur 20, welche zwar ebenfalls einen Längsschnitt durch dasselbe Stadium darstellt, der aber nicht median, sondern senkrecht zur Medianebene geführt ist. Hier ist nichts von der Scheitelplatte zu sehen, sondern es ist nur der zur Serosa verjüngte Theil des Blastoderms getroffen. Der eingestülpte Keimcylinder ist da durchschnitten, wo Bauchplatte und Amnion in einander übergehen, und zeigt daher jederseits über dem Entoderm noch die Mesodermschicht. Nach solchen Längsschnitten könnte man bezüglich der Mesoderm- bildung leicht in den Irrthum verfallen, dem auch WırraczıL (50) nicht entgangen ist, dass das Mesoderm aus dem Ectoderm durch einfache Abspaltung entstehe, indem sich von jeder ectodermalen Cylinderzelle der Bauchplatte eine zu Mesoderm werdende Zelle der Quere nach abtheile. Dem ist jedoch nicht so; vielmehr ergiebt das Studium von Querschnitten (Fig. 37a,b, c, 38) dieses Stadiums, dass sich von der oberen prostomialen Oeffnung des Cylinders bis zum basalen Uebergang desselben in das Blastoderm eine wenn auch äusserlich wenig ausgeprägte Mesodermfurche längs der Median- Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 217 linie der Bauchplatte hinzieht, innerhalb welcher das Mesoderm durch Einstülpung entsteht. Auf die Details der Mesodermbildung will ich an dieser Stelle noch nicht eingehen, weil dieselben später im Zusammenhang ge- schildert werden sollen; es genügt daher hier die Constatirung einer medianen Mesodermrinne. Werfen wir nun noch einen Blick auf die bezüglichen Arbeiten anderer Autoren, von denen hier besonders METSCHNIKOFF (37) und WirLACziL (50) in Betracht kommen, so finden wir, dass die hier ge- gebene Schilderung vollkommen von derjenigen dieser beiden Autoren abweicht. Beide lassen bekanntlich ein geschlossenes Blastoderm sich zum inneren Keimstreifen einstülpen und haben die obere Oeffnung der Invagination vollständig übersehen. Auf alle specielleren Ab- weichungen einzugehen, halte ich jedoch für überflüssig, weil sie alle mehr oder weniger eine Folge des einen wichtigsten Beobachtungs- fehlers sind. Gleichfalls wurde von ihnen die Entstehung des Meso- derms innerhalb der erwähnten Rinne übersehen. 4. Die Bildung des secundären Dotters. Wir kommen jetzt zu der, wenn auch nicht wichtigsten, so doch zu der auffallendsten Erscheinung während der ganzen Aphiden- entwicklung, zu der Entstehung des secundären Dotters. Ich habe bereits im Anfang meiner Schilderung erwähnt, dass der vom jungen Ei selbst gebildete Dotter, den wir den primären nennen wollen, wenig beträchtlich ist und zum grössten Theil aus Fetttröpfchen und nur aus verhältnissmässig wenigen festen Granulationen besteht, die dem sich entwickelnden Ei eine ziemliche Durchsichtigkeit be- wahren. Auf Schnitten durch Eier und junge Embryonen (Fig. 1—8) sind die Deutoplasmatrépfchen in Folge der Behandlung mit Alcohol extrahirt und nur das feine protoplasmatische Maschenwerk erhalten geblieben, welches jene suspendirt enthielt. Auf dem Schnitt erscheint daher der vom Blastoderm umschlossene Dotter bis zum Gastrula- stadium ganz hell, und man ist um so mehr erstaunt, im nächsten Stadium (Fig. 9) an derselben Stelle, die vorhin vom primären Dotter eingenommen war, eine dunkle feinkörnige Dottermasse vorzufinden, die den secundären Dotter darstellt. METSCHNIKOFF (37) ist der Erste gewesen, der die Entstehung dieses eigenthümlichen Gebildes ausführlich beschrieben hat. Nach ihm soll sich von dem sich einstülpenden Keimstreifen eine Zelle Zool, Jahrb. III. Abth, f. Morph, 15 218 Dr. LUDWIG WILL, ablösen, die sich im frischen Zustande durch besondere Grösse und Färbung auszeichnet, und durch lebhafte Vermehrung den fraglichen Dotter bilden. Dieser ist nach ihm eine Summe von rundlichen Zellen, die den primären Dotter allmählich verdrängen. Blieb schon nach der MerscaniKorr'schen Untersuchung der secundäre Dotter ein sehr räthselhaftes Gebilde, so wurde seine wahre Bedeutung noch mehr durch WırviczıL verdunkelt. In einer ana- tomischen Arbeit über den Bau der Blattläuse (49) glaubte dieser Autor im fertigen Thier eine Verbindung des zu dieser Zeit in Strängen angeordneten secundären Dotters mit dem Darm aufgefunden zu haben, und meint daher den secundären Dotter für die bislang bei den viviparen Aphiden vermissten MarrıGmi’schen Gefässe in Anspruch nehmen zu müssen. Darnach hätte also der secundäre Dotter aus einer Aus- stülpung des Enddarms hervorgehen müssen. Bei seiner später pu- blicirten entwicklungsgeschichtlichen Arbeit (50) musste der Verfasser natürlich finden, dass er mit seiner wunderlichen Ansicht gänzlich fehl- gegangen war, dass der secundäre Dotter nicht erst bei Gelegenheit der Darmbildung entstehe, sondern schon in eine so frühe Zeit des Embryonallebens hinabreiche, dass von einer Beziehung zu den Marpisarschen Gefässen auch nicht im Entferntesten die Rede sein kann. Die in seiner entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung ge- schilderte Entstehung des secundären Dotters enthält nun allerdings ein Korn von Wahrheit, dasselbe ist aber in solchem Grade in neue Irrthümer gehüllt, dass man auch nach dieser Darstellung noch keine Vorstellung von der wahren Natur des secundären Dotters erlangt. Nach unserm Autor entsteht dieser räthselhafte Dotter etwa auf folgende Weise. Auf einem Stadium, das meiner Gastrula entspricht, bildet sich in der Gegend des hinteren Eipols im Follikelepithel eine Anschwellung durch stärkeres Wachsthum einiger Zellen. Eine von diesen Follikelepithelzellen wächst nun gegen das Ei zu und verursacht, indem sie durch Wachsthum und lebhafte Theilung sich in einen Zellenhaufen umwandelt, am hinteren Eipol eine Einstülpung des hier geschlossenen Blastoderms. Dieser, in das Ei einwuchernde, vom Follikelepithel entstammende Zellenhaufen stellt die erste Anlage des secundären Dotters dar, der allmählich immer weiter in das Ei ein- dringt, von dem emporgehobenen Blastoderm jedoch umhüllt bleibt. Im Lauf der Zeit soll dieser blastodermale Ueberzug allerdings dünner und dünner werden, um sich schliesslich ganz zu verlieren. Demnach weist zu dieser Zeit das Ei zwei verschiedene Einstülpungen auf, die von einander ganz unabhängig sind. Die eine wird gebildet von dem Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 919 invaginirten Keimstreifen, die andere von dem eben geschilderten secundären Dotter. Die nach der Fig. 20 Wrrnaczit’s entworfene schematische Fig. 55 mag zur Erläuterung dieser etwas complicirten Ansicht unseres Verfassers dienen. In derselben stellt « die Scheitel- platte, b den eingestülpten Keimstreifen, € das Amnion und d den Invaginationsporus dar. Daneben findet sich die andre Einstülpung für den secundären Dotter (e), welch letzterer durch den Stiel f, der sich bis in das späteste Embryonalleben, bis zur Umrollung des Embryo erhalten soll, mit dem verdickten Theil des Follikelepithels (g) in Verbindung steht. Mit X ist der angebliche blastodermale Ueberzug des secundären Dotters bezeichnet, der natürlich an der Einstülpungs- öffnung in das Blastoderm übergehen muss, wie auch aus dem Schema ersichtlich. Nun fragt es sich aber, wo beim Vordringen der com- pacten Zellenmasse des secundären Dotters der primäre Dotter mit seinen Zellen bleibt, die doch auch nach WrrzacziL das Entoderm bedeuten. Leider spricht der Verfasser sich hierüber nicht ganz klar aus, doch scheint er anzunehmen, was auch ich für richtig halte, dass der primäre Dotter in dem Maasse von den Entodermzellen re- sorbirt wird, als der secundäre Dotter in das Ei vordringt. Die Entodermzellen selbst aber, und das ist vollständig unrichtig, sollen nun an den vordern Eipol gedrängt werden und können hier noch längere Zeit unterhalb des Blastoderms in Form von 5—8 amöboiden Zellen erhalten bleiben (in Fig. 53). Wie dann aus seinen weiteren Ausführungen p. 648 hervorgeht, nimmt er an, dass ‚diese letzten Reste des Dotters* später zu Grunde gehen, ohne irgend einen Antheil am Aufbau des Organismus genommen zu haben. Mit anderen Worten, der Autor theilt uns hier die allerdings überraschende Thatsache mit, dass in einem gewissen Zeitpunkte das Entoderm zu Grunde geht und der Embryo alsdann nur noch aus Ektoderm und Mesoderm besteht. In Folge dieser sonderbaren Angabe kann sich nun nach WITLACZIL der Mitteldarm später nicht aus dem Entoderm aufbauen, sondern der Verfasser ist genöthigt, denselben vom Ektoderm herzuleiten. In Wirklichkeit liegt nun aber der eigentliche Sachverhalt ganz anders und weit einfacher, als das nach Wrrnaczin der Fall ist. Von seiner ganzen Darstellung ist nur das Eine richtig, dass der secundäre Dotter vom Follikelepithel seinen Ursprung nimmt. Die Entstehung des secundären Dotters reicht in die Zeit des frühesten Embryonallebens hinab. Während das Ei bis zum Gastrula- stadium völlig frei innerhalb des Follikelepitels gelegen und allseitig von demselben durch einen mit Flüssigkeit erfüllten Raum getrennt 105 220 Dr. LUDWIG WILL, war, beginnt sich noch während der Gastrulation der untere Eipol eng an den Follikel anzulegen (Fig. 5, 7, 8), so dass das am Blastoporus frei zu Tage tretende protoplasmatische Netzwerk mit der Wand des Eifollikels in unmittelbare Berührung tritt und darauf eine Ver- schmelzung erfolgt. Diese Verschmelzungsstelle liegt nicht genau in der queren Wand, welche zwei aufeinanderfolgende Eikammern von einander trennt, sondern, wie Fig. 21 zeigt, regelmässig seitlich von derselben. An dieser Stelle beginnt nun die sonst zarte Follikelwand sich mächtig zu verdicken in Folge des besonderen Grössenwachsthums der hier gelegenen Zellen und ihrer Kerne. In Fig. 12, einem abnorm sich entwickelnden Ei, in dem es nicht zur Bildung von secundärem Dotter gekommen ist, sieht man seitlich ven der Verbindungsstelle der beiden aufeinanderfolgenden Eikammern trotzdem diese ver- dickte Stelle des Follikelepithels (bei ep) mit ihren mächtigen Kernen von eigenthümlich granulirter Beschaffenheit. Innerhalb dieser Epithel- verdickung nimmt nun das Protoplasma (Fig. 9, 16, 20, 21, 22, 23) eine feinkörnige Beschaffenheit an und verwandelt sich in eine Summe feiner Dotterkörnchen, bei deren Bildung die Kerne in Mitleidenschaft gezogen werden und der Atrophie anheimfallen. So findet man bald an der verdickten Stelle des Follikelepithels nur noch eine feinkörnige Dottermasse ohne jede Spur der früher vorhandenen Kerne (Fig. 9, 16, 20—23). Höchstens sind von den letzteren zur Zeit der Dotter- einwanderung nur noch spärliche Trümmer in Gestalt zerstreuter Chromatingranula nachzuweisen. Diese innerhalb der Epithelverdickung producirte Dottermasse ist es nun, welche in das Ei eintritt und demselben den sogenannten secundären Dotter liefert. Dass es sich dabei nicht um eine Ein- wanderung von Zellen, sondern lediglich eines todten Nahrungsdotters handeln kann, liegt auf der Hand. Die Zeit der Einwanderung ist ziemlich variabel; in einigen Fällen (Fig. 9) ist sie schon mit Ablauf der Gastrulation vollendet, während sie wohl am häufigsten gleichzeitig mit dem Auftreten des Keimstreifens verläuft (Fig. 21, 22). Die Fig. 22 stellt einen Embryo dar, bei dem in Folge lebhafter Zellvermehrung in den Lippen des Blastoporus schon ein kurzer Keimcylinder ent- standen ist, der unten und oben offen, an seiner Spitze den unver- schlossenen Theil des Blastoporus trägt. Da der Schnitt nicht in die Medianebene gefallen ist, tritt ein Unterschied von Amnion und Keim- streif nicht hervor. Durch das Lumen dieses Cylinders dringt nun der feinkörnige Dotter in das Eiinnere ein und hat in unserer Figur bereits ein Drittheil des Lumens eingenommen. Etwas weiter ist der Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 291 Process in der Fig. 21 gediehen, die sonst ein ähnliches Bild bietet wie Fig. 22, nur dass die Wandungen des Cylinders sehr ungleich hoch sind und der Keimstreif eine auffallende Krümmung zeigt. Nahezu vollendet ist die Einwanderung des Dotters in der Fig. 23, indem derselbe hier schon dreiviertel des gesammten Eiinhalts aus- macht. Doch ist zu dieser Zeichnung zu bemerken, dass der Schnitt nicht genau durch die Mitte der Invagination ging, sondern den ein- gestülpten Cylinder, der sonst dieselbe Form hat wie in Fig. 19, nur seitlich getroffen hat. In Folge dessen ist die Dottersäule, die das Lumen des Cylinders ausfüllt, nicht zur Anschauung gekommen. In den Figuren 9, 14—20 ist bereits der gesammte primäre Dotter durch den secundären ersetzt; auch sieht man an den meisten Schnitten den mächtigen säulenartigen Strang, welcher bis zum Schluss der prosto- mialen Oeffnung des Keimcylinders die Verbindung mit dem Follikel- epithel herstellt. Während die ringsum scharf begrenzten Cylinderzellen des Blasto- derms zum guten Theil ihre Nahrung auf endosmotischem Wege aus der den Embryo umgebenden Flüssigkeit hernehmen mögen, ist es von vornherein klar, dass die amöboiden Entodermzellen besonders auf die in ihren Protoplasmamaschen suspendirten Tröpfchen primären Dotters angewiesen sind. Bei der lebhaften Vermehrung dieser Zellen muss natürlich der letztere allmählich aufgebraucht werden, und zwar geht dieser Aufbrauch am raschesten am untern Eipol vor sich, weil hier die Entodermzellen ihre erste Entstehung nehmen und sie an dieser Stelle während der Zeit der Gastrulation immer in grösster Anzahl (Fig. 6, 7, 8) angetroffen werden, bis sie nach und nach ihren Ent- stehungsort verlassen. Von diesem untern Eiende aus schreitet der Dotterverbrauch ganz allmählich nach oben fort. In gleichem Maasse nun aber, wie der primäre Dotter aufgezehrt wird, dringt vom Follikelepithel her der secundäre Dotter nach, um in der gleichen Richtung sich vorwärts zu bewegen. Bei diesem Vordringen des dunklen Dotters werden jedoch nicht die restirenden Entoderm- zellen in eine Ecke geschoben, wie WITLACZIL genöthigt war anzu- nehmen, sondern die feinkörnige Substanz desselben lagert sich in dieselben Maschenräume, die vorhin vom primären Dotter eingenommen waren. Das Protoplasmanetz mit seinen Entodermzellen aber bleibt bestehen, als wenn gar nichts vorgefallen wäre. Dasselbe Maschen- werk, das in der Fig. 21 und 22 durch seine Regelmässigkeit unsere Aufmerksamkeit erregt, finden wir in den Figuren 19 und 20 wieder; während dort die Lückenräume wegen des vom Alcohol extrahirten 222 Dr. LUDWIG WILL, primären Dotters bis auf einige Körnchen leer waren, sind sie in den letzteren Figuren durch die feinkörnige Masse des secundären Dotters ausgefüllt. Die einen Theil des Protoplasmanetzes ausmachenden Ento- dermzellen haben ihre Lagebeziehungen durchaus nicht geändert. An den Figuren 19 und 20, sowie an allen andern Stadien mit eingestülptem Keimeylinder fällt der Umstand auf, dass stets der Dotter im Lumen des Cylinders ganz frei von den Entodermzellen und ihrem Protoplasmanetz ist. Das hat indessen gar nichts mit einer Verdrängung der letzteren Elemente durch den vordringenden Dotter zu thun, sondern hat einen ganz andern Grund. — Wenn der inva- ginirte Keimcylinder von vorne herein die Gestalt hätte, die er erst später (Fig. 24) erreicht, d. h. wenn er, wie METSCHNIKOFF und WiTLAcziL glaubten, durch Einstülpung eines geschlossenen Blasto- derms 'entstände und von Anfang an die obere Oeffnung fehlte, wie das bei andern Insecten, nach den vorhandenen Untersuchungen zu urtheilen, der Fall ist, so müssten sich nothwendiger Weise die Ento- dermzellen vor der andringenden Einstülpung des Keimstreifens zurück- ziehen. Verschiedene später zu erörternde Anzeichen sprechen nun dafür, dass bei den Vorfahren der Aphiden, denen ein secundärer Dotter noch abging, der Blastoporus sich gleich nach der Entoderm- bildung und bereits vor dem Eintritt der Invagination schloss. Die Einstülpung müsste demnach bei den Vorfahren oben geschlossen sein und die Entodermzellen, die schon gleich bei ihrer Entstehung am Prostomarande das Bestreben haben, nach oben zu wandern, vor sich herdrängen. Unsere heutigen Aphiden haben im Anschluss an ihre besonderen Fortpflanzungsverhältnisse den secundären Dotter als etwas ganz Neues hinzuerworben. Es ist nur eine Anpassung an diesen nachträglich einwandernden Dotter, dass bei Aphis ein Theil des Blasto- poruslänger erhalten bleibt, als es ohne diese merkwürdige Dotterbildung der Fall wäre. Die Entodermzellen aber mit ihrem plasmatischen Netzwerk, die von der neuerworbenen Dotterbildung gar nicht tangirt werden, verhalten sich genau so, wie wenn die obere Oeffnung des invaginirten Cylinders gar nicht vorhanden wäre, d. h. sie behalten die von den Vorfahren ererbte Eigenschaft bei und ziehen sich vor der eindringenden Invagination freiwillig zurück, als ob die letztere oben geschlossen wäre Aus diesem Grunde findet man bei weiter vorgeschrittener Einstülpung (Fig. 19, 20) im Lumen des Cylinders weder die Entodermzellen noch ihr plasmatisches Netzwerk, sondern lediglich die feinkörnige Masse des secundären Dotters. Dass es in der That nicht der Dotter ist, der das Entoderm aus Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 293 dem Cylinderlumen verdrängt, geht ausserdem auch noch daraus hervor, dass alsdann auch oberhalb des Cylinders das Protoplasmanetz mit den Zellen fehlen und in eine Ecke gedrängt sein müsste, was ja aber nach meinen Zeichnungen ganz und gar nicht der Fall ist. Da auch der sich einstülpende Cylinder selbst keine verdrängende Wirkung ausüben kann, weil er eben an seiner Spitze offen ist, so kann das Zurück- weichen des Entoderms nur in dem ihm von Anfang seiner Entstehung an eigenthümlichen Bestreben seinen Grund finden, sich möglichst vom Blastoporusrande zu entfernen. Dass der secundäre Dotter der Aphiden im Lumen des Keim- cylinders völlig frei von zelligen Elementen ist, Kann im Interesse der richtigen Deutung seiner morphologischen Natur nur als ein sehr glücklicher Umstand gedeutet werden. Durch nichts konnte schlagender die Unrichtigkeit der Ansicht meiner Vorgänger erwiesen werden, nach welcher der secundäre Dotter eine zellige Beschaffenheit besitzen soll. Wäre diese Ansicht richtig und wären seine Zellen hervorgegangen aus der wiederholten Theilung einer Zelle des Follikelepithels, so müsste als nothwendige Consequenz gerade das Lumen des Cylinders mindestens Kerne enthalten, von denen ich aber weder an frischen Objecten noch an den zahlreichen Schnitten, welche ich von diesem Stadium besitze, irgend eine Spur wahrnehmen konnte. Stets war das Lumen des Cylinders lediglich von einer ganz gleichmässigen, fein- körnigen Masse eingenommen, in der ich nur ein einziges Mal, nämlich in Fig. 22, ausserdem noch einige wenig grössere tinctionsfähige Körnchen in Form einer Gruppe an der linken Wand des Cylinders wahrnehmen konnte. Diese Körnchengruppe ist aber weit davon ent- fernt, einen intacten Kern darzustellen, sondern kann nur als die letzten Trümmmer eines solchen aufgefasst werden, die bei der Dotterein- wanderung noch vor ihrem Verbrauch zur Bildung von Dottersubstanz mit in das Ei gerathen sind, aber selbstverständlich nur als todte Nah- rungsmasse in Betracht kommen können. Es ist ein sehr häufiges, fast regelmässiges Vorkommniss, das nicht das gesammte entodermale Maschenwerk mit secundärem Dotter angefüllt wird, sondern (wie in Fig. 14, 16, 19) zwischen Blastoderm und dunklem Dotter ein Quantum hellen Dotters mit einigen Entodermzellen übrig bleibt. Diese Zellen sind identisch mit jenen amöboiden Wanderzellen, die WirzacziL als die letzten Reste des vom secundären Dotter verdrängten Entoderms angesehen hat. Dieselben gehen aber durchaus nicht zu Grunde, wie er meint, sondern 224 Dr. LUDWIG WILL, sind in ihrer Bedeutung und ihrem ferneren Schicksal völlig identisch mit den im secundären Dotter liegenden amöboiden Entodermzellen und wie diese bestimmt, noch wichtige Rollen beim Aufbau des Embryos zu übernehmen. Wie bereits erwähnt und an zahlreichen Figuren ersichtlich, ist während des gesammten Processes der Einwanderung des secundären Nahrungsdotters der letztere durch einen mächtigen soliden Strang von Dottersubstanz mit jener Verdickung des Follikelepithels in Ver- bindung, welche physiologisch einer Placentenbildung gleichkommt. Dieser Dotterstrang im wahren Sinne des Worts ist stets von ausser- ordentlicher Mächtigkeit und bald von einer beträchtlichen Länge (Fig. 16), bald ganz kurz wie in Fig. 14. Er bleibt durchaus nicht bis zur spätern Umrollung des Embryos erhalten, wie WITLAcZIL meint (wenn dieser Autor wirklich dasselbe Gebilde gesehen hat, was mir sehr zweifelhaft erscheinen muss), sondern er geht schon zu Grunde, bevor sich die obere Oeffnung des Keimcylinders geschlossen hat. Die Loslösung des Embryos vom Follikelepithel bedeutet das Aufhören der Dottereinwanderung. Das letzte Stadium derselben stellt die Figur 18 dar. Wie man aus diesem sagittalen Längsschnitt ersieht, legen sich zunächst an der äusseren Invaginationsöffnung des Keim- cylinders die beiderseitigen Ränder, Amnion und Keimstreifbasis, dicht an einander, so dass die vorher runde Oeffnung (Fig. 13 a,b) zu einem queren Spalt (Querschnitt Fig 37 a,b) wird und dadurch der bereits im Ei befindliche Theil des Dotters vom Epithel abgeschnürt wird. Indem nun dieses Aneinanderlegen der gegenüberliegenden Cylinderwände von | unten nach oben fortschreitet, wird aller noch im Lumen des Cylinders gelegene Dotter durch die obere Oeffnung der Invagination in das Eiinnere hineingepresst. Erst wenn aus dem Hohlraum des Keim- cylinders aller Dotter verschwunden ist, schliesst sich die an seiner Spitze gelegene prostomiale Oeffnung, und wir erhalten das Bild der Fig. 24. Genau an derselben Stelle, an der der letzte Rest des Blasto- porus zum Verschluss kommt, tritt später die Einstülpung für den Enddarm auf. Der secundäre Dotter ist nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, lediglich auf die Sommereier beschränkt, sondern kommt auch beim Winterei der oviparen Generation, wenn auch nicht in derselben Mächtigkeit vor. Da nun aber das Winterei vollständig ausreift und auswächst, bevor es seine Entwicklung beginnt, und bei ihm der pri- märe, d. h. der im Ei selbst entstandene Dotter, dieselbe Mächtigkeit Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 295 erlangt, wie der Nahrungsdotter andrer Insecteneier, so erscheint es zunächst höchst wunderbar, dass diese Eier trotzdem noch mit einem secundären Dotter versehen werden. Man kann es verstehen, wie diese Verhältnisse beim Winterei BALBIANI (2) zu seiner geistreichen Hypo- these verleiteten, nach der die Aphiden Zwitter und der secundäre Dotter eine männliche Keimdrüse sein sollte. Nachdem wir aber ge- sehen haben, dass der secundäre Dotter der viviparen Aphiden ledig- lich eine amorphe Nahrungsmasse darstellt, die ihrer ganzen Entstehung und, wie wir erfahren werden, auch ihrem ferneren Schicksal nach unter keinen Umständen eine solche Deutung zulässt, müssen wir für die Existenz des secundären Dotters im Winterei eine andere Erklärung suchen. Ich glaube, sie bietet sich ohne Weiteres in dem Umstande, dass im Gegensatz zu andern Insecten auch der im Winterei entwickelte Embryo bereits als Embryo das Geschäft der Fortpflanzung beginnt, indem er bereits vor seinem Ausschlüpfen wiederum junge Embryonen in seinem Innern aufweist. Hierdurch aber werden Anforderungen an die im Ei aufgespeicherten Reservestoffe gestellt, die allein der im Ei selbst gebildete Dotter nicht erfüllen kann und bei anderen Insecten auch nicht zu erfüllen braucht; ihm ist daher auch im Ei der oviparen Aphis ein secundärer Dotter zur Seite gestellt. Wenn aber im Laufe der Entwicklung der secundäre Dotter nicht vollständig aufgebraucht wird, sondern Theile desselben noch im ausgebildeten Thier in strang- artiger Anordnung jederseits vom Darm gesehen werden, so spricht das ebenso sehr für mich wie für BALBrANI Nach meiner Ansicht können diese übrigbleibenden Dottermassen auch noch fernerhin als Reservestoffe gelten, die als Regulatoren dem Interesse einer regel- mässig fortschreitenden Fortpflanzung dienen: sie werden angegriffen in dem Moment, in welchem Nahrungsmangel an das Thier herantritt, und sichern auf diese Weise die Nachkommenschaft. In Bezug auf die Entstehung des secundären Dotters im Winterei von Aphis sind wir nun gänzlich auf die Angaben BALBIANTS (2) an- gewiesen, die jedoch mit einer gewissen Vorsicht aufgenommen werden müssen, weil die angewandte Untersuchungsmethode der Schwierigkeit des Objects nicht gewachsen war und manche wichtige Punkte der Arbeit sich bereits als unzuverlässig erwiesen haben. Nach BALBIANI wächst dem aus dem Keimfach in die Eikammer übertretenden Eichen vom untern Ende des Follikels aus eine Epithelzelle entgegen, die in den Plasmaleib des Eies eindringt, mit ihrem Stiel aber dem Follikel angeheftet bleibt. Diese „Antipodenzelle“ vermehrt sich lebhaft durch Theilung und producirt so einen am untern Ende des Eies gelegenen 226 Dr. LUDWIG WILL, Zellenhaufen, der die Anlage des secundären Dotters darstellt und erst im reifen Ei seine Verbindung mit dem Follikelepithel aufgiebt. Dieser zellige secundäre Dotter liegt nun zwar innerhalb des Chorions, aber doch nicht im Eikörper selbst, sondern ist dem letzteren während des Reifestadiums des Eies vielmehr nur angelagert. Er liegt in einer tiefen Grube des untern Eipols, deren Ränder bald näher bald weiter aneinandergerückt sind und sogar vorübergehend die Oefinung schliessen können; immer aber liegt er ausserhalb der Plasmarinde des Eies, um erst nach dem Eintritt der Embryonalentwicklung wirklich in das Ei einzudringen. Von diesem eigentlichen Eindringen in den Eikörper erfahren wir aber von BALBIANI im Grunde sehr wenig. Er beschreibt nur, wie das Blastoderm sich bildet, dass es auch die basale Grube auskleidet und dass sich gleichzeitig diese letztere ausserordentlich vertieft, wodurch der secundäre Dotter zwar weit vorgeschoben wird, aber immer noch ausserhalb des Blastoderms liegt. Wenn wir nun berücksichtigen, dass, wie BAusranı angiebt, die Wandungen !) der Grube oder Invagination zum Keimstreifen werden, wie ich es für die viviparen Aphiden geschildert, so muss ich nach Analogie dieser letz- teren annehmen, dass sich auch beim Winterei an der Spitze dieser cylindrischen Invagination eine Oeffnung finde, durch welche der secun- däre Dotter wirklich in das Eiinnere gelangen kann. Wie wir aus dieser Schilderung Bausıant’s erschliessen können, geht auch bei dem Winterei die Bildung des secundären Dotters im Grossen und Ganzen in derselben Form vor sich, wie das beim Sommerei der Fall ist. Vor allen Dingen ist er auch beim Winterei epithelialen Ursprungs; was nun aber die von BALBIANI behauptete zellige Be- schaffenheit dieses Dotters anlangt, so liegen hier zweierlei Möglich- keiten vor. Entweder irrt sich BALBrANI, und der Dotter zeigt von Anfang an, genau untersucht, dieselbe Struktur wie der des Sommereies, oder aber der secundäre Dotter ist anfangs wirklich zellig, um aber später sich in eine amorphe Masse zu verwandeln. Beim Sommerei entsteht, wie geschildert, der betreffende Dotter ebenfalls aus einer Umwandlung von Zellen, von Epithelzellen, allein hier findet die Um- wandlung noch innerhalb des Epithels selbst statt, und der Dotter tritt bereits als amorphe Masse in das Ei ein. Wenn nun die Schilderung BALBIANI’s richtig ist, so geht beim Winterei dieser Umwandlungs- 1) Wenn diese Wandungen zum Keimstreifen werden sollen, wie BaLBIANI angiebt und wie es auch mir wahrscheinlich dünkt, so hat er dieselben wohl etwas sehr dünn gezeichnet. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 297 process, der sich äusserlich durch das Auftreten der grünen Dotterfärbung anzeigt, ausserhalb des Fpithels, nämlich innerhalb jener Grube vor sich, welche am untern Eipol gefunden wird. Barsıanı beschreibt eben, wie eine einzelne Epithelzelle in diese Grube tritt, sich hier durch Theilung vermehrt und in einen Zellenhaufen umwandelt, der anfangs noch ungefärbt erscheint. Dieser Zellenhaufen repräsentirt daher zu dieser Zeit lediglich ein Stück losgelöstes Epithel. Die durch das Auftreten der grünen Färbung angezeigte Umwandlung in Dotter- substanz kann aber naturgemäss nur allmählich fortschreiten, und so ist es sehr wohl möglich, dass der französische Forscher noch längere Zeit hindurch Kerne in dieser Masse vorfand. Das schliesst aber durchaus nicht aus, dass später, wenn die Umwandlung. vollendet ist, diese Kerne verschwunden sind und der Dotter alsdann auch beim Winterei als amorphe Masse in das Eiinnere eindringt. Immerhin ist für mich die erste der beiden Möglichkeiten, nach der sich BALBIANI geirrt und der Dotter von Anfang an dieselbe Be- schattenheit wieim Sommerei hat, die wahrscheinlichere. Bestimmend ist für mich noch besonders, dass auch bei Psylla, deren Ei ähnliche Ver- hältnisse darbietet wie das Winterei von Aphis, der secundäre Dotter von Anfangan dieselbe Beschaffenheit hat und genau so entsteht wie im Sommerei von Aphis. Zur Zeit der Eireife, wo bei Psylla der secun- däre Dotter genau dieselbe Lage einnimmt, wie das zu dieser Zeit beim Winterei von Aphis der Fall ist, schildert METSCHNIKOFF (37) die Structur dieses Dotters folgendermaassen: „In einem reifen, zum Ablegen bereiten Ei der genannten Species finden wir am untern Ende (wo sich das Eistielchen inserirt) einen runden, !/,, mm im Durchmesser haltenden Körper, welcher, bei näherer Betrachtung, sich als aus einer Menge dicht aneinanderliegender Körperchen einer Ei- weisssubstanz bestehendes Organ erweist. In diesem Organe können wir noch ebenso wenig wie im übrigen Theile des Eies eine Spur der Zellenstruktur wahrnehmen.“ In Betreff dieser nichtzelligen secundären Dotters kommt er bei Psylla zu einem richtigeren Resultat, als das bei Aphis der Fall war. „Während das Ei im Wachsthum — begriffen ist, erfährt der unterste Theil der Keimfachwandung folgende Veränderung. Die früher so deutlich differenzirten eylindrischen Zellen des bezeichneten Theiles fangen an mit einander zu verschmelzen, wobei sie ihre Kerne und Kernkörperchen verlieren und schlechtweg in eine strukturlose Masse übergehen. Diese Masse wird scharf von den seitlich liegenden, sehr deutlichen Zellen begrenzt und nimmt bald eine mehr abgerundete Gesammtform an, Allmählich gestaltet sie 298 Dr. LUDWIG WILL, sich zu einem kugelförmigen Körper, welcher nun mehr und mehr seine Lage verändert, indem er sich in die Höhe schiebt und dabei von dem feinkörnigen, an der Peripherie des Eies liegenden Dotter umgeben wird. In gleicher Zeit wird eine derartige Veränderung in der Zusammensetzung des runden Körpers bemerkbar, dass dieser aus einer Anzahl Eiweisskörperchen bestehend erscheint.“ Weiter heisst es dann: „Es ist aus dem oben Gesagten zu schliessen, dass das runde Organ unverändert bis zum Ablegen der Eier bleibt, an welchen mittlerweile sich das Chorion mit dem röhrigen Fortsatze gebildet hat und in denen man zur betreffenden Zeit auch kein Keimbläschen mehr findet.“ Man ersieht aus dieser interessanten Beschreibung, dass bei Psylla die Bildung des secundären Dotters genau so vor sich geht, wie ich sie vom Sommerei von Aphis geschildert habe, und dass ferner in Bezug auf die Struktur des so entstandenen Dotters dieselbe Ueber- einstimmung herrscht. Erst später, nach der Vollendung des Blasto- derms, liessen sich nach unserm Verfahren Kerne in dem secundären Dotter von Psylla nachweisen, Kerne, die nach meiner Ueberzeugung aber Entodermzellen angehören, welche man ja auch im Sommerei von Aphis (Fig. 19 u. a. m.) später innerhalb des Dotters antrifft, die aber mit einer zelligen Structur des letzteren nichts zu schaffen haben. Da demnach das Sommerei von Aphis und das Ei von Psylla in Bezug auf den secundären Dotter die vollste Uebereinstimmung zeigen, so kann ich nicht glauben, dass das Winterei von Aphis eine Aus- nahme machen sollte. Schliesslich kommt auch noch bei den Schildläusen ein secundärer Nahrungsdotter vor, in Bezug auf dessen Entstehung METSCHNIKOFF (37) jedoch in dieselben Irrthümer verfallen ist wie bei den viviparen Aphiden. 5. Das Auswachsen des Keimstreifens und der Embryonalhüllen. Mit dem Schluss des letzten Prostomarestes tritt der Embryo in eine neue Entwicklungsperiode, die lediglich dem Auswachsen des Keimstreifens und der bereits früher angelegten Embryonalhüllen ge- widmet ist, und in der keinerlei Neubildungen auftreten. Es ist diese Periode schärfer umgrenzt als andere, einerseits durch den bereits angeführten Schluss der oberen Oeffnung des Keimeylinders, andererseits durch das Auftreten der Segmente. An den Figuren 14—23 sahen wir, dass die Einstülpung für den Keimcylinder genau am untern Eipol auftritt. Mit dem Schluss der Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 299 oberen Cylinderéfinung aber tritt gleichzeitig eine Verschiebung der Invaginationsöffnung ein, die lediglich eine Folge der bereits be- sprochenen Lageverschiebung der Scheitelplatte ist. Indem letztere nach dem Verlassen ihrer ursprünglichen Lage am Scheitelpol immer weiter nach abwärts rückt, wird die Invaginationsöffnung entsprechend auf die Seite geschoben. Die einzelnen Phasen dieses Vorganges werden durch die Figuren 24—29 veranschaulicht. In der letzteren Figur, in der die Scheitelplatte an das Ziel ihrer Wanderung, an den untern Eipol, gelangt ist, hat auch die Invaginationsöffnung ihre endgültige Lage eingenommen. Sie ist hoch auf die Seite des Eies hinaufgerückt und hat eine Drehung von fast 90° gemacht, während die Scheitel- platte selbst einen Weg von 180° zurückgelegt hat. Der Keimcylinder ist bei Erlangung des prostomialen Abschlusses bei verschiedenen Embryonen derselben Species stets von etwas ver- schiedener Länge. Diese Unterschiede, die übrigens der definitiven Länge des Keimcylinders gegenüber kaum ins Gewicht fallen, hängen mit der Bildung des secundären Dotters zusammen. Wenn die Pro- duction des letzteren früh einsetzt, findet auch die Einwanderung des- selben früh ihren Abschluss, sodass in diesem Fall sich auch der Rest des Prostomas früher, d.h. zu einer Zeit schliessen kann, wo der Keim- cylinder noch relativ kurz ist. Ausserdem aber bestehen in diesem Punkte auch Unterschiede zwischen den einzelnen Arten, die z. B. zwischen Aph. pelargonii und Aph. saliceti recht bedeutend sind, in- dem bei letzterer Art der Keimcylinder bereits vor seinem Schluss eine weit beträchtlichere Länge erreicht (Fig. 19, 20), als das bei Aph. pelargoni in der Regel der Fall zu sein pflegt. Ich halte mich bei meiner Schilderung ausschliesslich an letztere Art. Schon der ganz junge eben geschlossene Keimeylinder (Fig. 24) beginnt sich etwas zu krümmen, indem er sich mit seiner Spitze der zur Serosa gewordenen Blastodermseite anlegt, was einerseits durch zunehmende Verdickung des Keimstreifens in Folge der Mesoderm- bildung, andrerseits durch die terminale Lage der Genitalanlage be- dingt wird. Gleichzeitig nun mit der durch die Lageverschiebung der Scheitelplatte hervorgerufenen allmählichen Ortsveränderung der Inva- ginationsöffnung nimmt der ganze Cylinder an Länge zu. Da er hierbei durch den Dotter einen Widerstand erfährt, fängt seine Spitze an, sich umzulegen (Fig. 25). Diese Biegung ist auf dem folgenden Stadium (Fig. 26) zu einer deutlichen Knickung geworden, welche bei weiterer Längenzunahme des Ganzen vorangeschoben wird, bis sie in Fig. 27 die Serosa erreicht hat. 230 Dr. LUDWIG WILL, Wir können jetzt einen aufsteigenden und absteigenden Theil des Keimcylinders unterscheiden; da Keimstreif und Ammion ganz gleich bei dieser Knickung betheiligt sind, lässt natürlich jedes derselben einzeln betrachtet dieselbe Eintheilung zu. Der aufsteigende Theil des Keimstreifens reicht vom Invaginationsporus bis zur Umbiegungs- stelle und stellt die Anlage für die drei Kopf- und die drei Thorakal- segmente dar; der absteigende Theil reicht von der Knickung bis zum Ende des Cylinders und hat die Segmente des Abdomens zu bilden. Da nun die Serosa beim weiteren Wachsthum den Cylinder hindert, in derselben Richtung weiter zu wachsen, muss sich derselbe in der Weise, wie es Fig. 28 zeigt, entsprechend der Oberfläche des Eies krümmen, so dass also die Knickungsstelle senkrecht über der Invagi- nationsöffnung zu liegen kommt. Der aufsteigende Theil des Keim- streifens hat hiermit seine definitive Länge erreicht, weshalb die Knickungsstelle auch während des folgenden Stadiums (Fig. 29) ihre Lage nicht mehr verändert hat. Der abdominale Theil des Keim- streifens jedoch, der, wie aus einem Vergleich der Figuren 27 und 28 erhellt, etwas im Wachsthum zurückgeblieben ist, holt jetzt das Ver- lorene nach und gelangt, dem Kopftheil der aufsteigenden Keimstreif- hälfte folgend (Fig. 29), allmählich mit seiner Spitze dicht über dem Invaginationsporus an. Obwohl nun der secundäre Dotter mit dem Entoderm wegen seiner leichten Verschiebbarkeit nach Möglichkeit dem wachsenden Keimstreifen ausweicht und daher die grössten Lageveränderungen erfährt, muss er dennoch dem Keimstreifen einen gewissen Widerstand entgegensetzen, der bewirkt, dass dieser seine frühere regelmässig symmetrische Lagerung zur Medianebene aufgiebt. Am meisten wird hiervon das abdominale Ende des Keimstreifens betroffen, welcher ganz zur Seite gedrängt wird, wie man leicht aus dem Querschnitt Fig. 39 ersieht, der in der Gegend der Geschlechtsanlage durch einen Embryo vom Alter der Fig. 28 geführt ist, und in welcher der aufsteigende Theil des Keimstreifens mit Kstr,, der absteigende mit Kstr, be- zeichnet ist. Eine gute körperliche Vorstellung von dem compli- cirten Bau eines Embryos dieser Periode erhält man, wenn man zu dem eben erwähnten Querschnitt und zu dem medianen Längs- schnitt (Fig. 28) nach den frontalen Längsschnitt (Fig. 40) durch das- selbe Stadium hinzunimmt. Den unteren Theil dieser letzteren Figur nimmt der Querschnitt durch die Scheitelplatte ein, welche durch die mediane Kopffurche in die beiden Scheitellappen getheilt ist; auf die Scheitelplatte folgt nach oben der Querschnitt durch den Kopftheil Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 231 des Keimstreifens, dessen Ränder, wie das auch bei den beiden andern Schnitten durch den Keimstreifen der Fall ist, seitlich in das Amnion übergehen. Von den beiden andern Keimstreifquerschnitten geht der obere durch den letzten Theil der Thorakalgegend, der untere durch den aus der Medianebene verdrängten abdominalen Abschnitt. Uebri- gens trifft man in allerdings seltenen Fällen auch auf Embryonen dieses Alters, bei denen ausnahmsweise eine asymmetrische Lageverschiebung nicht stattgefunden hat. Nur wenn man das Glück hat, auf solche Eier zu stossen, kann man so vollständige Medianschnitte erwarten, wie ich sie in den Figuren 28 und 29 wiedergegeben habe. Mit dem allmählichen Auswachsen des Keimstreifens erhalten auch die Embryonalhüllen ihre definitive Ausbildung. In gleicher Weise, wie die seröse Seite des Blastoderms durch die weitgehende Lagever- änderung der Scheitelplatte im Laufe der Zeit zu einer dünnen Haut, der Serosa, ausgezogen wird, wird auch das Amnion durch das Längenwachsthum des Keimcylinders dünner und dünner, indem seine Zellen, die sich zu vermehren aufgehört haben, flacher und flacher werden. Wenn wir in der Fig. 27 die Embryonalhüllen mit der Anlage des Embryos vergleichen, dem sie als Schutz dienen, so fällt uns auf, dass sie denselben nicht in seiner ganzen Ausdehnung umhüllen, son- dern die Scheitelplatte vollständig frei lassen. — Wie wir gesehen haben, gehen die in Fig. 27 zur Ausbildung gekommenen Embryonal- hüllen direct aus der Metamorphose von Embryonaltheilen hervor, die noch bei den Myriapoden unmittelbar zum Aufbau des Embryos ver- wandt werden. Das Blastoderm, das sich bei den Insecten zum grössten Theil zur Serosa umbildet, nimmt bei den Tausendfüsslern noch in seiner Gesammtheit Theil am Aufbau der Körperwand. Jene auftal- lende Invagination, welche wir bei Aphis und andern Insecten zur Bildung des Amnions hinführen sehen, finden wir gleichfalls bei den Myriapoden bereits in der Anlage vor. Auch bei ihnen erfährt nach den Untersuchungen METSCHNIKOFF’S (37, 38) der Keimstreif in Folge starken Längenwachsthums eine Krümmung, die zu seiner schliess- lichen Einstülpung führt, welche in ihrer ganzen Form dem inneren Keimstreifen der Insecten ausserordentlich gleicht. Während nun aber bei den Myriapoden die ganze Invagination Keimstreif bleibt und da- her auch in ihrer ganzen Ausdehnung Extremitäten entwickelt, ist bei unseren Insecten mit innerem Keimstreifen in Folge des Wegfalls der hintern Leibessegmente nur die eine Hälfte Keimstreif geblieben ; die andere Seite hat aber eine ähnliche Umwandlung wie das Blastoderm erfahren und ist zum Amnion geworden. 232 Dr. LUDWIG WILL, Demnach sind die Embryonalhüllen von Aphis (wie später gezeigt werden wird, gilt dasselbe auch von den übrigen Insecten), soweit wir sie in der Fig. 27 angelest finden, in der Anlage bereits bei den Vor- fahren vorhanden; sie sind demnach altererbte Bildungen, die sich bei den Insecten nur in besonderer Weise metamorphorisirt haben. Ich bezeichne daher diese Theile der Embryonalhüllen als die pri- mären zum Unterschied einer weiteren, jetzt auftretenden secun- dären Embryonalhülle, welche zur Einschliessung der Scheitelplatte dient und nicht ererbt, sondern als eine erworbene Bildung aufzu- fassen ist. Diese secundär auftretende Embryonalhülle, die ganz passend als Kopfserosa bezeichnet werden kann, entsteht nun bei Aphis da- durch, dass sich an der Uebergangsstelle der Serosa in die Ränder der Scheitelplatte (Fig. 55 a) und in das Amnion (dies. Fig. b) eine Hautfalte bildet. Diese ist zwar an ihrem Grunde doppelwandig, wächst aber nicht in derselben Weise weiter, sondern die freien Ränder derselben ziehen sich zu einer einfachen Lamelle aus, die als ein- schichtige Zellhaut weiter wuchert, bis am untern Eipol (Fig. 28—31, Fig. 40, 41) eine Verwachsung der hier zusammentreffenden Ränder eintritt. So erhält die Embryonalhülle die Gestalt, wie wir sie in den eben angeführten Figuren vorfinden. Im Gegensatz zu dieser Schilderung giebt WırLaczıL an, dass der Kopftheil des Embryos von einer doppelten Hülle umgeben werde. Obwohl nun ein solches Verhältniss die Uebereinstimmung mit den Embryonalhüllen anderer Insecten noch deutlicher hervorheben würde, als es so schon der Fall ist, muss ich doch leider erklären, dass seine Darstellung auf einem übrigens verzeihlichen Irrthum beruht, zu dem er durch das ausschliessliche Studium ganzer Embryonen nur zu leicht geführt werden konnte. Diese vermeintliche doppelte Kopfhülle ent- steht nach ihm ebenso wie meine einfache aus der in Fig. 55 gezeich- neten Falte. Diese Falte soll nun aber doppelwandig weiter wachsen und, sich am untern Eipol begegnend, in der Weise zur vollständigen Verwachsung kommen, wie es das Schema Fig. 56 darstellt. Hier- durch ist dann der Kopftheil des Embryos von zwei Hüllen, einem innern Amnion und der äussern Serosa, umgeben. Es wäre somit zu einer vollkommenen Trennung zwischen Serosa und Amnion gekommen, wie das sonst nur bei Insecten mit äusseren Keimstreifen der Fall ist. Wie ich jedoch mit Zuhülfenahme von Schnitten darthun konnte, entspricht eine derartige Darstellung der Wirklichkeit nicht, vielmehr Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 233 bleiben Amnion und Serosa stets mit einander in Zusammenhang und wird der Kopf des Embryos nur von einer einfachen Haut, der Kopf- serosa, umgeben. III. Vergleichende Betrachtungen. 1. Ueber die Gastrula der Insecten. Bevor ich zum histiogenetischen Theil dieser Abhandlung über- gehe, muss ich nothwendiger Weise kurz die Stellung erörtern, welche die Aphidenentwicklung zur Entwicklung anderer Insecten einnimmt. Es sind uns in der Insectenentwicklung z wei verschiedene Stadien bekannt, die beide mit demselben Recht als Gastrula bezeichnet werden können. Das erste Stadium, das ich kurz als Gastrula I bezeichne, fällt schon in eine sehr frühe Zeit, in die Zeit der Blastodermbildung, und ist uns bisher in zwei Hauptvarianten bekannt geworden. Die eine derselben ist zuerst von BOBRETZKY (5) für die Schmetterlinge beschrieben worden. Ein Theil der Derivate des Furchungskernes sammt einem zarten sie umgebenden Plasmahof rückt an die Peri- pherie des Eies, um das Blastoderm (Ectoderm) zu bilden, während der andere Theil im Dotter zurückbleibt und das Entoderm darstellt. Die andere Modification dieser Gastrula I ist von KOROTNEFF (20) bei Gryllotalpa, von PATTEN (44) bei Phryganiden beobachtet worden t). Hier rücken sämmtliche Furchungsderivate zur Blastodermbildung an die Oberfläche des Eies, und erst nachträglich lösen sich vom Blasto- derm an beliebigen Stellen amöboide Zellen ab, die in den Dotter zu- rückwandern und das Entoderm liefern. KOROTNEFF bezeichnet diese Gastrula sehr treffend als „diffuse Gastrula“. Zwar vermissen wir an diesen beiden Modificationen der Gastrula I eine als Blastoporus auf- zufassende Oeffnung, doch hindert uns dieser Umstand um so weniger an der Auffassung dieses Entwicklungszustandes als Gastrula, als von zahlreichen Insecten bekannt ist, dass die beiden so entstandenen Keimblätter sich wirklich als Eetoderm und Entoderm verhalten. Das äussere Blatt liefert Epidermis, Nervensystem und Sinnesorgane, die im Dotter enthaltenen Zellen bilden Darmepithel, Blut und Fettkörper, wenigstens bei einer grossen Anzahl der Insecten. Das andre als Gastrula in Anspruch genommene Stadium, unsere Gastrula II, fällt in eine viel spätere Zeit. Wenn bereits das ganze 1) Nach Vosrrzxow (54) ist dasselbe auch bei den Musciden der Fall, Zool, Jahrb, III, Abth, f, Morph, 16 234 Dr. LUDWIG WILL, Ei vom Blastoderm umschlossen ist, fangen die an der künftigen Ven- tralseite gelegenen Zellen an, zu hohen Säulenzellen auszuwachsen, in Folge dessen sich an dieser Stelle eine Verdickung bildet, welche als Bauchplatte bezeichnet wird. Die medianen Theile dieser Platte senken sich nunmehr in den Dotter ein und bilden so eine langgestreckte Rinne, die Keimfurche oder Mesodermrinne. Die gegenüberliegenden Ränder derselben, die Anfangs ziemlich weit von einander entfernt liegen, nähern sich, von hinten nach vorn fortschreitend, einander all- mählich, bis sie schliesslich zusammenstossen und mit einander ver- wachsen. Dadurch wird der invaginirte Theil der Bauchplatte zu einem geschlossenen Rohre abgeschnürt, dessen Wandungen nicht nur das Mesoderm, sondern nach KowaLEvsky (27) und Anderen auch Entoderm liefern. Die Keimfurche stellt daher den Blastoporus der Gastrula vor. Diese beiden sowohl der Zeit als auch der Form nach grundver- schiedenen Gastrulaformen vertheilen sich nun nicht etwa in der Weise auf die verschiedenen Insectentypen, dass der einen Gruppe die Gastrula I, der andern die Gastrula II zukommt, sondern zu unserem grössten Kummer finden sich beide Arten der Gastrulation in der Entwicklung jedes einzelnen der bisher genauer untersuchten Insecten. Sie finden sich in der Einzelentwicklung jedes Insects in der Reihen- folge, dass zuerst die Gastrula I abläuft und dann der Embryo in jene Phase tritt, welche ich als Gastrula II bezeichnete. Der Antheil jedoch, den die aus den beiden verschiedenen Gastru- lationsprocessen hervorgehenden Keimblätter am Aufbau der Gewebe nehmen, ist nach den Angaben der Forscher bei den verschiedenen Insecten etwas verschieden. Bei den einen (Hydrophilus, Musciden) betheiligen sich die aus der Gastrula I hervorgehenden Entodermzellen (Dotterzellen) nicht weiter am Aufbau des Embryos — was ich jedoch nicht als erwiesen ansehen kann —, sondern Mesoderm und Entoderm werden von der Invagination der Gastrula II geliefert. Bei anderen Insecten dagegen (Lepidopteren, Phryganiden, Aphiden) liefern die aus der Gastrula I hervorgehenden Entodermzellen das gesammte Bindegewebe (Fettkörper), das Blut sowie vor allen Dingen das Epi- thel des Mitteldarms. Die Invagination der Gastrula II dagegen liefert bei diesen Insecten nur das eigentliche, in die Bildung des Muskelge- webes und des Peritoneums übergehende Mesoderm. Es liegt aber auf der Hand, dass in der Existenz dieser zwei verschiedenen Gastrulae in der Entwicklung ein und desselben Thieres ein Widerspruch liegt, wie er grösser gar nicht gedacht werden kann, Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 235 Es widerstreitet unserer gesammten embryologischen Erfahrung sowie dem Begriff „„Entwicklung‘‘ selbst, dass diese Entwicklungsphase, welche wir Gastrula nennen, zweimal in derselben Einzelentwicklung wieder- kehrt. Um diesen Gegensatz aus der Welt zu schaften, hat man ver- sucht, die eine oder die andere dieser Gastrulae hinweg zu disputiren, indem man der einen oder der anderen die Berechtigung, als Gastrula aufgefasst zu werden, absprach. Es haben sich jedoch im Laufe der letzten Jahre für die Berechtigung beider so viele schwerwiegende Beweise aufgehäuft, dass man schon gezwungen ist, andere Wege auf- zusuchen, um sich aus diesem Dilemma zu retten. Meiner Meinung nach liegt nun der einzige Ausweg darin, dass man, wie es schon von WEISMANN geschehen ist, die beiderlei Gastrulae lediglich als verschiedene Phasen eines und desselben Gastrulations- processes auffasst, die ursprünglich zeitlich verbunden, im Laufe der phylogenetischen Entwicklung so sehr auseinander gerückt sind, dass bei allen bisher untersuchten Insecten ihre Zusammengehörigkeit un- kenntlich geworden ist und man dieselbe nur noch durch Vergleiche feststellen kann. Dass diese Ansicht richtig ist, beweist die Entwicklung von Aphis, eines Thieres, das manche von den Vorfahren ererbte Charactere ge- treuer bewahrt hat als andere Insecten. Bei Aphis stehen die beiden erwähnten Phasen noch in unmittelbarem Zusammenhang, dessen Er- kenntniss jedoch durch das Vorhandensein eines secundären Dotters bis zu einem gewissen Grade erschwert wird. Bei Aphis finden wir noch eine ganz typische Gastrula. Die Derivate des Furchungskernes begeben sich sämmtlich an die Ober- fläche zur Bildung eines Blastoderms, welches nur am untern Eipol eine rundliche Stelle frei lässt, die zum Blastoporus wird. Am Rande des letzteren vermehren sich die Blastodermzellen sehr lebhaft ; ein Theil derselben löst sich los und wandert in Form amöboider Zellen in das Innere des Eies, um das Entoderm zu bilden. Nach demselben Vorgange bei anderen Thieren urtheilend, sollte man nun erwarten, dass sich, nachdem das Entoderm gebildet ist, der Blastoporus in einer Längsnaht schliesst und an seiner Stelle einen kurzen, scheibenartigen Keimstreifen entstehen lässt. Dass das in der That der Fall wäre, wenn nicht der secundäre Dotter die Bildung eines Keimstreifens vom gewöhnlichen Habitus hinderte, beweisen einige abnorme Fälle, wie sie durch die Figuren 10, 11 und 12 illustrirt sind. — Wie zu erwarten, ist die Anheftung des 16% 236 Dr. LUDWIG WILL, basalen Eipols an das Follikelepithel mancherlei Zufälligkeiten unter- worfen. Daher trifft ein aufmerksamer Beobachter immer auf verhält- nissmässig zahlreiche Embryonen, denen es nicht geglückt ist, diese Anheftung zu erreichen. Da in solche Eier natürlich von aussen her kein secundärer Dotter gelangen kann, so hat sich in Folge dessen hier der Blastoporus (Fig. 10, 11) schon zu einer sehr frühen Zeit, d. h. unmittelbar nach der Entodermbildung, geschlossen. Ueber dem- selben aber hat sich aus den verwachsenen Lippen des Blastoporus ein kurzer, gedrungener Keimstreif in Form eines Hügels (,,Keim- hügel“) gebildet, der die im Ei vorhandenen Entodermzellen (En) vor sich her schiebt. Fig. 12 bietet uns deswegen ein anderes Bild, weil die Entodermzellen hier unter dem Druck des anwachsenden Keim- streifens ihre amöboide Gestalt aufgegeben und eine polyédrische Form angenommen haben. Dieser kurze Keimstreif ist nun eine Bil- dung, die sich in nichts unterscheidet von dem kurzen Keimstreif von Corixa (METSCHNIKOFF Taf. XVI, Fig. 3—6), Lipeura (Fig. 57), Ca- lopteryx (Fig. 59) etc., nur dass bei diesen und auch bei den My- riapoden Beziehungen zu einem Blastoporus noch nicht nachgewie- sen sind. Der secundäre Dotter ist nun eine Bildung, die ausser den Aphiden nur noch ihren allernächsten Verwandten, den Coceiden und Psylliden, zukommt, bei andern Insecten sowie bei sämmtlichen übrigen Arthro- poden aber völlig vermisst wird. Es kann daher wohl als feststehend angesehen werden, dass die Aphiden diesen eigenthümlichen Dotter in Anpassung an ihre eigenthümlichen Fortpflanzungungsverhältnisse selbständig erworben und nicht von etwaigen Vorfahren ererbt haben. Da demnach die Vorfahren unserer heutigen Aphiden einer solchen Dotterzufuhr entbehrten, muss bei ihnen die Entwicklung einen ähn- lichen Gang genommen haben, wie das in den eben erläuterten Fällen der Fall war. Berücksichtigen müssen wir nur noch, dass sie jeden- falls nicht vivipar waren und ihre Entwicklung daher erst begannen, nachdem die Eier vollkommen ausgereift und ausgewachsen waren. Nach dem Gesagten können wir auf Grund des Entwicklungsganges un- serer heutigen Aphiden mit Zuhülfenahme jener als eine Art Rück- schlag aufzufassenden abnormen Fälle recht wohl auf die Entwicklung jener hypothetischen Stammformen zurückschliessen. Auch bei ihnen rückten die Derivate des Furchungskernes an die Eioberfläche, um das Blastoderm zu bilden ; auch hier liessen sie, wie das noch bei unseren heutigen Aphiden der Fall ist, den untern Eipol frei, welche Oeffnung dann zum Blastoporus wurde. Am Rande des Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 237 letzteren lösten sich amöboide Zellen ab, welche als Entodermzellen aufwärts wanderten und sich (Fig. 54a) dem dunklen Nahrungsdotter einlagerten. Nach der Production der Entodermzellen schloss sich der Blastoporus, vermuthlich in einer Naht, wie wir das von so vielen Thieren kennen, und in der ganzen Ausdehnung des ehemaligen Blastoporus bildete sich über demselben ein kurzer Keimstreif. So ergiebt sich ein Bild (Fig. 546), das genau der Figur 10 gleicht, nur dass der ganze Umfang des Eies im Verhältniss zum Keimstreifen bedeutend grösser ist, als das natürlich in den Figuren 10—12 der Fall sein kann. Die Anfangs auffallend kurze Ausdehnung der jungen Anlage des Keimstreifens ist eine für die Arthropoden höchst characteristische Er- scheinung. Besonders auffallend ist das bei den Myriapoden, bei Thieren also, die sich später durch eine ganz ausserordentliche Kör- perlänge auszeichnen. Auch bei den Insecten, besonders bei den Innenkeimern, macht sich dies Verhältniss in auffallendem Grade be- merkbar. Ich verweise nur auf die bereits angeführten Zeichnungen METSCHNIKOFF’S von Corixa, sowie auf die von mir in den Figuren 57, 58 im Schema wiedergegebenen Bilder BRANDT'S und MELNIKOW’s von Calopteryx und Lipeura. In allen diesen Fällen tritt nun, wenn der Keimstreif in die Länge zu wachsen beginnt, eine Erscheinung ein, die man im Allgemeinen als Bauchkrümmung bezeichnen kann; der Keimstreif krümmt sich in Folge des Längenwachsthums etwas nach innen, bleibt nun aber bei den Myriapoden und unsern Insecten hierbei nicht stehen, sondern stülpt sich tief in den Dotter ein und bringt auf diese Weise bei den Insecten den sogenannten inneren Keimstreifen hervor, der sich in seiner Entstehung in keiner Weise von dem der Tausendfüssler unterscheidet. Nicht anders kann der kurze Keimstreif der Figur 10, nicht an- ders der der hypothetischen Stammform der Aphiden (Fig. 54b) sein Längenwachsthum bewerkstelligt haben. Er stülpte sich, wie es die schematische Fig. 54c erläutert, in den Dotter ein und wuchs dann zu einem ebenso complieirten-Gebilde aus, wie es die heutigen’Aphiden zeigen. Da sich nach den Figuren 10, 11, 546 die erste kurze An- lage des Keimstreifen über der Stelle zeigte, wo das Prostoma zum Verschlusse kam, so muss mit dem Auswachsen des Keimstreifens auch das Anfangs kurze, von GÖTTE so benannte Prostomialfeld in der gleichen Weise an Länge zugenommen haben. Die Schlussnaht des Prostomas, wenn sie noch so lange als Naht existirt, wird dadurch ebenfalls bis zur Länge des Keimstreifens ausgezogen, sodass sie ent- 238 Dr. LUDWIG WILL, weder unmittelbar zur Mesodermfurche werden kann, oder, falls sie schon zum Schwund gekommen, die Mesodermfurche sich doch an derselben bilden kann, die ehemals von der Prostomialnaht eingenom- men war!). Genau so verhalten sich nun, wie wir in den früheren Capiteln gesehen haben, unsere heutigen Aphiden auch noch, nur dass bei ihnen das Auftreten eines secundären Dotters einige im Grunde unter- geordnete Veränderungen im Gefolge gehabt hat. Da vor oder wäh- rend der Gastrulation die Anheftung des Fies und damit die Einwan- derung des Dotters beginnt, kann es bei ihnen nicht sogleich zu einem vollständigen Schluss des Prostomas und folglich auch nicht zur Bil- dung eines regulären Keimstreifens kommen, wie ihn die Vorfahren zeigten und die übrigen Insecten (Fig. 57, 58) noch haben. Dieselbe Zellwucherung der Lippen des Blastoporus, die wir vorhin zu einem soliden Keimstreifen führen sahen, kann bei unsern heutigen Aphiden nur einen durchbohrten Keimstreifen (Fig. 52 a, Fig. 14), einen cylin- drischen Wulst zu Tage bringen, dessen Lumen von dem einwandernden Dotter ausgefüllt ist. Niemand wird bezweifeln, dass dieser durch- bohrte Keimstreif vollkommen homolog jenem soliden (Fig. 10, Fig. 54 b) ist. Auch er ist (Fig. 14, Fig. 52 a) über dem ehemaligen Blastoporus entstanden, hat aber nur einen Theil desselben zum Verschluss ge- bracht und eine runde Oefinung für den Dotter offen gelassen. Bei den Myriapoden, den endoplastischen Insecten und Aphiden- vorfahren sahen wir das Längenwachsthum des soliden Keimstreifens dadurch ermöglicht, dass sich der letztere wie ein Handschuhfinger in den Dotter einstülpt. Analog spielt sich der Vorgang an dem durch- bohrten Keimstreifen der heutigen Aphiden ab; nur dass hier die In- vagination keine geschlossene ist. Der Ringwulst der Fig. 52 a wächst zu dem Cylinder der Fig. 52b aus, der an seiner oberen Spitze als Oeffnung den emporgehobenen Rest des Prostomas trägt. Das ehemals kurze Prostomialfeld hat die Länge erreicht, welche die punktirte Linie angiebt, und nimmt mit dem weiteren Auswachsen des Keim- streifens noch fortwährend in demselben Maasse an Länge zu. In gleichem Maasse ist natürlich auch die Anfangs kurze hypothetische Prostomialnaht ausgewachsen, auch sie ist stets von derselben Länge wie der ganze Keimstreif. Anfangs muss sie sich natürlich in ihrer Mitte, d. h. an der Spitze des Keimcylinders, zu der runden Oeffnung 1) Auf die Umwandlung gewisser Theile des Keimstreifens in das Amnion komme ich im nächsten Capitel. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 239 des Prostomarestes erweitern, bis auch hier der Schluss eintritt. Da nun aber bei unsern Aphiden gleich wie bei andern Insecten die ganze eine Hälfte des invagirten Keimstreifens, wie im nächsten Capitel aus- geführt werden soll, sich zum Amnion umbildet, so kann natürlich nur die andere Seite ihren Character als Keimstreif bewahren und ebenso auch nur die eine Hälfte der Prostomialnaht wirklich zur Mesodermfurche werden. So ergiebt denn die Entwicklung der viviparen Aphiden, dass diese Thiere trotz der vielen Eigenthümlichkeiten, welche sie sich in Anpassung an ihre besonderen Fortpflanzungsverhältnisse neu erworben haben, dennoch den Entwicklungsgang der Vorfahren reiner bewahrt haben, als andere uns bisher in ihrer Entwicklung bekannt gewordenen Insecten. Bei ihnen kommt noch eine typische Gastrula vor; über dem Blastoporus derselben bildet sich der Keimstreif; an der Stelle, an der die Prostomialnaht zu suchen ist, entsteht die Mesodermfurche. Die Rän- der des Blastoporus geben damit sowohl dem Entoderm als auch dem Mesoderm ihre Entstehung. Bei Aphis stehen daher die im Anfange dieses Capitels als Gastrula I und Gastrula II unterschiedenen Stadien noch in unmittelbarstem Zusammenhang und documentiren sich daher lediglich als verschiedene Phasen ein und desselben Vorganges. Bei den übrigen Insecten sind diese beiden Phasen des Gastrulationsprocesses so weit auseinandergezogen, dass ihre Zusammengehörigkeit nur noch auf vergleichendem Wege erkannt werden kann. Die richtige Erkenntniss der letzteren wird in den meisten Fällen noch dadurch erschwert, dass sich meist die als Gastrula I bezeichnete Phase stark verwischt erweist. 2. Ueber den Ursprung der Embryonalhüllen bei den Insecten. Die Embryonalhüllen der Insecten, die ausser dieser Classe in derselben Form nur noch den höchsten Wirbelthieren zukommen, sind so auffallende Bildungen, dass sich Jedem, der sich mit der Ent- wicklung der Hexapoden beschäftigt, nothwendig die Frage nach dem phylogenetischen Ursprung derselben aufdrängen muss. Da bei den Insecten allein diese Frage nicht zu lösen war, musste sich natürlich die Aufmerksamkeit der Forscher auch auf andere Tracheaten richten. So erfahren wir durch METSCHNIKOFF (40), dass sich beim Scor- pion während der Bildung des Blastoderms eine zellige Hülle um den Embryo entwickelt, über deren Entstehung nur vermuthungsweise ge- 240 Dr. LUDWIG WILL, äussert wird, dass ihre Elemente von Zellen des Entoderms herrühren. Auch von Polyxenus lagurus giebt derselbe Autor (38) an, dass sich äusserlich vom Keimstreifen amöboide Zellen loslösen, von denen er aber ein etwaiges Aneinanderlegen zur Bildung einer einfachen Embryonalhülle nicht beschreibt. Sodann schildert KENNEL (25) in seiner interessanten Arbeit über Peripatus bei diesem Thier eine Embryonalhülle, die auf- fallend der vom Scorpion beschriebenen gleicht. Es lösen sich hier schon in einem sehr frühen Stadium einzelne Zellen vom Keim ab, die sich zu einer einschichtigen, den Embryo umhüllenden Zellhaut aneinanderlegen, welche der Verfasser als ,,Amnion“ bezeichnet. Ferner kommen bei den Araneinen, Acarinen und Myriapoden noch Embryo- nalhüllen in Gestalt von cuticularen Membranen vor, die als Abschei- dungsproduct des Blastoderms aufzufassen sind. Obwohl nun offenbar diese einfachen Hüllen in physiologischer Beziehung dieselben Dienste thun wie die complicirten Bildungen der Insecten, so ist es doch jedem Unbefangenen von vorne herein ersicht- lich, dass es sich hier um morphologisch ganz heterogene Bildungen handelt. Auf der einen Seite ganz einfache Cuticularbildungen und Abspal- tungen von Zellen, auf der anderen die complicirtesten Faltenbildungen. Da nun eine so complicirte Bildung, wie sie bei den Insecten den Embryonalhüllen den Ursprung giebt, unmöglich mit einem Male als Neubildung bei den Hexapoden in die Erscheinung getreten sein kann, man aber bei anderen Tracheaten nichts dem Aehnliches fand, wor- auf sie zurückzuführen gewesen wäre, bemühte man sich verschiedent- lich trotz der geringen Aussichten auf Erfolg, die Embryonalhüllen der Insecten auf die einfachen Hüllenbildungen bei Arachnoiden und My- riapoden zurückzuführen. So noch neuerdings in ganz auführlicher Weise KENNEL, der all die verschiedenen Hüllenbildungen der Tracheaten als homologe Dinge hinzustellen sucht. Wer jedoch seiner Darstellung mit Aufmerksamkeit folgt, kann sich des Gefühls einer gewissen Ge- schraubtheit seiner Ausführungen nicht erwehren. Immerhin wollte er, wie er selbst sagt, auch nur einen Versuch zur Lösung dieser Frage machen, einen Versuch, dessen Resultate von recht zweifelhafter Natur sind und die er auch wohl selbst nur als einen Nothbehelf angesehen wissen will. Vielleicht hätte er selbst gewünscht, die Embryonalhüllen der Insecten in ungezwungenerer Weise abzuleiten, wenn ihm nur die Entwicklung von Peripatus Anhaltspunkte dafür geboten hätte. Kenner hat ganz Recht, wenn er die Hauptschwierigkeit der Ab- leitung der Embryonalhüllen der Insecten in ihrer Entstehung durch Faltenbildung erblickt, und wenn er an der Hand der Entwick- Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 24 lung der Ephemeriden und Hemipteren versucht, sie auf eine Ein- stülpung des Keimes zurückzuführen. Wir müssen uns nur genau klar werden, was sich hierbei einstiilpt. KEenNEL begeht aber von vorne herein einen Fehler, wenn er mit Bezug auf die eben erwähnten Insecten sagt, dass sich die Embryonalanlage einseitig, mit dem Hinterende voran einstülpt und dadurch einen Theil des vorhin schon fertigen Blastoderms mit sich hineinzieht, der zum Amnion wird, wes- wegen eben das Amnion nur einen Theil der Serosa darstellen würde. Damit trägt aber der Verfasser einen Sinn in die Darstellungen Branpr’s (6) und MeErTschnIKorr’s (37) hinein, der diesen von Hause aus nicht innewohnt und der sich weder mit ihren Zeichnungen, noch mit dem wirklichen Thatbestand verträgt. Die Einstülpung besteht nicht aus Keimstreif und einem mit hineingezogenen Theil des Blasto- derms, sondern das, was sich einstülpt, gehört alles zum Keim- streif. Halten wir uns zunächst an die Insecten mit sogenanntem innerem Keimstreifen, also an Libellen und Hemipteren. Bei ihnen schildern alle Autoren den Vorgang der Invagination folgendermaassen: Es macht sich zunächst am untern Fipol oder in der Nähe desselben eine Verdickung des Blastoderms bemerkbar, deren oberer Abschnitt (Sp in Fig. 57, 59) zur Scheitelplatte wird, während der untere Theil den Keimstreifen darstellt (str), der aber zu jener Zeit, aus der diese Untersuchungen stammen, gewöhnlich als Keimhügel bezeichnet wurde. Dieser Keimhügel wölbt sich gegen den Dotter zu vor und gleicht dann einer napfartigen Einstülpung, die mehr und mehr auswächst und zu den bekannten Bildern führt. Dass es sich hierbei nur um eine Ein- stülpung der Keimstreifens handelt und der Vorgang nie so aufge- fasst werden kann, wie es von Kennet geschieht, geht noch besonders aus den Worten BrAnpr's hervor (1. c. p. 14): „Der Keimhügel son- dert sich bald in den eigentlichen Keim und das sogenannte Deckblatt“ (Amnion). Ebenso sagt MELNIKOW (36), p. 162 seiner Arbeit, dass der sich einstülpende Keim (bei Lipeura) aus zwei Segmenten besteht, von denen aber das hintere sich bald in eine einzellige Schicht (unser Amnion) umwandelt, während das vordere zum Keimstreifen wird. Von einem Mithineinziehen eines Theils des Blastoderms (Serosa) ist nirgends die Rede. Auch die Zeichnungen, die uns METSCHNIKOFF, MELNIKOW und BRANDT von diesen Vorgängen geliefert, zeigen, dass KENNEL unrichtig interpretirt. So zeigen die Figuren 3—5 von Co- rixa (METSCHNIKOFF Taf. XXVI), dass die Spitze der auftretenden In- vagination genau in der Mitte des Keimstreifens liegt und nicht am 242 Dr. LUDWIG WILL, Hinterende desselben, wie es nach Kenner’s Auffassung der Fall sein müsste. Dasselbe zeigen die Zeichnungen von Lipeura (MELNIKOFF Fig. 26, meine Fig. 57) und Calopteryx (BRANDT, Fig. 4, meine Fig. 59). Wenn das Amnion nur ein mit hineingezogener Theil des Blastoderms wäre, so müsste es von Hause aus ungefähr die Dicke des letzteren haben; dem gegenüber aber sehen wir überall, dass in den ersten Stadien der Invagination das Amnion auffallend stärker als das benach- barte Blastoderm ist und in dieser Beziehung vielmehr dem Keim- streifen gleicht. Auffallend ist seine ursprüngliche Dicke besonders bei Corixa (METSCHNIKOFF, Taf. XXVI, Fig. 7) und Aphis. Alle diese Thatsachen beweisen nur, dass lediglich der Keimstreif an der Inva- gination betheiligt ist, und dass das Amnion als ein rückgebildeter oder metamorphosirter Theil des Keimstreifens aufzufassen ist. Die Ursachen dieser Einstülpung sind sehr einfache; sie liegen in dem Längenwachsthum eines Anfangs sehr kurzen Keimstreifens. Wenn dieser an Länge zunehmen soll, so muss er sich krümmen, und da ihn nach aussen hin das Chorion hindert, so ist er genöthigt, sich in den Dotter einzustülpen. Ebenso einfach löst sich auch die Frage nach dem phylogenetischen Ursprung des Amnions. Wir müssen hierbei jedoch von physiologischen Beziehungen völlig absehen und uns ausschliesslich an die morpholo- gischen Verhältnisse halten. Fragen wir uns demnach, wo sonst noch bei Verwandten oder Vorfahren der Insecten eine derartige Einstül- pung des Keimstreifens vorkommt, so brauche ich nur darauf hinzu- weisen, dass das bei den Myriapoden der Fall ist. Wie die Arbeiten METSCHNIKOFF’S (38, 39) ergeben haben, ist auch bei ihnen die erste Anlage des Keimstreifens im Vergleich zu seiner künftigen Länge ausserordentlich kurz and verhält sich bei seinem Auswachsen genau so, wie es von Insecten mit innerem Keimstreifen geschildert wird. Der kurze Keimstreif krümmt sich zunächst und senkt sich ein wenig in den Dotter ein; diese anfangs flache, napfartige Einstülpung wächst immer mehr aus, bis schliesslich eine tiefe Invagination entsteht, die genau dem uns von den Insecten bekannten Bilde gleicht. Bei den Myriapoden aber, bei denen es überhaupt nicht zur Bildung von Em- bryonalhüllen kommt, die denen der Insecten als Homologa an die Seite gestellt werden könnten, bewahrt der ganze eingestülpte Keim- streif in seiner ganzen Ausdehnung seinen Character als Keimstreif; bei ihnen entwickelt noch der ganze Keimstreif Extremitätenanhänge und geht demnach in seiner ganzen Länge in die Bildung des Em- bryos ein. Bei den Insecten dagegen bewahrt nur der aufsteigende Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. YAS Theil des Keimstreifens seinen Character als Keimstreif; der abstei- gende Abschnitt desselben erfährt eine Rückbildung und wird zur Bildung einer inneren Embryonalhülle, des Amnions, verwandt. Diese Rückbildung eines grossen Theils des Keimstreifens ist gleichzeitig vielleicht geeignet, um eine Erklärung für die so bedeutend geringere Segmentzahl bei den Hexapoden zu geben. Einfachere Verhältnisse bietet die Serosa. Sie geht, wie ohne Weiteres ersichtlich, aus der directen Umwandlung des grössten Theiles des Blastoderms, also aus einem wesentlichen Theil des Embryos, her- vor, den wir bei den Myriapoden natürlich ebenfalls bereits vorfinden, der hier aber noch direct am Aufbau des Embryos sich betheiligt. Demnach ist das kurze Resultat dieser Betrachtung, dass bei den mit einem inneren Keimstreifen versehenen Insecten die Embryonal- hüllen aus der directen Umwandlung von Embryonaltheilen hervor- sehen, die bei den Vorfahren bereits in der Anlage vorhanden waren, bei diesen aber noch sich activ am Aufbau des Embryos betheiligten. Die Einstülpung des Keimstreifens aber ist nicht als eine besondere zur Hervorbringung der Embryonalhüllen hinführende Bildung aufzu- ‘fassen, sondern ist auf eine Bauchkrümmung des Keimstreifens in Folge starken Längenwachsthums zurückzuführen, auf einen Vorgang also, der in demselben Grade bereits den Myriapoden zukommt, ohne dass er bei diesen zur Bildung von embryonalen Hüllen dient. Bekanntlich weisen die Embryonalhüllen der Insecten hinsichtlich ihres Verhältnisses zu dem von ihnen umgebenen Embryo in den verschiedenen Gruppen recht erhebliche Unterschiede auf. Nichts- destoweniger hat man es schon seit lange verstanden, die einzelnen Variationen, wenn auch nicht immer in der richtigen Weise, auf ein- ander zurückzuführen. Es erhebt sich nun für uns die Frage, welche Form der Embryonalhüllen als die älteste und ursprünglichste anzu- sehen ist. Sicherlich ist es diejenige, welche sich am engsten an die bei den Myriapoden vorgefundenen Verhältnisse anschliesst. Die Zeichnungen METSCHNIKOFF’S von der Myriapodenentwicklung zeigen, dass lediglich der Keimstreif sich einstülpt, dass dagegen die in die Bildung des Hirns eingehende Scheitelplatte äusserlich liegen bleibt. Die ursprünglichste Form der Embryonalhüllen bei den Insecten wäre daher diejenige, welche, ohne dass secundäre Bildungen hinzu- treten, einfach aus der Umwandlung des Blastoderms (mit Ausschluss der Scheitelplatte) und der absteigenden Hälfte des Keimstreifens her- vorgeht. Die Scheitelplatte bliebe hier stets unbedeckt, und die Em- bryonalhüllen verharrten auf einem Stadium, wie es meine Figur 27 244 Dr. LUDWIG WILL, von Aphis zeigt. Allein wir kennen bis jetzt kein Insect, bei dem die Embryonalhüllen diesen primitiven Zustand bewahrten; bei allen uns bisher bekannt gewordenen Hexapoden treten zu diesen primären Em- bryonalhüllen secundäre Bildungen hinzu, die zu einer mehr oder minder vollständigen Umhüllung auch der Scheitelplatte führen. Unsere Aphis schliesst sich dadurch noch am nächsten an die Myriapoden an, dass auch bei ihr nur der Keimstreif sich einstülpt, während die Scheitelplatte stets ihre oberflächliche Lage bewahrt und auch später nicht mit in die Einstülpung hineingezogen wird. Hier macht sich jedoch bereits eine secundäre Bildung bemerkbar, welche zur Umhüllung der Scheitelplatte führt und darin besteht, dass (Fig. 55) an der Uebergangszelle von Serosa und Amnion einerseits und Serosa und Scheitelplatte andrerseits sich eine Falte erhebt, die als einfache Lamelle weiter wächst und sich am untern Eipol begegnet und ver- wächst (Fig. 23—31, 40). Diese Kopfserosa ist demnach als eine secundäre Neubildung aufzufassen. In einer ebenfalls noch sehr ursprünglichen Form finden sich die Embryonalhüllen bei den parasitischen Hemipteren. Auch bei ihnen stülpt sich nur der Keimstreif ein, während die Scheitelplatte zunächst ihre äussere Lage bewahrt und so lange unbedeckt erscheint. Bevor jedoch noch das Amnion seine definitive Structur erhält, so sagt MEL- NIKOW p. 163, wird auch der Ueberrest des Schildes, d. h. die Scheitel- platte, mit in die Einstülpung hineingezogen, so dass dieselbe nunmehr als ein vorderer Abschnitt des Keimstreifens erscheint. Es spielt sich bei den Pediculinen und Mallophagen demnach der Process der Em- bryonalhüllenbildung in zwei wohl getrennten Phasen ab: zuerst stülpt sich nur der Keimstreif ein, und daran schliesst sich erst später ein secundärer Vorgang, das Hineinziehen der Scheitelplatte in die Ein- stülpung. Dieser letztere Vorgang ist sicherlich ebenso als selbständige Erwerbung anzusehen wie die Kopfserosa der Blattläuse. Sie bewirkt auch in diesem Falle, dass die Scheitelplatte bedeckt wird, und ver- ursacht gleichzeitig (Fig. 58), dass die Uebergangsstellen von Serosa in Amnion und Serosa in Scheitelplatte ganz nahe aneinanderrücken, ohne jedoch zu verwachsen. Während bei Aphis die Kopfserosa eine einfache Haut darstellte, ist hier auch der Kopf von einer doppelten Hülle umgeben. Vollkommener finden wir die Umhüllung des Embryos bereits bei Hydrometra, Corixa und Calopteryx. Ich halte mich nur an die letz- tere Form, da die beiden ersten sich nach BRANDT (6) genau ebenso verhalten. Die beiden Phasen, die wir bereits bei den parasitischen Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 945 Hemipteren unterscheiden konnten, treten hier noch viel auffallender hervor. Auch hier stülpt sich zunächst nur der Keimstreif ein, wäh- rend die Scheitelplatte wie bei den Myriapoden ihre äussere Lage be- wahrt (Fig. 59a-c). Erst viel später, nachdem bereits das Amnion seine definitive Structur angenommen hat, der Keimstreif zu seiner de- finitiven Länge ausgewachsen und sogar die Segmentirung eingetreten ist (Fig. 59a), macht sich ein secundärer Vorgang bemerkbar, der auch hier darin besteht, dass die Scheitelplatte mit in die Einstülpung hineingezogen und so eine vollständige Umhüllung des Embryos er- reicht wird. Auch hier treten über dem Kopf die Uebergangsstellen von Amnion und Serosa und Scheitelplatte mit einander in Berührung; während aber bei Pediculinen und Mallophagen die ursprüngliche Ein- stülpungsstelle erhalten blieb, verwachsen hier die Hüllen an der Be- rührungsstelle mit einander zu einem Strange, der, gewissermaassen als Aufhängeband des Embryos dient (BRANDT, I. c. Fig. 12). Auch bei den Insecten mit sogenanntem äusserem Keimstreifen lässt sich, wie schon KENNEL versucht hat, die Bildung der Embryo- nalhüllen auf eine Einstülpung zurückzuführen. Doch auch hier be- theiligt sich nur der Keimstreif an der Einstülpung und kann von einem Hineinziehen eines Theils der Serosa im Sinne KEnner’s durch- aus nicht die Rede sein; auch hier geht demnach das Amnion aus der Umwandlung eines Theils des Keimstreifens hervor. Zum Beweise brauche ich nur auf die bekannten Querschnitte KowALEVSKyY’s und HEIDER’S vom Hydrophilus-Ei zu verweisen, in denen das Amnion lange Zeit hindurch dieselbe Dicke und denselben Character wie der Keimstreif bewahrt und sich Anfangs scharf gegen die zarte Serosa absetzt. Leider fehlt es bislang an Längsschnitten durch die betref- fenden Stadien; den einzigen vorhandenen, der sich in meiner Fig. 61 copirt findet, verdanken wir PATTEN (44), der ihn einem Phryganiden- embryo entnommen hat. Diese Figur beweist nun auf das Klarste die Zugehörigkeit der Amnionanlage zum Keimstreifen, was PATTEN noch besonders in folgenden Worten hervorhebt: „Man bemerkt, Taf. XXXVIB, Fig. 8, dass zur Zeit, wo die Faltenbildung beginnt, das innere Blatt derselben (Amnion) dieselbe Dicke wie die Bauchplatte selbst hat, und dass auch die Kerne dieselbe morphologische Lagerung einnehmen, während andrerseits das äussere Blatt (Serosa) sehr dünn ist und ein- fach eine Fortsetzung des Blastoderms darstellt. Diese Beziehungen sind noch in viel späteren Stadien (Fig. 9 und 10) wahrzunehmen, sogar dann noch, wenn die Hüllen bereits vollständig angelegt sind (Fig. 10). In Folge dieses Verhaltens liegt demnach die wahre Grenze der Bauchplatte nicht da, wo Amnion und Bauchplatte zusammenstossen, 246 Dr. LUDWIG WILL, sondern da, wo das Amnion sich in die Serosa fortsetzt.“ p. 571 sagt dann PATTEN weiter, dass er nach den Bildern KowaLevsKy’s annehmen möchte, dass auch bei Aydrophilus das Amnion ein Ab- kömmling der Bauchplatte ist, und dass dasselbe auch nach BOBRETZKY bei Porthesia der Fall ist, obwohl hier die Differenz zwischen Blasto- derm und Amnion nicht so gut ausgeprägt ist wie bei Hydrophilus. Trotzdem es nun nach diesen Ausführungen auch für die Insecten mit sogenanntem äusserem Keimstreifen als feststehend angesehen werden darf, dass ihr Amnion aus der directen Umwandlung gewisser Theile des Keimstreifens hervorgeht, erweist sich dennoch bei den wenigen bisher untersuchten Formen die ursprüngliche Form der Ein- stülpung stark verwischt. Bei den Libelluliden und der Mehrzahl der Hemipteren war noch die primäre Einstülpung des Keimstreifens durch einen grösseren Zeitraum deutlich von dem secundären Nachziehen der Scheitelplatte in die Einstülpung geschieden. Beide ursprünglich ge- trennten Vorgänge sind bei den Aussenkeimern in einen Vorgang zu- sammengezogen, Keimstreif und Scheitelplatte stülpen sich hier bereits gleichzeitig in den Dotter ein (Phryganiden). Ein wenig ursprüng- lichere Verhältnisse treffen wir allerdings noch bei Hydrophilus, indem hier der Kopftheil zuletzt in den Dotter einsinkt. Am stärksten ver- wischt erweist sich dagegen der ursprüngliche Charakter der Ein- stülpung bei den Bienen; bei ihnen ist der Process nicht bei der gleich- zeitigen Einstülpung von Scheitelplatte und Keimstreif stehen geblieben, sondern es geht hier sogar nach BürscHLı und KowALEvskY der Kopf- theil voran. Bei diesen Insecten mit einem äusseren Keimstreifen haben gleich- zeitig die Embryonalhüllen ihren höchsten Grad der Ausbildung erreicht ; bei ihnen allein kommt es zu einer völligen Trennung zwischen Amnion und Serosa. Nachdem wir gesehen haben, dass die Insecten mit äusserem Keim- streifen ihre Embryonalhüllen in derselben Weise entstehen lassen, wie das bei den Binnenkeimern der Fall ist, können wir unsere obigen Resultate auf sämmtliche Insecten ausdehnen. Bei allen Insecten lässt sich der Process, der zur Bildung der Embryonalhüllen hinführt, auf die Bauchkrümmung des Keimstreifens bei den Myriapoden zu- rückführen. Die Embryonalhüllen der Insecten waren demnach bereits bei den Tausendfüsslern in der Anlage vorhanden. Wie die Serosa aus der Metamorphose eines grossen Theils des Blastoderms entsteht, so entsteht das Amnion aus einer Umwandlung von Theilen des Keimstreifens. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. DAT Nur die Pteromalinen nehmen unter allen Insecten eine Ausnahme- stellung ein, die vielleicht ebenso wie ihre gesammte merkwürdige Entwicklung zum grossen Theil eine Folge ihrer parasitischen Lebens- weise ist. Ihnen sind nämlich die Embryonalhüllen der übrigen In- secten abhanden gekommen und dafür sind neuerworbene, stellver- tretende Bildungen aufgetreten. So findet Ayers (1) bei einer im Ei von Oecanthus vorkommenden Teleas keine Spur einer zelligen Em- bryonalhülle, dagegen findet sich in allen Stadien eine den Parasiten umgebende Masse von klarer, protoplasmatischer Substanz, welche durch die Gegenwart oder durch Secretion des Parasiten entstanden ist. Dem gegenüber findet Merscunikorr beim Embryo einer im Ei von Gerris lacustris vorkommenden Teleas eine einfache zellige Em- bryonalhülle, welche aber gleichfalls wegen ihrer ganz abweichenden Entstehung keinerlei Homologisirung mit den Embryonalhüllen andrer Insecten zulässt. Dasselbe gilt von der von Ganin geschilderten Embryonalhülle von Platygaster. Alle diese Bildungen haben mit den complieirten Hüllen der übrigen Insecten nur die physiologische Function gemein; ihre Entstehung aber, die allein für den morpho- logischen Vergleich ausschlaggebend ist, ist eine ganz andere. Unter denselben Gesichtspunkt fällt auch eine Notiz METSCHNIKOFF’s über die Embryonalhüllen von Ameisen aus Madeira. Auch diese sollen keine eigentlichen Embryonalhüllen besitzen, sondern es sollen sich hier nur eine Anzahl von Zellen von einem hügelförmigen Zellenhaufen ablösen. Wir können alle solche Embryonalhüllen, die nicht aus der directen Umwandlung von wesentlichen Theilen des Embryos hervorgegangen sind, sondern die einem secundären Bildungsvorgang ihren Ursprung verdanken, als secundäre Embryonalhüllen zusammenfassen, im Gegensatz zu den primären, deren Entstehung vorhin genau er- läutert wurde. Auch die Embryonalhüllen von Peripatus und der Myriapoden sind den secundären zuzurechnen und gestatten ebensowenig eine Homologisirung mit den primären Hüllen der Insecten. Schliesslich giebt uns noch das Studium der Embryonalhüllen ein treffliches Mittel an die Hand, das Alter der verschiedenen Insecten- gruppen zu beurtheilen. Es kann nach unsern Auseinandersetzungen gar kein Zweifel sein, dass die Insecten mit innerem Keimstreifen als die ältesten Formen anzusehen sind, aus dem einfachen Grunde, weil diese sich bezüglich der Entstehung ihres Keimstreifens und ihrer Hüllen am engsten an die Myriapoden anschliessen. Dass zum Beispiel 248 Dr. LUDWIG WILL, Aphis auf einen frühen Ursprung hinweist, geht ausserdem noch aus der Entstehung der Scheitelplatte hervor, die hier noch, genau wie bei Würmern, am Scheitelpol entsteht, was bei den meisten der bisher untersuchten Insecten wohl sicher nicht mehr der Fall ist. IV. Die Entstehung der Organe. 1. Das Entoderm und seine Gebilde. Die Entodermzellen entstehen, wie wir gesehen haben, am Rande des Blastoporus. Ueber den morphologischen Werth derselben brauche ich mich an dieser Stelle um so weniger auszulassen, als ich darüber bereits in einem früheren Capitel das Nöthige gesagt. Nach ihrer Bildung zerstreuen sich die Entodermzellen in dem hellen Dotter, sich lebhaft durch Theilung vermehrend. Da die Thei- lung bei den Einen lebhafter fortschreitet als bei den Andern, ist ihre Grösse ausserordentlich verschieden, wie man z. B. aus der Fig. 15 ersieht. Ihr Verhalten gegenüber dem in das Eiinnere sich ein- stülpenden Keimcylinder und dem einwandernden Dotter wurde be- reits eingehend erörtert. Was die Einwanderung des secundären Dotters anlangt, so bewegt sich die Masse des letzteren jedenfalls nicht selbständig, sondern sie wird durch die im Follikelepithel erfolgende Bildung stets neuer Dotterpartikel mechanisch vorwärts geschoben. Dabei bewegt sich nun der Dotter nicht als compacte Masse, sondern die einzelnen Dotter- sranula suchen sich vermöge ihrer gegenseitigen Verschiebbarkeit ihren eigenen Weg durch die Lücken des plasmatischen Maschenwerks, das von dem früher in diesen gelegenen primären Dotter durch dessen Resorption mittlerweile frei geworden ist. Dass der Vorgang sich so abspielt und nicht anders, beweist am besten der bereits erwähnte Umstand, dass nicht nur die amöboiden Entodermzellen ihre Lage bei- behalten, sondern dass auch das ganze plasmatische Netzwerk in der- selben Anordnung erhalten bleibt (Fig. 19, 20). Eine Zerklüftung des Dotters tritt bei den verschiedenen Aphiden zu sehr verschiedener Zeit, bei unserer Aphis pelargonii in der Regel erst zur Zeit der Darm- bildung ein. Es ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung, dass der secundäre Dotter das vom Blastoderm umgebene Lumen des Eies nicht voll- ständig ausfüllt, sondern, wie das aus den Figuren 14, 16, 19 ersicht- lich, in der Gegend des obern Eipols eine Stelle freilässt, an der die Maschen des plasmatischen Entodermnetzes nicht mit den Körnern des Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 249 accessorischen Dotters ausgefüllt werden. Je nach der Vertheilung der Entodermzellen können nun in diesem dotterfreien Raum Zellen gefunden werden (Fig. 14, 16) oder nicht. Jedenfalls unterschei- den sich diese Entodermzellen von den im Dotter befindlichen in keiner Weise. Immer aber findet man diesen Raum mit dem Plasma- netz ausgefüllt, welches ja lediglich einen Theil des übrigen Ento- derms ausmacht. Wenn man ein frisches Ei in toto ansieht, so bemerkt man dieses Netzwerk häufig nicht, besonders nicht, wenn keine Zellen in demselben suspendirt sind. Man glaubt alsdann einen Spaltraum zwischen Blastoderm und Dotter vor sich zu haben, der von WITLACZIL für eine Furchungshöhle angesehen wurde, offenbar mit Unrecht. Ein derartiger, vielleicht als Furchungshöhle aufzufassender Spaltraum existirt allerdings; derselbe tritt aber, wie wir gleich sehen werden, zwischen Keimstreif und Blastoderm auf und stellt die primäre Leibes- höhle dar. Zu einer ganz eigenthümlichen Ansicht über das Entoderm ist WiTLACZIL in Folge fehlerhafter Beobachtung gelangt. Auch er hält für das Entoderm jene amöboiden Zellen, wie sie nach Ablauf der Gastrulation in dem hellen primären Dotter (Fig. 4—8) gefunden werden. Da er nun aber den in das Ei vordringenden secundären Dotter für eine zellige Masse hält — jedenfalls hat er die im dunklen Dotter gelegenen Entodermzellen für Kerne seiner Dotterzellen ge- halten —, glaubt er beobachtet zu haben, dass der anwachsende secundäre Dotter die Entodermzellen nach dem obern Eipol zu ver- drängt, und sieht die letzten Reste des Entoderms in jenen Zellen, die in dem von Dotter freien Raum am obern Eiende (Fig. 14, 16) ge- legen sind. Diese Zellen sollen dann noch weiter rückgebildet werden, um schliesslich gänzlich zu schwinden, so dass am Ende nur Ectoderm und Mesoderm übrig bleiben. Die Unrichtigkeit dieses Entoderm- schwundes, aus dem er die weitestgehenden Schlüsse zieht, erhellt ohne Weiteres aus der von mir gegebenen Darstellung. Bei der ersten Anlage des Keimcylinders liegt die zum Keim- streifen werdende Hälfte desselben dem Blastoderm ebenso dicht an, wie es bei der gegenüberliegenden Cylinderwand der Fall ist (Fig. 14, 15, 16). Bald aber tritt zwischen Keimstreif und Blastoderm ein Spalt auf (Fig. 17, 18, 19 u. f.), in welchen sofort nach seinem Er- scheinen Entodermzellen hineinwandern, die zu diesem Behufe aus dem secundären Dotter heraustreten. Schon in der Fig. 16 macht sich das erste Stadium dieses Processes bemerkbar; in derselben ist der erwähnte Spalt eben angedeutet, und gleich schickt sich eine Ento- Zoolog. Jahrb. III. Abth. f, Morph, 17. 250 Dr. LUDWIG WILL, dermzelle an (En), denselben auszufüllen. Weiter ist der Process in den Figuren 17, 19, 24, 29 gediehen; im ersten Bilde ist bereits eine Entodermzelle (En) an ihr Ziel gelangt, während andere im Begriffe stehen, ihr zu folgen; in Fig. 24 aber sind auf dem Schnitt bereits drei Entodermzellen an der betreffenden Stelle wahrzunehmen, die auf gleichem Wege hierher gelangt sind. Diese ausgewanderten Zellen sind die ersten Vorläufer einer ausgedehnten Zellenwanderung, die, wie gleich geschildert werden soll, erst später eintritt. Diese Vorläufer, die einstweilen ihren indifferenten entodermalen Charakter bewahren, sind keine absolut nothwendige Erscheinung, wie schon daraus hervorgeht, dass sie häufig (Fig. 26, 28) fehlen; auch treten sie in verschiedenen Eiern zu verschiedener Zeit auf, so dass z. B. in dem ziemlich weit vorgeschrittenen Stadium der Fig. 25 eben der erste Schritt zur Wanderung erkennbar ist. Der geschilderte Spalt- raum stellt die primäre Leibeshöhle der Aphiden dar. Der Eintritt der erwähnten Massenauswanderung von Entoderm- zellen aus dem Dotter steht in engster Beziehung mit Lageverän- derungen innerhalb des mittleren Keimblatts. Wir haben gesehen, dass das letztere (Fig. 38) in der Medianlinie des Keimstreifens innerhalb einer Mesodermfurche entsteht. Lange Zeit nun bleibt das Mesoderm an seiner Bildungstätte in der Medianebene des Körpers liegen, so dass man es auf medianen Längsschnitten durch das Ei (Fig. 18, 19, 24 bis 29) immer in der ganzen Längsausdehnung zur Ansicht bekommt (Me). Mit dem Beginn der Extremitätenbildung aber verlässt es seine ursprüngliche Lage und theilt sich in zwei Mesodermstreifen (Fig. 44), welche sich über den seitlichen zur Extremitätenbildung verwandten Theilen des Keimstreifens anordnen. Durch diese Lageveränderung des Mesoderms wird zwischen dem medianen Theil des Keimstreifens und der Serosa (Fig. 30 u. ff.) ein Raum (die Fortsetzung der vorhin wesentlich auf den Kopf beschränkten Leibeshöhle) frei, in den als- bald vom Dotter her grosse Mengen von Entodermzellen einwandern, wie man das an den Figuren 30, 31, 34, 44, 46 verfolgen kann. Diese in die primäre Leibeshöhle eingetretenen Entodermzellen bilden nun, zusammen mit den bereits erwähnten ihnen vorangegangenen Vor- läufern, ein lockeres Maschengewebe, welches besonders an den citirten Querschnitten leicht erkennbar ist; nur in der Medianebene, an der Stelle also, an der später der Mitteldarm entsteht, drängen sie sich kurz vor dem Auftreten desselben näher aneinander (Fig. 30). Da das Mesoderm eine ganz scharf abgegrenzte Masse bildet, die sich auch durchweg dunkler färbt, sind die Zellen des Entoderms stets Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 951 mit grosser Deutlichkeit als solche zu erkennen, so dass die auf Schnitten erhaltenenen Bilder weder zu Verwechselungen noch zu /weifeln Anlass geben können. Mit dem Beginn der Massenwanderung von Entodermzellen machen sich zugleich die ersten Anfänge der Darmbildung bemerkbar. Zu- nächst tritt in der Mittellinie des Körpers zwischen den Scheitelplatten und dem vorderen Ende des Keimstreifens eine rein ectodermale Ein- stülpung (Fig. 30) auf, welche die erste Anlage des Vorderdarms dar- stellt. Das Mesoderm, dessen beide Seitenstränge in der Gegend des Mundes zusammenfliessen, wird hierbei nach vorne geschlagen, so dass die Mundeinstülpung also nicht, wie es von WITLAczIıL angegeben und auch abgebildet wird, von einer Mesodermschicht überkleidet ist. Nur an der vorderen, in den Zeichnungen Fig. 30, 31, 32, 34 untern Wandung des Stomodäums findet man constant das zurückgeschlagene Mesoderm (Me), welches an dieser Stelle mit dem am Ectoderm liegen gebliebenen Theil des unpaaren Kopfmesoderms eine auf dem Schnitte dreieckige Masse bildet, die ein deutliches Lumen (secundäre Leibes- höhle) erkennen lässt und später in die Bildung des Vorderkopfes eingeht. Etwas später tritt nach METSCHNIKOFF und WiTLACzIL eine ähn- liche Einstülpung auch am hintern Ende des Keimstreifens auf, welche die Anlage des Enddarmes darstellt. Ich selbst konnte diese Ein- stülpung wegen der bei Aphis pelargonti besonders starken Krümmung des hinteren umgeschlagenen (Fig. 31, 33) Abschnitts des Keimstreifens nicht mit der nöthigen Schärfe nachweisen. An frischen Präparaten konnte ich zwar eine zum Enddarm werdende Einstülpung wahr- nehmen, doch konnte ich keine so klaren Bilder erhalten, dass ich daran die näheren Details hätte verfolgen können. Der Mitteldarm entsteht dadurch, dass sich zunächst im Kopf- theil des Embryos einige Entodermzellen der Körpermitte zu einem soliden Strange an einander reihen und sich dem blindgeschlossenen Ende der Mundeinstülpung anlegen (Fig. 30). Sehr bald aber tritt im vordersten Theil des Stranges ein deutliches Lumen auf, und gleichzeitig, also zu einer auffallend frühen Zeit, bricht auch an der Spitze der Mundeinstülpung eine Oeffnung durch, sodass die Lumina von Vorder- und Mitteldarm bereits mit einander in Verbindung treten, wenn von letzterem erst der vorderste Abschnitt angelegt ist (Fig. 32). Vorder- und Mitteldarm sind durch eine sehr merkliche Differenz ihrer Zellen deutlich von einander unterschieden; ausserdem fällt die Verbindungsstelle von Mitteldarm und Vorderdarm dadurch sofort in Wee 352 Dr. LUDWIG WILL, die Augen, dass beide an dieser Stelle im Anfang eine Knickung bilden, indem sie unter einem stumpfen Winkel einander begegnen. Ausserdem ist Anfangs der Mitteldarm von bedeutend geringerem Durchmesser als der Vorderdarm. Bemerken muss ich noch, dass der in Fig. 32 abgebildete Schnitt etwas schief geführt ist, so dass der obere Theil der Figur aus der Medianebene heraustritt. Daher ist an diesem Bilde der Zusammenhang des Mitteldarms mit dem übrigen Entoderm nicht ersichtlich. Aus der Combination der übrigen Schnitte der Serie war jedoch zu ersehen, dass die Masse der ausgewanderten Entodermzellen sich genau so verhielt, wie das in Fig. 30 der Fall ist. Bedeutend weiter ist der Process der Darmbildung in Fig. 31 gediehen. Das Lumen des Mitteldarms lässt sich hier bereits bis in den Anfang des ersten Thorakalsegments verfolgen, von welcher Stelle an er sich nach hinten in einen soliden Entodermstrang fortsetzt. Dorsal von dem noch soliden Abschnitt des Mitteldarms sieht man bei b noch andre Entodermzellen gelegen, die man an andern Präparaten (Fig. 34) an dieser Stelle vermisst. Eine weitere Bedeutung kommt aber diesem Umstande keineswegs zu. Da wir an dem Querschnitt Fig. 47 rechts und links vom Darm andre Entodermzellen liegen sehen, kann es ja bei vorhandenem Raum immer einmal möglich sein, dass sie sich auch über dem Darme lagern, besonders da in späterer Zeit Entodermzellen in der ganzen Umgebung des Mitteldarms gefunden werden. Noch weiter als in Fig. 31 ist die Darmbildung in Fig. 34 fortgeschritten, in der das Lumen des Darms bereits bis in das zweite Segment des Thorax reicht. Zwar konnte ich an andern Präparaten das Darmlumen noch etwas weiter verfolgen, doch sind die betreffenden Schnitte leider so unglücklich geführt, dass ich zu ihrer Demonstration die ganze Serie hätte vorführen müssen. Zum Schluss verweise ich jedoch noch auf die Fig. 47, welche einen Querschnitt durch den in Bildung begriffenen Mitteldarm dar- stellt. Derselbe ist in Höhe der Geschlechtsanlage durch das zweite oder dritte Thorakalsegment eines Embryos geführt, der wenig älter als derjenige der Fig. 46 ist. In dem Zwischenraum zwischen Keim- streif und Serosa sehen wir eine ganze Reihe von Entodermzellen liegen, die ein loses Maschenwerk darstellen. In der Mitte dieser Entodermmasse aber, genau in der Medianebene des Körpers, erkennen wir den quer durchschnittenen Mitteldarm, der an dieser Stelle noch kein Lumen besitzt, das dagegen an den weiter nach vorn liegenden Schnitten bereits mit Deutlichkeit wahrzunehmen war. Ausserdem zeigt der Darm an diesem hintersten Abschnitt noch keinen bestimmten Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 253 Contour, vielmehr zeigen seine dicht an einander gedrängten Zellen, was für seine Bildungsweise charakteristisch ist, noch zarte Proto- plasmafortsätze, die mit dem benachbarten entodermalen Plasma- maschenwerk anastomosiren. In ganz derselben Weise, wie die Entodermzellen aus dem Dotter an das Vorderende des Körpers wandern, um den vordern Abschnitt des Mitteldarms zu bilden, geht ein wenig später auch eine Wanderung von Dotterzellen an das Hinterende vor sich. Die Figuren 31 und 33 mögen diesen Vorgang erläutern. Auch hier bilden die ausge- wanderten Entodermzellen über der Medianlinie einen soliden Zellen- strang, der zunächst auf dem Schnitt (Fig. 31) als eine einfache Zellenreihe erscheint. In Fig. 33 dagegen bemerkt man bereits zwei Zellenlagen über einander; ob aber die Grenze zwischen beiden dem künftigen Lumen entspricht, konnte ich nicht entscheiden, obwohl es wahrscheinlich ist. Nach vorne zu sehen wir die Zellen des hintern Abschnitts des Mitteldarms sich direct in die Zellen des jetzt bereits in Schollen zerfallenen Dotters fortsetzen. Hier lassen mich jedoch meine directen Beobachtungen bezüglich der Entstehung des Darmtractus im Stich. Ich kann nicht angeben, in welcher Weise sich die den hintern Theil des Mitteldarms bildenden Entodermzellen der Enddarmeinstülpung anlegen; es ist indessen wahr- scheinlich, dass der Process sich hier genau so abspielt, wie am Vorder- ende, und dass auch das Lumen in analoger Weise zum Durchbruch kommt. Eines ist aber sicher, dass der Mitteldarm sich von zwei ver- schiedenen Punkten, von vorne und von hinten her, anlegt, wie das ja auch bei verschiedenen andern Insecten bereits constatirt ist, und dass der Mitteldarm in der Mitte des Körpers zuletzt fertiggestellt wird. Diesen Zusammenstoss der beiden Hälften des Mitteldarms, der nur in die Zeit der Umrollung des Embryos fallen kann, mag vielleicht WirLACZIL thatsächlich beobachtet haben, hat aber dann hieraus ge- schlossen, dass es sich um ein Zusammenstossen von Proctodäum und Stomodäum handle. Wenn ich nun auch die Fertigstellung des ganzen Darmes nicht bis zum Schluss beobachten ‚konnte, so geht doch aus dem Gesagten mit absoluter Sicherheit hervor, dass der Mitteldarm vom Entoderm, d. h. von einem Theil jener Entodermzellen gebildet wird, die aus der Masse des secundären Dotters heraustreten und theils an das vordere, theils an das hintere Körperende wandern. Vorderdarm und Enddarm 254 Dr. LUDWIG WILL, entstehen dagegen aus rein ectodermalen Einstülpungen, die Anfangs sogar des Mesodermüberzugs entbehren !). Bezüglich des secundären Dotters sei hier nur darauf hingewiesen, dass er nicht in den Mitteldarm eingeschlossen wird, sondern vorläufig noch in derselben Gestalt im Embryo verbleibt. Nur ist er um diese Zeit bereits in einzelne Schollen zerfallen und werden die Entoderm- zellen dann sowohl innerhalb der Schollen als auch zwischen denselben angetroffen. Mit der hier gegebenen Schilderung der Entstehung des Darm- kanals fallen die eigenthümlichen Angaben WırrLaczır’s von selbst zu- sammen. Dasselbe gilt von den sehr gewagten diesbezüglichen Schluss- folgerungen des betreffenden Autors, der auf Grund seiner an Aphis gewonnenen Erfahrungen nicht nur sämmtlichen Insecten, sondern auch den Wirbelthieren den entodermalen Character des Darmkanals nehmen möchte. Während nun meine Untersuchungen die vollständige Unrichtigkeit der Resultate Wırraczın’s ergeben haben, finden sie sich im besten Einklang mit den bereits im Jahre 1866 von METSCHNIKOFF (37) veröffentlichten Untersuchungen. Nach METSCHNIKOFF entsteht, ganz im Gegensatz zu WITLACZIL, der Mitteldarm auf eine ganz selbständige Weise. „Ehe sich aber dieser Theil in Form einer differenzirten Röhre bildet, findet die An- sammlung der ihn bildenden Zellen in der Mitte des Keimstreifens statt. Diese Zellenmasse, welche aus wenig von einander abgesonderten Zellen besteht, kann man gewissermaassen als ein Homologon des Schleimblatts ansehen (METScHnIKorr’s Fig. 31). Bei weiterer Ent- wicklung sieht man die erwähnten Zellen sich in einen röhrenförmigen Strang gruppiren, welcher sich zuerst mit dem Oesophagus, dann aber mit dem Rectum verbindet.“ Diese hier wörtlich angeführten Beobachtungen lassen sich nun auf Grund meiner eigenen Untersuchung in folgender Weise inter- pretiren. Das Zellenmaterial, welches den Dünndarm zu bilden hat, 1) Bei der Schilderung der Entwicklung des Aspidiotus wirft Merscx- NIKOFF die Frage auf, ob denn überhaupt dieser Hemiptere ein Mittel- darm zukomme. Ich habe mich einmal eingehender mit der Anatomie von Aspidiotus pini BL. beschäftigt und gefunden, dass der Mitteldarm diesem Thiere in der That fehlt. Der Oesophagus führt in einen birn- förmigen Magen, welcher blind endigt; dasselbe ist mit dem Enddarm der Fall, der an seiner Spitze die beiden Marrısar’schen Gefässe trägt. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 255 sammelt sich in der Mitte des Keimstreifens an, es ist also nicht an Ort und Stelle entstanden, wie aus dem Worte ,,ansammeln“ hervor- geht; dagegen ist die eigentliche Ursprungsstätte dem verdienten Forscher unbekannt geblieben. Wenn derselbe damalsschon gewusst hätte, dass im Innern des Dotters bei allen Insecten zellige Elemente vorhanden sind, hätte er sicher auch die Vermuthung ausgesprochen, dass dieses den Mitteldarm aufbaueude Zellenmaterial, das er selbst für ein Homologon des Schleimblatts, des Entoderms anderer Thiere ansieht, aus dem Dotter ausgewandert sei. Weiter schildert er die fragliche Zellenmasse als aus wenig von einander abgesonderten Zellen bestehend. Es giebt diese Beschreibung einen Grund mehr, zu glauben, dass METSCHNIKOFF hier die ausgewanderten Entodermzellen vor sich gehabt, die ja auch nicht isolirte Zellen, sondern ein lockeres Maschen- sewebe darstellen. So glaube ich, dass schon aus der METSCHNIKOFF’- schen Arbeit mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass der Mitteldarm eine entodermale Bildung ist und dass die nach dem russischen Autor das Darmepithel bildenden Zellen dieselben Gebilde sind, die nach meiner Beobachtung aus dem Dotter auswandern, um sich dann, genau wie es schon METSCHNIKOFF schildert, in der Mitte über dem Keimstreifen anzusammeln. Für eine ganze Reihe anderer Insecten lauten die Angaben der Forscher analog. So lassen ZADDACH und nach ihm WEISMANN die Mitteldarmwand aus dem Dotter hervorgehen. Bei Chironomus ent- steht nach WEISMANN der Mitteldarm ebenfalls als selbständige Bildung und zwar „wahrscheinlich durch Umhüllung des Dotters mit einem Blastem, aus welchem sich Zellen bilden.“ Die Dottermasse, welche bestimmt ist, in den Mitteldarm einzutreten, bildet gewissermassen die Form, über welche die Wandung des Mitteldarms gegossen wird. Das erwähnte Blastem lagert sich in seiner ganzen Ausdehnung ziemlich gleichzeitig der Dottermasse auf. Da zu dieser Zeit in der Umgebung des zum Mitteldarm werdenden Dotters sich absolut kein Zellenmaterial befindet, so war er bei dem damaligen Stande der Wissenschaft ge- zwungen, die Wandung des Mitteldarms durch freie Zellbildung ent- stehen zu lassen. Wären zu jener Zeit bereits die Untersuchungen BOBRETZKY’s an Lepidopteren bekannt gewesen, so hätte unser Forscher sicher schon damals nicht verfehlt, anzunehmen, dass die über der Dottermasse sich bildende Mitteldarmwandung dadurch entsteht, dass die im Dotter vorhandenen Zellen (Entoderm) an die Oberfläche wandern, um sich daselbst zum Darmepithel an einander zu legen. In 256 Dr. LUDWIG WILL, der That hat sich WEISMANN in seiner neuesten Arbeit für eine solche Auffassung des geschilderten Vorganges ausgesprochen. Bei Simulia konnte METSCHNIKOFF (37) trotz aller angewandten Mühe die Bildung der Mitteldarmwandungen nicht beobachten. „Dass sie nicht aus der inneren Schicht des Keimstreifens (also aus dem Mesoderm) entstehen, wie so oft angegeben wurde, geht schon aus dem von WEISMANN angeführten Grunde hervor, wonach es bei Simulia einen ebenso wie bei Chironomus vorhandenen Dotterstreifen giebt, welcher den Keimstreif vom Darmdotter abtrennt.“ Für die von ZADDACH und WEISMANN aufgestellte Meinung über die freie Bildung der Mitteldarmzellen hat er keinen Anhaltspunkt gefunden. Bei Cecidomyia hat derselbe Autor die Bildung des Mitteldarms nicht vollständig genug beobachtet, um sie besonders anführen zu können. Jedenfalls unterliegt es nach ihm keinem Zweifel, dass sie ebenso wie bei den übrigen Insecten mit Nahrungsdotter vor sich geht. Bei Apis entsteht nach Bürscaui (9) die Mitteldarmwandung zuerst an der Rückenseite des Dotters in Form einer einfachen Zellhaut, die wahrscheinlich ihren Ursprung in der Nähe der beiden Enden des Keimstreifens nimmt, weil sie hier meist an Dicke vor der Mittel- gegend voraus ist. Ihre erste Entstehung ist ihm nicht gelungen zu sehen, doch muss er sich in Betreff derselben der von ZADDACH und WEISMANN vertretenen Ansicht anschliessen, dass sich nämlich die Mitteldarm- wandung durch freie Zellbildung entwickle und nicht durch Abspaltung einer inneren Zellschicht des Keimstreifens. „Wenn auch hier letzterer Ansicht nicht das bei Chironomus sich findende Hinderniss entgegen- steht, dass eine Dottermasse zwischen der gebildeten Mitteldarmwand und dem Keimstreifen übrig bleibt, so ist doch zu der Zeit, wo sich die Mitteldarmwandung auf der Bauchseite bildet, letztere weit von dem Keimstreif zurückgezogen, und dann ist der Umstand, dass sich die Mitteldarmwand auf der Rückenseite zuerst anlegt, vielmehr ein Argument gegen die Hypothese der Abspaltung vom Keimstreif, als für dieselbe.“ Man erkennt auch aus dieser Darstellung die Uebereinstimmung mit meinen eigenen Resultaten, wenn man nur von der Ansicht der freien Entstehung der Darmzellen absehen will, einer Ansicht, die der Autor selbst schon dahin modificirt haben wird, dass er die betreffenden Zellen von den inneren Keimzellen ableitet. Wenn Grasst (16) auf Grund seiner ebenfalls an der Biene angestellten Beobachtungen zu dem Schluss kommt, dass jene von DOHRN, GRABER, HERTWIG und BALFOUR vertretene Ansicht, nach der das Entoderm sich von den Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 957 Dotterzellen ableitet, noch nicht geniigend begriindet ist, so wider- spricht er hiermit nicht der von jenen Autoren und mir vertretenen Ansicht, sondern lässt lediglich den Ursprung des Entoderms in der Schwebe. Leider stand mir die definitive Arbeit (17) des Verfassers nicht zu Gebote, sodass ich nicht weiss, ob er auch in dieser zu dem- selben Resultat gelangt ist. Auch Donrn (10) leitet die Wandung des Mitteldarms von den Dotterzellen ab, während GrABER (14) einen solchen Ursprung nur wahrscheinlich machen kann. HATSCHEK (21) giebt für die Lepidopteren an, dass das Darmdrüsen- blatt vom Entoderm gebildet werde, ohne aber den Ursprung dieser Entodermzellen weiter zu erörtern. Auf dem frühesten Stadium be- schränken sich diese Entodermzellen lediglich auf den vorderen Theil des Keimstreifens und bilden hier einen Zellenhaufen, der zwischen Mesoderm und Dotter gelegen ist. Beim Auftreten der Mundein- stülpung legen sie sich der Wand derselben an, um später das Darm- drüsenblatt zu bilden. Man kann natürlich über den Ursprung dieser Entodermzellen verschieden denken; man kann sie im Sinne KowA- LEVSKY’s vom Mesoderm ableiten, man kann aber auch, wie ich es thue, annehmen, dass sie aus dem Dotter ausgetreten sind. Für die Wahrscheinlichkeit dieser Ansicht spricht besonders der amöboide Character einer grossen Zahl dieser Zellen, sowie die ebenfalls an Schmetterlingen gewonnenen Resultate TICHOMIROFF'S. Nach TicHOMIROFF (45) nämlich wird im Embryo der Seidenraupe das Epithel ebenfalls von echten Entodermzellen gebildet, die aus dem Dotter heraustreten und nach seinen Abbildungen zuerst an der Unter- seite des Darmes sich epithelartig anordnen. In demselben Sinne spricht sich auch Ayers (1) für Oecanthus niveus aus. Auch hier treten die mit grossen Kernen versehenen amöboiden Dotterzellen an die Oberfläche des Dotters, um auf diesem eine einfache Lage von Darmdrüsenzellen, die Darmwand, zu bilden. Ueber Gryllotalpa liegen die schönen Untersuchungen Korot- NEFF’S (26) vor. Hier baut sich der embryonale Darm direct aus den grossen Dotterpyramiden auf, deren jede einen grossen Kern mit einem amöboid zerflossenen Plasmahof umgiebt. Auch hier bildet sich also der Mitteldarm aus dem eigentlichen Entoderm. Dieser embryonale Darm ist aber kein dauerndes Gebilde; vielmehr macht der ganze Darmkanal eine complieirte Metamorphose durch, von der auch das ursprüngliche Darmepithel nicht verschont bleibt. Die dasselbe dar- stellenden Dotterzellen fallen der Atrophie anheim, und es entsteht 258 Dr. LUDWIG WILL, innerhalb der Muscularis des Darmes ein vollkommen neues Epithel, das von den Blutzellen gebildet werden soll, die massenhaft in dem den Darm umspülenden Blute vorhanden sind. Diese Blutzellen aber nimmt Verfasser als Mesoderm in Anspruch. Diese am Darm von Gryllotalpa auftretende Metamorphose kann jedoch auf unsere vergleichenden Betrachtungen von keinem Einflusse sein, denn alle bisher angeführten Autoren sprechen von dem primären Darm und nicht von dem definitiven bei der Metamorphose entstandenen Darmkanal. Ueberdies muss ich bemerken, dass bei unserer Aphis eine solche Metamorphose nicht eintritt und der einmal angelegte Darm in derselben Form während des ganzen Lebens des Thieres erhalten bleibt. Abgesehen davon scheint mir die Bildung neuen Darmepithels vom Mesoderm her auch nach den Beobachtungen KOROTNEFF’sS noch keine so ganz ausgemachte Sache zu sein, denn wirklich beobachten konnte der Verfasser den Process der Einwanderung von Blutzellen doch wohl kaum, worauf er übrigens auch gar keinen Anspruch erhebt. Aus der Fig. 78, die KoROTNEFF als Beweisobject anführt, kann er zu einer derartigen Auffassung nur auf hypothetischem Wege gelangt sein. Eine zweite Frage ist dann noch, ob die Blutzellen wirklich meso- dermalen Ursprungs sind. Mir scheinen auch die Figuren KOROTNEFF’S die viel plausiblere Ansicht GANIN’s zuzulassen, dass die definitive Epithelauskleidung des Darms von einigen der ursprünglichen, durch rege Zelltheilung sich vervielfältigenden Darmzellen herrührt. Man hat alsdann auch nicht nöthig, anzunehmen, dass die Blutzellen die Darmmuscularis durchdringen, um an ihren Bestimmungsort zu ge- langen. Den Schluss der angeführten Reihe von Arbeiten bildet die schöne Abhandlung Pırren’s (44), der bei den Phryganiden mit grosser Klar- heit feststellen konnte, dass der Mitteldarm auch hier von den Dotter- zellen, also vom eigentlichen Entoderm der Gastrula, gebildet werde. Auch hier wird der Dotter in den Mitteldarm aufgenommen und die Dotterzellen brauchen nur, um das Darmdrüsenblatt hervor- zubringen, an die Oberfläche des Dotters zu steigen und sich hier zu einem Epithel an einander zu legen. Es tritt hier aber der ab- sonderliche Fall ein, dass das splanchnische Blatt des Mesoderms, welches die Darmmuscularis zu bilden hat, den Darm schon vollständig umhüllt, bevor die Dotterzellen sich zu einem geschlossenen Epithel an einander gelegt haben. Wenn nun alle bisher genannten Autoren das Darmdrüsenblatt aus den Dotterzellen, dem eigentlichen Entoderm, herleiten und also Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 259 genau mit den Resultaten übereinstimmen, die ich an Aphis gewonnen habe, so lässt sich leider nicht dasselbe von den Beobachtungen KowAuevsky’s und HEIDER’S sagen. So giebt KowALEvsKY (27) in seiner bekannten Abhandlung über die Entwicklung der Würmer und Insecten an, dass das Entoderm vom Mesoderm geliefert werde. Am äusseren Rande der beiden Me- sodermstreifen soll sich von den die untere Wand der Segmenthöhlen bildenden Mesodermzellen eine Zellenschicht ablösen, die sich dem Dotter auflagert, ihn umwächst, mit einem Wort, zum Darmdrüsenblatt wird. Dasselbe behauptet KowALEvsKky auch für Apis. So viel Anerkennung nun auch die betreffende Abhandlung Ko- WALEVSKY’s erworben hat, so erregten dennoch seine Angaben über die Bildung des Darmdrüsenblatts auf vielen Seiten Zweifel. Das mag für HEIDER (22) einen Grund mit abgegeben haben, die Hydrophilus- entwicklung auf diesen Punkt hin noch einmal gründlich durchzusehen. HEIDER kommt jedoch im Wesentlichen zu keiner andern Auf- fassung als vor ihm KowALevsky. Auch er leitet das Darmdrüsen- blatt vom Mesoderm ab, ist jedoch andrer Meinung als KOWALEVSKY in Bezug auf den Ort seiner Entstehung. Während KowALEVSKY es von den Mesodermzellen unterhalb der Segmenthöhlen ableitet, lässt HEIDER es aus der untersten Schicht jener Mesodermzellen hervor- gehen, die nach der Mitte des Keimstreifens zu neben den Segment- höhlen gelegen sind. Neuerdings veröffentlicht KowALevsky (28) auch eine Arbeit über die Muscidenentwicklung, in der er ähnliche Ansichten wie die am Hydrophilus gewonnenen vertritt. Hier soll die Bildung des Mittel- darms, wie das ja bei manchen Insecten der Fall ist, von zwei ver- schiedenen Punkten, nämlich vom vordern sowie vom hintern Ende des Keimstreifens aus, vor sich gehen. Das Stomodäum sowohl wie das auftretende Proctodäum sollen bei ihrer Einstülpung Theile des Meso- derms aufheben und diese in Form eines Uhrglases vor sich her schieben. Dieselben umschliessen allmählich den Dotter und bilden damit die Wandung des Mitteldarms. Nur die Wichtigkeit der zu erörternden Frage kann mich be- stimmen, so trefflichen Beobachtern gegenüber wie es KowALEVSKY und Herter sind, einige Bedenken betreffs ihrer Resultate zu äussern, Bedenken jedoch, die lediglich durch theoretische Gründe hervor- gerufen sind. Wie erwähnt, leitet KowALevsky auch für Apis das Darmdrüsen- blatt in derselben Weise ab wie bei Hydrophilus. Demgegenüber weist 260 Dr. LUDWIG WILL, Bürscuus, der ziemlich gleichzeitig untersucht hat, den Gedanken an eine solche Abstammung ganz entschieden von der Hand und hält ihn aus mechanischen Gründen sogar für unmöglich. Dieser Widerspruch zweier gleichzeitiger Forscher muss uns entschieden stutzig machen. Sicherlich wird hierdurch die Sachlage bei Apis höchst zweifelhaft, zumal, soweit mir die Resultate Grassr’s (16) bekannt sind, auch dieser keine Entscheidung herbeiführt. Auch die Nachuntersuchung HEıper’s schliesst meiner Meinung nach für Hydrophilus noch nicht jeden Zweifel aus. Erstens fehlt ihm ein sehr kritisches Stadium, das sich zwischen seine Fig. 26 und 27 einschiebt und dann weist der Umstand, dass er mit KOWALEVSKY über den Ort des Entodermursprungs differirt, doch darauf hin, dass bei Hydrophilus die Entstehung des Darmdrüsenepithels nicht so klar liegt, wie es für einen scharfen Beweis doch wohl nöthig wäre. Ich kann demnach trotz der schönen Arbeit HEıner’s die Entodermfrage bei Hydrophilus noch nicht als erledigt ansehen. Soviel aus den von beiden Autoren gegebenen Figuren ersichtlich, würde auch für dieses Thier die Annahme nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen sein, dass die erste Anlage des Darmdrüsenblatts von den Dotter- zellen herrührt. Auch den von KowALEvsKky über die Muscidenentwicklung ge- machten Angaben muss ich mich vorläufig noch zweifelnd gegenüber- stellen, da es mir aus theoretischen Gründen nicht wohl möglich erscheint, dass sich hier der Darm so ganz anders bilden soll, wie es bei der ganzen Reihe der oben angeführten Insecten der Fall ist, bei denen zum Theil die Darmbildung unzweifelhaft festgestellt ist. Ein hinsichtlich seiner Genese noch recht unbekanntes Gebilde ist der Fettkörper. Derselbe ist bei den Aphiden ein Product des Entoderms. Bei Gelegenheit der Bildung des Mitteldarms haben wir gesehen, dass nur ein verhältnissmässig geringer Theil der aus dem Dotter ausgewanderten Entodermzellen (Fig. 47) zur Darmbil- dung verbraucht wird. Der ganze übrige Rest derselben, von dem noch ein kleiner Theil zur Bildung des Blutes verwandt wird, geht in den Fettkörper über. Das trifft aber nur für den vorderen Theil des Embryos zu. An dem hintern Ende des Keimstreifens ist während der Darmbildung der Raum derartig beschränkt (Fig. 31, 35), dass sich hier nicht mehr freie Entodermzellen ansammeln konnten, als eben zur Darmbildung nöthig waren. Auf Schnitten durch Embryonen nach vollendeter Umrollung treffen wir daher im Abdomen und im hintern Theil des Thorax noch keine Spur des Fettkörpers, während Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 961 derselbe im Vorderkörper bereits in Form eines Maschenwerks vor- handen ist, das in seiner Structur schon an den Bau des Fettkörpers im fertigen Insect erinnert (Fig. 51). Die Fig. 48 ist einem Horizon- talschnitt durch einen solchen Embryo entnommen. Das zur Darstellung gelangte Stück des Schnittes stellt die rechts vom Darm gelegene Hälfte des Abdomens dar. Die Segmente sind nur durch schwache Verdickungen der Hypodermis (bei Hp), sowie durch die Lage der dorso - ventralen Muskelbündel (m) angedeutet. Den ganzen Raum zwischen Darm und Hypodermis finden wir nun in der Zeichnung durch secundären Dotter ausgefüllt, der jedoch in einzelne Schollen, wenn auch nur in so unvollkommener Weise abgegrenzt ist, dass er sich doch noch einigermaassen als ein einheitliches Ganze darstellt. Die Substanz des Dotters zeigt in verschiedenen Embryonen ein verschie- denes Aussehen. In einigen Fällen hat noch die ganze Substanz des- selben ihr früheres dotterähnliches Aussehen bewahrt, in andern Fällen aber haben die peripheren, der Hypodermis angelagerten Theile das Aussehen eines chromatischen Protoplasmas angenommen, wie man es in jungen Eiern so gewöhnlich findet. Die körnige Structur des Dotters ist verloren gegangen und die ganze Masse in eine homogene Substanz umgewandelt, die sich mattrosa färbt und auch in ihrem Brechungsvermögen dem Eiplasma gleicht. Diese Umwandlung der Dottersubstanz in Protoplasma hat ihren Grund in der Thätigkeit der eingelagerten amöboiden Entodermzellen, die mit ihren weit ver- zweigten Ausläufern den ganzen Dotter wie mit einem plasmatischen Maschenwerk durchziehen. Das Bestreben derselben geht dahin, den Dotter, der lediglich eine todte Nahrungsmasse für das Ei darstellt, zu assimiliren, d. h. in plasmatische Substanz umzuwandeln und ihrer Körpermasse einzuverleiben. Da nun aber der Dotter den Entoderm- zellen gegenüber ein ausserordentliches Uebergewicht hat, gelingt es den eingestreuten Zellen lange nicht, des Dotters Herr zu werden. Sie bewahren daher lange Zeit ihm gegenüber einen ziemlich selb- ständigen Character, indem sie beliebig in dem Dottersubstrat um- herwandern, ja sogar völlig aus demselben heraustreten können, um, wie wir sahen, eine ganz freie Existenz zu führen. Im Laufe der Zeit aber häufen sich in dem Dotter die zelligen Elemente, indem sie sich in Folge reichlicher Ernährung lebhaft ver- mehren. Ihre Wanderlust aber dauert fort und sie finden sich daher, wie Fig. 48 zeigt, besonders in den oberflächlichen Schichten des Dotters. Hier, wo sie ausserordentlich dicht liegen, gelingt es ihnen in Folge dessen leichter, den Dotter zu bewältigen. Allmählich wird 262 Dr. LUDWIG WILL, daher in diesen Theilen der Dotter in protoplasmatische Substanz um- gesetzt, wobei dann der ursprüngliche amöboide Zellenleib in der ge- meinsamen zu Protoplasma gewordenen Grundsubstanz aufgeht. Im Umkreis der runden Kerne treten dann innerhalb des Plasmas Zell- grenzen auf, die Anfangs nur unvollkommen sind. Daher erscheint in Figur 48 (F') die Oberfläche des Dotters vielfach gelappt. Bald aber lösen sich die Lappen mit den eingeschlossenen Kernen vollständig ab und werden zu rundlichen Zellen (Fig. 49), die ebenfalls zum Aufbau des Fettkörpers dienen. Sie sind echte Fettkörperzellen, die vollkommen homolog denjenigen Entodermzellen sind, welche wir schon früher aus- wandern und zum Theil ebenfalls zu Fettkörperzellen werden sahen. Die scheinbare Verschiedenheit beider wird nur dadurch bedingt, dass diese schon sehr früh auswanderten und daher nicht in dem Maasse sich auf Kosten des Dotters vergrössern konnten, als es bei jenen Zellen der Fall ist, die so lange im Dotter liegen blieben, bis sie alle in ihrer Umgebung vorhandene Nahrung sich zu eigen gemacht hatten !). Während in- Fig. 49 alle zur Ablösung gelangten Fettkörperzellen noch ein völlig homogenes Aussehen zeigen, tritt wenig später die Fettbildung ein. Zunächst treten innerhalb der Zellen einzelne Fett- tröpfchen auf, die aber sehr bald derartig an Zahl zunehmen, dass dadurch das Plasma ein ganz maschiges Aussehen (Fig. 50) erlangt. Gleichzeitig mit dieser Verfettung tritt aber eine Verschmelzung der einzelnen Fettkörperzellen (Fig. 50) ein, so dass damit der Fett- körper im Abdomen den bereits früher im Vordertheil des Embryos angelegten Fettkörpermassen völlig gleich wird und ausserdem auch in seinem Bau bereits die Structur des Fettkörpers im Adult (Fig. 51) sehr deutlich erkennen lässt. So stellt also der Fettkörper schon zu dieser Zeit ein continuirliches Maschengewebe dar, in dessen Knoten- punkten die Kerne, in dessen Lücken die Fetttrépfchen hegen. Nur im hintersten Theil des Abdomens bewahren zahlreiche Fett- körperzellen ihre frühere Selbständigkeit. Sie nehmen meist kuglige Gestalt an und werden zu den Zuckerzellen, die von den Fettzellen nur durch ihr besonderes Secret ausgezeichnet sind. 1) Wenn man sich in Details einlassen will, treten dem Beobachter bei der geschilderten Umwandlung des secundären Dotters in den Fett- körper so auffallende Erscheinungen entgegen, dass er Gefahr laufen könnte, mit unserer modernen Zellenlehre in Conflict zu gerathen. Dies sei hier nur angedeutet, um zu zeigen, was für Fragen hier noch ihrer Lösung harren. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 263 Im Fettkörper des fertigen Thieres (Fig. 51) findet man hier und da in demselben zerstreut einzelne Zellen von rundlicher Gestalt und homogenem Plasma, Zellen also, die von dem feinen Maschengewebe des übrigen Fettkörpers sich sofort durch ihr abweichendes Aussehen auszeichnen. Auch diese Zellen sind ihrem Ursprunge nach echte Fettkörperzellen, in denen jedoch abnormer Weise kein Fett aufge- treten ist. Die centralen Theile des secundären Dotters, die nicht zur Fett- körperbildung verbraucht werden, bewahren genau ihr früheres Aus- . sehen, sie enthalten nach wie vor einzelne amöboide Zellen, von denen gelegentlich einzelne auswandern, um zu Blutzellen zu werden. Der secundäre Dotter geht sogar in das erwachsene Thier über, um zeit- lebens erhalten zu bleiben. Er findet sich später gewöhnlich in zwei jederseits vom Darm gelegenen Strängen angeordnet. Eine Function desselben kann ich nur darin sehen, dass er dem Thiere als Regu- lator zum Zweck einer regelmässigen Fortpflanzung dient. Zu Zeiten, wo Nahrungsmangel eintritt, ja die Nahrungszufuhr ganz aufhört, wird der secundäre Dotter als Reservevorrath angegriffen und das Thier somit in den Stand gesetzt, noch Dauereier zu produciren, welche die Erhaltung der Art während ungünstiger äusserer Lebensbedingungen ermöglichen. Mit dem entodermalen Ursprung des Fettkörpers bei Aphis stimmt sehr schön die Angabe WEIsmMANN's (46) für Chironomus, nach welcher der Fettkörper aus jenen Dotterstreifen entsteht, welche in der Leibes- höhle zu beiden Seiten des Darmtractus liegen und nicht in letzteren eingeschlossen werden. Nach demselben Autor sollen sich dagegen die Lappen des Fett- körpers bei Musca direct aus der tiefen Zellenschicht des Embryos, also aus jener Keimschicht bilden, welche wir als Mesoderm bezeichnen. Dieser Widerspruch ist aber wohl nur durch mangelhafte Beobachtung zu erklären. Nach METSCHNIKOFF (37) entstehen bei Aphis die ersten Fett- körperzellen im Kopftheil des Embryos in Form kleiner, unregelmässig gestalteter Zellen mit homogenem, grün gefärbtem Inhalt. Erst später kommen in diesen Zellen feine Körnchen zum Vorschein, welche dem ganzen Organ ein dunkleres Aussehen verleihen. Aus dem Kopfe ver- breitern sich die Fettkörperzellen an beiden Seiten des Metathorax, wie es auf seinen Figuren 29 und 30 zu- sehen ist. Aus diesen und den folgenden Abbildungen, sowie aus seiner Beschreibung der jungen Fettkörperzellen geht ganz zweifellos hervor, dass er die von mir als 264 Dr. LUDWIG WILL, ausgewanderte Entodermzellen geschilderten Elemente vor sich gehabt, dieselben Gebilde also, welche auch nach mir den Fettkörper bilden. Wenn jedoch METSCHNIKOFF diese amöboiden Wanderzellen nicht aus dem secundären Dotter ableitet, so ist er im Irrthum. Dass auch WirLacziL den Fettkörper vom Mesoderm ableitet, kann uns natürlich nicht Wunder nehmen, da nach ihm ja Aphis ihr Entoderm bereits auf einem sehr frühen Stadium verloren hat. Die nähere Beschreibung des Processes ist aber so oberflächlich gehalten, dass man schon deswegen auf unsichere Beobachtung schliessen Kann. Ueberdies belegt der Verfasser seine Worte durch keinerlei Abbildung, die doch bei sieben Tafeln wohl zu erwarten wäre; man muss daher dem Autor blind vertrauen, wenn er p. 590 sagt: „An der Mesoderm- schicht unter der Hypodermis beginnt die Differenzirung am Kopfe, indem ihre Zellen theils mit einander verwachsend Längsmuskeln bilden, theils indem sie grösser werden und später Fetttrépfchen zur Abson- derung bringen, den Fettkörper bilden“. Ebensowenig Beweis liegt in den Worten (p. 596): „Die übrige Muskulatur und der Fettkörper er- langen jetzt auch ihre definitive Ausbildung. Man kann beobachten, dass aus derselben, den Embryo unter der Haut umgebenden Meso- dermschicht neben einander Längsmuskeln, Fettzellen und am Rücken das Herz entstehen.“ Ich muss hierzu noch bemerken, dass die Me- sodermzellen längst in die Bildung der Muskulatur eingegangen sind (Fig. 48, 43), bevor im Abdomen die Bildung des Fettkörpers anhebt. Während bei den Lepidopteren nach TicHOMIROFF (45) sich der Fettkörper ebenso wie bei Aphis aus den entodermalen Dotterzellen bildet, scheinen die von KOROTNEFF (26) bei Gryllotalpa geschilderten Vorgänge einer solchen Entstehung zu widersprechen, indem hier der Fettkörper aus dem Mesenchym hervorgeht. Wenn man aber bedenkt, dass sein Mesenchym eigentlich nichts weiter ist, als verspätet aufge- tretene Entodermzellen, so hebt sich dieser Widerspruch mit Leich- tigkeit. Schliesslich entsteht auch nach Ayers (1) bei Oecanthus niveus der Fettkörper aus dem Dotter. Auch das Blut ist eine Bildung des Entoderms. Es entsteht bei Aphis sowohl innerhalb des Herzens als auch frei in der Leibes- höhle aus entodermalen Wanderzellen, die früher oder später aus dem Dotter hervorgetreten sind. Da die Angaben der Autoren hinsichtlich der Blutbildung noch sehr weit auseinandergehen, indem die Einen es Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 265 vom Entoderm, die Andern aber ebenso entschieden vom Mesoderm ab- leiten, ist eine Discussion der verschiedenen Angaben noch ohne Erfolg. 2. Das Mesoderm. Schon S. 216 wurde gezeigt, dass das Mesoderm nicht, wie WIT- LACZIL irrthümlicher Weise annimmt, durch blosse Abspaltung aus dem Ectoderm hervorgeht. Querschnitte durch den Keimstreifen von Embryonen, bei denen sich die obere Oeffnung des Keimeylinders noch nicht geschlossen hat (Fig. 38), zeigen, dass sich längs der Me- dianlinie des Keimstreifens von der noch offenen Stelle des Blastoporus an bis zum Uebergang des Keimstreifens in das Blastoderm eine, wenn auch äusserlich wenig deutliche Mesodermfurche hinzieht, innerhalb welcher das mittlere Keimblatt seine Entstehung nimmt. Ich habe schon bei Gelegenheit der theoretischen Betrachtungen über die Gastrula darauf hingewiesen, dass diese Furche an derselben Stelle auftritt, an der ehemals die durch das Auswachsen des Keimstreifens sehr in die Länge gezogene Schlussnaht des Blastoporus gelegen war, falls die- selbe nicht schon eher durch Verwachsung unkenntlich geworden ist. Fig. 38, die einen Querschnitt durch den untern Theil eines Jungen Keimstreifens darstellt, erläutert die Art und Weise, wie das Meso- derm innerhalb der Furche entsteht. Es findet eine förmliche In- vagination statt, die jedoch etwas anders verläuft als bei vielen an- dern Insecten. Sie geht nicht, wie das in so ausgeprägter Weise z. B. bei Hydrophilus der Fall ist, in Gestalt eines eingestülpten hohlen Rohres vor sich, sondern es wird eine mediane solide Zellen- masse durch das stärkere Wachsthum der seitlichen Partieen des Keimstreifens gleichsam in das Eiinnere vorgepresst. In den Fi- suren 37a-c hat sich dieser Process bereits vollzogen, noch aber zeigt das Ectoderm die Spuren der geschlossenen Mesodermfurche. Die letzteren erhalten sich übrigens an der Innenseite des Keimstreifens noch so lange, als das Mesoderm median gelagert bleibt, und zwar in der Regel mit grösserer Deutlichkeit, als das gerade in Fig. 37 der Fall ist. So stellt Fig. 39 einen Querschnitt durch einen Embryo dar, der ungefähr das Alter des in Fig. 29 abgebildeten haben mag. Der Schnitt ist durch die Gegend der Genitalanlage gegangen und enthält natürlich zwei Querschnitte des Keimstreifens; der eine obere (Kstr,) entstammt dem aufsteigenden, der andere (Kstr,) dem abstei- genden Theil desselben. Auf beiden Schnitten hat das Mesoderm noch seine ursprüngliche Lage behalten und lagert in einer scharfen Ver- tiefung des Ectoderms der Bauchplatte, welche Rinne noch mit grosser Zool. Jahrb. III, Abth, f. Morph. 18 266 Dr. LUDWIG WILL, Deutlichkeit auf den stattgehabten Invaginationsprocess hinweist. Das- selbe Verhältniss kehrt in Fig. 40 wieder, welche einen Embryo vom eleichen Alter im Frontalschnitt zeigt, auf dem der Keimstreif an drei verschiedenen Stellen getroffen wird. Wenn wir alle Abbildungen bis Fig. 26 incl. auf die Anordnung des Mesoderms hin genauer ansehen, so finden wir, dass dasselbe nur auf den eigentlichen Keimstreifen beschränkt ist. In Fig. 27—29 da- gegen bemerken wir, dass sich der Mesodermstrang nach unten um- biegt und sich weit in den Kopf hinein unter die Scheitelplatte fort- setzt. Querschnitte durch frühe (Fig. 37, 38) sowie durch ältere Stadien (Fig. 40, 41, 42) zeigen uns jedoch, dass die Mesodermfurche der Bauchplatte selbst sich nicht in den Kopf hinein fortsetzt, und ergeben ferner keine Andeutung davon, dass das Mesoderm hier etwa durch Ab- spaltung vom Ectoderm gebildet sei. Hieraus geht wohl mit Sicherheit hervor, dass das Kopfmesoderm seinen Ursprung überhaupt nicht an Ort und Stelle nimmt, sondern dass es durch ein einfaches Auswachsen des ventralen Mesodermstranges in den Kopf hinein entstanden ist. Wir haben bisher Querschnitte des Keimstreifens aus den ver- schiedensten Körperregionen kennen gelernt. Alle zeigten uns das Mesoderm als eine unpaare, in der Medianlinie über dem Keimstreifen gelagerte Zellenmasse. Wenn wir daher den stark gekriimmten Keim- streifen einer Aphis aufrollen und von der Fläche ansehen könnten, so würde sich die gesammte Masse des Mesoderms über dem Keim- streifen als ein medianer Zellenstrang repräsentiren. Nach dem bisher Gesagten und nach den Fig. 27, 28, 29 und 40 müsste man annehmen, dass er sich in derselben Form auch in den Kopftheil des Embryos fortsetzt; dem ist jedoch nicht so. In den Figuren 41 a-c führe ich eine Serie von Schnitten durch diesen Körpertheil vor, die frontal, d. h. parallel zur Schnittrichtung der Fig. 40, geführt sind. Der erste Schnitt Fig. 41a ist durch die Gegend des ersten Körpersegments (vergl. Fig. 29) gegangen und zeigt allerdings, dass der Mesodermfort- satz des’Kopfes in seinem Anfangstheil bis in die Gegend hinter dem Munde unpaar (Me,) ist. Der nächste Schnitt, Fig. 41b, jedoch, der durch das zweite Segment gegangen ist, zeigt bereits, dass der Meso- dermfortsatz nach beiden Seiten in zwei Lappen auseinandergewichen ist, welche der Zweitheilung der Scheitelplatte entsprechen und die Medianlinie des Kopfes frei lassen. In dem noch weiter nach hinten geführten Schnitt ¢ ist das Mesoderm völlig verschwunden und nur rechts in der Figur ist noch ein kleiner Zipfel des linken Mesodermlappens getroffen. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 267 Hiernach zeigt das Mesoderm von der Fläche folgendes Bild. Es zieht sich als ein medianer unpaarer Zellenstrang über die ganze Bauchplatte hin, setzt sich ebenso unpaar in den Kopf bis in den hintern Theil der Mundgegend fort, um sich dann in zwei Seitenlappen zu theilen, die später in die Antennenanlagen eintreten. Die nächsten Veränderungen des Mesoderms gehen Hand in Hand mit der Segmentirung des Körpers. Diese beginnt damit, dass, wenn man den Embryo von der Bauchfläche ansieht, Querstreifen auf dem Keimstreifen auftreten, welche die ersten Andeutungen der Segment- srenzen darstellen. Aus der Betrachtung eines medianen Längsschnitts durch ein solches Stadium (Fig. 29) geht hervor, dass diese Quer- linien dadurch hervorgerufen werden, dass sich segmentweise das Ectoderm nach aussen vorwölbt und das Mesoderm in der Mitte des Segments eine bedeutende Verdickung erfährt, während es interseg- mental zu einer dünnen Lamelle verjüngt wird, ja stellenweise sich ganz von den Segmentgrenzen zurückzieht. Diese Segmentirung des Körpers geht von vorne nach hinten vor sich, so dass man in Fig. 29 bereits sämmtliche Segmente des Kopfes und Rumpfes angelegt findet, während der absteigende abdominale Theil des Keimstreifens noch keine Spuren einer Segmentirung erkennen lässt. Die weitere Entwicklung des Mesoderms studirt man am besten auf Querschnitten. In Fig. 43 hat dasselbe in dem oberen Keimstreif- Querschnitt bereits angefangen, sich mehr als früher über der Bauch- platte auszubreiten, während der darunter liegende Querschnitt durch den abdominalen Keimstreifen noch ganz die alten Verhältnisse auf- weist. In Fig. 44 jedoch hat sich der mediane Mesodermstrang in zwei Hälften getrennt, die sich rechts und links von der Medianlinie angeordnet haben. Gleichzeitig ist hiermit jede Spur der Mesoderm- furche verloren gegangen, ein Process, der in Fig. 43 bereits ange- bahnt wurde. Diese Trennung des medianen Mesodermstrangs in zwei Seitenhälften geht in gleicher Weise längs des ganzen Keim- streifens vor sich mit alleiniger Ausnahme des Kopf-Mesoderms, das von diesem Process ganz unberührt bleibt. Von der Fläche gesehen hat natürlich jetzt das Mesoderm ein ganz anderes Aussehen ange- nommen. Es stellt sich jetzt in Gestalt zweier symmetrischer Zell- stränge dar, die beide parallel zur Medianebene verlaufen, in der Ge- send des künftigen Mundes sich aber wieder vereinigen, um sich noch weiter nach vorne abermals in zwei Seitenlappen zu theilen. Vervoll- ständigt wird diese Beschreibung durch den Zusatz, dass die beiden Mesodermstränge im Bereich der Bauchplatte entsprechend den Kör- 18 * 268 Dr. LUDWIG WILL, persegmenten segmentale Verdickungen und intersegmentale Ver- Jüngungen zeigen. In engster Verbindung mit diesen Veränderungen des Mesoderms schreitet die weitere Ausbildung der Segmente sowie die Bildung der Extremitätenanlagen weiter vor. Die Extremitäten entstehen auch bei Aphis als segmentweise auftretende Ectodermausstülpungen der seit- lichen Theile des Keimstreifens. In Fig. 44 sind sie im ersten Sta- dium ihrer Entwicklung begriffen; wenn wir das Bild mit Fig. 43 vergleichen, finden wir, dass die äusseren Ränder der Bauchplatte sich nach aussen stark vorzuwölben beginnen und dadurch auf ihrer Innenseite eine Concavität schaffen, in welche das Mesoderm des be- treffenden Segments hineinsinkt, diese Höhle als einfache Schicht aus- kleidend. In Fig. 45 ist die Ausstülpung bedeutend weiter gediehen ; die concave Innenseite der vorigen Figur ist zu einem wohl ausge- sprochenen Hohlraum geworden, der auf dem Querschnitt eine unge- fähr dreieckige Gestalt hat. Da das Mesoderm dem Ectoderm dicht anliegt und dem Auswachsen des letzteren beständig folgt, macht es natürlich dieselben Faltungen des Ectoderms mit und ist in Folge dessen ganz in die Extremitätenausstülpung hineingesunken, so dass es die innere Wandung der Extremitätenhöhle bildet. Dieser vom Mesoderm umschlossene Hohlraum, der nur nach dem Innern des Körpers zu eine Oeffnung zeigt, stellt die erste Anlage der secundären Leibeshöhle dar. In ganz derselben Weise entwickelt jedes Körpersegment ein Paar von Extremitäten, die jedoch im Abdomen nicht über die ersten An- lagen hinaus kommen, wie wir sie in Fig. 44, 46 Kstr, antreffen. Im Allgemeinen kann man wohl sagen, dass das Auftreten der Extre- mitäten von vorne nach hinten vor sich geht, jedoch scheinen mir hiervon die Thorakalextremitäten eine Ausnahme zu machen, die ein wenig den Kopfsegmenten voraus sind. Aehnlich ist das Schicksal jenes Kopffortsatzes des Mesoderms. Der unpaare mediane, in der Gegend des Mundes gelegene Theil des- selben (Fig. 29) wird beim Auftreten der Mundeinstülpung (Fig. 30, 31, 32, 34) nach vorne umgeschlagen und umschliesst hier dann vor dem Munde einen ähnlichen Hohlraum, wie wir das bei den Extremi- täten gesehen haben. Auch dieser Hohlraum stellt einen Theil der secundären Leibeshöhle dar und zeigt ebenfalls nach dem Körperinnern zu eine Oeffnung. Fig. 345 zeigt das Stomodäum mit der davor lie- senden unpaaren Mesodermhöhle des Kopfes im Querschnitt. Da gleich- zeitig mit dem Auftreten des Stomodäums das vor dem Munde gele- Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 269 gene Ectoderm sich zu dem unpaaren Vorderkopf (vk Fig. 30, 31, 32, 34) auszieht, sinkt auch dies unpaare Kopfmesoderm sammt der von ihm umschlossenen Leibeshöhlenanlage mit in die Ausstülpung des Vorderkopfes hinein. Die Antennen treten etwas später auf als die Mundextremitäten ; sie entstehen präoral und zwar ebenfalls durch Ausstülpung des Ecto- derms. Sie nehmen die beiden Seitenlappen des Kopfmesoderms in sich auf, welche in jeder Antenne gleichfalls einen als Leibeshöhle zu deutenden auf einer Seite offenen Hohlraum umschliessen. Die Anlage der secundären Leibeshöhle geschieht also bei unsern Blattläusen nicht, wie das bei den meisten bisher in ihrer Entwicklung genauer bekannt gewordenen Insecten der Fall ist, indem innerhalb eines mehrschichtig gewordenen Mesoderms segmentweise Spalträume auftreten, die zu einer allseitig begrenzten Segmenthöhle auswachsen, sondern dadurch, dass in Folge der Extremitätenbildung die einfache Zellschicht des Mesoderms gleichfalls eine Faltung erfährt, wodurch Hohlräume entstehen, die nach dem Innern des Körpers zu eine spalt- förmige Oeffnung zeigen. Bei Aphis werden demnach die ersten Spuren der von den Anneliden ererbten Leibeshöhle erst innerhalb der Extremität sichtbar. Am meisten Achnlichkeit hat dieser Bil- dungsmodus noch mit den von PATTEN (40) bei den Phryganiden be- schriebenen Verhältnissen. Solcher nur theilweise geschlossenen Segmenthöhlen existiren dem- nach im Kopf des Embryos im Ganzen neun; zwei in den Antennen, eine im Vorderkopf, sechs in den Mundextremitäten. Ebenso wohl ausgebildet sind die Segmenthöhlen in den drei Paar Fxtremitätenan- lagen des Thorax. Anders im Abdomen. Da die abdominalen Extre- mitäten der Vorfahren im Aphidenembryo nur durch ganz leichte Vor- wölbungen der Bauchplatte angedeutet werden (Fig. 44, 46 Ksétr ,), kommt es hier zur Bildung so vollständig umgrenzter Segmenthéhlen überhaupt nicht. Schwache Andeutungen derselben erkennt man im Abdomen nur in der Concavität des die Extremitätenrudimente aus- kleidenden Mesoderms (Fig. 46 Me,). Die zusammenhängende vollständige Leibeshöhle wird nun da- durch gebildet, dass das in den Extremitäten gelegene Mesoderm weiter auswächst. Hierbei schiebt sich die ventrale Mesodermlamelle von den gegenüberliegenden Extremitäten her über das Bauchmark hinweg, welches noch lange dem Eetoderm unmittelbar anliegt, bis die gegen einander wachsenden Mesodermlamellen in der Medianebene des Körpers zusammentreffen und verschmelzen. 270 Dr. LUDWIG WILL, In ähnlicher Weise kommt auch an der Dorsalseite des Körpers ein Peritoneum zu Stande. In dem gleichen Maasse, wie das Ecto- derm sich weiter nach oben ausdehnt, um den Rücken des Embryos zu bilden, rücken auch die dorsalen Mesodermwände der in den Ex- tremitäten gelegenen Segmenthöhlen weiter vor, so dass mit dem Schluss des Rückens auch die Leibeshöhle allseitig geschlossen würde, wenn nicht schon vorher das Peritoneum eine vollständige Umwandlung erführe. Dass die Peritonealhöhle des Darms nicht in der Weise und auch nicht zu so früher Zeit entsteht, wie WırLaczıL es angiebt, wurde schon erwähnt. Sowohl der Mitteldarm wie die beiden ectodermalen Einstülpungen, welche Enddarm und Munddarm bilden, sind von An- fang an ganz ohne jeden Mesodermüberzug. Derselbe tritt erst nach- träglich auf und zwar geht seine Bildung, wie das ja auch nach Wrr- LACZILS Darstellung zutreffend wäre, von zwei Punkten, vom Munde und vom After, aus. Sobald die aus den Extremitäten sowie aus den Antennen und dem Vorderkopf heraustretenden Mesodermlamellen beim Mund und After auf einander stossen, schieben sie sich beim weiteren Wachsthum über den Darmtractus und überziehen somit allmählich den ganzen Darm mit einer Haut, die zur Peritonealhülle des Darms wird. In der so gebildeten secundären Leibeshöhle liegen ausser dem Darm noch die Zellen des in Bildung begriffenen Fettkörpers, der secundäre Dotter sowie die Keimdrüsen, welche aber sämmtlich des peritonealen Ueberzugs entbehren. Die erst später angelegten aus einer Ectodermeinstülpung hervorgehenden Ausführgänge des Ge- schlechtsapparates werden dagegen vom Mesoderm überzogen. Das Bauchmark liegt anfangs dem Ectoderm unmittelbar an; erst relativ spät entsteht zwischen beiden ein Zwischenraum, in den Meso- derm und Fettkörperelemente hineindringen. Wir haben gesehen, dass schon vor dem Auftreten der eben be- schriebenen Leibeshöhle eine andere primäre Leibeshöhle exi- stirte, die vielleicht als eine Furchungshöhle aufgefasst werden kann. Die Wandungen dieser primären Leibeshöhle wurden einerseits vom Keimstreifen, andrerseits von Scheitelplatte und Serosa gebildet und umschlossen jene entodermalen Wanderzellen, aus denen sich später Mitteldarm, Fettkörper und Blut bildet. Wir sahen aber, dass diese ursprüngliche Leibeshöhle nicht von Bestand war, dass sie einer secun- dären Leibeshöhle Platz macht, welche, wenn auch in stark ver- änderter Form von den Anneliden ererbt wurde. Sie wird segmental Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 971 angelegt und besitzt rein mesodermale Wandungen. Auch diese Leibes- höhle ist vergänglich, indem ihre Wandungen, die allein den Character einer Höhle bedingen können, dem Zerfall anheim fallen. Das tritt wahrscheinlich schon ein, bevor sich das Peritoneum dorsal vollständig geschlossen hat. Wenigstens konnte ich nie Bilder erhalten, die ein continuirliches Rückenperitoneum zeigten, während der ventrale Schluss sich constatiren liess. Der Zerfall wird dadurch herbeigeführt, dass sich die Mesodermelemente in Gruppen und Zellreihen anordnen, die sich zu den Muskeln umbilden. Die Rolle, welche früher das Perito- neum übernahm, vertritt jetzt der Fettkörper. Derselbe dringt überall zwischen die Muskelanlagen hindurch und legt sich der Hypodermis dicht an, wie es auch im fertigen Thier (Fig. 51) der Fall ist. Der Hohlraum, den der Fettkörper umgiebt, stellt die definitive Leibeshöhle dar. Nur die Peritonealhülle des Darmes behält ihren ursprünglichen Character bei; man sieht dieselbe daher (Fig. 50) am Mund und After ganz plötzlich aufhören. Wie erwähnt, werden die Mesodermelemente des zerfallenden Peri- toneums zum Aufbau der Muskeln verwandt. Dieselben legen sich, wie das schon von METSCHNIKOFF, WEISMANN und BÜTSCHLI geschildert wurde, reihenweise aneinander (Fig. 49) und lassen schon bei dieser Anordnung im Grossen und Ganzen die Form des fertigen von Segment- grenze zu Segmentgrenze ziehenden Längsmuskels erkennen. Die Zellenleiber verschmelzen mit einander, und allmählich tritt die Differenzirung in Muskelsubstanz ein. Obwohl ich auch in die Details des Vorganges eingegangen bin, vermeide ich doch eine ausführliche Schilderung, weil meine Resultate noch der Controle an andern Ob- jecten bedürfen. Die Muskeln der fertigen Aphis (Fig. 51) zeigen dadurch ein characteristisches Aussehen, dass ihr Sarcolemma (dessen Bedeutung als Sarcolemma mir aber nach der Genese zu urtheilen nicht ganz zweifellos ist) eine ausserordentliche Mächtigkeit erlangt und bewahrt und innerhalb der contractilen Substanz Spuren von Myoblasten nicht mehr nachzuweisen sind. Ueber die Entstehung des Herzens sind meine Untersuchungen ziemlich dürftig. Soviel ich jedoch sehen konnte, entsteht dasselbe nicht, wie das nach Wirnaczit der Fall sein soll, als ein Strang von Mesodermzellen, der anfangs solide ist, durch Theilung seine Zellen vermehrt und, indem er sich aushöhlt, wahrscheinlich die Blut- körperchen entstehen lässt. Auch ich fand das Herz bereits auf einem Stadium angelegt, das dem Stadium XXVII oder XXVIII WrrLACzIL's 212 Dr. LUDWIG WILL, entspricht. Das Herz war aber zu dieser Zeit kein einfacher Zellen- stab, sondern ein hohles Rohr, dessen ausserordentlich zarte Wände aus ganz flachen Zellen gebildet werden (Fig. 50) und von WITLACZIL übersehen wurden. Das Lumen dieses Rohres fand ich nun ganz voll- gepfropft mit amöboiden Blutzellen, die so auffallend den aus dem Dotter ausgetretenen Entodermzellen glichen, dass ich kein Bedenken trage, sie von diesen abzuleiten. Ich zweifle um so weniger an der Richtigkeit einer derartigen Ableitung, als sich zu dieser Zeit überall in der Leibeshöhle in den Lücken zwischen den verschiedenen Organen einzelne amöboide Blutzellen umhertreiben, die wohl nur als aus- gewanderte Dotterzellen aufgefasst werden können. Auf dem in Fig. 50 gegebenen Längsschnitt bemerkte ich unterhalb der eigentlichen Ge- fässwand noch eine zweite Hülle, die nach hinten in die Wandung des Herzens überzugehen schien, über deren Entstehung ich aber ebenso- wenig sagen kann wie über jene Vorgänge, die zur ersten Anlage des ganzen Herzens führen. Ich schliesse hier die Schilderung der Anlage der Geschlechts- organe an, obwohl der mesodermale Character derselben mehr als zweifelhaft ist. Polzellen, wie sie bei andern Insecten beobachtet sind, kommen bei den Aphiden nicht vor. Trotzdem werden die Geschlechtsdrüsen schon zu ausserordentlich früher Zeit angelegt. Bezüglich des Zeit- punkts ihrer Entstehung ist zu merken, dass sie nie früher auftreten, als bis der Keimstreif in seiner ersten Anlage vorhanden ist und dass sie stets vor dem Mesoderm auftreten. Damit ist der Zeitpunkt ihres Erscheinens ziemlich genau festgelegt. Zu der Zeit, wo die Zellen des cylindrischen Keimstreifens noch einen indifferenten Character zeigen und noch keine Spur einer be- ginnenden Mesodermbildung erkennbar ist, fangen eine Anzahl jener Zellen, welche den oberen Theil der verdickten Cylinderwand bilden, an, an Grösse besonders zuzunehmen (Fig. 15) und sich durch Theilung lebhaft zu vermehren (Fig. 16). Diese vergrösserten Zellen stellen die erste Anlage der Keimdrüsen dar. Dieselben liegen in der Median- ebene des Körpers als ein unpaarer, Anfangs ziemlich unregelmässiger Zellencomplex (Fig. 15, 18, 19), der sich jedoch früher oder später (Fig. 16, 17, 24) zu einem rundlichen Körper abrundet, dessen Elemente sich durchweg etwas matter färben als die Zellen des Keimstreifens und des späteren Mesoderms. Erst nach der Anlage der Genitalzellen tritt das Mesoderm auf, sodass in Folge dessen die Geschlechtsanlage bald nicht mehr dem Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 273 Ektoderm des Keimstreifens dicht anliegt, sondern beide durch eine Lage von Mesodermzellen geschieden werden (Fig. 24ff). Obwohl nun in manchen Fällen (Fig. 18, 19) die jungen Meso- dermzellen der Gestalt nach den polyédrischen Geschlechtszellen ausser- ordentlich gleichen, so lässt doch der verschiedene Grad der Färbung (Fig. 19) beide stets wohl von einander unterscheiden. Je älter der Embryo wird, desto mehr tritt auch eine Grössendifterenz zwischen beiden hervor, indem die Mesodermzellen schnell durch Theilung kleiner werden, die Genitalzellen aber ihre ursprüngliche Grösse be- wahren. Die frühe Entstehung der Geschlechtsanlage macht es ziemlich unmöglich, über ihre Zugehörigkeit zu einem der drei Keimblätter zu entscheiden. Der Umstand, dass ihre Zellen nicht wie das Mesoderm innerhalb der Mesodermfurche durch Invagination entstehen, scheint mir einen bestimmt mesodermalen Character auszuschliessen. Da sie direct aus der Umwandlung gewisser Zellen des Keimstreifens hervor- gehen, kann man sie mit viel mehr Recht als Ectodermgebilde in Anspruch nehmen. Ich glaube jedoch, wir haben es hier mit in- differenten Elementen zu thun, die, auf der Uebergangsstelle der drei Keimblätter in einander gelegen, keinem derselben direct zuzurechnen sind. Eine solche Anschauungsweise würde am besten mit der Ent- stehung der Geschlechtsdrüsen bei andern Insecten aus Polzellen har- moniren, die ja bereits auftreten, bevor überhaupt von Keimblättern die Rede sein kann. Die hier gegebene Darstellung von dem Auftreten der Geschlechts- anlage entspricht im Ganzen den Angaben, welche bereits von Merscx- NIKOFF und WITLAczIL gemacht sind. Der letztere lässt jedoch die Genitalzelle aus der Theilung einer einzigen Zelle hervorgehen, die sich vom Keimstreifen ablöst, rapid wächst und sich durch Theilung vermehrt. WiTLACZIL will nämlich manchmal nur eine grosse Zelle an jener Stelle gefunden haben, an der bei andern Embryonen eine grössere Anzahl kleiner Genitalzellen gelegen war, und vermuthet des- halb, dass diese durch Theilung aus jener grossen Zelle entstanden sind. Obwohl nun ein solcher Ursprung mir aus theoretischen Gründen sehr wohl zusagen würde, habe ich doch keinerlei Anhalt für diese Anschauung gefunden. Nie fand ich eine einzelne Genitalzelle, sondern immer gleich mehrere vor, so dass ich der Angabe WirLAcziL's kein grosses Vertrauen entgegenbringen kann, trotzdem ja die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass ich gerade das kritische Stadium ver- 274 Dr. LUDWIG WILL, passt habe, obwohl das bei der grossen Zahl der untersuchten Em- bryonen kaum verständlich wäre. Betreffs der weiteren Entwicklung der Genitalanlagen kann ich den Angaben meiner beiden Vorgänger wenig Neues hinzufügen. Die ursprünglich rundliche Geschlechtsanlage wächst besonders in die Quere und nimmt an Embryonen, deren Mitteldarm sich anzulegen beginnt, die Gestalt einer hufeisenförmig gebogenen Wurst an, deren freie Hörner nach hinten sehen. Wie ein Querschnitt durch den vor- deren Theil der Anlage (Fig. 46) zeigt, erfährt dieselbe gleichfalls eine leichte Krümmung ventralwärts. Hierauf zerfällt die ganze Genitalanlage gleichzeitig in eine Summe rundlicher Zellhaufen, welche sich jederseits von der Medianebene des Körpers zu gleichen Theilen anordnen und die jungen Endfächer darstellen. Diese erweisen sich bereits mit einem Epithelüberzug versehen, über dessen Ursprung ich nur soviel mit Bestimmtheit sagen kann, dass er nicht vom Meso- derm geliefert wird, also kein Peritonealepithel ist, wie Brass (8) ver- muthete. Diese epitheliale Hülle zieht sich nach vorne in die End- fächer, nach hinten in die Ausführgänge aus, die anfangs noch ohne Lumen, jederseits zu einem gemeinsamen Eileiter zusammenfliessen, welcher sodann mit einer unterhalb der Afteröffnung auftretenden unpaaren Ektodermeinstülpung in Verbindung tritt. WiTLACZIL hat aus meiner Arbeit über die Bildung des Eies und Blastoderms bei den Aphiden herausgelesen, dass ich mit Brass die äussere Hülle des Endfachs sowie der späteren Eiröhre für peritoneales Gewebe halte. Ich möchte gegenüber einer solchen Behauptung doch darauf hinweisen, dass der betreffende Autor hier nicht ganz dem Sinne gemäss referirt hat. Ich habe mich vielmehr, da ich die Ent- stehung dieser Hülle nicht beobachten konnte, etwas vorsichtiger aus- gedrückt, als Wırraczın das zu thun pflegt. Ich sage über diese Hülle wörtlich folgendes: „Ueber den Ursprung der Zellen des Epithels kann ich leider keine Angaben machen, so dass ich in Folge dessen auch nicht sagen kann, ob sie dem Eiröhrenepithel der übrigen Insecten entsprechen oder nicht. Die Ansicht von Brass, der diese Zellschicht als ein peritoneales Epithel bezeichnet, weil sie seiner Meinung nach der Hülle der Marrianrschen Gefässe, des Darms und der Tracheen etc. entspricht, scheint mir sehr viel für sich zu haben. Besonders spricht der Umstand sehr für ihn, dass diese Schicht auch das ganze Eifach mit überzieht, sich direet in den Endfaden fortsetzt und schon zu einer Zeit angelegt und als Umhüllungsschicht scharf von dem Inhalt des Endfachs abgegrenzt ist, wo von dem ganzen im spätern Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 275 Alter vielkammerigen Ovarium erst die Endkammer allein besteht.“ Dass hiermit nur gesagt sein kann, dass auch die Brass’sche Ansicht nicht so leicht von der Hand zu weisen, sondern einstweilen noch im Auge zu behalten ist, geht ohne Weiteres aus meinen folgenden Worten hervor: „Aber obwohl das alles ganz von den Verhältnissen beim Ei- röhrenepithel anderer Insecten abweicht, so kann doch nur die Genese hier entscheiden. Diese ist bisher nur von METSCHNIKOFF verfolgt worden, und nimmt dieser Forscher diese Zellenlage als Eiröhrenepithel in Anspruch. Für seine Ansicht scheint mir jedenfalls zu sprechen, dass die Wand -des Ovariums in physiologischer Beziehung vollkommen als Eiröhrenepithel fungirt. So lange deshalb nicht eine Arbeit vor- liegt, die an der Hand der Entwicklungsgeschichte dieser Zellschicht das Gegentheil beweist, verlasse ich mich auf die Untersuchungen von METSCHNIKOFF etc.“ Wenn ich nun auch den yon Brass angenommenen peritonealen Ursprung des Epithels aus dem Kreis der Möglichkeiten ausschliessen kann, so habe ich doch auch jetzt noch keine bestimmten Anhaltspunkte für die Ableitung der betreffenden Zellschicht gewonnen. Wenn WitLacziL angiebt, dass die peripheren Keimzellen sich abplatten und zu der Epithelschicht aneinanderlegen sollen, so ist das eben eine Vermuthung, die erst durch detaillirtere Angaben und durch Ab- bildungen gestützt sein will. Wenn die Epithelzellen sich wirklich von den Keimzellen herleiten, was ja am wahrscheinlichsten ist, so kann das sicher nicht in der Weise geschehen, wie WITLACZIL es an- giebt. Für eine directe Umwandlung von Keimzellen in Epithelzellen sind die letzteren gleich bei ihrer ersten Entstehung (Fig. 31, 33) viel zu klein; auch müsste man auf Stadien, die der Epithelbildung un- mittelbar vorhergehen (Fig. 46), eine Abplattung der peripheren Keim- zellen wahrnehmen können, was mir jedoch nie zu sehen gelang. Wenn ferner WırrLaczir für die viviparen Aphiden das Vorhanden- sein jener gemeinhin als „Dotterstränge‘“ bezeichneten Gebilde, welche die jungen Eier mit den Endfächern verbinden, leugnet, trotzdem meine Zeichnungen Schnitten entnommen sind, die absolut klare Bilder geben, so thut mir das zwar sehr leid, kann mich aber nach dem, was unser Autor sonst noch alles übersehen hat, nicht so sehr Wunder nehmen, als das sonst vielleicht der Fall wäre. 5. Die Bildungen des Eetoderms. Ausser den Leitungswegen für die Geschlechtsproducte sowie dem Munddarm und Enddarm liefert das Ectoderm noch die Tracheen, die 276 Dr. LUDWIG WILL, Speicheldrüsen, die Haut mit ihren cuticularen Bildungen , Nerven- system und Sinnesorgane. Die Tracheen treten in bekannter Weise als Ectodermein- stülpungen auf. Ebenso die Speicheldrüsen, welche als paarige Hauteinstülpungen zwischen dem dritten und vierten Segment ange- legt werden. Die kolbige, später zweilappige Endanschwellung (Fig. 35) derselben wird zur eigentlichen Drüse, der röhrenförmige Theil zum Ausführgang. Ursprünglich mündet jede Drüse gesondert nach aussen, später entsteht durch secundäre Einsenkung der Ausmündungsstelle ein kurzer unpaarer und gemeinsamer Ausführgang. Ueber die Hy- podermis ist etwas besonderes nicht zu sagen, da Hautdrüsen bei Aphis pelargonii KALT. fehlen. Von allen Ectodermgebilden das morphologisch interessanteste ist das Nervensystem. Obwohl dasselbe überall bei den Insecten aus der Scheitelplatte und der eigentlichen Anlage für das Bauchmark entsteht, stehen doch bei ihnen und sogar bei Peripatus beide Anlagen räumlich und zeitlich in so unmittelbarem Zusammenhang, dass sie mehr oder weniger als eine einheitliche Anlage erscheinen. Das ist bei Aphis ganz anders; grade in diesem Punkte hat sie ihr von den Anneliden erworbenes Erbtheil mit einer solchen Zähigkeit und in solcher Ursprünglichkeit bewahrt, wie man das gar nicht bei den Insecten erwarten sollte. Die Scheitelplatte, welche die Anlage für das Hirn umfasst, entsteht bei Aphis schon während des Gastrulastadiums, also bereits zu einer Zeit, wo vom Keimstreifen überhaupt noch nichts angelegt ist. Damit ist aber ein Gegensatz zwischen Hirn und Bauchmark, Kopf (präoralem Abschnitt) und Rumpf gegeben, wie er selbst bei den Anneliden nicht schärfer hervortreten kann. Da die Scheitelplatte von Aphis genau am Scheitelpol der Gastrula ihre Entstehung nimmt, erscheint sie als ein der Scheitelplatte der Würmer völlig homo- loges Gebilde, aus dem sogar in beiden Fällen dieselben Organe her- vorgehen. Ferner gestattet dieser Umstand, die Aphidengastrula mit einer typischen Wurmlarve zu vergleichen, nur dass es wegen des Mangels der für die Anneliden so characteristischen Bewimperung schwer ist, diesen Vergleich bis ins Einzelne durchzuführen. Erst ganz allmählich rückt in Folge von Wachsthumsdifierenzen innerhalb des Blastoderms die Scheitelplatte nach abwärts, bis sie schliesslich ihre definitive Lage am untern Eipol erlangt. Das Hirn bildet sich aus ihr in bekannter Weise durch einfache Abspaltung, nachdem schon lange zuvor die Scheitelplatte sich in zwei Scheitel- Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. DT lappen getheilt hat, die, wie WırrLaczın es richtig beschreibt, noch wieder Lappen niederer Ordnung erkennen lassen. Jene paarigen, von HATSCHEK (21) bei Lepidopteren entdeckten Ectodermeinstülpungen, welche mit in die Bildung des Hirns eingehen sollen, konnte ich bei Aphis nicht auffinden; wenn es auch nicht unmöglich wäre, dass sie den Aphiden fehlen, so halte ich es vorläufig doch für wahrschein- licher, dass sie mir nur wegen der starken Krümmung der Embryonen auf den Schnitten nicht in erkennbarer Weise entgegentraten. Das Bauchmark entsteht bei Aphis gesondert vom Hirn, was ohne Weiteres daraus hervorgeht, dass der Keimstreif, der doch die noth- wendige Vorraussetzung für die Anlage des Bauchmarks ist, selbst erst viel später angelegt wird, als die Scheitelplatte. Auch nach der Anlage des Keimstreifens dauert es noch geraume Zeit, bis zum Auf- treten des Stomodäums und dem Beginn der Extremitätenbildung, ehe die Anlage eines Bauchmarks durch die grössere Dicke der medianen Theile des Keimstreifens erkennbar wird. Während zu der Zeit, wo das Hirn in Form einer Scheitelplatte angelegt wurde, die gesammte Embryonalanlage durch ein überall einschichtiges Blastoderm reprä- sentirt wurde, von dem sich die Scheitelplatte lediglich als eine ver-' dickte Stelle, bedingt durch palissadenartig gewordene Zellen, abhob, ist in dem Stadium, in dem das Bauchmark auftritt, die Embryonal- anlage, d. h. Scheitelplatte und Keimstreif, bereits mehrschichtig ge- worden, bei welchem Process ebenfalls die Scheitelplatte (Fig. 28, 29, 37, 38) bedeutend vorangeht. Dass es nun nicht die Mehrschichtig- keit des Keimstreifens an und für sich ist, welche das Hervortreten der Anlage des Bauchmarks bedingt, geht ohne Weiteres aus Fig. 41, a—c in Fig. 42 hervor. Wohl lässt hier der Keimstreif verschiedene Zellenlagen über einander erkennen, nichts destoweniger kann hier von einer Anlage des Bauchmarks deshalb noch nicht gesprochen werden, weil der Keimstreif auf dem Querschnitte nach wie vor eine gleich- mässig dicke Platte darstellt, an der noch keinerlei Formendifferenz zwischen den seitlichen zu Extremitäten werdenden und dem mittleren zum Bauchmark werdenden Theil hervortritt. Diese Formendifferenz tritt erst, wie in Fig. 44, mit dem Beginn der Extremitätenbildung hervor, um dann immer deutlicher zu werden. Im Uebrigen verläuft die Bildung des Bauchmarks so wie bei andern Insecten. Auch bei Aphis geht dasselbe aus zwei Seiten- strängen und einem Mittelstrang hervor. Die Seitenstränge, welche zu beiden Seiten der Medianebene des Körpers als mächtige Ectodermverdickungen entstehen, zeigen sich Anfangs sehr wenig von 9278 Dr. LUDWIG WILL, einander abgegrenzt (Fig. 44). Erst nachdem sie sich vom Ectoderm abgelöst haben, werden sie durch das Auftreten des Mittelstranges scharf von einander geschieden. Der Mitteistrang tritt, wie gesagt, erst auf, nachdem sich Seiten- stränge und Ectoderm von einander gesondert haben. Er entsteht als eine tiefe unpaare und mediane Einstülpung des Ectoderms, welche (Fig. 45, 46, 47) mit deutlichem, spaltförmigem Lumen versehen, in ihrem oberen Drittheil aber solide ist. Betreffs der Entstehung des Mittelstranges muss ich eines Um- standes erwähnen, über dessen allgemeine Bedeutung ich nichts sagen kann, den ich jedoch besonders anführe, weil er event. von grösster Bedeutung sein kann. Wenn auch der Mittelstrang als Einstülpung erst entsteht, nachdem es zwischen dem Eetoderm und den Seiten- strängen zur Trennung gekommen ist, macht sich die Zellenmasse, welche bei der Bildung des Mittelstranges besonders zur Verwendung kommen muss, doch schon lange vorher bemerkbar. In den Figuren 39, 40 bemerken wir in der Mittellinie der ventralen Seite des Keim- streifens eine keilförmige Zellenmasse (mstr), deren Kerne eine characteristische Stellung zeigen und sich ebenso intensiv färben, wie das bei den Kernen des Mesoderms der Fall ist. Dieser mediane Zellenstrang, der zuweilen (Fig. 43, 44) allerdings vermisst wurde, gewöhnlich sich aber sehr deutlich bemerkbar machte, scheint in der That eine merkwürdige Beziehung zum Mesoderm zu haben. Wenn wir die Fig. 38 ansehen, in der das Mesoderm gerade in der Bildung begriffen ist, so hat es hier den Anschein, als ob ein kleiner Theil der mesodermalen Zellenmasse von der Hauptmasse abgeschnürt wird und im Ectoderm zurückbleibt. Wenn wir mit diesem Bilde die Fig. 42 vergleichen, in der die Verbindung zwischen dem Mesoderm und dem erwähnten medianen Zellenstrang ausnahmsweise lange erhalten ge- blieben ist, so kann man wohl zu der Vermuthung kommen, dass die Zellen, welche später zur Bildung der Medullareinstülpung verwandt werden, einen gewissen mesodermalen Character an sich tragen, dass sie als Mesodermzellen aufzufassen sind, welche bei der Invagination des Mesoderms im Eetoderm zurückblieben. Wenn eine derartige Beziehung des Mittelstranges zum Mesoderm, wie ich sie hier auf Grund der mir vorliegenden Bilder vermuthungsweise aufgestellt habe, sich wirklich bestätigen sollte, so würde das allerdings ein Umstand von grösster Wichtigkeit sein. Allein es ist ebensowohl möglich, dass hier nur zufällige Erscheinungen vorliegen, da in den Figuren 43 und 44 noch nichts von dem medianen Zellstrang zu erkennen ist. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 279 Die Ablösung des Nervensystems vom Ectoderm tritt ziemlich gleich- zeitig im Hirn wie im Bauchmark ein. Nur seitlich bleibt das Hirn, wie schon WIrLACZIL es richtig beschreibt und abbildet, mit der Haut in Verbindung, indem jederseits an einer Stelle des hinteren Randes die Trennung von Haut und Hirn unterbleibt. Dieser unveränderte Theil der Scheitelplatte wird zum Auge, die Verbindung desselben mit dem Hirn zum Opticus. Während des Embryonallebens ist das Nervensystem jedenfalls das ansehnlichste Organ des ganzen Embryos. In den spätesten Stadien der Embryonalentwicklung jedoch tritt das Bauchmark mehr und mehr den andern Organen gegenüber in den Hintergrund, indem es nicht nur relativ, sondern auch absolut kleiner wird. Ausserdem macht sich an älteren Stadien eine zunehmende Concentration bemerkbar. Die drei ersten Ganglienpaare verschmelzen mit einander zum Unter- schlundganglion (Fig. 31), ebenso verschmelzen später alle dahinter liegenden Rumpfganglien zu dem äusserlich völlig ungegliederten de- finitiven Bauchmark, welches nur noch an Längsschnitten die Spuren der ehemaligen Gliederung erkennen lässt. Man findet aber auch auf dem Schnitt nur noch vier Ganglienpaare angedeutet, von denen die ersten drei den drei Thorakalganglien, das letzte dagegen sämmtlichen verschmolzenen Abdominalganglien entspricht. V. Die bedeutung des präoralen Abschnitts. Nachdem wir die Entstehung der einzelnen Organsysteme und auch die Unterschiede kennen gelernt haben, welche sich hinsichtlich der Entstehung von Bauchmark und Hirn bemerkbar machen , komme ich zum Schluss noch einmal auf die Bedeutung jenes vor dem Munde gelegenen Theils des Kopfes, des präoralen Abschnitts, zu sprechen. Dass derselbe nicht einfach als das erste und älteste Körper- segment bezeichnet werden darf, erhellt schon daraus, dass sich in einem solchen Falle dieses erste Segment ganz verschieden von den übrigen Segmenten verhielte, indem es kein Mesoderm bildet und keine den übrigen vergleichbaren Extremitäten entwickelt. Der präorale Abschnitt ist überhaupt kein den übrigen vergleich- bares Segment; er ist lange vor dem Auftreten der Segmente bereits in scharfer Abgrenzung angelegt und kann nur dem gesammten Rumpf gegenübergestellt werden. Er entsteht, wie wir gesehen haben, aus der verdickten, nicht zur Bildung der Serosa verwandten Blastoderm- hälfte, die in ihrem oberen Abschnitt die verdickte Scheitelplatte trägt. 280 Dr. LUDWIG WILL, Bei Aphis ist dieser Gegensatz zwischen präoralem Abschnitt und Rumpf so ausgeprägt, wie wir ihn erst bei den Anneliden wiederfinden. Der präorale Abschnitt entsteht bereits, bevor überhaupt vom tumpf irgend etwas angelegt ist. Während der in die Bildung des Rumpfes eingehende Keimstreif in das Eiinnere invaginirt wird, bleiben diejenigen Theile, welche den präoralen Abschnitt darstellen, stets äusserlich liegen; Rumpf und präoraler Abschnitt sind daher von vorn- herein durch eine scharfe Knickung von einander abgesetzt. Ferner findet im präoralen Abschnitt keine Mesodermbildung statt, sondern er wird vom Rumpf aus mit Mesodermfortsätzen versehen; er ent- wickelt keine Extremitäten, ist aber durch den Besitz von Augen aus- gezeichnet; das Hirn, welches aus der Scheitelplatte, einem Theil des präoralen Abschnitts, hervorgeht, entsteht viel früher als das Bauch- mark und vollständig unabhängig von demselben. Da die Theile des Blastoderms, welche in die Bildung des prä- oralen Abschnitts eingehen, in der Gastrula genau dieselbe Lage zum Blastoporus einnehmen, wie das bei einer typischen Annelidenlarve der Fall ist, da ferner aus ihnen in beiden Fällen die gleichen Bildungen hervorgehen, so ist der präorale Abschnitt von Aphis vollkommen homolog dem präoralen Lappen der Würmer. Ich brauche kaum zu sagen, dass diese Auffassung auch auf die übrigen Insecten Anwendung findet, bei denen der ursprüngliche Gegensatz zwischen Kopf und Rumpf stark verwischt ist. Rostock, den 18. December 1887. Entwicklungsgeschichte der viviparen Aphiden. 281 Tafel-Erklärung. Durchgehende Bezeichnungen. Am, Amnion m, Muskel Blp, Blastoporus, Prostoma m D, Mitteldarm Blst, Blastoderm Me, Mesoderm Bm, Bauchmark Mf, Mesodermfurche Dk, Dotterkanal mstr, Mittelstrang Ec, Ectoderm 0, Mundôffnung En, Entoderm pe, Peritonealhülle ep, Follikelepithel p D, primärer Dotter e D, Enddarm s D, secundärer Dotter F, Fettkörper Se, Serosa @, Geschlechtsanlage Sp, Scheitelplatte H, Herz spdr, Speicheldrüse Hp, Hypodermis sstr, Seitenstrang f Se, Kopfserosa v D, Vorderdarm Kstr, Keimstreif v Kh, Vorderkopf. kstr,, aufsteigender Kstr, , absteigender |Theil Fans Fig. Fig. Fig. Fig. Taf. VI. Aphis pelargont. 1. Längsschnitt durch ein Ei mit etwa 8 Embryonalkernen, sämmt- lich in Theilung auf dem Wege der Karyokinese. 2. Längsschnitt durch ein älteres Stadium. Die Kerne zeigen Spindel- und Tonnenform. Die Plasmarinde am untern Eipol sehr dünn. | 3. Längsschnitt durch ein noch weiter fortgeschrittenes Ei. Das Blastoderm ist angelegt und hat nur den untern Eipol freigelassen, von dem sich auch die Plasmarinde vollkommen zurückgezogen hat. Die Zelle im Innern des primären Dotters ist nicht zu verwechseln mit den späteren kleineren Entodermzellen, sondern sie ist ein Blasto- dermelement, das noch nicht die Oberfläche erreicht hat. Von der rechten Blastodermseite aus ragen einige Zellen in das Eilumen vor; es sind Blastodermzellen, die eben das Blastoderm erreicht haben, aber noch nicht völlig von demselben aufgenommen sind. 4—8. Längsschnitt durch Gastrulastadien. Zoolog. Jahrb. 1II. Abth. f. Morph, 19 282 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Dr. LUDWIG WILL, 9. Längsschnitt durch ein Gastrulastadium. Die Umwandlung des hellen primären Dotters in den dunklen secundären Dotter hat sich hier aussergewöhnlich früh vollzogen. Noch aber ist die Gastrula mit dem Follikelepithel, der Ursprungsstätte des secundären Dotters, durch einen soliden Strang von Dottersubstanz verbunden. 10, 11 stellen abnorme Eier dar, bei denen die eigenthümliche Ver- bindung zwischen Ei und Follikelepithel nicht zu Stande gekommen ist. In Folge dessen ist hier auch die Einwanderung von secun- därem Dotter unterblieben und hat sich ferner der Keimstreif in ab- weichender Form angelegt. . 12. Ein ebensolches Ei, indem nur die dunklen Entodermzellen eine bedeutende Grösse erlangt und sich gegen einander abgegrenzt haben. . 13a und b. Zwei Querschnitte durch ein Stadium, wie es etwa die Figur 15 darstellt. Der Schnitt a ist durch den unteren, der Schnitt b durch den obern Theil des invaginirten Cylinders ge- führt. 14—18. Sagittale Längsschnitte durch Embryonen, welche den in- vaginirten Keimcylinder in verschiedenem Grade der Ausbildung zeigen. In Fig. 18 ist der Embryo im Begriff, sich von der Wand des Follikelepithels, mit welcher er eine Zeit hindurch fest verbunden war, wiederum abzulösen. Lat Vil. Fig. 19, 20 von Aph. saliceti die übrigen von Aph. pelargonit. . 19. oats ee, RD TE V. Die Bedeutung des präoralen Abschnitts . . . . . . 279 VI: »Pafelerklärung . .. 2... ee > Ho OUEN Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. Von Franz Leydig in Würzburg. Hierzu Taf. XI XVII. Vorbemerkung. Von lange her beschaut der still denkende Mensch das Ei mit grossem Antheil. „Im Ei liegt ein tiefes Mysterium“ ist z. B. ein oft wiederholter Ausspruch. Noch mehr lässt sich in unseren Tagen das Bestreben bemerken, in den Bau und das Leben dieses für uns sichtbaren Ausgangspunktes der Entwicklung tiefer einzudringen. Wenn ich jetzt ebenfalls dem Ziele nachgehe, das thierische Ei in seiner morphologischen Zusammensetzung strenger zu erfassen, so komme ich auf Wege zurück, die im Laufe der Zeit schon mehrmals von mir begangen wurden. Und ich thue dies mit lebendigem Interesse, wäre es auch nur, um damit an die Studien über die thierische Zelle überhaupt anzuknüpfen; dann auch, weil mir daran gelegen ist, zu einem eigenen Urtheil angesichts mancher überraschenden Mittheilung Andrer zu gelangen. Freilich sind dabei die Fragen, welche sich uns schon bezüglich des unbefruchteten Eies aufdringen, so zahlreich, dass fast jeder Beobachter nur nach der einen oder andern Richtung hin die Aufmerksamkeit wenden konnte, und den Character einer gleichen Beschränkung trägt auch die gegenwärtige Arbeit. Was die Methode der Untersuchung anbelangt, so habe ich, wo nur immer möglich, mit dem lebenden Ei begonnen und erst nach und nach Reagentien in Anwendung gebracht. 288 FRANZ LEYDIG, Nicht wenige meiner Beobachtungen blieben lückenhaft, da Jahres- zeit oder sonstige ungünstige Umstände zum Abbrechen der Unter- suchung nôthigten. Da aber doch wieder im andern Falle über ein grösseres Material und aus verschiedener Zeit verfügt werden konnte, so durfte man sich für berechtigt halten, auch da und dort die Bruch- stücke in eine gewisse Verbindung zu bringen. Jeder mit dem Gegenstand Vertraute weiss, wie gross die Schwierig- keiten in der Behandlung und Untersuchung des thierischen Eies sind, und wundert sich deshalb nicht allzu sehr darüber, dass die Auf- fassungen der Beobachter nicht selten stark auseinandergehen. Ich selber war ebenfalls, trotz aller Bemühung, zum Öfteren ausser Stand, klar zu sehen und blieb in Zweifeln befangen. Vielleicht wirkte auch mitunter irreführend die Voraussetzung, es möge hier am Ei, noch mehr wie sonst, Alles nach wenigen Grundzügen sich abspielen, während, wie es scheint, die Unterschiede in den Vorgängen der Um- bildung bereits eben so gross im Ei sind wie in den Organismen, welche aus dem Ei entstehen, und dort nur deutlicher hervortreten. Ein Hinderniss könnte auch noch darin liegen, dass die Gestalt der das Ei zusammensetzenden Theile vielfach nicht weit von dem indifferent Kugligen sich entfernt und daher andre Eigenschaften der Körper genau ins Auge gefasst sein wollen, die dann aber selbst wieder bei mässiger Vergrösserung sich nur schwach oder gar nicht ausdrücken und erst bei sehr starker Vergrösserung etwas besser er- kennbar werden. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 289 Erster Abschnitt. Untersuchte Thierarten. I. Würmer. Piscicola. Zu dem Nachstehenden hat nicht die Art gedient, über deren Bau ich vor langen Jahren berichtet habe !), sondern die zuerst durch TROSCHEL aus dem Rhein bekannt gewordene P. respirans, welche ich auch im Neckar bei Tübingen fand?) und die mir dann während meines Aufenthaltes in Bonn wieder vor die Augen kam °). Bevor ich mich über die Beschaffenheit des Eierstockes verbreite, nehme ich die Gelegenheit wahr, einige Bemerkungen über Lebensweise und Artunterschiede unsrer Egelgattung einzuschalten. Piscicola respirans schmarotzt im Neckar namentlich an Barben und Weissfischen ; im Aquarium konnte ich den Egel nicht länger als den April und Mai hindurch am Leben erhalten. Die Frage, welche ich seiner Zeit aufwarf, wo das Thier in den übrigen Monaten verweilen möge, kann ich jetzt dahin beantworten, dass es gleich Nephelis und Clepsine unter Steinen sich hält oder auch frei schwimmend getroffen wird. So habe ich P. respirans im Mai am Ufer des Rheins zu mehreren, dicht beisammen sitzend, an der Unterseite der Steine gefunden, und auch im Aquarium ziehen sie sich gern nach der dunklen Seite hin. In einem See bei Amor- bach — dem Maingebiet angehörig —, durch den ich das feine Netz zog, hob ich mehrere Stücke von P. geometra aus dem freien Wasser. Es lebt also der Fischegel keineswegs beständig auf den Fischen, sondern nur 1) In: Zeitschrift f. wiss. Zool., Bd. I (1849). 2) Skizze einer Fauna Tubingensis, 1867. — In den Tafeln zur Ver- gleichenden Anatomie, 1864, habe ich auch über Nervensystem und Sinnes- organe dieser Art Abbildungen gegeben. 3) Thiere im Rhöngebirge und Mainthal, in: Verhandlg. d. naturhist. Vereins d. Rheinlande und Westfalen, 1881, 290 FRANZ LEYDIG, zeitweise; er verlässt wahrscheinlich den Wirth, nachdem er sich voll- gesogen hat, nach Art andrer Hirudineen, und unterscheidet sich auch hierin von einem zweiten schmarotzenden Egel unsres Landes, der Gattung Branchiobdella, welche ihr Leben ständig auf dem Flusskrebs verbringt. Bisher hat noch Niemand die beiden erwähnten Arten von Piscicola vergleichend untersucht und auch von mir konnte dies nicht ausgeführt werden. Deshalb mögen vielleicht einige Angaben über die bei Bonn be- obachtete Art am Platze sein. Im Aeusseren des Thieres hebt sich gern in der Gegend der Geschlechts- öffnungen eine Einschnürung so deutlich ab, dass der Körper wie in einen Hals- und Leibesabschnitt zerfällt. Sehr stark springen zu beiden Seiten des Leibes die Athmungshöcker vor und erhalten sich, wenn auch kleiner geworden, am gehärteten Thier. An der Fussscheibe zählt man zehn schwarze Punkte, und neben ihnen hebt sich immer eine von Pigmentsprenkeln frei bleibende lichtgraue Stelle ab. Die Thiere, welche unter Ufersteinen des Rheins im Monat Mai ge- funden wurden, fielen mir durch das weiche und schleimige Wesen der Hautdecke auf, wodurch sie so breit aussahen, dass ich sie im ersten Augenblicke für Nephelis gehalten hatte. Möglich, dass gerade in der Zeit der Fortpflanzung, etwa wie bei Amphibien und Fischen, eine Wucherung der Haut stattfindet, die sich später wieder zurückbildet. Bei der histologischen Untersuchung kam zum Vorschein, dass die Aufquellung des Integumentes durch Entwicklung des eigentlichen Coriums geschah, welches hier dieker ist als bei den übrigen einheimischen Egeln. Es bestand aus Maschenwerk und Zwischensubstanz und hatte den Character von gallertigem Bindegewebe. Man unterscheidet so an der Hautdecke auf dem Durchschnitt von aussen nach innen: die homogene Cuticula, die Epithel- oder Epidermisschicht, die gallertige Lederhaut, in ihr die Blut- gefässe, verzweigte Pigmentzellen, zu unterst die schönen grossen Fett- zellen. Jetzt folgt die Musculatur des Stammes. Die Epithelschicht ist sehr fest mit dem Corium verbunden, und ich glaube gesehen zu haben, dass die an sich etwas derbe Membran der Epithelzellen in unmittelbarem Zusammenhang steht nicht bloss nach oben mit der Cuticula, sondern auch abwärts mit dem Maschennetz des Gallertgewebes. In letzterem liegen ferner die schlingenförmigen Ausbuchtungen der Blutbahnen, welche jederseits, in der Zahl 11, die erwähnten, stark sich hervorstülpenden, lichten, mehrbuckligen Höcker erzeugen und dem lebenden Thier, indem sie sich rhythmisch füllen und entleeren, ein merkwürdiges und interessantes Aussehen geben. An der Rückenfläche der Kopfscheibe meine ich auch jene „Sinnes- becher‘ zu bemerken, über welche ich vor Kurzem bezüglich Nephelis und C/epsine neue Mittheilungen gegeben habe!). Dieselben springen am 1) Zelle und Gewebe, 1885. — Jüngst hat Kennet (in: Zoologische Jahrbücher, Bd. 2) entsprechende Sinnesorgane bei Landblutegeln des tro- pischen Amerika beschrieben und hiebei die Ansicht geäussert, dass diese Sinnesorgane weit verschieden seien von den „becherförmigen Organen“ einheimischer Hirudineen. Der genannte Beobachter hätte unmöglich dies Beiträge zur Kenntniss des thierischen Kies im unbefruchteten Zustande. 9209] Rande als leichte Höcker vor; von Sinneshärchen konnte hier bei Piscicola nichts wahrgenommen werden. Die Form des Magendarmes scheint bei P. respirans nicht voll- kommen mit jener von P. geometra übereinzustimmen, wenn ich meine früheren Befunde zu Rathe ziehe. Zwar zerfällt auch bei P. respirans dieser Abschnitt des Nahrungscanales in 10 Kammern, aber die Zahl der seitlichen Aussackungen scheint nicht die gleiche zu sein. Die fünf ersten Kammern stülpen sich jederseits in einen einzigen Anhang aus, dessen Länge nach hinten zunimmt; an der sechsten Kammer treten zwei Divertikel auf, wovon der eine nach hinten und unten biegt, so dass es aussehen kann, als ob er sich mit dem nächsten Blindsack verbände. An der sie- benten, achten, neunten und zehnten Magenkammer, alle um vieles ge- räumiger als die vorhergehenden, gabelt sich der vordere Divertikel, und von der neunten Kammer an kommt noch ein neuer kurzer, hinterer Anhang hinzu, so dass man jetzt von vier Blindsäcken sprechen kann. — Die bezeichneten Umrisse des Magendarmes lassen sich nur dann gut ver- folgen, wenn er mit aufgenommenem Blute gefüllt ist. Der Se dort wo er zur männlichen Geschlechtsöffnung hinbiegt, schimmert am unverletzten Thier durch die helle Umgebung deutlich hindurch und erscheint als einfacher Bogen, während er nach meiner frü- heren Zeichnung bei P. geometra an dieser Stelle länger und daher schlingen- förmig gekrümmt sich zeigt, was aber wohl nur ein zeitweiliges Verhalten ausdrücken mag. Zum eigentlichen Gegenstand unsrer Untersuchung jetzt über- gehend, so kommt dem Eierstock eine lappig eingebuchtete Form zu, was so weit gehen kann, dass er auf dem Durchschnitt sich nahezu traubig ausnimmt. Bezüglich des Baues unterscheidet man eine zarte homogene Haut und einwärts von ihr eine aus kleinen rundlichen Kernen und dazu gehöriger Zellsubstanz bestehende Lage oder Matrix. Ferner ist noch eine zweite Hülle zugegen, welche als Kapsel den Eierstock umgiebt und an deren Innenfläche grosse Kerne in Abständen zu sehen sind (Taf. XI, Fig. 1). In der Arbeit über P. geometra kannte ich nur erst diese kapselartige Umhüllung, nicht aber die eigentliche häutige Begrenzung des Eierstockes, deren soeben gedacht wurde. Bemerkenswerth dürfte auch sein, dass ein schleimig-flüssiger sagen können, wenn er meine letzten Angaben über den Bau fraglicher Organe bei Clepsine (Zelle und Gewebe, p. 101) nicht übersehen hätte. Der Vergleich lehrt, dass die grösste Uebereinstimmung des Baues zwischen den beiderlei Bildungen herrscht, und dass an dem conservirten Material vielleicht Manches geschwunden oder verändert war, was ich am frischen Thier aufzeigen konnte, z. B. die Sinneshärchen und den Nerven, 292 FRANZ LEYDIG, Stoff nicht bloss den Kapselraum, sondern den ganzen Eierstock durch- dringt. Das Ei bietet so viel Eigenthümliches dar, dass es selbst jetzt noch mir keineswegs in allen Stücken völlig klar geworden ist. Die Zustände der Entwicklung, welche ich seiner Zeit zur Veranschau- lichung brachte, bekomme ich in gleicher Weise wieder vor die Augen. Was aber dazumal von mir als „Epithel, angefüllt mit bläschenförmigen Kernen“ beschrieben wurde, mochten wohl die durchschimmernden Gruppen von abgeschnürten Eikeimen gewesen sein. Des Ferneren habe ich mich überzeugt, dass man zweierlei zellige Elemente im Eierstock zu unterscheiden habe, nämlich: 1) Die von Plasma umgebenen Kerne, welche die Matrix der Grenzhaut des Eierstockes bilden; von ihnen darf man die in der häutigen Umhüllung des fertigen Eies sich findenden Kerne ableiten. 2) Die Eikeime, denen sehr bald ein gewisses glänzendes, ja härt- liches Wesen eigen ist. (Taf. XI, Fig. 1.) Am reifen, mit mehreren Hüllen ausgestatteten Ei wird die Dotter- kugel von einer Zellschicht becherförmig umgeben. Bei dem Ver- suche, aus der Mannigfaltigkeit der einzelnen oder in Gruppen vor- liegenden Eikeime eine Vorstellung zu gewinnen, wie diese Einrichtung zu Stande kam, wurde ich zu folgender Annahme geführt. Sehr junge Eikeime, welche aus Kern und plasmatischer Um- randung bestehen, kapseln sich nach und nach ab, worauf innerhalb der Hülle die Vermehrung der Keimzelle erfolgt; eine dieser Zellen wird durch Vergrösserung und Umwandlung ihrer Substanz zum Ei, während die andern die Bedeutung von Nährzellen erhalten. Die innere Hülle dünkt mir entstanden zu sein durch die Thätigkeit der Innenzellen, derart, dass vielleicht der schleimige den Eierstock durch- dringende Stoff den abscheidenden Zellen das Material liefern konnte. Die äussere Hülle hingegen würde ich nach Obigem von der Matrix der Haut des Eierstockes her entstehen lassen. Mit der Abkapselung von der Matrix aus möchte auch der kegelige Fortsatz in Verbindung zu bringen sein und als rückgebildeter Stiel gedeutet werden können. Die krümlig-körnige Masse im Innern stammt vielleicht danach von Zellresten der Matrix her. Um die angegebene Jahreszeit sah man den Eierstock erfüllt mit Samenmasse, ohne dass auch nur die Spur von einem etwaigen Eintreten von Zoospermien ins Innere des Eies zu bemerken gewesen wäre; auch lässt sich nach der Beschaffenheit des Eies, insoweit es mir bekannt geworden, kaum begreifen, wie solches geschehen Könnte. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 995 Werthvolle Mittheilungen über Bau und Entwickelung des Eies von Piscicola hat Lupwia!) gegeben, welcher 24 Jahre nach mir das- selbe untersuchte, ohne freilich so wenig wie ich über Alles ins Reine gekommen zu sein. Die von mir seiner Zeit aufgestellten Hauptpunkte finden Bestätigung. Am meisten gehen unsere Ansichten bezüglich des Herkommens der Kerne, welche in der Kapsel des Eies zugegen sind, auseinander, was sich vielleicht daraus erklärt, dass der ge- nannte Beobachter die Matrixlage und ihre Kerne noch nicht ge- kannt hat. Aulostomum. Der Eierstock dieser Gattung — ich habe den einzigen einheimi- schen Vertreter A. nigrescens benutzt — steht dem ersten Blick nach, was die Lagerung betrifft, etwas unvermittelt da gegenüber von dem, was die Chätopoden aufzeigen. Bei letzteren nämlich liegen die Eier- stöcke bekanntlich frei im Leibesraum, während sie bei unserem Egel in einer rundlichen Blase geborgen sind. Allein diese anscheinend grosse Verschiedenheit lässt sich ausgleichen. Ich sehe nämlich an Thieren, welche frisch im Monat April vorgenommen wurden, dass der Raum des Eierstocksackes von einer die Keimstränge umspülenden, röthlichen Flüssigkeit eingenommen ist, welche durchaus mit dem Blut des Thieres übereinstimmt; auch die Zellen, welche zahlreich darin angehäuft sein können, sind echte Blutkörperchen. Sonach darf man sich für berechtigt halten, anzunehmen, dass die Lichtung des die Keimstränge umschliessenden Sackes eine abgegrenzte Partie der ur- sprünglichen Leibeshöhle vorstellt, so gut wie etwa die Scheide des Bauchmarkes die Bedeutung eines Restes des Leibesraumes hat. Auch sonst spricht der histologische Bau des Sackes für diese Auffassung: seine Wand besteht aus einer dünnen, bindegewebigen Grundlage, in welcher Muskeln und Blutgefässe unterschieden werden, wozu noch überspinnendes Pigment kommt. Die Keimstränge oder „Eifäden“, welche locker und in einander geschlungen im Raume des Sackes liegen, sind für die Lupe von weisslicher Farbe und walziger Form, an dem einen Ende kolbig ge- schwollen, an dem andern verjiingt. Dass die Keimstränge ange- wachsen seien, lässt sich nicht erkennen, das kolbige Ende ist es ge- 1) Huserr Lupwic, Ueber die Eibildung im Thierreich, in: Arbeiten aus dem zool.-zootomischen Institut in Würzburg, 1874. 294 FRANZ LEYDIG, wiss nicht und auch das dünnere Ende geht anscheinend frei aus. Ihre Zahl betreffend, so finde ich auch jetzt noch wie früher !) nur zwei solcher Stränge, aber ich bin daneben auf Thiere gestossen, bei denen drei vorhanden waren, was mit Sicherheit gesehen werden konnte, nachdem die hin- und hergewundenen Stränge herausgeholt und ent- wirrt waren. Ein solcher Keimstrang, frei vor uns liegend, macht histologisch den Eindruck eines schön zelligen Gebildes, was ich schon seiner Zeit nicht unbemerkt liess. Damals aber ist mir bezüglich des Baues noch ein wesentlicher Punkt entgangen, worüber man sich jedoch kaum wundern darf, da auch keinem der um vieles später untersuchenden Beobachter hierüber ein Licht aufgegangen ist: die Thatsache nämlich, dass ausser den „elementaren Zellen, welche sich zu Eiern heran- bilden“, noch Kerne mit Plasmahof zugegen sind, welche nicht Ei- keime vorstellen, sondern einer Matrixlage angehören. (Taf. XI, Fig. 2.) Stellt man nämlich genau z. B. auf das kolbige Ende des Keim- stranges ein, so erscheint die Begrenzung gebildet von einer zarten, homogenen Cuticula und einer feinkörnigen, mit Kernen versehenen Schicht. Die rundlichen Kerne dieser Matrixlage sind um vieles kleiner als die Kerne der Eikeime. Weiterhin lässt sich bei gehöriger Auf- merksamkeit erkennen, dass gedachte Begrenzung des Stranges — Matrix und homogene Haut — auch nach einwärts in die Substanz des Keimstranges vordringt oder sich einsenkt. Bei passender Be- handlung giebt sich solches selbst an Flächenbildern kund: durch die Züge einscheidender Kerne mit ihrem zugehörigen feinkörnigen Plasma entsteht etwas von schwach folliculärem Bau. Die Cuticula, da wo sie den Rand des Gesammtstranges überzieht, kann nach Reagentien als knitteriges Häutchen in Schlauchform abgehoben werden. Die jüngsten oder kleinsten Eikeime, wie sie sich im ange- schwollenen Ende des Stranges vorfinden, ohne aber auf diese Gegend be- schränkt zu sein, — denn auch im übrigen Strang begegnet man ebenso jungen Keimen —, bestehen aus einem hellen, runden Kern mit einem Kernkörper und schmaler Zone von Zellsubstanz. Ihre Fortbildung ist unschwer zu verfolgen: der Kern wird Keimbläschen und in etwas weiter gediehenen Eiern markt sich um den Keimfleck ein Hof oder eine Lichtung ab, die bei genauerer Prüfung nach aussen von einem Spongioplasma der Kernsubstanz begrenzt wird. Aus dem Innern des 1) Zur Anatomie von Piscicola, p. 129. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 295 Keimfleckes hebt sich schon im frischen Zustande eine Vacuole ab. Die Zell- oder Dottersubstanz nimmt an Masse zu, und es treten in ihr Körnchen auf. Das Bild des Eies in reiferem Zustande habe ich schon früher gegeben !), Bei Thieren, welche einige Wochen im Glase gehalten worden waren, kommen Merkmale von rückschreitender Umänderung der Keimstränge zum Vorschein: es beginnt Fettmetamorphose sich ein- zustellen, was sich auch schon für’s freie Auge dadurch ankündigt, dass der Keimstrang ein lebhaft weisses Aussehen angenommen hat. Die Keime sind dunkelrandig und geschrumpft, auch wohl ganz zu Fettkörpern umgewandelt; manche können selbst zu geschichteten, amylumähnlichen Körpern geworden sein. Solche in Rückbildung be- griflene Keimstränge sind wegen ihres auch sonst mehr gelockerten Wesens recht geeignet, den Unterschied zwischen Eizellen und ein- scheidenden Matrixzellen ins Auge zu fassen ?). Clepsine spec. Auch hier liegt der Keimstrang frei in seinem Schlauch und fällt daher beim Anschneiden des Thieres leicht heraus: er ist lang, schmal, nicht gewunden. In meiner vor 57 Jahren erschienenen Schrift wird der Strang als die „eigentliche Bildungsstätte der Eier‘ bezeichnet und „innrer Schlauch“ genannt. Es mag abermals bemerkt werden, dass man ebenfalls, zugleich und neben den Kernen der Eikeime, die Kerne der einscheidenden Matrix zu erkennen vermag. Eine gewisse Gruppirung der Eikeime ist zu- gegen. Im Monat Juli hatten die Kikeime ein etwelches scharfrandiges Aussehen angenommen, nicht minder die beerenartig vorstehenden Kier; in letzteren war das Keimbläschen in seiner Grösse zurück- gegangen. 1) a. a. O. Fig. 66. 2) Ende April war der Uterus obigen Egels von einer weissen Masse erfüllt, welche hauptsächlich aus beweglichen Pünktchen, geschwänzten Monaden und einem andern eigenthümlichen Parasiten bestand, der sich lebhaft um seine Achse drehte, ohne von der Stelle zu rücken. Von länglich-platter Gestalt mit fadigem Anhang erinnerte er an Zoospermien von Planarien oder auch an den mit undulirender Membran versehenen Parasiten im Blute der Frösche. Ausserdem unterschied man auch noch in der Masse rundlicheckige Körper mit vacuolärem Innern. 296 FRANZ LEYDIG, Nephelis. Die Eierstockstränge der N. vulgaris sind von länglicher, ziemlich gerade gestreckter Form und weisslicher Farbe und scheinen abermals nicht in dem sie umgebenden Schlauche angewachsen zu sein, sondern müssen frei darin liegen, da sie bei der Untersuchung des Thieres gar so leicht herausfallen. Sie sind nach beiden Enden hin verjüngt, also spindelförmig, und ihr hinteres Ende zeigt sich gern in ein Zipfelchen abgeschuürt, in welchem es zu keiner rechten Eibildung mehr kommt. Mit Bestimmtheit unterscheide ich auch hier wieder neben den Eikeimen die Matrixlage; letztere stellt sich dar als körnige, mit Kernen versehene Schicht, welche unter der homogenen Grenzhaut hin- zieht, und indem sie einwärts vorspringt, erzeugt sie für die Eikeime ein umhüllendes und sonderndes Fachwerk. Die Kerne dieser Matrix sind wieder um vieles kleiner als die der jüngsten Eikeime. (Taf. XI, Fig. 3, Fig. 4.) Die Cuticula kann im abgehobenen Zustande wie feinfaseriges Bindegewebe sich ausnehmen, was durch dichte Faltung zu Wege kommt. Die Eikeime liegen im abgerundeten Endtheil des Keimstranges dicht beisammen, während sie nach und nach eine gewisse Gruppirung in die Quere annehmen; wenigstens erkläre ich mir in dieser Weise das Auftreten heller Querlücken in einiger Entfernung vom abge- rundeten Ende des Keimstranges, wodurch eben eine in gleicher Richtung erfolgende Zerlegung der Masse der Eikeime erfolgt. (Taf. XI, Fig. 5.) Die kleinsten Eikeime bestehen aus einem Kern mit einem Kernkörperchen, umgeben von schmaler Plasmazone; sie sind einge- scheidet von einer winzige Kerne enthaltenden Substanz, welche der vorhin gedachten Matrixlage entspricht. Schon: in sehr jungen Ei- keimen treten Dunkelkörnchen auf; nicht selten sieht man zwei Kerne in einem Eikeime, was auf Vermehrung durch Theilung hinweist. Um das herangewachsene Ei zieht ein lichter Hof, der gleich ist einem mit Flüssigem gefüllten Hohlraum, welcher nach aussen durch eine Hülle von körnigem Wesen und kleinen Kernen sich abgrenzt. Diese Umhüllung ist offenbar wieder nur eine Fortentwicklung der- selben einscheidenden Matrixlage, wie sie die jungen Eier umgiebt. Und damit steht auch wohl noch ein anderer Punkt in Zusammen- hang: man begegnet an gar manchem frei vor uns liegenden Ei einer Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 997 knopfartig hervorragenden Stelle, welche der Matrixhülle angehört und wohl als kurzer, abgerissener Stiel des Eies zu deuten ist. Weiterhin ist es das Keimbläschen, welches in besonderem Grade die Aufmerksamkeit fesseln kann, und zwar durch folgende Vorkommnisse. 1) Der sonst einfache rundliche Keimfleck giebt einen Fortsatz ab, in dessen Nähe kleine rundliche Ballen von gleicher Art, wie er selber ist, liegen, so dass man die Entstehung der letzteren durch Abschnürung von dem Fortsatz sich denken darf. (Taf. XI, Fig. 10.) Ein andermal sieht man anstatt eines Keimfleckes zwei, welche weit auseinandergerückt, wie an den Polen des Keimbläschens, stehen. End- lich begegnet man auch Keimbläschen, in denen nur noch der Rest eines Keimfleckes zugegen ist, der sich so ausnimmt, als ob er in Einzel- theilchen auseinandergehen wolle. 2) Jenseits der Membran des Keimbläschens, aber hart an ihr her, kann ein Halbmond ziehen, in dessen körniger Substanz eine kurzstrahlige Durchstreifung erkennbar ist. (Taf. XI, Fig. 6.) Er- wägt man, dass die Membran des Keimbläschens selber durch fort- währenden Wechsel von Hell und Dunkel ihrer Grenzlinie den Besitz von Poren anzeigt, so darf man wohl die Streifung des Halbmondes und die Poren der Membran des Keimbläschens in Beziehung sich denken. 3) Man stösst auf Keimbläschen, welche dem ersten Blick nach ein helles, keilförmiges Anhängsel haben; ein zweites von gleicher Art kann in entgegengesetzter Richtung abgehen. (Taf. XI, Fig. 9, Fig. 11.) Die nähere Prüfung ergiebt, dass es sich um eine kegelförmige Aus- weitung des Raumes handelt, welcher das Keimbläschen umschliesst, demnach die scheinbaren Anhängsel gebildet werden durch die Grenz- linie des Dotters nach einwärts. Auch im Dotter mancher Eier lernt man beachtenswerthe Ver- hältnisse kennen: 1) Es kann nahe am Keimbläschen eine Substanz zugegen sein, welche im frischen Zustande und nach Färbungsmitteln mit den Keim- flecken übereinstimmt. Die Masse zieht bald in Form streifiger Züge vom Keimbläschen weg in den Dotter, bald stellt sie grössere Klumpen dar, die, schärfer besichtigt, wie aus zusammengeschobenen wurst- förmigen Theilen besteht, oder es können endlich auch einzelne kleinere Klumpen in verschiedener Zahl zugegen sein. (Taf. XI, Fig. 7, Fig. 8.) Zoolog. Jahrb. III. Abth, f, Morph, 20 298 FRANZ LEYDIG, 2) Die gleichen Ballen werden auch zuweilen weit weg vom Keim- bläschen, selbst nahe dem Rande des Dotters beobachtet. (Taf. XI, Fig. 8.) ' Mir scheint es unzweifelhaft, dass alle diese Befunde, trotz ihrer Mannigfaltigkeit, zusammenhängende Zustände eines Vorganges sind, durch welchen Inhaltstheile des Keimbläschens in den Dotter aus- wandern. Den Wechsel in der Erscheinung halte ich bedingt durch das jeweilige vorübergehende Stadium, in welchem man das Ei ange- troffen hat. Die Arbeit von O. HerrwiG !) über das Eierstocksei von Nephelis (und Haemopis) enthält nichts von dem, was ich im Vorstehenden mitzutheilen hatte. Hingegen hat Irsıma ?), wie ich nach einer kurzen Bemerkung schliessen möchte, wenigstens die eigenthümlichen Ballen im Dotter bei Nephelis gesehen. Erwähnt mag auch werden, dass das Keimbläschen der Eier, ‘welche die von mir beschriebenen Erscheinungen darboten, an Grösse abgenommen hatte. Endlich hatte ich Eier vor mir, welche jenseits ihres Dotters, in dem mit Flüssigkeit erfüllten Raum zwischen Dotterhaut und Eihülle, besondere Elemente aufzeigten, bald nur in geringer, bald in grösserer Menge, so dass sie in letzterem Fall wie angeschoppt in dem Raume lagen. Die Körperchen sind hell und erinnern durchaus an farblose Blutkügelchen ; sie sind jedenfalls von anderer Art als die Ballen und Klumpen innerhalb des Dotters. Sie würden ihrer Lage nach eine Membrana granulosa vorzustellen haben. (Taf. XI, Fig. 12.) All das Gemeldete bezieht sich auf Eier, die im Monat Mai untersucht worden waren. Bei Thieren, welche ich gegen Ende Juli zergliederte, waren, wie bei andern Hirudineen um diese Zeit, die Fort- pflanzungswerkzeuge in der Rückbildung begriffen, und ihr Aussehen erschien daher als ein von dem bisherigen verschiedenes. Die Keim- stränge, schon für’s freie Auge weisser als sonst, zeigen zahlreiche Fettkörnchen, in den Eikeimen so gut wie in den grösseren Eiern. Bei letzteren hatte sich der Dotter zusammengezogen und war von 1) Oscar Hertwic, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruchtung und Theilung des thierischen Eies, in: Morphol. Jahrb., Bd. 3. 2) „One or more yolk-nuclei are often found in the egg, analogous to what has been found in the Amphibian egg“ (in: Zool. Anz., 1882, The structure of the ovary and the origin of the eggs and the eggs-strings in Nephelis). Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 299 einem gewissen wachsartigen Aussehen; das Keimbläschen konnte nicht mehr wahrgenommen werden. Il Krebse Argulus. Es hatte sich die Gelegenheit geboten, an Argulus foliaceus neue Studien zu machen, durch welche ich gar manches von dem, was in meiner Arbeit!) aus dem Jahre 1850 niedergelegt ist, zu verbessern im Stande bin, worüber ich an einem andern Orte zu berichten ge- denke. Einstweilen habe ich über den vermeintlichen Giftstachel eine vorläufige Mittheilung gegeben ?), und an gegenwärtiger Stelle sei des Eies gedacht, an dem sich einiges nicht Unwichtige sehen lässt, was selbst denen, welche viele Jahre nach mir den genannten Krebs unter- sucht hatten, auch noch entgangen war. Am Eierstock habe ich seiner Zeit unterschieden eine „äussere, im Leben starke Bewegungen ausführende Hülle“ und darin „die eigentliche Eiermasse, welche ein büschel- oder beerenförmiges Aus- sehen“ darbiete. Bezüglich dieser Gliederung möchte ich jetzt das, was ich den „eigentlichen Eierstock“ nannte, dem Ei- oder Keimstrang der Hirudineen an die Seite stellen und die „Hülle“ dem Sack oder Schlauch der Hirudineen vergleichen. (Taf. XI, Fig. 13.) Die damaligen Angaben über Bildung des Eies, Schwinden des Keimbläschens im reifen Ei und anderes darf ich aufrecht erhalten. Was aber neu hinzu- kommt, ist Folgendes. Im Ei, aus dem lebenden Thier genommen, sieht man, namentlich bei jüngeren Thieren, nur einen einzigen grossen Keimfleck, der in gleicher Weise bei allen Eiern durch helle Lücken in seinem Innern andeutet, dass er zusammengesetzter Natur ist und aus Theilen be- steht, die allmählich voneinander weichen, so dass man alsdann in andern Thieren anstatt eines Keimfleckes eine ganze Anzahl kleinerer vor sich hat. Aber selbst ein solch einzelner kleiner Keimfleck er- 1) Ueber Argulus foliaceus. Ein Beitrag zur Anatomie, Histologie und Entwicklungsgeschichte dieses Thieres. in: ‘Zeitschrift für wiss. Zool. 1850. 2) Der Giftstachel des Argulus ein Sinneswerkzeug, in: Zool. Anzeiger, 1886. 20% 300 FRANZ LEYDIG, weist sich bei genauerer Prüfung als ein Haufen besonderer Kör- perchen. Ferner kommt am lebenden Ei ein Doppeltes zur Ansicht: sowohl der noch einheitliche Keimfleck, als auch die zerstreut liegenden, klei- neren könnnen in Zacken und Spitzen ausgehen (Taf. XI, Fig. 16); zweitens hebt sich öfters deutlich um den einzelnen kleineren Keim- fleck eine besondere Lichtung in der Substanz des Keimbläschens ab (Taf. XI, Fig. 17). Durch Anwendung von Reagentien (Chrom-Essigsäure, Glycerin) bekommen die Keimflecke eine Querzeichnung, so dass sie wie aus Querstücken zusammengesetzt erscheinen (Taf. XI, Fig. 14, Fig. 15a). Sehr beachtenswerth ist es auch, dass im Keimbläschen, zugleich mit den bisherigen Keimflecken, eigenthümliche fadige Bildungen zugegen sein können, welche meist in der Zahl zwei bis drei, entweder von etwas starrem, geradlinigem Wesen sind oder auch leicht gebogen oder geknickt, dabei in ihrer Mitte etwas dicklicher und nach den Enden verjüngt, also spindelförmig. Bei sehr starker Vergrösserung glaube ich zu sehen, dass der einzelne Faden oder Stab nicht rein homogen ist, sondern ebenfalls eine feine Querstrichelung besitzt, was wieder auf eine Zusammensetzung aus Theilchen gedeutet werden darf (Taf. XI, Fig. 15, Fig. 15a). An der Membran des Keimbläschens hebt sich nach Einwirkung härtender Flüssigkeiten eine Bildung ab, welche vorhin vom Ei der Nephelis angezeigt wurde. Man unterscheidet nämlich zwei Contouren der Membran, deren eine, die innere, die eigentliche Membran des Keimbläschens genannt werden darf, während die andere oder äussere eine feinkörnige Umhüllungsschicht vorstellt und dabei auch wohl in leichten Höckern da und dort vorspringt. (Taf. XI, Fig. 14, Fig. 17, Fig. 15a.) Der in jungen Eiern ursprünglich ganz helle Dotter nimmt all- mählich “eine zarte Trübung an, was zunächst keineswegs etwa von Granula herrührt, sondern, wie genaues Zusehen bei starker Vergrös- serung lehrt, vom Hervortreten des Spongioplasmas. Und hierbei ge- schieht das Letztere so, dass von Seite des Spongioplasmas eine Höh- lung sich abgrenzt, deren Linie rings um das Keimbläschen einen ziemlichen Abstand einhalten kann. In der Substanz des Spongioplasmas erscheinen jetzt auch wirk- liche Granula oder dunkelrandige Körnchen, welche sich zu zwei Haufen an beiden Polen des Eies ansammeln. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande, 301 Und wieder ist bemerkenswerth, dass da und dort ausser den ge- dachten Körnchen noch einige Ballen im Dotter zu erkennen sind, welche insbesondere nach Chrom-Essigsäure durch ihr Aussehen der- art an Keimflecke erinnern, dass ich ein Herkommen derselben aus dem Keimbläschen vermuthen möchte. (Taf. XI, Fig. 14.) Die Bewegungsfähigkeit der Dottersubstanz ergiebt sich durch Vergleichen der Gestalt der Eier aus dem lebenden Thier und solcher, welche durch Reagentien abgetödtet wurden. Bei letzteren ist das Ei einfach oval, im ersteren Fall stellt es sich gern bisquitförmig dar und diese Gestalt kommt sowohl bei hellen unreifen Eiern vor als auch im späteren Zustande, nachdem es dunkel und dickschalig geworden ist. Das junge Ei hat eine einfache Begrenzungsschicht; später wird es von einer dicken Schale umzogen, welche sich in eine innere, hellere und äussere, dunklere Lage scheidet. Die äussere, von der Fläche be- trachtet, zeigt sich durch Poren punktirt und im optischen Durchschnitt radiär gestrichelt. Durch starke Vergrösserung lässt sich erkennen, dass die äussere Oeffnung der Porenkanäle etwas trichterförmig erwei- tert ist. (Taf. XI, Fig. 18.) Am gelegten Ei nimmt die Eischale, wie ich es schon seiner Zeit meldete, „eine blasig-zellige Beschaffen- heit an und dient so zum Ankleben der Eier“. Es ist schwer zu sagen, wie die Eischale entsteht. Die Eikeime drängen, indem sie wachsen, die homogene Grenzhaut des Eierstranges in die Höhe, ohne dass zugleich eine zellige Matrix ein solches nach und nach gestieltes Beutelchen auskleidet ; die Kerne der Matrix bleiben vielmehr im Stiel zurück. Danach können wir kaum anders als an- nehmen, dass ebenso wie die erste häutige Begrenzung des Kies — abgesehen von dem gestielten Beutelchen, in dem das Ei liegt — vom Ei selber geliefert sein muss. Ob dies auch bezüglich der späteren derben Schale zutrifft, ist sehr zweifelhaft. Die vielen kleinen Zellen, welche das Innere des Eierstranges er- füllen, werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach, wie anderwärts, in Eikeime und Matrixzellen scheiden. Aber es konnte hierüber keine rechte Sicherheit erlangt werden: es war mir unmöglich, die beiderlei Zellenarten nach ihren Eigenschaften auseinanderzuhalten. Die un- mittelbare Beobachtung führt zu der Auffassung, dass alle Zellen in gleicher Weise zu Eiern werden können. Im reifen Ei wird ein Keimbläschen nicht mehr aufgefunden. So lange dasselbe übrigens noch sichtbar ist, sind auch Keimflecke in 302 FRANZ LEYDIG, ihm zugegen, wenn schon sehr klein geworden und weit auseinander- gerückt. III. Spinnen. Den Eierstock der Spinnen kann man im Allgemeinen einen zellig erfüllten Schlauch nennen, an dem die Eier hervorknospen !). Eine homogene Grenzhaut und eine dazu gehörige Matrixlage mit Kernen bilden die Wand, und ich glaube bei manchen der von mir unter- suchten Spinnen Eikeime und Matrixelemente schon sehr früh unterscheiden zu können. Die Kerne der Matrix sind kleiner und zahl- reicher als jene der Kikeime oder Ureier. Und während in der Matrix die Zellsubstanz zu einer einzigen Masse zusammenfliessen kann, so wird der Kern der Eikeime für sich und im Einzelnen von einer, wenn auch schmalen, Zone Zellsubstanz umhiillt. Die bisherigen Beobachter scheinen nicht auf den Unterschied der beiden Zellenarten geachtet zu haben, sondern sprechen nur von einer Epithellage des Eierstockes, so WırricH?), Lupwia*), BERTKAU<); ein „kernhaltiges Stratum des Eierstockes“ nennt Schürz ’) die hier ge- meinte Lage. Nun ist zu bekennen, dass es auch mir bei verschie- denen Arten nicht gelingen will, die hellen blassen Zellen in die zwei bezeichneten Elemente zu zerlegen, während z. B. bei einer den Eier- sack tragenden Lycosa (L. trabalis?) ich mich von der Verschieden- heit der beiden Zellenarten überzeugen zu können glaube. Noch sei mit Rücksicht auf den Bau des Eierstockes im Ganzen erwähnt, dass nach aussen von der Grenzhaut eine Muskelhülle zugegen sein kann. Man sieht sie deutlich z. B. bei Tetragnatha 1) Es mag nicht unerwähnt bleiben, dass ich um den Eierstock hin und wieder noch eine zarte, gegen den Leibesraum abschliessende Um- hüllung zu bemerken glaube, ohne dass es mir gelingen wollte, Präparate herzustellen, die einen klaren Ueberblick gewährt hätten. Wenn trotzdem die Wahrnehmungen richtig waren, so wird die Umhüllung gleichzusetzen sein dem bei Hirudineen die Keimstränge umschliessenden Sack, wodurch auch wieder eine Anknüpfung an die Verhältnisse bei Argulus stattfände. 2) v. Wırrıch, Observationes quaedam de aranearum ex ovo evolutione. Diss. inaug. Halis Sax. 1845. Derselbe, Entstehung des Arachnideneies im Eierstock, Archiv f. Anat. u. Physiol. 1849. 3) Lupwie a. a. O. 4) BERTKAU, Generationsapparat der Araneiden, in: Arch. f. Naturgesch. 1875. 5) Sckürz, Ueber den Dotterkern, Inauguralabhandlung, Bonn 1882, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 303 spec., wo sie aus sich kreuzenden Quer- und Längszügen besteht. Die Längsmuskeln sind die äusseren, die Ringmuskeln die inneren; die Bündel sind schmal und die Querstreifung ist nur schwach ausgeprägt. Auch an einer frisch getödteten Vogelspinne (Mygale avicularia) be- merke ich ebenfalls die Muskellage !); sie ist hier sehr kräftig ent- wickelt und die Ringmuskeln sind stärker als die Längsmuskeln, be- sonders gegen den untern Theil des Eierstockes hin. Bei Phalangium opilio treten die Muskeln auch in den Eistiel über und die Bündel ver- ästigen sich unter schliesslicher Anheftung an eine noch zu erwäh- nende Zellenlage. (Taf. XII, Fig. 41.) Ausser der schon erwähnten Tunica propria lässt sich noch eine zweite Hülle unterscheiden, welche sehr zart ist und sich nur dort abhebt, wo Einschnürungen entstanden sind, über welche sie brücken- artig sich hinwegspannt, was z. B. der Fall ist am Uebergang des Stieles in das Eibeutelchen (z. B. Taf. XIL, Fig. 33). Bei Phalangium, allwo an bezeichneter Stelle die Hülle weit absteht, vermag man auch ihr angehörige verästigte Muskeln zu erblicken. Ueber den Ursprung der Eier hat Lupwia gegen Wirricu mit Recht hervorgehoben, dass keineswegs von den Eitheilen zuerst das Keimbläschen da sei, um das sich dann die Zellsubstanz lege, sondern das Ei sei von Anfang an eine gekernte Zelle. Alle späteren Beobach- ter sind darüber einig geworden, dass durch Wachsen und in Folge dessen Emporheben einer solchen Zelle ein gestieltes Ei zu Stande kommt, wobei nach Vorigem in manchen Arten sehr bald eine Zer- legung der ursprünglich gleichen Zellen in die Elemente, welche für die Matrixlage der Grenzhaut bestimmt sind, und in die Eikeime sich ein- stellen muss. Der Kern, jetzt Keimbläschen der Ureier, besitzt zuerst einen ein- zigen rundlichen Keimfleck, der aber nach und nach bedeutende Umwandlungen und Sonderungen durchmacht, die nicht etwa erst durch 1) Das Thier war durch Farbholz aus Südamerika an den Niederrhein gekommen und Anfang August in meine Hände gelangt. Ich erhielt es 4 Monate lang am Leben, wobei Heuschrecken, nackte Raupen und Regen- würmer zur Nahrung dienten. Als ich die Spinne Ende November durch Chloroform tödtete, floss aus einem feinen Einstich in die Rückenhaut so viel helles, schwach opalisirendes Blut heraus, dass ein Uhrschälchen davon voll wurde. An den ganz stattlichen, sehr zahlreichen Blutkügelchen liess sich deren Schwammgerüste (Spongioplasma) gut erkennen, 304 FRANZ LEYDIG, den Gebrauch künstlicher Mittel zum Vorschein kommen, sondern schon an dem aus dem frischen Thier genommenen Ei zugegen sich zeigen. Manches von dem, was ich jetzt zu berichten habe, ist bereits durch die Studien van BAMBERE’S!) bekannt geworden. Es können nämlich: 1) die Keimflecke deutlich von zweierlei Art sein: die einen sind gross, rundlich, dunkelrandig; die andern sind klein, blass, von matt- körnigem Wesen. Der dunkelrandige ist in der Einzahl vorhanden, die blassen in der Mehrzahl; der grosse besteht näher angesehen wie aus Kern und Schale in der Art, dass das Innere von blasser Sub- stanz eingenommen ist, während die Schale durch dunkle Berandung an Fett erinnert. Die Menge der kleinen Keimflecke vermindert sich mit dem Reiferwerden des Eies. 2) Ein einziger, grösserer Keimfleck zeigt sich zugegen und dieser bietet das Bild eines Knäuels dar. 3) Der geknäuelte Keimfleck zeigt in seinen entweder dicht zu- sammengeschobenen, ein andermal locker ziehenden Wülsten eine Zer- fällung in Quertheilchen. Ich verweise zum besseren Verständniss auf die Abbildungen der Eier von Tetragnatha (Taf. XI, Fig. 22), Mygale (Taf. XII, Fig. 38, Fig. 39), Lycosa (Taf. XII, Fig. 36), Theridium (Taf. XII, Fig. 24, Fig. 25). Durch Reagentien lässt sich, nebenbei gesagt, da und dort ausser den Keimflecken noch ein deutliches Schwammwesen im Keimbläschen erkennen. Schon an dieser Stelle möchte ich die Aufmerksamkeit auf das- jenige gerichtet sehen, was in manchen Eiern einer Species von The- ridium sich beobachten liess (siehe die citirten Figuren). Man unter- scheidet ausser dem grossen, man könnte sagen, Hauptkeimfleck noch einen oder mehrere kleinere oder Nebenkeimflecke von blassem Wesen. Der grosse hat die Beschaffenheit eines stattlichen, aus scharf geran- deten kleinen Körpern zusammengesetzten Ballens. Von ihm nun weg zieht sich ein Strang solcher Körperchen oder Theilstücke über die Grenze des Keimbläschens hinaus in den Dotter hinein. In einzelnen Eiern, deren grosser Keimfleck das Bild gewundener und geknäuelter Fäden giebt, können die kleinen Theilstücke zusammenhängend oder in bereits abgelösten Gruppen abermals in den Dotter sich erstrecken. 1) Cu. van Bameexe, Contribution pour servir a l’histoire de la vé- sicule germinative, in: Bull. de l’Acad. de Belgique, 1886. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 305 Ja ich glaube an dem lebenden Ei verfolgt zu haben, wie Theile der seknäuelten Fäden sich zu einzelnen Ballen zusammenschoben und in den Dotter vordrangen. Grosser Wechsel in Form und Beschaffenheit des Keimfleckes kommt auch bei Phalangium zu Tage, wozu man auf Taf. XIII die Figuren 45—49 vergleichen möge. Das junge Ei besitzt einen einzigen grösseren Keimfleck, um den nach Reagentien (doppelchromsaures Kali) eine deutliche Lichtung zieht als Aushöhlung in der Substanz des Keimbläschens. Im frischen Ei kann der Keimfleck eine oder mehrere Vacuolen zeigen. Wieder- holt habe ich beobachtet, dass ein solcher Keimfleck — das lebende Ei mit Mundspeichel befeuchtet — unter dem Mikroskop allmählich verblasste und zuletzt für das Auge völlig schwand. Hätte man diesen Vorgang nicht unmittelbar unter dem Mikroskop ablaufen sehen, so wäre man wohl bezüglich vieler der jungen Eier zu der irrigen Auf- fassung gekommen, dass ihr Keimbläschen von vorne herein ohne Keimfleck gewesen sei. In älteren Eiern kamen auch Keimfleckbil- dungen vor, welche auf Kernfäden zu beziehen waren und sich bald in Form schmaler, leicht bogiger gekörnelter Schnüre, bald auch als dicke, knäuelig zusammengeschobene walzige Massen darstellten. In diesem Falle konnte das Bild nach Härtung sich ausnehmen wie ein einziger grosser Keimfleck, dessen Substanz durch lichte Gänge oder Zwischenräume zerlegt war. Die Membran des Keimbläschens verdient bei mehreren der ge- nannten Arachniden unsre Aufmerksamkeit in hohem Grade. In den Eiern des Theridium, dessen Keimfleck ein Ballen kleiner Körperchen ist, sah ich die Aussenfläche des Keimbläschens von Körperchen glei- cher Art und Wesens eine Strecke weit umzogen. Jedes der Körper- chen besass wieder eine besondere helle, plasmatische Umgrenzung, wodurch eine Linie mit Einkerbungen über diese an der Aussenfläche des Keimbläschens lagernden Körperchen wegzog. Indem man nun in Erwägung zieht, dass die besagten Elemente mit den Keimflecken innerhalb des Keimbläschens im Aussehen völlig übereinstimmen und ebenso mit den in den Dotter vordringenden keimfleckähnlichen Kör- pern, so darf man das Ganze wohl an dasjenige anschliessen, was oben über die körnig-grümlige Schicht an der Aussenfläche des Keimbläs- chens von Nephelis und Argulus berichtet wurde. Die beigegebenen Abbildungen können wohl dazu dienen, die Verhältnisse noch besser zu veranschaulichen. 306 FRANZ LEYDIG, Um das Keimbläschen herum geht eine deutliche, vom Dotter be- srenzte Höhlung und in dieser liegen zunächst die ausgetretenen Körperchen, von denen eben die Rede war. Und wenn diese, wie Fig. 24 und Fig. 25 auf Taf. XII versinnlichen, in einen oder mehreren Zügen in den Dotter eindringen, so ist auch unverkennbar dabei zu sehen, dass von der Haupthöhlung weg Nebengänge in die Dottermasse führen. Im Ei von Phalangium grenzt sich oftmals die das Keimbläschen aufnehmende Höhlung nicht minder klar ab. Zwar besteht häufig enger Anschluss des Dotters an das Keimbläschen, namentlich am ganz frischen Ei, und erst allmählich, wohl durch Zusammenziehung der Dottersubstanz, tritt die Lichtung auf. Von ihr weg können strahlige, helle Gänge in den Dotter sich ziehen, von denen man freilich nur die Anfänge sieht, während die Fortsetzung nach aussen in eine strah- lige Zeichnung des Dotters sich verliert. (Tafel XIII, Fig. 43.) Und aller Beachtung werth sind nun wieder die Dinge, welche man in der Höhlung um das Keimbläschen zu Gesicht bekommen kann. Man trifft auf Eier, welche nur einige blasse, rundliche Körper nach aussen von der Membran des Keimbläschens besitzen. Ein andermal, und dies Verhalten kam sehr häufig zur Beobachtung, erscheint die Membran des Keimbläschens umzogen von einer verhältnissmässig dicken Schicht mit höckerigen Vorsprüngen. Begegnet man nun weiter hin auch solchen Eiern, bei welchen ausser der bezeichneten Schicht noch Kérperchen, die sich davon ablösen, in dem Raume liegen, so darf man wohl auch hier die Entstehung der Höckerlage aus einem Zusammenfluss von Körperchen ableiten, welche dem Keimbläschen ent- stammen. Eine solche Ansicht lässt sich auch ferner durch die Wahr- nehmung stützen, dass in derartigen Eiern entweder nur Spuren oder auch gar nichts mehr von Keimflecken innerhalb des Keimbläschens zugegen sein kann. (Taf: XIII, Fig. 45, 46, 47.) Der Dotter ist in den Ureiern der obigen Arachniden eine voll- kommen klare Substanz. An sehr jungen Eiern von Phalangium kann nach Reagentien eine gewisse Zerklüftung dieses hellen Dotters ge- sehen werden, in der Weise, dass von der Lichtung, welche das Keim- bläschen umgiebt, helle Strassen in den Dotter ziehen. Später besteht der Dotter bei achtsamer Behandlung wohl allgemein aus einem Re- ticulum oder Spongioplasma und dem davon umschlossenen Hyalo- plasma, wozu sich Granula und Dotterkugeln gesellen. Das Spongio- Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 307 plasma bedingt auch da und dort eine allerdings wenig hervortretende strahlige Streifung. Hat man einzelne Züge des Fachwerkes frei dar- gelegt, so lässt sich wieder bestimmen, dass die Granula zuerst inner- halb der Substanz des Fachwerkes gebettet sind, und daher bei Frei- legung desselben nur diesem folgen. Verschiedene Wandlungen machen auch die Dotterkugeln durch. Bei Tetragnatha und Lycosa z. B. sieht man die blassen, wohl aus Eiweiss bestehenden Kugeln zuerst einseitig wie von einem dunklen Halbring umgeben, der sich nach und nach schliesst, so dass jetzt der Eiweissballen in einer dunkelrandigen, an Fett erinnernden Schale steckt (Taf. XI, Fig. 23). Indem der Einzelballen an Grösse zunimmt, wird die Schale durch Ausdehnung verdünnt und hebt sich jetzt nicht mehr als solche ab, so dass die grossen Dotterkugeln durch- weg von hellem blassem Aussehen erscheinen. Hingegen bei Theridium besteht ein Dottertropfen des reifen Eies optisch unverkennbar aus blasser Innensubstanz, Eiweiss, und einer dunklen fettartigen Rinde. Das Verhältniss der beiden Substanzen zu einander scheint von der Art zu sein, wie es zwischen dem Achsencylinder und dem Mark der Nervenfaser besteht. Neben den eigentlichen Dotterkugeln machen sich auch wieder kernähnliche Elemente bemerklich, deren Herkommen aus dem Keimbläschen und die Weise, wie es geschieht, schon aus den vorigen Darlegungen ersehen werden kann. Bei der Bedeutung, welche der Sache wohl beizulegen ist, verlohnt es sich indessen, auf einige Fälle noch einmal einzugehen. Was im Ei von Theridium Fig. 24 End 25 zur Beobachtung kam — und ich habe die Zeichnung keineswegs etwa schematisirt —, weist darauf hin, das die aus dem Keimbläschen getretenen Kör- perchen in grösserem Zuge oder zu kleinen Ballen gruppirt, gegen die Rinde des Dotters vordringen. Bei Tetragnatha, Fig. 22 auf Taf. XI, sieht man in grösserer Zahl ausser den andern Dotterelementen in der Randzone des Dotters körnige Ballen. Bei Lycosa kamen Eier vor, in denen gedachte Körper fast eine zusammenhängende Rindenlage des Dotters erzeugten, derart, dass der Gedanke, ob nicht bereits die Bildung der Keimblätter begonnen habe, sich regen durfte (Taf. XII, Fig. 33, 34). Allein die Eier, welche solche Vorkommnisse zeigen, sind noch umschlossen von ihrem Fol- likel und können unmöglich befruchtet gewesen sein. Durch die Menge und den Zusammenschluss der Ballen kann das Bild an ein 308 FRANZ LEYDIG, Epithel erinnern, um so mehr als in einzelnen Ballen ein kernähnlicher heller Fleck und selbst ein nucleusartiger Punkt sich abheben kann. Der Rand der Ballen, was ebenfalls bemerkenswerth ist, kann schwächer oder stärker gezackt und selbst strahlig ausgezogen sein (Taf. XII, Fig. 35). Es ist der vom Stiel des Kies abgewendete Pol, an dem die epithelartige Lage zunächst sich zeigt. Recht deutlich waren auch bei Mygale die in Rede stehenden intravitellinen Körper zu sehen und zwar bereits in jüngeren Eiern, allwo sie den Character reiner Nuclei tragen; frühzeitig schon vor- handen nimmt ihre Zahl mit dem Grösserwerden des Eies zu, wobei sie sich gegen die Rindenschicht des Dotters hinziehen (Taf. XII, Fig. 38, 39). Bei derselben Vogelspinne war noch eine zweite Art von Körpern, merklich verschieden von der eben erwähnten in einigen Eiern zugegen, doch nur selten: es waren rundliche oder längliche scharfrandige, wenn auch sonst ziemlich blasse Gebilde, welche in ihrem Wesen durch helles Innere und undeutlich geschichtete Rinde an die dunkelrandigen Keimflecke erinnerten (Taf. XII, Fig. 39a). Viel- leicht sind sie gewissen später zu beschreibenden Einschlüssen des Dotters, bei Myriopoden z. B., an die Seite zu stellen. Auch bei Phalangium, dessen Dotter namentlich durch Reagentien hin und wieder deutlich radiärstreifig sich ausnimmt, begegnet man eigenthümlichen Bildungen, über deren Einreihung ich nicht völlig ins Klare gekommen bin (Taf. XII, Fig. 46, 47, 48). In jungen, noch hellen Eiern, welche die oben besprochene höckerige Aussenschicht des Keimbläschens aufzeigen, sieht man in geringerer oder grösserer An- zahl Körper, welche, so lange sie noch klein sind, in ihrem ganzen Wesen auf abgelöste Stücke der höckerigen Aussenschicht des Keim- bläschens sich deuten lassen. Grösser und länglich geworden, er- scheinen sie, indem Vacuolen regelmässig gelagert in ihnen auftreten, mit einer Art Querzeichnung hiedurch versehen. Im Dotter bereits dunkel gewordener Eier sind die Gebilde unsichtbar geworden; hin- gegen war wieder sehr beachtenswerth, dass Eier im Reifezustand mir unter die Augen kamen, welche deutlich unter der Dotterhaut eine, wenn auch schwach gezeichnete, doch unverkennbare, zusammenhängende Zellenlage besassen : blasse Kernballen mit zugehörigem Plasma (Taf. XII, Fig. 41). Weiterhin mag auf zwei andere Erscheinungen hingewiesen wer- den, welche mir am Eikörper von Phalangium auffielen. Der Dotter des lebenden Eies verlängert sich da und dort als Ganzes in einen breiten, spitz aufhörenden Fortsatz, welcher in den stielartigen Träger des Eies Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 509 sich einsenkte, aber für sich endigte. Dieser plasmatische Fort- satz (Taf. XII, Fig. 44, 45) erscheint gegen die Spitze zu rein ho- mogen, mit dichter Randschicht, ohne Granula; sein Auftreten muss eine Lebenserscheinung sein, denn in Eiern, auf welche Reagentien eingewirkt haben, sieht man nichts mehr davon. Für verwandt halte ich eine andere Veränderung, welche am Dotter zur Beobachtung kam (Taf. XII, Fig. 43). In Eiern, aus dem le- benden Thier stammend, nahm allmählich unter dem Mikroskop der Dotter ein ganz besonderes feinhaariges Wesen seiner Oberfläche an. Die Härchen mit starken Linsen betrachtet, liessen sich als Hervor- stülpungen des Hyaloplasmas auffassen und den Pseudopodien an die Seite setzen; und gleich den letzteren ging ihr freies Ende auch wohl abermals in eine ganze Anzahl feinerer Fortsätze aus. Es liegt ge- wiss Grund zu der Annahme vor, dass diese zahlreichen feinen Pseu- dopodien im Wesen der Erscheinung das Gleiche sind, was der grosse zipfelförmige, in den Eistiel sich hineinziehende Fortsatz bedeutet. Der sogenannte Dotterkern, von dem jetzt die Rede sein soll, hat von lange her die Aufmerksamkeit auf das Ei der Arachniden gelenkt. Zu meinen früheren Wahrnehmungen über diesen Kérper'), welchen nach dem Entdecker WirricH?), auch Carus*), dann Lupwice‘), BERTKAU?) und Andere, zuletzt besonders sorgfältig Schütz $) untersucht haben, möchte ich jetzt folgendes fügen, indem ich noch vorausschicke, dass ich diesmal nur an Lycosa und Theridium den Theil näher kennen zu . lernen mich bemühte, da Tetragnatha und Phalangium denselben nicht besitzen. (Taf. XII, Fig. 31, .32; Fig. 26, 27, 28, 29.30; Fig. 37.) Die Lage des Dotterkerns ist eine wechselnde: bald hält er sich dem Stiel des Eies zunächst und das Keimbläschen ruht am gegen- überstehenden Pol, bald befindet sich umgekehrt das letztere in der Nähe des Stiels und der Dotterkern liegt nach aussen. Ebenso ver- änderlich stellt sich auch das Aussehen dar: der besagte Körper kann 1) Levyois, Zum feineren Bau der Arthropoden, in: Arch. f. Anatomie u. Physiologie, 1855. 2) v. WırtıcH, a. a. O. 3) Vıcror Carus, Ueber die Entwicklung des Spinneneies, in: Zeit- schrift f. wiss. Zool. 1850. 4) H. Lupwie, a. a. O. 5) BERTKAT, a. a. O. 6) ScHürz, Ueber den Dotterkern, 1882. — Verfasser hat meine Be- obachtungen im Archiv f. Anat. u. Phys. 1855 übersehen, 310 FRANZ LEYDIG. einfach wie ein körniger Ballen sich ausnehmen, oder er zeigt eine körnige Mitte, um welche geschichtete Substanz zieht, worauf wieder körnige Masse folgt; ferner können in dem innersten feinkörnigen Ballen einige grössere glänzende Kügelchen sich abheben. Die ge- schichtete Lage, welche am abgestorbenen Ei viel schärfere Linien als im lebenden Zustande hat, kann unmittelbar an die übrige feinkör- nige Dottersubstanz sich anschliessen, oder es zieht sich vorher eine Zone von Vacuolen um sie herum. Dieses Bild möchte ich in Ver- bindung bringen mit einem andern, allwo ein buchtiger, wie in Zipfeln ausgezogener und mit heller Substanz erfüllter Raum den Dotterkern umgiebt, wie ich solches namentlich sah an lebenden Eiern von Ly- cosa, welche im Juni aus einem den Eiersack tragenden Thier ge- nommen und im Mundspeichel untersucht worden waren. Hier folgte im Dotterkern, welcher als Ganzes in der Grösse bedeutend dem Keimbläschen nachstand, auf den feinkörnigen Innenkörper eine Lich- tung, dann eine Zone geschichteter Substanz, die nach und nach breiter und schärfer streifig wurde; es kam dann wieder eine Lichtung und diese weitete sich unter den Augen des Beobachters aus, trieb Buchten, um schliesslich ins Vacuoläre überzugehen, welcher Vorgang wohl dem Eindringen eines flüssigen Stoffes zuzuschreiben war. In jungen Eiern zeigen sich Erscheinungen am Dotterkern, welche ebenfalls noch der Aufklärung harren. Man sieht zu innerst ein scharfes Pünktchen in einem lichten Raum, und da letzterer von einer körnigen Zone umgeben ist, so könnte man füglich von einem körnigen Zell- körper mit blasigem Kern und Kernkörperchen sprechen. Dieser zell- ähnliche Ballen erscheint abermals umgeben von einer Lichtung, welche nach aussen von der schichtstreifigen Zone abgeschlossen wird. Die Schichten sind nun keineswegs rein homogene Blätter, sondern, wie besonders durch härtende Flüssigkeiten dargethan werden kann, sie zerlegen sich in kleine Körperchen oder Stückchen, die mir eine be- stimmte Gestalt zu haben scheinen, welche nur wegen der Kleinheit der Gegenstände nicht genau festzustellen ist. Da man nun ferner wahr- nimmt, dass um den Dotterkern herum die ersten Dotterkörnchen er- scheinen, welche gleich einer Staubbildung das Ei dunkel machen, so könnte man annehmen wollen, dass die ersten Dotterkörnchen aus Theilstückchen hervorgehen, in welche sich die Schichten des Dotter- kernes auflösen. Sollte dies wirklich der Fall sein, so müssten sich die Theilstückchen noch weiter zerkleinern, denn sie sind merklich srösser als die feinen Dotterkörnchen. Deshalb möchte ich die von Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 311 = Carus wohl zuerst vertretene Auffassung, der Dotterkern sei Bildungs- stätte der ersten Dotterkörperchen, noch für unsicher halten. Ich habe mir Mühe gegeben, über den Ursprung des Dotterkerns eine bestimmtere Vorstellung zu gewinnen, was jedoch keineswegs ganz gelingen wollte. Die Ansicht, welche BALBIANI aufgestellt hat, dass der Dotterkern in erster Bildung ein von aussen eingewandertes Gebilde sei und zwar eine der Zellen, welche im Stiel des Eifollikels sich finden, lässt sich auf keine Weise begründen, wie das schon Schütz dargethan hat. Es bleibt also nur übrig, entweder den Körper im Dotter selber ent- stehen zu lassen, oder seine Anfänge aus dem Innern des Keimbläs- chens herzuleiten. Soweit meine Erfahrung geht, möchte ich am meisten zu der letzteren Ansicht neigen. Man sieht nämlich in jungen, sonst ganz hellen Eiern, welche noch nichts von einem eigentlichen Dotterkern besitzen, unmittelbar am Keimbläschen einen Staubfleck oder feinkörnige Masse, welche ent- weder die Form eines Halbmondes hat, oder auch wohl als Streifen in den sonst ganz hellen Dotter hineinzieht (Taf. XI, Fig. 19—21). Ich möchte annehmen, dass diese Substanz aus dem Keimbläschen ausgetreten sei und den inneren körnigen Ballen des Dotterkerns bilde ; die übrigen Sonderungen könnten sich im Dotter vollziehen. Diese Vermuthung, dass der Dotterkern aus dem Keimbläschen herzuleiten sei, liesse sich auch durch dasjenige stützen und wahrscheinlich machen, was weiter unten über das Ei anderer Thiere (Myriopoden) mitzutheilen sein wird. Noch möchte des Eies von Mygale besonders zu gedenken sein. Ein Dotterkern von der Sonderung, wie sie vorhergehend beschrieben wurde, ist nicht vorhanden, aber ein grösserer dunkler Fleck hebt sich scharf aus dem sonst hellen Dotter in jüngeren Eiern ab (Taf. XII, Fig. 38). Es ist eine Ansammlung von Körnchen in Ballenform und ein vergleichender Blick über den Eierstock hin macht wahrscheinlich, dass durch Ausbreitung des Körner- und Ballenhaufens das Ei dunkel wird. Allen diesen Vorkommnissen gegenüher muss man sich einge- stehen, dass uns noch der aufklärende Gesichtspunkt völlig fehlt. In Eiern von Lycosa in dem Reifezustand, wo das Keimbläschen nicht mehr auffindbar ist, konnte ich immerhin den Dotterkern noch bemerken. Er lag nahe dem Rande des Dotters, war kleiner geworden gegen früher, von sehr dunkelkörnigem Aussehen mit lichter Mitte. Es stimmt dies mit den Angaben, welche bereits WirricH, BERTKAU, 312 FRANZ LEYDIG, BALBrant über das Vorhandensein des Dotterkerns in abgelegten Eiern gemacht haben. Die Hüllen des Eies anbelangend, so ist mir auch darüber nicht Alles klar geworden. Man unterscheidet eine Haut, welche den Dotter begrenzt und von ihm selber, wahrscheinlich durch Randverdichtung des Hyaloplasmas, gebildet sein muss. Bei der obigen Lycosa zeigt die sonst ganz glatte homogene Haut an ihrer äusseren Begrenzung eigenthümliche, wie regelmässig gestellte kleine, blasse Stückchen oder Körperchen, so dass man eine gewisse über die Oberfläche wegziehende Körnelung oder Rauhigkeit annehmen möchte. Doch will dies inso- fern nicht passen, als am reifen Ei von einer Sculptur der Eihaut nichts zu sehen ist. Weiter nach aussen, getrennt durch einen hellen Raum, folst die Wand des Eisäckchens, welche eine Fortsetzung der Haut des Stieles ist. In der Follikelhaut lässt sich in den meisten Fällen weder etwas von einer Matrixschicht noch von Kernen entdecken. Und doch scheint nach den Arten dies Verhalten nicht immer das gleiche zu sein. Bei Tetragnatha spec. wenigstens konnten doch in der fast homogenen Haut einige zerstreut stehende Kerne unterschieden werden. Auch Schütz meldet, dass er bei einer grossen nicht bestimmten Spinne die sonst „hyaline Follikelhaut gekernt“ gefunden habe. Hier- bei möchte aber allerdings die Frage noch in Betracht zu ziehen sein, ob nicht die betreffenden Kerne der oben von mir unterschiedenen Hülle angehören, welche zwar am Follikel selber nicht mehr unterscheidbar ‘ist, wohl aber an der Uebergangsstelle des Stiels in den Follikel. Auch bei Phalangium liegen die Dinge nicht ganz einfach. Kerne sieht man zwar auch hier nicht, aber nach Reagentien erscheint doch unterhalb der Follikelhaut, also einwärts, ein Zug körnigen Wesens, die auf eine Matrixlage bezogen werden könnte. (Taf. XII, Fig. 41.) Der Raum zwischen Eihaut und Follikel ist bei allen genannten Arten von einer hellen Substanz eingenommen, welche bei Phalangium nach härtenden Reagentien sich in Brocken und Krümeln umsetzt. Ich erwähne wieder für sich die nachträglich untersuchte Vogel- spinne (Mygale avicularia). Auch hier liess sich, ausser der Dotter- haut und der derben Follikelhaut, noch unterscheiden nach einwärts eine schwache, feinkörnige Lage, also eine Matrix ohne Kerne; zwischen Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 313 ihr und der Dotterhaut der mit flüssiger Substanz erfüllte Raum; zu äusserst noch eine zarte Hülle. Im Stiel des Follikels macht sich überall die Anwesenheit epithel- artiger Zellen bemerklich. Bei Phalangium (Taf. XII, Fig. 41, Fig. 42) sind dieselben etwas auffallender Art, indem sie, cylindrisch geworden, in strahliger Stellung einen förmlichen Kranz bilden, zwischen welchem der besagte dicke plasmatische Fortsatz des Eies sich einsenkt. Auch bei Mygale, bei Betrachtung des Stieles von oben, ist mir dieser Kranz cylindrischer, strahlig geordneter Zellen aufgefallen. (Taf. XII, Fig. 40.) Man begegnet am Eierstock (Lycosa, Tetragnatha) Bildungen, die sich stark von den Eifollikeln abheben und bereits von BERTKAU erwähnt werden. Sie sind rundlich, von gelblicher Farbe und ihre Oberfläche zeigt Knäuellinien. Es handelt sich wohl um entleerte Follikel, die zu Corpora lutea umgewandelt sind. Nachdem das Ei den Follikel verlassen, zieht dieser sich zusammen und erhält dadurch die schrundig-faltige Oberfläche; die Zellen des Stieles scheinen alsdann einer besonderen Veränderung zu unterliegen, indem sie zu einer wachsähnlichen gelben Masse werden, die zuletzt feinkörnig zerfällt. IV. Myriopoden. Nachdem LuBBock !) über gewisse Eigenthümlichkeiten des Eies von Geophilus berichtet hatte, ist es BALBIANI ?) gewesen, welcher durch seine Mittheilungen allgemeiner das Interesse auf das Ei dieser Thiergruppe gelenkt hat. Auch mir sind sie zur Veranlassung ge- worden, mich mit den Eiern einiger Scolopender zu beschäftigen, wo- bei es sich zeigte, dass die Frühlingsmonate (April, Mai), weil die meisten Eier sich schon im Reifestadium befanden, weniger günstig waren als die Zeit des Herbstes (September, October). In der an sich unpaaren Eierstocksröhre von Lithobius und Geo- philus lässt sich ein paariger Character insofern daran erkennen, als in dem Schlauch zwei Achsenstränge vorkommen, an denen die Eier 1) Joux Lussocx, Notes on the generative organs and the formation of the egg in the Annulosa, in: Phil. Trans. 1861. 2) E. G. Bazsrant, Sur l’origine des cellules du follicule et du noyau vitellin de l’oeuf chez les Géophiles, in: Zoolog. Anzeiger 1883. Zoolog. Jahrb. IIT. Abth. f. Morph. 21 314 FRANZ LEYDIG, hervorknospen. Zu jedem der beiden Stränge scheint ein grösseres Blutgefäss zu gehören, welches zur Ernährung und zum Wachsen des Eies in Bezug stehen mag. — Am allgemeinen Schlauch unterscheidet man eine glashelle Membran, darunter ihre Matrixlage, die freilich nur durch einzelne Kerne mit etwas Plasma gekennzeichnet ist; quer- gestreifte Muskeln setzen sich an die Hülle. Auch der Keimstrang besitzt zu äusserst eine homogene Haut und darunter eine Matrixlage, deren Kerne sich von denen der Ureier unterscheiden. Verfolgt man nämlich bei Geophilus z. B. die Eikeime rückwärts bis zu den allerjüngsten, so zeigen sie sich stets anders geartet als die Elemente der Matrix: die Kerne der letzteren bleiben immer kleiner und sind länglich, hingegen die Kerne der winzigsten Eikeime sind rund, bläschenförmig mit mittlerem Punkt. (Taf. XII, Fig. 50.) Der einzelne Eikeim, indem er wächst und dadurch hervortritt, liegt in einem gestielten Beutelchen, dessen homogene Membran und Kerne die Fortsetzung jener Matrixlage sind, welche den Keimstrang begrenzt. Solche Eifollikel mit ihren Kernen hat bereits LupwiG aus Lithobius, Julus und Glomeris veranschaulicht. Die kleinsten Eikeime sind in allen Stücken so hell und homogen, dass man sagen möchte, sie beständen nur aus Hyaloplasma. In den etwas grösser gewordenen sind um das Keimbläschen herum Häufchen von Krümeln aufgetreten, welche sich nach und nach zusammenlegen und dadurch halbschalig das Keimbläschen umgeben. Blicken wir jetzt näher auf die einzelnen Eitheile, so begegnet uns am Keimflecke eine grosse Mannigfaltigkeit der Form, was darauf hinweist, dass Reihen von Lebensvorgängen sich hier abspielen müssen, deren Zusammenhang wir aber einstweilen noch kaum verstehen. Es kann der Keimfleck bei Lithobius ein rundlicher Körper sein von ziemlichem Umfang, blass, leicht gekörnelt und von der übrigen Substanz des Keimbläschens durch eine Lichtung getrennt. (Taf. XIII, Fig. 65.) Ein andermal sind mehrere Keimflecke zugegen von der Tracht der Amöben: buchtig und gesondert in ein körniges Innere und in einen hellen, rein homogenen Saum. Wieder eine andere Form ist die, dass die amöbenartigen Gebilde in ihrem Innern einen hellen, kernartigen Fleck mit centralem Pünktchen zeigen und am Rande feinstrahlig sind. Die grösseren dieser Keimflecke, ebenfalls mit Rand- Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 315 strahlen versehen, erweisen sich als Ballen und Haufen der kleineren Amöben. Ferner giebt es Keimbläschen, welche eine Menge kleiner Keim- flecke besitzen, die entweder ohne Ordnung vertheilt sind oder sich in Reihen gruppiren, bald so, dass, während die einen noch regellos zerstreut sind, ein andrer Theil in kurze, geldrollenähnliche Säulchen sich zusammengelegt hat; ein andermal stösst man auf längere fadige Aufreihungen, deren Stränge zu Schlingen gebogen oder geknickt sind, so dass auch wohl eine echte Knäuelform der gegliederten Stränge entsteht. (Taf. XIII, Fig. 66.) Bemerkenswerth möchte auch die Erscheinung sein, dass bei An- wesenheit einer grossen Zahl kleiner Keimflecke die ganze Menge der- selben der nach unten gekehrten Hälfte des Keimbläschens angehört, gleichsam als wären sie alle zu Boden gesunken. Man kann sich von dieser Lage aufs bestimmteste durch genaue Einstellung über- zeugen. Von besonderer Bedeutung ist es wieder, dass die Keimflecke nach ihren physikalischen Eigenschaften von doppelter Art sein können. Neben und zugleich mit den blassen amöboiden Körperchen kann noch ein grösserer dunkelrandiger Keimfleck zugegen sein, der nach seinem Aussehen fettiger Natur ist. (Taf. XIII, Fig. 63, Fig. 64.) Und wenn das Keimbläschen nur einen einzigen, aber grossen Keimfleck birgt, so sondert sich derselbe schon am lebenden Ei, besser noch bei Einwirkung von Reagentien, ganz unverkennbar in zweierlei Substanzen: in eine blasse Mittelpartie, welche gern dicht vacuolär wird und dadurch für die oberflächliche Besichtigung ein kérniges Aussehen erhalten hat, und in eine äussere Partie von homogenem und geschichtetem Wesen. Mehrmals sah ich auch einen solchen Keimfleck, dessen mit heller Substanz erfüllter Innenraum durch den dunkelrandigen Mantel hin- durch eine Oeffnung aufwies, und die Innensubstanz des Keimfleckes zog sich so zur Membran des Keimbläschens hin, als wäre sie eben im Austreten begriffen. Aehnliches scheint auch schon LUBBOCK ge- sehen zu haben, wohin eine seiner Abbildungen deutet !). Fast noch klarer, wenn auch in etwas andrer Art, zeigt sich die Scheidung des Keimfleckes in eine Doppelsubstanz bei Geophilus electricus. (Taf. XIII, Fig. 61, Fig. 62.) Hier besteht in jüngeren Eiern neben 1) Joux Lussock, a, a, O. Pl. XVI, fig. 22, young egg of Geophilus, 21* 316 FRANZ LEYDIG, den blassen kleinen Keimflecken eine grosse Macula germinativa, die wie eine Kapsel von scharfem zweilinigem Rand sich ausnimmt, wobei sich das,blasse Innere in eine helle homogene Randschicht und in eine äusserst feinkörnige Mitte scheidet. Auch die dunkelrandige Kapsel- wand ist keineswegs ganz homogen, sondern weist Schichtungsstreifen auf, die zwischen sich wieder zerstreute kleine Mengen jener hellen Substanz umschliessen. Von daher erklärt sich die Entstehung kleiner oder Nebenvacuolen, wie sie allmählich sich einstellen können: sie sind bereits vorgebildet in den Spalträumen der Kapselwand. Es ist von vornherein wahrscheinlich, dass sich die dunkelrandigen Keimflecke aus den blassen durch Umwandlung hervorbilden, doch sei ausdrücklich erwähnt, dass ich bei Lithobius forficatus Uebergangs- formen in der That beobachtet habe, wobei auch noch die Ueberein- stimmung herrscht, dass der Rand der dunkelrandigen Körper eben- falls zackig-strahlig ausgezogen sein Konnte. Ueber die Membran des Keimbläschens und eine von dorther ent- stehende trichterformige Anhangsbildung, welche sich in den Dotter erstreckt, sowie ferner über Austreten von Substanzen aus dem Keim- bläschen in den Dotter hat BALBIANI interessante Wahrnehmungen veröffentlicht. Ich bin zwar nicht in die Lage gekommen, dieselben in allen Stücken bestätigen zu können, wohl aber habe ich die Richtig- keit einiger Hauptpunkte anzuerkennen. Ich möchte, was mir selber unter die Augen kam, in Folgendem zusammenfassen. 1) Es tritt eine anscheinende Verdickung der Membran des Keim- bläschens auf, die sich bei starker Vergrösserung und Zuhülfenahme von Reagentien als eine nach aussen von der Membran liegende körnig- krümliche Substanz darstellt; sie zeigt sich auch wohl zart radiär ge- strichelt, was auf weitere Zerlegung hindeutet. 2) Wir begegnen dem Trichter oder Kanal BALBIANrS, von dessen verschiedenen Formen ich einige in Fig. 53, Fig. 54, Fig. 55, Fig. 61 auf Taf. XIII festgehalten habe, auch Fig. 59 auf der gleichen Tafel ist hierher zu rechnen. Die Begrenzung des Kanals im frischen Ei ist sehr blass, im absterbenden aber und nach härtenden Flüssigkeiten wird sie schärfer. In der Form bat er Aehnlichkeit bald mit einem einfach kegeligen, stumpfen oder etwas zugespitzten Zapfen, bald ist er länger ausgezogen und leicht hornartig gekrümmt. Indem ich eine nähere Prüfung vornahm, in welchem Verhältniss diese namentlich an jungen und hellen Eiern vorkommende Bildung Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 317 zum Eikörper steht, so liess sich zunächst feststellen, dass daran eine äussere Begrenzung, dann die Lichtung und der Inhalt zu unter- scheiden sei. Die Begrenzung geschieht durch das Spongioplasma des Dotters, das sich hierbei zu einer Art Wand verdichtet; die Lichtung beginnt von dem Raum aus, der um das Keimbläschen zieht und eben- falls durch das Spongioplasma des Dotters umrissen wird. Gedachte Höhlung schliesst zwar meist enge um das Keimbläschen zusammen, lässt sich aber selbst in diesem Zustande kaum übersehen; nach Reagentien kann sie einen geradezu geräumigen Character tragen (vergl. z. B. Fig. 67 und Fig. 68 auf Taf. XIII). Wir haben es so- nach bezüglich des Trichters mit einer Ausbuchtung jenes Hohlraumes oder Lichtung zu thun, welche von der Höhlung um das Keimbläschen herum in den Dotter dringt. Der Inhalt des Trichters kann, wie die zuletzt angezogenen Figuren lehren, entweder helle Substanz oder Hyaloplasma sein, wie sie den Raum um das Keimbläschen überhaupt erfüllt, oder es ist eine körnig krümliche Materie, welche im optischen Aussehen an die Substanz der Keimflecke erinnert, so dass schon dadurch der Gedanke, es möchten körperliche Theile aus dem Keimbläschen heraus in besagte Lichtung getreten sein, kaum abzuweisen ist; zudem liegt auch gern der grosse Keimfleck der Basis des Trichters nahe. Sehr bemerkenswerth ist auch und spricht zu Gunsten der eben geäusserten Ansicht, dass die den Trichter emnehmende Substanz sich wie der Keimfleck selber in eine Doppelsubstanz scheiden und vacuolär werden kann. Ausdrücklich ist zu bemerken, dsss die im Vorstehenden gekenn- zeichneten Verhältnisse mir nur bei der Gattung Geophilus zu Gesicht sekommen sind, während in den vielen Eiern von der Gattung Lithobius, die ich ebenfalls durchmustert habe, nichts von dem ,,Trichter“ sich erkennen liess. Auf welche Weise mögen Theile der Keimflecke aus dem Keim- bläschen in den Hohlraum um das Keimbläsehen und in die hornartige Ausbuchtung gelangen ? Nach BALgıant Öffnet sich die Basis des Trichters kreisförmig in das Keimbläschen. Ich bin nicht im Stande, mich hiervon zu über- zeugen. Wiederholt zwar hatte ich aus dem frischen Thier genommene Eier vor mir, allwo eine Bogenlinie über der Basis des Trichters so herüberzog, als ob eine wirkliche Oeffnung des Keimbläschens zugegen wäre; allein bei recht genauem Zusehen wurde aus der vermeintlichen 318 FRANZ LEYDIG, Oeffnung doch nur der Rand einer grubigen Eintiefung des Keimbläs- chens, und es konnte eine solehe Grube, zugleich mit jener an der Trichterstelle, auch an einem andern Punkte des Keimbläschens zu- gegen sein. Immerhin könnte vielleicht das Auftreten solcher grubigen Eintiefungen am Keimbläschen mit dem Erscheinen des Trichters in Verbindung stehen; andrerseits mögen sie mit Bewegungsvorgängen im Ei zusammenzuhängen, da mir auch Eier vorlagen, deren Keim- bläschen so vielmals eingebuchtet waren, dass man sie hätte zackig nennen können. (Taf. XIII, Fig. 60.) Ich konnte, wie schon oben ausgesagt wurde, nur sehen, dass die Basis des Trichters sich in den Hohlraum um das Keimbläschen öffnet. Ich glaube nun bezüglich des Austretens der Keimflecke auf Grund dessen, was ich sah, annehmen zu müssen, dass Keimflecke nicht als Ganzes durch eine grössere Oeffnung nach aussen gelangen, sondern nachdem sie sich zuvor in Theilstücke zerlegt haben; diese erst schienen mir durch die Poren der Membran des Keimbläschens zu dringen, um sich alsdann wieder zu einem einzigen Ballen zu vereinigen. In Fig. 58 auf Taf. XIII ist einer jener Fälle wiedergegeben, welche mir diese Annahme nahe legen. Das Keimbläschen zeigt dort anstatt einer grubenförmigen Eintiefung das Gegentheil hiervon, eine Aussackung. Man sieht in derselben einen Keimfleck, verbunden durch Streifen, oder auch abgelöst von einem andern und was bedeutsam ist: er kann sich nach der Kuppe der Aussackung zu in feinere Ausläufer auflösen, welche mit der bereits jenseits der Membran liegenden Masse, der obigen „Verdickungsschicht“, zusammenhängen. Auch z. B. in Figur 57 und Figur 64 ist das Keimbläschen andrer Eier naturgetreu dargestellt, und die Einzelheiten weisen abermals auf ein Austreten von Theilen des Keimfleckes hin, wobei auch sichtbar ist, dass es hierbei keineswegs immer zu einer Trichterbildung zu kommen braucht. Man gewahrt vom Keimfleck weg Streifen, welche aus dem Innern zum Rande des Keimbläschens gehen und dann jen- seits desselben zu Körnerhaufen sich ballen. Oder es zieht sich eine lange, gekrümmte, helle Strasse — also eigentlich gebogener Kanal- raum — von der Lichtung um das Keimbläschen weg, weit in den Dotter hinein und führt kleine Körper, verschieden von den gewöhn- lichen Dotterelementen, aber übereinstimmend mit den Keimflecken. Es begegnen uns auch Eier, welche in der Lichtung um das Keim- bläschen einen oder mehrere Ballen aufzeigen, von gleichem Aussehen, wie es die Keimflecke sind, und in andern setzen sich diese wieder Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 319 streifig in den Dotter fort, um sich schliesslich zu Ballen zu ver- einigen. Da der Beobachter, welcher die angedeuteten Verhältnisse in engere Verbindung zu bringen sich bemüht, in Zweifeln befangen bleibt, so möchte ich eine Erfahrung erwähnen, die mir die vorige Annahme zu stützen schien. An Eiern von Lithobius, frisch im Monat April untersucht, war die Innensubstanz des grossen Keimfleckes zu einem körnigen Stiel er- hoben, der mit keuliger Verdickung bis zur Wand des Keimbläschens reichte. Ballen daneben durfte man für abgeschnürte Massen solcher Knospenbildung ansehen. Da nun ausserdem noch Wölkchen kleinster Körperchen zugegen waren, so ist vielleicht abermals die Annahme zulässig, dass es sich zunächst um einen Zerfall in kleine Theile handelt, welche nach dem Durchtritt durch die Membran des Keim- bläschens sich wieder zu Ballen gruppiren. (Fig. 72, Taf. XIV.) — Die mehrlappigen Keimflecke, wie sie in Figur 73 zu sehen sind, können vielleicht auch hierher bezogen werden, obschon es am nächsten liegt, Vermehrungserscheinungen hierin zu erblicken. Zur Erklärung des so mannigfachen Wechsels, unter welchem die be- sprochenen Dinge vor die Augen kommen, haben wir immer uns in’s Gedächtniss zu rufen, dass es sich bei dem Austreten von Elementen des Keimbläschens in den Dotter hinein um Bewegungsvorgänge handelt, von denen wir gerade diesen oder jenen Moment vor uns haben. Und diese Erwägung kann auch verständlich machen, warum man z. B. auf Thiere stösst, die an keinem Ei des ganzen Eierstockes z. B. den „Trichter“ oder das „Hörnchen“ am Keimbläschen zeigen, während ein grosser Ballen körniger Substanz in der Rinde des Eies sitzt. Wir werden, indem wir jetzt zur Beschaffenheit des Dotters übergehen, ähnlichem Wechsel von Neuem begegnen. Der Dotter bei Lithobius und Geophilus stellt in den jüngsten Eiern eine schmale Zone um das Keimbläschen dar und ist wasser- hell oder reines Hyaloplasma. Bei einiger Zunahme scheidet sich der Dotter in eine innere das Keimbläschen umhüllende, leicht getrübte Partie und in eine äussere, welche homogen bleibt. Durch passende Behandlung lässt sich finden, dass die schwache Trübung der ersteren von einem Netz- oder Balkenwesen, Spongioplasma, herrührt. Das Hyaloplasma bildet längere Zeit fort für sich eine schmale, äussere Zone des Dotters. Es mag ausdrücklich bemerkt sein, dass zwar dem 320 FRANZ LEYDIG, ersten Blick nach der Dotter der noch hellen Eier nur fein granulär erscheint, aber das genau prüfende Auge erkennt doch bald, dass eigentlich ein enges, dichtes Maschengewebe das körnige Ansehen vor- spiegelt. Von Umlagerungen des Spongioplasmas darf man verschiedene Er- scheinungen ableiten. So kann z. B. der Dotter — ich sah es so bei Lithobius — in stark zusammengezogenem Zustande an der Grenze wie blass feinhaarig sich ausnehmen, was ein andermal das Bild einer Zona radiata in zartester Ausführung darstellt, und beides darf auf die Strahlen des Spongioplasmas bezogen werden. Aber auch durch den ganzen Dotter kann das Spongioplasma ausser seiner feinnetzigen Natur noch eine streifig strahlige Anordnung an den Tag legen. Ferner erwähne ich, dass an Eiern von Geophilus, untersucht im Monat Mai und mit Chrom-Essigsäure behandelt, ein grösseres Spält- chensystem recht deutlich ist, welches vom Spongioplasma begrenzt wird. Die Spältchen zogen im innern Theil des Dotters mehr kreis- förmig, während sie nach dem Umfang zu mehr strahlig gerichtet waren. In Figur 61 auf Taf. XIII habe ich das Gerüst sammt Lücken- wesen zu versinnlichen gesucht, aber es ist kaum möglich, solche feine Structurverhältnisse, obschon wir sie scharf sehen, durch die herkömmliche Art und Weise wiederzugeben. Es bleibt dem Natur- object gegenüber immer eine unbefriedigende rohe Darstellung. Das Spongioplasma ist es wieder, welches die Höhlung um das Keimbläschen absteckt. Schliesst diese Grenzschicht hart an die Membran des Keimbläschens an, so kann das Bild einer Verdickung der Membran des Keimbläschens entstehen, verschieden von dem körnig bröcklichen Aussehen, welches die im Austreten begriffenen Theile des Keimbläschens auf dessen Aussenfläche hervorrufen. Ueber Herkunft und Umbildung der Dotterkörner und Dotter- kugeln bin ich nicht ganz in’s Reine gekommen; auch will es mich bedünken, als ob die Granula verschiedener Art seien. Fasst man nämlich bei starker und sehr starker Vergrösserung die Körner genau ins Auge, so erscheinen sie keineswegs rund, son- dern entschieden eckig-strahlig. Jedes derselben liegt wie in einem hellen Raum, den eine opakere Substanz begrenzt: Fig. 74 auf Taf. XIV. Wie das Bild riesig vergrössert sich ausnimmt, versinnlicht Fig. 75. Darnach möchte man dafür halten, dass Dotterkörnchen von dieser Form ursprünglich Knotenpunkte des Spongioplasmas gewesen sind. Daneben giebt es aber andere Granula, welche auch bei hoher Ver- Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 321 grösserung rund bleiben und, indem sie an Menge zunehmen, es sind, welche wie durch eine feine Bestäubung das Ei nach und nach dunkel machen. Weicht der Dotter durch irgend eine Präparationsweise so aus- einander, z. B. am frisch geborstenen Ei, dass die Balken des Spongio- plasmas klar vor uns liegen, so sind die letztgenannten kleinen Granula in den feinen Fäden des Spongioplasmas deutlich eingebettet und da- her gleichsam in ihm aufgereiht. Sie zeigen Molecularbewegung, sind aber doch festgehalten und müssen in der Linie des Spongio- plasmas bleiben. Diese Körnchen scheinen einfach durch Wachsen in die grossen Dotterkugeln überzugehen, und es ist an ihrer Entstehung wahrschein- lich das Hyaloplasma wesentlich betheiligt. Übrigens lassen, bei Lithobius z. B., die grossen Dotterkugeln sich als Bildungen zusammen- gesetzterer Art erkennen. Im frischen Zustande hell und homogen, werden sie nach Umständen wie körnig, und näher besehen ist ihre Substanz durchbrochen von Hohlgängen oder Lücken, die netzig zu- sammen zu hängen scheinen, während die Rinde der Kugeln eine ho- mogene Schicht bleibt. Und bei scharfer Einstellung kann es aussehen, als ob die Lücken an der Oberfläche ausmündeten. Bei auffallendem Licht haben die grossen Dotterkugeln ein durch- scheinendes Wesen, die kleinen sind von weisser Farbe, vielleicht weil die ersteren aus Eiweiss bestehen, die andern aus Fett. Indessen sind nach Allem auch die grösseren, schon nach ihrer Berandung bei durch- gehendem Licht nicht ganz frei von Fett. Von besonderer Bedeutung ist nun wieder die Gegenwart von Binnenkörpern des Dotters, welche kaum Erzeugnisse des Dotters selber sein können, sondern wohl aus dem Innern des Keimbläschens stammen. (Vergl. unter anderm Fig. 67, Fig. 68.) Auf diesen Schluss weisen schon die obigen Mittheilungen hin, bezüglich des Vorkommens von solchen Körpern in der Höhlung um das Keimbläschen, und zwar in nächster Nähe der Membran des Keimbläschens. Bereits im frischen lebenden Ei wohl erkennbar, sind sie bald blass und mattkörnig, bald von dunkelrandigem Wesen, beidemal aber nicht zu unterscheiden von Keimflecken ; sie Können sogar noch in Verbindung stehen mit den Keimflecken und ziehen sich von da weit in den Dotter hinein. Auch sie sind als Einzelballen bald blass und homogen, bald dunkel und körnig, auch kann ihr Inneres vacuolär sein; sie vertheilen sich 322 FRANZ LEYDIG, über den Dotter hin oder liegen in Gruppen beisammen und, was viel- leicht einstweilen ihr letztes Stadium bezeichnet, sie erstrecken sich mit einer gewissen Regelmässigkeit der Ausbreitung über die Rinde des Dotters hin. — Der Wechsel, ob die Körper blass oder dunkel- randig sind, mag entweder mit der Verschiedenheit der Keimflecke zusammenhängen oder auf Stufen von Umwandlungen beruhen. Nach Reagentien und bei starker Vergrösserung nimmt sich ein solcher intravitelliner Ballen, wenn er zu den grösseren gehört, aus wie eine Anzahl kleiner Nuclei mit je einem Nucleolus, eingebettet in Plasma. Die Ballen können auch einen strahligen Rand haben, was (dadurch gut sichtbar wird, weil sich um je einen Ballen noch eine Lichtung zieht. (Fig. 69, Fig. 70 auf Taf. XIV.) In manchen Eiern, bei Lithobius so gut wie bei Geophilus, lässt sich noch ein grösserer Körper im Dotter erblicken, der manches Be- achtenswerthe an sich hat. Er kann von Gestalt rundlich sein und wie eingedrückt in die Rinde des Dotters, dadurch im optischen Schnitt wie brodlaibartig aussehend, umgeben von deutlicher Lichtung. (Fig. 71 auf Taf. XIV.) Ein andermal ist er lappig oder auch zerlegt in zwei Hälften; ein drittes Mal stellt er sich wie eine wurstförmig zu- sammengeschobene Masse dar. (Taf. XIII, Fig. 51, Fig. 52.) In letzterer Form konnte er unterbrochene Strahlen gegen das Keim- bläschen schicken, um welche sich wie um die ganze Masse selber ein heller Hof zieht. Das Gebilde ist bald blass-, bald dunkelkörnig. Nach Chrom-Essigsäure kann sich das Aussehen dahin ändern, dass jetzt im Innern noch ein kernartiger Fleck auftritt, was sich aber weiterhin dahin aufklärt, dass der anscheinende Kern das eingekriimmte End- stück der wurstförmigen Masse ist (Fig. 52a), die ein andermal ar. dieser Stelle nur eine einfache Umknickung zeigt. Immer zieht sich der strahlige Anfang des Körpers von der Umgebung des Keimbläschens her. Sowohl die halbkugelige Form als auch die cylindrische Masse können grösser sein als das Keimbläschen. Es soll nicht unterlassen werden zu bemerken, dass neben Eiern, welche den gedachten intravitellinen Körper enthalten, andere Eier von gleicher Art und Grösse liegen, welche nichts davon besitzen, was wieder da- für spricht, dass es sich um rasch vorübergehende Zustände handeln mag Wenn ich übrigens alle die Wahrnehmungen, welche ich nach dieser Richtung hin gesammelt habe, vergleichend überblicke, so gelange ich einstweilen zu der Annahme, dass die grosse kugelige oder wurst- formige Masse von den übrigen intravitellinen Körpern sich nur durch die Grösse unterscheidet. Und ebenso sprechen doch Erscheinungen, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 323 wie sie in Fig. 51 und Fig. 52 auf Taf. XIII festgehalten sind, dafür, dass auch die Substanz, welche diese umfänglichen Körper zusammen- setzt, aus dem Keimbläschen stammt. Es verdient auch hier hervorgehoben zu werden, dass bei den Gattungen von Myriopoden, welche untersucht wurden, die intravitellinen Körper schon frühe auftreten: bereits in sehr kleinen oder jungen Eiern sind sie sichtbar. Ich verfehle nicht, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass BALBIANI schon vor mir die ,,corps intra-vitellins“ gesehen hat und ebenso ihre Herkunft aus dem Keimbläschen annimmt. Die von dem französischen Forscher gegebenen Abbildungen stimmen, obschon sie in einem etwas andern Character gehalten sind, doch im Hauptsächlichen mit meinen Darstellungen überein. Hingegen weiche ich in der Frage, was aus den intravitellinen Körpern wird, völlig von dem Genannten ab, wie aus dem, was ich über die Hüllen des Eies mitzutheilen habe, hervor- gehen wird. Noch sei eines Vorkommnisses gedacht, welchem ich, obschon sehr selten, bei Lithobius begegnete und das mir unverständlich geblieben ist. Es handelt sich um auffallende Gebilde im Dotter von Eiern der Herbst- zeit, während ich sie in keinem der vielen Eier, welche ich im Monat April vor mir hatte, gesehen habe. Es sind scharfrandige Bläschen mit einer schwer zu bestimmenden Zeichnung im Innern. Bald erhält man den Eindruck eines in ver- schiedener Weise gebogenen oder geknickten Fadens; dann hat es auch wieder den Anschein, als ob eine Anzahl Blätter oder Bänder gegeneinander geschoben seien und der fadige Streifen wäre nur die Kante der Bänder. Manchmal zeigt sich eine mehr einfache Schichtung, auch wohl ein Hohlraum im Innern, der einige Punkte umschliesst. Man kann theilweise auch durch diese Bildungen an die geschichteten Formen des Dotterkerns bei Spinnen erinnert werden. Will man nicht annehmen, dass es sich um rein zufällige Bildungen handelt, so spricht die Jahreszeit, in welcher die Körper auftreten, dafür, dass sie mit der rückschreitenden Metamorphose des Dotters zusammenhängen mögen. Zu den Eihüllen übergehend, so besteht am reifen Follikel die Wand bei genauem Zusehen, wie schon aus Obigem erhellt, von aussen 324 FRANZ LEYDIG, nach innen aus der homogenen Haut oder Cuticula und ihrer Matrix. Letztere hebt sich im optischen Schnitt ab durch die Kerne und das sie umgebende Plasma (Fig. 71, Fig. 71a auf Taf. IV). Fasst man die Matrix von der Fläche ins Auge, so ist das Bild mehr zelliger Art: das zu jedem Kern gehörige Plasma erscheint durch lichte Zwischen- räume von einander getrennt. Unterhalb der Matrix folgt die Höhlung des Follikels, die, weil mit Flüssigem gefüllt, in verschiedenem Grade erweitert oder verengt sich zeigt. Sodann folgt die homogene Membran des Eies, die man, insofern sie wohl unzweifelhaft durch Härtung der Dotterrinde ent- standen ist, Dotterhaut nennen könnte; ist sie dicker geworden und geschichtet, darf man sie ebenso gut als Eischale oder Chorion be- zeichnen. In dem Raum zwischen Chorion und Eifollikel können zellige Elemente zugegen sein, denen man nach dem Ort des Vorkommens die Bedeutung einer „Membrana granulosa“ beilegen darf (Taf. XIII, Fig. 50, Fig. 55, Fig. 56). Rundlich von Gestalt und hüllenlos stellen sie im frischen Zustande Klümpchen einer hyalinen Substanz mit Körnchen dar und aus dem Innern hebt sich ein kernähnlicher Fleck ab. Deutlicher wird ihre Zellennatur durch Reagentien. Die Menge, in der diese Zellen auftreten können, ist sehr verschieden: mitunter begegnen uns nur wenige, die entweder ganz vereinzelt liegen, oder auch wohl truppweise beisammen stehen. Wenn zahlreich vorhanden und dicht zusammenschliessend, haben sie etwas epithelartiges !). Anbelangend wieder die Frage, woher diese Zellen stammen mögen, so zeigt sich BALBIANI geneigt, auch bezüglich des Kies der Myriopoden anzunehmen, dass die intravitellinen Körper es seien, welche über die Grenze des Eies hinaustretend, ein Follikelepithel oder Membrana gra- nulosa erzeugen, ähnlich wie das For, ROULE und SABATIER aus ihren Wahrnehmungen an Eiern von Ascidien geschlossen haben. Ich habe zu bekennen, dass ich eine Zeit lang selber dieselbe Vorstellung aus meinen Beobachtungen ziehen zu können glaubte, aber indem ich fort und fort den Gegenstand im Auge behielt, gelangte ich zuletzt zu der Ueberzeugung, dass diese im Follikelraum vor- handenen Zellen nicht Eins sind mit den intravitellinen, nach Obigem 1) Ich möchte annelimen, dass die Zeichnungen bei LusBock (a. a. O. Fig. 12 u. Fig. 19) schon etwas derartiges an Eiern von Zithodius und Cryptops darstellen, doch ist bei dem Character der Abbildungen hierüber keine rechte Sicherheit zu erlangen. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 325 aus dem Keimbläschen stammenden Körpern, sondern vielmehr die Natur von Blutzellen, Leucocyten, haben und durch den Stiel des Follikels eindrangen. Wenn z. B. der ganze Eierstock, aus dem frischen Thier genommen, vor uns liegt, umgeben noch von dessen äusserer Hülle, so können in dem Raum unter der Hülle Blutkügelchen angeschoppt sein, die sich in nichts von den Zellen des „Follikelepithels‘“ unterscheiden. Ferner bekommt man häufig Eier zu Gesicht, in deren Follikelstiel wieder solche Elemente in wechselnder Zahl aufsteigen und sich über einen Theil des Eies verbreiten; es lässt sich kaum der Eindruck abwehren, dass die Lichtung des Stiels mit einem Blutraum zusammenhängen muss, ja ich hatte Bilder vor mir, denen zufolge man anzunehmen ge- neigt werden konnte, dass der Stiel des Follikels geradezu ein Zweig des Blutgefässes wäre, was ich jedoch nicht zu behaupten wage. Immerhin müssen Beziehungen zu dem früher erwähnten centralen Blutgefäss vorhanden sein '). Mit dem Heranwachsen und Dunkelwerden des Eies, bedingt durch Zunahme der Masse der Dotterkugeln, nimmt die Grösse des Keim- bläschens ab: es wird entschieden kleiner, die Keimflecke verblassen oder sind nur noch als kleines Häufchen sichtbar. Es liegt das Keim- bläschen um diese Zeit nahe der Oberfläche des Dotters, wo es dann verschwindet. Bei Lithobius meine ich gesehen zu haben, dass es seinen Inhalt durch Berstung dem Dotter beimischt. In Eiern von Geophilus im November zeigten sich Erscheinungen, welche auf eine Art Stillstand oder Rückgang im Leben des Eies hin- wiesen. Schon für’s freie Auge stellt der Eierstock, obschon aus grossen, schönen Thieren genommen, nur einen ganz feinen Faden dar, an dem selbst mit der Lupe die Eier nicht zu unterscheiden waren. Unter dem Mikroskop nahm sich das Ei, verglichen mit dessen Zustand in der besseren Jahreszeit, aus wie ein encystirtes Protozoon, das sein Ruhestadium angetreten hat. Der Dotter erschien wie zu- sammengezogen, fest, homogen und glänzend und von einem gewissen wachsartigen Aussehen; die frühere Scheidung in eine mehr helle oder äussere und in eine innere oder körnige Schicht war nicht mehr zu- 1) Es mag desshalb auch an die Abbildung erinnert sein, welche SELENKA über den Eierstock von Aphrodite gegeben hat. Bei diesem Anneliden bildet ein Blutgefäss gewissermaassen die Axe des Eierstockes, 396 FRANZ LEYDIG, gegen. Noch näher ins Auge gefasst erschien der Dotter in lauter Gruppen kleiner Pünktchen aufgelöst, ein Verhalten, wie es sich bei regressiver Fettmetamorphose einzustellen pflegt. Auch liess sich, bei starker Vergrösserung und indem die Dotterkörnchen in der Profillage waren, seben, dass sie sich reihenweise ordneten oder wie zu kurzen Stäbchen verbunden. — Das Keimbläschen und der sonst so scharf- randige Keimfleck sind jetzt von ganz blassem Wesen, wie vorbereitet zum Verschwinden; hingegen machte sich ein grosser, runder körniger Körper bemerklich (,,Dotterkern“), umzogen von einer Lichtung innerhalb des ihn begrenzenden Dotters. V. Insecten. An die Studien, welche ich vor Jahren dem Eierstock dieser Thier- klasse gewidmet habe, darf ich wieder anknüpfen, sowohl was die An- gaben im Einzelnen betrifft, als auch im Hinblick auf die Schlüsse, welche ich über die Beziehung der verschiedenen Zellenarten zu einander gezogen habe !). Das damalige Ergebniss liess sich dahin zusammenfassen, dass die Elemente des Endfaches (Kerne mit Plasmahof) unmittelbar über- gehen einerseits in die Epithelzellen und andrerseits in die Eizellen. Das Ei aber sei von Anfang an eine einfache Zelle mit Kern und Kernkörperchen. Es wollte nun zwar ein junger Beobachter, WiLL ?), diese Betrachtungsweise rundweg für irrig erklären und ganz andre Gesichtspunkte aufstellen. Eine Widerlegung ist indessen wohl über- flüssig, da der Genannte selber soeben, in Folge fortgesetzter Be- schäftigung mit dem Gegenstand besser unterrichtet, vieles von seinen Behauptungen zurückgenommen hat, auch der neueste Beobachter, KorsCHELT 3), die Dinge in einer Weise sieht, welche mit der meinigen übereinstimmt. Nicht minder darf ich mich auf die Ergebnisse be- 1) Leypic, Der Eierstock und die Samentasche der Insecten, in: Nov. Act. Acad. Leopold. nat. curios. 1866. 2) L. Witt, Bildungsgeschichte und morphologischer Werth des Eies von Nepa und Notonecta, in: Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. 41, 1885. — Derselbe, Oogenetische Studien, ebenda, Bd. 43, 1886. 3) KorscHeLt, Entstehung und Bedeutung der verschiedenen Zellen- elemente des Insectenovariums, in: Zeitschr, f. wiss. Zool., Bd. 43, 1886, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 397 ziehen, welche SCHNEIDER !) gewonnen hat und die in allen Haupt- sachen mit den meinigen zusammentretten. Immerhin habe ich eine erneute Prüfung vorzunehmen nicht unter- lassen und hierzu hauptsächlich Stenobothrus pratorum und St. varia- bilis benutzt, da sie mir in der Jahreszeit, in welcher ich die Nach- untersuchung begann, an sonnigen Wiesen und Grasplätzen in wünschens- werther Menge leicht zur Hand waren. Daran schlossen sich später noch einige andre Gattungen von Insecten. Bei Stenobothrus unterscheidet man in der Wand der Eiröhren bis zum Endfaden fort, von aussen nach innen, 1) die Peritonealhülle, welche zart ist, auf grössere Strecken hin netzförmig durchbrochen, und Kerne mit zugehörigem Plasmabezirk besitzt; 2) die eigentliche Gerüsthaut oder Tunica propria, hell homogen, vom Aussehen einer Cuticula ; 3) darunter nach einwärts die von mir bei anderen Insecten dar- gestellte und Subeuticularschicht oder Matrix genannte Lage. Den Inhalt des Endfadens (Taf. XIV, Fig. 76) bilden Kerne und Zellsubstanz; der Wechsel im Aussehen der Kerne darf wohl in Zusammenhang gebracht werden mit dem Ablauf von Lebensvorgängen und drückt deren einzelne Stufen aus. Bald sind nämlich die Kerne licht homogen, bald treten in ihnen dunklere Flecken von rundlich- eckiger Form — Kernkörperchen — auf; ein andermal zeigt sich in der sonst blassen, gleichartigen Substanz des Kerns ein nur mit Mühe unterscheidbares Wülkchen, oder es zerlegt sich der ganze Kern in ein helles, homogenes Innere und eine schärfer gerandete Mantelschicht. Endlich können in ihm geknotete, bogig-netzige Fäden zum Vorschein kommen (Fig. 81). Die Zellsubstanz, welche im Endfaden die einzelnen Kerne um- schliesst, ist von feinkörnig-netzigem Wesen und grenzt sich als Ganzes nicht durch eine Membran ab, so dass man auch sagen könnte, das Innere des Endfadens ist ein Strang von Protoplasma mit Kernen ; immerhin kann das Bild bezüglich der Einzelkerne auch so werden, dass die zum Kern gehörige Zellsubstanz sich von den gleichen Be- zirken der Umgebung etwas absetzt, doch ohne eigentliche Membran- bildung. 1) A. Schneioer, Entwicklung der Geschlechtsorgane der Insecten, in: Zoologische Beiträge, 1885, 328 FRANZ LEYDIG, Geht man über zum Inhalt der Endkammer, so ergiebt das genaue Vergleichen, dass die Kerne im Endfaden und die peripherisch gelagerten Kerne in der Endkammer Eins sind und sich nur dadurch unterscheiden, dass sie, im Endfaden rundlich und kleiner, in der End- kammer an Grösse zugenommen haben und eirund geworden sind. Im oberen Theil der Endkammer, wenn dieselbe von jeglichem Druck freigehalten wird, lässt sich eine Art Schichtung der zelligen Elemente erkennen; die innersten Zellen heben sich als Eikeime ab, die äusseren werden zum „Epithel“ der Eiröhre. Die kleinsten Eier unterscheiden sich von den rings sie umgebenden Zellen sowohl durch den grösseren und rundlichen Kern als auch durch massigere Zell- substanz ; anstatt des fadigen Balkenwerkes im Kern der peripherischen Zelle sind gröbere klumpige Brocken zugegen (Taf. XIV, Fig. 76.) tichten wir die Aufmerksamkeit genau auf die Stelle, wo die Eibildung beginnt, so lässt sich verfolgen, wie die Kerne vom End- faden her ihr Balkenwerk in das Brockenwesen des Keimbläschens umsetzen. Dies geschieht dadurch, dass unter Grössenzunahme und Rundlichwerden des Kerns das Balkenwerk nicht bloss auseinander weicht, sondern auch die dasselbe zusammensetzenden Querstückchen sich lösen, wobei sie immerhin gruppenweise eine regelmässige Lagerung in Bogenlinien beibehalten. Haben wir Thiere vor uns, bei welchen sich die Kerne im Zu- stande der Homogenität befinden, so ist auch das Keimbläschen der jüngsten Eier entweder noch wasserklar oder es sind Wölkchen kör- niger Substanz aufgetreten und, indem wir den Umrissen achtsam nach- sehen, kann deutlich werden, dass die Wölkchen in Balkenzügen zu- sammenhängen und letztere, gehörig vergrössert, zeigen sich als An- häufungen kleiner blasser Klümpchen, die durch feinste Ausläufer aneinander gekettet sind. Noch klarer wird die morphologische Natur der Keimflecke, wenn wir herangereiftere Eier mustern und vielleicht mit Thieren be- ginnen, welche einige Stunden in härtenden Lösungen lagen. Die Keimflecke erscheinen auch jetzt, dem ersten flüchtigen Blicke nach, wie einfach klumpige Ballen. Allein bei sorgsamer Besichtigung ihrer Oberfläche erhält man bald die Ueberzeugung, dass man walzige und dabei bogig gekrümmte Massen vor sich habe, und wer mit den zier- lichen Bildungen im Kern der Speicheldrüsen der Larven von Chiro- nomus vertraut ist, merkt sofort, dass hier im Keimbläschen etwas Aehnliches zugegen ist, nur ins Grosse und gewissermaassen Rohere Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 329 umgeformt. Auch lässt sich schon jetzt da nnd dort eine gewisse regelmässige Gruppirung der Theilchen bei Herstellung der klumpigen Massen erkennen. (Taf. XIV, Fig. 78.) Wenden wir uns sodann zum lebenden Ei, indem wir durch ein paar rasche, das ganze Thier zerlegende Schnitte die Enden der Ei- röhren in möglichst unverletztem Zustande uns verschaffen, so wird bald klar, dass die homogen flockigen Wolken in Wirklichkeit ge- krümmte balkige Züge sind, bestehend aus Körnchen oder Klümpchen von heller Substanz. (Taf. XIV, Fig. 77.) Und weiterhin zeigt sich das einzelne Klümpchen rundlich-eckig, auch wohl zackig, bald rein homogen, bald mit Spur von Körnelung; auch ein Hohlraum kann sich aus dem Innern abheben. (Fig. 79.) Durch Auswachsen der Rand- zacken in Strahlen und dadurch stattfindende Verbindung und An- einanderreihung entstehen schmale, aber deutliche Schnüre der ge- gliederten Fäden, und durch Zusammenrücken solcher Partien kommen die anscheinend klumpig -körnigen Massen zu Stande!). Halten sich die Klümpchen dichter in linienförmiger Aufreihung zusammen, so wird das Bild querstreifiger Balken- und Netzzüge hervorgerufen. Sowohl im frischen Keimbläschen, als auch nach Behandlung mit Reagentien kommt ferner wieder der wichtige Umstand zu Tage, dass die Substanz des Keimflecks doppelter Art ist. Die grössere An- zahl der zu Klumpen oder walzig-bogiger Masse verbundenen Keimflecke ist von blassem Wesen; daneben aber fallen auf — nicht in allen Eiern, aber doch häufig genug — Klumpen und Theile der wurstför- migen Masse, welche von dunklerem Aussehen sind und schärferer Be- randung, dabei auch gewöhnlich mit Hohlräumen versehen. Die Licht- brechung der beiderlei Substanzen ist abermals von ähnlicher Ver- schiedenheit wie das optische Aussehen der Achsen- und Marksub- stanz der Nerven. Und wenn man nun sieht, dass in vielen frischen Eiern die gewundenen Züge lediglich aus Keimflecken der hellen blassen Art bestehen, so darf geschlossen werden, dass, ähnlich wie in der Nervensubstanz das Mark eine spätere Umbildung eines Theiles des Achsencylinders ist, so auch hier die dunkleren Massen durch Um- setzung der zuvor hell gewesenen entstanden sein mögen. 1) Es mag hiebei auch auf die Abbildung hingewiesen werden, welche VAN BAmBERE vom Keimbläschen einer Phryganea gegeben hat. (Defor- mations artificielles du noyau, Fig. 32). Man sieht dort lange aufgerollte, gegliederte Fäden. Zoolog, Jahrb, III. Abth, f, Morph, 29 330 FRANZ LEYDIG, Der Dotter ist Anfangs eine ganz helle Substanz, in welcher bald ein leicht staubartiger Fleck auftritt, und ebenso lässt sich sehr früh durch den ganzen Dotter ein blasses Spongioplasma unterscheiden, welches ausser dem Hyaloplasma noch glänzende Körnchen um- schliesst. Je mehr das Ei heranwächst und aus dem Rundlichen ins Läng- liche übergeht, erhält der staubartige Fleck einen immer mehr ausge- sprochenen Character, so dass man an einen „Dotterkern“ erinnert werden könnte. Ob man aber wirklich diese Ansammlung von Körn- chen der eben gedachten Bildung vergleichen darf, ist sehr zweifelhaft. Bemerkenswerth ist auch, dass der Fleck später peripherisch im Dotter liegt, gewissermaassen sich auf dessen Oberfläche ausbreitet. Die Körnchen, immer zahlreicher werdend, erstrecken sich nach und nach über den ganzen Dotter und wachsen zu den grossen Dotterkugeln aus. Im reifen Ei sieht man mitunter diese Elemente zu merkwür- digen spitzigen Körpern umgeformt, von hellem, homogenem Aussehen (Fig. 83). Doch scheint diese Form nur ein vorübergehender Zustand zu sein, denn die spitzigen Schollen kehrten wieder zur Ballenform zurück. Da der dunkle Fleck später so nahe der Dotteroberfläche liegt und sich dabei vergrössert, so möchte man vermuthen, dass seine Zu- nahme durch Thätigkeit des umgebenden „Epithels“ erfolgt, indem von diesen Zellen Körnchenmaterial in den Dotter geliefert wird ; allein es war mir nicht möglich eine dahin gehende entscheidende Beobachtung zu machen. Sollte aber doch ein solcher Uebertritt von Körnchen aus dem Epithel in den Dotter nachweisbar werden, so müsste man annehmen, dass die Granula des Dotters nach ihrem Her- kommen von zweierlei Art seien, wovon die einen im Dotter selber entstehen, die andern von aussen her eindringen. Und wieder muss uns die Frage beschäftigen, ob aus dem Keim- bläschen körperliches Material in den Dotter gelangt. Bei sorgfältiger Durchmusterung vieler Eier stösst man auf ein- zelne, in deren Dotter ausser den dunkel gerandeten Körnchen auch blassere Klümpchen sich vorfinden, bezüglich welcher ich annehmen möchte, dass sie aus dem Keimbläschen stammen. Ich beobachtete sie mehrmals derartig aussen auf der Membran des Keimbläschens, dass man dem Eindruck sich hingeben durfte, dieselben seien aus dessen Innerem hervorgetretene Elemente; ja es schien, als ob sie durch die Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 331 Membran hindurch mit dem in Körperchen zerfallenden Balkenwerk, den Keimflecken, theilweise noch in Verbindung ständen (Fig. 80). Und ein andermal lagen die Körperchen, welche ich für ausgewanderte zu halten geneigt bin, in der Höhlung um das Keimbläschen. Und es darf ausdrücklich bemerkt werden, dass solche Beobachtungen an Eiern gemacht wurden, die vor jeglichem Druck bewahrt blieben. Aus den obigen Mittheilungen über den Inhalt des Endfadens des Eierstockes und dessen Endkammer, sowie bezüglich des ersten Auftretens des Eies und des Herkommens der Zellen des Eiepithels ging hervor, dass die Zellen des Eiröhrenepithels und die Eier selber ursprünglich Eins und Dasselbe sind. Es verdient daher noch ein anderer Punkt hervorgehoben zu werden, welcher zeigt, dass der Kern der Epithelzellen, wenigstens eine Zeit lang und unter gewissen Umständen, an Verhältnisse des Keimbläschens gemahnt. Bei Thieren nämlich, welche sich noch in vollem Geschlechtsleben befinden, haben die Kerne der zelligen Umhüllung des Eies bei ge- wöhnlicher Vergrösserung ein Aussehen, welches man körnig oder grieselig nennen könnte. Stärker vergrössert und genau besehen, löst sich das körnige Wesen in Strängchen auf, welche zusammengebogen sind und netzig verbunden, auch sich in lauter kleine Theilchen glie- dern (Taf. IV, Fig. 82). Man überzeugt sich so, dass im Kleinen ähnlich geknotete Glieder vorliegen, wie man sie im Grossen z. B. in den Kernen gewisser Epithelzellen der Salamandra finden kann. Die Durchmusterung ganzer Strecken der Eiröhren lehrt, dass dem geknotet-netzigen Wesen des Kerns ein homogener Zustand vor- ausgeht. Wir erblicken Eier, allwo nur in einzelnen Kernen des Epi- thels das knotige und gebogene Balkenwerk auftritt, während die Mehrzahl der Kerne eine homogene Beschaffenheit darbietet; in an- dern Fällen hat sich die Zahl der Kerne von netzknotigem Innern vermehrt, und es giebt eine Zeit, in welcher in der oberen Gegend der Eiröhren alle Kerne von dieser characteristischen Bildung sind. Weiter noch abwärts verloren sich wieder die knotigen Stränge und gingen bis auf Spuren zurück. Der Kern wird jetzt immer lichter, so dass schliesslich nur einzelne kleine Theilstückchen noch übrig sind, welche den Eindruck von punktförmigen Nucleoli machen. Die Form der „Epithelzellen“, sowie auch ihre Substanz ändert sich mit dem Wachsen des Eies: früher von cubischer Gestalt werden sie bei Grössenzunahme des Eies mehr breit und flach, um später 22 * 332 FRANZ LEYDIG, wieder am reifen Ei zur ersteren Form zurückzukehren. Die Zellsub- stanz, zuerst von hellem Wesen, wird dunkel durch Körnchen, welche an Fett erinnern. Von Bedeutung bleibt immer jenes Ergebniss, welches ich jetzt wie früher in gleicher Weise erhalte, wonach die Eizellen und soge- nannten Epithelzellen der Eiröhren, von der Endkammer an, ursprüng- lich gleichartige Elemente des Endfadens sind. Noch im obersten an den Endfaden stossenden Theil der geräumigen Endkammer sind zunächst alle Zellen im Zustande völliger Gleichartigkeit. Sodann wird eine und die andere dieser Zellen, in der Mitte gelegen, zum Ei, wäh- rend die übrigen nicht zu dieser Stufe vorschreitenden das „Epithel“ bilden. Noch sei erwähnt, dass das Ei, ursprünglich von runder Form, später lang und schmal wird. In solchen Eiern erscheint das Keim- bläschen an den unteren Pol des Eies gerückt: die Balken der Kern- körperchen sind fast gänzlich geschwunden und das Keimbläschen hat überhaupt an Grösse abgenommen. Im untersten, reifsten Ei ist nichts mehr von genanntem Gebilde zu entdecken, es scheint sich völlig auf- gelöst zu haben. Und jetzt mag an dieser Stelle einiger einschlägiger Arbeiten Andrer gedacht werden. Nach SCHNEIDER!) ,,differenciren sich aus ursprünglich gleichen Kernen die Dotterkerne, Eikerne und Epithelkerne‘‘, was mit Vorstehen- dem zusammentrifft; nur kann ich mich nicht einverstanden erklären mit der Annahme, dass sich die Kerne in einer gewissen Reihenfolge nach und nach mit Protoplasma umgeben sollen, indem ich sehe, dass letztere Substanz von Anfang an zugegen ist. — Einen Beweis, dass die Dotterkörner und Kugeln aus den Dotterzellen oder Epithelzellen einwanderten, hat auch der genannte Beobachter nicht gefunden. — Beim Schwinden des Keimbläschens löse sich der Kern in eine An- zahl Bläschen auf, die in den nächst älteren Eiern verschwinden. — Die ,,Dotterzellen“ müssten künftighin männliche Zellen genannt wer- den und darnach zerfielen die Insecten in zwei Gruppen: die einen seien getrennten Geschlechts, die andern Zwitter. — Bei den Ortho- ptera saltatoria fehle eine Peritonealhülle der Eierstocksröhren, es sei eine kräftige, netzförmige, kernhaltige Genitalhülle vorhanden. Letz- 1) A. ScHNEIDER, a. a. O. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 333 tere Bildung ist dasselbe, was ich oben als ,,netzformig durchbrochene Peritonealhülle“ hingestellt habe. — Der Breslauer Zoolog zeichnet endlich auch von Locusta das „terminale Ende der Eiröhre“ und bringt zwischen den Kernen einige Längsstreifen an. Ich möchte diese Linien auf Rechnung von Falten der Cuticularschicht bringen. Eine offenbar reichhaltige Arbeit von BrAnpr !), welche sich über viele Arten von Insecten erstreckt — die Abbildungen enthalten auch die Eiröhren von Gryllus und Acridium, doch nur bei geringer Ver- grösserung — ist mir leider durch die russische Sprache verschlossen. Witt”), welcher die Entstehung der Epithelzellen aus dem Ei nachweisen zu können glaubt, bezeichnet die Orthopteren gerade als die Insecten, bei welchen „die Verhältnisse am einfachsten liegen.‘ Ich selber habe, unter Anwendung verschiedener Methoden nicht das Geringste gesehen, was auf ein Hervorgehen des ,,Epithels“ aus dem Ei bezogen werden könnte. AyERS?) stellt nach Untersuchung von Orthopteren die Ent- stehung des Dotters so dar, dass derselbe durch Zerfall der Epithel- zellen in Körner zu Stande komme. Nach Vorstehendem konnte ich bei Stenobothrus zu keiner Klarheit darüber gelang, ob wirklich vom Epithel her körniges Material zur Vergrösserung des Dotters ge- liefert werde. STUHLMANN *) hat Periplaneta orientalis, Grylloptalpa vulgaris und Locusta viridissima untersucht. Er hält für wahrscheinlich, dass bei der Schabe ein Ballen, welcher an dem eingebuchteten Keimbläs- chen lag, aus der Substanz des Keimbläschens den Ursprung genommen hat. Im Keimbläschen der Maulwurfsgrille sah er ein „regelrechtes, aus kleinen Körnchen bestehendes Kerngerüste.“ KorsCHELT 5) nahm Decticus bicolor, Gomphocerus haemorrhoi- dalis, Blatta germanica und Periplaneta orientalis vor. Dass die An- gaben dieses Beobachters namentlich bezüglich der Kerne im Endfaden, eingelagert in eine gemeinsame Protoplasmamasse, ferner hinsichtlich 1) A. Branptr, Vergleichende Untersuchungen über die Eiröhren und das Ei der Insecten, 1876. 3) L. Wit, a. a. O. 3) Howarn Ayezs, On the development of Oecanthus niveus, in: Mem, of the Boston Soc. of Natur. History, 1884. 4) Franz STUHLMANN, Reifung des Arthropodeneies, in: Berichte d. Naturf. Gesellsch. zu Freiburg i. B., 1886. 5) Evern KoRscHELT, a. a. O. 394 FRANZ LEYDIG, des Ueberganges der Kerne durch die Endkammer in die Kerne der Epithelzellen mit meinen Wahrnehmungen sich vereinigen, wurde schon bemerkt. Die „längsstreifige‘‘ Beschaffenheit im Endfaden möchte ich abermals nicht für Sonderung des Protoplasma, sondern für Faltung der Cuticula halten. Die wenigen anderen Insecten, an denen ich noch Studien an- stellte, sind 1) Pemphigus bursarius, welches Hemipteron ich nur deshalb anführe, weil am Keimfleck der lebenden Ureier, im Blut des Thieres untersucht, die so mannigfaltigen Gestalten auf amöboide — Bewegungsfähigkeit deutlich hinwiesen, insbesondere konnten sich die Randzacken der Keimfleke in sehr fein ausgehende Strahlen verlängern, Das ganze Aussehen, insbesondere auch eine Anzahl von Zwischen- räumen in ihrem Innern sprechen dafür, dass auch hier der einzelne Keimfleck ein zusammengesetzter Körper ist. 2) Dytiscus marginalis, ein Thier, welches vom October bis April im nicht geheizten Zimmer gehalten und mit Fleisch gefüttert worden war. Die langen Endfäden der im geschrumpften Zustande sich be- findenden Eierstöcke zeigten eine so dichte Längsstreifung, dass da- durch das Aussehen eines Bindegewebsbündels zu Stande kam. Wie schon vorhin erwähnt, schien mir das faserige Wesen nicht von einer Sonderung des protoplasmatischen Inhalts des Endfadens herzurühren, sondern von dessen Tunica propria, welche sich dicht in Falten ge- legt hatte. Der Inhalt des Endfadens bestand aus sehr zahlreichen kleinen rundlichen Kernen, umgeben von geringer Menge des Plasma. Vor der Endkammer richteten sich die Kerne quer, standen sehr gedrängt, und die dazu gehörige Zellsubstanz hatte leichte Abgrenzungen ange- nommen, wodurch zellige Bezirke entstanden. Diese Partie hob sich scharf gegen die Endkammer ab. Letztere war voll von grösseren Zellen, alle unter einander gleich, und nur zunächst der Tunica propria zeigten sich kleine Kerne mit Plasma, welche das „Epithel“ vorstellten. Ab- wärts von der Endkammer trat eine Zerlegung des zelligen Inhalts in je ein Urei und eine Gruppe von Nährzellen ein, deren nahe und bleibende Verwandtschaft zu den Eizellen sich in gar Manchem aus- drückt. Keinem Zweifel unterliegt es auch hier, dass die Elemente des Endfadens in die Zellen der Endkammer und weiterhin in die des Epithels, in die Ureier und in die Nährzellen übergehen. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 335 Meine Untersuchung dieses Coleopteren fiel vor die Zeit des Er- scheinens der Arbeit von KORSCHELT, welcher gerade den Eierstock des Dytiscus ausführlich behandelt, sonst hätte ich wohl über einige Angaben des Genannten mich näher zu unterrichten gesucht. In- dessen wie bereits mehrmals zu bemerken nicht unterlassen wurde, so ist der Autor in der Hauptsache zu ganz dem gleichen Ergebniss ge- langt wie ich vor 20 Jahren; auch nach ihm sind die verschiedenen Zellenarten des Epithels, der Eizellen und Nährzellen auf die „in- differenten Zellenelemente“ des Endfadens zurückzuführen. 3) Meloe violaceus. Hier ist die Zahl der Eiröhren bekanntlich ungemein gross und ein eigentlicher Endfaden nicht zugegen, wohl aber heftet sich ein Bündel quergestreifter Muskeln an die Spitze der End- kammer an. Diese Ansatzstelle ist auch ausgezeichnet durch eine kleine Gruppe zelliger Elemente, die ich zu den Muskeln, die eigentlich quergestreifte Faserzellen sind, in Beziehung bringen möchte. Die Muskelbündel der einzelnen Eiröhren verbinden sich in einiger Ent- fernung netzförmig unter einander, was an die Verhältnisse erinnern kann, welche ich seiner Zeit an Musca veranschaulicht habe. Die lange Endkammer erscheint mit klaren Zellen dicht erfüllt, so dass man von einem Zellencylinder sprechen könnte, der häutig umfasst ist. Die Zellen — das Thier wurde im April untersucht — sind rundlich, mit grossem Kern und einer Anzahl von Kernkörpern, welche in Fortsätze ausgingen. Im grössern Theil der Endkammer sind einzig und allein nur diese Zellen zugegen. Erst nach unten zu beginnt ein Epithel aufzutreten, dessen Elemente viel kleiner sind als die vorgenannten, die Ureier vorstellenden Zellen. Das Epithel um- fasst nun die einzelnen sich ablösenden Eier, in denen bereits gelb gefärbte Dotterkügelchen erscheinen. Am nächsten grösseren, immer noch rundlichen Ei lässt das Epithel eine Lichtung um den Eikörper frei, die auch in den anschliessenden, längs ausgewachsenen sich deut- lich erhält. Da hier die Dotterkügelchen durch ihre gelbe Farbe sich so sehr abheben, so habe ich darauf geachtet, ob man nicht dadurch einen Fingerzeig erhalten könnte über eine etwaige Abstammung der Kügel- chen aus den Epithelzellen. Allein es zeigte sich nichts, was zu Gunsten dieser Ansicht ausgelegt werden konnte. Würden solche Kügelchen von den Epithelzellen geliefert und dann der Dottersubstanz beigemischt, so müsste man doch sie leicht durch ihre Farbe in der Substanz des Epithels unterscheiden können, wovon aber keine Spur zu sehen ist. 336 FRANZ LEYDIG, Einen Einwurf, den A. SCHNEIDER mir macht, kann ich, wenigstens was Meloe betrifft, nicht wohl gelten lassen. Er sagt: ,,L. hat nicht erkannt, dass das Endfach der Coleopteren auch ein Dotterstock ist, er bezeichnet es als Keimfach. Branpr schliesst sich dieser Ansicht an.“ Ich muss nach Vorstehendem auch jetzt noch die Endkammer von Meloe für ein Keimfach ansehen. VI. Fische. Die eigenen Beobachtungen beschränken sich auf Gasterosteus aculeatus, dessen Kier schon von Andern wiederholt ins Auge gefasst wurden. Anbelangend das Keimbläschen, so verdient eine Angabe WırricH’s') hervorgehoben zu werden, der zufolge das Keimbläschen unseres Fisches, im Winter untersucht, häufig ohne Keimflecke ist; erst nach und nach sehe man einen, zwei, drei, zuletzt unzählige. Ich habe die Eier Ende Mai vorgenommen, und auch um diese Zeit zeigt sich grosser Wechsel in der Beschaffenheit der Keimflecke. In manchen Eiern erschien ein stattlicher Ballen dicht zusammenge- schobener kleiner, blasser Körper, die durch ihre Lagerung an die gewundenen Strangformen oben beschriebener Eier erinnern konnten. Häufiger waren jene Fier, deren Keimbläschen zahlreiche Keimflecke enthielten, verschieden gross, bis zum punktförmigen herabgehend, hell, auch wohl wie bestäubt, rundlich oder auch in kurze, blasse Strahlen ausgezogen. Bei starker Vergrösserung und im frischen Zustande liess sich ferner an den grösseren eine Sonderung in einen Mittelkörper, umgrenzende Lichtung und Randzone erkennen; in härtenden Lösungen nahmen die Keimflecke gern ein vacuoläres Wesen an. Die Wand des Keimbläschens betreffend, so erblickt man sie manch- mal in einem Zustand anscheinender Verdickung, was sich bei näherem Zusehen dahin aufklärt, dass eine körnige, streifige Masse aussen an- sitzt, und diese kann so beträchtlich sein, dass sie den Hohlraum, der auch hier um das Keimbläschen zieht, völlig erfüllt. (Taf. XV, Fig. 86.) In Keimbläschen von dieser Art?) koputen die Keimflecke noch zu- 1) v. Wiraic, Arachniden, in: Arch. f. Anat. u. Phys., 1849, p. 117, Anmerkung 2. 2) Während z. B. Brock gelegentlich seiner Untersuchungen über das Ei der Fische noch nichts von dieser Schicht auf der Aussenfläche des Beiträge zur Kenntniss des thierisches Eies im unbefruchteten Zustande. 337 gegen sein, wenn auch in geringerer Zahl und kleiner als sonst; oder aber sie waren völlig geschwunden. Ich ziehe den Schluss, dass die anscheinende Verdickung der Membran des Keimbläschens, richtiger Umhiillung derselben, durch Körperchen geschehe, welche auf Kosten der Keimflecke aus dem Keimbläschen ausgetreten sind. Und es führen noch andere, nachher zu erwähnende Vorkommnisse im Dotter zu der gleichen Annahme. Die Structur des Dotters anbelangend, so lässt sich durch Reagentien das Spongioplasma als gröberes Balken- und Maschenwerk nachweisen. Ferner können wir uns überzeugen, dass der Dotter von grösseren Hohlgängen durchzogen ist, die einen nahezu strahligen Verlauf ein- halten (Taf. XV, Fig. 84); es beginnen die röhrigen Gänge aus jenem das Keimbläschen umschliessenden Raum und enden in der Dotter- rinde, dort ebenfalls mit offener Mündung; sie sind erfüllt mit heller, weicher Substanz. Halbreife Eier, bei geringer Vergrösserung betrachtet, sind besonders geeignet, um diesen röhrigen Bau aufzuzeigen !). — Die Dotterkörnchen stecken in den Zügen des Spongioplasmas, hingegen liegen die grossen Dotterkugeln in den Zwischenräumen des Netz- werkes. Der Dotter scheidet sich ferner in gewissen späteren Stadien in eine innere feinkörnige Partie und in eine äussere grobkörnige Rin- denlage. In letzterer nun kommen in grosser Zahl kernartige Ballen vor (Taf. XV, Fig. 84, Fig. 87): es sind blasskörnige Klumpen, in denen sich ein Mittelkörper abhebt, wodurch sich das Aussehen dem einer Zelle nähert. Es ist Grund da, sich denken zu dürfen, dass diese Ballen und die körnig-streifige Aussenzone des Keimbläschens zusammengehören und hervorgegangen sind aus dem Innern des Keim- bläschens. Und ich berichte noch hierzu, dass mir Eier vorlagen, die zwar nichts von der bezeichneten Aussenzone des Keimbläschens be- Keimbläschens andeutet, ist auf der Zeichnung, welche Nusssaum vom Ei des Gadus lota giebt, ein „Ring körniger Substanz um das Keimbläschen“ angebracht, der offenbar der von mir erwähnten Bildung des Gasterosteus entspricht. — Bei van BamBexe (Contributions à l’histoire de la constitution de l'oeuf, 1883) (a. a. O. Fig. 4) ist eine Art Bestäubung des Keim- bläschens eines Fischeies ausgedrückt, welche ich ebenfalls auf diese Schicht beziehen möchte. 1) Die Entdeckung eines den Dotter der Knochenfische strahlig durch- ziehenden Canalsystemes verdankt man bekanntlich Recent, der diese „auffallende und merkwürdige Structur‘ vom Hechtei sehr genau beschrieben hat (in: Arch, f, Anat. u, Phys. 1856). 338 FRANZ LEYDIG, sassen, wohl aber innerhalb der Höhlung um das Keimbläschen einen oder mehrere Klumpen von der gleichen blassen, feinkörnigen Natur, wie die in der Rinde des Dotters befindlichen zellenartigen Klumpen, was doch abermals in dem gemeinten Sinne zurechtgelegt werden darf. Bekanntlich ist es Hıs gewesen, welcher an einer grossen An- zahl von Fischen zuerst gezeigt hat, dass in ihrem Dotter sich ,,Rinden- kerne“ finden, die bald farblos sind und dicht gedrängt für sich stehen, dann auch wohl, indem zellenartige Felder die Kerne umgrenzen, an kleine Zellenterritorien gemahnen können. Den Dotter umschliesst eine Hülle, die vom Ei selber her ent- stehen muss, anfangs eine dünne, homogene Membran ist, später zu einer derben, kapselartigen Bildung sich verdickt. In letzterer Form zeigt sie eine gedrängte radiäre Streifung, die sich auf durchsetzende Porencanäle beziehen lässt. Daneben besteht aber noch, wie sicher zu ermitteln ist, eine aus zierlichen Relieflinien bestehende Zeichnung, die, von der Fläche gesehen, sich mit der vorigen kreuzt. Es mag dabei erinnert sein, dass schon REICHERT an andern Fischeiern diese Streifen an der Oberfläche des Chorions wahrgenommen und für Sculptur- linien erklärt hat. Vielleicht spielen hier Verhältnisse mit, wie ich sie an der Cuticula des Integuments bei Batrachiern antraf, wo Poren und Reliefbildungen bei gleichzeitiger Anwesenheit ebenfalls mancherlei Zweifel in der Auslegung solcher Linien erwecken !). Welche Bewandtniss es mit den von KÖLLIKER zuerst gesehenen pilzartigen Anhängseln (Fig. 89) der Eihülle des Gasterosteus hat, blieb mir unklar. Dieselben gehen, wie man weiss, nicht um das ganze Ei herum, sondern sitzen zerstreut über den einen Pol hin. Von der Fläche betrachtet, unterscheidet man an ihnen einen hellen Saum, welcher einen dunklen Körper umschliesst. Von der Seite zeigen sie eine Art von kurzem, etwas hellerem Stiel, dann die eigent- liche, dunkelrandige, wie quergestreifte Masse und zu oberst einen lichtern Ring, der käppchenartig aufsitzt. Ich wäre geneigt, das ein- zelne Anhängsel für eine umgebildete Zelle anzusehen, wobei der blassere Stiel und das ebenso beschaffene Käppchen zum Zellenleib ge- hören, während der dunkle, querlinige Körper den Kern vorzustellen hätte. Diese räthselhaften Bildungen beginnen schon früh aufzutreten an Eiern, deren Membran noch dünn und ohne das Streifensystem 1) Leyvie, Zelle und Gewebe, 1885, p. 16. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 339 ist. Von woher ihre Entstehung abzuleiten sei, ob von Eibestandtheilen, welche nach aussen dringen, oder durch Umwandlung zelliger Elemente zwischen Eihülle und Eifollikel, konnte nicht festgestellt werden. — Die Anhänge mögen wohl den vor langer Zeit durch HÂCKkEL !) ent- deckten sonderbaren „Fasern“ bei Scomberesoces als nächst verwandte Bildungen anzureihen sein, sowie den „Zöttchen“ an den Eiern der Cyprinoiden. Eine innere Hiille oder eigentliche Dotterhaut ist bei unserem Fisch nicht zugegen. Im Follikelraum können Zellen aufstossen, über deren Ursprung eine entscheidende Beobachtung zu machen nicht gelang, die aber ihren Eigenschaften nach kaum etwas andres als Leukocyten sein konnten. Im frischen Zustande sahen sie wie helle, blasse, homogene Körper aus; nach Reagentien (Kali bichr. z. B.) kann ihr Zellencharacter nicht angezweifelt werden, indem sie sich zusammengesetzt zeigen aus einem Kern, um welchen eine von Strahlen durchzogene Lichtung geht, und einem feinschwammigen Zellleib, alles von recht blassem Aussehen trotz der angewandten härtenden Flüssigkeit. (Taf. XV, Fig. 89, Fig. 90.) Bei längerem Verweilen in Reagentien können sich die Zellen in eine körnige, das Ei in seinem Follikel umlagernde Masse umwandeln. Die Zellen sind anzusehen als Theile einer Membrana granulosa, der auch hier ein eigentlicher epithelialer Character abgeht. Was den Bau der Follikelwand anbetrifft, so glaube ich so viel gesehen zu haben, dass dessen bindegewebiger Theil aussen von einer zelligen Lage überzogen ist, welche die Eigenschaften eines Endothels besitzt. An manchen Eiern scheint die bindegewebige Follikelwand nicht aus einer einzigen Schicht zu bestehen, sondern mehrschichtig zu sein, wobei dann auch nach einwärts noch Endothelzellen zu- gegen sind. Das Ei von Gasterosteus wurde zuletzt von OwSIANNIKOW ?) unter- sucht, namentlich in Beziehung auf die durch Ramson entdeckte, dann 1) Ernst Hicker, Ueber die Eier der Scomberesoces, in: Arch. f. Anat. u. Phys. 1855. 2) Pu. Owsrannixow, Studien über das Ei, hauptsächlich bei Knochen- fischen, 1885, in: Mém. Acad. Imp. St. Pétersbourg, T. XXXIII. 340 FRANZ LEYDIG, auch von His abgebildete Mikropyle; ferner hinsichtlich der Zona radiata und deren Anhängsel; er schildert auch die Elemente des Dotters als „kernlose Dotterkérperchen“, sowie die strahlige Anordnung des Protoplasmas. Meine eigenen Wahrnehmungen stimmen nicht in allen Stücken mit denen des russischen Forschers zusammen, vielleicht schon deshalb nicht, weil wir nicht überall von den gleichen Gesichts- punkten ausgegangen sind. Hıs!) hat ausgesprochen, dass die unreifen Follikel einer Granu- losa entbehren, dass ferner eine echt epitheliale Umkleidung des Fisch- eies zu keiner Zeit bestehe, vielmehr die als Granulosa zu nehmende Schicht eine spätere Bildung sei und von Wanderzellen gebildet werde: im Ei der Schleie z. B. beobachtete er massenhafte Anhäufungen von Leukocyten zwischen Follikelscheide und Eikapsel. LupwiG hat geglaubt, die von His gemachten Aufstellungen „auf das entschiedenste zurückweisen“ zu können. Ich hingegen muss, so- weit meine Erfahrung reicht, dafür halten, dass Hıs richtiger gesehen und gedeutet hat als die andern Beobachter: es trifft das von mir an Gasterosteus Gesehene in allen wesentlichen Punkten mit den von dem Anatomen in Leipzig an verschiedenen Fischarten gewonnenen Ergeb- nissen zusammen, VII. Amphibien. Dass das Ei auch der Amphibien, ein so oft untersuchter Gegen- stand, nicht so leicht zu durchschauen ist, kann ein Blick insbesondere auf ältere Mittheilungen lehren. Wie gering z. B. und voll unrichtiger Angaben sind die Darstellungen, welche LEBERT vor freilich mehr als 40 Jahren über Bau und Entwicklung des Batrachiereies gegeben hat ?). Und wie widersprechend lauten auch noch vielfach die späteren Be- schreibungen. GÖTTE z. B. in der des Interessanten und Wichtigen so Vieles bietenden „Entwicklungsgeschichte der Unke“ verhält sich nach allen Seiten hin ablehnend, um schliesslich über Entstehung und Bedeutung des Kies doch zu einer Ansicht zu gelangen, der keiner der nachfolgenden Beobachter zustimmen konnte, was, nebenbei gleich ge- sagt, auch bei mir der Fall gewesen ist. 1) Hıs, Untersuchungen über das Ei und die Eientwicklung bei Knochen- fischen, 1873. 2) in: Annales Scienc. Natur. 1844. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 341 Die Schwierigkeiten liegen auch hier wieder zum Theil in dem Umstande, dass bei geringen und mässigen Vergrösserungen noch gar manches von einerlei Bildung scheint, was starke Vergrösserungen als verschieden aufzeigen. Ferner haben wir zum Verständniss der Mannigfaltigkeit der Formen und des Wechsels der Erscheinungen abermals uns zu vergegenwärtigen, dass wir oftmals nur ein bestimmtes Stadium der Entwicklung gerade vor uns haben. Triton taeniatus. Die Herbstzeit, in welcher die Untersuchung begonnen wurde, verhinderte, die frühesten Zustände der Eierstocksanlage zu be- sichtigen ; ich musste mich an 2 cm lange Larven halten, welche noch Ende October aus dem Freien sich holen liessen. In solchen war der Eierstock ein lang ausgezogener Streifen, im Durchschnitt ungefähr birnförmig; er zeigte sich zusammengesetzt aus den Eikeimen und einer zelligen Matrix, und diese beiden Elemente hoben sich durch starke Verschiedenheit in der Grösse sowie durch die Form des Kerns von einander ab. An den Ureiern macht das Keimbläschen jetzt noch den Haupt- bestandtheil der Zelle aus, da die Dottersubstanz nur in schmaler Zone zugegen ist. Zur Einscheidung des Ureies genügen jetzt bei der Kleinheit des Eies wenige Matrixzellen (Kerne sammt Plasma), und diese können sich ausnehmen, als wären sie in den Dotter eingedrückt. Für gleichwerthig mit den die Ureier umhüllenden Elementen mussten die an der Aussenfläche der Eierstocksanlage sich hinziehenden länglichen, in Plasma gebetteten Kerne angesehen werden, deren Innen- netz quer gerichtet ist und deren zwei oder drei Kernkörperchen einzeln von lichtem Hof umgeben sind. Die zum Kern gehörige Zellsubstanz grenzt sich nur schwach von der Umgebung ab. Dieses sogenannnte Endothel der Serosa der Bauchhöhle entspricht, wie ich annehmen zu können glaube, Bindesubstanzzellen, welche auf der Oberfläche lagern. An manchen Stellen stehen sie wie gehäuft, z. B. an den Enden der Eierstocksanlage. Als im Frühjahr jüngere Larven zu Gebote standen, kam doch in der Zusammensetzung des Eierstockes nichts Neues vor die Augen. Man unterschied abermals die zweierlei zelligen Elemente: Ureier und die Kerne sammt Plasma. Letztere umhüllen einerseits die Ureier durch Follikelbildung, während sie, nach der Bauchhöhle hin, die Grenze des Organs als sogenanntes Peritonealepithel erzeugen, 342 FRANZ LEYDIG, Um der Entscheidung der Frage näher zu kommen, ob Ureier und Matrixelemente ursprünglich eins und dasselbe sind, oder schon im frühesten Auftreten sich von einander verschieden zeigen, ging ich in der Untersuchung der Larven immer weiter zurück. Hierbei schien es mir, als ob die erste Anlage ein Zellenlager von gleichartigem Wesen sei, aus dem sowohl die Ureier als auch die einscheidenden und die das Ganze überziehenden Zellen hervorgehen. Immerhin blieben mir einige Zweifel übrig, die aber wohl durch die jüngst erschienenen Darstellungen Horrmann’s beseitigt werden’). Nach den klaren Bildern, welche genannter Beobachter giebt, entstehen ebenfalls die Ureier an Ort und Stelle durch Wachsthum und weitere Sonderung aus den Peritonealzellen und sind ursprünglich mit letzteren von einerlei Natur. Das Keimbläschen ausgebildeter Thiere besitzt, Ende October, eine Menge ungleich grosser, zum Theil sehr kleiner Keimflecke, welche die Innenfläche des Keimbläschens dicht bedecken, und wenn wir genau auf die Wölbung desselben einstellen, kann ersichtlich werden, dass viele der Keimflecke zu kurzen, querstreifigen Stücken oder Säulchen gruppirt sind; ja es können auch wohl die letzteren zu einem formlichen ästigen Balkenwerk zusammengeschlossen sein. (Taf. XV, Fig. 93.) Im lebenden Ei hat der einzelne Keimfleck das Aussehen eines blassen, homogenen Körpers, in welchem ein heller Fleck oder Vacuole sich abheben kann (Taf. XV, Fig. 91); schon jetzt zieht um ihn eine deutliche Höhlung oder Lichtung (Fig. 91a). Ist das Ei durch här- tende Flüssigkeiten hindurchgegangen, so erhält sich auch an den grösseren Keimflecken nicht nur eine Sonderung in Rinden- und Innen- substanz, sondern sie gehen auch deutlich in Randstrahlen aus, welche sich durch die umgebende Lichtung erstrecken (Fig. 92). Auf das Entstehen von Keimflecksbildungen vom Spongioplasma her deuten die Verhältnisse bei Eiern, allwo in der Mitte des Keim- bläschens ein zartes dichtes Reticulum sichtbar ist, dessen Knotenpunkte von Keimflecken der kleinsten Form nicht zu unterscheiden sind, so dass ein Uebergang der einen in die andern unmöglich geleugnet werden kann (Fig. 94). 1) C. K. Horrmann, Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, in: Zeitschr, f. wiss. Zool., Bd. 44, 1886, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 348 Bei hoher Vergrösserung lässt sich ferner an dem isolirten Keim- bläschen erkennen, dass dessen Membran nicht eine gleichmässige Schicht ist, sondern helle und dunkle Fleckchen in dichter Abwechs- lung hat, welche Beschaffenheit man nur auf eine feine Durchlöcherung deuten kann. (Fig. 92.) Nicht minder nimmt ein andermal unsere Aufmerksamkeit in An- spruch die dicht höckerige Oberfläche des Keimbläschens, hervorgerufen durch die Keimflecke, und es kann dem ersten Blick nach scheinen, als ob die Keimflecke knöpfchenartig auf dem Keimbläschen sässen. Allein eine solche Annahme will nicht Stich halten; vielmehr lässt sich bei Durchmusterung der Knöpfchen in den meisten Fällen feststellen, dass immer noch die Membran des Keimbläschens als nach aussen abschliessende, wenn auch zarte Linie den Keimfleck umzieht (Taf. XV, Fig. 91). Einigemal blieb ich aber doch stutzig und zweifelhaft: es schien, als ob wirklich die Membran stellenweise sich aufgelöst habe und einzelne Keimflecke mit einem Theil ihrer Substanz frei sich durchgedrängt hätten, wobei noch bemerkenswerth erschien, dass das Hyaloplasma des Keimfleckes das Erste war, was nach aussen zum Vorschein kam, also ganz nach der Art, wie eine lebende Amöbe dies ausführen würde. (Fig. 91a.) Eier, der Einwirkung einer härtenden Lösung über Nacht ausge- setzt, können ein eigenthümlich verändertes Aussehen darbieten, welches dem ersten Blick nach deutlich zu zeigen scheint, dass ein Theil der Keimflecke nach aussen gelangt sei (Taf. XVI, Fig. 99). Die Substanz des Keimbläschens erscheint nämlich jetzt als fein- körnige Masse, aus der sich die Keimflecke noch gut absondern, nur mangelt entschieden die frühere, eng umschliessende Membran: der Körper des Keimbläschens stellt sich hüllenlos dar und ist umgeben von einer hellen Lichtung, in welcher eine ganze Anzahl von Keim- flecken frei liegen kann. Gedachte Lichtung wird gegen den Dotter hin begrenzt durch eine deutliche, scharf gezogene Membranlinie. Die letztere ist nichts Anderes als die ursprüngliche Membran des Keim- bläschens, welche, indem sie sich abhob, das Aussehen entstehen liess, als wären jetzt die Keimflecke über das Keimbläschen hinausgerathen. Um sich von diesem Sachverhalt zu überzeugen, fasse man die Gegend genau ins Auge, wo die Membranlinie mit dem Dotter zusammenstösst. Dort unterscheidet man nach einwärts, gegen das Keimbläschen hin und den die Keimflecke bergenden Raum, den Bogen der dunkeln Linie, vermag aber auch bei gehöriger Einstellung zu sehen, dass jenseits der Linie die Dottersubstanz in feinzackiger Weise nach der Membran 344 FRANZ LEYDIG, hinzieht, wobei sogar da und dort eine Spur des im frischen Zustand recht klaren, um das Keimbläschen ziehenden Hohlraumes wahrge- nommen werden kann. Also: es ist nur scheinbar, dass die in der Rinde des Keimbläs- chens gelegenen Keimflecke in ganzer Gestalt ausgetreten sind, das Bild ist vielmehr dadurch entstanden, dass die Membran des Keim- bläschens sich abgehoben und dann dem Dotter sich angedrängt hat, wobei der frühere Hohlraum um das Keimbläschen wie verschwunden ist. Trotz alledem möchte ich der Annahme zuneigen, dass auch hier bei Triton Keimflecke in den Dotter einwandern, was vielleicht wieder so geschieht, dass sie vor ihrem Durchgang in kleine Portionen aus- einandergehen, um sich erst jenseits der Grenze des Keimbläschens zu Klümpchen zu vereinigen. Zu dieser Ansicht bestimmt mich nicht bloss die Analogie mit dem bei andern Thieren Beobachteten, sondern die Wahrnehmung, dass in manchen Eiern, während für gewöhnlich der Hohlraum um das Keimbläschen mit heller, dem Flüssigen sich nähernder Substanz erfüllt ist, einige feinkörnige Ballen von amöboidem Aussehen getroffen werden ; ferner die Thatsache, dass die gleichen Gebilde im Dotter sich auf- finden lassen (Taf. XV, Fig, 91) und insbesondere in der Randschicht desselben in grosser Anzahl zugegen sein können (Taf. XV, Fig. 94). Endlich hatte ich Eier vor mir, Anfangs Mai, in deren Keimbläschen alle Keimflecke geschwunden, hingegen im Dotter die blassen, kern- artigen Binnenkörper sehr zahlreich waren. Und es sei auch noch hierzu bemerkt, dass es gerade reifere Eier sind, in denen das noch unterscheidbare Keimbläschen nur mehr das Aussehen eines gleich- mässig lichten Fleckes hat. Auf Grund des von mir bisher Erkannten geht sonach meine Auffassung dahin, dass, nachdem am Urei die Substanz des Keim- bläschens sich in Spongio- und Hyaloplasma gesondert hat, in dem feinen Netz des Reticulums die Keimflecke als Knotenpunkte den An- fang nehmen, hierauf unter mannigfacher Gruppirung zur Peripherie rücken und im losgelösten Zustande die Form und Natur kleiner Amöben zeigen. Als solche dringen sie über das Keimbläschen hinaus in den Dotter und werden zu den intravitellinen kernartigen Ballen, welche zuletzt über die Peripherie des Dotters sich ausbreiten. Die Zusammensetzung des Dotters anlangend, so lässt sich in noch hellen Eiern bei passender Vergrösserung das Spongioplasma und Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 345 Hyaloplasma gut unterscheiden. In sehr jungen Eiern umgiebt das erstere in Form dichten Filzes das Keimbläschen, jedoch so, dass der schon mehrfach erwähnte Hohlraum um das Keimbläschen von dem Schwammwesen begrenzt wird, während nach aussen zu mehr die strahlige Anordnung zur Geltung kommt. An Eiern, welche die Ein- wirkung härtender Flüssigkeiten erfahren haben, kann der Raum um das Keimbläschen nicht bloss erweitert sein, sondern es hat zuweilen die denselben erfüllende Substanz eine radiäre Strichelung von grosser Feinheit, welche anscheinend durch strahlige Lagerung von Pünktchen bewirkt wird (Taf. XV, Fig. 94). Durch Behandlung der Eier mit Reagentien lässt sich ferner die Ueberzeugung gewinnen, dass der Dotter von einem System grösserer Hohlgänge durchsetzt wird, welche mit heller, homogener Substanz erfüllt sind. Wie solche helle Bahnen in strahligen, wenn auch nicht durchaus regelmässigen Zügen sich aus der dichteren Dottersubstanz abzeichnen, habe ich in den Figuren 94, 95, 96, 97 auf Taf. XV fest- gehalten. Dabei glaube ich abermals behaupten zu können, dass die Gänge mit der Höhlung um das Keimbläschen sich verbinden. Auch sei weiter bemerkt, dass die Oberfläche gehärteter Eier ein characte- ristisch fleckiges Aussehen hat (Fig. 97b), derart, dass zahlreiche lichte, rundliche Stellen von dunkler Umgebung sich abheben; dieselben ent- sprechen dem besagten Lückensystem, was noch deutlicher wird an Schnitten, welche durch das ganze Ei gelegt werden. — Auch die bei andrer Behandlung auftretende Erscheinung, dass die Dunkelmasse in Zügen gruppirt ist (Fig. 97a), welche ein Balkenwerk von grobnetzigem Wesen darstellen, beruht auf dem angedeuteten Bau des Dotters. Und von einem allgemeineren Standpunkt aus betrachtet, so wieder- holen beide, die strahligen, ästig zusammenhängenden Hohlgänge und ihre Oeffnungen an der Oberfläche, im Grossen nur das, was sonst im Feinen durch die radiäre Anordnung der Züge des Spongioplasmas zu Stande gekommen ist. ÜUebrigens ist ausdrücklich zu bemerken, dass man das erwähnte System grössrer Hohlgänge keineswegs an jedem Ei sich vor die Augen bringen kann, so wenig als ja auch das feinere strahlige Wesen des Spongioplasmas unter allen Umständen sichtbar ist, ohne dass ich einstweilen zu sagen wüsste, wodurch dieser Wechsel bedingt ist. Schnitte durch bereits. dunkel gewordene Eier lassen auch sehen, dass die Dottermasse sich in eine innere und äussere Partie scheidet (Taf. XV, Fig .97). Die innere hat bei geringerer Vergrösserung ein mehr helles, gleichmässiges Aussehen und entspricht dem ursprünglichen Zool, Jahrb, III, Abth, f, Morph, 23 346 FRANZ LEYDIG, Dotter; sie besteht aus Spongioplasma und feinen Granula, die äussere Partie, welche sich wie ein dicker Mantel herumlegt, ist dunkel durch die Dotterkugeln. Man könnte auch die Bezeichnung Bildungsdotter und Nahrungsdotter für die beiden Theile in Anwendung bringen. Das System strahliger Hohlgänge erstreckt sich durch beide Gegenden des Dotters, doch ist es im Nahrungsdotter etwas schwieriger zu ver- folgen. An Eiern eines Triton taeniatus, seit October im ungeheizten Zimmer gehalten und im April zergliedert, bot sich eine Erscheinung dar, welche hier angereiht sein mag, obschon sie wahrscheinlich nicht zu den regelrechten Vorkommnissen gehört. Der Dotter stand von der Wand des Follikels ziemlich weit ab, er war kleiner geworden, wie zusammengezogen, und dadurch wie von einer feinen häutigen Begrenzung. Die eine Polhälfte des Dotters umzog, als Halbmond, richtiger kappenartig, eine Substanz von dem Aussehen des Bildungsdotters, hell und fein radiär streifig. Vielleicht nimmt man auch am richtigsten an, dass eine Anhäufung von Bildungsdotter in der That vorlag, hervorgerufen durch Zusammenziehung der übrigen Dotter- substanz. Doch lässt sich auch daran denken, dass es sich um fester sewordene perivitelline Substanz !) handeln möge; die nachher zu er- örternden Elemente der Membrana granulosa sassen übrigens der kappenartigen Umlagerung fest an und hatten sich mit ihr von der Follikelwand zurückgezogen. — Die Höhlung um das Keimbläschen war deutlich geblieben, die Keimflecke verkleinert und da und dort wie zu Fettklümpchen geworden, was alles darauf hinwies, dass der Eierstock sich in Unthätigkeit befand. Wenn in den noch hellen, nur Bildungsdotter enthaltenden Eiern die Häufchen dunkler Körner auftreten, so wird man hin und wieder an manche Formen des „Dotterkerns“ erinnert, in dem Falle nämlich, dass nur zunächst ein einziger solcher Körnerhaufen von grössrem Umfang in dem sonst hellen Ei zugegen ist. Meist aber liegt zerstreut über den Dotter hin eine ganze Anzahl solcher Körnerhaufen. Dass 1) Im Sinne von Schneider (Das Ei und seine Befruchtung, 1883) und Sozcer (Dottertropfen in der intracapsularen Flüssigkeit von Fisch- eiern, 1886), Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 347 davon wesentlich verschieden sind jene blassen intravitellinen Körper, von welchen bereits die Rede war, soll nur nebenbei noch einmal er- wähnt sein. Der Dotter reifer Eier zeigt im zerdrückten Zustande sowohl Massen gleichgrosser winziger Körperchen mit Molecularbewegung, als auch zweitens die Menge der ,Dotterplättchen“. Gehen die beiderlei Bildungen in einander über, oder sind sie bleibend verschieden ? Sind von den Molecularkörnchen diejenigen, welche in ballenartiger Gruppirung stehen, einen braungelben Farbenton haben und im dunkel gewordenen Ei ein verwaschenes Zellenbild vorspiegeln können, was sich später durch Zusammenstossen der Haufen wieder verliert, immer dieselben Elemente und nur von Farbstoff durchdrungen ? Oder sind diese ,,Pigmentkérnchen“ Verdichtungen eines ursprünglich flüssigen bräunlichen Pigmentes und also von vornherein verschieden von den Dotterkörnchen ? Es ist mir nicht gelungen, diese Fragen sicher zu beantworten. Ebensowenig wurde mir der Zusammenhang klar, in welchem die Reihen von Veränderungen stehen, welche an den grösseren „Dotter- plättchen“ nach Behandlung mit härtenden Flüssigkeiten zum Vorschein kommen. Zunächst ist zu bemerken, dass sie von Gestalt nicht „Plätt- chen“ sind, sondern kuglige Körper, auch wohl etwas stumpfeckig. Ihre Substanz scheidet sich, wenigstens nach Verschiedenheit der Licht- brechung, in Rinde und Innenmaterie. Die Rinde ist ungleich dick, namentlich in den noch kleineren Kugeln. Die Körper sind oft wie in Zweispaltung begriffen, und dann ist es die Rinde, welche eine Art Scheidewand erzeugt. In der Innenmaterie tritt eine Höhlung auf, um welche sich Schichtungslinien ziehen. Bald ist die Höhlung rundlich, dann wieder eckig oder gebuchtet, kann auch noch anscheinend ein Körnchen einschliessen, das in Wirklichkeit ein Vorsprung der Wand ist. Man sieht auch wohl den Innenraum mehrfach getheilt; es kommt auch vor, dass um eine Haupthöhle eine Anzahl von Nebenhöhlen steht, und immer scheinen die Theilungslinien für die Höhle von der Rinde zu kommen. Da schon sehr kleine Kugeln die besagte Höhlung erkennen lassen, so mag vielleicht die ganze Mannigfaltigkeit der inneren und äusseren Gestaltung dahin abzielen, die Zahl der sogenannten Plättchen zu vermehren. Eine eigentliche Dotterhaut bildet sich nicht aus, obschon an grösseren Eiern durch Verdichtung der Randschicht eine scharfe Be- grenzung des Dotters entstehen kann, die sich nahezu wie eine Haut ausnimmt, OR: 348 FRANZ LEYDIG, Grosse Schwierigkeiten bereitet es, in das Verhalten der zelligen Elemente des Eifollikels eine bestimmte Einsicht zu erlangen. Erst allmählich kam ich zu dem Ergebniss, dass zu unterscheiden sei: 1) ein bindegewebiger, die Blutgefässe tragender Theil; 2) ein dazu gehöriges, die Aussenfläche überziehendes Endothel, dessen Kerne sofort sich abheben, während die Zellsubstanz, sehr dünn- schichtig und zart, erst unter gewisser Behandlung hervortritt und alsdann mit den Kernen zusammen das Bild eines grossrautigen Epithels giebt (Taf. XV, Fig. 95). Auf Schichtung möchte ich es beziehen, wenn auch die Innenseite der vascularisirten bindegewebigen Wand die gleiche Endothellage aufzeigt (Taf. XV, Fig. 96). 3) In späterer Zeit stellen sich einwärts andere zellige Elemente ein, aber ohne ein eigentliches Epithel zu erzeugen. Meist liegen die Zellen nur vereinzelt, oder wenn in einiger Anzahl vorhanden, schliessen sie zu kurzen Reihen zusammen. Immer haften sie dem Dotter innig an, ziehen sich daher zugleich mit dem. Dotter von der Follikelwand zurück und können, was häufig vorkommt, geradezu in die Rinde des Dotters eingedrückt erscheinen. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass das aussen befindliche Endothel den Bindesubstanzzellen gleichzusetzen ist; hingegen wollte es nicht gelingen, die Herkunft der einwärts auftretenden Zellen, welche einer Membrana granulosa vergleichbar sind, mit Sicherheit zu erkennen. Man könnte sich versucht fühlen, sie von den intravitellinen kern- artigen Ballen abzuleiten, und dies um so eher, als die letzteren gerade in der Rindenschicht des Dotters sich gewissermaassen ansammeln und verbreiten. Allein, abgesehen von andern nicht zutreffenden Verhält- nissen, will sich besonders der Umstand einer solchen Betrachtungs- weise nicht fügen, dass die Kerne der fraglichen Zellen und die Ballen in der Dotterrinde nach Grösse und ganzem Wesen stark von einander abweichen. Auf welche Quelle der Herkunft die Beobachtungen an höheren Wirbelthieren hinweisen, kommt unten zur Sprache. Salamandra maculosa. Von diesem Urodelen standen mir neugeborene Larven zur Ver- fügung, welche ich mir im Frühling aus Gräben bei Bonn geholt hatte 1), 1) Mit Rücksicht auf meine anderwärts gegebenen Mittheilungen über Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 349 Die Eierstocksanlage erscheint als ein länglicher, nach vorn und hinten verjüngter Strang und ist auf dem Durchschnitt von an- nähernd birnförmigem Umriss. Sie wird umhüllt von einer Bauchfell- falte, die in den gleichen Ueberzug der Niere sich fortsetzt. Auf den feineren Bau besehen, frisch oder nach Einwirkung här- tender Flüssigkeiten, verschafft sie bald wieder die Ueberzeugung, dass ihre Zusammensetzung abermals auf zweierlei Zellenarten beruht, deren Unterschied beträchtlich ist. Die einen sind die Eikeime und Ureier, die andern die einscheidenden Zellen. Die Ureier stechen ab durch ein helles Keimbläschen, dessen um diese Zeit einziger grosser Keimfleck in Randzone und Innen- substanz sich gesondert zeigt. Nicht selten finden sich Keimbläschen, welche in zwei Hälften mit je einem Keimfleck getheilt sind. Im Dotter sind bereits zahlreiche Körnchen von dunklem Wesen aufge- treten. Daneben aber, und das scheint mir von Belang, erkennt man mit Sicherheit eine Anzahl von Klümpchen oder Ballen blasser Art, welche den intravitellinen kernartigen Körpern andrer Thiere ent- sprechen (Taf. XVI, Fig. 100). -Die das Ei einscheidenden Zellen machen sich zunächst durch ihren länglichen Kern bemerklich, der im lebenden Zustande ganz homogen sich ausnimmt, im Absterben aber, sowie nach Reagentien ein in den Hauptzügen quer gerichtetes Schwammwesen sehen lässt. Die den Kern umziehende Zellsubstanz bildet eine nur ganz schmale Zone. Diese Zellen vom Character der Endothel- oder Bindesubstanz- zellen erzeugen einwärts ein homogenes Häutchen — die Grenzhaut des Follikels — mit dem das zellige Element innig verbunden bleibt. Ganz die gleichen Endothelzellen kommen der Aussenfläche der Eier- stocksanlage zu. Die vergleichende Besichtigung der histologischen Verhältnisse, von aussen und innen, lehrt unzweifelhaft, dass ein Um- wachsenwerden der Ureier von Seiten einer andern Zellenart stattfindet das Vorkommen von Sa/amandra maculosa in unsrem Gebiete mag bemerkt sein, dass ich bei 12jährigem Aufenthalte in Bonn niemals das fertige Thier in der Umgebung der Stadt getroffen habe. Dass es jedoch in nächster Nähe lebt, weiss ich aus dem Vorhandensein der so leicht kennt- lichen Larven, welche ich seit etwa 6 Jahren aus einem Graben am Fusse des Venusberges regelmässig im Frühjahr herausfange. Auch steht in der zoologischen Sammlung des Poppelsdorfer Schlosses ein grosser Erdsalamander mit der Aufschrift: Gefunden im botanischen Garten, einer Oertlichkeit, welche in die gleiche Gegend gehört, 300 FRANZ LEYDIG, und diese letzteren Zellen zugleich die homogenen Lagen der Binde- substanz liefern. An Ureiern der bezeichneten Entwicklung ist noch nichts von zelligen Elementen zugegen, welche später zwischen Dotter und Follikel erscheinen und einer Membrana granulosa zugerechnet werden können. Da bekanntlich die Elementartheile des gefleckten Salamanders durch Grösse und Schönheit sich auszeichnen, so habe ich die Eier- stocksanlage auch in Hinsicht der Frage näher besehen, ob nicht doch Zellen der Matrix selbst jetzt noch in Ureier sich umwandeln. Und ich meine diese Ansicht festhalten zu können. Es kommen nämlich bei genauer Durchmusterung Zellen vor, welche auf Mittelstufen zwischen Matrixzellen und Eikeimen ausgelegt werden können. Ferner begegnen uns in der Eierstocksanlage noch Wanderzellen oder Leukocyten (Fig. 100). Sie zeigen sich zahlreich und in deut- lichster Weise, wenn wir so verfahren, dass am frisch getödteten Thier durch einige rasche Schnitte das Organ ausgehoben und in passende Flüssigkeit gebracht wird. Man sieht alsdann die Leukocyten, einzeln oder in Gruppen, zwischen den andern Zellen, welche letztere je eine Lichtung umstehen, in welcher die ersteren liegen. Hieraus aber die Vermuthung schöpfen wollen, dass ein Zusammenhang zwischen Leuko- cyten und Eikeimen bestehe, kann uns doch kaum in den Sinn kommen. Bufo cinereus. In jungen und älteren Larven und noch an Thieren, welche eben erst das Wasser verlassen haben und aufs Land übergetreten sind, ist wie bei den vorangegangenen Urodelen der Unterschied zwischen den Elementen der Matrix der Follikelwand und den Ureiern ein be- deutender und spricht sich schon an den kleinsten Eikeimen aus. Denn auch die jüngsten Ureier zeigen einen hellen, rein runden Kern mit einem einzigen Kernkörper; die Zellsubstanz bildet eine schmale Zone. Die Kerne der Matrixzellen sind länglich und besitzen zahl- reiche Nucleoli. Es muss jedoch immer für wahrscheinlich gelten, dass weiter zurück Eikeime und Endothelzellen doch Zellen einerlei Art sind. Denn gerade bei gegenwärtigem Anuren fiel es mir recht auf, dass doch ausser den unverkennbaren Eikeimen um Vieles kleinere, hüllenlose Zellen mit rundem, hellem Kern zugegen sind, welche, abgesehen von der Form des Kerns, sich doch den Matrixzellen anschliessen lassen Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 51 (Taf. XVI, Fig. 106). Obschon man also mit NussBaum!), welcher schon vor Längerem die zweierlei Zellen der Geschlechtsanlage der Batrachier genau unterschieden hat, darin übereinstimmen muss, dass Eikeime und Peritonealzellen sich bestimmt von einander abheben, so kann ich doch nicht die Ansicht theilen, dass gar kein Uebergang zwischen den beiderlei Elementen bestehe, sondern darf meinen Wahr- nehmungen zufolge einen solchen annehmen. In noch weiter zurück- liegenden Stadien sind ja auch beiderlei Zellenarten von gleich in- differenter Natur. In manchen Individuen war eine nicht seltene Erscheinung eine Querlinie, welche wie eine zarte halbirende Scheidewand durch das Keimbläschen zog. Und ein andermal konnte an Eiern, aus dem frischen Thier genommen und mit Mundspeichel untersucht, das Keim- bläschen von lappig-buchtiger Form sein und die grösseren Keimflecke in eine Anzahl kleinerer auseinandergegangen. Hierbei war aber be- sonders merkwürdig, dass die Lichtungen, welche innerhalb des Keim- bläschens den einzelnen Keimfleck umgeben, unter den Augen des Beobachters nach und nach in den Hohlraum übergingen, welcher das Keimbläschen im Ganzen umzieht. Es schwand allmählich die Membran des Keimbläschens an dem unzweifelhaft noch lebenden Ei (Fig. 106, oberes Ei). Man durfte sich hierbei fragen, ob nicht ein Vorgang sich hier abspiele, der in dem Sinne NusspAum’s auf ein Auswandern der Keim- flecke zur Bildung der Granulosa zu deuten sei. Indessen ist es mir nicht geglückt, ein weiteres Vorrücken in die Dottersubstanz selber zu verfolgen, sei es, dass das Ei jetzt abstarb, oder das Wandern über- haupt nicht stattfindet. Uebrigens lässt sich kaum verkennen, dass zwischen gewissen Abbildungen For’s über das Ei der Ascidien, welche das Sichherausdrängen der Keimflecke in die Dottersubstanz ver- sinnlichen, und den geschilderten Eiern von Bufo etwelche Aehnlich- keiten bestehen. Mit besonderer Aufmerksamkeit und allen Vorsichtsmaassregeln — passende Flüssigkeiten und Bewahrung vor jeglichem Druck — habe ich die Keimflecke bei diesjährigen, einige Monate alten Krötchen angesehen und mich auch hier überzeugt, dass die Keimflecke, wenn noch winzig klein, aus den Knotenpunkten des Spongioplasmas ent- 1) Moritz Nusssaum, Differenzirung des Geschlechtes im Thierreich. 352 FRANZ LEYDIG, standen sind, und nachdem sie eine gewisse Grösse erreicht, die Form und Sonderung einer Amöbe besitzen. Dieselben stellen sich jetzt dar wie hüllenlose, kleine Zellen, an denen wir einen homogen körnigen Körper, der feinzackig oder selbst in feine Strahlen ausgezogen ist, unterscheiden und im Innern einen lichten, kernähnlichen Fleck, in dem sich noch ein Körperchen abzeichnet. Da man nun ferner bemerken kann, dass nur an den grösseren Keimflecken eine solche Sonderung zugegen ist, die kleineren und kleinsten aber als rein homogene Bil- dungen erscheinen, wenn auch mit Randzacken oder Randstrahlen, so liesse sich daraus wieder schliessen, dass die plasmatische Substanz in anscheinend homogener Form das Erste ist und das Auftreten des kernartigen Fleckes in zweiter Linie geschieht. Die Keimflecke können ferner unter Vermittelung ihrer Zacken- spitzen zu Ballen oder walzigen Massen zusammenschliessen, wobei auch der Fall eintritt, dass einer der grösseren Keimflecke, dessen Inneres den kernartigen Fleck besitzt, von einer Anzahl kleinerer und homogener Keimflecke rings umgeben wird. Härtende Lösungen können das Bild dahin umändern, dass Vacuolen in den umfänglicheren Keim- flecken auftreten; auch haben die durch Vereinigung der Keimflecke entstandenen Klumpen und Längsballen wohl ein Aussehen , welches auf Querstreifung deutet. Wie letztere indessen aufzufassen sei und zu Stande gekommen ist, lehrt uns die Kenntniss des lebenden Kies. Bezüglich des Dotters liess sich an einjährigen Krötchen, welche im Zimmer überwintert hatten, mit Sicherheit verfolgen, dass die feinen Granula bei ihrem ersten Auftreten netzig-balkige Züge einhalten, wovon man sich überzeugt durch genaues Einstellen auf die ver- schiedenen Durchschnittsebenen. Nach und nach erst verwischt sich dies Bild zu einer gleichmässigen Vertheilung. Rana esculenta. Hier kam mir an winzigen Thierchen, welche vor Kurzem noch den Stummelschwanz hatten, die Erscheinung unter die Augen, dass unter der Eierstocksanlage, welche wieder Form und Aussehen eines zarten grauen Streifens hat, etwa ein Dutzend heller, mit Lymphe sefüllter Räume sich kenntlich machte. Diese Lymphräume zeigen im Kleinen denselben histologischen Bau, welchen die Lymphräume unter der allgemeinen Hautdecke im Grossen besitzen. Man unter- scheidet ein streifiges bindegewebiges Gerüst und zellige Theile, welche letztere nach einwärts so hervortreten, dass eine Art Endothel entsteht, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 353 dessen Zellen nicht durchaus unmittelbar an einander schliessen, sondern mehr vereinzelt stehen. Manche der Zellen treten auch in den Raum hinüber und geben Veranlassung zu einem blassen, durchspannenden Balkennetz. Ist übrigens in Folge der Präparationsweise die Lymphe abge- flossen, so zeigt sich von gedachten Räumen, die sonst so klar vor dem Beobachter liegen, kaum noch eine Spur. Inder Fierstocksanlage selber, welche für die erste Besichtigung gleichmässig zellig ist, heben sich auch hier die Ureier und die ein- scheidenden oder Matrixzellen deutlich von einander ab. Erstere sind von hellem Wesen, letztere haben einen gelblichen Ton und einige glänzende Körnchen in ihrer Substanz. Im frischen Zustande kann die Masse der einscheidenden Zellen das Aussehen einer streifigen Substanz zwischen den Ureiern darbieten, was durch die platte Form der um- greifenden Zellen zu Wege kommt. Was sich über Form und Bau der Keimflecke wahrnehmen lässt, stimmt im Wesentlichen mit dem überein, was ich über das bei andern Batrachiern Ermittelte zu berichten hatte. (Taf. XVI, Fig. 101, Fig. 102, Fig. 103, Fig. 104, Fig. 105.) In den noch ganz jungen Eiern ist nur ein einziger grösserer Keimfleck !) zugegen, der hin und wieder in Randzacken oder Strahlen sich auszieht und ein vacuoläres Innere hat. Später haben wir eine sanze Anzahl kleiner Keimflecke vor uns, welche einzeln die Eigen- schaften der früheren grossen an sich haben: es sind rundliche, blasse Ballen, mit feinzackigem oder strahligem Rand; sie hängen auch wohl durch die fadigen Ausläufer zusammen und können dabei eine deutlich lineare Aufreihung befolgen, doch sind sie auch wohl ein andermal zu rundlichen Klumpen geballt. Manche Keimflecke zeigen eine derartig ausgebogene Gestalt, als ob sie im Begriffe ständen, stumpfe Fortsätze zu entwickeln. Weiterhin wiederholt sich — immer bei lebendem Zustande des Eies —, dass um jeden der zahlreichen, verschieden grossen Keim- flecke ein klarer Hohlraum zieht, umgrenzt von der mattgrauen, homogen aussehenden Substanz des Keimbläschens. Nach Gebrauch härtender und färbender Flüssigkeiten heben sich 1) Es mag daran erinnert sein, dass Wirricx in der Arbeit über das Arachnidenei (in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1849, p. 117, Anmerkung 2) den Keimflecken junger Frösche hinsichtlich ihrer Zahl und Grösse bereits Aufmerksamkeit geschenkt hat. 354 FRANZ LEYDIG, unverkennbar im Innern des einzelnen Keimfleckes ein oder mehre kernartige Körperchen ab. Dazu kommt ferner, dass die bis dahin homogen aussehende Substanz, in welche die Keimflecke gebettet sind, jetzt eine feinschwammige Beschaffenheit angenommen hat, am schärf- sten in der Mitte des Keimbläschens, und die Knotenpunkte des Schwammnetzes haben schon den Character kleinster Keimflecke. Durch manche Reagentien wird die ganze Masse der Keimflecke umgesetzt in kleine, scharfglänzende Körperchen, welche alsdann die Knoten- punkte des Netz- und Balkenwesens sind. Eifrig wurde wieder nach Merkmalen gespäht, welche auf ein Austreten von Keimflecken in den Dotter hinweisen mochten. In den meisten Fällen blieb dieses Bemühen ohne Erfolg. In einem frisch getödteten einjährigen Thiere aber, dessen Eier, Mitte Mai, im Mund- speichel untersucht wurden, sah man in vielen Eiern nach aussen von der Membran des Keimbläschens eine körnig krümliche „Ver- diekungsschicht‘“, welche entweder das Keimbläschen rings um- zog oder nur theilweise, und an die früheren, bei anderen Thierarten beobachteten Erscheinungen sich anschloss. Bei sehr hoher Vergrösserung dünkte mir die Schicht aus Klümpchen zu bestehen, wovon sich jedes verjüngt wie mit einem Stiel gegen die Membran des Keimbläschens hinzog. Die Annahme, dass es sich um Theile, welche aus dem Keimbläschen ausgetreten sind, handeln werde, ist doch wohl mehr als blosse Vermuthung, besonders wenn man noch in Rechnung bringt, dass im Innern des Keimbläschens, hart an der Membran, einige Keimflecke lagen von winziger Ballenform, wozu man Fig. 105 vergleichen möge. Und was ferner von Belang ist, in der Rinde des Dotters anderer Eier waren wieder blass körnige Ballen (intravitelline Körper) in grosser Zahl vor- handen, wohl verschieden von den scharfrandigen, glänzenden Körnchen- haufen des Dotters. Zweifelhaft bin ich geblieben, ob eine Bildung, welche ich in einem jungen Ei antraf, in den Kreis vorbemerkter Erscheinungen gehört, obschon sie in etwas an oben aus Myriapoden beschriebene Verhält- nisse erinnert. Man sah nämlich eine wie zapfenartige Partie von der Aussenfläche des Keimbläschens weg nach zwei entgegengesetzten Seiten in den Dotter ziehen. Bei verändertem Focus und Gebrauch von Reagentien erstreckte sie sich in Bogenform wie ein Quergürtel über das Keimbläschen weg, so dass eine Beziehung zur „Verdickungs- schicht“ doch einigermaassen nahe liegt. Bei einem diesjährigen Thier, im October vorgenommen, war der Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 8355 Umriss des Keimbläschens im frischen Zustande eigenthümlich einge- bogen, an einer, an mehreren Stellen, ja in manchen Eiern an so vielen, dass die Form ins Knitterige sich umsetzte. Ob hiermit ein Zusammenhang mit dem Austreten von Stoffen in den Dotter ausge- drückt war, oder ob es sich um eine für sich bestehende Contractilität des Gebildes handelt, wird einstweilen kaum zu sagen sein. Der Dotter der Ureier aus Larven, in welchen die Anlage des Eierstockes sich noch wie ein zarter, grauer Streifen ausnimmt, stellt eine schmale, helle, homogene Zone um das Keimbläschen dar. Wie in diesem Punkte, so herrscht auch in den übrigen Sonderungen Ueber- einstimmung mit den andern abgehandelten Batrachiern. Die Körnchen treten zuerst schalenartig um das Keimbläschen auf, später erscheinen Körnchen von dunklem Wesen, bald zerstreut, bald in Häufchen zu- sammengeschlossen, auch in ästigen Zügen, welche den Balken des Spongioplasmas folgen. Nur sei wieder ausdrücklich erwähnt, dass neben den Häufchen dunkler Dotterkörner auch hier anders geartete Klümpchen zugegen sind: blassrandige Körper von mattem Ton, zackigem Rand und sehr ähnlich den noch im Keimbläschen befind- lichen Keimflecken. Man kann eben wieder von intravitellinen kernartigen Körpern sprechen !). Mehrmals bin ich noch auf ein eigenartiges, unverständliches Vor- kommniss gestossen. Mitten im Dotter befand sich ein helles Bläschen, etwas grösser als einer der umfänglicheren Keimflecke und ausge- zeichnet durch einen mehrfach gebogenen Faden im Innern. Bei geringer Vergrösserung hat man das Bild einiger Streifenlinien und mehrerer Punkte vor sich; erst starke Linsen lassen sehen, dass die Punkte die optischen Durchschnitte der Fadenschlingen sind (Taf. XVI, Fig. 107). Damit ist offenbar verwandt eine Bildung, welche im Dotter anderer Eier mir begegnete: Körper von gleicher Grösse wie der vorige, von hellem Wesen und im frischen Zustande gesondert in homogene Mitte und geschichtete Rinde (Taf. XVI, Fig. 108). Nach Reagentien, 1) Ich kann die Vermuthung nicht unterdrücken, dass jüngst Oscar Scnutrze (Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Am- phibieneies, in: Zeitschrift f. wiss. Zool. 1887) die gleichen Bildungen be- merkt und als blasse Zellen, die ohne Membran seien und mit spitzen Fortsätzen versehen, beschrieben hat; sie könnten auch zu Netzen ver- bunden sein und sollen Elemente der Membrana granulosa vorstellen. Ich erinnere bezüglich der Gestalt auf meine Mittheilungen über die ent- sprechenden hüllenlosen Zellen bei Zycosa, allwo sie ebenfalls von zackiger und strahliger Form sind. ae 356 FRANZ LEYDIG, wodurch die Schichtung der Aussenzone schärfer wird, hebt sich auch noch zu innerst eine blasskörnige Partie ab. Nach dem ganzen Aus- sehen, welches die beiderlei Körper an sich haben, möchte anzunehmen sein, dass sie zusammengehören und nur verschiedene Zustände vor- stellen, wahrscheinlich eines rückläufigen Vorganges. Erwähnt soll auch sein, dass die Gebilde im Dotter von Eiern vorkamen, deren Keim- bläschen das bezeichnete eingebogene und knitterige Aussehen hatten. Die Eihüllen anbelangend, so bildet sich eine eigentliche ab- hebbare Dotterhaut nicht aus, wenn man nicht einen dichteren Zu- sammenschluss des Spongioplasma in der Rindenschicht, welche unter Umständen hervortritt, mit dem Namen „Dotterhaut“ bezeichnen will. Ich erkläre mir daraus, dass manche Beobachter wenigstens für die spätere Zeit des Eilebens eine solche Membran annehmen. Die Wand des Eifollikels besteht ursprünglich, an jungen, noch mit Stummelschwanz versehenen Fröschchen, aus einer Bindegewebsschicht oder genauer aus einer homogenen Haut von cuticularem Character und ihrer zelligen Matrix. Letztereliegt nach aussen und ist zunächst kennt- lich an den Kernen, welche aber einer protoplasmatischen Umgebung nicht entbehren. In dieser Follikelhaut verlaufen die Blutgefässe. Derartige junge Follikel ermangeln, wie PFLÜGER schon mit Recht hervorgehoben hat, der Granulosa. Später erst, doch nicht immer, sind Zellen sichtbar geworden, welche einwärts liegen und einer Mem- brana granulosa verglichen werden können. Hat sich nach Ein- wirkung härtender Flüssigkeiten das Ei von der Wand des Follikels zurückgezogen, wobei sich jetzt vielleicht ein weiter Raum zwischen beiden aufgethan hat, so bleiben die Elemente der Granulosa allezeit dem Dotter angeheftet, ja erscheinen wie in die Oberfläche desselben eingedrückt, was auf eine engere Verbindung mit dem Eikörper und eine geringere mit der Wand des Follikels hinweist. Es haben diese Zellen auch sonst manches Besondere an sich, was sie von den Aussen- zellen des Follikels, welche gleich Endothelzellen sind, unterscheidet. Sie stehen Anfangs noch ziemlich weit auseinander, können sich wie eine mit wasserklarer Flüssigkeit erfüllte Vacuole ausnehmen, in wel- cher der Kern liegt. In einem mit Carmintinctur behandelten Prä- parat zeigte der einzelne Kern eine grössere Oeffnung in unverkenn- barer Weise. Selbstverständlich habe ich auch hier mich darnach umgesehen, ob nicht ein Zusammenhang zwischen den intravitellinen Körpern und Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 357 den Elementen der Membrana granulosa bestehe. Doch ist es nicht gelungen, einen Aufschluss in dieser Richtung zu finden. In grösseren Follikeln unterscheidet WALDEYER noch eine den Eikörper umkleidende Membran, welche eine fein radiäre Streifung aufzeige, ein Product der „Follikelepithelzellen“ sei und der Zona pel- lucida des Eies der Säugethiere entspreche. Ich würde diese ,,Mem- bran“, welche, wie es scheint, nur vorübergehend zur Beobachtung kommt, und von mir am Frosch nicht gesehen wurde, lieber für eine streifige Randschicht des Dotters nehmen. In historischer Beziehung bleiben von grossem Interesse die Auf- fassungen, welche vor nunmehr 40 Jahren CRAMER in seinen Studien über das Zellenleben in der Entwicklung des Froscheies niedergelegt hat !). Der Genannte hebt nicht bloss die grosse Mannigfaltigkeit der Inhaltskörper des Keimbläschens nach Grösse, Form und Lage hervor, sondern verfolgt auch die Sonderungen ihrer Substanz und kommt dadurch zu dem Schluss, dass dieselben „eigenthümliche Zellen“ seien, welche zu mehreren Hunderten im Keimbläschen liegen. Und zweitens sucht er darzuthun, dass diese Zellen, unsere Keimflecke, aus dem Keimbläschen in den Dotter austreten, wo sie sich alsdann zerstreut finden und zu den Kernen der Embryonal- zellen werden. VIII. Säugethiere. Die Untersuchung des Eierstockes und Eies der Säugethiere wird derjenige immer mit besonderem Antheil vornehmen, welcher sich ver- gegenwärtigt, wie langsam und widerspruchsvoll sich die Kenntniss über diese Theile entwickelt hat. Wen berührt es nicht eigenthümlich, dass z. B. LEEUWENHOEK”), dem die mikroskopische Anatomie so viele glänzende Entdeckungen verdankt und der gerade auch den Eierstock der Säugethiere scharf ins Auge fasste, vom ,,Ovum imaginarium“ spricht und ferner sagt: ,,Generatio ex ovis . . . . mihi in multis vana et inter figmenta numeranda videtur.“ Es lässt sich daher nachem- pfinden, wie die Freude den Entdecker des Säugethiereies, ©. E. Baer, als er im Jahre 1827 zum erstenmal die „gelbe Dotterkugel“ einer 1) In: Archiv f. Anat. u. Phys. 1848. 2) Arcana naturae, p. 438. 358 FRANZ LEYDIG, Hündin erblickte, geradezu ,,erschreckte“, da er glaubte, ein Phantom habe ihn betrogen !). Unter den späteren Arbeiten ist diejenige von PFLÜGER?) es ge- wesen, welche über Ei und Eierstock der Säugethiere das meiste Licht verbreitet hat. Die Neuheit der Mittheilungen war theilweise so gross, dass BiscHorr*), welcher sie zunächst und am meisten hätte würdigen sollen, die PFLÜGER’schen Angaben für „durchaus unbegreiflich“ er- klärt hatte. Die Zahl der Arten, welche ich diesmal von Neuem untersuchte, ist nicht gross, und das Vorangegangene kann schon ankündigen, auf welche Verhältnisse der Structur ich jetzt vornehmlich geachtet habe. Sus serofa. Das Epithel auf der freien Fläche des Eierstockes, sogenanntes Keimepithel, ist als Ganzes niedrig und die membranlosen Zellkörper haben in Rücksicht auf den Kern einen sehr geringen Umfang. Nach abgehobenem Epithel erscheint die Oberfläche des Eierstockes wie feinhaarig, was bei näherer Prüfung sich dahin aufklärt, dass die Härchen die Reste der Aussenzellen sind, welche sich nach der Tiefe hin mit den Zellen des Bindegewebes verbinden (Taf. XVI, Fig. 115). Von Eikeimen zwischen den Epithelzellen ist keine Spur vorhanden. Die Wand des reifen Eifollikels ist von anscheinend faseriger Natur und wie aus rein streifigem Bindegewebe gebildet. Indessen belehrt das genauere Zusehen, dass die Wand eigentlich aus Zellen besteht, deren Substanz in verdichteter Form die Streifen erzeugt, zwischen denen die Kerne liegen. Der gefässtragende Theil der Fol- likelwand lässt sich als besondere Hülle von der Umgebung abheben. Das Follikelepithel oder die Membrana granulosa stellt auf dem Durchschnitt des gehärteten Eierstockes für die Betrachtung mit der Lupe gleichsam einen zweiten Sack vor, der einwärts einen in den Follikelraum vorspringenden Zapfen entwickelt, in welchen das Ei ge- bettet ist. Am Eierstock, welcher durch Weingeist gehärtet wurde, er- 1) Nachrichten über Leben und Schriften C. E. v. Bazr’s, mitgetheilt von ihm selbst, 1865, p. 427. 2) E. Prrüser, Ueber die Eierstöcke der Säugethiere und des Men- schen, 1863. 3) Brscuorr, Ueber die Bildung des Säugethiereies und seine Stellung in der Zellenlehre, in: Sitzungsb. Acad. Wiss. München, 1863. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 359 scheint die Innenfläche des bindegewebigen Theiles des Follikels glatt und fast glänzend, das Epithel aber wie eine davon abstehende, weiss- liche gefaltete Lage. Das Follikelepithel ist mikroskopisch eine dichte Zellenanhäufung, deren oberste aus länglichen Elementen zusammengesetzte Lage, mit scharfrandigem Ende, wie mit einer Art von gekerbtem Cuticularsaum abschliesst (Taf. XVI, Fig. 114). Die untersten Zellen hängen mit den Bindegewebszellen, welche die Wand des Follikels erzeugen, in ähnlicher Weise zusammen, wie solches an der Aussenfläche des Eierstockes stattfindet. Man sieht wenigstens hier wie dort nach Abheben des Epithels Reste eines Spongioplasmas , welches mit der Wand des Follikels in Verbindung bleibt. Diesen Zusammenhang der Elemente der Granulosa mit den Zellen der Follikelwand nehme ich zur Unterstützung der Ansicht zu Hülfe, dass die Zellen der Granu- losa vom Bindegewebe herstammen: es sind Wucherungen der Binde- substanzzellen. Die Zellen des Follikelepithels erinnern sonst auch in manchem an Leukocyten: es sind membranlose Zellen, ihre Substanz sehr weich und viele Körnchen einschliessend. Jene Lage, welche das Ei unmit- telbar umgiebt, ist besonders weich, fast zerfliessend, mit Körnchen und Klümpchen erfüllt. Ueber die morphologischen Verhältnisse des sogenannten Liquor folliculi bin ich so wenig wie Andere ') ins Reine gekommen. An Eierstöcken, welche ganz frisch in eine Lösung von Kali bichr. gelegt wurden, sah man auf dem Durchschnitt mit der Lupe einwärts von der Follikelwand den zelligen Beleg und den von letzterem ausgehenden Zapfen oder Knopf, sonst aber den Raum erfüllt mit flüssiger Sub- stanz. — Eierstöcke hingegen, welche frisch sofort mit Weingeist be- handelt wurden, zeigen den „Liquor folliculi als eine schwammige Masse, die nur gegen den vom Epithel entspringenden Zapfen einen mit Flüssigem erfüllten Raum frei lässt. Mikroskopisch ist der gewissermaassen fest gewordene Liquor kein einheitlicher oder gleichmässiger Ballen, sondern zeigt Sonderungen in Kugeln, schollenartige Bildungen und Zellen. Die Kugeln sind hell, glänzend und besitzen Schichtungslinien; dazwischen zieht eine Art 1) Man vergleiche z. B, selbst die neuesten Mittheilungen von Freu- MING in „Regeneration der Gewebe“, allwo ich einer ähnlichen Unsicherheit zu begegnen glaube, wie sie bei mir nicht zu überwinden war, doch habe ich freilich mich nicht allzu lange mit dem Gegenstande beschäftigt. 360 FRANZ LEYDIG, Netzwesen von doppelter Art hin: das eine besteht aus breiteren und wie zelligen Balken (Taf. XVII, Fig. 124); das andere, von homogener Beschaffenheit, kann nach Aussehen und Verästigung an elastische Fasern erinnern, und ich blieb zweifelhaft, ob es nicht auf Gerinnungs- erscheinungen zurückzuführen ist (Taf. XVII, Fig. 124a). Was die eigentlich zelligen Theile bedeuten sollen, blieb mir auch unklar, sie für Leukocyten zu nehmen, war in Anbetracht der geringen Grösse kaum zulässig. Endlich unterscheidet man noch eine körnige Sub- stanz, die wohl sicher geronnenen Liquor vorstellt. Das reife Ei ist dunkel durch die zahlreichen, einwärts gehäuften Dotterkugeln, welche geschichteten Bau zeigen; wenn sie bei leichtem Druck eckig geworden sind, erinnern sie an die „Dotterplättchen‘“ niederer Wirbelthiere. In der hellen Randschicht des Dotters erkennt man deutlich bei gehöriger Vergrösserung das Spongioplasma, und Fort- setzungen der Netzbälkchen erheben sich unzweifelhaft eine Strecke weit in die Porengänge der Zona pellucida (Taf. XVI, Fig. 112). Das Keimbläschen liegt in allen reifen Eiern nicht in der Mitte der Dotterkugel, sondern dem einen Eipol nahe. Der grosse einzige Keimfleck verräth eine gewisse Zusammensetzung oder ist eine An- häufung kleiner innig verbundener Elemente. Bos taurus. Ueber das Verhalten des einschichtigen Epithels des Eierstockes wurde am Kalbe abermals bestimmt gesehen, dass die kurzleibigen Zellkörper, deren Kern verhältnissmässig gross ist, in der darunter liegenden bindegewebigen Schicht wurzeln (Taf. XVII, Fig. 122). Ebenso erwies sich wieder deutlich die zellige Zusammensetzung dieser letz- teren Schicht: die Zellkörper sind zum Theil in eine festere, streifige Substanz umgewandelt und nur die Kerne verharren im früheren Zu- stande. Die Zellen des Epithels bleiben durch Ausläufer in Verbin- dung mit den Bindesubstanzzellen. Ferner wurde auf etwaige Eikeime im Epithel geforscht und ob nicht das letztere, nach unten einwachsend, zu den „Schläuchen“ in Beziehung stehe. Aber es kam nichts vor die Augen, was eine solche Meinung stützen könnte. Stellen, welche vorspiegeln wollten, dass das Epithel in die Tiefe dringe, erwiesen sich bei genauerer Prüfung als Rinnen oder Einfaltungen der Oberfläche. Die Rindenschicht des Eierstockes zeigt sich dicht von kleinen Ei- follikeln durchsetzt, und was man nach der Tiefe zu bezüglich der Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 361 Form der „Schläuche“ zu Gesicht bekommt, spricht dafür, dass die Eifollikel der Rindenschicht durch Abschnürung von den Schläuchen entstanden sind. Die Eierstocksschläuche können so gekrümmt und zusammengeschoben sein, dass der Klumpen etwa an das Bild eines durchschnittenen Knäuels von Schweissdrüsen erinnert. Auch lassen sich an den Schläuchen da und dort kurze Nebensprossen bemerken. Die jungen Eifollikel können linear, wie in Reihen stehen, oder in Haufenform zusammengeschoben. Ausser den „Schläuchen“, welche dicht erfüllt sind mit Kernen und zugehörigem Plasma und daher besser die Bezeichnung von ein- gescheideten zellig-walzigen Massen verdienen, trifft man auf wirkliche Canäle, erinnernd an jene der Urnieren und gleich diesen mit einem deutlichen Lumen versehen. Manche Autoren wollen gesehen haben, dass die Zellstränge und die urnierenähnlichen Schläuche in einander übergehen, wozu ich bekennen muss, dass trotz aller aufgewendeten Mühe ein solcher Zusammenhang von mir nicht gefunden werden konnte. Die jüngsten Eifollikel der Rindenzone sind ohne Membrana granulosa: die Begrenzung wird gebildet von denselben Zellen des Bindegewebes, welche nach der freien Fläche hin zu Epithelzellen werden. Erst allmählich stellen sich die Elemente der Membrana granulosa zwischen Follikelwand und Dotter ein. Es sei erwähnt, dass man auf Schnitten Follikel erhalten kann, welche anscheinend ohne Urei sind, nur erfüllt mit gleichgrossen Zellen. Solche „Follikel‘“ halte ich für Partien der Zellstränge, welche durch den Schnitt abge- trennt waren; ihr zelliger Inhalt ist wie in letzteren überhaupt gleich den frühesten Eikeimen und darf daher nicht den Elementen der Granulosa an die Seite gesetzt werden. Die Gestalt der Granulosazellen ist nach den Gegenden des Fol- likels vielen Verschiedenheiten unterworfen, bald rundlich-eckig oder in Fortsätze ausgewachsen, welche abwärts ziehen, dann auch wieder in cylindrische Formen verlängert. Die sonstige Beschaffenheit wechselt ebenfalls vom Hellen ins Dunkle. Da, wo die cylindrischen Zellen die Lichtung des Follikels begrenzen, ist wie beim Schwein eine scharfe, leicht kerbige Linie unterscheidbar, gleich einer dünnen Cuticularschicht (Taf. XVII, Fig. 121). Auch der Liquor folliculi enthält zellige Elemente, welche sich in ein Netzwerk umwandeln können, wobei dessen Entstehung so vor sich zu gehen scheint, dass das Hyaloplasma der Zellen in Vacuolen sich Zoolog. Jahrb, III. Abth. f. Morph, 24 362 FRANZ LEYDIG, ansammelt, während das Spongioplasma unter Verdichtung und Homo- genwerden mit dem der Nachbarzellen zusammenfliesst. Es mögen zum Theil ähnliche Umwandlungen sein, wie man sie an den die Lymph- räume der Batrachier durchspannenden Zellen kennt. Ist Vorstehendes richtig, so würde man von einer dritten Art Netz- und Balkenwerk im Liquor folliculi sprechen können. Im Dotter, welcher einen deutlichen Hohlraum um das Keim- bläschen frei lässt, begegnet man da und dort Ballen in grösserer oder geringerer Anzahl, welche nach ihrem Aussehen den intravitellinen Kernen der übrigen Thiere an die Seite gestellt werden dürfen. Schon in sehr jungen Eiern lassen sich mehrere solcher Körper in der Nähe des Keimbläschens unterscheiden ?). Glatte Muskeln durchsetzen den Eierstock und sind unschwer zu sehen. Myoxus nitela. Der Eierstock eines Gartenschläfers, welcher mir Ende September in die Hände gerieth, bot einiges recht Bemerkenswerthe dar. Auch bei diesem Thier war die Oberfläche des Eierstockes um die angegebene Zeit von keinem eigentlichen Epithel überzogen, son- dern nur ein Endothel war vorhanden, das heisst, die Bindesubstanz- zellen, welche von innen her zu Tage treten, sind flach und erheben sich nicht über die Streifenzüge. Zahlreiche junge Eier durchdringen die Rindenschicht, und die „Schläuche“ der Eikeime verlieren sich da und dort bis hart an die Grenze der Rinde. Die das Ei einscheidenden oder Follikelzellen haben im isolirten Zustande ganz den Character von Matrix- oder Cuticular- zellen, das heisst, bestehen aus dem hüllenlosen Zellkörper und der homogenen abgeschiedenen Grenzlage (Taf. XVII, Fig. 120). In den Eifollikeln, auch den grössten, ist, wenigstens um die an- gegebene Jahreszeit, kein Liquor vorhanden, sondern der Raum zwischen Ei und Follikelwand ist gleichmässig mit Zellen erfüllt, und viele der- 1) In einer mir nicht zugänglichen Schrift von Scaârer (Ovarian ovum, in: Proceedings of the Royal Society, 1880) sollen ebenfalls mehrere Kerne im Dotter des Kaninchens beschrieben werden; vielleicht gehört hieher auch der ,,Dotterkern“, dessen Barsranı aus dem menschlichen Ei gedenkt, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 363 selben sind mit feinen Fettpünktchen wie bestäubt. Unmittelbar um das Ei haben die Zellen einen etwas andern Character als sonst im Follikel und bilden eine Art von „Strahlenkranz“. An der einzelnen Zelle unterscheidet man, von innen nach aussen gehend, den Nucleolus, umgeben von einer Lichtung, dann die Substanz des Kerns, hierauf wieder eine Lichtung und dann den hüllenlosen Zellkörper, welcher wie in feinste Fäserchen sich auffranzen kann. Im Keimbläschen des Eies liegt ein einziger vacuolärer Keimfleck in einer deutlichen Höhlung, von welcher weg helle Strassen in die Substanz des Keimbläschens ziehen. Um dies Verhalten zu erkennen, sind Reagentien und starke Vergrösserung nothwendig (Taf. XVII, Fig. 118). Im Dotter mancher Eier sieht man kernartige Ballen, deren Her- kunft ich wie früher in das Keimbläschen verlegen möchte. Und in Beziehung hierzu wäre ich abermals geneigt eine anscheinende Ver- dickungsschicht der Membran des Keimbläschens zu bringen. Dieselbe, nur an einzelnen Eiern zugegen, ist schwieriger wahrzu- nehmen als in manchen der oben genannten Fälle, geht auch nicht rings um das Keimbläschen, sondern bedeckt bloss einen Theil von dessen Membran. Soweit man mit unsern Linsensystemen die Natur dieser Schicht ins Auge nehmen kann, besteht sie aus Körnchen und Krümelchen. Der helle Dotter zerlegt sich deutlich in Spongioplasma und darin eingeschlossenes Hyaloplasma. Das Bild ist so, dass man auch sagen könnte, der Dotter stelle eine homogene Masse vor, welche dicht löcherig durchstochen sei. Das Spongioplasma kann am Rande wie zu einer besonderen Grenzschicht des Dotters zusammmenfliessen. Unter schräger Beleuchtung ist auch eine Art concentrischer Schichtung, allerdings nur spurweise in schwachen Zügen, zu erkennen. Endlich unterscheidet man auch noch im Dotter Fettpünktchen, welche schon . in ganz jungen Eiern als Häufchen auftreten und nicht bloss durch dunkles Aussehen, sondern auch sonst von den kernartigen intra- vitellinen Körpern wohl verschieden sind. Die Zona pellucida, welche ich hier wie bei den andern Säuge- thieren vergeblich auf das etwaige Vorhandensein einer Mikropyle untersucht habe, ist nicht durch die ganze Dicke von gleicher Be- schaffenheit. Ihre innere Lage ist dichter und hebt sich daher wie eine eigne Schicht ab, was vielleicht bei andern Säugern verschiedenen Autoren den Anlass gegeben hat, von einer besonderen Dotterhaut, 24% 364 FRANZ LEYDIG, welche nach innen von der Zona folge, zu sprechen '). Nach aussen ist die Zona weicher, und ihre Grenzlinie, wenn gesäubert von den etwa noch anklebenden Zellen des „Discus proligerus‘ , ist nicht scharfrandig, sondern verflossen höckerig. Die Porengänge, welche die Zona durchsetzen, sind sehr fein, aber vollkommen klar. Die Zellen der „Membrana granulosa“, welche das Ei ringsum in dicker Schicht umgeben, sind wieder von sehr verschiedener Form, rundlich, eckig, in Fortsätze ausgezogen, mannigfach gebuchtet, auch tritt eine Art Netz-, richtiger Blätterwerk zwischen solchen Zellen auf, besonders in der Gegend des „Discus“. Auch hier ist mir die Entstehung des Netzwesens nicht recht klar geworden: bald hat es den Anschein, als ob durch Plattwerden der Zellen und Hervorwachsen von Ausläufern das Balkenwerk zu Stande kommt, während man anderseits auch wieder den Eindruck erhalten kann, als ob eine Sub- stanz zwischen den Zellen sich verdichtet und erhärtet habe. Die Zona pellucida in ihrem ersten Auftreten an jüngeren Eiern nimmt sich wie ein schmaler cuticularer Saum aus, der bei starker Vergrösserung aufmerksam betrachtet, gleich mancher andern dicken Zellhaut nicht gleichmässig homogen ist, sondern fein durchbrochen. Bei richtiger Einstellung ist die Linie der Membran daher fortlaufend hell und dunkel. Das Hell entspricht den Durchgängen, das Dunkel bezieht sich auf die undurchbrochene Substanz. Um die Jahreszeit, in welche die Untersuchung fiel, waren zahl- reiche Follikel in fettiger Rückbildung begriffen und machten sich schon fürs freie Auge durch weisse Farbe bemerklich. Die Zellen der Granulosa, jetzt kleiner als früher, waren in verschiedenem Grade er- füllt mit Fettkörnchen oder grösseren Fetttrôpfchen. Der Dotter war von trübem, dicht feinkörnigem Aussehen, sehr zusammengezogen und bei durchgehendem Licht von gelblicher Farbe; das Keimbläschen, wenn noch vorhanden, erschien ebenfalls klein geworden; in vielen Eiern war es überhaupt nicht mehr sichtbar. Was in besonderem Grade auffallen musste, war die Erscheinung, dass der Dotter wie zerklüftet sein konnte, in schwachen, aber unverkennbaren Linien, die entweder über das Ganze zogen oder nur an einem Pol sich zeigten. Die Theilstücke, in welche der Dotter zerlegt war, konnten sich abgelöst haben und in 1) Ich habe diese Vermuthung auch bezüglich der „echten Dotterhaut“ welche van BENEDEN nach innen von der Zona pellucida am Ei des Ka- ninchens beschreibt. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 365 der von der Eihülle umschlossenen Höhlung liegen. Was diese Dinge bedeuten mögen, entzieht sich meiner Kenntniss t). Noch sei wieder bemerkt, dass im Gewebe des Eierstockes Züge glatter Muskeln mit leichter Mühe zu finden sind. Talpa europaea. An einem Ende Mai untersuchten Maulwurf zeigt sich der Eier- stock nach aussen nur begrenzt durch die Elemente des Bindegewebes. Die Kerne der Zellen sind von einer Höhlung umgeben und die Zell- substanz ist in ein streifiges Wesen umgewandelt; sie ist, könnte man sagen, hier nach aussen fester geworden, während einwärts zu, gegen das Keimlager, die Substanz der Bindegewebszellen mehr den Character von ursprünglichem Plasma bewahrt und dadurch in deutlicher Weise den Matrixzellen entspricht. Wegen dieser histologischen Sonderung liesse sich auch in gewissem Sinne die äussere Lage als eine besondere Haut des Eierstockes (Albuginea) auffassen (Taf. XVII, Fig. 115). Das Keimlager kann sich für die erste Besichtigung wie eine gleichmässige kleinzellige Masse ausnehmen, welche von Blutgefässen durchzogen ist. Allein die weitere Prüfung lehrt doch, dass man es eigentlich mit gewundenen und zusammengeschobenen zelligen Strängen oder, wenn man will, mit dicht zellig erfüllten Schläuchen zu thun habe. Je länger man das Bild durchmustert, um so mehr wird man wieder an Ballen von Drüsenschläuchen erinnert, deren Zeichnung aller- dings etwas verwischt ist (Taf. XVII, Fig. 115). Ein solcher Strang im Einzelnen wird begrenzt von Bindegewebs- oder Matrixzellen, von denen, wie auch sonst so oft, zunächst nur die länglichen Kerne ins Auge fallen. Sehr verschieden von diesen zelligen Elementen der Wand er- scheinen in Lichtbrechung und übrigen Eigenschaften die Inhalts- 1) Sollte nicht ein ähnlicher Vorgang es gewesen sein, dessen ich vor Jahren an den Eiern von Synapta gedachte? (in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1852, p. 516.) Es mag auch bezüglich der Rückbildung der Eier an die Mittheilungen A. Scanerners (in: Zool. Anz. 1880) über das Ei der Hirudineen, sowie A. v. Brunn’s (in: Göttinger Gel. Anz. 1880) über das Säugethierei hier erinnert sein. Beide Autoren haben viel Merk- würdiges zu berichten, ohne dass man einstweilen etwas damit anzufangen wüsste, 366 FRANZ LEYDIG, zellen der Schläuche. Die Kerne sind rundlich, und das dazu ge- hörige Plasma ist nur stellenweise schwach abgegrenzt, fliesst vielmehr meist in eine ununterbrochene Masse zusammen. Indem einzelne Zellen an Umfang zunehmen, dabei deren rund bleibender Kern sich mehr aufhellt und ein Nucleolus sich abzeichnet, schnürt sich der Theil vom Schlauche ab und wird zur Anlage des Eifollikels. Der junge Eifollikel besteht demnach aus dem Urei und den einscheidendeu Matrixzellen. Die letzteren im isolirten Zustande habeu das Aussehen ganz wie jene Zellen, welche eine Ganglienkugel um- kapseln. Ihr Zellkörper ist platt, feinkörnig und entwickelt eine homogene Grenzschicht oder Cuticula (Taf. XVII, Fig. 111). Mit der Entstehungsweise der Follikelanlagen durch Abschnürung hängt es wohl zusammen, dass die eingescheideten Ureier zu Nestern und Strängen gruppirt liegen. Zwischen die Follikel hin ziehen sich dieselben Binde- substanz- oder Matrixzellen, welche das Urei umhüllen, ebenso Blut- gefässe. Eine Membrana granulosa ist in den jüngsten Eiern auch nicht vorhanden, sondern erscheint erst später, und was das Herkommen ihrer Elemente betrifft, so spricht das meiste, was sich in dieser Rich- tung beobachten lässt, dafür, dass sie von den Matrixzellen der Follikel- wand abstammen. Die Zellen der Granulosa zeigen verschiedene Gestalt: sie sind bald rundlich, bald würfelig, auch cylindrisch, dann wieder eckig und in Fortsätze ausgezogen. Um ihren Kern geht eine Lichtung. Die Zellen können in dicker Lage das Ei umhüllen, wie ich es schon vor vielen Jahren veranschaulicht habe 1). Dazumal habe ich auch das Ei für sich dargestellt?) und ver- mag jetzt einige weitergehende Angaben über den feineren Bau des- selben vorzulegen. 1. Am Dotter lässt sich ausser den feinen Lücken, welche durch die Bälkchen des Spongioplasmas erzeugt werden, noch ein System grösserer, von Hyaloplasma erfüllter Hohlgänge nachweisen, vergleichbar den oben aus dem Dotter des Triton beschriebenen. Sie stellen sich hier am Ei des Maulwurfes zunächst dar als lichte, in bestimmter Vertheilung stehende Flecken des Dotters, und bei genauer wechselnder Einstellung auf die verschiedenen Ebenen des von allem Druck frei 1) Leypie, Histologie 1857, p. 507, Fig. 247, (aus dem Eierstocke des Maulwurfes). i 2) a. a. 0, 8, 521, Fig. 250, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 367 gehaltenen Eies lässt sich die Fortsetzung des Fleckes als gleich- gearteter Gang mehr oder weniger weit verfolgen '). 2. Die Zona pellucida ist nach aussen nicht glatt, sondern etwas rauh, gleichsam höckerig-ruppig, was zum Theil dadurch zu Stande kommt, dass die Porengänge der Eihülle nach aussen etwas grubig erweitert sind, was, von der Fläche gesehen, eine scharfe Punktirung hervorruft. Bei hoher Vergrösserung stellen sich ausserdem diese Oeffnungen nicht von ganz rundem, sondern von eckigem Umriss dar. 3. Vergleicht man die Feinheit der Ausläufer, welche von den Zellen des Discus proligerus gegen die Oeffnungen der Porengänge dringen, so ist für möglich zu halten, dass durch einzelne dieser Fädchen die Eizelle und die Zellen der Granulosa sich in Verbindung setzen, obschon bei der übergrossen Zartheit der in Betracht kommenden Bildungen es im Augenblick kaum möglich ist, diesen Zusammenhang bestimmter zu sehen. 4. Die innerste Lage der Zona erscheint, wie es auch bei Myoxus erwähnt wurde, dichter und kann den Anblick einer besonderen Haut gewähren. Felis catus. Am neugeborenen Kätzchen habe ich den Eierstock mit eingehender Rücksicht auf mehrere der obschwebenden Fragen untersucht. Der Durchschnitt des ganzen Organs zeigt eine Sonderung in der Art, dass man passend von Rinde und blutreichem Mark sprechen kann. Ein tiefer Hilus umgreift das herantretende Mesoarium. Das „Epithel“ des Eierstockes anbelangend, so muss ich auch hier auf dem oben eingenommenen Standpunkt beharren. Dem ersten Blick nach glaubt man zwar ein wirkliches, aus niedrigen, würfeligen Zellen bestehendes Epithel vor sich zu haben. Allein die sorgsame Prüfung kommt zu dem Ergebniss, dass ein Endothel vorliege: es 1) Wenn ich die nicht schematisch, sondern sehr naturgetreu gehaltene Abbildung betrachte, welche in Henır’s „Allgemeiner Anatomie“ von der geschickten Hand Franz Waener’s herrührt, so könnte man fast vermuthen, dass in dem leicht fleckigen Wesen des Dotters bereits etwas von den oben gemeinten Hohlgängen unbewusst vom Zeichner versinnlicht wird. Allein es liegt doch wahrscheinlich die Annahme näher, dass bei dem Riss, welcher durch die Zona geht, Quellungserscheinungen durch eingedrungene Flüssigkeit die Flecken verursachten, 368 FRANZ LEYDIG, handelt sich nämlich wieder um Bindesubstanz- oder Matrixzellen, welche, nach aussen vortretend und zusammenschliessend, einen ein- schichtigen zelligen Ueberzug herstellen. Hier am neugeborenen Thier ist dieser zellige Beleg noch fester mit der Unterlage verbunden, er- scheint daher deutlich als Theil des Bindegewebes selber, und in weiterer Ausbildung wird die Grenzschicht zur Albuginea des Eierstockes. Dieselben Zellen sind es ferner, welche die Eikeime scheidenartig um- geben, aber von lange her bestimmt verschieden sind von den Eikeimen oder Ureiern (Taf. XVI, Fig. 109). Das Keimlager besteht aus länglichen, gebogenen Massen von kleinen Zellen, umfasst von Bindegewebe. Die Zellen des Keimlagers könnte man im Hinblick auf Späteres kleine helle Keimbläschen nennen, umgeben von schmaler Plasmazone. Und wieder fliesst auch wohl die letztere so zusammen, dass man ebenso gut von einer einheitlichen Protoplasmasubstanz reden könnte, in welcher Kerne eingebettet seien. Die Plasmazone um den einzelnen Kern ist stellenweise so schmal, dass, wer nicht genau zusieht, meinen könnte, der Kern oder das spätere Keimbläschen sei das zuerst Vorhandene. Deshalb mag ausdrücklich bemerkt werden, das in keinem solchen Fall, wenn mit Achtsamkeit geprüft, ein freier Kern als erste Bildung besteht. Ueberblickt man die ungeheure Menge der Zellen des Keimlagers und erwägt, dass in jeder dieser Zellen die Möglichkeit liegt, zu Ureiern sich fortzubilden, so darf man behaupten, dass die Zahl der Eikeime auch bei Säugern nicht geringer ist als bei niederen Wirbelthieren. Der Eifollikel legt sich an durch Abschnürung von den Zügen des Keimlagers und besteht aus dem Urei und den einscheidenden Bindesubstanzzellen, deren Zahl zuerst nicht über drei und vier hinaus- geht. Die Kerne sind es wieder, welche sich von diesen Matrix- oder Bindesubstanzzellen zunächst bemerklich machen. — Eine Membrana granulosa oder Follikelepithel ist noch nicht zugegen (Taf. XVI, Fig. 110). — Im Keimbläschen erkennt man schon jetzt nach Reagentien ein deutliches Schwamm- oder Netzwerk. Man erhält Schnitte, welche, flüchtig besehen, uns vorspiegeln können, als ob in der Endothellage, welche die Eierstocksoberfläche überzieht (Epithel der Autoren), die Eikeime frei lägen als Theil dieses „Epithels“. Aber es ist dieser Anschein eine Täuschung: in Wirklich- keit gehören die Eikeime immer dem Keimlager an, dessen schlauch- artige Züge die Grenze der Eierstocksoberfläche berühren, oder viel- mehr, wie ich zu sehen glaube, nur durch die Behandlungsweise so weit vorgequollen sind. Jedenfalls lassen sich — man vergleiche Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 369 Figur 109 auf Taf. XVI — die den Gipfel des Keimlagers umhüllenden Bindesubstanzzellen mit Sicherheit unterscheiden. Manche Schnitte geben ein Bild, als ob Einsenkungen von der Oberfläche des Eierstockes her entstanden wären, wobei es nicht immer zu entscheiden ist, ob man natürliche Rinnen vor sich hat oder nur solche, welche durch Härtung des Eierstockes künstlich hervorgerufen wurden. Gegen die Oberfläche dieser Spalten können Enden des Keim- lagers ebenfalls vorspringen und zu dem Glauben verleiten, als sähe man Eikeime, welche im Epithel liegen. Aber schon das Wechselnde im Auftreten der Erscheinung weist darauf hin, dass etwas Zufälliges bei einem solchen Vordringen im Spiele ist: auf lange Strecken hin bekommt man weder in den Einsenkungen, noch auf der übrigen Ober- fläche etwas von Eikeimen, welche dem „Epithel“ angehören, zu Ge- sicht. Ich habe nichts wahrnehmen können, was die Auffassung, die Stränge des Keimlagers nähmen von solchen Einsenkungen her den Ursprung, bekräftigen könnte. Freilich bin ich auch ausser Stand, das Herkommen der Keim- stränge mit Sicherheit aufzudecken. Den Gedanken, dass ein Zu- sammenhang zwischen den Strängen des Keimlagers und den im Marke des Eierstocks befindlichen Resten des Worrr’schen Körpers bestehen möge, habe ich zwar immer in Erwägung gezogen, aber es gelang nicht, thatsächliche Beweise für eine solche Annahme vor die Augen zu bekommen. Ueber die Abkunft der Elemente der Membrana granulosa konnte so viel ermittelt werden, dass dieselben nicht gleichzeitig mit dem Ei sich abschnüren, sondern ein späteres Hinzukommniss sind. Es giebt auch hier eine Zeit, in der das Ei einzig und allein von den Matrix- zellen umscheidet ist. Die auf elegante Präparation gestützte Arbeit von Mac Leon!) ist in mehr als einem Punkte belehrend und interessant. Ob er bezüglich der Darstellung der gröberen Verhältnisse darin Recht hat, dass er die Sonderung des Eierstockes bei Ta/pa europaea und Vesperugo pipistrellus in zwei Portionen für eine Art Hermaphroditismus ansieht, die eine Partie sei Eierstock, die andere Hode, welche keine Geschlechtsproducte hervor- bringt, kann ich nicht beurtheilen. — Beim Maulwurf sei nichts von einer Albuginea vorhanden, beim Wiesel hingegen sehr entwickelt, das Epithel des Kierstockes werde aus cubischen Zellen gebildet, von denen eine da 1) Mac Leon, L’ovaire des mammifères, in: Archives de Biologie, 1880. 370 FRANZ LEYDIG, und dort etwas grösser sei als die andere. Eine Grenze zwischen dem Ovarepithel und dem Endothel der Serosa bestehe nicht; es gehe das eine in das andere über. — Die Masse der Keimstränge wird für Ta/pa als cordons me&dullaires“ beschrieben. Aus den Figuren geht hervor, dass die Keimstränge oder das Keimlager sich auch äusserlich scharf von der Lage der Ureier abheben kann. — Die ,,cellules interstitielles“ sind mir Bindesubstanzzellen; die Zellen der ,,cordons médullaires‘‘ seien ScHRön’s Stromazellen, in denen das Ei die erste Entwicklung beginne, sie seien da in „abondance extrême“. — Die Wand des Follikels zeichnet unser Autor deutlich aus Zellen zusammengesetzt. Die ,,theca folliculi‘ des Wiesels wird beschrieben als sehr dick, gebildet von „cellules plasmatiques“ und durchzogen von Gefässe tragenden Bindegewebsbalken. Ich. möchte danach schliessen, dass die Zellenlage sehr verdickt sei und von festeren Zügen durchsetzt. — Unter den „cordons médullaires“ scheinen noch Reste des Worrr’schen Körpers begriffen zu sein, wie dies aus dem Durchschnitt hervorgeht, welcher das Ovar des Kalbes versinnlicht. — Dass die An- gabe über Vorkommen glatter Muskeln im Eierstock mit einem Frage- zeichen begleitet erscheint, darf als überflüssig bezeichnet werden. Die Zahl der Follikel in beiden Ovarien schätzte z. B. GromE beim Menschen auf nicht höher als etwa viertausend, während WALDEYER die Gesammtmenge der Follikel auf dreimalhunderttausend veranschlägt. Be- denkt man aber, dass alle die kleinen Zellen der Keimstränge in der An- lage Eikeime sind, so mag die angegebene Ziffer der Wirklichkeit noch nachstehen. Zweiter Abschnitt. Vergleichende Rückblicke. I. Herkommen der Eizellen. Bei den seiner Zeit über die einheimischen Eidechsen gepflogenen Studien!) legte ich mir auch die Frage vor, von wo die Keimstätte der Eier stammen möge. Ist dieselbe vielleicht vom Worrr’schen Körper abzuleiten und als eine umgewandelte Partie dieses Organs anzusehen oder nimmt sie den Ursprung auf andere Weise? Bekanntlich sucht Hıs darzuthun, dass der Eierstock ein un- mittelbarer Abkömmlung der Urniere sei: das Epithel der Drüse liefere 1) Leypic, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 371 die Eier und Follikelzellen. Auch mir kam es bei Eidechsen anfänglich vor, als ob die Keimstätte ihren Ausgangspunkt von einem Canalstück des Worrr’schen Körpers nähme, und ich gab im Näheren an, wie sich die Umwandlung zu machen schien !). Indessen musste im Ge- folge fortgesetzter Untersuchungen diese Annahme aufgegeben werden: es zeigte sich nach und nach deutlicher, dass das Keimlager in seinem Anfang ein gleichmässig zelliger Körper sei, der sich durch allmähliche Sonderung in Keimzellen und Bindegewebe zerlegt. Ganz auf den gleichen Ausgangspunkt führen trotz sonstiger Ver- schiedenheiten, wie sie im Typus der Thiergruppen liegen, die Unter- suchungen zurück, welche im Obigen über die Herkunft der Eizellen an Anneliden, Arthropoden, Amphibien und Säugern vorgelegt wurden. Das erst Sichtbare sind indifferente Zellen, deren Plasma von hellem, homogenem Aussehen ist und entweder eine gewisse Abgrenzung ringsherum zeigt oder auch zu einer wie gemeinsamen, eine grössere Anzahl von Kernen umschliessenden Masse zusammengeflossen sein kann. Das Protoplasma der Keimlager ist in seiner ursprünglichsten Be- schaffenheit für uns ein heller, homogener Stoff, der vom gewöhnlich Flüssigen nur durch dichteres Wesen sich unterscheidet. Dass wir aber in dem „Homogenen‘“ schon eine Sonderung in Gerüstwerk und eingeschlossene Substanz — Spongioplasma und Hyaloplasma — vor- aussetzen dürfen, habe ich bei andern Gelegenheiten wahrscheinlich gemacht ?). BALFOUR wollte das „kernhaltige Plasma“ weit wegrücken von den „Keimzellen“ und danach zwei Arten der Keimkörper unter- scheiden, eine Trennung, die man unmöglich anerkennen kann: soweit meine Erfahrung reicht, ist Beides immer eine und dieselbe Bildung.. Es kommt auf Zustände im Leben dieser Theile an und auch wohl auf die Methode der Untersuchung, ob sich die zum Kern gehörige Zone plasmatischer Substanz von der Umgebung abgrenzt oder mit letzterer verschmilzt. Die indifferente Zellenmasse, welche zum Eierstock sich fortent- wickelt, zeigt sich bei Wirbelthieren und höhern Würmern als wulst- oder strangartig verdickter Theil der ursprünglichen zelligen Aus- kleidung des Leibesraumes. Selbst in den Fällen, in welchen später 228. 0: po howe 2) Leypie, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, 1883, p. 160. — Zelle und Gewebe, 1885, p. 206, 372 FRANZ LEYDIG, dieses Verhalten nicht mehr ohne Weiteres zu Tage liegt, kann die genauere histologische Prüfung diese Beziehung zum Leibesraum noch aufzeigen. So ist z. B. der Hohlraum der „Blase“, welcher bei den Egeln die Keimstränge umschliesst, offenbar ein Rest der Leibeshöhle. Manche Morphologen stellen den Unterschied auf, dass bei den einen Thieren (Vertebraten, Anneliden) die Keimzellen zu soliden Massen gruppirt seien: in andern Thieren hingegen (Arthropoden, Nematoden) sollen sie als „Epithel“ im Innern von Schläuchen angesehen werden. Hierzu darf bemerkt werden, dass behufs Durchführung einer derartigen Trennung doch einem nebensächlichen Umstand zu viel Ge- wicht beigelegt wird. Denn auch bei einem Insect z. B. hat man nur solide Keimstränge und Keimlager vor sich und erst durch künstliche Entleerung, wobei die Umhüllung zurückgeblieben ist, haben wir das Bild eines Schlauches mit Inhalt vor uns. Es kann sonach ganz will- kürlich werden, ob man von Zellsträngen, die von einer Haut umhüllt seien, sprechen will oder von Schläuchen, angefüllt mit Zellenelementen. Erst die ableitenden Wege können den Character von wirklichen Röhren mit Epithel und Lichtung besitzen. Im Hinblick auf die Frage, ob Verwandtschaftslinien zwischen Anneliden, Arthropoden und Wirbelthieren bestehen, darf hervorgehoben werden, dass z. B. die Keimstränge der Hirudineen sowie der Endfaden sammt Endkammer am Eierstock der Insecten, sowohl als Ganzes genommen oder in die Elemente zerlegt, mit den Keimsträngen oder Schläuchen im Eierstock der Säugethiere sehr über- einstimmen. Denken wir uns die Keimstränge des Eierstockes der Säugethiere ausgeschält aus dem Stroma, so herrscht in Form und Bau fast Gleichheit mit den von vorne herein freiliegenden Keimsträngen eines Egels. Eben deshalb kann ich nicht der Ansicht von BALFOUR zustimmen, wenn er sagt: ,PFLÜGER’S eggtubes . . . have no such importance as has been attribued to them.“ Vielmehr geht meine Meinung dahin, dass erst durch PrLüger’s Entdeckung das Verständniss des Eierstockes der Säugethiere eröffnet wurde; und wir werden dadurch in den Stand gesetzt, die Verbindungsbrücken nach verschiedenen Seiten hin zu schlagen. ; Die nachste Sonderung anbelangend, welche sich an der indifferenten zum Eierstock werdenden Zellenmasse vollzieht, habe ich in der Arbeit über unsere Eidechsen in einer Weise hingestellt, die ich noch im Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 373 Augenblick, trotz der dort gegebenen allgemeinen Fassung, für zu- treffend halten muss. Das Ergebniss meiner damaligen Wahrnehmungen war, dass die zellige Uranlage des Eierstockes oder die Keimstätte durch einwachsendes Bindegewebe in die Follikel zerlegt werde. Auch für die Hodenanlage wiederhole sich das Gleiche, indem auch hier der ursprünglich gleichmässige zellige Körper durch Auftreten von Binde- gewebe sich in die Samencanäle zertheile. Ueberblicke ich die Einzelheiten, welche mir jetzt durch genauere Zergliederung verschiedener Thiergruppen zu Gebote stehen, so weisen sie alle darauf hin, dass das Stadium der indifferenten Keimanlage übergeht in dasjenige der Sonderung von Keim- und Matrixzellen !) sowie cuticularer Abscheidungen. Die durch Wachsthum zum Urei sich entwickelnde Keimzelle wird hierbei von Matrixzellen einge- kapselt und erscheint auf diese Art von der gemeinsamen Keimstätte gewissermaassen abgelöst. Bereits bei meinen früheren Untersuchungen des Eierstockes der Insecten habe ich die Matrixzellen unterschieden und Subeuticularschicht genannt. Es scheint übrigens, als ob nicht immer und überall bei Arthro- poden die Matrixzellen sich von den Keimzellen in dem Grade sondern, dass man sie als solche erkennt. KoRSCHELT z. B. bestreitet ihr Vor- handensein bei diesem und jenem Insect, und ich habe auch in manchem der obigen Fälle darauf verzichten müssen, zweierlei Elemente in den Keimlagern bestimmt zu unterscheiden. Nimmt man bildliche Darstellungen zur Hand, welche Andre über den Eierstock von Würmern (Chätopoden) geben, so mag sich hier das Gleiche wiederholen. So sind an der Zeichnung, welche TAUBER ?) über das Ovar von Stylaria proboscidea liefert, nur Keimzellen und Eier zu sehen. Nach Nasser 3) „scheint der Eierstock (der Tubificiden) eine äussere Hülle zu besitzen“, und am Eierstock von Nais elinguis, 1) Die Bezeichnung ‚„Matrixzellen“ habe ich gewählt im Anschluss an meine Darlegungen über das Verhältniss der Zelle zu Cuticularbildungen und Bindesubstanz. 2) P. Tavser, Om Naidernes Bygning og Kjönsforhold ete., in: Naturhist. Tidskrift, 1873. — Wenn die ältere Zeichnung, welche PA@en- STECHER vom Eierstock der Tomopteris veröffentlicht hat (in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1858), ganz richtig ist, so darf man schliessen, dass auch hier eine Follikelhaut fehlt. 3) Drerricx Nasse, Anatomie der Tubificiden, 1882, 374 FRANZ LEYDIG, wie denselben Tımm !) veranschaulicht, tritt eine scharfe Begrenzungs- linie sammt Zellenbeleg — also Matrix mit Cuticula — hervor, aller- dings nur eine Strecke weit. Ein ähnlicher Wechsel begegnet uns auch auf den Tafeln, welche die Schriften E1sen’s?) über Oligochäten be- gleiten: meist erscheint hier der Eierstock ohne Follikelhaut, es sprossen die Eizellen frei hervor und nur selten (bei Neoenchytraeus) macht sich eine umschliessende Cuticularbildung bemerkbar. An der plastisch schönen Abbildung SELENKA’S°) über den Eierstock der Aphrodite aculeata ist zwar an dem eigentlichen Keimlager nichts von Matrix- zellen und Cuticulargrenze zu gewahren; indessen da Beides so deutlich in den knospenden Follikeln sich abhebt, so werden wohl ihre Anfänge auch schon am Eierstock zu suchen sein. Bei Lumbricus erscheinen die Eier bei NEULAND *) in ein streifiges, mit Kernen versehenes Stroma eingebettet, was auf Zunahme der Matrixlagen sammt Cuticularschichten oder wucherndes Bindegewebe zurückgeführt werden darf. Mit Interesse betrachtet man auch die Zeichnung, welche z. B. HALLER ?) über den Eierstock eines Weichthieres entworfen hat. Man sieht dort, wie von einer indifferenten Zellenmasse sich einzelne der Zellen in Eier umwandeln und, indem sie sich nach aussen ,,aufbuchten“, in ein Säckchen gelangen, welches von den Zellen der Nachbarschaft gebildet wird. Nach meiner Deutung wäre dies wieder eine Sonderung der indifferenten Zellenmasse in Eier und Matrixzellen. Bezüglich der letzteren ist nun wichtig zu sehen, dass sie sich in den reiferen Eiern nicht blos abplatten, sondern weit auseinander zu stehen kommen, welches Verhalten man alsdann auch zur Erklärung des Mangels solcher Kerne in der Follikelwand gewisser Arachniden zu Hülfe nehmen könnte. Man darf sich denken, dass hier völlige Rückbildung der be- sagten Matrixlage eingetreten ist. HALLER zeichnet weder, noch spricht er von einer Cuticularschicht, welche von den Follikelzellen ab- gesondert wäre; sollte sie wirklich ganz fehlen ? 1) R. Tımm, Ueber Phreoryctes Menkeanus, in: Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg, 1883. 2) Gusrar Eısen, On the Oligochaeta, in: Svenska Vetenskaps-Aka- demiens Handlingar, 1879. — Derselbe, On the anatomy of Ocnero- drilus, in: Royal Society of Upsala, 1878. 3) E. SELENKA, Das Gefiisssystem von Aphrodite aculeata, in: Niederl. Archiv f. Zoologie, Bd. II. 4) C. NeuLanp, Zur Kenntniss der Histologie und Physiologie der Generationsorgane des Regenwurmes. Inauguralabhandlung, 1886. 5) Bera HarLeR, Organisation der Chitonen der Adria, Wien 1882. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 375 Die innere ursprüngliche Gleichheit der Matrixzellen und Keim- zellen kündigt sich auch dadurch an, dass in Fällen, wo die ersteren zu mangeln scheinen, doch eine homogene Grenzhaut oder Cuticula des Keimwulstes oder Keimstranges aufzutreten vermag. Es bleibt nichts übrig, als in diesem Falle anzunehmen, dass die Herstellung der Cuticula von der Oberfläche der nächstgelegenen Keimzellen erfolgt ist. Regel bleibt aber doch, dass die homogene Follikelhaut von den Matrixzellen abstammt und in gleichem Maasse ein sich entwickelndes bindegewebiges Stroma. Und letzteres wird bekanntlich unter allen Thierformen am massigsten bei Säugern, deren Eierstöcke dadurch zu derben Körpern von rundlichem oder länglichem Umriss sich gestalten, während sonst in der Reihe der Wirbelthiere der Eierstock in stärkerem oder geringerem Maasse ein traubiges Aussehen bewahrt '). Nach Horrmans bildet sich in der Eierstocksanlage der Amphibien ein Raum aus, der bei Urodelen einfach bleibt, während er bei Anuren in Kammern sich theilt. Es ist mir wahrscheinlich, dass die im Bindegewebe auftretenden Lymphräume, welche ich früher aus der Eierstocksanlage der Reptilien beschrieb und gegenwärtig auch in anuren Batrachiern finde, auf das Gleiche hinauslaufen. Die Elemente der Keimanlage als unmittelbare Abkömmlinge der Furchungskugeln zu betrachten, wird nicht zu beanstanden sein und daher ebensowenig, dass sie von Haus aus eine Zusammensetzung aus Zellsubstanz und Kern besitzen. Es ist zwar zu wiederholten Malen behauptet worden, dass der Kern oder das Keimbläschen das zuerst Vorhandene sei, gleichsam den Krystallisationspunkt für die weitere Anlagerung abgebe. Einen solchen Hergang nahm z. B. C. E. Bär bezüglich des Froscheies, BiscHorF für das Säugethierei an; A. BRANDT erklärte das Keim- bläschen der Insecten für eine Zelle, die erst später vom Dotter um- hüllt werde ?); auch CLAPARÈDE will bei Anneliden gesehen haben, dass das Urei zuerst ein Kern sei, welchen erst allmählich eine Zone von Dotter 1) Bekanntlich ist der Eierstock des Schnabelthieres von annähernd traubiger Form, und man pflegt in dieser Beziehung aus den einheimischen Thieren den Igel und das Schwein anzureihen, was aber eigentlich doch nur in recht entferntem Grade geschehen kann. 2) Aırx. Branpr, Das Ei und seine Bildungsstätte, 376 FRANZ LEYDIG, umkleide :). Wieder Andre waren der Ansicht, das Erste, was ent- stehe, sei der Keimfleck, dann erst bilde sich das Keimbläschen, zu- letzt der Dotter, eine Auffassung, welche in frührer Zeit z. B. R. WAGNER vertreten hat. Diese starken Meinungsverschiedenheiten begreifen sich theilweise, wenn wir in Erwägung bringen, dass der zum Kern gehörige Bezirk von Zellsubstanz zuerst nur sehr wenig um- fänglich ist und daher bei den geringeren Hülfsmitteln von ehemals leicht übersehen werden konnte. Einer der wenigen Morphologen, welche in klarer und bestimmter Weise den Satz verfochten, dass die „Eizelle“ und nicht der Ei- kern oder das Keimbläschen das erst Sichtbare sei, ist LA VALETTE Sr. GEORGE gewesen ?). Alle meine jetzigen Beobachtungen führen bestätigend darauf zurück, und es darf als feststehend angenommen werden, dass dem Urei die Geltung einer durch Wachsthum vergrösserten Zelle der Keimanlage zukommt. Eine hiervon verschiedene und sich im Weiteren einstellende Frage ist die, ob die Ureier von einem „Keimepithel“ her durch Ein- wachsen und Abschnürung der Keimstränge und Keimhaufen zu Stande kommen, welche Lehre zuerst WALDEYER auf den Plan ge- bracht hat *). Wer meine Schrift über die einheimischen Eidechsen zur Hand nehmen mag, kann sehen, dass ich mich für die Darlegungen des ge- nannten Beobachters, wonach die Entstehung der Eifollikel vom Ober- flächenepithel des Eierstockes her erfolgen, „angezogen fühlte“ und also vom Wunsche beseelt war, sie bestätigen zu können. Allein dies gelang keineswegs: ich gewahrte nichts, was auf solche Epithelein- senkungen hingedeutet hätte. Und jetzt, bei den gegenwärtigen Unter- suchungen, war ebenfalls, wie oben mitgetheilt, der Erfolg kein besserer ; 1) Crararkoe, Annélides du Golfe de Naples. — Ich habe in einer älteren Arbeit (Kleinere Mittheilungen zur thierischen Gewebelehre, in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1854) im Eierstock der neugeborenen Ratte das Keimbläschen irrig für das erst Vorhandene angesehen. 2) Frh. v. za Vaterre Sr. GrorGe, Ueber den Keimfleck und die Deutung der Eitheile, in: Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. II. 3) WALDEYER, Eierstock und Ei, 1870. 4) Lexpic, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, p. 132, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 377 ich bin zu der Ansicht gekommen, dass wohl Kaprr !) im Rechte war, wenn er die „Epitheleinwucherungen“ für Trugbilder und Täuschung erklärt hat, entstanden durch Furchen der Eierstocksoberfläche. Freilich wollen Lupwie ?) und Braun?) nachweisen, dass bei Selachiern und Reptilien doch die Eifollikel durch Einstülpungen des Epithels entständen, und gerade bei Selachiern werde diese Art der Bildung „in ausgeprägtester Form“ gefunden. Indessen möchte ich hierzu bemerken, dass ich die von genannten Autoren gegebenen Ab- bildungen wegen des schematischen Characters, den sie unverkennbar an sich tragen, nicht ganz für beweisend halten kann. Es mag zwar die scharfe Grenzlinie, welche dort zwischen „Ovarialepithel‘“ und dem Stroma gezeichnet ist, für geringe Vergrösserung sich ungefähr so ausnehmen, aber bei Säugethieren hängen unzweifel- haft ,,Epithelzellen“ und Stromazellen unmittelbar zusammen, wie ich es in Figur 109 auf Taf. XVI veranschaulicht habe. Diesen Zusammenhang der Elemente des Epithels des Eierstockes („Pseudoepithel‘“) mit den inneren zelligen Theilen des Bindegewebes drücken auch die Abbildungen bei BALFOUR aus, welche wirklich natur- getreu gehalten sind. Eine der Zeichnungen bei Genanntem *) scheint dafür zu sprechen, dass ein Einwachsen des Ovarialepithels in das Stroma immerhin stattfinden möge. Ich würde aber nach meinen Er- fahrungen am Eierstock der Säugethiere dieselbe so deuten, dass die von unten ins Epithel eingreifenden Linien die sich erhebenden faden- und leistenartigen Fortsätze des Bindegewebes vorstellen, von denen oben die Rede war, welche dann aber allerdings viel dichter stehen müssten, als sie in der Zeichnung erscheinen. Das Ergebniss meiner nach dieser Richtung hin geführten Studien wäre demnach Folgendes: Die Anlage des Eierstockes ist eine Anhäufung von Zellen gleicher Art und gleichen Ursprunges, alle an derselben Stelle entstanden und von der Bedeutung einer Verdickung des Endothels des Leibes- 1) M. Kaprr, Ueber das Ovar und dessen Beziehung zum Peritoneum, in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1872. 2) H. Lupwie, Eibildung im Thierreich, 1874. 3) M. Braun, Urogenitalsystem der einheimischen Reptilien, 1877. — Auch C. K. Horrmann lässt, wenn ich recht verstehe, sowohl bei Knochen- fischen als auch bei Amphibien das Primordialei aus Einstülpungen von Zellenschläuchen den Ursprung nehmen. (Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. in: Zeitschrift f. wiss. Zool. 1886.) 4) Fig. 36 in BaLrour, On the structure and development of the vertebrate ovary, in: Quart. Journ. of Micr. Sc. Vol, XVIII. Zoolog. Jahrb. III. Abth, f, Morph, 25 378 FRANZ LEYDIG, raumes. Das nächst Eintretende ist die Sonderung der bis dahin in- differenten Zellen in Eikeime und Matrixzellen. Die Eikeime werden zu Ureiern, indem sie bedeutend wachsen, was insbesondere von Seiten des Kernes geschieht. Die Matrixzellen dienen zur Umkapselung. Wenn ich die Worte BALrour’s richtig auslege, so nimmt er an, dass von der ursprünglichen Zellenmasse der Eierstocksanlage ein dünner äusserer Theil zum „Pseudoepithel‘“ wird, der grössere innere Theil aber zu „Nestern“, aus denen die ,,Follikel‘t hervorgehen, eine Auffassung, welche der meinigen sehr nahe kommen würde. Der von M. NussBAUM vorgetragenen Ansicht, wonach Eikeime und einscheidende Zellen durch räumliche Verlagerung zusammen- treffen, bin ich nicht im Stande mich anzuschliessen. Alles, was ich zu sehen in der Lage war, weist bestimmt darauf hin, dass an Ort und Stelle die Sonderung in die zweierlei Zellen erfolgt, ein Schluss, den auch HOFFMANN aus seinen Untersuchungen an Rana und Bufo gezogen hat. II. Keimbläschen. Die Untersuchungen über den Bau des Keimbläschens, das zuerst SCHWANN dem Kern der Zelle gleichsetzte, haben zu der Ueber- zeugung gebracht, dass auch hier das scheinbar Einfache und Gleich- artige von zusammengesetzter Natur ist. Vor noch nicht langer Zeit hiess es in den Lehrbüchern der Entwicklungsgeschichte, der Eikern sei ein Bläschen, dessen Inneres eine klare, helle Flüssigkeit nebst einem festeren Kern einnehme. Die Erfahrungen der Gegenwart ge- statten es, über diesen Standpunkt um ein Ziemliches hinauszugehen. Keimflecke. Man hat eine Zeit lang die morphologische Bedeutung der Keim- flecke zu gering angeschlagen, indem man sie nur als eine Verdichtung oder als eine Art Niederschlag der thierischen Substanz ansah, die in Form von Krümelchen, Bröckelchen oder Körnchen erfolgt sei. Dass die Keimflecke indessen den lebendigen Bildungen im engeren Sinne anzureihen sind, ergiebt sich schon aus der Weise ihrer Entstehung und Vermehrung. Wie in andern Gewebszellen das Herkommen der Nucleoli auf Knotenpunkte des Kerngerüstes zurückzuführen ist!), so gilt solches 1) Leypié, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, p. 86. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 379 auch für die Keimflecke. Und was die Vermehrung anbelangt, so geht sie auf anscheinend doppeltem Wege vor sich: einmal lässt sich mit Sicherheit verfolgen, dass ein grösserer ursprünglicher Keimfleck durch Knospung, Abschnürung, Theilung kleinere seines Gleichen hervor- bringt. Der Ablauf dieses Vorganges scheint nach den Thiergruppen mancherlei Besonderheiten darzubieten, weshalb man bald das Bild von einfacher Zerlegung vor sich hat, dann aber auch wieder Sonderungen in Stränge oder Wülste, die verästigt sind oder knäuelig zusammen- geschoben oder wenigstens in Schlingen gebogen. Querlinien der Stränge deuten auf weitere Zerfällung hin; auch einzelne bereits ab- gelöste Keimflecke können eine solche Querzeichnung besitzen. Ich verweise auf meine Mittheilungen über das Ei von Nephelis, Argulus, Lycosa, Phalangium, Stenobothrus. Liegt es im Plane der Organisation, dass die Zahl der Keimflecke sehr ansteigt, wie es z. B. bei Amphibien der Fall ist, so kommen zu jenen, welche aus dem einzigen Keimfleck des Ureies entstanden sind, gewissermaassen Nachschübe von den Knotenpunkten des Kerngerüstes. Für diese Annahme spricht dasjenige, was man z. B. im Ei von Triton sieht: aus der Mitte des Keimbläschens heraus heben sich die Pünktchen des feinen Reticulums ab und gehen durch Grössenzunahme unmittelbar in die Keimflecke des Randes über. Bemerkenswerth bleibt, dass in beiden Fällen der Vermehrung die Ausgangsstelle der Keimflecke immer das Spongioplasma des Keim- bläschens ist. Und ferner verdient Beachtung, dass bereits selbständig gewordene Keimflecke wieder zu kurzen, geldrollenähnlichen Säulchen oder zu längeren Strängen sich zusammenlegen können, wozu man das über Myriopoden und Amphibien Vorgelegte vergleichen möge. Längst schon habe ich gelegentlich der Beschreibung des Eies von diesem und jenem Thier angemerkt, dass der Keimfleck eine gewisse Zusammensetzung aus optisch verschiedenen Substanzen habe!). — ScHRÖN beschrieb vom Ei der Säugethiere, dass wenigstens in einem gewissen Stadium der Keimfleck ein Bläschen sei, mit einem soliden Korn im Innern ?), welche Auffassung durch LA VALETTE 1) z. B. bei Synapta, in: Arch. f. Anat. u. Phys. 1852, p. 516. 2) O. Schrön, Ueber das Korn des Keimfleckes bei Säugethieren, in: Morescaoïrt, Untersuchungen z. Naturlehre d. Menschen u. d. Thiere, Bd, IX, 25 * 380 FRANZ LEYDIG, ST. GEORGE bestritten wurde. Der Keimfleck bestehe aus einer mehr oder weniger feinkörnigen, halbfesten Masse, welche sich aus dem Inhalte des Keimbläschens in verschiedener Form niederschlage und in Wasser wieder löslich seit). Die Angaben ScHrön’s fanden indessen Bestätigung und Erweiterung durch Ermer. In Keimflecken z. B. der Ringelnatter wurde die Bläschennatur deutlich erkannt, man unterschied Hülle, Hohlraum, inneres Korn und in diesem auch noch feine, scharf gezeichnete Körnchen, eine Sonderung, die nur in den grossen Keim- flecken zugegen sei, während die kleinern allmählich ins Homogene übergingen ?). Meine auf diese Frage gerichteten Wahrnehmungen haben gezeigt, dass es Keimflecke giebt, welche in der That die Zusammensetzung einer kleinen, hüllenlosen Zelle oder, wenn man will, den Bau einer Amöbe besitzen: ihre Substanz zerlegt sich in ein Festeres oder Maschiges und in eine darin enthaltene weichere Substanz, oder, wie ich kurz unterscheide, sie besteht, wie ein anderer Zellleib, aus Spongio- und Hyaloplasma, und es fehlt nicht ein kernartiger, aus dem Innern sich abhebender Fleck. Die Ballenform des Ganzen nimmt nach Umständen Randzacken an, die auch wohl zu längeren strahligen Fortsätzen sich ausziehen. Es erscheinen ferner Vacuolen im Innern, und zwar schon im lebenden, unbehelligten und sonst unveränderten Keimfleck. In Uebereinstimmung mit dem, was über das innere Gefüge des Keimflecks ausgesagt werden konnte, stehen gewisse, seit längerem bekannte Lebenserscheinungen. BRANDT hat zuerst die bedeutungs- volle Wahrnehmung gemacht, dass der Keimfleck amöboide Bewegungen auszuführen im Stande sei ?). Ermer‘) und Andre sowie ich selber stiessen ebenfalls auf Gestaltveränderungen, welche nur durch Annahme einer Bewegungsfähigkeit des Keimfleckes verständlich werden. Uebrigens ist die Bewegung nie eine plötzliche oder zuckende, sondern vollzieht sich langsam und allmählich und kann am einzelnen Keimfleck nur erst nach längerer Zeitdauer durch Vergleichung festgestellt werden. 1) Frhr. v. ta VALEITE Sr. GEORGE, Ueber den Keimfleck und die Deutung der Eitheile, in: Arch. f. mikr. Anat. Bd. 2. 2) Ta. Eımer, Untersuchungen über das Ei der Reptilien, in: Arch. f. mikr. Anat. Bd. 8. 3) ALEX. BRANDT, in: Mém. Acad. Imp. Sc. St. Pétersbourg, 1874. 4) Tu. Ermer, Ueber amöboide Bewegungen des Kernkörperchens, in: Centralbl. med. Wiss. 1875, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 381 Wenn wir so sehen, dass es Keimflecke giebt, welche die Zu- sammensetzung einer kleinen, hüllenlosen Zelle oder Amöbe haben, so darf man einer älteren von NEWPORT geäusserten Ansicht keineswegs alle Berechtigung absprechen. Dieselbe lautet dahin: das Keimbläschen ist eine Mutterzelle mit einem System eingeschachtelter Tochterzellen. Ueber die Zerlegung des einzelnen Keimfleckes in zweierlei Sub- stanzen lässt sich auch, worauf ich ebenfalls vor Jahren hingewiesen, von Keimflecken zweierlei Art sprechen. Die einen hiervon sind von „blassem, eiweisartigem Wesen“, die andern „gleich Fetttropfen scharf berandet und beschattet“. Uebrigens ist man im Stande, auch in dieser zweiten Art von Keimflecken optisch eine Zusammensetzung aus einer doppelten Substanz zu erkennen: das Innere des Keimfleckes wird von einem matt aussehenden, das Licht schwach brechenden Stoff eingenommen, während die Rindenlage eine Materie von glän- zendem, das Licht stark brechendem Character ist; man könnte auch deshalb morphologisch von Innenkörper und Schale sprechen. Ferner liess sich bei Myriopoden am lebenden Keimfleck sehen, dass in der Rinde oder Schale eine natürliche Oeffnung zugegen sein könne, durch welche die Innensubstanz hervortrat !); und die dunkel- randige, Schichtungslinien zeigende Wand erschien rein durchbrochen von Lücken, angefülit mit derselben blassen Substanz, welche das centrale Innere einnahm. Die Innensubstanz kann auch das Aussehen des Körnigen haben, was bei genauem Betrachten durch dichteste Vacuolenbildung bewirkt erscheint. Ich will hier nicht unterlassen zu bemerken, dass mich das Aus- sehen derartiger Keimflecke im lebenden Zustande immer lebhaft an die Nervensubstanz der Arthropoden erinnert. Die helle, blasse Materie entspricht dem optischen Wesen nach der hyalinen Substanz der Nerven und die dunkelrandige, den Rand erzeugende Materie der Markschicht. Der Durchschnitt, dort des Nerven und hier des kugligen 1) Es mag hier das Ei des Ringelwurmes Spirographis der Nach- prüfung empfohlen werden, da Craparèpe (Annélides du Golfe de Naples, Taf. 30, Fig. 2) es so zeichnet, als ob sich dessen Keimfleck mit weiter Mündung öffne. — Nach Form und Zusammensetzung merkwürdig ist auch der Keimfleck im Ei unsrer Muscheln. Da ich für diesmal denselben nicht von Neuem vorgenommen habe, so sei wenigstens an die Darstellungen FLEMMING’s erinnert, aus denen hervorgeht, dass es sich auch hier um weiter gehende Sonderungen handelt. (Entwicklungsgeschichte der Najaden, in: Sitzber. Wiener Akad. 1875.) 382 FRANZ LEYDIG, Keimfleckes, hat in Aussehen und Lichtbrechung unverkennbare Ver- wandtschaft zu einander. Wer nun von meinen, anderwärts gegebenen Mittheilungen über das Nervengewebe !) Kenntniss genommen hat, und ebenso die Bedeutung der Keimflecke für weit zurückliegende Ent- wicklungszustände würdigt, wird eigenthümlich berührt, wenn er einem von OKEN und andern Naturphilosophen ausgesprochenen Gedanken begegnet, welcher besagt: „der Urstoff der thierischen Masse ist Nervenmasse, aus der sich die Punkte, Kugeln, Hohlbläschen bilden.“ Es liegen verschiedene, höhere und niedere Thiere betreffende Mittheilungen vor, denen zufolge im Keimbläschen jede Keimfleck- bildung fehlt, wie ich denn z. B. selber und O. Scumipr in Amphicora und Scopula den Keimfleck vermisste?), Allein es ist wahrscheinlich, dass in solchen Fällen die Keimflecke nur unsichtbar geworden sind, in welcher Beziehung an das erinnert sein mag, was ich oben über das Verschwinden des Keimfleckes bei Phalangium berichtet habe. Es kann ja auch in der lebenden Zelle das Spongioplasma sich unserm Auge völlig entziehen, gleichsam untergetaucht sein, ohne aber in Wirklichkeit zu fehlen. Neben den Keimflecken habe ich bei Argulus eigenthümliche fadige oder spindelförmige Körper beobachtet, deren ich deshalb an dieser Stelle noch einmal gedenken darf, weil jüngst O. SCHULTZE 3) nadelförmige, mehr oder weniger geschlängelte Körper beschreibt, welche er zur Winterszeit im Keimbläschen von Fröschen beobachtet hat. Ohne im Augenblick vergleichende Untersuchungen anstellen zu können, möchte ich doch vermuthen, dass die Körper mit den von mir bei Argulus gesehenen Gebilden von einerlei Art sein werden. Uebrigens hat es mir seiner Zeit geschienen, als ob die fadigen Elemente bei Argulus und die Knäuelfäden im Keimbläschen von Stenobothrus Dinge seien, welche sich entsprechen. Spongioplasma. In vielen Fällen, mitunter schon im frischen Zustande, häufiger unter Einwirkung von Reagentien, giebt sich eme Schwammwesen 1) Leypie, Zelle und Gewebe, 1885. 2) In: Archiv f. Anat. u. Phys. 1854, S. 313. 3) Oscar ScHuLtze, Reifung und Befruchtung des Amphibieneies, in ; Zeitschrift f, wiss. Zool., Bd. 45, 1887. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 383 oder Spongioplasma im Innern des Keimbläschens zu erkennen: bald von äusserst feiner und dichter Art, bald auch von gröberen Zügen. Es kann dasselbe ferner, wie ich es bezüglich der Kernkörper andrer grosser Gewebszellen dargestellt habe !), um den einzelnen Keimfleck eine besondere, ihn aufnehmende Höhlung abgrenzen. Vielleicht liegt in diesem Verhalten auch der Grund zu der von Andern ausgehenden Ansicht, der Keimfleck sei eine Vacuole, in welcher ein festeres Ge- bilde sich befinde. Der Beziehung der Knotenpunkte des Schwammnetzes zum Ursprung der Keimflecke wurde schon gedacht. Auch die gegliederten, gerad- linigen oder geknickten, häufig gewundenen oder auch verästigten Fäden und Stränge, wie sie im Keimbläschen von Arthropoden und selbst bei Amphibien gesehen werden, sind Umbildungen des Spongio- plasma; ihre Theilstücke besitzen den Werth kleiner Keimflecke und können, wie es z. B. an Stenobothrus dargethan wurde, in losgelöstem Zustande genau wieder den Character von Amöben an sich tragen. Membran. Für gewöhnlich wird der Membran des Keimbläschens eine einfache oder rein homogene Beschaffenheit zugeschrieben. Doch bezeichnet schon hin und wieder ein Beobachter die Membran als „porös“, z. B. OELLACHER in Hinblick auf das Keimbläschen der Fische. Nach meiner Erfahrung hängt das poröse Aussehen mit Zuständen im Leben des Eikerns zusammen. Bei Triton z. B. kann, wie ich es in Figur 92 wiedergegeben habe, zu gewisser Zeit deutlich die verhältnissmässig dicke Membran eine auf Porengänge zu deutende Strichelung besitzen. In einem andern Zeitabschnitt aber zeigt sich die Membran sehr dünn, unter der Form einer einfachen Linie, an welcher selbst bei stärkster Vergrösserung das Porenwesen nicht mehr in die Sinne fallen will; ja es scheint aus mehreren von mir gemachten Wahr- nehmungen hervorzugehen, dass die zarte Beschaffenheit in eine wirkliche Auflösung der Membran des Keimbläschens übergehen könne. Mantelschicht. Von nicht geringer Bedeutung, wie mir dünkt, obschon bisher noch wenig gewürdigt, ist das Dasein einer besonderen Substanzlage 1) a, a. O. Taf, VII, Fig. 73 (Ganglienkugel von Limax cinereus). 384 FRANZ LEYDIG, an der Aussenfläche des Keimbläschens, für welche ich die Bezeichnung Mantelschicht gebrauche und nicht „Verdickungsschicht“, weil sie eine von der Membran des Keimbläschens wirklich verschiedene Schicht vorstellt. Es gedenkt derselben vielleicht zuerst Eimer vom Ei der Natter 1). An den Eiern niederer und höherer Thiere (Würmer, Arthropoden, Wirbelthiere), von welchen ich gedachte Bildung zur Sprache brachte, war diese Aussenschicht nur zeitweilig vorhanden und in Dicke, Aus- dehnung und Structur mancherlei Verschiedenheiten unterworfen. Bald umzieht die Mantelschicht das Keimbläschen vollständig, ein andermal theilweise; bald ist sie von ziemlich gleichmässigem Durchmesser, bald stellenweise verdickt und dadurch höckrig geworden. Mit den mir zu Gebote stehenden Hilfsmitteln kann ich bezüglich der Structur so viel sehen, dass ihre Substanz aus Körnchen und Krümeln gebildet ist, die in ihrem Wesen an die Natur der Keimflecke erinnern; zweitens kann eine radiäre Streifung zugegen sein, die auf eine bestimmte Gruppirung der Körnchen hinweist und einen Bezug zu den Poren- canälen der Membran des Keimbläschens zu haben scheint. Nach allem, was zu erkennen war, entsteht die Mantelschicht durch Austreten von Theilen des Keimbläschens und zwar der Keim- flecke. Hierbei zeigen sich Erscheinungen, welche annehmen lassen, dass die Keimflecke erst in kleinere Stücke auseinandergehen, die nach dem Durchgang sich wieder zu grössern Körpern vereinigen. Um das letztere — Zerlegung in Theilstücke und Wiedervereinigung zu grössern Körpern — begreiflicher zu finden, darf man sich daran erinnern, dass gar oftmals ein einzelner, selbst kleinerer Keimfleck 1) Tu. Ermer, Untersuchungen über die Eier der Reptilien, in: Archiv f. mikr. Anat. Bd. 8. Vergleicht man Angaben und Zeichnungen dieser Abhandlung genauer, so erhält man den Eindruck, dass der Verfasser den Hohlraum um das Keimbläschen mit der Mantelschicht zusammenwirft. Er setzt nämlich die ,,unverhiltnissmissig dieke, höchst eigenthümliche Hülle, welche aus feinen Körnchen zusammengebacken scheint und sich durch schöne radiäre Streifung auszeichnet“, ein andermal gleich „einer einfachen, feinen Haut um das Keimbläschen“ in älteren Eiern. Die Ab- bildungen, z. B. Fig. 1, Fig. 8, lassen aber kaum einen Zweifel darüber, dass damit die Begrenzung des um das Keimbläschen ziehenden Hohlraumes gemeint sei. Indem ich in der Literatur weitere Umschau halte, kommt mir auch die Vermuthung, dass CLAPARÈDE in dem Werk: Annelides du Golfe de Naples, Pl. 10, Fig. 4n, die Mantelschicht als körnig-zackige Zone ebenfalls gezeichnet, aber nicht weiter beachtet hat. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 385 bei sehr starker Vergrösserung immer wieder als etwas Zusammen- gesetztes sich ausweist oder die Natur einer Gruppe von Portionen hat. Höhlung um das Keimbläschen. Zu den wesentlichen Verhältnissen im Bau der Eier gehört es und ist daher ein Character allgemeinerer Art, dass eine höhlenartige Abgrenzung oder Lichtung um das Keimbläschen zieht, welche mit hellem, sehr weichem, dem Flüssigen sich näherndem Plasma erfüllt ist. Der Raum wird abgesteckt oder begrenzt von dem Spongioplasma des Dotters, und die Weite, in der sie sich zeigt, hängt von Um- ständen und den Methoden der Untersuchung ab. Von einer geräumigen Höhlung bis zu einer das Keimbläschen eng umschliessenden Lichtung sind alle Mittelstufen vorhanden und schon im frischen Ei wahr- nehmbar. In diese Zone ragt die Mantelschicht des Keimbläschens hinein und in ihr liegen die Theile oder Klumpen, welche sich von letzterer Schicht abgelöst haben. Von dem Raum gehen Ausbuchtungen oder Hohlgänge in die Substanz des Dotters hinein, verschieden in Zahl, Weite, Verlauf und Ausdehnung; sie können sich bis zum äusseren Umfang des Eikörpers erstrecken; auch lassen sich in diesen, ebenfalls mit hellem Plasma erfüllten Gängen zeitweilig Körper antreffen, von denen ich dafür halte, dass sie aus dem Innern des Keimbläschens stammen. | Besagten Raum um das Keimbläschen erblicke ich auch in Mit- theilungen van BAMBEKE’s über das Ei von Leueiscus und Lota: es fände sich dort ein membranöser Beutel, der das Keimbläschen um- hüllt („poche, qui enferme la vésicule germinative“) und jedenfalls kein reines Kunstproduct sei‘). Sollte nicht auch die canalartige Ver- längerung des Raumes in den Dotter hinein, welche der belgische Forscher zeichnet, mit den von mir erwähnten Hohlgängen zusammen- treffen ? Die erste Beobachtung aber, welche mir über den Hohlraum um das Keimbläschen bekannt geworden ist, hat PrLüGER gemacht”). Derselbe spricht bezüglich des Eies der Säugethiere von einem blassen, ringförmigen Hof, der scharf umgrenzt das Keimbläschen umgebe, und 1) Cu. van BamBexe, Contributions à l’histoire de la constitution de l'oeuf, 1883. 2) E. Prrücer, Ueber den Eierstock der Säugethiere und des Menschen, 1863, E 386 FRANZ LEYDIG, sagt ferner im Hinblick hierauf wörtlich: ‚man könnte dies auch so auffassen, es bestände im Ei um das Keimbläschen eine Höhle, welche durch radiär verlaufende, sich allmählich verjüngende Canäle mit der Zona pellucida zu communiciren scheint.“ Bereits anderwärts 1) habe ich die Latebra des Dotter mit der Höhlung um den Eikern verglichen und thue dies auch jetzt bezüglich des von der Latebra sich erhebenden „Dotterstieles“, den ich für homolog einem von der Höhlung ausgehenden ursprünglichen Canal oder Gang halte, wovon nacher noch einmal die Rede sein wird. Gestaltveränderung. Das für gewöhnlich eine rein kugelige Form darbietende Keim- bläschen kann die Gestalt eines mit Einbuchtungen oder Lappen- bildungen versehenen Körpers annehmen und man darf dafür halten, dass diese Veränderung mit Lebensvorgängen im Zusammenhang stehen wird. Denn man bekommt die Bilder nicht bloss an Eiern zu Ge- sicht, welche durch Reagentien gegangen sind, sondern auch an solchen, welche sich im lebenden, unbehelligten Zustande befinden. Unentschieden bleibt es hierbei, ob die Buchten und Lappen von der Bewegung des Keimbläschens selber oder nicht vielmehr von Zusammen- ziehungen des ganzen Eikörpers abhängen, mithin mehr auf passive Weise zu Stande kommen. Für selbständige Bewegung des Keim- bläschens würde es vielleicht sprechen, wenn, wie manche Beobachter wollen, der Formenwechsel sich in „lebhafter‘‘ Weise vollzieht. Lage. Je jünger das Ei ist, um so geringer erscheint die Menge der den Eikern gleichmässig umhüllenden Zellsubstanz, and es liegt dadurch der letztere wie im Mittelpunkte des Eies. Später bei Zunahme des Dotters rückt das Keimbläschen seit- wärts und hat sich schliesslich dem Rande des Dotters genähert. Mag nun diese Wanderung aus dem Centrum zur Peripherie vom Keim- bläschen selbst ausgehen oder durch Zusammenziehung des Dotters in bestimmter Richtung erfolgen, jedenfalls ist die Erscheinung im Ei niederer und höherer Thiere allgemeiner beobachtet worden, und es 1) Levnie, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, 1883, p. 68. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 387 muss dieser Ortsveränderung die Bedeutung eines gesetzlichen Vor- ganges zugeschrieben werden. III. Dotter. Spongioplasma und Hyaloplasma. In der morphologischen Zusammensetzung des Dotters unterscheidet man seit langem eine homogene, mehr flüssige Grundsubstanz und Körnchen, welche darin enthalten sind. An jungen Eierstockseiern des Frosches vermochte ich zuerst die Kenntniss dahin zu erweitern, dass ich in der bis dahin für „homogen‘‘ geltenden Grundsubstanz eine Structur nachwies, bestehend aus einem System von Streifen, welche sich radiär durch das ganze Ei erstrecken). Ohne von meiner Mit- theilung zu wissen, sah hernach FLEMMING am jungen Ei eines Seeigels eine radiäre Strichelung, traf aber, wie er später bemerkt, ein Zeichen solcher strahligen Streifung in Eierstockseiern verschiedener Reife bei Amphibien keineswegs an; eher spreche sich nach Reagentien eine halbwegs concentrisch angeordnete Structur aus. EIMER und F. Sa- RASIN haben aus dem Ei von Reptilien, SCHÂFER vom Vogelei, BAL- FOUR vom mittelreifen und reifen Ei der Selachier ein netz- oder schwammförmiges Gerüstwerk beschrieben. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass wohl auch schon PFLÜGER im Ei der Säugethiere nicht bloss das Spongioplasma im Allgemeinen vor Augen hatte, sondern auch dessen radiäre Züge sah. Man darf dies nämlich aus der dem Dotter zugetheilten „strahligen Beschaffenheit“ vermuthen, sowie aus Angaben über „eine Art Maschennetz im Proto- plasma.“ Freilich scheint der Autor im Glauben zu sein, als ob das letztere durch Einwirkung von Säuren, also erst nachträglich und künst- lich durch Gerinnung entstanden sei. Auch Brock in viel späterer Zeit hat sich noch gegen ein ,,präformirtes Protoplasma“ ausgesprochen, indem er das Netzwerk im Ei für coagulirte Flüssigkeit erklärt hat?). Wie früher, so auch gelegentlich der gegenwärtigen Untersu- chungen habe ich das Schwammwerk oder Spongioplasma aus den Eiern verschiedener Thiere oftmals vor mir gehabt und zwar nicht 1) Leroıs, Hautdecke und Schale der Gastropoden, in: Archiv für Naturgesch. 1876. 2) Brock, Zur Anatomie und Histologie der Geschlechtsorgane der Knochenfische, in: Morphol. Jahrb. 1878. 388 FRANZ LEYDIG, selten in sehr deutlicher Weise. Die Anordnung betreffend, so kann alles, was ich vor einigen Jahren über den spongiösen Bau des Pro- toplasmas überhaupt auszusagen in der Lage war, aufrecht erhalten werden. Gleichzeitig mit mir hat auch Rauger !) bildliche Darstel- lungen des Eierstockseies einiger Wirbelthiere gegeben, welche mit meinen Befunden übereinstimmen ; hingegen vermag ich bezüglich der Eiformen, welche ich unter den Augen hatte, nicht entfernt SCHNEIDER beizupflichten, welcher die „Strahlensysteme“ nicht sowohl Anord- nungen in der Zellsubstanz sein lässt, als vielmehr Ausstrahlungen von der Substanz des Kerns. Die Zeichnung der Zona radiata des Dotters leite ich eben- falls von dem Spongioplasma und «essen Bälkchen ab. Wenn ich?) seiner Zeit am Ei der Eidechse eine weiche Haut beschrieben habe, die vom Epithel des Follikels abgeschieden und bei einiger Dicke von feinen Streifen radiär durchsetzt werde, so finde ich es jetzt richtiger, diese Haut, welche ich der Zona pellucida des Eies der Säugethiere verglich, für die streifige Randschicht des Dotters zu nehmen und nicht für eine besondere Hülle. Hierbei drängt sich aber immerhin die Be- trachtung auf, dass eine ,,Zona pellucida“ mit ihren Porengängen und eine „streifige Randschicht“ des Dotters sich in ihrem Wesen sehr nahe stehen, insbesondere auch bezüglich der Entwicklung der Zona. Wegen dieser Verwandtschaft kann es gleichgültig werden, ob man die Schicht nach dieser oder jener Seite hin benennt. Noch sei bemerkt, dass Sarasın?), der gleichfalls die Zona radiata am Ei der Eidechse studirt hat, die radiären Streifchen auf kleine geronnene Strömchen zurückführen möchte, während ich selbst nach Voranstehendem die strahlige Zeichnung von dem Spongioplasma und dessen Bälkchen herleite. Auf alle Fälle verdient wiederholt zu werden, dass das Spongio- plasma in seiner radiären Anordnung keineswegs immer und unter jeg- lichen Umständen zur Erscheinung kommt, sondern nicht selten völlig zu fehlen scheint*). Man darf daher auch fragen, ob nicht jene 1) Ravser, Neue Grundlegungen zur Kenntniss der Zelle, in: Archiv f. mikr. Anat. 1883. 2) Leyvis, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, p. 182, Tat XI Ric 1532. 3) C. F. Sarasın, Reifung und Furchung des Reptilieneies. Inaugural- Dissertation, 1883. 4) Auch in Gewebszellen kann das Spongioplasma völlig unsichtbar geworden sein. Meinen früheren Erfahrungen mag beispielsweise an- Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 389 dünnere, äussere, hyaline Schicht, wie sie als ,,Exoplasma“ von einer inneren, dickeren, grobkörnigen Schicht oder ,,Endoplasma“ am Dotter dieses und jenes Thieres von manchen Beobachtern unterschieden wurde, für gleichwerthig zu halten sei einer Zona radiata ohne sicht- bare strahlige Strichelung. Hohlgänge. Schon in der Natur des Schwammwesens liegt es, dass zahlreiche feine Interstitien, von Hyaloplasma erfüllt, im Dotter zugegen sein müssen. Dazu können aber noch geräumigere Hohlgänge kommen, Vor einigen Jahren, als ich daran erinnerte, dass nach REMAK im Ei des Frosches, welches in der Furchung begriffen ist, „graue radiale Streifen“ sich erkennen lassen, hatte ich es weiteren Nach- forschungen zu überlassen, wie sich diese Beobachtungen zu dem, was ich über ein strahliges Bälkchenwesen des Dotters gewahr geworden war, stellen werden und ebenso auch zu der strahligen Anordnung, welche REICHERT im Dotter von Knochenfischen (Hecht und Kaul- barsch) nachgewiesen hatte und die nach Hıs auf „Gerinnungsbildern des Dotters‘‘ beruhen sollte. Doch glaubte ich!) schon damals annehmen zu dürfen, dass es sich im Grossen und Ganzen um ein Gefüge von gemeinsamem Character handeln möge. Bei Fortsetzung der Studien über das Ei ergab sich, dass strah- lige Streifenzüge gröberen Characters und dadurch hervorgerufene Zwi- schengänge von weiterem Durchmesser ebenfalls zugegen sein können. Meine Erfahrungen, was Wirbelthiere anbetrifft, beziehen sich auf das Ei des Maulwurfs, des Stichlings und des Wassersalamanders. Hier liessen sich strahlige Gänge mit Seitenzweigen verfolgen, welche von hellem, homogenem Hyaloplasma eingenommen sind, und ich möchte vermuthen, dass die Zeichnung RAuBEr’s über das Eierstocksei der Feldmaus mit seinem ungefähr radiären, Vacuolen einschliessenden Balkenwerk Bezug zu dem von mir gemeinten System strahliger Hohl- gänge hat. An dem meinerseits untersuchten Thiere lässt sich ferner gereiht sein, dass in Blutkörperchen eines Triton, im October untersucht, das Innennetz der Kerne sehr deutlich war, die Zellsubstanz — das Thier war mit einer Lösung von Kali bichr. behandelt worden — eine homogene, glänzende, gelbliche Masse darstellte, ohne eine Spur des Schwammwesens zu zeigen. 1) Leyose, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, 1883, p. 9, 390 FRANZ LEYDIG, die Ueberzeugung gewinnen, dass die Gänge, wie oben schon berührt wurde, mit dem das gleiche helle Plasma einschliessenden Hohlraum um das Keimbläschen, man kann sagen, ausgehen oder auf ihn hin- führen. Dass auch bei Wirbellosen, wenn schon vereinzelt und nicht immer in strahliger Anordnung, solche Hohlgänge zum Bau des Dotters ge- hören, geht aus den von mir gegebenen Einzelheiten über das Ei von Würmern und Arthropoden hervor. Und es steht wohl ausser Zweifel, dass der von BALBIANI im Ei von Geophilus erkannte und dargestellte Canal oder Trichter ebenfalls hier einzureihen ist. Von vorne herein ist es wahrscheinlich, dass die beiden Arten von Hohlgängen, die feinen und die gröbern, unter sich zusammen- hängen werden, welches Verhalten sich denn auch unmittelbar be- obachten lässt. Beim genauen Durchmustern der Grenzlinien gewahren wir nämlich, dass das Spongioplasma, indem es durch Verdichtung die weiten Gänge abgrenzt, doch noch von Lücken so durchbrochen ist, um einen Zusammenhang mit den feinen Maschenräumen zu ermög- lichen. Wenn wir erwägen, welch grossem Wechsel das Bild dieser strah- ligen Lücken oder Gänge sich unterworfen zeigt, so dass es auch wohl völlig unsichtbar geworden ist, so darf geschlossen werden, dass es nur unter gewissen Bedingungen des Eilebens auftaucht und wieder verschwindet, sonach Contractionszustände im Spiele sein mögen. Van BamBeke!) beschrieb bei Pelobates kleine Grübchen der Oberfläche des Dotters, welche die Mündungen feinster Canale mit ter- minalen Erweiterungen seien und wahrscheinlich den Weg bezeichneten der in den Dotter eindringenden Samenkörperchen. In einer späteren Abhandlung ist derselbe Forscher ?) noch näher auf diesen Bau einge- gangen. Unsere Gedanken dürfen sich wohl dahin lenken, dass die von VAN BAMBEKE angezeigten Bildungen und die Hohlgänge, von welchen vorhin die Rede war, nahestende, um nicht zu sagen, die gleichen Dinge sein werden. Und es sei auch an eine ältere Angabe NEWPORT erinnert, wonach bei 1) Cu. van BamBexe, Recherches sur la développment du Pélobate brun, 1868. 2) Ca. van Bampexr, Sur les trous vitellins que présentent les oeufs fécondés des Amphibiens, 1870. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 39] Batrachiern an der dunkelfarbigen Oberfläche des Eies eine kleine Oefinung bemerkt werde oder die Mündung eines Canals, welcher durch den Dotter zum Keimbläschen führt. Spindelfäden. Es mag auch an dieser Stelle wieder hervorgehoben werden, dass die „Spindelfäden“ im Dotter mit dem Spongioplasma zusammenhängen und zu den Umbildungen desselben gehören. Meine vor fünf Jahren !) ausgesprochene Vermuthung, dass dem so sein möge, habe ich bald darauf?) am Ei von Ascaris megalocephala als zutreffend nachweisen können, und SEDGWICK ist in der Lage gewesen, meine Angaben am Ei von Peripatus zu bestätigen *). Ich erwähne dies auch deshalb, weil in bildlichen Darstellungen Anderer, selbst aus jüngster Zeit, die Spindel- und Sternfiguren so gehalten werden, als ob sie mit dem Spongioplasma des Dotters in keiner Verbindung ständen. Dotterkugeln. In der Frage, ob die Körnchen und grösseren Kugeln des Dotters sämmtlich im Innern des Eies selber entstehen, oder ob nicht wenig- stens ein Theil derselben auf Material zurückgeführt werden darf, welches von aussen eingedrungen ist, gelangte ich zu keinem sicheren Abschluss. Bei den untersuchten Wirbelthieren kam mir nichts vor die Augen, was auf ein Eindringen von Körperchen von der Umgebung her hingewiesen hätte. Selbst bei Arthropoden, den Insecten z. B., wo noch am ehesten vermuthet werden könnte, dass die Zunahme des Dotters auf theilweiser Bethätigung der Umhüllungs- und Nachbar- zellen beruhen möge, konnte eine hierfür ausschlaggebende Thatsache 1) Leypic, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, 1883, p. 144. 2) Lrypie, Zelle und Gewebe, 1885, p. 9. 3) Apam SEDGWICK, Development of the cape species of Peripatus, in: Quart. Journal Microse. Sc. 1886. — Man vergleiche auch die eben er- schienene Arbeit von THropor Bovert: Zellenstudien, Jena 1887, eine Schrift, in welcher sich durchweg eine ungemeine Schärfe der Beobachtung sowohl wie des Urtheils kundgiebt, 302 FRANZ LEYDIG, nicht festgestellt werden. Jedenfalls bleibt dariiber kein Zweifel, dass die Dotterkugeln der Hauptmasse nach Erzeugnisse des Eies selber sind, und es ist nach allem höchst wahrscheinlich, dass die Dotter- körner und Kugeln insgesammt durch Umwandlung des Spongio- und Hyaloplasmas entstehen. Daneben hat es mir immer geschienen, als ob nicht bloss die Dottertheilchen in fett- und eiweissartige Körner, Kugeln, Tafeln und Schollen zu unterscheiden seien, sondern dass auch unter diesen mancherlei innere Verschiedenheiten obwalteten, die aber erst durch ein eigenes hierauf gerichtetes, etwas mühseliges Studium ins Klarere gebracht werden könnten. Einiges, was ich über diese Gebilde aus dem Ei des Triton zu berichten fand +), möge vielleicht als kleiner Beitrag zu den eben von O. SCHULTZE ?) über Dotterkugeln und Dotterplätt- chen veröffentlichten Mittheilungen dienen. Auch Anderes, was über die gleichen Gebilde oben sich eingestreut findet, z. B. vom Dotter der Myriopoden (Lithobius), kann Fingerzeige geben, dass zusammen- gesetztere Verhältnisse in den so einfach scheinenden Körpern zu- gegen sind. Feiner und grober Dotter. Dadurch, dass die grossen Dotterkugeln gewisse Gegenden des Ei- körpers ständig einnehmen und andere hingegen freilassen, welche als- dann nur von feinen und feinsten Körnchen eingenommen erscheinen, kommt eine Scheidung des Dotters zu Stande, welche zu den durch- greifenden Zügen im Bau des Eies gehören mag. Das örtliche Verhalten dieser Sonderung ist derart, dass die nächste Umgebung des Keimbläschens von den grösseren Dotterkugeln unbesetzt bleibt, während peripherisch im Eikörper ihre Ansammlung geschieht. Dies lässt sich nicht bloss deutlich, wie schon His, Horr- MANN, VAN BAMBEKE anzeigten, bei Fischen sehen, sondern auch bei Amphibien zerlegt sich der Dotter, wie ich es vom Ei des Triton ver- anschaulichte, in einen inneren, hellen, mehr gleichmässigen und in einen äusseren, grobkörnigen, gleich einer dicken Schale um den inneren herumziehenden Theil. Dass Salamandra sich ebenso verhält, ersieht 1) Die Angaben stammen aus dem April 1886. 2) Oscar Scauzrzr, Reifung und Befruchtung des Amphibieneies, in; Zeitschrift f. wiss. Zool. 1887. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 393 man aus Angaben von Varaorıııs. Vom Ei der Reptilien (Lacerta) beschreibt F. Sarasın Dotterschichten, welche concentrisch den „Dotter- heerd‘“ umkreisen, was wohl auf ein ähnliches Verhalten deutet. Im jungen Ei des Vogels hat längst schon Topp deutlich eine körnerlose Zone um das Keimbläschen gezeichnet, und vom Ei der Säugethiere wird von PFLÜGER dieser Gegensatz in der Bildung des Dotters eben- falls schon berührt. Nachdem das Keimbläschen aus der Mitte des Eies in die excen- trische Lage gerückt ist, zieht sich von dem feinkörnigen Dotter der Mitte ein Strang derselben Substanz durch den umgebenden groben Dotter peripherisch zu dem Keimbläschen hin. Der Strang in seiner Endverbreiterung bildet die „Keimscheibe“. P. und F. Sarasın haben dies jüngst an Ichthyophis gezeigt!), indem sie zugleich darauf hin- wiesen, dass der „Dotterstiel“ und die „Latebra“ im Vogelei das Gleiche bedeuten. Damit stimmt auch, was vor längerem CALBERLA am Ei von Petromyzon gesehen hat?). Der Eikern erscheint dort von „körnchen- freiem, leicht flüssigem‘“ Protoplasma umgeben; von da geht ein eben- solches Protoplasma, wie einen Canal füllend, bis zum Eikern. Nach den Abbildungen zu schliessen, besonders jener, welche junge Eier vorstellen, darf man dafür halten, däss es wieder die Höhlung um das Keimbläschen ist, welche den nach aussen ziehenden Gang entsendet. Und so gelangen wir auch hier zu der Auffassung zurück, dass der Dotterstiel in seiner Anlage mit dem obigen System von Dotter- gängen zusammenzureihen ist. Es sei an diesem Orte auch der von vAN BAMBEKE*) im unbe- fruchteten Ei der Batrachier beschriebenen „figure claviforme‘ gedacht. Ihre centrale Anschwellung entspreche dem Punkte, wo das Keim- bläschen gelegen habe, und der Streifen zur Peripherie bedeute den Weg, auf welchem Theile des Keimbläschens an die Oberfläche ge- langt seien. Die eigentliche Structur der inneren Dottermasse anbelangend, so 1) Pauz Sarasın und Fritz Sarasin, Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon in den Jahren 1884—1886, Band II, Heft 1, 1887. 2) CALBERLA, Befruchtungsvorgang beim Ei von Petromyzon, in: Zeit- schrift f. wiss. Zool., Bd. 30, 1877. 3) Cu. van Bampexe, Recherches sur l’embryologie des Batraciens, in: Bull. Acad. Belgique, 1876. Zoolog. Jahrb. III, Abth. f, Morph, 26 394 FRANZ LEYDIG, besteht sie bei Lacerta nach F. SARASIN aus einem Plasmanetz und ausserordentlich feinen Granula; im Hinblick auf Triton konnte ich auch nur von einem äusserst zarten Spongioplasma und winzigen Körnchen sprechen. Es handelt sich, darf man sagen, um einen Zu- stand des Dotters, welcher in seinem Verhalten der ursprünglichen Zellsubstanz näher stehen bleibt. Ob die grösseren „Bläschen“ und Kugeln, wie sie beispielsweise bei Ichthyophis auch im Dotterstil und in der Latebra ausser den feinen Granula vorkommen, Fortbildungen der letzteren oder neue Hinzukommnisse sind, wird auch hier schwer zu sagen sein. Die seit geraumer Zeit eingeführten Unterscheidungen zwischen Bildungsdotter und Nahrungsdotter (REICHERT), Haupt- und Neben- dotter (His), Protoplasma und Deutoplasma (VAN BENEDEN) wurzeln alle in der Wahrnehmung, dass in dem wachsenden Ei zu der von Haus aus vorhandenen spongiös-granulären Substanz noch Mengen grosser Dotterkugeln getreten sind. Hierbei ist neben dem gegen- seitigen Lagerungsverhältniss immer auch das noch zu beachten, dass eine scharfe Grenze zwischen der Innen- und Aussenmasse des Dotters nicht besteht, da die spongiös-granuläre Substanz sich durch den Dotter nach seiner ganzen Ausdehnung verbreitet, mithin der feine und der grobe Dotter in einander übergehen. Kern- und zellenartige Binnenkörper. Die Ansicht, dass ausser den Körnern und Kugeln im Dotter des Eies, noch vor Eintritt der Furchung, kern- und zellenartige Bildungen vorhanden seien, ist seit mehr als 50 Jahren ausgesprochen worden, gleich schon dazumal, als der Bau des Eies nur erst in den Grund- linien erkannt worden war. So behauptete bereits im Jahre 1836 R. WAGNER, dass die Keim- flecke nach Zerstörung des Keimbläschens in die Bildung der Keim- haut eingehen. — REICHERT sah im Jahre 1841 ausser den Dotter- kugeln noch andere Körper im Ei des Frosches, die er für Kerne und Zellen hält, was er jedoch später wieder zurücknahm. — Prevost und Lesert wollten ebenfalls grosse gekernte Zellen im Eierstocksei ge- funden haben, welche zerfielen, worauf die freigewordenen Kerne neue Elemente entstehen lassen sollten. — ÜRAMER gedenkt „eigenthümlicher Zellen“ im Dotter des Froscheies und nimmt an, dass sie aus dem Keimbläschen kommen. — Ecker erblickt zur Zeit der Reife des Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 395 Froscheies im Keimbläschen blasse, zellenartige Kôrperchen, welche nach dem Verschwinden des Keimbläschens durch den ganzen Dotter zerstreut werden. Es bleibt nun freilich grosse Unsicherheit darüber bestehen, ob alle die vorgenannten Beobachter wirklich jene Elemente unterschieden hatten, welche wir jetzt bei dieser Frage ins Auge fassen; ja man möchte, in Anbetracht des Charakters von manchen der bildlichen Darstellungen über das Ei, dies mehr als einmal bezweifeln und an- nehmen, dass gewöhnliche Dotterkugeln im Spiele waren. Auch haben schon damals sich Stimmen erhoben, welche das Vorhandensein ,,zel- liger“ Bildungen im Dotter entschieden in Abrede brachten: es seien nur Dotterkörperchen zugegen. BrrGMAnn z. B. sprach sich in dieser Weise aus. Von Neuem hat sich die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt ge- richtet, als Hıs nach zahlreichen Forschungen am Fischei mit Bestimmt- heit erklärte, dass im Dotter Kernbildungen vorhanden seien. Es wurde diese Angabe zwar von Andern bestritten, aber trotzdem kamen immer wieder Wahrnehmungen ans Licht, die auf das Dasein von Kernen im Dotter hinwiesen. So trifft HOFFMANN „zahlreiche, freie Kerne“ im Nahrungsdotter an, deren ,,directen Ursprung“ er nicht darthun könne: er denkt sich dieselben als Theilungsproducte des ersten Furchungskerns. Auch jüngst hat sich OwsJANNIKOW ganz bestimmt dahin geäussert, dass im noch unreifen Fischei mit Kernen versehene Dotterkugeln zugegen seien. Eine besondere Anregung zum Verfolgen dieser Frage erwuchs aus den Untersuchungen einiger Forscher französischer Zunge, welche im Ei wirbelloser Thiere, bei Ascidien und Myriopoden, eigenartige Corps intra-vitellins“ auffanden. For, RouLE und BALBIANt liessen bei der Entstehung dieser Körper das Keimbläschen sich betheiligen: die Gebilde drängen sich aus dem Keimbläschen heraus in die Lichtung um dasselbe und von da in die Dottersubstanz. Nach SABATIER haben die Körper im Dotter selbst den Ursprung. Aus den Nachforschungen, welche ich an Eiern verschiedener Thiere über den schwierigen Gegenstand angestellt habe, hat sich er- geben, dass zweifellos kernartige Körper im Dotter des noch unreifen Eies vorhanden sind, ja selbst Elemente von zellen- oder amöben- artigem Charakter, ein Wechsel, der wohl in dem gerade vorliegenden Stadium der Sonderung den Grund haben mag. Indem ich meine Beobachtungen überblicke und zu ordnen suche, komme ich zu der Ansicht, dass die intravitellinen Körper ihrem Her- 26* 396 FRANZ LEYDIG, kommen nach von zweierlei Art sein könnten und auch von doppeltem Ursprung. Die einen besitzen ein Aussehen, welches von dem der Keim- flecke nicht zu unterscheiden ist, und ich glaube auf Grund meiner Wahrnehmungen Ursache zu haben, sie mit solchen wirklich zusammen- zustellen. Man begegnet Veränderungen im Keimbläschen, die auf ein Austreten der Keimflecke deutbar sind; ferner stossen wir im Hohl- raum um das Keimbläschen auf Körper, welche abermals mit Keim- flecken übereinstimmen; weiterhin schliessen in ihrer Natur die Körper- chen, welche die Mantelschicht des Keimbläschens bilden und nur mit einem Stielchen gegen dessen Membran sich ziehen können, den Keim- flecken sich an. Ja im lebenden Ei einer Spinne konnte das Vorrücken der Ballen in den Dotter unmittelbar beobachtet werden. Es ist daher nach Allem doch wohl der Schluss kaum abzuweisen, dass die im Dotter zerstreut auftauchenden Körper von gleichem Wesen aus dem Keim- bläschen hervorgegangen sein werden. Es sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass BALFOUR in einer wichtigen Arbeit über Bau und Ent- wicklung des Eierstockes der Wirbelthiere im Dotter junger Eier „peculiar bodies“ zeichnet, die ähnlich seien den Körpern im Keim- bläschen ?). Bezüglich der zweiten Art der im Dotter zerstreuten Gebilde möchte ich aber annehmen, dass sie im Dotter selber entstanden sind und jenen Elementen entsprechen, welche ich an anderen Orten zu einer besonderen Gruppe morphologischer Bildungen zusammengefasst und Nebenkerne benannt habe. Es sind jene intravitellinen Körper, um welche das Spongioplasma des Dotters eine Lichtung abgrenzt, durch welche hindurch feine verbindende Randstrahlen gehen. Alles, was ich bis jetzt über den Ursprung dieser Körper zu ermitteln ver- mochte, deutet darauf hin, dass sie durch Wachsen und Umbildung der Knotenpunkte des Spongioplasmas entstanden sind. Dabei zeigt sich auch als Zwischenstufe ein Hervortreten kleiner dunkelrandiger Granula im Bezirk des Knotenpunktes, welche Beschaffenheit später wieder in das anscheinend mehr Homogene sich umsetzt. Bei dieser Gelegenheit darf ich wohl an die Nebenkerne erinnern, welche ich am jungen Ei von Ascaris megalocephala beschrieben habe. Auch hier hat der einzelne Nebenkern eine Lichtung um sich wie der Hauptkern oder das Keimbläschen, und genau so dringen auch Rand- 1) Barrour, On the structure and development of the vertebrate ovary, in: Quart. Journ. Mier. Sc. Vol. 18, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 397 strahlen hindurch zum Spongioplasma des Dotters. Schon damals konnte ich die Vermuthung nicht unterdrücken, dass Manches, was über intravitelline Körper bekannt geworden war, in gleichem Sinne zu deuten sein möchte !). Hier ist auch ferner zu gedenken, dass SCHÂFER im jungen Hühnerei Verdichtungen des Netzwerkes im Dotter gesehen und ,,pseu- donuclei“ genannt hat. F. Sarasin erklärt, dass er „ähnliche knoten- förmige Ansammlungen feiner, stark sich färbender Substanz“ im Ei der Eidechse gefunden habe, ohne sicher darüber sich aussprechen zu können, ob nicht ,,Kunstproducte vorgelegen“. Ferner habe ich die Vermuthung, dass die von HENKING ?) im Ei des Phalangium be- schriebenen „Dotterzellen“ mit den Nebenkernen zusammenzustellen seien. Und sollte nicht das Gleiche angenommen werden können be- züglich der im Dotter sich findenden zelligen Elemente, welche Hrarn- COTE ?) aus den Eiern von Julus zeichnet ? Bezüglich der Frage, was aus den intravitellinen Körpern werden möge, ist vielleicht die Annahme von vorne herein zulässig, dass die aus dem Keimbläschen stammenden Elemente ein anderes Ziel ver- folgen, als jene, welche im Dotter entstanden sind. Hinsichtlich der aus dem Keimbläschen stammenden Körper darf sich der Gedanke einstellen, dass sie im Ei der Arthropoden zu den Kernen des Blastoderms werden. Für diese Annahme spricht das- jenige, was ich oben namentlich vom Ei der Arachniden mitzutheilen hatte, und ich fühle mich hierin auch bestärkt durch die Mittheilungen, welche vor Kurzem HEIıDErR *) über die Anlage der Keimblätter eines Insects gegeben hat. Man darf vermuthen, dass die ,,améboiden Binnenkörper“ im Bildungsdotter, welche in den späteren Stadien zu den Kernen des Blastoderms werden, eben diese Gebilde sein mögen, deren Herkunft aus dem Keimbläschen ich darzuthun versucht habe. Auch will mich bedünken, dass Beobachtungen BLOCHMANN’S sich mit dem, was ich gesehen, vereinigen lassen >). 1) Leypie, Zelle und Gewebe, p. 31, p. 33. 2) Henke, Entwicklung der Phalangiden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 45. 3) HeATacorTE, The early development of Julus, in: Quart. Journ. Micr. Soc. 1886. 4) K. Heer, Ueber die Anlage der Keimblätter von Hydrophilus piceus, in: Abhandlungen Kgl. preuss. Acad. Wiss., 1886. 5) A. Brocumann, Ueber die Richtungskörper bei Insecteneiern, in: Morphol. Jahrb. Bd. 12. 398 FRANZ LEYDIG, Und die Wirbelthiere betreffend, so muss sich gegenüber der That- sache, dass im Dotter vor Eintritt der Furchung kernartige Elemente zugegen sind, der Verdacht regen, dass bisher in dem so oftmals ver- foleten Furchungsprocess doch Etwas übersehen wurde, wesshalb für den Augenblick die im Ei frühzeitig vorhandenen Kerne und die spä- teren durch Furchung entstandenen, unvermittelt neben einander stehen. Oder sollte nicht die „epitheliale“ Umhüllungshaut ein Erzeugniss der ersteren sein ? In unsere Frage herein spielt auch die Behauptung einiger Beob- achter, dass in Eiern gewisser Thiere die Kerne der Zellen, welche die Membrana granulosa bilden, von den intravitellinen Körpern her- kommen, was unten noch zur Sprache gebracht werden soll. Mit einer Vermuthung über die Bedeutung der zweiten Art intra- vitelliner Körper will ich einstweilen noch zurückhalten. Seitdem ich die Gewissheit habe, dass zu den Bestandtheilen des Dotters kernartige Körper gehören können, darf man auf manche frühere Angaben, welche ich und Andere über das thierische Ei gemacht haben, mit der Frage blicken, ob sie nicht Bezug zu dem hier Erörterten haben mögen. Zu meiner Abbildung des Wintereies von Notommata myrmeleo z. B. hebe ich hervor, dass „klare Bläschen‘ in die hellere Rinden- schicht des Dotters eingebettet seien !). — CLAPAREDE zeichnet und beschreibt merkwürdige Verhältnisse am Ei von Spio bombyx, nämlich einen Kranz heller Bläschen im Dotter, die an der Dotterhaut nach aussen münden, welch letzterer Umstand allerdings noch auf etwas Anderes zu gehen scheint ?). Und endlich wird man sich nicht wundern dürfen, wenn ich das „Binnenepithel“ der Eier, welches CLARK bei Schildkröten, Ermer *) bei Eidechsen und Schlangen beschrieben haben, hier anziehe, trotzdem dass dessen Dasein so lebhaft bestritten worden ist. Und ebenso das 1) Leypié, Bau und systematische Stellung der Räderthiere, in: Zeit- schrift f. wiss. Zool. 1854, Taf. IV, Fig. 39. 2) CraparkpE, Les Annélides chétopodes du Golfe de Naples, 1870, Taf. XII, Fig. 2,087 E,H. 3) Enver, a. a. O, — Crarr’s Schriften kenne ich nicht aus eigenem Gebrauch, Bes Beiträge zur Kenntniss des thierischen Kies im unbefruchteten Zustande. 399 „Binnenepithel“, welches Kress!) im Ei der Fische und Batrachier noch unter der Dotterhaut liegen sah, möchte ich mit den intravitel- linen Körpern in Verbindung bringen. Lupwıs wendet dagegen freilich ein, dass dieses „Epithel“ wenig- stens bei der Ringelnatter 18 Tage nach dem Gelegtsein der Eier ge- sehen wurde und also wohl Embryonalbildung sein könnte. Auch Brawn spricht aus, dass er auf zahllosen Querschnitten von Reptilien- eiern nichts gefunden habe, was ein solches Binnenepithel zu recht- fertigen scheine, und daher eine Täuschung annehme. Man wird es indessen nach dem, was ich mitzutheilen hatte, begreiflich finden, wenn ich die Ueberzeugung ausspreche, dass CLARK, EIMER und KLEBS das Ei schärfer ins Auge gefasst haben, als die Gegner es thaten. Mög- licherweise hat auch die Bezeichnung ‚Epithel‘, welche für die früheren Stadien etwas zu viel sagen würde, den Widerspruch mit veranlasst. Ich kann es mir nicht versagen, noch einiger Beobachtungen An- derer, die näheren oder entfernteren Bezug zu den in Rede stehenden Dingen haben, hier zu gedenken. Nach SELENKA treten im Ei eines Seeigels ?), nachdem die Rich- tungskörper sich abgeschnürt haben, einige helle Körper im Dotter auf, welche bald unter einander verschmelzen und den „Eikern“ bilden. Woher die hellen Körper kommen, weiss unser Beobachter nicht zu sagen. Meine Vermuthung würde wieder auf die Binnenkörper des Dotters sich richten und auf ausgewanderte Keimflecke gehen; doch ist, wie SELENKA ausdrücklich meldet, nur ein einziger dagewesen, der sich „resorbirte“. Nach O. Herrwie löst sich der Keimfleck nicht, sondern bleibt bestehen, wandert aus dem Keimbläschen aus und wird zum Eikern, welche Angaben eher meiner Auffassung entgegen kommen würden. Halte ich zusammen, was bisher über die ,,Richtungskürper und die Binnenkörper des Dotters als Thatsächliches hingestellt werden konnte, so möchte ich die beiden Gebilde keineswegs in eine Reihe bringen. Anfänglich zwar hegte ich die Meinung, dass beide Arten von Körperchen zusammengehören möchten, und das Hervortreten der 1) Kress, in: Archiv f. pathol. Anat. (Mir leider auch nur aus zweiter Han; bekannt.) 2) SELEnkA, Befruchtung und Theilung des Eies von Toxopneustes variegatus, 1877. 400 FRANZ LEYDIG, Richtungskörperchen sei nur der letzte Act eines Vorganges, durch welchen das Keimbläschen umgewandelt wird und eingeht. Die Richtungskörperchen entstehen nach den Angaben von diesem und jenem Beobachter so, dass sie von der Substanz des Keim- bläschens sich abschnüren. Meine über das Herkommen der Richtungs- körperchen bei Paludina vor langer Zeit gemachten Mittheilungen mögen zwar unvollständig sein, aber sie weisen doch darauf hin, dass nicht die Substanz des Keimbläschens allein den Stoff zur Bildung der Richtungskörperchen liefert, sondern dass auch die Dottersubstanz sich hieran betheiligt. Ich hebe dort nämlich ausdrücklich hervor, dass die besagten Körperchen sich vom Dotter ablösen und ausser den sonstigen gleichen physikalischen Eigenschaften der Grundsubstanz des Dotters mit letzterer auch die violette Färbung gemein hätten !). Danach zu urtheilen wäre ein Richtungskörperchen nicht bloss ein Theilproduct des Keimbläschens, sondern besässe auch einen Theil Dottersubstanz, wäre also selbst wieder eine kleine Zelle. Und so wird wohl O. HERTWwIG im Rechte sein, wenn er das Richtungskörperchen durch Zellknospung entstanden sein lässt: es liege Zelltheilung vor mit dem Unterschied, dass die eine Zelle verschwindend klein ist im Verhältniss zur andern. Auch EBERTH beobachtete, dass das Richtungskörperchen nicht bloss aus einem ausgestossenen Theilstücke des Keimbläschens besteht, sondern zugleich aus etwas umhüllendem Eiprotoplasma ; es ist also eine kleine aus Kern und Protoplasma zusammengesetzte Zelle. Glaubt man die Richtungskörper und die Binnenkörper — die extravitellinen und die intravitellinen Elemente — in eine Reihe bringen zu können, da wenigstens ein Theil der letzteren ebenfalls aus dem Keimbläschen den Ursprung nimmt, so will sich doch einer solchen Auffassung gar Manches nicht fügen. Es ist z. B. in keinem der von mir beobachteten Fälle ein solcher Binnenkörper durch Abschnürung von der ‚Substanz des Keimbläschens entstanden, sondern die Er- scheinungen durften zur Annahme führen, dass es die Keimflecke waren, welche aus dem Keimbläschen in den Dotter eindrangen. Auch fällt, was ebenfalls sehr bemerkenswerth bleibt, das Auftreten der intravitellinen Körper schon in eine sehr frühe Zeit des Eilebens, 1) LeypiG, Paludina vivipara, in: Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. II (1849), p. 128. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 401 während die extravitellinen Gebilde erst zur Zeit der Reife des Eies zum Vorschein kommen. Sonach mögen wohl beide von Anfang an Bildungen verschiedener Art sein, Sogenannter Dotterkern. Im Ei zahlreicher Thiere, sowohl der niederen wie der höheren Gruppen, wird unter der herkömmlichen Bezeichnung „Dotterkern“ eine Bildung beschrieben, die ebenfalls noch recht räthselhafter Natur ist. Zunächt will es mir, indem ich die fremden und eigenen Wahr- nehmungen durchgehe, scheinen, als ob die Dinge, die man unter dem Namen Dotterkern zusammenzufassen pflegt, kaum von einerlei Art sind, wie z. B. ein Vergleich zwischen dem „Dotterkern“ im Ei einer Spinne und eines Batrachiers lehren kann. Hier gewährt er das Aus- sehen einer dichten Zusammenballung der Dotterkörner, während er dort einen durch Schichtung und weitere Sonderung sehr ausgesprochenen Character hat. Sodann kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass in manchen Fällen der „Dotterkern“ und die „intravitellinen Kerne“ als nahe verwandt angesehen werden müssen und sich eigentlich nur durch die Grössenverhältnisse unterscheiden. Ich verweise zum Beispiel auf dasjenige, was ich über die Myriopoden vorgelegt habe, und angesichts der Beschreibung und Abbildung, welche van BAMBEKE!) über den Dotterkern von Leuciscus und Lota gegeben hat, möchte ich die gleiche Meinung hegen. Bei genannten Fischen ist der Dotterkern ein ovaler, körniger Körper, gebettet in einen Hohlraum („zone claire“) ; und er ist auch sonst sehr ähnlich manchem der intravitellinen, von mir gezeichneten Körper. Van BAmBERE nennt das Gebilde auch kernförmigen Körper, der ähnlich sei dem „Dotterkern“, erklärt sich aber bestimmt dagegen, dass sein Dotterkern mit den „pseudonuclei“ SCHÄFER’S zusammengehöre; sie seien etwas davon Verschiedenes. Nach der Stellung, welche ich zu der Frage einnehme, sind auch die „pseudonuclei“ für gleichbedeutend mit den intravitellinen Körpern zu halten. REIN beobachtete im Eierstocksei des Kaninchens mehrmals einen „kernähnlichen, feinkörnigen“ Körper, den er dem „Dotterkern“ ver- 1) Cu. van BAmBERE, Contributions à l’histoire de la constitution de l’oeuf, 1883, 402 FRANZ LEYDIG, gleicht '). Auch diesen „Dotterkern“ möchte ich einem intravitellinen Kern gleichsetzen und zu dieser Deutung würde auch die weitere Wahrnehmung stimmen, dass derselbe den späteren ,,Kikern“ vorstellt, dieser also schon da sei, ehe das Keimbläschen geschwunden ist. Was das Herkommen des ,,Dotterkerns“ betrifft, so hat die Unter- suchung des Eies der Myriopoden Erscheinungen kennen gelehrt, welche zur Annahme führen, dass das Gebilde aus Inhaltstheilen des Keim- bläschens hervorgegangen ist. Wäre nun zweifellos, dass die Körner- gruppen im Ei der Myriopoden und der Dotterkern im Ei der Spinnen wirklich eins und dasselbe sind, so könnte der Ursprung auch des Dotterkerns der Spinnen, in noch bestimmterer Weise als es oben ver- sucht wurde, in das Keimbläschen verlegt werden. Aber es gelingt einstweilen nicht, eine solche Auffassung auf andere Thierabtheilungen auszudehnen; bezüglich des Dotterkerns der Batrachier z. B. wurde nichts gesehen, was einem derartigen Ursprung das Wort zu reden vermöchte ?). Jedenfalls soll nicht unterlassen werden nochmals zu bemerken, dass ich auf gar kein Vorkommniss gestossen bin, welches geeignet gewesen wäre, die Annahme von BALBIANI zu unterstützen, welcher zufolge der Dotterkern der Spinnen eine von aussen eingedrungene Bildung sei, herrührend von einer der Zellen im Stiel des Eies. Wie der Ursprung, so ist auch die Bedeutung des Dotterkerns recht zweifelhaft. Am meisten hat immer noch die Ansicht für sich, dass ein Theil der Dotterkörner von dorther entstehen möge; ja es ist auch wohl schon der Dotterkern für den Mittelpunkt in der Bildung des Dotters erklärt worden. Vorausgesetzt, dass die von F. SARASIN im Ei der Eidechse erkannte und eingehend beschriebene Partie zum „Dotterkern‘“ gestellt werden darf, wäre eine neue Bekräftigung dieser Ansicht gewonnen: denn es steht nach unserm Autor das Gebilde mit der „Dotterlieferung‘‘ in Beziehung und er heisst es geradezu „Dotter- heerd“. 1) Reın, Reifungserscheinungen und Befruchtungsvorgänge am Säuge- thierei, in: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 22. 2) Verschiedene Figuren in der Abhandlung van Bamsexe’s scheinen mir auf ein Herkommen des Dotterkerns aus dem Keimbläschen ausgelegt werden zu können, so die Figuren 5, 6, 7 und 8. Insbesondere hat Fig. 6 viel Aehnliches mit meinen Abbildungen, indem der Raum um das Keim- bläschen sich in einen Weg auszieht, an dessen Ende bei Fig. 7 und 8 der Dotterkern liegt. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 403 Bewegungserscheinungen. Der lebende Dotter kann unter Umständen, abgesehen von den die Furchung durchführenden Bewegungen, schon vorher lebhafte Con- tractionen an den Tag legen. Vor langen Jahren von mir am Ei der Selachier beobachtet, kamen mir auch später, insbesondere am Ei der Daphniden solche Zusammen- ziehungen unter die Augen. Ebenso haben Remax und ECKER am Froschei die gleichen Erscheinungen vor sich gehabt und noch öfters hat dieses Lebenszeichen des Dotters Antheil erregt, insbesondere auch am Ei der Säugethiere, wie aus den Mittheilungen von PFLÜGER und LA VALETTE ST. GEORGE hervorgeht. Noch zuletzt konnte REIN am Ei des Kaninchens das Hervortreten lappiger Fortsätze auf der ganzen Oberfläche des Dotters „durch amöboide Bewegungen deutlich con- statiren“. Da es sich wohl verlohnt, auch noch von anderen Beobachtungen Kenntniss zu nehmen, sei erwähnt, dass His „merkwürdige Contrac- tionswellen“ am Dotter der Aesche und des Hechtes sah; auch die „bekannten Rotationen“ des Hechtdotters gehen nach ihm Hand in Hand mit Contractionen der gesammten Kugel. Ryper berichtet über amöboide Bewegungen des Dotters anderer Knochenfische!). Die be- gleitenden Abbildungen sind insofern bedeutsam, als sie die Bewegungen strahlig von einem Pol ausgehen lassen, so dass man einen Zusammen- hang mit der strahligen Anordnung im Bau des Dotters vermuthen möchte. Bezüglich wirbelloser Thiere sei, ausser dem schon Bemerkten, 2. B. noch die Beobachtung SELENKA’S erwähnt, welcher am Ei des Seeigels Pseudopodien hervortreten sah, wobei das ganze Dotterplasma in Be- wegung gerieth und nicht geringe Gestaltveränderungen durchmachte. — Auch an die obigen Wahrnehmungen am Ei des Phalangium mag hier noch einmal erinnert sein. Dass ich die Bewegungsfähigkeit der Dottersubstanz in erster Linie in das Hyaloplasma verlege, geht aus meinen frühern Erörte- rungen über diese Frage hervor ?). Hier gestatte ich mir auf Erfahrungen, welche SELENKA an Eiern einer Planarie des Mittelmeeres gemacht 1) Jon A. Ryver, Contribution to the embryography of osseous fishes, 1884. 2) Leypie, Zelle und Gewebe, 1885, p. 41. 404 FRANZ LEYDIG, hat, hinzuweisen, weil sie meine Ansicht zu bestätigen scheinen !). Es wird nach Beobachtung des lebenden Eies ausgesprochen, dass ra- diäre Strömungen im Dotter existiren müssen, und die nicht mit Bewegung begabten Dotterkörner müssten durch Plasmaströmungen transportirt werden. IV. Dotterhaut und Dotterschale. In der vor mehr als zwanzig Jahren erschienenen Arbeit über den Eierstock der Insecten ?) habe ich darzuthun gesucht, dass die Dotterhaut, wenn eine solche unterscheidbar ist, als erhärtende Rinde der Eizelle zu Stande kommt; das Chorion oder die Dotterschale aber habe den Ursprung nicht vom Ei selber, sondern werde rings um das Ei durch die Thätigkeit der Epithelzellen nach Art einer Cuticula auf- gelagert. Diese von mir hingestellte Unterscheidung im Herkommen von Dotterhaut und Dotterschale haben später Andre, zunächst Lupwie 5), verallgemeinert. Mag man nun auch von der Richtigkeit dieser Unterscheidung überzeugt sein, so hält es doch oftmals schwer, sie immer streng durch- zuführen, woraus sich erklärt, wie uneins die Beobachter im einzelnen gegebenen Fall sind, und der Eine von Dotterhaut spricht, wo der Andre eine Dotterschale sieht. Fin Anlass zu solch abweichender Deutung scheint mir auch darin zu liegen, dass die Dotterschale aus mehreren Schichten besteht und die innerste derselben für eine wirkliche Membrana vitellina erklärt werden kann. Ueber manche dieser Irrungen hat sich zuletzt van BAMBEKE umständlicher geäussert {). Wenn ich jetzt, durch fortgesetzte Studien mit dem Bau des Eies vertrauter geworden, die betreffenden Structurverhältnisse näher prüfe, so glaube ich meiner früheren Ausdrucksweise eine noch bestimmtere Fassung geben zu können. 1) Serenka, Eigenthümliche Art der Kernmetamorphose, in: Biol. Centralbl. 1. Jahrg. 2) In: Act. Acad. Leop.-Carol. 1866. 3) Huserr Lupwie, Eibildung im Thierreich, 1874. 4) Cx. van Bampexe, Nouvelles recherches sur l’embryologie des Ba- traciens, 1880. — Sollte z. B. nicht die von GassEr an Æ#/yles gesehene Dotterhaut (in: Sitzber. Marburger Naturf. Ges. 1882) ebenfalls nur die innerste Schicht der Eischale gewesen sein ? Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 405 Es hat sich nämlich gezeigt, dass am Ei ganz dieselben Er- scheinungen obwalten, wie ich sie vor Kurzem über die Arten und das Herkommen der Zellmembranen überhaupt dargelegt habe '). Das Bild einer Dotterhaut oder festeren Begrenzung des Eies kann entstehen dadurch, dass die Bälkchen und Knoten der Gerüstsubstanz oder des Spongioplasmas am Umfang des Dotters dichter zusammen- rücken. Da sich dies als ein nur vorübergehender Zustand abspielen kann, so begreift sich, warum gute Beobachter bald eine Dotterhaut zu sehen glauben, bald ihre Anwesenheit leugnen. Denn eigentlich ist diese Dotterhaut nur eine Pseudomembran, vorgetäuscht durch zusammenschliessende Endpunkte des Spongioplasmas. Eine echte Dottermembran kann aber, gleich einer Cuticularbildung, hergestellt werden durch eine schmale randständige Schicht des Hyalo- plasmas, welche sich verdichtet. Eine derartige Dotterhaut habe ich seiner Zeit vom Ei der Insecten angezeigt, die soeben durch KoRSCHELT ?) bestätigt wird. Dieselbe sei eine dünne, glashelle Haut, entstanden durch Erhärtung der Rindenschicht des Dotters. Beim Zustandekommen des viel dickeren Chorions oder der Dotterschale handelt es sich abermals um Abscheidung einer cuti- cularen Substanz nach aussen, mit Porenbildung, zum Theil auch mit Entwicklung von Zellfortsätzen in die Membran hinein *). Trichter- förmige Erweiterungen an dem einen oder auch den beiden Enden des Porencanals sind seit langem durch Jon. MULLER und REICHERT vom Chorion der Fische bekannt geworden; bei einer andern riesigen Form dieser Porencanäle, in der Eischale von Locusta, habe ich das Gleiche abgebildet +). Es verdient aber hervorgehoben zu werden, dass selbst an den feinen Canälen der Zone pellucida des Eies der Säugethiere diese Erweiterungen sichtbar sind. Hierbei mag auf eine ältere An- 1) Leypie, Zelle und Gewebe, 1885, p. 12. 2) Euszn KoxscHeıLt, Bildung der Eihüllen, der Mikropylen und Chorionanhänge bei den Insecten, in: Nov. Act. Acad. Leop.-Carol. 1887. 3) Ein Berichterstatter über diese Dinge meint, dass erst im Jahre 1877 von einem Andern gezeigt worden sei, auf welche Weise ‚in structur- losen Membranen Canäle entstehen können“, während ich Jahrzehnte vor- her hierüber Aufschlüsse gegeben habe, welche die spätere Zeit be- stätigt hat. 4) Lexpie, Histologie, p. 548, Fig. 279, 406 FRANZ LEYDIG, gabe von REICHERT erinnert werden, wonach flache Grübchen auf der Oberfläche der Zone vorhanden seien, welche Zellen des Discus pro- ligerus aufnehmen. Man darf wohl dafür halten, dass diese Grüb- chen zu den trichterförmigen Erweiterungen der Porencanäle Bezug haben. Wenn das Chorion, was häufig der Fall ist, aus mehreren Schichten sich zusammensetzt, so scheint deren Entstehung von zwei verschiedenen Seiten her zu erfolgen, und zwar so, dass die innerste Lage vom Ei- körper selbst, die äussere von der zelligen Umgebung geliefert wird. Es besteht z. B. die Zona pellucida des Eies der Säugethiere aus einer äusseren, weicheren Lage und einer inneren, derberen Schicht ; das Ei von Petromyzon zeigt nach CALBERLA?) zwei entsprechend verschiedene Schichten, wovon die äussere mit Erhebungen und Zacken besetzt ist, was an die Unebenheiten der Zona pellucida der Säuger erinnert. Am Ei mancher Knochenfische — man vergleiche ausser den älteren Mittheilungen von Jon. MÜLLER und REICHERT insbe- sondere die Darlegungen von Hıs und Brock — unterscheidet man abermals eine innere, derbere Schicht und die äussere oder Gallert- kapsel ?). Aehnliches kann bei Arthropoden wiederkehren, z. B. bei Argulus und manchen Insecten. Behalten wir die Eigenschaften dieser Schichten nach den Haupt- merkmalen im Gedächtniss, so darf man wohl die innere Schicht der Zona pellucida der Säugethiere mit der Zona radiata der Knochen- fische zusammenstellen, nicht minder aber auch mit der inneren Schicht des Chorions von Argulus und dem Chorion der obigen Myriopoden. Seit Langem habe ich den Satz aufgestellt und zu bekräftigen mich bemüht, dass das Cuticulargewebe dem Bindegewebe anzureihen sei?). Es kann mich daher keineswegs überraschen, wenn Hıs auf Grund seiner Untersuchungen am Ei des Barsches die „Gallertkapsel“ der Bindesubstanz, näher dem Zahnbein oder dem Knorpel, vergleicht. Ich kann auch darin nur eine Bestätigung der Auffassung erblicken, 1) CazserLa, Befruchtungsvorgang beim Ei von Petromyzon, in: Zeit- schrift f. wiss. Zool., Bd. 30, 1877. 2) RrıcHERT hat zuerst gezeigt (in: Archiv f. Anat. u. Phys., 1856, p. 93, Anmerkung 1), dass auch bei Rana die gallertartige Eihülle von feinen Röhrchen durchsetzt ist. Danach darf man vielleicht diese Gallert- hülle mit der Gallertkapsel der Knochenfische zusammenstellen. 3) Zuletzt in: Zelle und Gewebe, 1885, p. 65. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 407 wozu mich die vergleichend-histologischen Studien längst geführt haben, und es sei jetzt noch auf einen Punkt hingewiesen. Die zelligen Elemente der Bindesubstanz (Bindegewebe im engeren Sinne, Knochengewebe, Knorpel) können durch Ausläufer zusammen- hängen. Dass das gleiche Verhalten auch bei Epithelien vorkommt, ist zuerst von BizZOZERO, dann von mir und PETRONE aufgezeigt worden !). Es unterliegt wohl nun keinem Zweifel, dass die Fortsätze des Eikörpers in die Eischale hinein, wie sie da und dort beobachtet werden, in derselben Weise als noch bestehende Verbindungsbrücken oder auch als Restgebilde von solchen anzusehen seien. In ähnlichen Sinne sprechen FLEMMING und EBExTH von „Intercellularbrücken zwischen Ei und Follikelepithel‘‘ oder „zwischen den jungen Eiern und ihrem Mutterboden“. Uebrigens hat Ermer diesen Bau am Ei der Reptilien vor längerer Zeit schon wahrgenommen ?). Er beschreibt nicht nur feine Fortsätze der Zellen der Granulosa, welche die Dotterhaut durch- drangen, sondern meldet auch, dass dieselben mittelst zarter Ausläufer mit dem Maschennetz (meinem Spongioplasma) des Eikörpers zusammen- hingen. Auch die Beobachtungen, welche SELENKA über die Entstehung und Umbildung solcher Fortsätze gemacht hat, sind hier anzuführen *). Der Genannte sah am lebenden Ei der Echinodermen in die weiche, helle Gallerthülle des bis dahin nackten Eies körnchenfreie Pseudopodien treten, die anfangs als spärliche, plumpe oder büschelartige Fortsätze von rasch wechselnder Gestalt sich abheben, um zuletzt die Form von zahllosen, äusserst feinen, radiär stehenden, unbeweglichen Strahlen anzunehmen. EBERTH *) erkennt ebenfalls am noch nicht reifen Ei des Seeigels zahlreiche, oft sehr feine cilienartige Fortsätze des Eiprotoplasmas, welche in die gallertige Hülle des Eies hineinragen. Mit der fort- schreitenden Reifung bilden sich die Fortsätze zurück. Bei manchen Arten bleiben ein oder mehrere solcher Fortsätze bestehen, die bis 1) Leypie, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, 1883, p. 79, p. 145. 2) Tu. Ermer, Untersuchungen über die Mier der Reptilien, in: Archiv f. miskrok. Anat. Bd. 8. 3) SELENKA, Befruchtung und Theilung des Eies von Toxopneustes variegatus, 1877. 4) Esertx, Befruchtung des thierischen Eies, in: Fortschritte d. Me- diein, Nr. 14. 408 FRANZ LEYDIG, nahe an die Oberfläche der Gallerthülle oder bis an diese heran- reichen. Angesichts solcher Beobachtungen möchte ich schliesslich die Frage aufwerfen, ob nicht die anscheinend zelligen Elemente, welche SEHLEN und Hans VircHow innerhalb der Zona pellucida bei Säuge- thieren antrafen, nicht sowohl Zellen als vielmehr Protoplasmaballen waren, entstanden durch Fortsätze des Eikörpers, welche im abge- lösten Zustande durch lebendige Zusammenziehung sich zu kugeligen, zellenähnlichen Körpern geformt hatten. Vor dreissig Jahren, als ich eine auf eigenen und fremden Erfahrungen fussende übersichtliche Darstellung der Eihüllen der Thiere gab !), bin ich bereits zu manchen Auffassungen gekommen, die sich als richtig erwiesen haben. Einiges davon hier in Erinnerung zu bringen, möge gestattet sein. Die Membran der Eizelle liess ich zur Dotterhaut werden. Bezüglich der Entstehung der im Eierstocksfollikel sich herumlegenden Hüllen oder Schalen wurde der Gesichtspunkt entwickelt, dass, obschon noch keine sicheren Aufschlüsse gewonnen seien, doch wahrscheinlich sei, es möchten dieselben durch Abscheidung ursprünglich weicher, eiweisartiger Lagen, wahr- scheinlich von Seiten der den Eifollikel auskleidenden Zellen, nach Art der geschichteten Cutieularbildungen geliefert werden. Sodann bestätigte ich zum erstenmal am Ei des Maulwurfes die Entdeckung Rermar’s über Porencanäle in der Zona pellucida. An den untersuchten Arten von Salmo, dann Barbus und Cobitis sah ich in der einfachen Eikapsel sehr feine und dicht stehende Porencanäle. An Gobius fluviatilis fand sich eine Stäbchenlage auf der Aussenfläche sehr entwickelt und deren Elemente so geordnet, dass sie mit den freien Spitzen zusammenneigten und in lauter einzelne, einer gefelderten Zeichnung entsprechende Gruppen sich sonderten. Gegenüber der Mannigfaltigkeit in der Bildung der Eihüllen der Wirbellosen gelangte ich zu keiner durchgreifenden Eintheilung, was auch jetzt noch nicht erreichbar ist. Doch verdient es vielleicht immer noch Beachtung, dass ich die Umhüllung des Eierstockseies mit einer Eiweiss- lage als ein allgemeines Vorkommniss auffasste: das Eiweiss erhärte dann bald an der inneren, bald an der äusseren Grenzfläche zu einer besonderen Membran. Von der Eihülle der Insecten, welche man bis dahin aus platt- gedrückten Zellen bestehen liess, die unter einander verwachsen seien, hob ich ausdrücklich hervor, dass die zellenähnlichen Zeichnungen keine wirklichen Zellen seien, sondern „Abdrücke der die Schalenhaut ab- scheidenden Zeilen“, womit ich dem wirklichen Verhalten jedenfalls schon näher gekommen war als die andern damaligen Untersucher. 1) Leypte, Histologie, 1857, p. 511. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 409 V. Membrana granulosa. Das Ei der Säugethiere ist es gewesen, welches die erste Ver- anlassung gab, den bezeichneten Theil der Eiumhüllung zu unter- scheiden; nach und nach wollte man eine solche Lage mehr oder weniger deutlich auch bei den übrigen Wirbelthieren vorfinden. Be- züglich der Wirbellosen musste man sich indessen länger schon ein- gestehen, dass da und dort nichts von einer Zellenlage am Eierstocksei zugegen sei, welche man der Granulosa der Säugethiere hätte an die Seite setzen können: es fehlt eine entsprechende Zellschicht z. B. bei Echinodermen, Weichthieren und Wiirmern!). Und wenn wir bei Insecten jenseits des Chorions das Ei umhüllende Zellen antreffen , so steht es keineswegs ausser allem Zweifel, ob diese Zellen dem völlig gleichwerthig sind, was wir bei den Säugethieren mit dem Namen Granu- losa belegen. Ueber das Herkommen der Granulosa machte ich bereits vor Jahren Studien am Eierstock der neugeborenen Ratte, Mus decumanus, und beschrieb die Art der Entstehung in der Weise, wie es später auch von andern Beobachtern geschehen ist. Man sehe geschlossene Blasen, angefüllt mit Zellen, und zwar seien die Zellen in den Jüngsten Blasen alle von gleicher Grösse, in weiter vorgeschrittenen mache sich eine Zelle bemerklich, die grösser sei als die übrigen und wie der Vergleich mit andern Follikeln lehre, zum Keimbläschen werde, indem sich um sie herum Dottersubstanz absetzt, die zuletzt durch eine festere Eiweissschicht (Zona pellucida) sich zum selbständigen Ei umgestalte, während die andern Zellen des Follikels zur Membrana granulosa werden ?). 1) Gar manche der vorhandenen Darstellungen des Eies wirbelloser Thiere sollte wohl von neuem geprüft werden. (CLaPARÈDE z. B. zeichnet ein Stück des Eierstockes von Owenia in der Art, dass um das reife Ei Kerne ziehen, aber jenseits derselben auch noch eine Membran herumgeht. (Annelides du Golfe de Naples, Taf. 26, Fig. 5, D.) 2) Lexvie, Kleinere Mittheilungen zur thierischen Geweblehre, in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1854, p. 344. — Ich möchte mir erlauben, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die von Schrön im Jahre 1862 be- schriebene Zone von Ureiern, wovon „bis dahin in der Literatur nichts bemerkt“ sein sollte, in der eben angezogenen Arbeit im Eierstock neu- geborener Ratten von mir bereits gesehen worden war. Indem ich näm- lich dort erwähne, dass der Schnitt des Eierstockes ‚ein Bild biete, welches in gewisser Beziehung der Thyreoidea sehr ähnlich“ sei, so ist für den Zoolog. Jahrb. III. Abth. f. Morph, 27 410 FRANZ LEYDIG, Bei Untersuchung der einheimischen Eidechsen kam ich zu dem Ergebniss, dass eine Gruppe ursprünglich gleicher Zellen von Binde- substanz umzogen werde, wodurch der Eifollikel und sein Inhalt entstehe. Eine der mittleren Zellen werde zum Ei — also nicht blos zum Keimbläschen —, indem sie stärker wächst und ihre Substanz in Dotter umwandelt, während die übrigen Zellen die Membrana granu- losa erzeugen !). Wohl in derselben Weise fasst auch Braun das von ihm bei Reptilien Gesehene zusammen, wenn er sagt, die Eizelle und die Follikelzellen seien sich ursprünglich gleichwerthig ?). Und doch meine ich jetzt behaupten zu können, dass die eigenen Beobachtungen sowohl, als auch diejenigen von manchen andern Morphologen *) einen Fehler in sich bergen, auf den ich erst jetzt auf- merksam wurde beim Zurückgreifen auf die allerjüngsten Follikel von Fischen, Amphibien und Säugern. Es ist mir nämlich nach und nach klar geworden, dass die jüngsten Follikel nur aus den die Follikelwand bildenden Zellen und dem Urei bestehen, und keineswegs um diese Zeit schon die Elemente der Membrana granulosa zugegen sind. Man muss also auf die Seite von His und PFLUGER treten, welche das „Follikelepithel‘“ für die ersten Stadien der Eier von Fischen und Batrachiern in Abrede gestellt haben. Es mag auch ins Gedächtniss zurückgerufen werden, dass vor Jahren schon Topp *) junge Eierstockseier des Vogels ohne Membrana granulosa zeichnet, während er sie den weiter vorgeschrittenen zutheilt. Aus Allem folgt, dass unmöglich die Zellen der Granulosa zugleich mit dem Ei von der Bindesubstanz abgekapselt werden konnten; sie Kundigen gesagt, dass die Ureier so dicht zusammengedrängt sind, wie es bei den geschlossenen Blasen der Glandula thyreoidea der Fall ist. Ich finde auch jetzt noch, dass dieser Vergleich der gehäuften jungen Eierstocksfollikel mit den Gruppen der Bilge der Schilddrüse keineswegs unzutreffend ist. 1) Leynie, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872, p. 132. 2) Braun, a. a. O. 3) Auch C. K. Horrmann ist vielleicht hierher zu zählen, welcher bei einer Anzahl von Seefischen während der ganzen Entwicklung der Eier dieselben von einer Granulosa umkleidet sein lässt. (Zur Ontogenie der Knochenfische, in: Zool. Anz. 1880.) 4) Topp, Cyclopaedia of anatomy and physiology, 1852, Fig. 53 bei A und bei G, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 411 müssen vielmehr nothwendig den Ursprung von anderswoher neh- men 1). Beobachtung und Ueberlegung lassen nun an verschiedene Wege denken, auf denen bei Wirbelthieren die Granulosa entstanden sein kônnte. Man hat angenommen: 1) die zelligen Elemente stammen vom Ei selber und zwar aus dem Keimbläschen. Diese Ansicht vertritt Nusspaum ?), welcher „maulbeerförmige Kerne“ der Ureier beschreibt, die nach aussen zum Rand des Dotters gelangen und dort zu den Zellen der Granulosa werden. Sonach würde auch für die Amphibien gelten, was von BALBIANI, FOL, ROULE im Hinblick auf die Ascidien behauptet wird. Ich glaube aus dem von mir Gesehenen folgern zu können, dass dem nicht so ist. Gleichwohl ist zugegeben, dass der eigenthümlich enge Anschluss der Zellen der Granulosa an die Aussenfläche der Dotter- rinde, wie er uns bei den Batrachiern entgegen tritt, für eine solche Entstehung zu sprechen scheint. Bei den Säugethieren ist dies weniger der Fall, denn hier traf ich die ersten Zellen der Granulosa frei zwischen Dotter und Follikelwand. Uebrigens mag bemerkt sein, dass auch FLEMMING „nicht für ausgeschlossen“ erklärt, es könnte die allererste Bildung des Follikelepithels vom Ei ausgehen. 2) Man reiht die Zellen der Granulosa den Leukocyten an und lässt sie aus der Umgebung der Blutgefässe in den Follikel ein- wandern. Dieser von Hıs zuerst aufgestellten Ansicht reden, auch nach meiner Erfahrung, das Wort sowohl die Natur der Zellen, welche bei Fischen in Betracht kommen, als auch die Thatsache, dass in der Eierstocksanlage der Larve von Salamandra Leukocyten wahrzunehmen sind. Auch was ich über das Ei der Myriopoden mitzutheilen hatte, spricht dafür, dass zellige Elemente hier einwandern können. 3) Es darf sich die Vermuthung regen, dass die Elemente der Granulosa in jenen Zellen, welche die Follikelwand bilden, den Wurzel- punkt haben und also von Bindesubstanzzellen abstammen. Diese Betrachtungsweise ist es, welche durch meine oben angeführten Beobachtungen, namentlich am Eifollikel der Säugethiere am meisten gestützt wird; insbesondere wird ein Licht auf die Herkunft der 1) Auf verschiedenen Figuren bei Barrour (On the structure and development of the vertebrate ovary, in: Quart. Journ. Microsc. Se. Vol. XVIII) z. B. Fig. 3, Fig. 7 ist ebenfalls gut sichtbar, wie die Kapsel der Eier von Zellen gebildet wird, während eine Membrana granulosa nicht da ist. 2) Morıız NussBaum a, a. 0. Pa bie 412 FRANZ LEYDIG, Granulosa durch die Wahrnehmung geworfen, dass ihre Zellen in der- selben Weise durch Fortsätze mit den Zellen der Bindesubstanz zu- sammenhängen, wie solches von Seite des Endothels an der Aussen- fläche des Eierstockes mit den Zellen der Albuginea geschieht. Erwägt man nun, dass Leukocyten und Bindesubstanzzellen nahe verwandte Elemente sind, so gelangt man zusammenfassend zu der Lehre, dass die Zellen der Granulosa vom Bindegewebe aus entstehen, und sonach würde auch hierin His Recht behalten. Ich wäre geneigt zur Stütze der vorgetragenen Ansicht auch das auszulegen, was REIN am lebenden Kaninchenei beobachtet, aber anders gedeutet hat!). Der Genannte, von der Annahme ausgehend, dass die Zellen der Corona radiata oder des Discus proligerus ein Epithelial- gebilde vorstellen, hebt es als etwas Seltenes und Characteristisches hervor, dass dieselben stark in die Länge gezogen sein können, dann auch wieder sternförmig oder mit mehreren Fortsätzen versehen sind. Und solche Zellen nehmen auch ein andermal leicht die cubische oder rundliche Form an. Nun meine ich, dass sowohl die Abbildungen als auch die Mittheilungen über die grosse Contractilität dieser Elemente darnach angethan seien, um in ihnen besser Bindesubstanzzellen zu erblicken. Die Wirbellosen anbelangend, so haben meine Studien an Myrio- poden und Hirudineen (Nephelis) nichts geliefert, was zu Gunsten der Ansicht gedeutet werden könnte, die Zellen der Granulosa entständen vom Eikörper her. Vielmehr weisen hier die Erscheinungen darauf hin, dass Zellen, aus dem Stiel des Follikels aufsteigend, das Ei nach und nach umgeben. Das Aussehen der Zellen, ihr Wechselndes im Auftreten und in der Zahl, alles spricht dafür, sie für Leukocyten oder Wanderzellen zu nehmen, ja, wie oben bezüglich der Myriopoden ge- meldet wurde, es scheint der Stiel des Follikels unmittelbar in das Blutgefäss überzugehen, und die Höhlung des Follikels wäre danach einem Blutraum gleichzusetzen. Recht verschieden, wie schon berührt, sind die Verhältnisse bei den Insecten, da hier sowohl die Eigenschaften der Zellen, welche man bisher der Granulosa verglichen hat, als auch ihr Herkommen von anderer Art ist als bei den Myriopoden und von Nephelis. Für die Entstehung dieses „Epithels“ passt die Darstellung, welche von 1) Reın, Reifungserscheinungen und Befruchtungsvorgänge am Säuge- thierei, in: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 22, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 413 Andern und mir seiner Zeit bezüglich der Granulosa der Säuger und Reptilien gegeben wurde, aber nach Vorstehendem sich nicht als völlig zutreffend erwiesen hat. Bei Insecten hingegen ist in der That ursprünglich Eizelle und „Follikelepithel“ von einerlei Art, beide stammen aus den Keimelementen des Endfadens, und sobald in der Endkammer einzelne Zellen zu Ureiern werden, sind sie von den übrigen ein „Epithel“ vorstellenden Zellen umgeben. — Nach BALFOUR ent- spricht das Epithel der Eiröhren der Insecten ,,unzweifelhaft der Membrana granulosa, weil es denselben Ursprung wie die Eier selbst hat. Das Letztere ist richtig, schwerlich aber das Erstere. Und so geht im Bereiche der eigenen Erfahrung meine Meinung dahin, dass wir bisher den Namen Membrana granulosa auf zwei Bil- dungen verschiedener Art in Anwendung gebracht haben. Die eine Form leitet ihre Entstehung her von Zellen, welche in den Follikel erst nachträglich vor- oder eindringen, so bei Wirbel- thieren, manchen Arthropoden und gewissen Egeln. Die andere ist eine Zellenlage, deren Theile ursprünglich gleichwerthig den Eikeimen sind, so bei den Insecten; auch bei Spinnen mögen die Zellen im Stiel des Follikels in die gleiche Linie zu bringen sein. Man darf hoffen, dass späterer Forschung es gelingen wird, die Widersprüche, wie sie im Augen- blick noch hierin vorliegen, zu lösen. Einstweilen sei nur für die Möglichkeit des späteren Ausgleiches an die Thatsache erinnert, dass Leukocyten und Bindesubstanzzellen Gebilde sind, welche stellenweise sich nicht von einander unterscheiden lassen, und dass hinwiederum Keimzellen und Bindesubstanzzellen in der Eierstocksanlage zuerst ebenfalls für uns die gleiche Natur an sich haben. VI. Kapsel- oder Follikelzellen. Beim Durchgehen der vorhandenen Beschreibungen über das thie- rische Ei wird man bald inne, dass die Kapselzellen gar nicht selten für das Epithel des Follikels oder die Membrana granulosa ge- nommen worden sind. Und diesem Irrthum begegnet man nicht bloss bei Autoren, welche nur wie nebensächlich auf diesen Punkt geblickt haben, sondern auch strenger zusehende Beobachter, wie z. B. BEL- 414 FRANZ LEYDIG, LONCI !), verfielen in diesen Fehler. Die Theile, welche der genannte italienische Forscher als ,,epitelio folliceulare‘‘ bezeichnet, sind durch- aus die Kapselzellen; keine der von ihm gegebenen Abbildungen über den Eierstock von Siredon und Triton enthält ein wirkliches ,,Fol- likelepithel“, sondern neben den Eizellen einzig und allein die Kerne der Kapselzellen. Hingegen unterschied Hıs?) am Ei der Fische genau zwischen den Zellen der Granulosa und den Kapselzellen. Diese die Follikel- wand herstellenden Gebilde seien sehr dünne, blasse und völlig durch- sichtige Platten von endothelartigem Habitus. Auch NussBAUM ?) hält bei Amphibien die beiden Elemente — Zellen der Granulosa und die Kapselzellen — bestimmt auseinander. Um sich das Verhältniss klarer zu machen, in welchem die ein- scheidenden Kapselzellen zum Eikörper stehen, empfiehlt es sich, den Bau jener Hülle, welche die grossen Nervenzellen der peripherischen Ganglien besitzen, vergleichend heranzuziehen. Solche Ganglienkugeln können von epithelartig verbreiterten Zellbezirken eingescheidet wer- den und von ihnen aus entsteht, wie aus einem Mutterboden, eine cuticu- lare Schicht in Form eines homogenen Häutchens, was beides zu- sammen alsdann die Kapsel der Ganglienkugeln vorstellt *). Und wie man bezüglich der Scheide der Ganglienkugeln längere Zeit nur die Kerne gesehen hatte und sie auch wohl in die Substanz der häutigen Umsäumung verlegte, so ging es ähnlich mit der Unter- suchung des Eies. KROHN z. B., indem er das Ei von Sipunculus mit der diesem Beobachter eigenen Genauigkeit beschreibt, spricht von einer wasserklaren äusseren Hülle, die stellenweise mit Kernen besetzt sei>), während ich einige Jahre nachher die Beziehungen dieser Fol- likelhaut zu ihrer Matrix aufzeigen konnte ®). Beachtenswerth bleibt, dass sich die zellige Matrix zurückbilden kann, wodurch dann die Eikapsel nur die Beschaffenheit einer homo- genen Haut an sich hat, wie es z. B. bei Arachniden vorkommt. Und 1) Bettonct, Sui nuclei polimorfi delle cellule sessuali degli Amfibi, 1886. 2) His, a. a. O. 3) Moritz Nusspaum, a. a. O. Taf. I, Fig. 19. 4) Vergl. Leypié, Zelle und Gewebe, p. 187, Taf. VI, Fig. 26, 27 und 28. 5) A. Kronn, in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1851. 6) Leypre, Kleinere Mittheilungen zur thierischen Geweblehre, in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1854, p. 306. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 415 auch für dieses Verhalten kann die Hülle der Ganglienkugeln Be- lehrung bieten. Betrachtet man z. B. die Abbildungen, welche Rerzius ') gegeben hat, so geht unter Anderm daraus hervor, dass die endothelen Zellen oder „Kerne“ der Kapsel der Ganglienkugeln bald in grösserer Menge zugegen sind, bald nur in geringer Zahl und ein andermal auch ganz fehlen können, was wieder mit dem in der Follikelhaut der Arachniden Vorkommenden übereinstimmt. Eine andere Richtung der Entwicklung offenbart sich bei Wirbel- thieren. Hier kann die Kapsel durch Vermehrung der Matrixzellen und des von ihnen gelieferten homogenen Lagers an Dicke zunehmen und vascularisirt werden, und ich möchte auch bei dieser Gelegenheit nicht unbemerkt lassen, dass die von mir wiederholt gegebene Dar- legung über die Entstehung des fibrillären Bindegewebes, wonach Lagen von Matrixzellen und davon abgeschiedene Cuticularschichten das Erste sind, auch in der Bildung der Follikelhaut des Eies ihre Bestätigung erhält. Man vermag in der histologischen Zusammensetzung des ein- fachen, dünnen Säckchens, das nur eine das Ei umhüllende Zellenlage mit Cuticula zeigt, alle Zwischenstufen zu verfolgen bis zum dicken, anscheinend fasrigen, mit Zellen durchsetzten Bindegewebe. Die morphologische Bedeutung der Höhlung des Follikels ist wohl im allgemeinen Sinne als die eines Lymphraumes zu fassen, was gar manche der gegenwärtig und früher von mir ermittelten Thatsachen an- kündigen. Endlich möchte ich auch noch nebenbei im Hinblick auf Homo- logien zwischen Ei follikel und Samenfollikel es als eine Folgerung meiner Untersuchungen aussprechen, dass im Samenfollikel eine den Elementen der Membrana granulosa zu vergleichende Partie wohl nicht angenommen werden kann, während betreffs der übrigen Theile die Verwandtschaftslinien gar wohl sich ziehen lassen. VII. Eizelle und Gewebszellen. Dass das thierische Ei in seiner ersten Anlage gleichwerthig einer einzigen Zelle sei, wird Niemand beanstanden können, und auch ich habe mich immer zu dieser Auffassung bekannt, nachdem die Zweifel, 1) G. Rerzıus, Untersuchungen über die Nervenzellen, in: Archiv f. Anat. u. Phys. 1880. 416 FRANZ LEYDIG, welche durch das sonderbare Ei von Piscicola in mir hervorgerufen waren, sich beseitigen liessen. Im weiteren Lauf der Entwicklung treten im noch unreifen Ei Körper auf, welchen sicher die Natur von wahren Kernen und hül- lenlosen Zellen zukommt, und dann stellt die Eizelle eine Art Brut- stätte junger Zellen dar. Man wird aber nicht behaupten wollen, dass das Ei dadurch die Einheit als Zelle verliere, so wenig als dies mit einem einzelnen Protozoon geschieht, welches Brut im Innern entwickelt hat. Für bedeutsam in der Frage nach der Stellung der Eizelle zu den Gewebszellen halte ich die von mir aufgezeigte Thatsache, dass es Zellenformen giebt, welche ausser dem Hauptkern noch Nebenkerne besitzen. Dadurch bleibt auch nach dieser Seite hin die Eizelle mit den Gewebszellen verbunden. Und so bekräftigen eben alle die Erfahrungen, welche ich in letzter Zeit gewonnen habe, die Auffassung, dass die Eizelle nicht bloss in den Grundlinien der Bildung, sondern bis in die feineren Züge, wenn man so sagen darf, bis ins innere Gezimmer hinein, mit den andern Gewebszellen übereinstimmt. Ich will hier diese Behauptung nicht weiter ausführen, sondern erlaube mir, auf meine „Untersuchungen zur Histologie der Thiere“ zu verweisen, sowie auf dasjenige, was hierüber die Schrift „Zelle und Gewebe“ enthält. Nur einige Punkte mögen berührt werden. 1. Das Schwammwesen des Dotters ist bis ins Einzelnste der Anordnung dem Spongioplasma, wie ich es aus Gewebszellen ver- schiedener Art beschrieben habe, vergleichbar: bald von ebenmässig maschigem oder netzigem Gefüge, ordnet es sich ein andermal zu strahlig gerichteten Bälkchen, wodurch der Eikörper radiär erscheint; selbst die Zona radiata des Eies kommt in manchen Gewebszellen und am Leib einzelliger Protozoen zum Ausdruck. FLEMMING hat zwar die Meinung geäussert, dass das Netz- und Schwammwesen des Eikörpers etwas Verschiedenes sei von den „Struc- turen“ der Substanz anderer Zellen; denn in letzteren seien es nicht eigentlich „Netzwerke“, sondern „Fadenwerke‘“, bestehend aus Fäden ziemlich gleicher Dicke und von sehr ungleichmässiger, verschlungener Disposition, denen vergleichbar, wie er sie in Knorpelzellen und Spinalganglienzellen beschrieben habe. Da ich nun gerade auch die letztgenannten Zellen bezüglich des Baues ihrer Substanz selber un- tersucht habe, so darf ich mit gutem Grund auf meiner bisherigen Auffassung beharren, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 417 2. Die Höhlung um das Keimbläschen, begrenzt von dem Spongioplasma des Dotters, verhält sich wie der von mir näher erör- terte „freie Raum um den Kern“ der Gewebszellen. Das fadignetzige Flechtwerk indessen, welches bei anderen Zellen von der Umrandung der Höhle in den Raum sich erstrecken kann, scheint in der Eizelle, vielleicht durch die starke Entwicklung des die Höhlung meist ganz erfüllenden Kernes, nicht ausgebildet zu sein, was übrigens auch bei andern Zellen sich wiederholen kann. Hingegen verdient eine weitere Uebereinstimmung alle Beachtung: von gedachtem Hohlraum weg können sich Ausbuchtungen oder Hohl- gänge in den Dotter erstrecken, und ein gleiches Verhalten war be- züglich mancher Gewebszellen, z. B. des Fettkörpers von Tri- chodes, der Speicheldrüsen von Bombus, zu erwähnen. Da es Autoren giebt, welche kurz einwerfen, dass der von mir beschriebene Hohlraum der Gewebszellen ein „Kunstproduct‘“ sei, so mag auch an dieser Stelle bemerkt werden, dass meine Angaben auf der Untersuchung von Zellen fussen, welche dem lebenden Thier ent- nommen und mit Mundspeichel befeuchtet worden waren. Zu den Beispielen, welche ich aus meinen eigenen Beobachtungen und denen von P. Mayer und C. HEIDER anführte, liessen sich noch weitere aus den Schriften von STEIN aufzählen, welcher auf seinen den Bau der Infusorien veranschaulichenden Tafeln oftmals eine deutliche Lichtung um den Kern und kernartige Bildungen gezeichnet hat, und zwar abermals bei lebendem Zustande des Thieres. Es besteht für mich nicht der leiseste Zweifel, dass der Raum die Bedeutung einer natürlichen Bildung, sowohl in der Eizelle wie in andern Gewebszellen und nicht minder im Leibe der einzelligen Thiere hat. 3. Die verschiedenen neuen Erfahrungen, welche ich in den letz- teren Jahren über Kern und Kernkörperchen zu sammeln in der Lage war, lassen sich alle auch in der Eizelle wiederholen. Es kann z. B. der Kern in einer lebenden Gewebszelle sich wie ein lichter, vom Spongioplasma abgesteckter Binnenraum ausnehmen, der mit heller Substanz erfüllt ist. Ganz das Gleiche kann am Eikern oder Keimbläschen zum Vor- schein kommen. Der unmittelbare Bezug, in welchem die Nucleoli zum Schwamm- gerüste des Kerns stehen, als Theile des Kernnetzes, begegnet uns ebenso im Keimbläschen, Die merkwürdigen Umbildungen der Kern- 418 FRANZ LEYDIG, fäden, z. B. in querstreifige Stränge — bald einzeln liegend oder zu Knäueln zusammengeschoben — lassen sich auch im Keimbläschen antreffen. Die Erscheinung, dass der Kernkörper ausgehöhlt ist und sein Innenraum sich gegen das Kerninnere Öffnet, wurde auch am Keim- fleck wahrgenommen. Man will — es geschieht z. B. von WEISMAnN und NUSSBAUM — einen tiefen Gegensatz zwischen den Keimzellen und Körperzellen angenommen sehen, eine Trennung, die ich, insoweit meine Studien über Bau und Leben der Zellen reichen, für unstatthaft erklären muss. Die ursprüngliche Gleichheit der zelligen Elemente, aus denen der Körper sich aufbaut, und die spätere, bei aller sonstigen Umgestaltung gleichbleibende Gliederung des Baues sprechen nachdrücklich gegen die Aufstellung einer scharfen Grenze zwischen Keimzellen und Kör- perzellen. Und selbst wenn man ganz im Einzelnen die morphologischen Verhältnisse zwischen Keimzellen und Körperzellen prüfend durchgeht, gelingt es nicht, wirkliche tiefgreifende Unterschiede zwischen beiden Zellenarten aufzudecken, — solange sich das Grössenmaass bei beiden nahesteht. Erst wenn der Umfang der Körperzellen sehr sinkt, kann es scheinen, als ob ihnen gegenüber die Keimzellen ein mehr oder we- niger eigenartiges Wesen besässen. Es fordert aber hierbei doch die Ueberlegung, dass, indem das Gesonderte für unsere Wahrnehmung jetzt in der Kleinheit der Dinge untergeht, die Formen des feineren Baues und alle Gliederung des inneren Gefüges gar wohl fortbestehen können, obschon sie für unser Auge ununterscheidbar geworden sind. Und nicht minder sprechen die offen zu Tage liegenden physiolo- gischen Erscheinungen in der Vermehrung durch Sprossenbildung, in den Vorgängen bei der Wiedererzeugung zu Verlust gegangener Theile entschieden gegen die Annahme eines wirklichen Gegensatzes zwischen Keimzellen und Körperzellen. Wir werden auch nach dieser Seite hin belehrt, dass jeder Zelle das Vermögen innewohnt, in gewissem Sinne zu einer Keimzelle zu werden. Noch seien einige Worte der Bedeutung des Kerns gewidmet. Die erste Structur des Plasma kündigt sich an, wie ich solches wahrscheinlich zu machen suchte, durch die Sonderung in ein festeres Gerüstwerk und in weichere Zwischenmaterie. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 419 Der nächste Grad der Weiterbildung im Plasmaklumpen besteht in dem Auftreten des Kerns. Aus meinen Erfahrungen über das Her- kommen desselben zog ich den Schluss, dass das festere Gerüstwerk des Zellkérpers — das Spongioplasma — einen Raum abgrenzt, der sich mit weicher Zwischenmaterie — Hyaloplasma — füllt. In diese hinein wuchert von einer Stelle her das Netzwerk des Plasma und er- zeugt das Kerngerüst. Letzteres, in abgeschnürtem Zustande und da- bei weicheren Zwischenstoff umschliessend, bildet den Kern. Und so erscheint der Nucleus als ein umgewandeltes Stück des Zellleibes und seine Entstehung ist auf eine Art von Knospenbildung, welche in das Innere des Zellkörpers statt hat, zurückzuführen. Der Kern kann bleibend eine mit homogener, dem Flüssigen sich nähernder Substanz erfüllte Höhlung im Protoplasma vorstellen, wie man solches z. B. an den verästigten Kernformen in den Sericterien der Raupen sieht. Der Histologe legt sich wohl fortwährend die Frage vor, welche Bedeutung doch für das Leben der Zelle der Kern haben möge; allein es will nicht gelingen, sich hierüber mit Sicherheit aufzuklären. Ueberblickt man die Einzelheiten, welche ich über das feinere Gefüge des Kerns und dessen Beziehungen zum Zellkörper aufzeigen konnte, so möchte man dafür halten, dass von dem Kern, wie von einem beherrschenden Mittelpunkte aus, die Thätigkeit der Zelle beeinflusst werden könne. Es sei zum Belege erinnert an die strahlige Anordnung der Theile gegen den Kern; an den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Spongioplasma des Kerns und jenem des Zellleibes; an die Erscheinung, dass nicht bloss durch die Poren der Membran eine Wechselwirkung zwischen dem Hyaloplasma des Zell- leibes und der gleichen Substanz des Kerns statthaben kann, sondern auch in den verästigten Kernen der Sericterien grössere Einmündungen der Kernhöhle in die Zwischenräume des Zellleibes sichtbar sind. Andrerseits liegen Thatsachen vor, welche es unannehmbar machen, dem Kern die angedeutete Rolle zuzuschreiben. Wenn wir z. B. sehen, dass es Plasmaballen giebt, welche des Kerns entbehren und doch ihr Leben führen, so lässt sich nicht wohl behaupten, dass ausschliesslich im Kern der Sitz ist, von dem aus die Thätigkeiten geregelt werden. Ein andrer Weg, die Bedeutung des Kerns zu finden, scheint sich uns zu eröffnen bei der Erwägung, dass in den Lebensvorgängen der Thier- und Pflanzenwelt die Fortpflanzung diejenige Leistung ist, welcher sich alles Uebrige unterordnet. Von diesem Gesichtspunkt aus darf man vermuthen, dass das Auftreten des Kerns mit der Fähig- 420 FRANZ LEYDIG, keit der Zelle, sich zu vermehren, im Zusammenhang steht. Das Keim- bläschen oder der Eikern verhält sich, wie oben gezeigt werden konnte, wie eine Stätte, in welcher amöboide Körper sich ausbilden, um dann in den Zellleib zu wandern. Es könnte sich auch der Gedanke regen, dass im Zellleib der Boden für das weibliche Element gegeben sei, während im Kern der Ausgangspunkt für die männlichen Gebilde zu erblicken wäre. Und danach liesse sich sagen, der zuerst kernlos gewesene Plasmaballen gestaltet sich durch das Erscheinen des Kernes zu einer hermaphroditischen Zelle um. Indem ich dergleichen Vermuthungen zu äussern mir gestatte, so gehen sie aus der Ueberzeugung hervor, dass im Kreis mikroskopischer Formen nichts wesentlich Neues zu Tage tritt, was nicht auch die makroskopische Welt uns vor Augen führt. Denn ich wüsste nicht, dass irgend etwas aufgezeigt werden könnte, was die Richtigkeit des Satzes: „Jedes Existirende ist ein Analogon alles Existirenden“ zu erschüttern vermöchte. Zu den Tagesfragen gehören die Erscheinungen der Vererbung, und obschon ich nicht beabsichtige, hierauf einzugehen, möchte ich doch nicht unterlassen, zu bemerken, dass gar manches von dem, was ich über Bau und Leben der Ei- und Gewebszelle vorzulegen hatte, schlecht passt zu Sätzen, wie man sie jetzt nach dieser Richtung hin aussprechen hört. Da soll z. B. nur im Kern die „specifisch zu vererbende Structur* enthalten sein, und die Umwandlungen des Kerngerüstes zielten dahin ab, eine geordnete und gleichmässige Vermischung der Kernqualitäten zu Stande zu bringen. (Born, KÖLLIKER, O. HERTWIG.) Gegen eine solche Annahme, nur in den Kern die zu vererbende Substanz zu verlegen, redet Vieles. Nicht nur habe ich schon früher, sondern jetzt abermals aus meinen Untersuchungen folgern müssen, dass Kern und Zellkörper keineswegs in einem derartig scharf gegen einander abgeschlossenen Verhältniss stehen, wie man voraussetzen will. Das Beobachtete führt vielmehr zur Auffassung, dass der Zellkern aus dem Zellkörper her- vorgeht und daher die Substanz des Kerns, einem guten Theil nach, bleibend in den Eigenschaften mit der Materie des Zellkörpers über- einstimmt und nur ein Theil des Kerns andere Bahnen der Umbildung einschlägt. Insbesondere ist am Hyaloplasma des Kerns mit unsern Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 491 Mitteln kein Unterschied zu entdecken gegenüber dem Hyaloplasma des Zellkörpers, während allerdings das Kerngerüst bedeutende Um- eestaltungen durchmacht. Und wollte man nun, wie dies von meh- reren Seiten geschieht, in der Substanz des Kerngerüstes den Träger der Vererbungserscheinungen erblicken, so darf entgegengehalten werden, dass auch das kleinste Korn desselben die Sonderung eines Bläschens aufzeigt, wie ich ja auch ferner an feinsten Kerntheilen da und dort noch eine Zusammensetzung aus Gerüstwerk und Zwischensubstanz zu unterscheiden vermag. Weiterhin können wir nicht ausser Rechnung lassen, dass aus dem Eikern schon sehr frühe Theile des Kerngerüstes oder Keimflecke in den Zellkörper oder Dotter überwandern. Nicht minder bleibt es von Gewicht, dass das Spongioplasma der Zellsubstanz, durch den Raum um den Kern hindurch, mit dem Spongioplasma des Kerns bei ver- schiedenen Zellen zweifellos in Verbindung steht. Auch lässt sich nicht widersprechen, dass ein Zusammenhang des Hyaloplasmas des Zellkörpers mit der gleichen Substanz des Kerns durch die Wege der ebenfalls nachweisbaren Poren besteht. Da ich nun, nach wie vor, in der Substanz, welche dem Flüssigen näher steht als dem Festen, das primär Lebendige oder Activere erblicke, so kann ich mich der Ansicht, dass der Zellkern allein die Substanz enthalte, welcher als Träger der Vererbung zu gelten habe, nicht anschliessen. Alles vielmehr, was bis jetzt thatsächlich ermit- telt werden konnte, dient zur Begründung der Vorstellung, dass in der Substanz des Zellkörpers, zugleich mit jener im Zellkern, die formgebende Thätigkeit ruht. Dass aber die letztere eine für uns unfassliche ist, geht wieder deutlich aus den Hin- und Widerreden hervor, wie sie im Augenblicke über die Vererbung geführt werden. Wer mag sich doch der Täuschung hingeben, als ob durch dergleichen Erörterungen eine wirklich tiefere Einsicht gewonnen worden wäre! Der Unterschied in der Behandlung dieser Fragen von sonst und jetzt beruht einzig darauf, dassman früher die Beobachtung und das Nachdenken auf das Grosse und Ganze der or- ganischen Natur gerichtet hat, während die heutigen Bemühungen sich gegen das Einzelne und Feinere wenden. Aber in beiden Fällen ent- zieht sich ja der letzte Grund, die causa movens des Sichgestaltens und Sichvererbens, unsrer Forschung. Wenn neuestens behauptet wird, alle Variabilität entstehe schon in Keim und nicht erst durch functio- nelle Anpassung (WEISMANN), so wird mit einer solchen Ansicht der Weg betreten, auf dem viele Beobachter und Denker längst gewandelt 422 FRANZ LEYDIG, sind, welche ein „geistiges Etwas“, eine „geheime Vorzeichnung“, eine ,ldee“ oder wie man sonst es nennen will, im Hintergrunde aller sinnlichen Erscheinungen zu erblicken glauben. Und steht es etwa anders mit unserer Erkenntniss der sogenannten „grossen Agentien der Natur“, z. B. der Electricität? Welche Ver- vollkommnung der theoretischen Auffassung sowohl wie der practischen Anwendung hat hierin nicht in unsern Tagen stattgefunden, aber trotz alledem bedarf die Physik doch noch ‚irgend eine fremde Kraft, durch welche die Bewegung der Electricität hervorgerufen und unterhalten wird‘ (CLAUSIUS). Man mag im Bereiche des pflanzlichen und thierischen Lebens blicken, wohin man will, nirgends kommen wir ohne diese „fremde Kraft“ aus. Und wie der Physiker zugestehen muss, dass erst durch eine solche die grossen Agentien der Natur in Wirksamkeit treten können, so befindet sich der Morphologe noch viel mehr in der Lage, eine Kraft annehmen zu müssen, welche die Theile in Ordnung bringend und beherrschend auch in der Vererbung den Anstoss giebt und thätig bleibt. Fig. Fig. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 493 18: coe) x 12: tao. dk bid, Erklärung der Abbildungen. Tafel XI. Randstück des Eierstockes von Prscicola : äussere Hülle mit den grossen Kernen; eigentliche Haut des Eierstockes mit Matrixlage; Eikeime und Entwicklungsstadien des Eies. Vom Keimstrang des Æulostomum : Eikeime und Ureier; einschei- dende Matrixzellen; am unteren Theil das von letzteren gebildete Fächerwerk für sich. Stück des Keimstranges von Nephelis: Eier und Matrixzellen. Aus dem Keimstrang von Nephelis : das Fachwerk der Matrixzellen für sich. Stück Keimstrang von Nephelis: Gruppirung der Eikeime in Quer- zügen, dadurch Entstehung von Querlücken. Ei von Nephelis: Porosität der Membran des Keimbläschens; Mantelschicht des Keimbläschens; Gruppirung der Körnchen im Dotter. Ei von Nephelis: neben dem Keimbläschen Haufen von Klümpchen von gleicher Art, wie die Keimflecke sind; eine ebensolche Masse peripherisch im Dotter; Dotterkörnchen. Ei von Nephelis: Lichtung um das Keimbläschen ; Haufen von Klümpchen, vom Keimbläschen weg in den Dotter sich ziehend. . 9 u. 10. Keimbläschen von Nephelis mit einfacher oder doppelter Ausbuchtung der Höhlung um das Keimbläschen. Keimbläschen von Nephelis: Vermehrung der Keimflecke durch Sprossung und Abschnürung. Ei von Nephelis: im Dotter ausser den Gruppen von Körnchen noch drei intravitelline Körper; im Raum des Follikels eingewanderte Blutzellen. Vom Eierstock des 4rgulus: Hülle mit Muskeln; Keimstock mit Eiern in verschiedener Entwicklung. Ei von Argulus (Chrom-Essigsäure, Glycerin). Keimflecke quer- streifig; intravitelline Körper von der gleichen Beschaffenheit wie die Keimflecke; Mantelschicht des Keimbläschens. 15a, 16, 17. Keimbläschen von Eiern des Argulus für sich. Fig. 15 aus dem lebenden Thier: neben den Keimflecken die quer- 424 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 18. 19, 22. 23. . 24. 120: . 26. 27. . 28, 7330. “Bol. . 32. . od. . 34. 35. 36. FRANZ LEYDIG, streifigen Fäden. Fig. 15a von gleicher Art, stärker vergrössert und nach Behandlung mit Chrom-Essigsäure; Mantelschicht des Keimbläschens tritt deutlich hervor. Fig. 16 aus dem lebenden Thier: strahlige Keimfleckbildung. Fig. 17 aus dem lebenden Thier: um die einzelnen Keimflecke eine Lichtung. Randstück vom reifen Ei des Argulus: die zwei Schichten der Eischale. 20, 21. Junge Eier von Zycosa: die Art des Auftretens des Staubfleckes im vorher ganz hellen Dotter deutet vielleicht auf ein Herkommen des Dotterkerns aus dem Keimbläschen. Ei von Tetragnatha ohne Follikelhaut, frisch: die zweierlei Keimflecke; Höhlung um das Keimbläschen ; Dotterkörnchen; Dotterkugeln mit halbmondförmig entwickeltem Saum ; intravitelline Körper. Einige der Dotterkugeln aus demselben Ei und stärker vergrössert: die erst halb, dann ganzschalige fettige Begrenzung der inneren Eiweisssubstanz. Tafel XII. Ei von Theridium: im Keimbläschen zweierlei Keimflecke; in der Höhlung um das Keimbläschen und in einer canalartigen Lichtung von ihr weg Anhäufung von Körperchen, welche mit Keimflecken übereinstimmen. Andres Ei von Theridium, an welchem im lebenden Zustande desselben das Vordringen der Keimflecke in den Dotter hinein zur Beobachtung kam. Dotterkern eines Eies von T'heridium, frisch und für sich. Dotterkern im reifen Ei von Lycosa, frisch. 29. Dotterkern in jüngeren Eiern von Lycosa. Dotterkern von Lycosa nach Reagentien: die geschichtete Partie zerbröckelt in kleine Stücke. Ei von Lycosa: Keimbläschen mit den zweierlei Keimflecken ; Dotterkern, umgeben von einer Lichtung. Andres Ei von Zycosa: Keimbläschen und Dotterkern liegen dicht neben einander. Reifes Ei von Lycosa: am Stiel die zweite zarte Hülle sichtbar; im Dotter ein Theil des gröberen Maschennetzes dargestellt; Dotterkern in der Randzone dunkelkörnig geworden; nahe dem einen Pol die intravitellinen oder Binnenkörper. Stück der Peripherie des Dotters von einem andern Ei von Lycosa: ausser den grossen Dotterkugeln ein Theil der intra- vitellinen Körper, welche annähernd ein Epithel vorstellen. Zwei der intravitellinen. oder Binnenkörper für sich und stärker vergrössert: es sind strahlige, hüllenlose Zellen. Keimbläschen eines Eies von Lycosa im lebenden Zustande mit einem wie geknäuelten Keimfleck. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 495 . 37. Keimbläschen und Keimfleck im sich rückbildenden Ei von The- ridium. 38. Jüngeres Ei von Mygale: im Dotter ausser den scharfrandigen, dunklen Körnchen mehrere der blassen Binnenkörper. . 39. Stiel und Rand des reiferen Eies von Mygale: Hüllen; Dotter- körner und ihre Gruppirung; intravitelline Kerne, . 39a. Eine zweite Art von Körpern aus dem Dotter von Mygale. . 40. Mygale: Anordnung der Zellen im oberen Theil des Eistieles. Fig. 41. Phalangium: zarte, abstehende Hülle, Muskeln und Zellen des Eistieles; am Ei die Hüllen, epithelartig gestellte intravitelline Körper. . 42. Phalangium: Kranz der Epithelzellen am oberen Ende des Ei- stieles. Tafel XII. . 43. Eikörper von Phalangium: grosser Keimfleck mit grösseren und kleineren Vacuolen; Höhlung um das Keimbläschen und davon ausgehende Strassen in den Dotter; letztere von strahliger Zeich- nung; Fortsatzbildung des Dotters. . 44. Eikörper, lebender, von Phalangium: das gebuchtete Keim- bläschen. . 45. Jüngeres Ei von Phalangium: im Keimbläschen der Keimfleck unsiehtbar geworden ; in der Höhlung um das Keimbläschen drei Binnenkörper. . 46. Jüngeres Ei von Phalangium : Mantelschicht des Keimbläschens; davon abgelöste Theile im Raum um das Keimbläschen; im Dotter querstreifige Körper, welche durch Umbildung von Stücken der Mantelschicht entstanden sein mögen. . 47. Jüngeres Ei von Phalangium, welches, mit Reagentien behandelt, die Umwandlung der Theilstücke der Mantelschicht des Keim- bläschens in die ovalen, querstreifigen Körper des Dotters noch mehr veranschaulicht. . 48. Junges Ei von Phalangium: fadige Keimfleckbildung; Quer- streifung der Körper im Dotter entsteht durch Vacuolen. . 49. Phalangium : frühestes Stadium der Eibildung. . 50. Vom Eierstock des Geophilus electricus: Eikeime, Ureier, Matrix- oder Kapselzelle; im Stiel des etwas grösseren Eies eingewanderte Blutzellen. . 51. Ei von Geophilus, frisch: im Dotter eine Masse dunkelkörniger Substanz, deren Wurzeln gegen das Keimbläschen ziehen und von dorther wohl gekommen sind. . 52. Ein Stück eines gleichen Eies nach Reagentien. g. 52a. Ebenfalls aus dem Ei von Geophilus: in einer Lichtung des Dotters die körnige Masse im Kreise zusammengedreht, mit Wurzel- fäden gegen das (nicht gezeichnete) Keimbläschen. . 53. Ei von Geophilus longicornis (?): im Dotter Binnenkörper, zum Theil in einem Hohlgang, der von der Höhlung um das Keim- Zool, Jahrb. III, Abth, f, Morph, 28 426 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. oa. 08, „86. CIE 05. . 59. 1100! 61, sows 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. FRANZ LEYDIG, bläschen wegzieht; heller „Dotterkern“; zwischen Eihaut und Follikelhaut eingedrungene Blutzellen, Elemente einer Membrana granulosa vorstellend. Ei von Geophilus: der Raum um das Keimbläschen zieht sich in einen Hohlgang aus, in dem körnige Substanz liegt. Zwei sehr junge Eier von Geophilus, in denen die den Hohlgang erfüllende Substanz vacuolär geworden ist. Rand eines reifen Eies von Geophilus: zwischen der Eihülle und der Follikelhaut Blutzellen, welche eine Membrana granulosa vorstellen. Keimbläschen von Geophilus, frisch; aus dem Keimfleck treten Körnchenreihen in den Dotter über. Keimbläschen von Geophilus nach Härtungs- und Färbemitteln: die Keimfleckbildungen sind Ballen und Streifen verschiedener Gestalt, von denen ein Theil zur Entstehung der Mantelschicht des Keimbläschens Bezug hat. Ei von Geophilus nach Reagentien: aus dem Dotter hebt sich ein gewundener Streifen von Kôrnchen und Krümeln ab, der vom Keimbläschen kommt. Zwei Keimbläschen aus dem lebenden Ei von Geophilus, das eine einfach, das andere mehrfach gebuchtet. Ei von Geophilus: Keimfleck mit deutlicher Oeffnung; in der Höhlung um das Keimbläschen und dem davon abgehenden Hohl- gang eine Masse von Körnchen und Krümeln; Spongioplasma des Dotters in concentrischer und strahliger Anordnung. Keimfleck von Geophilus: die dunkle Rinde von Spältchen durchsetzt. Ei von Lithobius, frisch: im Keimbläschen die zweierlei Keim- flecke; im Raum um das Keimbläschen und im Dotter selber Körper, welche aus dem Keimbläschen stammen werden. Andres Ei von Lithobius, frisch : die Entstehung der intravitellinen Körper vom Keimbläschen her ist deutlicher; im Dotter ein grössres Bläschen mit eigenthümlich fadigem Inhalt. Keimbläschen und Keimfleck von Zithobius, frisch aus dem le- benden Ei. Keimbläschen und Keimfleck von Lithobius: die Elemente des Keimflecks zu Säulchen gruppirt. Tafel XIV. Ei von Lithobius: Keimflecke von zackig-strahligem Rande; im Raum um das Keimbläschen und im Dotter sind Binnenkörper anwesend. Ei von Lithobius: Keimfleck von amöbenartigem Aussehen ; zwei helle und ein dunkler intravitelliner Körper. Ei von Lithobius: die zwei intravitellinen Körper abermals von verschiedener Art, Fig. Fig. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Kies im unbefruchteten Zustande. 497 . 70. Der grössere der intravitellinen Körper der vorigen Figur nach Behandlung mit Chrom-Essigsäure, Glycerin. . 71. Ei von Zithobius: ausser dem Keimbläschen ein dotterkern- artiger Ballen zugegen, umgeben von lichtem Saum. . 7la. Zusammensetzung der Follikelwand des vorigen Eies bei stär- kerer Vergrösserung im optischen Schnitt: Matrixlage (Kern und Plasma) nach einwärts, aussen die Cuticularschicht. . 72. Keimbläschen von Lithobius: der grosse Keimfleck lässt durch Sprossung kleinere entstehen. . 73. Ei von Lithobius: Keimfieck mit vier Sprossen; intravitelline Körper. . 74. Zum Bau des Dotters, mässige Vergrösserung: in hellen Räumen des Spongioplasmas dunkle, zackige Bildungen. . 75. Theil des gleichen Präparates bei gesteigerter Vergrösserung. . 76. Stenobothrus, Endkammer und Endfaden des Eierstockes: Ent- stehung der Eier. 77, Stenobothrus, zwei Kikammern: schnurförmige Keimfleckbildungen ; im Hohlraum um das eine Keimbläschen ausgetretene Keimflecke; im Dotter des einen Eies etwas vom Spongioplasma und der an- scheinende ,,Dotterkern“. g. 78. Stenobothrus, Keimbläschen : Keimfleckbildungen von gröberer Knäuelform. . 79. Stenobothrus, einige der Theilstiicke der fadigen Keimflecke für sich: gleichen kleinen Amöben. . 80. Stenobothrus, Rand eines Keimbläschens: Durchtritt von Keim- flecken. . 81. Stenobothrus, Kerne des Endfadens nach Reagentien, jetzt mit Netzfäden. (Im frischen Zustande, Fig. 76, homogen.) 82. Stenobothrus, Zelle des „Eiröhrenepithels“. Kerne mit Knäuel- fäden, ein Stück daneben für sich bei starker Vergrösserung. . 83. Stenobothrus, Dotterschollen. Tafel XV.” . 84. Ei von Gasterosteus: Keimflecke, einen grösseren Ballen bildend ; Hohlraum um das Keimbläschen, von ihm ausgehend ein System von Hohlgängen; intravitelline Körper; ästige Anordnung der Dotterkörnchen. 85. Gasterosteus, Keimbläschen für sich: Keimflecke nicht geballt. . 86. Gasterosteus, Keimbläschen mit der Mantelschicht. . 87. Junges Ei von Gaslerosteus: Mantelschicht des Keimbläschens; heller Dotter, dunkler Dotter, intravitelline Körper. . 88. Gasterosteus, Spongioplasma des Dotters; Dotterkugeln. Fig. 89. Gasterosteus, Schichten des Eifollikels; Zellen der Membrana granulosa; Eischale mit den eigenthümlichen Anhängen. . 90. Gasterosteus, eine der Zellen der Membrana granulosa für sich. 91, Ei von Triton, Rand des Keimbläschens und Umgebung, frisch: die grösseren Keimflecke mit kernähnlichem, hellem Innenfleck ; 28 * 428 FRANZ LEYDIG, Membran des Keimbläschens sehr dünn und stellenweise wie durch- brochen von Keimflecken; Lichtung um das Keimbläschen ; im Dotter ausser den dunklen Körnchen noch zwei blasse intravitelline Körper. . 9la. Triton, Rand eines Keimbläschens, frisch: zwei Keimflecke dringen mit heller Substanz anscheinend durch die Membran. . 92. Triton, Rand des Keimbläschens eines jungen Eies, stark ver- grossert: Membran dick, porös; zwei Keimflecke, strahlig, mit hellen Innenflecken; Lichtung um den einzelnen Keimfleck ; feines Schwammwesen dazwischen. . 93. Triton, sehr junges Ei: in der Mitte des Keimbläschens ver- ästigte, fein quergestrichelte Innenzüge; am Rande kleine Keim- flecke; Spongioplasma des Dotters fein strahlig. . 94. Ei von Triton, optischer Schnitt, nach Reagentien: im Keim- bläschen gehen die feinen Körperchen der Mitte allmählich über in die Keimflecke des Randes; die Substanz ın dem Hohlraum um das Keimbläschen ist radiär feinstreifig geworden; im Dotter Andeutungen der strahligen Hohlgänge, Haufen von Dotterkörnchen, blasse, zum Theil eckig-strahlige Binnenkörper. 95. Jüngeres Ei von Triton: Hohlraum um das Keimbläschen und die davon abgehenden strahligen Lichtungen; die Follikelzellen geben das Bild eines Epithels. . 96. Jüngeres Ei von Triton: die Hohlgänge im Dotter; Follikelwand mit Blutgefäss und doppelter Zellenlage. . 97. Reiferes Ei von Triton: heller Dotter, dunkler Dotter, beide durchsetzt von Hohlgängen, zusammenhängend mit dem Raum um das Keimbläschen. . 97a. Aus dem vorigen Ei: Art der Verzweigung der Hohlgänge im Dotter. . 97b. Ende der Hohlgänge auf der Oberfläche des Dotters. . 98. Dotterkugeln von Triton in verschiedenen Formen ihrer Um- bildung. Tafel XVL 1 . 99. Junges Ei von Triton, Chrom-Essigsäure: Membran des Keim- bläschens weit abgehoben; Dotter mit fein radiärer Streifung. ie. 100. Larve von Salamandru, Eierstocksanlage: Matrixzellen ; Ureier; intravitelline Körper in dem grössern Ei; Leucocyten zwischen den Matrixzellen, . 101. Junges Ei von Aana, frisch: Keimflecke je in einer Lichtung, dazwischen feinstes Reticulum; intravitelline «Körper neben den Gruppen von Dotterkörnchen. . 102. Junges Ei von Rana nach Härtungs- und Färbemitteln: die grösseren Keimflecke von zelliger amöboider Beschaffenheit; die kleineren sind Knotenpunkte des Spongioplasmas; Zellen der Mem- brana granulosa, eingedrückt in den Dotter; Follikelzellen, Fig. Fig. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. 499 ig. 103. Junges Ei von Rana: nur winzige Keimflecke sind zugegen; am Rande des Dotters Kerne der Membrana granulosa; Follikelhaut. . 104. Ei von einer einjährigen Aana: Keimflecke geballt; in der Randschicht des Dotters zahlreiche blasse Binnenkörper neben den dunklen Dotterkörnchen. ig. 105. Keimbläschen aus einer gleichaltrigen Rana: Mantelschicht über den einen Pol weg gehend. . 106. Aus dem Eierstock des ganz jungen Bufo, frisch: Matrixzellen ; Eikeime; Eier; in dem grösseren öffnen sich die Lichtungen um die Keimflecke in den das Keimbläschen umgebenden Raum. 107. Aus dem Dotter von Rana: Bläschen mit fadigem Innengebilde, sehr stark vergrössert. . 108, Ebendaher: Bläschen mit geschichtet bogigen Lagen. Fig. 109. Schnitt durch den Eierstock der neugeborenen Katze: Eikeime, Ureier; Matrixzellen. Daneben ein Urei, stärker vergrössert. . 110. Aus dem Eierstock der jungen Katze: zwei Eier in früherem Stadium, noch ohne Membrana granulosa, nur umgeben von den Follikelzellen, im dritten Ei sind Elemente der Membrana granulosa aufgetreten; Keimstrang, geknickt gebogen, aus Eikeimen und Matrixzellen bestehend, . 111. Ureier von Talpa: auch diese nur umgeben von Matrix- oder Follikelzellen; zur Seite dieselben abgelöst und theilweise von der Fläche gesehen. . 112. Rand des reifen Eies vom Schwein: das Spongioplasma des Dotters sendet Fortsätze in die Zona pellucida; Gruppe grösserer Dotterkugeln; der grosse Keimfleck ist zusammengesetzter Natur. . 113. Von der bindegewebigen Oberfläche des Eierstockes des Schweins: es erheben sich verästigte, feine Fortsätze, zwischen denen Kerne liegen von gleicher Art wie im Bindegewebe. ig. 114. Schnitt durch die Wand des Eifollikels vom Schwein: die innersten Zellen des „Epithels‘“ schliessen ab mit einer Art von Cuticularsaum; die Zellen der bindegewebigen Schicht stehen durch plasmatische Fortsätze in Verbindung mit der Zellsubstanz der tieferen Zellen des ,,Epithels“. / Tafel XVII. ~ 115. Vom Eierstock des Maulwurfes: Keimstränge gewunden und zusammengeballt; jüngere Eier; bindegewebige Grenze (Albuginea). . 116. Rand des Eierstockseies vom Maulwurf: Zellen des „Discus proligerus“ senden Fortsätze in die Canälchen der Zona pellucida; rauhe äussere Fläche der letzteren mit grubigen Mündungsstellen der Porengänge; innerste Schicht der Zona pellucida hebt sich wie eine besondre Haut ab; die hellen Flecke an der Oberfläche des Dotters sind die Mündungen von Hohlgängen. 117. Zwei Eierstockseier des Gartenschläfers, das jüngere ohne, das ältere mit Membrana granulosa und Binnenkörpern des Dotters; noch dünne Zona pellueida mit Poren, FRANZ LEYDIG, . 118. Reifes Ei des Gartenschläfers: um den Keimfleck eine Höhlung, von der sich Strassen in die Substanz des Keimbläschens ziehen ; Mantelschicht des Keimbläschens (der dunkle Saum an einer Stelle); Spongioplasma des Dotters; intravitelliner Körper; Innen- schicht der Zona pellucida hebt sich als besondre Haut ab. . 119. Einige Zellen der Keimschläuche im frischen Zustande, eben- daher. . 120. Abgelöste Zellen der Follikelwand mit Cuticularlinie, ebendaher. . 121. Aus dem Eierstock des Kalbes nach Reagentien: Höhlung um das Keimbläschen künstlich sehr erweitert; im Dotter ein Haufen von Ballen; Zona pellucida noch dünn; innerste Zellen des Follikel- epithels mit Cuticularsaum, äusserste netzig verbunden und mit den Kapselzellen zusammenhängend. . 122. Theil eines Schnittes durch den Eierstock vom Kalb: die Zellen der bindegewebigen Albuginea werden an der freien Fläche zu „Epithel“; junge Eier, umgeben von Kapselzellen, aber ohne Mem- brana granulosa; etwas älteres Ei mit Membrana granulosa und Binnenkörper des Dotters; Stücke der Keimstränge. . 123. Zur Versinnlichung des Verhältnisses der zelligen Elemente an der Oberfläche des Eierstockes ein kleines Stück von der vorigen Figur in willkürlich vergrössertem Maassstabe. . 124. Netzige Masse aus dem Eifollikel des Schweines, helle und geschichtete Kugeln einschliessend. . 124a. Eine andre Art von Netzbildung im Eifollikel, die vielleicht nur Gerinnungserscheinung ist. . 125. In Rückbildung begriffenes Eierstocksei vom Gartenschläfer: eigenthümliche Zerlegung des Dotters; Keimbläschen nicht sicht- bar; in der Höhlung der Zona pellucida neben dem Dotter wie abgelöste Theilstücke; innere Lage der Zona pellucida sich wie eine besondere Haut abhebend. Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande. Inhalts-Verzeichniss. Vorbemerkung Erster Abschnitt. Unter- 1g II. 1098 Vi. VAT, . Myriapoden: suchte Thierarten. Würmer. Piscicola Aulostomum . Clepsine Nephelis Krebse. Argulus Spinnen: Theridium, Tetragnatha, Mygale, Lycosa, Phalangium Geo- philus, Lithobius . Insecten Stenobothrus . Pemphigus Dytiscus Meloe Fische: Gasterosteus Amphibien Triton . Salamandra Bufo Rana Seite, 287 289 293 295 296 299 302 313 326 327 334 334 399 336 340 341 348 350 352 431 Seite. VIII. Säugethiere 357 Sus . 358 Bos . 309 Myoxus 362 Talpa . 365 Felis 367 Zweiter Abschnitt. Verglei- chende Rückblicke. I. Herkommen d. Ei- zelle: Keimlager, Son- derung in Keimzellen und Matrixzellen Ent- stehung d. Eifollikel 370 II. Keimbläschen Keimflecke 378 Spongioplasma 382 Membran . 383 Mantelschicht ee oss Höhlung um das Keim- bläschen . cS ss veo Gestaltsveränderung 386 Lage 386 III. Dotter Spongioplasma u. a loplasma . oom Hohlgänge 389 Spindelfäden . 391 Dotterkugeln. , , 391 452 Feiner und Dotter N Kern- und zellenartige Binnenkörper : Sogenannter Dotterkern Bewegungserschei- nungen grober IV. Dotterhaut und Dotterschale: Ent-. stehung, Bau, Poren- gänge und ihr Inhalt, Historisches V. Membrana granu- losa: Entstehung bei Wirbelthieren, Ent- stehung bei Wirbel- losen. 244% Seite. 392 394 401 405 404 409 Vi; NT. VENT. FRANZ LEYDIG, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies etc. Kapsel- oder Fol- likelzellen: Matrix- zellen und cuticulare Lage, Schwund und Vermehrung der zel- ligen Elemente . Eizelle und Ge- webszellen Einzelligkeit des körpers EN}, Uebereinstimmung im Bau der Eizelle und Gewebszelle Keine scharfe Trennung zwischen Keim- u. Kör- perzelle . ; Bedeutung des Kerns . Vererbungsfrage Erklärung der Ab- bildungen 5 Ei- Seite, 415 415 416 418 418 420 423 Sur le proatlas, Par Louis Dollo, 7 Ingénieur civil, Aide-Naturaliste au Musée royal d’histoire naturelle de Belgique, à Bruxelles. Dans un travail récent, exécuté au laboratoire d’anatomie com- parée de l’Université de Gand, sous la direction de M. le Professeur F. PLATEAU, et publié par l’Académie royale de Belgique !), M. J. CORNET s'occupe du »prétendu pro-atlas des Mammifères et de Hatteria punctata«. La lecture de cette note m’a sug- géré quelques réflexions. Je me propose de les faire connaître dans les lignes que vont suivre. Et d’abord, quels sont, au point de vue des faits, les résultats du préparateur à l’Université de Gand ? 1. Il n'a pas trouvé le proatlas de Hatteria; 2. Il n’a rencontré celui de Macacus qu'une fois sur deux; 3. I n’a vu celui d’Erinaceus qu'une fois sur cinq; 4. Enfin, il n’a rien observé chez un certain nombre d’autres Mammifères, 5. Notamment chez Manis ?). I. — Examinons, en premier lieu, quelle influence ces constata- tions pourraient exercer sur la théorie du proatlas. 1) J, Corner, Note sur le prétendu pro-atlas des Mammiferes et de Hatteria punctata. Bull. Acad. Roy. Belg. 1888. T. XV, p. 406. 2) Je laisse de côté le cas de Crocidura, car M. Corner ne figure pas sa préparation et je ne sais, dès lors, quelle interpretation il convient de lui donner (J. Corner, Proatlas etc. p. 417). ~ 434 LOUIS DOLLO, Evidemment aucune. En effet, le point de départ') de cette théorie est Ja considération des nerfs spinaux chez tous les Amniotes et non la présence d’ossifications post-occipitales, constantes ou acci- dentelles, chez quelques uns d’entre eux; circonstance dont M. Cornet ne semble pas s'être aperçu, puisqu'il écrit?) qu'il est »dangereux d’échafauder sur des cas essentiellement individuels des déductions théoriques quelconques<. Les ossifications post-occipitales ne viennent que comme vérification des prévisions de la théorie, déjà basée sur d’autres faits. Le naturaliste de Gand aurait donc démontré, ce qui nest pas, qu'aucune des pièces osseuses décrites sous le nom de proatlas n’a jamais existé que dans l'imagination des auteurs, qu’il n'aurait encore rien fait contre la conception BrucH*)- ALBRECHT, au moins dans la forme sous laquelle ce dernier l’a exposée. Cependant, comme après son premier et infructueux essai, M. Corner pourrait avoir à Cœur de renverser la théorie dont il s’agit, je vais lui indiquer les points à attaquer pour y arriver. Il faudrait prouver: 1. Que les nerfs spinaux sont intervertébraux et non interpro- tovertébraux ®); 2. Que le nerf sous-occipital n’est pas un nerf spinal, mais un nerf cranien 5) ; 3. Que le proatlas typique ne se développe pas comme une paire de neurapophyses 5); 4. Que l'arc ventral de l’atlas n’est pas une hypapophyse pro- atlanto-atlantique 7) ou proatlantique ®). 1) P. Arsrecar, Ueber den Proatlas, einen zwischen dem Occipitale und dem Atlas der amnioten Wirbelthiere gelegenen Wirbel, und den Nervus spinalis I s. proatlanticus. Zoologischer Anzeiger 1880, p. 450. 2) J. Cornet, Proatlas etc., p. 420. 3) C. Bruch, Vergleichende Osteologie des Rheinlachses. Mayence 1861. 4) P. ALBRECHT, Proatlas etc., p. 451. 5) P. AzBrecuT, Proatlas etc., p. 478. 6) G. Baur, The proatlas, atlas and axis of the Crocodilia. American Naturalist, 1886, p. 288. 7) P. Arsrecar, Note sur le centre du proatlas chez un Macacus arctoïdes J. Grorrr. Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. 1883, p. 290. 8) L. Dotto, Première note sur le Hainosaure, mosasaurien nouveau de la craie brune phosphatée de Mesvin-Ciply, près Mons. Bull, Mus. Roy. Hist, Nat. Belg., p. 33. Sur le proatlas. 435 Et cela fait, il restera à interpréter, non pas à l’aide de simples affirmations, mais avec des raisons morphologiques à l’appui : 1. Les post-occipitaux des Crocodiliens, formation à laquelle il est impossible d'appliquer le qualificatif échappatoire d’aceidentel ou d’individuel, car elle est absolument constante dans l’ordre en question, non-seulement chez les types actuels, mais aussi chez les fossiles 1); 2. L’arc ventral de l’atlas chez tous les Amniotes. Nous lirons avec plaisir, — et sans nul doute avec grand profit, — les travaux que M. Corner voudra bien publier sur cet intéres- sant sujet. II. — Mais, laissons, pour le moment, de côté ces considérations, que nous regardons comme fondamentales, et voyons, maintenant, quelle action l’absence de proatlas, notée par MM. Corner et G. SMETS ?), sur deux spécimens de Hatteria pourrait avoir sur la théorie qui nous occupe. 1. Prenons, pour commencer, les observations sans discussion. Il y en a quatre. Les deux premières de MM. P. ALBRECHT?) et G. Baur *), positives; les deux autres, des naturalistes belges prénom- mes, négatives. En leur accordant, pour un instant, la même valeur, nous pouvons conclure que, contrairement à l'opinion du préparateur à l'Université de Gand 5), la présence du proatlas n’est pas plus acciden- telle que son absence, chez le Reptile néo-zélandais. Et quand l'os dont il s’agit serait réellement accidentel, cela serait-il en opposition avec la théorie du proatlas? Certainement, non. Car, cette théorie prévoit un proatlas; les Anamniens l’ont toujours, bien développé 5); les Crocodiliens Vont toujours aussi, mais à l’état rudimentaire; et 1) Evprs-Destonccuames, Mémoires sur les Téléosauriens de l’époque jurassique du département du Calvados. Mém. Soc. Lin. Normandie. Caen. 1863, p. 44 et Pl. VI, Fig. 1. a. E. Koxen, Die Reptilien der nord- deutschen unteren Kreide. Zeitschrift d. deutsch. geol. Gesellsch. 1883, pp. 735 et 792. L. Doro, Première Note sur les Crocodiliens de Ber- nissart. Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. 1883, p. 319. 2) G. Smers, Notice sur Hatteria punctata (Gray). Muséon, 1887, p. 612. 3) P. ArsrecuT, Note sur la présence d’un rudiment de proatias sur un exemplaire de Hatteria punctata Gray. Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. 1883, p. 185. 4) G. Baur, Osteologische Notizen über Reptilien. Zoologischer An- zeiger, 1886, p. 733. 5) J. Cornet, Proatlas ete., p. 419. 6) P. Ausrecut, Proatlas, etc, p. 478. 436 LOUIS DOLLO, Hatteria Vaurait parfois, à l’état rudimentaire également, mais ata- vistique. Voilà tout. 2. Mais, bien mieux. Quoique les observations négatives égalent en nombre les observations positives, elles ne leur sont pas, prises isolément, équivalentes. En effet, le proatlas constaté par MM. Ar- BRECHT et BAUR existe; nul doute à cet égard; ces anatomistes ne l'ont point fabriqué et déposé à l’endroit convenable pour soutenir leur théorie; d’ailleurs, j'ai la préparation du premier entre les mains. Tandis que, les observations négatives pourraient provenir de ce que Vosselet en question a échappé aux naturalistes qui l’ont cherché en vain. Partant de cette idée, j'ai procédé à la dissection d’un Hat- teria!), et j’ai eu la bonne fortune d’y retrouver le proat- las avec la plus grande facilité. Ceci va nous conduire à plusieurs déductions importantes. D’a- bord, nous avons, à présent, cinq observations: trois positives et deux négatives; et en leur accordant encore, pour un instant, la même va- leur, nous pouvons conclure que l'absence seule du proatlas serait accidentelle chez le Reptile néo-zélandais. D’autre part, est-il vrai- semblable qu'on ait spécialement choisi des Hatteria (en chair!) avec proatlas pour MM. ALBRECHT et BAUR, ainsi que pour moi, et qu'on ait justement remis à MM. Corner et SMETS ceux qui n’en avaient pas? Assurément, non. Si les naturalistes belges que je viens de nommer n’ont pas rencontré le proatlas, c’est donc qu'il leur a échappé. Et il est d'autant plus plausible de le supposer que cet os parait exister, non-seulement chez Hatteria, mais probablement chez tous les Rhynchocéphaliens, car on l’a vu chez Champsosaurus *) et Rhyncho- saurus 3). Nous sommes loin, on s’en aperçoit, d’avoir »affaire à une production individuelle, et non à une structure constante< *). Mais, dira-t-on, comment le proatlas a-t-il pu échapper ainsi à certains auteurs? Pour M. Smers, je ne suis pas en état d'expliquer la chose, le travail du professeur de Hasselt étant, sur le point en 1) Spécimen réservé pour la préparation d’un squelette. 2) Dans ma Première Note sur le Simoedosaurien d’Erquelinnes (Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. 1884, p. 162), j'ai écrit qu'il n’y avait pas de proatlas chez Champsosaurus, car: 1. Je n’avais pas constaté sa présence sur le spécimen du Musée de Bruxelles; 2. La description de M. Lemoine rendait son existence invraisemblable. (Cependant, M. Baur a, depuis, observé le proatlas dans le genre dont il s’agit (Communication verbale). 3) G. Baur, Proatlas etc., p. 289. 4) J, Corner, Proatlas etc., p. 419. Sur le proatlas. 437 question, d’une concision extreme). Quant au cas de M. Corner, il est beaucoup plus clair. Le préparateur à l’Université de Gand n’a pas trouvé le proatlas, par ce qu’il l’a cherché où il n’est pas: »entre l’atlas et l’oceipital<« ?). En effet, la n° vertèbre n’est pas toujours entièrement placée entre la (n—1})° et la (n+1)°. Ainsi que cela saute aux yeux dans les vertèbres dorsales de divers Cétacés, elle peut, notamment, déborder latéralement, par ses postzygapophyses, sur la (n+1)°. Par conséquent, lorsqu'on veut découvrir le centre d’une n° vertèbre presque disparue, il faut regarder entre les centres des (n—1)° et (n+1)°; mais, s’il s’agit des restes des neurapophyses, ils peuvent être ailleurs. Or, c’est précisément ce qui arrive chez les Crocodiliens et les Rhynchocéphaliens, où les neurapophyses rudimen- taires sont posées, soit latéralement (pour les uns), soit dorsalement (pour les autres) à l’atlas, — et non entre l’atlas et l’occipital. Cela ressort nettement, au surplus, des figures de M. ALBRECHT?) et je m'étonne que M. Corner ne s’en soit pas aperçu. En résumé, le proatlas est sans doute constant chez Hatteria (et les Rhynchocéphaliens), comme chez les Crocodiliens, et le Reptile néo-zélandais est, contrairement à l'affirmation du naturaliste de Gand, entièrement et dans tous les cas, favorable à la théorie Brucu- ALBRECHT. III. — Passous a Macacus. M. Cornet n’a rencontré le pro- atlas de cet animal qu’une fois sur deux; il en conclut que c’est là une »ossification accidentelle« 4). Mais, en premier lieu, au point de vue de ses propres observations, l’absence est aussi accidentelle que la présence. Joignons-y le cas de M. ALBRECHT >), en remarquant que nous ignorons si cet anatomiste a visité plus d’un spécimen. Alors, nous avons: présence, 2; absence, 1. Ici, comme plus haut, ce serait, dès lors, l'absence qui serait accidentelle. Et, si nous tirions des dé- ductions à la manière du préparateur à l’Université de Gand, nous 1) G. Suers, Hatteria etc. p. 612: ,,Proatlas. Bien que notre atten- tion fût portée vers la recherche de cette intéressante vertèbre, nous n’en avons trouvé aucun vestige.‘ 2) J. Corner, Proatlas etc., p. 419. 3) P. Atprecut, Hatteria etc, p. 187, fig. 3, x, et Pl. VIII, fig. 1 ete 224i. 0. 4) J. Cornet, Proatlas etc., p. 418. 5) P. Arsrecur, Macacus etc., p. 290. 438 LOUIS DOLLO, conclurions que Macacus est, comme les Rhynchocéphaliens et les Crocodiliens, totalement favorable à la théorie du proatlas. Cependant, j’accorde, chose dont on pourrait douter après la véri- fication faite sur Hatteria, que l'observation négative de M. Cornet est bonne et même que le proatlas est accidentel. Qu'est-ce que cela prouve? Qu'il n’est pas un véritable proatlas? Non. Simplement, qu'il est atavistique. IV. — Arrivons à Erinaceus. Le naturaliste de Gand n’a con- staté la présence du proatlas qu’une fois sur cinq chez ce Mammi- fere!). Cela démontre-t-il qu'il n’est pas réellement le proatlas ? Meme réponse que dans le dernier alinéa. V. — M. Corner n’a pas trouvé le proatlas chez un grand nombre de Mammifères ?). Decoule-t-il de cela que le proatlas, la où on la signalé, n’est pas un proatlas, mais un os accidentel sans valeur morphologique? En aucune façon. Car les êtres chez lesquels il manque peuvent l'avoir perdu. Tous les animaux n’évoluent pas éga- lement vite: certains ont conservé des organes qui ont disparu chez beaucoup d’autres. Cela est élémentaire. Objectera-t-on que le pro- atlas n’existe pas chez les Monotrèmes et que ceux-ci, plus que tous les autres, devraient le posséder? Mais, en admettant l’exacti- tude des observations, il ne faut pas confondre les Protothé- riens 3) (souche des Mammifères, que nous ne connaissons pas en fait, mais dont la Morphologie nous permet de prévoir la structure) avec les Monotrèmes. (Ceux-ci sont très spécialisés comme le montrent l'absence de dents, la langue allongée, le conduit auditif externe, les circonvolutions du cerveau d’Echidna, les plaques buccales cornées d’Ornithorhynchus, etc. Ils ont donc pu perdre le proatlas, qui aura, sporadiquement, persisté ailleurs. VI. — M. Corner n’a vu aucune »trace d’ossification post-occi- pitalec chez Manis‘). Ici, j'avoue que je ne comprends plus. En effet, le préparateur à l’Université de Gand nous dit ®): 1) J. Corner, Proatlas etc., p. 416. 2) J. Corner, Proatlas, etc., p. 418. 3) T. H. Huxzey, On the application of the laws of evolution to the arrangement of the Vertebrata, and more particularly of the Mammalia. Proc. Zool. Soc. London, 1880, p. 658. 4) J. Cornet, Proatlas ete. p. 418. 5) J. Cornet, Proatlas etc., pp. 413 et suiv. Sur le proatlas. 439 1. Que le sus-oceipital des Mammifères offre fréquemment une échancrure dorsalement au foramen magnum ; 2. Que les ossifications post-occipitales se formeraient dans la membrane obturatrice qui relie les bords de l’&chancure aux neurapo- physes de latlas; 3. Que Manis a une saillie empiétant dorsalement sur le foramen magnum au lieu d’une échancrure ; 4. Que cette saillie n’existe pas chez l'embryon et est remplacée par l’échancrure ordinaire ; 5. Que ladite saillie est die a l’ossification ultérieure de la mem- brane de Péchancrure, ossification qui correspondrait à Vos post-occi- pital d’Erinaceus. Eh bien! Mais alors Manis a aussi un os post-occipital; seule- ment, au lieu de rester libre, il se soude au sus-occipital. Il n’y a, par conséquent, dans cette structure, rien qui puisse atteindre la théorie du proatlas ; au contraire, comme je l’exposerai tout à Vheure. VII. — Quoique M. Cornet n’en parle point, certaines personnes pourraient prétendre que s’il a existé, un jour, une vertèbre entre latlas et l’occipital, l’embryogenie doit la retrouver, même la où elle a disparu chez l'adulte, puisque »l’Ontogénie répète la Phylogénie« 1). La première répète la seconde, oui, mais en la condensant ?). I est certain que les ancêtres des Mammifères ont, notamment, dû, posséder, jadis, des dents vomériennes; la Morphologie, dont les prévisions se sont si souvent vérifiées, amène à cette conclusion. Je doute très fort, pourtant, qu'on retrouve jamais embryogéniquement les dents en question. On pourrait aisément multiplier les exemples. VIII. — Nous avons reconnu, jusqu’ à présent, que le travail de M. Cornet n'avait nullement renversé, ni même entamé, la théorie du proatlas, soit dans ses bases, soit dans aucun détail. Cette théorie reste donc, jusqu’ à nouvel ordre, entièrement debout. Voyons, maintenant, si — le proatlas existant indépendamment de toute ossification post-occipitale, et étant même reconnu comme se présentant constamment sous ce dernier aspect chez les Crocodiliens, 1) E. Hazcxez, Natürliche Schöpfungsgeschichte, 3. Aufl., p. 276, 2) E. Hazoxez, Schöpfungsgeschichte etc., p. 276, 440 LOUIS DOLLO, les Dinosauriens !) et les Rhynchocéphaliens — le naturaliste de Gand n'aurait pas réussi à établir que c’est abusivement qu'on a appliqué ce nom aux ossifications post-occipitales des Mammifères, notamment chez Macacus et Erinaceus. IX. Macacus. Que disent les partisans de la théorie du pro- atlas? Par la considération des nerfs spinaux, nous prévoyons un proatlas. Or, los post-occipital de Macacus occupe justement la po- sition que doit avoir le centre rudimentaire du proatlas. Donc, jus- qu'à ce qu'on trouve mieux, nous le considérons comme ce centre ru- dimentaire. M. Cornet a-t-il mis la main sur ce mieux? J’en doute. Car il écrit que, pour lui, l’os post-oceipital de Macacus n’est qu'une ossi- fication du ligament suspenseur de l’apophyse odontoïde de l’axis ?). D'accord, mais cela n’est pas une interprétation fixant la valeur morphologique de Vos dont il s’agit; c’est une description mar- quant sa position dans l’organisme. Adopter les vues du préparateur à l'Université de Gand, c’est tout simplement supprimer une ex- plication rationnelle, contre laquelle aucune objection sérieuse n’est faite, et non la remplacer. Au surplus, pour représenter le centre dune vertebre proatlantique, l'os post-occipital doit précisément être. une ossification du ligament prémentionné. En effet, il faut qu'il soit périchordal et, justement, la chorde dorsale traverse le dit lgament pour se rendre dans le crane ?). Quant à la forme de Vos post-occipital, qui serait différente dans le spécimen de M. ALBRECHT et dans celui de M. Cornet, je crois qu’elle n’a aucune importance. Car les organes rudimentaires (préci- sément par ce qu'ils ne servent plus à rien) sont variables et irrégu- liers. J’en pourrais citer de nombreux exemples. X. »Erinaceus. Pour les adhérents à la théorie du proatlas, même raisonnement que dans le premier alinéa du paragraphe précé- dent. 1) L. Dorro, Cinquième Note sur les Dinosauriens de Bernissart, Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. 1884, p. 135. 2) J. Corner, Proatlas etc., p. 418. 3) A. KoELLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der hö- heren Thiere, 2. Aufl. 1879, p. 445 et fig. 275. Sur le proatlas. 441 Passant sous silence cette argumentation, M. Corner déclare que Pos post-occipital d’Erinaceus n’est qu’ »une sorte d’os wormien post- occipital« 1). Le naturaliste de Gand espère sans doute, par 1a, enlever à la pièce en question toute valeur morphologique et être ainsi dispensé de l’expliquer. Examinons le cas. Comment se présentent donc les os wormiens? Ce sont, ainsi que chacun le sait, de petits os placés dans les sutures du crâne, spéci- alement dans celles où l’engrènement est fort marqué. Leur contour est d'ordinaire très découpé et dendritique ; ils sont variables, irrégu- liers et asymétriques. Si on étudie les sutures dans lesquelles ils se trouvent, on constate que les os normaux en contact envoient l’un dans l’autre de longs prolongements ornés à la périphérie d’indenta- tions accentuées; ces prolongements ont fréquemment l’aspect de pé- ninsules reliées avec la masse principale de l’os qui les supporte par un isthme étroit. Que cet isthme s’annule (et il n’en manque pas qui sont sur le point d'arriver à cet état) et la péninsule devient île, — c'est un os wormien. Y-a-t-il dans l’os post-oceipital d’Erinaceus la moindre ressem- blance avec la description que nous venons de rappeler ? Evidemment, non. Car: 1. Il n’est pas dans une suture. 2. Il n'appartient pas au cräne?), puisqu'il est en dehors de l’echancrure qui limite le sus-oceipital vers le foramen magnum. 1) J. Cornet, Proatlas etc., p. 416. 2) Que pourrait-on invoquer, en effet, pour prétendre que le post- occipital dépend du crâne? 1. Qu'il est dans une échancrure de l’occipi- tal (J. Corner, Proatlas etc., p. 414)? Mais, à ce compte là, la moelle fait aussi partie de l’oceipital, puisque’elle traverse le foramen magnum. 2. Qu'il se soude à l’occipital chez Manis (J. Corner, Proatlas ete., p. 416) et probablement aussi chez l’homme (Tu. KerckrINGIT Spicilegium anato- micum. Amstelodami 1670, Pl. XXXVI, fig. II, F)? Mais cela n’em- pêche pas qu'il soit le proatlas. Car, on sait que, chez les Sélaciens no- tamment (E. Rosrnsere, Untersuchungen über die Occipitalregion des Cra- nium und den proximalen Theil der Wirbelsäule einiger Selachier. Eine Festschrift. Dorpat 1884), un certain nombre de vertèbres peuvent être incorporées dans le crâne, sans cesser pour cela d’avoir leur valeur mor- phologique de vertèbres. 3. Que le nombre des points d’ossification du sus-occipital varie suivant les auteurs et suivant les animaux, et qu’il n’est dès lors pas étonnant que le post-oceipital appartienne à l’écaille occipitale (J. Corner, Proatlas ete., p. 414)? Mais, si les auteurs sont réellement en désaccord sur le même animal, cela prouve uniquement que la question demande encore des recherches. Quant au nombre variable des points Zool. Jahrb. III. Abth, f. Morph, 29 449 LOUIS DOLLO, 3. Son contour n’a rien de commun avec celui d’un os wormien; au contraire, il est régulier, symétrique et seulement découpé, sur la ligne médiane, par une incisure qui démontre son origine paire, comme il convient à des rudiments de neurapophyses. C’est, par conséquent, d’une manière purement gratuite qu'on lui a appliqué le qualificatif d’os wormien. S'il eut été ailleurs, on Teut appelé sésamoide. Ce sont, d'habitude, les expressions dont on se sert pour désigner les os dont on n’aperçoit pas la valeur morphologique et dont on veut se débarasser. On connaît l’histoire du pisiforme !). La seule vraie objection contre la nature proatlantique de los post-oceipital d’Erinaceus ?), c’est qu’il est dans une membrane. Mais, nous ne savons rien de son origine. De ce qu'il est placé dans la membrane obturatrice, cela ne prouve pas qu'il n’a pas été préformé en cartilage. Et quand cela serait? La clavicule fut d'abord un os dermique; chez les Vertébrés supérieurs, elle est pourtant cartilagi- neuse dans son développement ?). Ne pourrait-on voir l’inverse dans le cas du proatlas ? XI. — En résumé, M. Corner n’a pas ébranlé, en quoi que ce d’ossification chez des types divers, cela peut provenir de ce que toutes les écailles occipitales ne sont pas homologues entre elles. En effet, l’homme a un grand nombre de points d’ossification, mais il n’a pas d’in- terpariétal, ni d’échancrure suprarachidienne (J. Cornet, Proatlas etc., p. 413). Son écaille n’est donc pas véritable sus-occipital, comme celle d’Erinaceus (W. K. PARKER, On the structure and development of the skull in the Mammalia. Part III. Insectivora. Phil. Trans. Roy. Soc. London, 1885, Vol. 176, Part. I, Pl. 21, s.o.); elle correspond à: Interparietal + Sus-occipital + Post-oceipital (= Proatlas) (P. Arsrecur, Sur la fos- sette vermienne du crâne des Mammifères. Bull. Soc. Anthrop. Bruxelles, 1884, p. 143). Enfin, il y a, dans ce que veut le préparateur à l’Uni- versité de Gand, une évidente contradiction. D’une part, le post-occipital serait une ossification de membrane; de l’autre, il appartiendrait à Vécaille de l’occipital, et naturellement, au bord inférieur de celle-ci. Mais, justement, cette région a toujours une origine cartilagineuse! Ce qui précède prouve donc, tout simplement, que, là où le post-occipital n’existe pas comme formation isolée, il y aura lieu de le chercher dans l’écaille occipitale. C’est peut-être là le secret de sa rareté à l’état dos séparé! 1) H. Lesovca, Recherches sur la morphologie du carpe chez les Mammifères. Archives de Biologie, 1884, p. 78. 2) J. Corner, Proatlas etc., p. 416. 3) C. GEGENBAUR,, Grundriss der vergleichenden Anatomie, 1878, p. 501. Sur le proatlas, 443 soit, la théorie du proatlas; il n’a pas même démontré que le post- occipital des Mammifères n’est point le proatlas, et c’est encore comme M. AusrecHht l’a interprété qu'il est le mieux expliqué pour le mo- ment. XI. — Qu'on me permette, maintenant, quelques remarques sur des points de détail. 1. Les post-occipitaux représenteraient des »vesti- ges ataviques«!). M. Cornet s’est laissé tromper ici par l’étymo- logie du mot. Les post-occipitaux (— proatlas) des Crocodiliens, no- tamment, étant toujours présents, quoique réduits, sont non ataviques, mais rudimentaires; ils seraient ataviques dans le cas où, n'exis- tant pas normalement, ils réapparaitraient comme productions indivi- duelles reproduisant une structure ancestrale. 2. L'historique du naturaliste de Gand ne mentionne pas les q travaux suivants: A) C. Brucn, Vergleichende Osteologie desRheinlachses, Mayence 1861. Cet auteur, presque vingt ans avant M. ALBRECHT, a considéré les post-occipitaux des Crocodiliens comme les restes d’une vertebre intercalée entre l’atlas et l’occipital. B) C. B. Brüxz, Icones ad zootomiam illustrandam. Das Skelet der Krokodilinen. Vienne 1862. C) Eunes-DesconccHamrs, Mémoires surles Téléosauriens de l’époque jurassique du département du Calvados. Mém. Soc. Lin. Normandie. Caen 1863. D) P. Atprecut, Sur la fossette vermienne du crane des Mammifères. Bull. Soc. Anthrop. Bruxelles 1884. E) L. Dotto, Première Note sur le Hainosaure, mosa- saurien nouveau de la craie brune phosphatée de Mesvin-Ciply, près Mons. Bull. Mus. Roy. Hist. Nat. Belg. 1885. F) G. Baur, The proatlas, atlas, and axis of the Croco- dilia. American Naturalist 1886. G) G. Baur, Osteologisehe Notizen über Reptilien. Zoo- logischer Anzeiger 1886. C’est là une lacune regrettable dans un mémoire spéciale- ment écrit sur le proatlas; d'autant plus que M. Corner cite M. Suers, qui cite M. Baur, lequel, à son tour, cite les autres notices susmentionnées. Un peu de soin aurait suffi pour éviter cette lacune. 3. Au point de vue de l’exactitude, M. ALBRECHT n'a pas 1) J. Corner, Proatlas etc., p. 407. 444 LOUIS DOLLO, rencontrée 1) deux ossifications chez Hatteria ?), mais une seule, car l'autre était perdue. Ici encore, le préparateur à l’Université de Gand a été trop rapidement. 4. Parlant du proatlas du Reptile néo-zélandais, M. Corner dit que l’observation de M. ALBRECHT est absolument unique; que cet os n’a jamais été vu, ni avant, ni après l’anatomiste allemand. Un instant. Avant M. ALBRECHT, on n'a jamais rencontré le proatlas, par ce qu'on n’a jamais eu l’idée de le rechercher. Le na- turaliste de Gand se figure-t-il que tout est découvert chez Hatteria? Et si, demain, on vient à trouver quelque chose de nouveau, s’agira-t- il dun cas individuel, par ce que l’organe inconnu jusqu'alors aura échappé aux prédécesseurs? Evidemment, non. En raisonnant ainsi, on pourrait facilement prétendre que tous les Hatteria examinés avant M. BALDwIN SPENCER n'avaient pas d'œil pinéal à). Après M. ArprecHnt. Mais, après M. ALBRECHT, M. Cornet ignore (quoiqu’ il aurait pu l’apprendre dans le travail de M. Smers)*) que M. Baur a retrouvé le proatlas du Reptile néo-zélandais ’). Je ne parle pas de mon observation, postérieure à la publication de la Note du préparateur à l’Université de Gand. 5. A propos de la plaque nuchale d’Acipenser, que j'ai comparée ° aux post-occipitaux pour faire voir qu’elle n’a rien de com- mun avec eux, M. Corner écrit: »Ce n’est qu'un os dermique dont on n'aurait pas même dû s'occuper ici< 7). Merci de la leçon; mais elle n’est pas méritée, comme je vais le montrer. Le naturaliste de Gand ne m'a assurément pas compris. Sa critique serait juste, si javais établi un parallèle entre la plaque nuchale (os dermique, comme tout le monde le sait) et le proatlas, rudiment de vertèbre. Mais, pour procéder par éliminations successives, j'ai supposé la valeur mor- phologique des post-occipitaux des Dinosauriens inconnue (ce qui était vrai, d’ailleurs); dans ces conditions, ils pouvaient aussi bien être d’ori- sine dermique que préformés en cartilage. 1) J. Corner, Proatlas etc., p. 409. 2) P. ALBRECHT, Hatteria etc., p. 192. 3) B. Spencer, On the presence and structure of the pineal eye in Lacertilia. Quart. Journ. Microsc. Se. 1886. 4) G. Smers, Hatteria etc., pp. 608 et 609. 5) G. Baur, Notizen etc., p. 733. 6) L. Dotto, Dinosauriens de Bermissart etc., p. 132, 7) J. Corner, Proatlas etc., p. 410, Sur le proatlas. ; 445 Mais, bien plus. M. Corner veut faire dépendre les post-occipi- taux (selon lui, ossifications de membrane) de l’écaille occipitale!), et, celle-ci est, au moins partiellement ?), dermique. Il aurait done dt me feliciter de ma comparaison au lieu de la trouver mauvaise. 6. M. Corner me reproche ?) également d’avoir pris le caractère pair comme fondamental pour le proatlas, en rappelant que le pro- atlas d’Erinaceus est impair. Chez l'adulte, oui, comme celui des Crocodiliens, d’ailleurs. Ce qui n'empêche pas que ces os soient pairs à l’origine. C’est ce que prouve, en particulier, de la manière la plus satisfaisante, la préparation d’Erinaceus que figure *) le naturaliste de Gand. Voilà ce que j'avais voulu dire, simplement. 7. Pourquoi citer et résumer (cela prend presqu’une page) les travaux de MM. Lacnt et Houzé, pour déclarer ensuite que ce serait sortir du cadre qu'on s’est tracé que de les discuter. Ou ils se rap- portent à votre sujet, et, alors, discutez-les; ou ils ne s’y rapportent pas et, dans ce cas, pourquoi les mentionner. C’est de l’érudition inutile. 8. Hatteria doit s'appeler Sphenodon, car: Sphenodon Gray, 1831 = Hatteria Gray, 1842 = Rhynchoce- phalus Owen, 1845 5). Il est vrai que j'ai eu aussi le tort d’employer autrefois le second de ces noms. M. Cornet aurait donc mieux fait de me critiquer a cet égard, en évitant de tomber dans la même faute, que de me poser les objections auxquelles j'ai répondu plus haut. 9. Pourquoi transformer l'orthographe primitive®) de proatlas en pro-atlas®)? Que devient alors le sens de l’&pithete proatlanto- atlantique (hypapophyse, p. ex.), métamorphosée en pro-atlanto-atlan- tique? Pourquoi, d'autre part, changer un terme que l’on veut sup- primer ? 10. Qu'est-ce que la morphologie comparée $)? La morphologie peut-elle être autre que comparée? C’est de l'anatomie descriptive alors ? 1) J. Corner, Proatlas etc., p. 416. 2) W. K. Parker and G. T. Berrany, The morphology of the skull, 1877, Londres, p. 305. 3) J. Corner, Proatlas ete., p. 411. 4) J. Corner, Proatlas etc., fig. 2 et 3 de la planche non numérotée. 5) J. E. Gray, Cat. Shield Rept. Brit. Mus., Part II, 1872, p. 30. 6) P. Ausrecut, Proatlas etc., p. 450. 7) J. Corner, Proatlas etc., p. 406. 8) J. Corner, Proatlas etc., p. 418, 446 LOUIS DOLLO, Sur le proatlas. Je m’arrete ici. J’espere avoir démontré que: ni au point de vue de la méthode +), ni au point de vue de l’observation?), ni même au point de vue de Thistorique ?), le travail de M. Corner n’est satis- faisant. La seule chose qu’on peut en tirer, — et dont l’auteur ne s'est pas aperçu — c’est une confirmation des vues de M. ALBRECHT ‘) qu'on s'était proposé de combattre ). 1) Puisqu’il ne démontre rien. 2) Puisque le naturaliste de Gand n’a pas su retrouver le proatlas de Sphenodon. 3) Puisque M. Corner a laissé passer, sans les citer, au moins sept notices se rapportant à son sujet, tandis qu’il en mentionne deux n’ayant pas de relations directs avec la question traitée. 4) Puisque le préparateur à l’Université de Gand a retrouvé le pro- atlas d’Erinaceus et celui de Macacus. 5) En terminant, je ne puis m empêcher de dire un mot du rapport académique de M. P. J. van BENnEDEN (Bull. Acad. Roy. Belg. 1888, T. XV, p. 260) sur la Note de M. Corner. 1. Le célèbre professeur de l’Université de Louvain conclut ainsi: ‚Cette communication de M. Cornet est interessante; elle montre que l’auteur est doué d’un véritable esprit critique et sait observer. Quoique le sujet soit très borné, M. Corner n’a pas négligé de faire une partie historique complète.“ On a pu voir, par tout ce qui précède, que cette conclusion est en opposition directe avec les faits. 2. Le proatlas des Crocodiliens n’est pas, comme je l’ai rappelé plus haut, „entre l’occipital et l’atlas“, mais placé dorsalement à ce der- nier. 3. Personne n’a jamais ,,proposé le nom de proto-vertèbre pour désigner cette partie osseuse“. Chacun sait, en effet, que ce terme a déjà une signification entièrement différente (O0. Herrwıc, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere, Jena 1886, Depew)... "A. „M.ACOENET nn „aboutit à la conclusion qu’il n’existe pas de proto-vertebre dans les Mammifères“. Le naturaliste de Gand ne se sert, nulle part, de l’expression proto-vertèbre. Le sens nouveau, que M. P. J. van Benepen attribue à ce mot, me paraît de nature à jeter la confusion dans les esprits. En effet, tout embryologiste qui aborderait la phrase précitée sans autre préparation ne pourrait la considérer que comme un lapsus calami, puisque les Vertébrés peuvent manquer de vertèbres, mais non de protovertébres (B. Hatscusx, Studien über Entwicklung des Amphioxus. Arbeit. Zool. Inst. Wien, 1881, p. 34). 5. Sur la soi-disant absence de proatlas chez Hatleria, voir ci-dessus. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 465. \ Untersuchungen an neuen Turbellarien. Von Prof. Dr. J. Kennel in Dorpat. Hierzu Tafel XVIII und XIX, Bei Gelegenheit der zahlreichen Excursionen, die ich im Laufe der letzten Jahrein der Umgebung Würzburgs machte, um die dortige niedere Fauna genau kennen zu lernen, beobachtete und sammelte ich mehr- fach eine dunkelfarbige Planaria, die sich, sobald sie in Bewegung war, auf den ersten Blick von den sonst vorkommenden Planaria torva und lugubris, ferner auch von Pl. polychroa und gonocephala deutlich unterschied.. Die einzige Fundstelle ist die sog. Alandsquelle in einem Seitenthälchen an der Strasse von Würzburg nach Randers- acker, und auch dort kommt das Thierchen nur im Ausfluss der Quelle selbst und im obersten Laufe des von ihr abströmenden kleinen Baches, hier aber unter Steinen in ziemlich grosser Anzahl vor, ausser ihr keine andere dendrocoele Turbellarie. Das Wasser der Quelle ist sehr klar und hat eine constante Temperatur von 10—12° Celsius; es strömt mit ziemlicher Heftigkeit und in bedeutender Quantität an einer Wein- bergsmauer aus seiner primitiven Fassung in ein kleines, flaches, in einen grossen Stein gehöhltes Bassin, fliesst über dasselbe heraus und verschwindet im Boden; in etwa zehn Schritt Horizontalentfernung kommt es ungefähr fünfzehn Fuss tiefer wieder zum Vorschein und bildet von da an ein kleines Bächlein, das dem Maine zufliesst, wenn es nicht während der heissen Sommermonate unterwegs versickert; in seinen Lauf sind neuerdings einige kleine Erweiterungen eingefügt worden, so dass sich von Stelle zu Stelle durch Stauungen etwas Zool, Jahrb. III, Abth, f. Morph, 30 ur 448 Dr. J. KENNEL, grössere Wassermengen ansammeln können. Bei der immerhin gering- fügigen Stärke der Wasserader steigt im Sommer schon in kurzer Entfernung von der Quelle die Temperatur des Wassers auf weit über 12° Celsius und sinkt im Winter bis zum Gefrierpunkt herab. Nun fiel mir schon von Anfang an bei genauem Durchsuchen des Baches auf, dass die Planarie nur im Ausfluss der Quelle selbst, und im Abwasser höchstens fünfzehn bis zwanzig Schritte weit abwärts auf- zufinden war. Einmal fand ich auch einige Exemplare in einiger Entfernung links von der Quelle, wo aus einem Loch in der Weinbergs- stützmauer nur wenig Wasser, offenbar Ueberwasser der Quelle selbst, herunterfloss und einen Besatz von Algen erzeugt hatte. Beim Transport nach Hause und im Aquarium hielten sich die Thierchen schlecht, und nur häufiges Wechseln des Wassers und Auf- bewahren im Kühlen konnte sie für längere Zeit retten, wobei sie aber nie recht wohl aussahen, sondern meist zusammengezogen ruhig sassen. Es war klar, dass sie höhere Temperaturen als etwa 12° Celsius schlecht vertrugen und in der Freiheit mieden. LeypiG hatte diese Planarie schon in der Alandsquelle gesehen und dieselbe ohne Bestimmung in seiner „Fauna des Rhön- und Main- gebietes“ erwähnt als eine schwarze Planarie „ohne Tentakel“, die er auch in den Bächen der Rhön gefunden habe. Ob letztere Angabe auf einer Verwechselung dieser Planarie mit Pl. torva, lugubris oder einer anderen beruht!) oder aber richtig ist, kann ich nicht beurtheilen, 1) In seinen ‚Studien über die Fauna des Grossen und kleinen Teiches im Riesengebirge“ in: Z. f. w. Z. Bd. 41 berichtet Zacnartas von einer „schwärzlich-grau gefärbten Planarie mit scharf abgestutztem Kopf- ende und zwei scharfen Augenpunkten, welche auffallend weit nach hinten gelegen sind“. Dieselbe Pianarie habe Irma in einem Bache zu Marien- thal (bei Eisenach) aufgefunden und mit dem Namen Planaria abscissa bezeichnet; derselbe beabsichtige, das Thier im Nachtrag zu seiner grösseren Planarienarbeit zu beschreiben. Ich habe vergeblich an der angegebenen Stelle darnach gesucht, und auch sonst ist mir keine Abhandlung Iısımas über diesen Gegenstand bekannt geworden. Dass dagegen diese Planarie identisch ist mit unserer Planariu alpina, glaube auch ich, so dass der Name //. abseissa Its. in der Literatur ver- schwinden muss, wenn sich die Identität herausstellt. Auch die von Imuor (in: Zool. Anz. No. 200) im Lej Sgrischus gefundene Planarie von schiefer- grauer bis schwarzer Farbe gehört, wie auch ZacHArIas vermuthet (in: Z. f. w. Z. Bd. 43) wohl hierher, was noch viel wahrscheinlicher gemacht wird durch die aus ähnlichen alpinen Fundstellen stammenden von mir untersuchten Exemplare von zweifellos identischen Thieren, worüber weiter unten. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 449 da ich nicht mehr Gelegenheit fand, in der Rhön zu sammeln; in- dessen ist es durchaus nicht unmöglich, dass in den kalten Oberläufen der Rhöngewässer diese Species vorkommt. Was dem Thierchen ein besonderes Interesse verleiht, ist der Umstand, dass es sich bei näherer Untersuchung und genauem Studium der Literatur als ein rein alpines Thier auswies, was ich zum Ueber- fluss noch an gut conservirtem Vergleichsmaterial aus Gewässern sehr hochliegender Alpenregionen constatiren konnte; es erklärt sich daher, dass es überall, wo es ausserhalb der Alpen in der Ebene vorkommt, an kalte, oder besser an gleichmässig niedrig temperirte Gewässer gebunden ist. Aus demselben Grunde ist mir sein Vorkommen in der hohen Rhön, deren Quellen und Bäche die oben angegebene Temperatur besitzen, durchaus nicht unwahrscheinlich. Der erste, welcher unsere für Deutschland neue Planarie beschrieb, ist Dana‘), der sie in hochliegenden Wassern der Graubündtner Alpen fand, als Hirudo alpina in die Wissenschaft einführte, ganz kenntliche, wenn auch rohe Abbildungen davon giebt, ihr Verhalten im Leben nicht ganz übel schildert und die merkwürdigsten Geschichten von ihrer Gefährlichkeit für Menschen und Vieh zu erzählen weiss, auf die einzugehen keine Veranlassung ist. CARENA?) suchte das Thierchen wieder auf, um sich durch Augenschein von seinen Eigen- schaften zu überzeugen, und weist nach, dass dieser gefürchtete Blut- egel eine Planarie ist, die er für Pl. torva GmELIN-MÜLLER erklärt; seine Beschreibung der Gestalt, Bewegungsweise, der Gewohnheiten und des Verhaltens des Thieres in Wasser verschiedener Temperaturen ist so vollkommen der Wahrheit entsprechend, dass nichts hinzuzufügen bleibt. Der dritte, sehr genaue Beobachter, dessen Arbeiten sich leider durch eine souveräne Verachtung aller Literatur auszeichnen, so dass die dort beschriebenen Thiere oft viele Schwierigkeiten bereiten, ist DALYELL?’). Er fand seine Planaria arethusa in kalten Quellen an verschiedenen Orten Englands und widmet ihr eine eingehende Be- trachtung. Besonders studirte er die Lebensweise und die Regenerations- erscheinungen des Thierchens sehr eingehend und giebt ziemlich kenntliche, 1) In: Mélanges de philosophie et de mathématique de la Société Royale de Turin pour les anndes 1762—1765, Turin 1766. 2) In: Memorie della Reale Academia delle Scienze di Torino, t. 25, Torino 1820. 3) The Powers of the Creator displayed in the Creation etc., vol. 2, 1853 und: Observations on some interesting phenomena on animal phy- siology exhibited by several species of Planaria 1874. 30 * 450 Dr. J. KENNEL, wenn auch blasse Abbildungen. Merkwürdigerweise ist er nicht im Stande gewesen, die Geschlechtsorgane aufzufinden, obgleich er in seiner Figur 13, Tab. XVI hinter dem Schlund einen kreisrunden hellen Fleck deutlich zeichnet, der nichts anderes als der Penissack sein kann. Es ist freilich nicht zu leugnen, dass die Geschlechts- apparate unserer Planarie sehr zusammengedrängt und theilweise ab- weichend von den sonst bekannten gebaut sind. Bei dem Mangel der Kenntniss des Geschlechtsapparates aber ist es schwer, die Identität zweier Planarien festzustellen; doch spricht die Gestalt, das Vor- kommen und und die Lebensweise der Planaria arethusa Dau. dafür, dass sie dieselbe ist, wie Planaria alpina Dana; dazu kommt noch gerade der helle Fleck an Stelle des Penissackes, der bei gelindem Quetschen bei unserer Planarie genau so zum Vorschein kommt. Ob dagegen die von THomson?) als Pl. arethusa unter einem Stein zusammen mit Pl. nigra MüLL., Pl. torva Mürı. und Pl. lactea Miu. gefundene Planarie die unsrige ist, möchte ich schon wegen der Gesellschaft, die meist wärmeres Wasser liebt, bezweifeln; es ist auch etwas viel für einen Stein! Von allen übrigen beschriebenen Planarien kann keine mit Pl. alpina identificirt werden. Dass unsere Turbellarie wirklich Planaria alpina Dana ist, geht zweifellos aus der Vergleichung mit solchen Exemplaren hervor, die aus Oertlichkeiten stammen, welche denjenigen, wo Dana seine Hirudo alpina gefunden hat, benachbart sind und die gleichen klimatischen Verhältnisse bieten. Ich erhielt zahlreiche gut conservirte Thiere, mit den Würzburgern völlig identisch, aus dem Quellengebiet des Plessur und des Davoser Landwassers in den Grau- bündtner Alpen. Die Plessur hat ihre Quellen in den Thälern Sapun, Welschtobel, Arosa, Fonday, durchströmt in vier Stunden langem Lauf das Schaufigger Thal und mündet bei Chur in den Rhein; in diesem Gebiet fand sich die Planarie im Schwellisee (1919 Meter hoch, Temperatur des Wassers 2.8° Celsius) sehr häufig unter Steinen; das Wasser des Sees ist Quell- und Schneewasser, vom Anfang November bis Mai zugefroren; ferner in den Quellen, die sich in den Schwellisee ergiessen, überall unter Steinen und dem dieselben überziehenden Moos, obwohl seltener als im See selber. Auch im Abfluss des Schwellisees, dem ,,Aroser Wasser“, trifft man sie an, dessen Temperatur in der Höhe von 1770 m gemessen im September 1) In: Ann. and Mag. Nat. Hist. (ser. 2) vol. 7, 1851, p. 502. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 451 4° Celsius betrug, sowie in den Quellen, welche diesem Wasser zu- fliessen. Vom Quellgebiet des „Davoser Landwassers“, das die Land- schaft Davos durchfliesst und in den Rhein mündet, wurde die Quelle „Chaltbrun“ aufdem östlichen Abhang der Mayenfelder Furka, ca. 2400 m hoch, untersucht und bei einer constanten Wassertempe- ratur von 2° C. die Planarie gefunden. Bevor wir an die genauere Beschreibung dieser Alpenplanarie und an die Schilderung ihrer charakteristischen Organisationsverhältnisse gehen, ist noch die Frage zu erörtern, wie sich das Vorkommen eines so ausgesprochen hochalpinen Thieres in der Nähe Würzburgs und in England erklären könnte. Der nächstliegende Gedanke ist offenbar der, dass das Thier ein Relict aus der Eiszeit sei. Es ist aber in jüngster Zeit so viel von Relicten aus dem Meer und der Eiszeit die Rede, dass man unwillkürlich etwas vorsichtig wird und zuerst untersuchen muss, ob nicht das Vorkommen durch Wanderung oder Verschleppung in neuerer Zeit erklärt werden kann‘), Beides scheint mir nun in diesem Fall nicht gut möglich zu sein. Schliesst schon das Vorkommen des Thieres in England eine Ver- breitung durch active Wanderung nach Lostrennung dieses Landes vom Continent aus, so wäre eine Wanderung von den Alpen nach dem Maingebiet nur durch den Rhein möglich. So wahrscheinlich es auch ist, dass gar manche Individuen in den oberen Lauf des Rheines ge- rathen und auch weit abwärts verschleppt werden, so unwahrscheinlich ist ihre Fähigkeit, bei ihrer geringen Widerstandskraft gegen wärmeres Wasser sich an der einen oder anderen Oertlichkeit zu erhalten. Sollten dennoch zufällig von einzelnen Individuen Stellen gefunden worden sein, wo sie sich ansiedeln konnten, so musste die Wanderung Mainaufwärts doch auf die grössten Schwierigkeiten stossen, da bei der hohen Temperatur des Wassers im Sommer alle Individuen zweifellos zu Grunde gehen mussten, die unterwegs waren. Sollte aber die Verbreitung in neuerer Zeit von Etappe zu Etappe, etwa während des Winters, vor sich gegangen sein, so müssten unterwegs zahlreiche für die Lebensbedingungen unserer Planarie günstige Plätze vor- handen sein, an denen sie sich ansiedeln konnte und wo sie noch zu zu finden wäre. In diesem Falle wäre sie aber bisher kaum der Auf- merksamkeit der Zoologen in Deutschland entgangen. An eine rein passive Verschleppung kann aber noch weniger ge- 1) Vgl. hierüber: Crepyer, Ueber Relictenseen in: PETERMANN’s Geogr. Mittheil., Heft 69. 452 Dr. J. KENNEL, dacht werden. Eine solche kann für Süsswasserthiere nur auf zweierlei Weise zu Stande kommen: entweder werden kleine Dauereïer oder resistente Keime mit dem Staub der ganz oder theilweise ausgetrock- neten Wasserbecken oder deren Ufer durch den Wind fortgetragen, oder es werden Eier oder entwickelte Thiere im Wasser selbst oder auch durch die Luft durch geeignete Vehikel (schwimmende Gegen- stände, Fische und Vögel) als zufällige Anhängsel verschleppt und irgendwo abgesetzt. Gegen diese Verschleppungstheorie ist der Ein- wand erhoben worden, dass dann manche Thiere, z. B. rhabdocoele Turbellarien und kleine Crustaceen, viel allgemeiner und gleichmässiger verbreitet sein müssten, als dies der Fall ist!); allein man hat bei solchem Einwand ausser Acht gelassen, dass trotz der massenhaften Verbreitung der Keime die letzteren doch nur in besonderen Fällen sämmtliche complicirten, zu ihrer Entwicklung und Fortexistenz noth- wendigen Bedingungen finden und darum manche Formen doch nur vereinzelt oder an beschränkten Orten vorkommen. Ich kenne in der nächsten Nähe Würzburgs zwei kleine Tümpel, die nur durch einen Zwischenraum von wenigen Fuss von einander getrennt sind und jeden Sommer völlig austrocknen, so dass eine Vermischung des Bodensatzes in jedem Jahre vorkommt und von mir absichtlich vorgenommen wurde. Trotzdem ist die Fauna beider total verschieden: in dem einen leben in ungeheuren Mengen Daphniden und Asplanchna, im andern Cypris, Culiciden- und Fliegenlarven, aber nie findet man eine Vermengung der Thierarten in beiden. In der Rheinebene fand ich jeden Sommer auf Feldwegen in Regenwasserpfützen Mengen eines grossäugigen, vermuthlich unbeschriebenen Mesostoma, dessen Dauereier mit dem feinen Staub zweifellos auch in umliegende Wassergräben verschleppt werden, ebendaselbst Apus und Branchipus, und doch begegnete ich diesen Thieren trotz aufmerksamen Suchens niemals in solchen Gräben mit beständigem Wasser. Wie unglaublich schnell sich aber unter zusagenden Verhältnissen Thiere entwickeln können, dafür lieferten mir dieselben Regenlachen im Sommer 1883 einen frappanten Beweis. Nach wochenlanger absoluter Trockenheit kam in der Nacht ein heftiges Gewitter, und schon am zweiten Tage darauf wimmelte es in den Pfützen auf dem vorher staubtrocknen Feldweg nicht nur von Infusorien, Ostracoden und Mesostomiden, letztere mit reifen Dauereiern, sondern es fand sich daselbst sogar ein Branchipus, 1) Besonders spricht sich Imxor in gexnchiedenen Publicationen gegen eine weitgehende Verschleppung aus. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 453 vollkommen erwachsen und mit Eiern im Eiersack! Tags darauf war wieder alles trocken. Von den erwähnten Verschleppungsarten kann nun für unsere Planarie keine in Betracht kommen; zum Transport durch den Wind ist weder eine Planarie noch ihr Cocon geeignet, und der anderen Methode steht abermals die geringe Widerstandsfähigkeit im Wege, Auch ist gar nicht abzusehen, welcher Art das Transportmittel gewesen sein sollte, das das unbedeutende Wasseräderchen der Alandsquelle aufgefunden hätte; für Fische ist es unzugänglich, Wasservögel be- suchen es nie. Es ist immer zu berücksichtigen, dass der Ausfluss der Quelle selbst der hauptsächlichste Aufenthaltsort der Thiere ist. Ja der Umstand, dass dieselben gelegentlich in einem schwachen seit- lichen Abfluss der Quelle hoch an einer senkrechten Mauer auftreten, wohin sie, da das geringe Wasserquantum sofort im Boden versickert, nicht von unten her gelangen konnten, macht es zur Gewissheit, dass die Planarien auch im Innern des Berges in den Spalten und wahrscheinlichen unterirdischen Wasserbecken leben, welche die Quelle speisen. Alle diese Umstände zeigen deutlich, dass der Auf- enthaltsort dieser Planarienart eine Zuflucht ist, welche ein schwacher Rest in zusagend kaltem Wasser gefunden hat. Wenn wir dies zu- geben, so kann die Art nur eine grössere Verbreitung gehabt haben zu einer Zeit, wo auch die umgebenden Gewässer von einer sehr niedrigen Maximaltemperatur waren, und als solche bleibt uns nur die sog. Eiszeit übrig. Damals war auch England in Verbindung mit dem Continent, und so erklärt sich leicht das Vorkommen der Pl. alpina dort wie hier, erklärt sich ihr vereinzeltes Vorkommen in kalten Quellen, die als Zufluchtsort dienten, als die grössere Menge der Ge- wässer allmählich wieder höhere Temperaturen annahm. Diese Planarie gehört zu den stenothermen Thieren, die nicht im Stande waren, sich wärmerem Klima und starken Temperaturschwankungen anzupassen und die gleich vielen anderen nordischen und hochalpinen Thieren vielfach da aussterben mussten, wo sie während der Eisperiode ihre Lebensbedingungen gefunden hatten. In biologischer Hinsicht darf ich nicht unterlassen, anzuführen, dass ich von Pl. alpina niemals Cocons gesehen habe, ebensowenig wie der leider dahingeschiedene hoffnungsvolle junge Dr. Eager, dem ich das Material aus Arosa verdanke; ich möchte auf diesen Punkt kein zu grosses Gewicht legen, da ich ja nicht zu jeder Jahreszeit die Thiere gesammelt habe. Aber wer sich mit Planarien beschäftigt hat, weiss, dass ihr erstes Geschäft in der Gefangenschaft gewöhnlich die 454 Dr. J. KENNEL, Ablage von Cocons ist; meine Thiere waren wohl geschlechtsreif, und ich fand auch im Freien ganz junge Individuen, aber so viele ich auch untersuchte, kein einziges mit Cocons in Bildung, keines legte einen Cocon in Gefangenschaft ab, allerdings wurde daselbst auch kein junges Thier geboren. Immerhin wäre die Möglichkeit des Lebendiggebärens bei dem normalen Aufenthalt in Gewässern, die nur kurze Zeit ohne Eis sind, wohl zu beachten. Leider konnte ich wegen meiner Ueber- siedelung nach Dorpat in dieser Richtung, die vielleicht manches Inter- essante geboten hätte, keine weiteren Beobachtungen anstellen. Was das äussere Aussehen unserer Planarie anlangt, so erreicht dieselbe in den grössten Exemplaren, die mir zu Gesicht kamen, im ausgestreckten Zustande, etwa beim ruhigen Kriechen, die Länge von 15—16 mm bei einer grössten Breite von 3 mm. Die Gestalt ist langgestreckt, am breitesten hinter der Mitte, nach vorn verschmälert, nach hinten stumpf zugespitzt oder auch abgerundet. Das Vorder- ende ist quer abgestutzt, in der Mitte schwach nach vorn gerundet und seitlich in zwei spitze Fortsätze, die man als Tentakel bezeichnen kann, ausgezogen. Hinter den Tentakeln verschmälert sich der Körper rasch, um dann langsam zu seiner grössten Breite anzuschwellen; bei nicht völlig ausgestreckten Thieren kann man von einer halsartigen Einschnürung sprechen (Fig. 2). Die beiden kleinen Augen liegen um die halbe Breite des Vorderendes vom vordersten Rand entfernt und so weit auseinander, dass die Breite jener Körperstelle ungefähr in drei gleiche Theile getheilt erscheint. Jedes Auge liegt median- wärts von einem sehr kleinen pigmentfreien ovalen Fleck. Die Färbung wechselt von dunklem grünlichgrau, durch braungrün zu schwarzbraun, die Mitte des Rückens ist dunkler, das Vorderende und die Stelle, wo Schlundrohr und Penis liegen, etwas heller, letztgenannte Stellen aber von dunklerer Färbung eingefasst. Die beiden Tentakellappen sind gewöhnlich von der Spitze her dunkler pigmentirt. Die Unter- seite ist heller, und die Darmverästelungen scheinen hier dunkel durch (Fig. 1b); die Stellen für Schlund und Penis sind durch hellere Farbe deutlicher zu erkennen als auf der Oberseite, und die Mund- und Genitalöffnung ist deutlich dunkel umrandet. Die Bewegungen der Thierchen sind sehr lebhaft; beim ruhigen Kriechen werden die Tentakel etwas aufgerichtet getragen, das Vorder- ende, stark gestreckt, macht tastende Bewegungen unter allerlei Win- dungen, der vordere Körperrand wird oft der Unterlage angeheftet und als Haftapparat benutzt, so oft das Thier beunruhigt schneller vorwärts kommen will. In diesem Falle macht das Thier beinahe Untersuchungen an neuen Turbellarien. 455 spannerartige Bewegungen, wie Dendrocoelum lactewm, dem es in seinem Gebahren überhaupt ähnelt; nur werden die Ränder des Körpers nicht wellenförmig zusammengezogen, wie bei dieser Art. Vielfach beobachtet man bei Individuen, die in halbausgestrecktem Zu- stand ruhig an der Glaswand des Aquariums hängen, dass einzelne Stellen des Körperrandes spitz lappenartig ausgezogen der Unterlage anhaften, wie das von Dendrocoelum und anderen Planarien sehr häufig zu sehen ist. Höchst characteristisch ist meist das Verhalten und die Form- gestaltung der Turbellarien beim Tödten in verschiedenen Reagentien, so übereinstimmend bei derselben und so verschieden bei den einzelnen Arten, dass man nie versäumen sollte, bei der Beschreibung von Turbel- larien diesen Punkt unter genauer Angabe möglichst einfacher Rea- gentien zu erwähnen; es kann oft sicherer zur raschen Orientirung über eine Species führen als alle ausführlichen Schilderungen des gewöhnlich sehr verborgenen anatomischen Baues. Beim Uebergiessen der Pl. alpina mit concentrirter kalter Sublimatlösung ziehen sich die Thiere mässig zusammen, nehmen eine länglich ovale Gestalt an mit flacher Bauch- und schwach gewölbter Rückenfläche; dieselbe Form, nur etwas länglicher, weil weniger contrahirt, erhalten sie bei plötz- lichem Uebergiessen in voller Bewegung und in wenig Wasser mit 50°/, Salpetersäure. Beide Reagentien ergeben sehr gute Objekte zu histologischer und anatomischer Untersuchung durch Schnitte. Bemer- kenswerth wird dann besonders die Unterseite des Vorderendes (Fig. 12); hier sieht man den Rand der Sohle convergent als zwei helle Linien nach vorn gegen die Mittellinie zusammenlaufen, nach aussen die con- trahirten Tentakel lassend. Von der Vereinigungsstelle der Sohlen- ränder aus zieht dann in der Mittellinie nach hinten ein kurzer, aber ziemlich tiefer Spalt, den man auch bei Planaria polychroa und anderen bemerken kann, wenn sie in ähnlicher oder ihre Gestalt in entsprechender Weise conservirender Art behandelt wurden. An Stelle dieses Spaltes tritt bei vielen Planarien eine seichte runde Grube auf!), und sie ist offenbar die conservirte Form jener Körperstelle, welche im Leben den Thieren als Haftapparat bei hastiger Bewegung dient. Ich will hier nicht von einem Saugnapf reden, wie die Unterseite des Vorderendes von Dendrocoelum lacteum von Leypi& ?) genannt wurde, 1) cf. Gruse, Beschreibungen von Planarien des Baikalgebiets in: Arch. f. Naturg., 38. Jahrg. 1872. 2) Vom Bau des thierischen Körpers. Atlas. 456 Dr. J. KENNEL, aber Haftlappen oder Haftwulst kann man die Bildung bei letzgenanntem Thiere sowie bei Dendr. angarense recht wohl nennen. Trotzdem LeypiG an citirter Stelle eine ganz gute Abbildung giebt, und obwohl STIMPSON !) in seiner Diagnose des von ihm aufgestellten Genus Dendrocoelum sagt: „Caput antice excavata (!) v. bilabiata (!), absque tentaculis“, womit er zweifellos eine saugnapfähnliche Vertiefung meint, da er in der entgegenstehenden Diagnose von Planaria anführt: „capite sessius subdiscreto, triangulare nec labiis nec acetabulo praedito“ — konnte IıyımA ?) von einem derartigen Gebilde nichts bemerken ; und doch ist dasselbe hier aufs Deutlichste ausgeprägt, was man schon am ruhig kriechenden Thiere, wenn man es von der Ventralseite her be- trachtet, noch mehr aber bei hastiger Bewegung desselben, wo es ausgiebigen Gebrauch davon macht, beobachten kann; auch conservirt sich die betrefiende Körperstelle in kalter Sublimatlösung stets in gleicher höchst charakteristischer Form (Fig. 13). Beim ruhigen Gleiten auf der Unterlage tragen die genannten Thiere die Mitte des Vorderrandes, der verdickt erscheint, erhoben, so dass sie nur mit den Seitenrändern die Unterlage berühren, jederzeit gefasst, bei un- sanfter Berührung diese Stelle fest anzupressen und mit krampfhafter Contraction die Seitenränder weit über dieselbe vorzuschieben, gleich- falls festzuheften und so „schrittweise“ sehr schnell fortzuschreiten. Noch ausgiebiger sind diese Bewegungen bei Dendrocoelum angarense. In conservirtem Zustand zeichnen sich die betreffenden Körperstellen durch regelmässige Wulstbildungen aus, die ungefähr den bei Gebrauch entstehenden Falten und Wülsten entsprechen (cf. Fig. 13 u. 14 von Dendr. lacteum und angarense). Will man dieses Vorhandensein von Haft- wülsten leugnen und aus der Gattungsdiagnose streichen, so weiss ich nicht, wodurch man die Gattung Dendrocoelum überhaupt aufrecht erhalten möchte. Die Verästelungen des Darmcanals allein genügen dann nicht, denn sie sind zu wechselnd an Zahl und Form, so dass man in Verlegenheit kommen kann, ob man eine Planarie zu Den- drocoelum oder Planaria stellen soll. Der Bau der Geschlechtsorgane und alles Uebrige schliesst sich so eng an Planaria an, das musculöse Hilfsorgan ist bald vorhanden, bald fehlt es, Tentakel in mannig- facher Form treten auf, dass eine Abtheilung in zwei Gattungen un- möglich würde. Vielleicht ist man bei genauerem Studium zahlreicherer 1) Prodromus etc. in: Proc. Acad. Philad. 1857. 2) Untersuchungen über den Bau und die Entwicklungsgeschichte der Süsswasserdendrocoelen (Tricladen) in: Z. f. w. Z., Bd. 40. a Untersuchungen an neuen Turbellarien. 457 Süsswassertricladen späterhin dennoch genöthigt, Dendrocoelum wieder mit Planaria zu vereinigen, wenn noch mehr Haftapparate ähnlicher Art, die eine Brücke schlagen, aufgefunden werden. Denn dass auch Pl. polychroa, torva und Pl. alpina ihr Vorderende zum zeitweiligen Anheften benützen und dort eine besonders ausgezeichnete Stelle haben, die auch am conservirten Individuum hervortritt, ist zweifellos. Von der Anatomie der Pl. alpina, die im Allgemeinen mit dem von anderen Süsswasserdendrocoelen Bekannten übereinstimmt, will ich nur die Punkte besonders anführen, die für unsere Art charac- teristisch und zu ihrer genauen Wiedererkennung dienlich sind; das ist zunächst die Structur der Geschlechtswerkzeuge. Ovarien und Hoden geben keinen besonderen Anlass zu Bemerkungen, ebensowenig die Vasa deferentia und Oviduct. Letztere vereinigen sich, bevor sie in das Genitalantrum münden, dorsal vor demselben und treten mit gemeinsamem Gang von oben her in den Vorraum ein. Dieser ist relativ lang, steigt von der Geschlechtsöffnung aus schräg nach oben und vorn auf, und zeigt in seiner halben Länge eine Erweiterung, vermuthlich die Stelle, wo die Cocons gebildet werden. Dass die Bildungsstätte dieser Eihüllen nicht der sog. Uterus ist, hat Ima‘) nachgewiesen, und auch ich habe bereits seitlängerer Zeit verschiedentlich Gelegenheit gehabt, bei mehreren Planarienarten zu constatiren, dass immer das Geschlechtsatrium die reifenden und fertigen Cocons ent- hält. Der bisher sog. Uterus kommt auch unserer Planarie in der bei Dendrocoelum und Planaria gewöhnlichen Form zu; er mündet mit feiner Ausführung von oben her unmittelbar hinter dem gemein- samen Endabschnitt der Oviducte in das Antrum; mitunter jedoch findet man auch, besonders bei Quetschpräparaten frischer Thiere, einen für alle drei Canäle gemeinsamen Ausführungsgang, indem sich der Uterusgang mit dem Oviduct vor der Einmündung in die Ge- schlechtscloake vereinigt; es ist nicht unmöglich, dass durch Con- tractionen der trennenden Brücke diese frühere Vereinigung hergestellt wird, die dann nicht normal wäre. Vgl. hierüber Fig. 15 und Fig. 16, wo die beiden Verhältnisse dargestellt sind. Was die Bedeutung des sog. Uterus anlangt, so hat jüngst HALLez ?) sich dahin geäussert, dass darin die Befruchtung der Eier vor sich gehe. Er fand darin verschiedene Male junge Eier mit geringen Quantitäten Dotterzellen, lid: fe: 2) Sur la fonction de l’organe énigmatique et de l’uterus des Dendro- coeles d’eau douce, in: Comptes Rend. Sc, Paris t. 104. 458 Dr. J. KENNEL, sowie Spermatozoen. Iıyıma dagegen hat niemals Sperma darin ge- sehen und hält das Gebilde für eine Drüse, welche das Material zur Coconschale liefere. Ich kann mich keiner dieser Auffassungen ganz anschliessen. Das Vorhandensein von Eiern und Dotterzellen in der Tasche des fraglichen Organs bei conservirten Thieren kann, wie ich glaube, nicht mit Sicherheit beweisen, dass sie auch im normalen Zu- stand jemals dahin gelangen. Wer die gewaltigen Contractionen und Verschiebungen beobachtet hat, die gerade in der Region der Ge- schlechtswerkzeuge beim Tödten der Planarien häufig eintreten, wird die Möglichkeit nicht abweisen können, dass Gebilde, die sich in dem erweiterten Vorraum fanden, als sehr weiche Dinge bei der Contraction, die zuerst den Hautmuskelschlauch trifft, in die sog. Uterustasche hineingepresst und dort conservirt werden können. Dass andrerseits das Epithel der Tasche drüsig ist und ein Secret liefert, das öfters als hyaline und homogene Masse beobachtet werden kann, scheint mir zweifellos. Dass aber Spermatozoen in der Tasche zu finden sind, hat bereits Max SCHULTZE !) erwähnt, der sogar von einem Sperma- tophor mit dunkler Hülle spricht. Und in der That kann man im richtigen Augenblick, d. h. bald nach einer Begattung, sich diesen Anblick verschaften. Zur Bildung eines Spermatophores müsste aber das als männliches Individuum bei der Begattung fungirende Thier ein besonderes Organ besitzen, und zwar müsste die Höhlung des Penis, der zweifellos das Sperma überführt, dazu eingerichtet sein, was jedoch nicht der Fall ist. Es gelang mir nun mehrfach, besonders bei Pl. polychroa, der auch das andere räthselhafte Organ oder die musculöse Drüse IrsımA’s fehlt, die man allenfalls im Verdacht dieser Leistung haben könnte, zwei Thiere in copula zu tödten und zu con- serviren, so dass der Penis des einen Individuums in der Vagina des andern steckte und wie ein Pfropf jede Translocation allenfalls vorhan- dener Eier, Dotterzellen und Spermatozoen verhindert. Beim Schneiden solcher Thiere fand ich allemal bei demjenigen, in welches der Penis des andern eingeführt war, die sog. Uterustasche angefüllt mit Sperma- tozoen, den Penis im Anfang des Uterusganges steckend; umhüllt war die Spermamasse von dem erwähnten Drüsensecret, das dem Epithel der Tasche selbst entstammt, im Leben flüssig ist und meiner Meinung nach zur längeren Conservirung des aufgenommenen Spermas bestimmt sein dürfte. Demnach wird man diesen Uterus wohl dem weiblichen Geschlechtsapparat der Thiere zurechnen, ihn aber als Receptaculum 1) In: Carus, Icones zootomicae 1857. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 459 seminis bezeichnen müssen. Da auch nach den Beobachtungen von HALLEZ eine einzige Begattung zur Befruchtung der Eier, die in zwei bis drei Cocons successive abgelegt werden, hinreicht, so muss wohl ein solcher Aufbewahrungsort für das Sperma vorhanden sein. Es wird bei dieser Auffassung auch die meist in verschiedenem Grade muskulöse Wandung des engen Ganges dieses Receptaculums ver- ständlich, die dazu dient, nach Bedarf die Tasche zu schliessen oder zu öffnen, letzteres so oft Eier im Genitalantrum der Befruchtung harren. Bei dieser Anschauung wird freilich die Bedeutung des bei vielen Planarien bald in der Einzahl, bald in der Mehrzahl vorhandenen „muskulösen Drüsenorgans“ als Bursa copulatrix, wie HALLEZ will, kaum haltbar sein, da dasselbe bei der Befruchtung selbst kaum eine Rolle spielen dürfte; das geht auch schon daraus hervor, dass es Planarien giebt, die dieses Organs entbehren, deren Begattung aber in derselben Weise vor sich geht wie bei den anderen, welche es ein- fach oder doppelt besitzen. Hierher gehört ausser Planaria polychroa auch Pl. alpina. Ausserdem liegen die entsprechenden Organe bei Polycelis nigra und cornuta nach den Angaben von Rosoz ZOLTAN !) und O. SCHMIDT?) in einer besonderen Höhle hinter der Geschlechts- öffnung, die getrennt von dieser sich nach aussen öffnet. Dass HALLEZ bei Dendr. lacteum und angarense zweifellos Spermatozoen in der Höhlung des Organs gefunden hat, erkläre ich mir in der oben er- wähnten Weise durch gewaltsame Vertheilung der in Receptaculum seminis angehäuften oder im Moment des Sterbens aus dem eignen Penis ausfliessenden Spermamassen durch die Contractionen der um- gebenden Muskulatur. Unter diesen Umständen kann dem Organ wohl keine andere Rolle zugetheilt werden als diejenige der Hilfe bei Ab- lage und Befestigung des Cocons oder auch die eines Reizorgans bei der Begattung. In beiden Fällen wird das Fehlen des Organs bei manchen Formen nicht auffallen dürfen; während die einen ihre Cocons ohne Hilfe eines solchen Apparates ablegen und anheften, wobei wohl das muskulöse Antrum die Rolle übernimmt, mögen die andern mit Unterstützung des Organs ihre Eihüllen bei der Ablage in bestimmter Richtung dirigiren , mit neuen Secretmassen übergiessen und bald auf Stielen oder auch ohne solche fixiren; denn dass das Organ, sei es 1) A Polycelis nigra Ehr. boncz tana, 1881. 2) Die dendrocoelen Strudelwürmer aus der Umgebung von Graz, Ina we, bd UO: 460 Dr. J. KENNEL, hohl oder solide, ein Secret liefert, darüber sind alle Beobachter einig. Sollte es als Reizorgan wirken, so ist daran zu erinnern, dass von nahe verwandten Schnecken die einen einen Liebespfeilsack besitzen, andere nicht, dass auch die Duplicität desselben vorkommt. Nur ge- naue Beobachtungen lebender Thiere bei der Begattung und Eiablage können sicheren Aufschluss über die Function dieses Hilforgans der Geschlechtswerkzeuge geben. Am Interessantesten ist bei Planaria alpina die Structur des Penisbeutels und des Penis. Bei den meisten bekannten Süss- wassertricladen ist der Penis ein stark muskulöser, conischer, in der Längsrichtung durchbohrter Zapfen, welcher mit seinem vorderen kolbig verdickten Theil, etwa der Hälfte seiner Länge, mit dem umgebenden Gewebe verwachsen ist und mit seiner freien Spitze in den Penissack oder Penisbeutel hineinragt; der letztere ist eine Fortsetzung des Geschlechtsantrums nach vorn, dessen Wandungen wohl Muskelfasern enthalten, jedoch keine besondere Stärke zeigen; gewöhnlich ist die Muskeleinlagerung nicht viel stärker, als sie es im Geschlechtsvorraum und der Vagina ist. Bei unserer Pl. alpina dagegen sieht man sofort auf Längs- und Querschnitten, dass der Penisbeutel eine ungeheuer starke Muskulatur besitzt, während der darin liegende Penis schwach, schlank und wenig muskulös ist. Schon bei lebenden Thieren, die man unter dem Deckgläschen etwas presst, bemerkt man diese auf- fallende Muskelmasse als rundlichen, hellen Fleck, was auch DALYELL bei seiner Pl. arethusa zeichnet. Auf einem Medianschnitt (Fig. 15) stellt der ganze Penisbeutel eine grosse eiförmige, dickwandige Blase dar, in deren engem Hohlraum der dünne Penis als spitzer hohler Zapfen geborgen ist. Die Vasa deferentia treten, nachdem sie zu mehrfach gewundenen Samenblasen angeschwollen sind, am vorderen stumpfen Ende mit gemeinsamem Canal durch die dicke Wand des Penisbeutels hindurch, und dieser Canal setzt sich durch den Penis hindurch fort. Am hinteren, der Geschlechtsöffnung zugewendeten, etwas spitzeren Ende ist die ventrale Wand des Penisbeutels noch über das Geschlechtsantrum verlängert, so dass auch dieses ventral- wärts eine stark muskulöse Wand besitzt, die über die früher erwähnte Erweiterung nach hinten reicht. Auf diese Weise bleibt nur die senkrecht aufsteigende Vagina dünnwandig und fast frei von Musku- latur. Die Wand des Penisbeutels lässt vier Schichten unterscheiden: äusserlich eine aus zahllosen, dichtgedrängten Zellen bestehende Hülle, welche auch den Connex mit dem umgebenden Gewebe vermittelt, unter derselben eine mächtige Längsmuskelschicht, und zu innerst eine starke Untersuchungen an neuen Turbellarien. 461 Lage von Ringmuskeln, die endlich von einem Epithel schöner Zellen von fast cubischer Form überkleidet ist. Dieses Epithel setzt sich unter gelegentlicher Aenderung seines Characters in alle Hohlräume des Geschlechtsapparates fort, in Antrum, Vagina, Receptaculum se- minis, Oviduct, überzieht äusserlich den Penis und kleidet dessen Canal aus. Das merkwürdigste Bild gewährt die Längsmuskelschicht des Penisbeutels auf dem Querschnitt durch das ganze Organ (Fig. 17). Die Muskelfasern sind nämlich nicht gleichmässig dicht zu einer ein- heitlichen Lage zusammengereiht, sondern zu Blättern vereinigt, die radiär auf der Ringmuskellage stehen, breiter sind an der Peripherie und keilförmig verschmälert nach dem Centrum zu. Bei dieser An- ordnung reicht fast jedes Muskelblatt von aussen bis innen, und nur selten sind auf dem Querschnitt Blätter zu beobachten, welche nicht die ganze Dicke durchsetzen. Fig. 18 giebt ein stark vergrössertes Bild von fünf derartigen Muskelblättern, in denen die Querschnitte der einzelnen Faserbündel erkennbar sind. Die innere Ringmuskulatur zeigt einen gleichartigen fibrillären Bau. Zwischen den einzelnen Blättern der Längsmuskulatur des Penis- beutels liegt ein sehr feines fibrilläres Bindegewebe ohne Kerne; die wenigen Kerne, welche man hie und da bemerkt, sind identisch mit den Kernen der Zellenlage, welche äusserlich den ganzen Penisbeutel in mehrfacher Schicht umhüllt; es sind einzelne dieser Zellen in die Tiefe gerückt. Welchen morphologischen Werth aber diese Zellen haben, vermag ich nicht mit voller Sicherheit anzugeben ; dass sie nicht zu den Muskelfasern gehören, ist zweifellos, denn es sind nicht etwa Kerne der zu Muskelfasern umgewandelten Elemente, sondern echte Zellen von birnförmiger Gestalt, die ihre Fortsätze zwischen die radiären Muskelblätter hin aussenden. Der Gestalt nach könnte man sie für Drüsenzellen halten, aber ich habe nicht die geringste An- deutung von Ausführungsgängen gesehen, die doch die Ringmuskel- schicht durchbohren und daselbst deutlich sein müssten, auch wenn man sie zwischen den Muskelblättern nicht bemerken könnte. Es bleibt mir nur übrig, anzunehmen, dass es eine besondere Art von Binde- gewebe ist, die den starken Penisbeutel mit dem umliegenden Gewebe vereinigt. Diese Deutung hat wohl die meiste Wahrscheinlichkeit für sich. Der Penis selbst besitzt nur schwache und anders angeordnete Muskelschichten; ihm fehlt vor allem die Längsmuskulatur ; äusserlich ist er von dem Epithel überzogen, welches auch den Penisbeutel aus- 462 | Dr. J. KENNEL, kleidet, und dasselbe Epithel schlägt sich an seiner Spitze um und kleidet den engen Canal aus, den das Sperma zu passiren hat. In der Nähe der Spitze findet man nun zwischen beiden Epithelien eine Ringmuskelschicht, zwischen welche sich aber von hinten her bald ein zelliges Bindegewebe einschiebt, so dass dadurch im mittleren und hinteren Theil des Penis eine äussere und eine innere Ringmuskellage von einander geschieden werden. Die äussere Ringmuskulatur steht an der Penisbasis mit der Ringmuskelschicht des Penisbeutels in Zu- sammenhang, die innere bekleidet den Ductus ejaculatorius durch den Grund des Penisbeutels hindurch bis zur Vereinigungsstelle der Vasa deferentia. Die Bindegewebsschicht steht in Zusammenhang mit dem äusseren Zellenbelag des Penisbeutels, der sich am Grunde des letzteren, der Ringmuskulatur des Ductus jaculatorius folgend, umschlägt und als ringförmige Schicht in den Penis eindringt, aber dessen Spitze nicht erreicht. Dieser Zusammenhang spricht für die bindegewebige Natur des äusseren Zellenbelags (cf. Fig. 15). Bei der geschilderten Structur des Penis und seines Behälters kann die Wirksamkeit des ersteren während der Begattung nicht ge- nau dieselbe sein wie bei den Planarien mit stark muskulösem Penis und schwacher Muskulatur des Penisbeutels. Die letzteren verlängern ihr Begattungsorgan ganz ausserordentlich, so dass es weit zur Ge- schlechtsötfnung herausgestreckt werden kann; dabei krümmt es sich nach vorn und dringt in die Vagina und in das Receptaculum seminis des anderen Thieres ein bei einer Lage der beiden Individuen, die schon von BAER!) ganz richtig abgebildet wurde: die Thiere legen sich entweder in der ganzen Länge, oder wenigstens mit der hinteren Körperhälfte, Bauch an Bauch, so aneinander, dass die Hinterenden nach der gleichen Richtung liegen. Die zwei sich begattenden Indi- viduen der Pl. alpina vereinigen sich dagegen so (nach einer Be- . obachtung, welche Dr. Vorcar erst nach meiner Abreise von Würzburg machte), dass sie ihre Bauchseiten flach aneinander legen und nach entgegengesetzten Richtungen hinsehen; beim Vorstrecken des Penis wirkt wohl dessen Ringmuskulatur mit, das Organ zu verlängern; hauptsächlich aber ist es die Längsmuskulatur des Penisbeutels, welche durch mächtige Contraction das ganze eiförmige Gebilde derart ver- kürzt, dass der Längsdurchmesser ganz kurz wird und so die Ansatz- stelle des Penis selbst schon in die Nähe der Geschlechtsöffnung 1) Beiträge zur Kenntniss der niederen Thiere; VI. Ueber Planarien ; in: Nov. Act. Caes. Leop. Car. Nat. Curios, 1827. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 463 vorschiebt. Bei dem Mangel einer Längsmuskelschicht kann der Penis keine selbständige Krümmung machen und wird in der angegebenen Lage der beiden Thiere geradegestreckt in das Receptaculum seminis eindringen können. In der contrahirten Form wird der Penisbeutel sehr oft conservirt. Das Wassergefässsystem, das in neuerer Zeit bei Planarien etwas genauer bekannt geworden ist, weicht bei Pl. alpina im Allgemeinen nicht von dem ab, was Iısıma von Dendrocoelum schildert; auch hier sind auf Schnitten, besonders im vorderen Körpertheil, die Gefässe deutlich zu erkennen, ebenso die von den knäuelartigen Aufwickelungen und Verzweigungsstellen dorsalwärts aufsteigenden Kanäle, die sich zu den Excretionsporen begeben. Diese sind unregelmässig auf der dorsalen Oberfläche zerstreut, und abweichend von Dendrocoelum finden sich regelmässig ein oder auch zwei Pori vor den Augen. Was die Structur der Canäle anlangt, so ist man, wie es scheint, allgemein der Ansicht, dass dieselben aus durchbohrten, hintereinander gereihten Zellen zusammengesetzt sind. Auf Schnitten erkennt man, gleichviel ob man ein Gefäss quer oder längs getroffen hat, dessen Wandung als einen homogenen Protoplasmasaum, in den von Stelle zu Stelle ein rundlicher, feingranulirter Kern eingelagert ist. Zellgrenzen habe ich weder auf Quer- noch auf Längsschnitten sehen können, obwohl bei letzteren oft Gefässstrecken getroffen waren, in deren Wandung zwei bis drei Kerne einander folgten. Es wird daher schwer zu entscheiden sein, was zu einem Zellengebiet gehört; die Anschauung von den durchbohrten Zellen, die auch noch anderwärts vorkommen sollen (z. B. in den Segmentalorganen und den Larvenexcretionsorganen der Blutegel), will mir indessen nicht recht einleuchten. Da die Zellgrenzen durch völlige Verschmelzung der sich berührenden Zellenränder ver- schwunden sind, so scheint es mir viel natürlicher, und in das, was wir sonst über die Gestaltungen der Zellen und Epithelien mit Sicher- heit wissen, besser passend, wenn man annimmt, die Canäle bestehen aus einer Reihe hintereinander liegender Zellen, deren jede sich so gekrümmt hat, dass sie den ganzen Umfang des Canals umgreift; an der Berührungsstelle der Ränder trat, ebenso wie zwischen den Nach- barzellen völlige Verschmelzung ein, so dass Nähte nicht mehr zu sehen sind. Das Resultat ist das nämliche, wie bei der Durchbohrung hintereinander gereihter Zellen, aber es ist doch immer eine Aussen- fläche der Zellen, welche das Canallumen begrenzt, und die Geisseln oder Wimpern, die sich finden, stehen gleichfalls auf dieser Aussen- fläche und nicht im Innern durchbohrter Zellen; es ist dann leicht, Zoolog, Jahrb, II], Abth. f, Morph, Sil 464 Dr. J. KENNEL, die Structur solcher Canale mit „einreihigem“ Epithel auf die- jenigen mit „zweireihigem‘ (Speicheldrüsen, Sericterien und MarrıiGHt'sche Gefässe vieler Arthropoden) und auf die mit viel- reihigem Epithel zu beziehen; auch die Entstehung der Excretions- gefässe ist einfacher und leichter vorstellbar als bei der Annahme der durchbohrten Zellen ; sie sind dann nichts anderes, als canalartige Lücken, welche von einzelnen begrenzenden Zellen in der angegebenen Weise ausgekleidet worden sind und so ihr einfachstes Epithel erhielten. Bezüglich des Nervensystems will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich an vielen Exemplaren, nachdem sie gefärbt und in Terpentin oder Nelkenöl durchsichtig gemacht worden waren, deutlich bemerken konnte, dass diejenige Commissur der Längsnerven, welche unmittelbar hinter der Mundétinung liegt, beträchtlich stärker war als alle übrigen sehr zahlreichen. Ist dies Verhalten constant, woran ich nicht zweifle, se wäre hiermit eine dem Schlundring von Microstoma vergleichbare Bildung gegeben ; rückt die Mundöffnung in die Nähe des Vorderendes, so verschwinden alle vorhergehenden Quercommissuren der Längs- nerven; das Gehirn liegt dann unmittelbar über dem Schlund und unter demselben die erste (eventuell einzige) Quercommissur, die bei der Verkürzung des präoralen Nervenabschnitts direkt aus dem Hinter- rand des Gehirns entspringt. Jedenfalls verlohnt es sich der Mühe, bei weiteren Planarienuntersuchungen auf ein ähnliches Verhalten zu achten, da sich daraus unter Umständen weitere Consequenzen für das Zu- standekommen des Schlundringes höherer Thiere ziehen lassen. Die anderen Turbellarien, über welche ich in Folgendem noch einiges mittheilen möchte, stammen aus Trinidad, der südlichsten der westindischen Inseln, der Orinocomündung gegenüber gelegen, wo ich sie im Jahre 1832 und 1883 gesammelt habe. Soweit ich aus der mir zugänglichen Literatur entnehmen kann, sind dieselben als neue Arten in die Wissenschaft einzuführen. Ueber einige derselben gab ich bereits früher +) kurze biologische Notizen, so dass ich mich hier auf die Beschreibung der Species und die Darstellung der anatomischen und eventuell histologischen Verhältnisse beschränken kann. Es ge- hören hierher zwei dendrocoele und einige rhabdocoele Turbellarien des süssen Wassers. Die erste derselben, welche den Namen Planaria aurita führen soll, fand ich in grosser Zahl in einem steinernen Bassin, 1) Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad, in: Arb. zool, Inst. Würzburg, Bd. 6, Untersuchungen an neuen Turbellarien. 465 das auf der Savanne von Port of Spain Trinkwasser für das weidende Vieh enthält; später auch m Tümpeln und kleinen Bächen in der Umgebung der Stadt auf den nächsten Anhöhen, zwei Exemplare auch unter Steinen im Arima River; doch beruht die Identification letzterer nur auf dem gleichen anatomischen Bau, im Leben waren einige Unter- schiede, freilich geringfügiger Art, zu bemerken. Die Thierchen sind sehr beweglich, stark contractil und verlängerbar; theils krochen sie an den Wänden des Wasserbeckens, theils auf dem Bodenschlamm schnell umher; zahlreiche Individuen waren auch im Schlamm selbst ver- borgen. Die Gestalt der Thiere ist schlank, lanzettförmig, hinten zu- gespitzt; Vorderende fast dreieckig mit scharfer Spitze, die Basis des Dreiecks in zwei spitze, querstehende Tentakel ausgezogen. Letztere setzen sich von den Kopflappen schärfer ab, als vom Rumpf; sie werden beim Kriechen aufgerichtet getragen. Die Augen sind gross, nierenförmig, schwarz, liegen in der Höhe der Tentakel, nahe beisammen, jedes nach aussen von einem grossen hellen Fleck umgeben, wodurch der Eindruck erzeugt wird, als schielten die Thiere sehr stark. Die Farbe wechselt etwas je nach dem Füllungsgrad und dem Inhalt des Darmes; gewöhnlich ist sie bräunlichgelb, mit hellerer Rückenlinie und Seitenrändern. Unter schwacher Vergrösserung setzt sich die Färbung folgendermaassen zusammen. Die Grundfarbe ist ein blasses Isabell- gelb, das an den Rändern des Körpers, in der Mittellinie, in den Tentakeln und dem Kopflappen, sowie den Stellen seitlich von den Augen rein erhalten ist. Auf allen übrigen Theilen des Rückens ist dieselbe verdunkeit durch braune und braungelbe Pigmentpünktchen, die gegen die Mittellinie hin stärker angehäuft sind als an den Seiten. Besonders dunkel, fast schwarzbraun erscheinen die Conturen des sehr langen Schlundes und der Geschlechtsorgane durch Pigment, welches tiefer im Parenchym, in den Wandungen des Schlundsackes und Penis- beutels sich findet. Manche Thiere waren dunkler, bis braun, die aus dem Arima River waren braun, die Tentakel deutlich, aber stumpf. Länge im ausgestreckten Zustand 10—12 mm. Beim Tödten der Thiere in irgend einem Reagens ziehen sich die Tentakellappen stark zusammen und bilden dann nur schwache stumpfe Hervorragungen an den Seiten des Vorderendes. Bei einer durch Dr. EHRENREICH in Brasilien gesammelten Planarie sind dagegen auch am conservirten Thier die Tentakel lange, seitlich vorstehende, etwas aufgerichtete Spitzen, was auf eine sehr beträchtliche Länge dieser Gebilde im lebenden Zustande schliessen lässt. Leider hat keines der vorhandenen Exemplare auch nur Anlagen von Geschlechtsorganen, SLs 466 Dr. J. KENNEL, so dass eine Schilderung nicht verlohnt, da ohne Kenntniss des lebenden Thieres eine Identificirung doch nicht möglich wäre. Doch auch bei unserer Pl. aurita zeichnen sich die Tentakel im conser- virten Zustand aus durch den gänzlichen Mangel der Stäbchen, durch höheres, schönes Epithel und die starke Versorgung mit Nerven, die als breites Ganglien-belegtes Band vom wohl entwickelten Gehirn in dieselben ausstrahlen. Bei jener brasilianischen Planaria findet man sogar an der Ansatzstelle der Tentakel eine schmale grubenartige Vertiefung, die ganz den Eindruck wie die Seitengrübchen mancher Rhabdocoelen machen. Da die Tentakel bei Pl. aurita sowohl als auch bei Pl. alpina beim Kriechen aufgerichtet werden, die Tentakel bei vielen Seeplanarien auf der Rückenfläche stehen und sonach weder mit der Unterlage noch mit entgegenstehenden Hindernissen zuerst in Be- rührung kommen, ausserdem am Vorderrande des Körpers steife Tast- haare eine allgemeine Verbreitung haben, so ist es kaum wahrschein- lich, dass die Tentakel der Sitz besonders entwickelten Tastsinnes seien. Viel wahrscheinlicher scheinen sie mir, ebenso wie der stäbchen- freie Kopfrand anderer einheimischer Planarien und die stäbchenfreien Stellen am Kopf ausländischer Planarien !), der Sitz des Geruchssinnes (oder wenn man will, da sie im Wasser leben, des Geschmackssinnes) zu sein. Dass die Planarien eine Beute, z. B. todte Insecten, ver- wundete Schnecken, auf grössere Entfernungen wahrnehmen, wobei ihnen der Gesichtssinn durchaus nicht zu Statten kommen kann, lässt sich jederzeit an beliebigen Planarien im Aquarium demonstriren. Dutzende dieser Thiere, vorher in völliger Ruhe in allen Ecken des Aquariums klebend, werden mobil, sobald an einer Stelle ein Stück- chen geronnenes Blut, ein zerdrückter Regenwurm etc. ohne Störung des Ganzen hineingelegt wird; sie ziehen, zuerst die zunächst sitzenden, später die entfernteren, das Vorderende nach beiden Seiten fortwährend bewegend (wie schnuppernd), mit grosser Sicherheit in die Nähe der Beute; dass ihre Augen ihnen dabei nicht helfen, geht daraus hervor, dass sie oft dicht am Bissen vorbeikriechen, offenbar weil sie bei der dichten Anhäufung der für sie wahrnehmbaren Moleküle die Richtung, von wo der Strom ausgeht, nicht unterscheiden können. Solche irr- geleitete Individuen kehren aber sofort um, wenn sie aus der dichtesten Wolke dieser Theilchen sich entfernt haben. Schon die Bewegungen des Kopfes und der Tentakel bei diesem Suchen machen es höchst 1) Kenner, Die in Deutschland gefundenen Landplanarien ete., in: Arb, zool. Inst. Würzburg, Bd. 5. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 467 wahrscheinlich, dass die von mir erwähnten Stellen der Sitz des Ge- ruchssinnes sind, und ich bin jetzt mehr als je geneigt, diese Stelle den Seitengrübchen oder Wimpergruben der Rhabdocoelen und den Kopforganen der Nemertinen als homolog zu betrachten, wie ich es früher schon ausgesprochen habe. Ueber letzteren Punkt werde ich wohl an anderer Stelle mich näher auszusprechen Gelegenheit haben. Für diese Homologie spricht sich übrigens auch IrsımA aus, der aber die betreffenden Stellen gerade für Tastapparate anspricht (selbst bei Nemertinen!), obwohl er die vereinzelten starren Haare, welche die Cilien um das mehrfache überragen, wohl kannte !). Die Geschlechtsorgane der Pl. aurita weichen nicht von dem be- kannten Schema ab; Fig. 21 stellt einen medianen Längsschnitt durch dieselben dar, während Fig. 22 eine Totalansicht nach einem durch- sichtig gemachten conservirten Thier giebt. Bemerkenswerth ist allen- falls der kurze Gang des Receptaculum seminis und das weite Lumen des Penis. Letzterer ist ein kurzer, stumpf conischer Zapfen, der mit dicker, muskulöser, zwiebelförmiger Wurzel dem Körperparenchym ein- gefügt ist und mit seiner halben Länge frei in das Lumen des weiten Penisbeutels hineinragt. Der Penisbeutel ist nicht muskulös, der Penis selbst besitzt Ring- und Längsmuskelschichten, die indessen keine grosse Mächtigkeit erreichen. Das Lumen des Penis ist, wie erwähnt, auffallend weit und verbreitert sich gegen die Penisbasis hin in zwei Schenkel, wodurch es, von oben gesehen, herzförmig aussieht (Fig. 22). In den Grund dieser Ausbuchtungen münden die Vasa deferentia, nachdem sie zu schwach gewundenen Samenblasen angeschwollen sind. Der Gang des Receptaculum seminis vereinigt sich mit dem Geschlechts- antrum ganz in der Nähe der äusseren Geschlechtsöffnung, und eben dort münden von den Seiten her die Oviducte ein. Die sehr zahl- reichen Hoden nehmen die Ventralseite des ganzen Körpers vor und hinter der Geschlechtsöffnung ein; sie liegen zwischen allen Darm- schenkeln und lassen keine Anordnung in zwei Hauptreihen erkennen, wie dies z. B. bei Pl. alpina, besonders in jüngeren Exemplaren, un- gemein scharf ausgesprochen ist. In den „biologischen und faunistischen Notizen aus Trinidad“ er- wähnte ich kurz einer Planarie, welche sich durch Quertheilung ver- mehrt und keinerlei Anlagen von Geschlechtsorganen aufweist, soweit 1) Für den Sitz der Geruchsorgane bei Nemertinen hält die Seiten- organe neuerdings auch DEwoLerzxy: „Das Seitenorgan der Nemertinen“, in: Arb, zool. Inst. Wien, Bd, 7, 468 Dr. J. KENNEL, das damals am frischen Thier constatirt werden konnte. Unterdessen hat auch ZACHARIAS!) an einer deutschen Planarienart diese bis dahin niemals ganz sicher gestellte Fortpflanzungsweise beobachtet, und ganz neuerdings hat BERGENDAL?) auch für Landplanarien, speciell Bipa- lium, ein gleiches Verhalten zu beobachten geglaubt. Ueber letztere Angaben werde ich mir weiterhin einige Bemerkungen erlauben, nach- dem ich die Planarie von Trinidad beschrieben und die Vorgänge bei der ungeschlechtlichen Vermehrung geschildert habe. Unsere Planarie, welche ich Pl. fissipara n. sp. nennen will, ist ein kleines Thierchen von höchstens 8 mm Länge; dabei ist indessen nicht ausgeschlossen, dass bei dem eventuellen Eintritt der Geschlechts- reife die Thiere eine beträchtlichere Grösse erreichen möchten, was jedoch unwahrscheinlich ist. Die Gestalt ist langgestreckt bandförmig, an beiden Enden abgerundet, vorn stumpfer als hinten, der Körper in der ganzen Länge gleich breit, nur gegen das Hinterende hin schwach verschmälert, der Rücken gewölbt, der Bauch flach. Die Färbung ist schwach rosenroth mit dunkel durchscheinendem, verästeltem Darm, dessen Zweige kurz, dick und dicht gedrängt sind; die von den Haupt- ästen abtretenden primären Zweige sind selten abermals getheilt, sondern nur gelappt. Etwa im Centrum des Thieres scheint das kurze Schlundrohr durch. Bei stärkerer Vergrösserung bemerkt man auf der Rückenseite zahlreiche kleine verzweigte braune Pigmentfleckchen. Die Darmschenkel reichen nicht bis zum Vorderende, sondern nur bis zu den beiden Augen, die sehr nahe beisammen etwa um Körper- breite vom Vorderende entfernt liegen, jedes in einem grossen pigment- freien Fleck; sie liegen so nahe beisammen, dass diese beiden hellen Flecke einander fast berühren und nur durch einen sehr schmalen Pigment- streifen getrennt sind. Geschlechtsorgane sind, wie erwähnt, nicht zu bemerken und auch auf Schnitten in keiner Weise zu erkennen; es giebt weder Ovarien, noch Hoden, noch äussere Geschlechtswerkzeuge ; in dieser Beziehung gleichen unsere Planarien den Jugendstadien der gewöhnlichen Süsswasserdendrocoelen , bei denen auch lange Zeit hin- durch jede distincte Anlage der Generationsorgane fehlt. Ausser diesen beschriebenen Thieren findet man nun in grosser Zahl solche, welche die Vorbereitung zu einer Quertheilung getroffen haben. Hinter dem Mund sieht man eine Einschnürung, die sich be- 1) Ueber Fortpflanzung durch spontane Quertheilung bei Süsswasser- planarien, in: Z. f. w. Z., Bd. 43, 2) In: Zool. Anz, No. 249, Zur Kenntniss der Landplanarien. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 469 sonders an den Seitenrändern bemerkbar macht, und erst später auch eine Querfurche auf Rücken und Bauch bedingt; dahinter liegen, ziem- lich auseinandergerückt zwei Augenflecke, und noch weiter hinten, etwa da, wo man bei einer andern Planarie die Geschlechtswerkzeuge suchen würde, ein kurzes Schlundrohr, im vorgeschrittenen Stadium bereits mit einer Mundöffnung (Fig. 5). Erst wenn letztere vorhanden ist, wird die Einschnürung zwischen vorderem und hinterem Individuum tiefer und tiefer, und endlich tritt die Ablösung ein; dergleichen Vor- gänge konnte ich an lebenden Individuen unter dem Mikroskop ver- folgen. Sie sind in hohem Grade charakteristisch als Vorbereitungen zur Vermehrung durch Theilung, und auch ZACHARIAS hat an seiner Planarie Aehnliches beobachtet. Nicht so BERGENDAL bei Bipalium. Hier zerbrechen die Thiere, entweder auf einen äusseren Anreiz hin, oder, ‘wie wenigstens BERGENDAL meint, auch ohne solchen in zwei oder drei Stücke und jedes Theilstück regenerirt sich zu einem ganzen Thier. Mir scheint das ein ganz anderer Vorgang zu sein, der nicht in die Kategorie der Vermehrung durch Theilung gehört, sondern zur Rubrik der Regeneration verlorener Theile, ähnlich wie die Regeneration zerschnittener oder zerbrochener Regenwürmer, oder ab- getrennter Seesternarme zu vollen Thieren. Dass das Zerbrechen solcher Thiere ein ganz freiwilliges, man erlaube den Ausdruck, ein zum Zwecke der Fortpflanzung erfolgendes und die aus der Rege- neration resultirende Vermehrung also eine für die Art normale ist, wage ich zu bezweifeln. Betrachten wir zunächst die Art und die Umstände dieser Vermehrung. Man beobachtet im Gewächshaus, also unter Bedingungen, welche für die Thiere vielleicht ziemlich zusagende, aber keine normale sind, eine grössere Menge junger Bipalien, theils ohne, theils mit unvollkommen ausgebildeten „Köpfen“ ; die Thiere waren nicht geschlechtsreif. Auch in Aquarien gehaltene, nicht genügend gefütterte Süsswasserplanarien halten sich sehr lange, ohne ihre Geschlechtsorgane zu entwickeln ; ich hielt solche über ein Jahr lang. Mit der Scheere zerschnittene Thiere regenerirten sich zu ganzen, ein Vorgang, der längst von anderen Planarien bekannt und beschrieben wurde (cf. DALYELL etc.). Als selbständige Quertheilung sieht BERGENDAL an, wenn Thiere, denen er ziemlich grosse Kopfstücke abschnitt, nun ihrerseits auch vom restirenden Hinterende ein Stück abschnürten und alle drei Theile sich regenerirten. Ich halte doch den erwähnten Ein- griff für so gewaltig, dass es nicht Wunder nehmen darf, wenn die gequälten Thiere unter heftigen Contractionen des Körpers in Stücke zerbrechen ; auch Nemertinen schnüren sich oft genug, beunruhigt oder 470 Dr. J. KENNEL, misshandelt, derart ein, dass sie in mehrere, manchmal in zahlreiche Stücke zerbrechen, von denen manche sich regeneriren. Aber noch Niemand hat das für eine spontane Theilung und normale Vermehrung angesehen. BERGENDAL fand auch unter einem umgestülpten Blumen- topf, der zwei bis drei Wochen unberührt gestanden hatte, drei Theil- stücke eines Bipalium mit Regenerationsanfängen, die noch so jung waren, dass die Theilung erst vor wenigen Tagen stattgefunden haben konnte; hier musste also eine spontane Theilung vorliegen. Wer die Land- planarien in ihrer Heimath und in der Freiheit zu beobachten Gelegenheit hatte, wird wissen, wie viel zarter und vergänglicher die meisten Arten sind als ihre Verwandten aus dem süssen Wasser, welche unbedeutenden Störungen die Thiere veranlassen, sich gewaltsam zu contrahiren, zu zer- brechen, sich in Schleim aufzulösen. Eine zu grosse Menge von Feuch- tigkeit, welcher die Thiere nicht ausweichen können, zu bedeutende Trockenheit, die rasche Berührung mit anderen Thieren, einfaches Ent- fernen ihres Schlupfwinkels und dergl. genügen, die Thiere zu verletzen, und zwar nicht nur ungeschlechtliche, schlecht genährte, sondern ge- schlechtsreife, grosse und kräftige Individuen. Nun ist trotz der Unge- störtheit unter dem Blumentopf doch das Zusammentreffen eines Bipalium mit Scolopendern, Asseln, Regenwürmern, Käfern etc. durchaus nicht aus- geschlossen; der Biss eines Scolopenders mag hinreichen, ein Thier zum Zerbrechen in mehrere Theile zu veranlassen. Dass sich jeder Theil wieder regenerirt, ist interessant, beweist die Zähigkeit und Regenerationsfähigkeit, erhält die Art und bedingt eine Vermehrung. Auch das Abbrechen des Eidechsenschwanzes und der Krebsscheeren ist der Erhaltung der Art günstig — eine Vermehrung resultirt daraus freilich nicht, wohl aber geschieht das bei vielen Seesternen und Polypen bei Verlust von Körpertheilen. Aber man kann dieses Zer- fallen und Regeneriren nicht identificiren mit der oben geschilderten Vermehrung oder Fortpflanzung durch Theilung, wo vorher eine ganze Reihe von Neubildungen und Knospungserscheinungen sich geltend machen, die dazu führen, dass aus einem Individuum zwei werden, die sich erst trennen, nachdem jedes mehr oder weniger vollständig ge- worden ist. Solche Vorgänge kennen wir bei Rhabdocoeliden, (Micro- stoma, Stenostoma), Anneliden, Coelenteraten etc., von den Protozoen ganz abgesehen. Ueberall Vorbereitungen in ganz bestimmter Richtung, die zu bestimmtem Resultat führen. Die neu erzeugten Individuen sind sofort oder bald nach ihrer Ablösung, im Besitz aller nöthigen Organe, zu selbständigem Leben, zur Ernährung befähigt. Nicht so bei der pathologischen Quertheilung der Bipalien, anderer Planarien, Untersuchungen an neuen Turbellarien. Add der Regenwiirmer, Lumbriculus, der Abtrennung der Seesternarme etc. Selbst wenn diese Vorgänge spontan eintreten würden, was ich nicht glaube, so wäre das Resultat der Vermehrung doch ein äusserst un- sicheres, da wohl die grösste Mehrzahl der mundlosen Theilstücke zu Grunde geht und nur ein kleiner Procentsatz auf Kosten aufgespeicherter Nahrungs-Reserve unter gewissen Bedingungen der Regeneration zu ganzen Thieren fähig ist. Die Häufigkeit solcher regenerirter Indi- viduen zeigt nur die zahlreichen Störungen, denen manche Thiere aus- gesetzt sind, die grosse Regenerationsfähigkeit der letzteren, die sie befähigt, den Kampf ums Dasein dennoch erfolgreich durchzukämpfen. Keinesfalls aber darf man beide Vorgänge in das nämliche Kapitel einreihen !). Kehren wir nach dieser Abschweifung zurück zur genaueren Be- trachtung der Anatomie und der Vorgänge bei der Theilung der Pl. fissipara. Fig. 19 zeigt einen medianen Längsschnitt durch ein solches Thier, der nur im vorderen Theil ein klein wenig aus der Median- ebene herausliegt, so dass ein Auge getroffen wurde — eine ganz ge- ringfügige Abweichung, da die Augen so sehr nahe beisammen liegen. Das Gehirn (g), ist gross, wohl ausgebildet und durch den Belag grosser Ganglienzellen, besonders auf der Dorsalseite ausgezeichnet. Noch grösser sind die Ganglienmassen mehr lateralwärts und hier begleiten sie die Ursprünge der Längsnerven eine gute Strecke, wodurch das Gehirn deutlich zweilappig, mit nach hinten gerichteten Zipfeln, wird. Bei g! sieht man dann den Querschnitt einer der zahlreichen, aber sehr feinen Quercommissuren der Längsnerven, der sich durch be- deutende Stärke und durch den Belag von Ganglienzellen auszeichnet; das ist die Commissur des sich neu bildenden Gehirns des hinteren Thieres. Fig. 20 ist ein entsprechender Querschnitt durch ein anderes Individuum auf derselben Entwicklungsstufe. Hier haben sich lateral von den Längsnervenstämmen, die durch eine starke Commissur ver- bunden sind, grosse Massen von Ganglienzellen angesammelt, zunächst noch durch die ganze Breite des Körpers von einander getrennt, später rücken sie unter Verstärkung der Commissur näher zusammen und vereinigen sich zum neuen Gehirn in der Mittellinie. Wahrscheinlich tritt eine Verkürzung der Commissur dabei nicht ein, sondern die Ganglienzellen bedecken unter starker Vermehrung auch die mittleren Theile der immer stärker werdenden Commissur. Woher diese Ganglien- 1) Vergl. hierüber meine unterdessen erschienene Abhandlung: „Ueber Theilung und Knospung.“ Festrede, Dorpat 1887. 472 Dr. J. KENNEL, zellen kommen, weiss ich nicht; ob sie durch Vermehrung schon vor- handener, die Längsnerven begleitender Ganglienzellen entstanden sind, oder ob sie als Neubildungen aus indifferenten Mesodermelementen her- vorgehen, muss ich dahingestellt sein lassen, obwohl mir das letztere wahr- scheinlicher ist, weil es dem Vorgang bei Neubildung des Schlundes ent- sprechen würde. Die Augen treten zuerst als kleine Pigmentansammlungen auf. Der neue Schlund entsteht ganz in derselben Weise aus Meso- dermelementen, wie dies für den Embryo durch lima +) nachgewiesen worden ist. In dem Mesodermgewebe, das die beiden hinteren Darm- schenkel von einander trennt, tritt eine starke Entwicklung indifferenter Zellen auf, wodurch die Darmäste selbst auseinander gedrängt werden. In dieser Wucherung bildet sich dann ein quer und senkrecht stehender Spalt, welcher sich zu einer Höhle erweitert, deren hintere Wand von einer einzigen Zellenlage gebildet wird, während an der vorderen ein Zellenpfropf von vorn nach hinten ins Lumen vorspringt. Die Höhle ist die neue Schlundtasche, der Pfropf die Anlage des Schlundes. Letztere ist direct von vorn nach hinten gerichtet und nicht schräg nach unten geneigt, wie beim Embryo von Dendrocoelum lacteum nach Irma. Nun differenciren sich die Zellen des Schlundpfropfes in Bindegewebe und Muskellagen, von hinten nach vorn tritt ein Canal im Innern auf, der schon mit einem Epithel ausgekleidet ist, bevor es sich nach vorn in den Darm öffnet, woraus mit Sicherheit hervorgeht, dass auch das Epithel der Schlundröhre wie der ganze Schlund und die Schlund- tasche Mesodermgebilde ist, was Inia bei Dendrocoelum unentschieden liess. Noch ist keine äussere Mundöffnung durchgebrochen. Diese entsteht zugleich mit dem Durchbruch der Schlundröhre nach dem Darm zu, wobei sich das Körperepithel ein wenig einsenkt, so dass die Auskleidung des ungemein kurzen Mundtrichters der Epidermis entstammt. Der Schlund selbst kann jedoch erst in Communication mit dem Darm treten, wenn die vor ihm liegenden beiden Darm- schenkel des Thieres zu einem einzigen präoralen Darm verschmolzen sind; das geschieht durch Verdrängen und Resorption des trennenden Körperparenchyms; auf diese Weise entsteht vom neuen Gehirn an bis zum Schlund ein einziger Darmschenkel mit den Blindsäcken der früheren beiden, und hinter dem Schlund werden die doppelten Darm- schenkel erhalten. Während dieser Vorgänge wird die Einschnürung unmittelbar vor dem Gehirn des hinteren Individuums tiefer und tiefer, die Darmcommunication verschwindet, beide Thiere können schon selb- 1.) 1.06, Untersuchungen an neuen Turbellarien. 473 ständig Nahrung aufnehmen, und endlich tritt die Trennung und so- fortige Verheilung der Narben ein. Die gegebene Schilderung stimmt gut mit dem, was ZACHARIAS beobachtet hat, überein. Bevor ich die Schilderung der in Vorstehendem behandelten Süss- wasserdendrocoelen schliesse, möchte ich noch Einiges über die von v. GrAFF!) als „Rhabditen“ bezeichneten Stäbchen der Haut und des subcutanen Bindegewebes erwähnen, da ich bezüglich dieser Gebilde die vielfach verbreiteten Anschauungen nicht zu theilen vermag. Zu- nächst sei hervorgehoben, dass deren Gestalt durchaus bei ein und demselben Thier nicht so gleichartig ist, wie Ima angiebt, sondern dass bei vielen Arten scharf mindestens zweierlei Formen, wie ich sie früher ?) abgebildet habe, zu beobachten sind, was auch BERGENDAL bestätigt. Die Lage, Bildungsweise und Vertheilung ist von IısımA in ausreichender Weise mitgetheilt, und ich habe nichts wesentlich Neues zu bringen; dass kleine Verschiedenheiten bei den einzelnen Arten vorkommen, darf ja nicht wundern. Ueber ihre morphologische Wichtigkeit und physiologische Bedeutung aber sind sehr mannigfache Anschauungen geäussert worden. Nach v. GRAFF sollen sie den Nessel- kapseln mancher Rhabdocoelen, z. B. Microstoma, homolog sein, und es soll eine ganze Reihe von Uebergängen zwischen beiden Gebilden geben. Der Umstand, dass es in der Reihe der Turbellarien ebenso wie bei den Coelenteraten verschieden hochgradig differenzirte Nessel- organe gibt, will ich in keiner Weise in Abrede stellen, da mir dies- bezügliche Beobachtungen nicht zu Gebote stehen. Aber ich bezweifle, dass die Rhabditen der Tricladen und vieler Rhabdocoelen mit den- selben in engere Beziehung gebracht werden dürfen. Die Nessel- kapseln entstehen als höchst merkwürdige Umwandlungsprodukte des Protoplasmas einzeln in den Zellen, in welchen sie bis zum Gebrauch liegen bleiben, und zwar im Epithel selbst (wenigstens bei den Tur- bellarien); sie rücken nicht aus ihren Mutterzellen heraus in andere Gewebe und Zellen ein. Von den Rhabditen dagegen ist ihre Ent- stehung in flaschenförmigen, drüsenähnlichen Zellen in den tieferen Schichten des Bindegewebes, und ihr Herausrücken in oder auch zwischen die Zellen des Epithels nachgewiesen; auch wenn ein Theil der Stäbchen in den Zellen der Epidermis selbst sich bilden würde, könnte das jene andere Thatsache nicht entkräften. Die Nesselkapseln werden nicht ausgestossen, sondern ein Faden aus ihnen über die Oberfläche 1) Monographie der Turbellarien, I. Th. Rhabdocoelida. 2) a. a. 0, 474 Dr. J. KENNEL, herausgeschnellt, während die Einen von den Stäbchen behaupten, sie würden in toto aus der Epidermis herausgepresst, die Andern dagegen annehmen, sie treten unter normalen Verhältnissen niemals aus den Zellen heraus. Presst man aber die Rhabditen gewaltsam heraus, so lösen sie sich in Wasser auf. Dieses im Zusammenhalt mit der sehr verschiedenen Structur scheint mir die Homologisirung beider Gebilde sehr zu erschweren. Ich habe früher schon !) angegeben, dass die Stäbchen aus dem Körper der Planarien ausgestossen werden, und muss auf Grund zahl- reicher, an lebenden Thieren gemachter Beobachtungen diese Be- hauptung besonders Iısıma gegenüber wiederholen. Freilich muss man zur Untersuchung ganz frische, in keiner Weise beunruhigte Thiere wählen, da dieselben beim ersten unsanften Aufnehmen gleich Mengen von Stäbchen ausstossen, die sich bald auflösen, dann aber sehr vor- sichtig sind mit weiterer Abgabe. Lässt man sie aber in Uhrschälchen mit Wasser längere Zeit unbehelligt, so dass sie sich festsetzen, und stört sie dann plötzlich, so ziehen sie sich stark zusammen, machen heftige Bewegungen und suchen zu entfliehen. An der betr. Stelle aber findet man bei schneller Untersuchung Massen von Rhabditen in allen Stadien der Auflösung, und wenn man das Wasser schnell aus- giesst, findet man dort ein Klümpchen zähen Schleims, — die Stäbchen lösen sich in Schleim auf. Ich glaube, diese Beobachtung sagt genug. Die Rhabditen sind keine Tastapparate, durch deren Festigkeit die Berührung fremder Körper intensiver vermittelt würde, wie es z. B. durch die Fingernägel geschehen soll. Erstens finde ich durchaus nicht, dass die festen Fingernägel ein feineres oder intensiveres Tast- vermögen vermitteln, sondern sie schützen nur von einer Seite her die Fingerspitze oder die Fingerbeere, die ihrerseits der Sitz eines un- gemein feinen Tastsinnes ist. Dann aber fehlen gerade die Stäbchen an den Stellen, wo ein besonderes Tasten offenbar stattfindet: sie sind an der Bauchseite, die doch gerade die Beschaffenheit der Unterlage erkennen muss, sehr klein und gering an Zahl; drittens aber kennen wir besondere Tasthaare in der Gegend des Vorderendes, wo zuerst bei der Bewegung ein Tasten in Frage kommt. Die Rhabditen können auch kaum die Festigkeit und Widerstands- fähigkeit der Haut vermehren, wie Irsıma meint, denn es ist doch nicht einzusehen, warum durch Stäbchen starr und steif gemachte Zellen nicht leichter abgescheuert werden sollten durch rauhe Berührung mit I) ale te: Untersuehungen an neuen Turbellarien. 475 Fremdkörpern als weiche, nachgiebige, wie die der Schnecken! Auch sieht man, dass kaum bei einem andern kleinen Süsswasserthier so zahlreiche Verletzungen vorkommen wie gerade bei Turbellarien. Dass die Stäbchen, auch wenn sie ausgestossen werden, dennoch nicht als Reizorgan bei der Begattung functioniren können, wie SCHNEIDER !) meint, braucht wohl bei der Anordnung derselben auf dem Rücken, am Vorderende etc. gar nicht mehr betont zu werden, und der Umstand, dass selbst in der Umgebung der Geschlechts- öffnung die Stäbchen der einen Form durch Drüsenzellen ersetzt sind, macht diese Anschauung hinfällig, führt aber auf eine Meinung zurück, die KEFERSTEIN ?) schon aussprach, und die auch ich früher betonte, dass die Stäbchen geformtes Drüsensecret seien, eine Anschauung, die nicht weitere Anerkennung fand. Und doch spricht mehr als ein Um- stand dafür. Zunächst der Umstand, dass sie in der Tiefe des Körper- parenchyms in grösseren Mengen und verschiedener Gestalt in Zellen und Zellenpacketen entstehen, welche Drüsenzellen täuschend ähnlich sind, und von da an die Oberfläche befördert werden; zweitens ihre leichte Auflöslichkeit in Schleim, sobald sie mit Wasser in Berührung kommen; drittens der von mir früher hervorgehobene Umstand, dass das Drüsensecret der die Vagina oder das Genitalatrium umlagernden Drüsenzellen in conservirtem Zustand den Stäbchen sehr ähnlich ist, und endlich die Beobachtung des lebenden Thieres, die oben erwähnt wurde. Fragen wir, wozu benützt das Thier dieses condensirte Drüsen- secret, so ist die Antwort: zum Fang der Beute. Jeder Beobachter weiss, dass alle Planarien beim Kriechen fortwährend Schleim secer- niren, der entweder vom Epithel oder aus besonderen Drüsenzellen in flüssigem Zustand geliefert wird; manche scheiden solche Mengen ab, dass sie sogar Fäden spinnen, an denen sie umherkriechen; dann muss die Masse sehr bedeutend sein und darf sich nur langsam im Wasser vertheilen, und schon hierzu können solche Stäbchen dienen, die hier gelegentlich, dem übrigen Schleim beigemischt, dessen Consistenz durch langsames Aufquellen länger erhalten. Bringt man aber in ein Aquarium mit Planarien plötzlich eine grosse Menge Daphniden, so sieht man sehr bald um jede Planarie herum ganze Klumpen dieser Thiere festhängen, es sammeln sich immer mehr an, und alle werden nach und nach von den Planarien ausgesogen. Untersucht man aber 1) Untersuchungen über Plathelminthen, Giessen 1873. 2) Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte einiger See- planarien von St. Malo, in: Abhandl. kgl. Gesellsch. Göttingen, Bd. 14, 476 Dr. J. KENNEL, solche gefangene Daphnidenhäufchen, so sieht man zwischen ihnen zahllose Stäbchen in allen Stadien der Auflösung. Ich glaube, -eines schlagenderen Beweises für die Function dieser Gebilde bedarf es nicht. Und es erklärt diese Function besser als alle andern vermutheten die Thatsachen, die v. Grarr für die Auffassung ScHULTZE’s von der Natur der Stäbchen als nervöse Endapparate anführt: 1. dass die Rhabditen in lebhaften und sensibeln Gattungen höher entwickelt sind, als in trägeren, weniger sensibeln Formen, und 2., dass die bei diesen Formen besonders grossen Rhabditen an dem empfindlichen Vorder- ende des Körpers angehäuft sind. Denn ad 1 suchen jene Formen unter lebhaften Bewegungen ihre Beute auf und fangen sie mit ihrem von Rhabditen gelieferten Schleim, während die trägen auch todte Nahrung annehmen, die sie nicht festzuhalten brauchen, und ad 2 wird es gewöhnlich das Vorderende sein, mit dem sie die Beute zu- erst berühren und festhalten. Ob dieser so entstandene Schleim ätzende oder giftige Wirkungen ausübt, will ich nicht entscheiden, da hier verschiedene Beobachtungen ganz entgegengesetztes schliessen lassen. Die gefangenen Daphniden leben sehr lange, während die von Hydren festgehaltenen sehr bald bewegungslos werden; dagegen ziehen sich kleine Turbellarien, wie Mesostoma, Microstoma, Macrostoma, kleine Anneliden etc., sobald sie ruhende oder kriechende Planarien berühren, scheu zurück, während die Planarien selbst ruhig übereinander weggleiten. Fasst man eine grosse Planarie mit den Fingern an, so werden die letzteren an den betreffenden Stellen eigenthümlich rauh, die Haut wie von Alkalien angeätzt; es ist demnach sehr möglich, dass der Schleim besondere chemische Wirkungen hat. Obgleich aus diesen Auseinandersetzungen hervorgeht, dass die Planarien von ihren Rhabditen einen Gebrauch machen, welcher dem der Cölenteraten von ihren Nesselkapseln ähnlich ist, so bleiben doch | die morphologischen Verschiedenheiten bestehen, die eine Homolo- gisirung beider Gebilde zum mindesten erschweren. Freilich darf nicht vergessen werden, dass auch bei Schnecken die sonst zahlreiche Schleim- drüsen besitzen, auch ächte Nesselkapseln vorkommen, so dass die Möglichkeit, dass aus einer Schleimzelle eine Nesselzelle werde, nicht ganz abgewiesen werden kann. Die Zahl der Rhabdocoelen, welche ich bei der Durchforschung der süssen Gewässer Trinidads antraf, ist sehr gering, und auch der Individuenreichthum ist, soweit meine Erfahrungen reichen, kein grosser; von mehreren Arten fand ich nur so wenige Exemplare, dass eine Untersuchungen an neuen Turbellarien. 477 spätere genaue Untersuchung nicht mit der nöthigen Sicherheit vor- genommen werden konnte, weshalb ich dieselben ganz unberücksichtigt lassen will. Von drei Formen nur erhielt ich genügend viele Exemplare, dass nicht nur Abbildungen nach dem Leben gemacht, sondern auch an conservirtem Material ausreichende Studien angestellt werden konnten, Letztere will ich indessen nur insoweit mittheilen, als sie Neues bieten oder zur Wiedererkennung der Art unerlässlich sind. Die drei Formen, von denen die folgenden Zeilen handeln sollen, sind ein Mesostoma, ein Stenostoma und ein Prorhynchus, von denen jedes in seiner Art interessant ist. Alle drei Formen fand ich am 20. Februar und den folgenden Tagen in nicht grosser Zahl in einem Tränkteich auf einer Pflanzung an der Ostküste der Insel, der einen ungemein reichen Pflanzenwuchs zeigte und belebt war von einer unglaublichen Masse von kleinen Thieren, unter denen Amphibienlarven, kleine Crustaceen, Clepsinen, limicole Anneliden, Schnecken und Insecten, sowie deren Larven das Hauptcontingent bildeten. Das Mesostoma fiel sofort durch eine grosse Aehnlichkeit mit unserem Mesostoma ehrenbergii auf, und nur der ungeheure Raum, der zwischen dem bis dahin bekannten Verbreitungsgebiet dieser Art und dem neuen Fundort lag, hinderte mich, das Thier sofort mit diesem Namen in mein Verzeichnis einzutragen. Nachdem ich jedoch Gelegenheit hatte, das Thier anatomisch zu untersuchen und seine Organisation mit derjenigen zweifelloser Mes. ehrenbergii zu vergleichen, ist auch der letzte Zweifel an der Identität beider Formen verschwunden. Es war mir nicht möglich, auch nur die ge- ringsten Differenzpunkte, weder in Gestalt und Lebensweise noch in der Anatomie und Histologie dieses so gut bekannten Turbellars auf- zufinden. Meine Exemplare fanden sich vereinzelt, begaben sich im Sammelglas bald an die Oberfläche des Wassers, besassen einen blatt- förmigen Körper von 10—12 mm Länge, vorn verschmälert, im zweiten und letzten Drittel verbreitert und mit kurzer Spitze endigend. Dabei waren sie völlig durchsichtig mit ganz schwach gelblichem Ton, das deutlich sichtbare Nervensystem mit zwei kleinen Augenpunkten dunkler gelblich, die zwei dicken nach vorn ziehenden Nerven am Vorderende scheinbar in einander übergehend. Der Mund lag etwas vor der Mitte des Körpers, der Darm, vom Beginn des zweiten Körper- drittels bis nicht ganz zum Hinterende reichend, war dunkler gelb- braun. Die beiden Uterusäste waren angefüllt mit je einer Reihe weichschaliger Eier, in denen die Embryonen in den verschiedenen 478 Dr. J. KENNEL, Exemplaren auf allen möglichen Entwicklungsstufen standen. Hart- schalige Eier wurden nie angetroffen !). Die Bewegungen unserer Mesostomiden sind die nämlichen, wie sie auch von Mes. ehrenbergii bekannt sind; ausser dem langsamen Kriechen können die Thiere unter schnellen, flatternden Bewegungen frei im Wasser schwimmen. Da auch die Bildung der Geschlechts- organe völlig mit Mes. ehrenbergii übereinstimmt, so haben wir hier den sehr interessanten Fall einer ungeheuren Verbreitung eines wenig resistenten Thieres in den verschiedenen Klimaten, die sich nur durch eine Verschleppung der Dauereier erklären lässt, und eine enorme Anpassungsfähigkeit der Thiere fordert. Ob diese Turbellarie die Produktion hartschaliger Eier in den Tropen eingestellt hat, kann aus der geringen Zahl (ca. 20) der gesammelten Individuen und bei der kurzen Beobachtungsdauer nicht erhellen. Die Wahrscheinlichkeit ist indessen nicht gross, da sonst die Verschleppungsfähigkeit in dem Gebiet, wo solche Dauereier fehlten, eine sehr geringe wäre und die Thiere bei dem doch gelegentlich vorkommenden Austrocknen ihrer Wohnwässer nicht auf die Dauer erhaltungsfähig blieben; nur darf man hier noch weniger als sonst von „Wintereiern“ sprechen. Der Prorhynchus, dem ich den Namen Prorhynchus applanatus beilegen will (Fig. 10 u. 11) ist ein kleines, weissliches Thierchen von 3—4 mm Länge, langgestrecktem, stark abgeplattetem Körper, der überall gleichbreit ist mit Ausnahme des Vorderendes, das sich schwach verbreitert, noch stärker abplattet und vorn breit zurundet, mit schwach herzförmiger Einbuchtung in der Mitte; das Hinterende ist abgerundet, gleichfalls sehr flach und trägt feine Haftpapillen, mit deren Hilfe das Thierchen sich an der Glaswand des Aquariums fest anhängen kann, wie auch sein einheimischer Verwandter Pl. fluviatilis. Der Mund liegt ganz am Vorderende und führt in die enge Mund- röhre, die einige schwache Längsfalten zeigt; auf sie folgt der stark muskulöse, langgestreckte Pharynx, der aus den bekannten starken 1) Hier möchte ich erwähnen, dass man doch, besonders auch in Lehrbüchern die Bezeichnung ,,Wintereier“ aufgeben sollte, nachdem viel- fach constatirt ist und jederzeit festgestellt werden kann, dass zahlreiche Rhabdocoelen ihr ganzes Leben hindurch nur hartschalige Eier produ- ciren und andere nicht nur im Herbst, sondern auch im Frühjahr und Sommer gelegentlich aus irgend welchen Veranlassungen dasselbe thun. Der Ausdruck ,,Dauereier“ wäre wohl passender, da diese Eier wirklich im Stande sind und auch vielfach die Aufgabe haben, längere Zeit hin- durch widrige Einflüsse, Kälte sowohl als Austrocknung, zu überstehen, Untersuchungen an neuen Turbellarien. 479 Muskelschichten besteht und nur ein enges, im Querschnitt drei- schenkliges Lumen aufweist. Auf dem Schlundkopf bemerkt man im vorderen Drittel das Gehirnganglion, das im Leben wie ein queres Band den Pharynx umspannt; unmittelbar vor demselben, durch die Breite des Pharynx getrennt, liegen zwei sehr kleine Augenpunkte, deren Pigment bei durchfallendem Licht gelblich, bei auffallendem dagegen weisslich glänzend erscheint und dadurch an das bekannte „erdige“ Pigment z. B. in den Augen von Mysis, oder an das „Pigment“ in den sog. Augen von Pecten erinnert. Am auffallendsten ist der Darm dieses Prorhynchus; derselbe tritt als sehr dünnes, gerade gestrecktes Rohr vom Hinterende des Pharynx aus und durchzieht den Körper bis fast zum Hinterende; ein Blindsack von derselben Gestalt erstreckt sich aber auch nach vorn unterhalb des Pharynx auch bei voller Streckung des Körpers im lebenden Zu- stand und reicht mindestens bis an die Hälfte des Schlundkopfes. Der ganze Darm, auch dieses Divertikel, ist in seiner ganzen Länge besetzt mit einer grossen Zahl seitlicher Blindsäcke, welche schmale, senkrecht stehende Taschen darstellen, in dichter Folge rechtwinklig vom Darmrohr abtreten und die ganze Breite des Thierchens bis unter den Hautmuskelschlauch durchsetzen. Sie sind gänzlich un- verästelt und ihre Lagerung so dicht hintereinander, dass der Darm fast regelmässig segmentirt erscheint, da die Unregelmässigkeiten auf den beiden Seiten in Folge der dichten Stellung kaum auffallen. Da- durch erinnert der Darm stark an den von Cerebratulus unter den Nemertinen. Man kann hier aufs schönste constatiren, wie mit einer flächenhaften Ausbreitung des Körpers die Ausdehnung der verdauenden Oberfläche des Darmlumens durch Divertikelbildung parallel geht, ganz so wie dies auch bei den Dendrocoelen, bei Distoma hepaticum, Poly- stomun integerrimum, bei Cerebratulus der Fall ist. Allerdings ist dies Verhalten nicht durchgreifend, da z. B. Monostomum , trotz grosser Flächenausdehnung, seinen zweischenkligen Darm behalten hat; doch mag hierbei vielfach die Art der Nahrung von Einfluss sein. Jeden- falls sehen wir unter den Dendrocoelen bei der schmalen, langen Bothrioplana*) den Anfang der Divertikelbildung, die bei den breiten Polycladen ihre höchste Ausbildung erreicht, und dieses neue Beispiel in der Gruppe der Prorhynchen zeigt ein ähnliches Verhalten bei den Rhab- docoelen, wo es selbständig erworben, resp. weiter ausgebildet erscheint, da auch die übrigen Prorhynchen schon Anfänge zeigen. Keinesfalls 1) cf. Braun, Brunnenplanarien. Zoolog. Jahrb. III, Abth, f, Morph, 39 480 Dr. J. KENNEL, darf man von solchen Bildungen allein schliessen, dass wir Ueber- gangsformen aus der einen in die andere Gruppe vor uns haben, da niemand gerade die Gattung Prorhynchus im Verdacht haben wird, ein Bindeglied zwischen Rhabdocoelen und Dendrocoelen zu sein. Ich will hier nicht unerwähnt lassen, dass auch Blindsackbildungen wie bei unserem Pr. applanatus nach vorn ventral vom Schlund bei Nemertinen nicht selten sind. Trotzdem kann auch hieraus kein Capital für Verwandtschaftsbeziehungen zwischen diesen Thieren geschlagen werden, da die Nemertinen, wie ihre Entwicklung durch die Pilidien zeigt, gar nicht in naher Beziehung zu den Turbellarien stehen und schon längst auch in den Lehrbüchern von dieser Gruppe getrennt sein sollten. Die mikroskopische Untersuchung der in Schnittserien zerlegten Exemplare von Pr. applanatus zeigt nichts von Bedeutung, das von dem abweicht, was von andern Prorhynchen bekannt ist. Männliche Geschlechtsorgane konnte ich überhaupt nicht auffinden; indessen scheinen sich diese überhaupt in dieser Gattung spät anzulegen, und nur die Begattungsorgane sind bei jedem Pr. fluviatilis und balticus etc. deutlich zu erkennen; der Umstand, dass ich bei keinem Exemplar meiner neuen Art irgend etwas gesehen habe, was an ein Copulations- organ erinnert, scheint darauf hinzudeuten, dass hier Hartgebilde in den Ausfuhrwegen der männlichen Geschlechtsproducte überhaupt nicht angelegt werden. Von weiblichen Organen war auf Schnitten das einfache, strangförmige Ovarium mit seinen hinten jüngeren, vorn älteren Eiern, den Follikelzellen und der muskulösen Vagina in der auch für Pr. fluviatilis gültigen Form zu beobachten. Im Darm ist kein Unterschied des Epithels im Hauptast und den Seitentaschen zu constatiren. Das Stenostoma von derselben Fundstelle wurde nur in fünf Exemplaren erbeutet, die indessen völlig genügten, um die Organisation dieser Form hinreichend zu untersuchen, soweit es sich nicht um Ge- schlechtsorgane handelt; sie soll als Stenostoma bicaudatum be- zeichnet werden (Fig. 6, 8, 9). Ich fand keine Solitärindividuen, sondern stets Ketten von zwei oder drei Individuen, in welch letzterem Falle das dritte, d. h. jüngste, durch Theilung des vorderen entstanden, in der Mitte lag und die geringste Ausbildung zeigte (Fig. 9). Eine solche Kette erreicht die Länge von 6 mm bei grosser Dünne, so dass das Thierchen als dünnes Fädchen an den Glaswänden der Gefässe leicht erkannt wurde. Die Farbe ist blass gelblich, die Gewebe sehr durch- scheinend, der Darm in seinen Wandungen dunkler bräunlich, deutlich Untersuchungen an neuen Turbellarien. 481 durchscheinend. Das Vorderende ist stumpf gerundet, das Hinterende dagegen in zwei übereinanderliegende Spitzen ausgezogen, von denen die untere, der Kriechsohle angehörige länger und dünner ist als die obere, welche etwas schräg aufwärtsgerichtet getragen wird. Der Darm tritt in keine dieser Spitzen ein, sondern endet vorher blind. Der Mund liegt unmittelbar am Vorderende, ein wenig auf die Ventral- seite gerückt; er ist eine ovale, nach vorn etwas ausgezogene Oeffnung, die aber grosser Erweiterung fähig ist. Ganz am Vorderende, seitlich liegen zwei Wimpergruben als längliche, schräg nach hinten und ven- tralwärts gerichtete, ziemlich tiefe Spalten, mit dickerer Epithelwandung und langen, starken Cilien, deutlich sichtbar in Fig. 7 und 9. An der Körperspitze sind sie nur durch eine schmale Stelle getrennt. An die Mundöffnung schliesst sich ein langer, gleichweiter, mit Längsfalten ausgestatteter Schlund, der in einen engen Anfangsdarm übergeht, welcher mehrere schwache Schlängelungen beschreibt, die bei geringer Contraction des Thieres stärker werden, bei starker Streckung dagegen völlig verschwinden. Der eigentliche Darm ist weit und durchzieht mit entsprechenden Einschnürungen an den Knospungsstellen der neuen Individuen die ganze Kette bis kurz vor das Hinterende. An diesen Einschnürungen legen sich zuerst die neuen Wimpergruben als Epithelverdickungen jederseits an, in denen später eine runde Einsenkung entsteht; erst nach diesen bemerkt man die Anlagen der neuen Schlund- und Mundbildungen auf der Ventralseite. Mit den Wimpergruben gleichzeitig treten die neuen Gehirnganglien auf, die, wie es scheint, aus denselben Epithelanlagen sich abspalten und in der Medianlinie des Rückens verwachsen. Am lebenden Thier bemerkt man im Anfangstheil des Schlundes, an dessen Rückenseite ansitzend, ein Organ, das aus sechs bis sieben nach unten oder vorn gerichteten an der Spitze abgerundeten Fäden besteht, und das wie die Finger einer Hand aus der Mundöffnung herausgestreckt werden kann und zum Ergreifen und Festhalten der Nahrung dient. Es ist beim Kriechen des Thierchens in fortwährender Bewegung, gleich als wollte es die Unterlage abtasten oder fortwährend kleine Gegenstände von derselben abzupfen. Bei Contractionen des Vorderendes (Fig. 7) zieht es sich ganz in den Schlund zurück. Augen und sog. „schüsselförmige Organe“ konnte ich nicht bemerken. Beim Conserviren in Sublimat zogen sich die Thiere in der Längs- richtung zusammen, wodurch die Einschnürungen zwischen den Indi- viduen einer Kette, sowie die Kopfgruben und Mundöffnungen schön sichtbar werden. Betrachtet man solche Exemplare von der Dorsal- 52% 482 Dr. J. KENNEL, seite, so sieht man unter dem durchscheinenden Epithel einen in der Mittellinie der Länge nach gestreckt verlaufenden Strang, der im Vordertheil beim Gehirnganglion undeutlich wird, nach hinten aber fast bis zum Ende der dorsalen Schwanzspitze verläuft, den Excretions- gefissstamm (Fig. 8). Die Untersuchung der angefertigten Schnittserien ergab Folgendes: Das Epithel besteht aus einer Lage hoher, dichtgestellter Cylinder- zellen (Fig. 24), unter denen, durch eine sehr feine Basalmembran getrennt, eine Schicht starker, dicht gelagerter Muskelfasern der Länge nach parallel verläuft. Von dieser aus ziehen in der Region des Schlundes zahlreiche Muskelfasern senkrecht oder schräg nach der Wandung des letzteren, ihn mit der Körperwand verbindend und die Erweiterung desselben besorgend. } Auch der Darm ist in dem relativ grossen Zwischenraum , der zwischen ihm und der Leibeswand liegt, durch schwächere Fasern aufgehängt, von denen aber viele bindegewebiger Natur sein mögen, Dorsal vom Schlund, zum Theil in dem den Mund überragenden Kopf- lappen liegt das grosse Gehirnganglion, das seitlich dicht an die tiefen Einsenkungen der Wimpergruben herantritt. Von ihm gehen zwei schwer sichtbare Seitennerven nach unten und hinten. Das Schlund- epithel ist einfach, die Kerne der Cylinderzellen liegen dicht an der Basis dieser, und das Epithel ist mit Ausnahme der Stelle, wo sich das „handförmige Organ“ findet, durch eingedrungenes Bindegewebe in viele Längsfalten gelest. Jene Stelle aber, an der Dorsalseite des Schlundes, gleich hinter der Mundöffnung zeigt ganz sonderbare Ver- hältnisse. Hinter dem Gehirnganglion liegt dem Schlund eine grosse, rundliche Zellenmasse auf, welche dem Ganglion an Umfang gleich- kommt, und von der aus die oben erwähnten fingerförmigen Fortsätze in das Lumen des Schlundes hereinhängen. Man sieht bei starker Vergrösserung, dass das Schlundepithel bis an die Basis dieser Fort- sätze reicht und dort plötzlich aufhört (Fig. 24), resp. in die Zellen- masse, deren Elemente aber stark abweichen, übergeht, woraus ge- folgert werden muss, dass diese als umgewandelte Stelle des allgemeinen Epithels des Schlundes anzusehen sind. Diese Zellen sind gross, birn- förmig, mit nach unten gerichteter Spitze, von homogenem, blass- gefärbtem Inhalt, in welchem Kerne nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden können. Ab und zu jedoch sind kleine, dunkelgefärbte Kerne, vielleicht dem Bindegewebe angehörig, dazwischengestreut. Gerade an diese Zellenmasse setzen sich vom Rücken her zahlreiche starke Muskelfasern, wodurch das ganze Gebilde etwas aus dem Lumen des Untersuchungen an neuen Turbellarien, 483 Schlundes, dadurch auch vom Munde weg zurückgezogen werden kann, während es andrerseits wohl in Folge allgemeiner Körpercontraction durch Stauung der perienterischen Flüssigkeit vorgestreckt wird. Das Ganze scheint ein Conglomerat einzelliger Drüsen zu sein, deren feine, lange Ausführungsgänge, zu Bündeln vereinigt, eben die fingerförmigen Fortsätze bilden; denn diese Fortsätze zeigen ein feinstreifiges An- sehen, gerade als beständen sie aus zahlreichen dünnen, durchein- andergeflochtenen Röhrchen. Die Zahl derselben dürfte wohl kaum grösser sein als die der Zellen, nur sind letztere auf eine grössere Strecke vertheilt, während ihre Ausführungsgänge allesammt in den 6 bis 7 fingerförmigen Lappen vereinigt sind. Man wird auch nicht fehlgehen, wenn man diese Drüsen den von Microstoma längst be- kannten in den Schlund mündenden, aber zerstreut liegenden ein- zelligen Drüsen homolog setzt, die hier in dichter Lagerung mit ihren langen Ausfuhrröhrchen zu einem besonderen Greiforgan geworden sind, durch dessen Secret die erfassten Thierchen festgehalten, vielleicht auch betäubt oder getödtet werden. Die Frage nach der Ausbildung des Excretionsapparates der Stenostomiden ist immer noch nicht völlig klar gestellt. Wir wissen so viel, dass der früher als „Rüssel“ bezeichnete, dorsal vom Darm in der Mittellinie verlaufende Strang der Hauptstamm dieses Organ- systems ist, der sich im Vorderende verzweigt oder auch vorher um- biegt, und in der Nähe des Hinterendes ausmünden muss. v. GRAFF bezeichnet den Excretionsporus als am Hinterende gelegen, was ihm auch durch SPENGEL bestätigt wird. Ich kann nach Beobachtungen an hiesigen Exemplaren von St. leucops die Angabe von ZACHARIAS!) aufs bestimmteste bestätigen, dass der Hauptstamm unmittelbar hinter dem Ende des blindgeschlossenen Darmes fast senkrecht zur Ventral- seite herabsteigt, und dort kurz vor dem zugespitzten Hinterende aus- mündet. Diese Oeffnung ist bei St. bicaudatum auf die Rückenseite verschoben und liegt eine kleine Strecke vor der Basis des dorsalen Schwanzanhangs, wie aus Fig. 25 klar hervorgeht. Fig. 23 ist ein Querschnitt durch das Hinterende eines anderen Exemplars, der genau durch den Excretionsporus geführt ist. Der Darm ist noch eben tangirt worden. Der Hauptstamm des Excretionsapparates ist ein ziemlich dickes Rohr mit schöner, zelliger Wandung, die im hintersten Ende beträchtlich dicker wird ; er verläuft, durch wenige Bindegewebs- fasern suspendirt, frei in der weiten „Leibeshöhle“ gerade gestreckt 1). 2. £, w, Za Baar, 484 Dr. J. KENNEL, nach vorn und zieht noch deutlich über das Gehirnganglion hin; dort aber ist seine Wandung schon sehr dünn und weiterhin entzieht er sich in den conservirten Exemplaren völlig der Beobachtung. Da ich keine Zeit hatte, an lebendem Material genauere Untersuchungen an- zustellen, so bin ich ausser Stande, über das Verhalten am Vorder- ende etwas mitzutheilen. Zu einer detaillirten Darstellung der feineren Vorgänge bei der Knospung, besonders über Neubildung der neuen Schlundröhren und Mundöffnungen, reicht das Material leider nicht aus. Doch reicht das Mitgetheilte hin, um die neue Art als solche zu kennzeichnen und für allenfallsige spätere Untersuchungen die Thierchen wiederzuerkennen. Die Organisation der geschilderten Rhabdocoelen zeigt auch, dass man sich in dieser Gruppe noch auf mannigfaltige Verschiedenheiten, nicht nur der Thiere im Aeusseren, sondern auch in den Organisations- verhältnissen, gefasst machen darf, weshalb sehr zu wünschen ist, dass das bisher vernachlässigte Studium der niedern Süsswasserfauna der Tropen eingehendere Beachtung gewinne. Dorpat, im November 1887. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 1° Fig. Fig. Fig. Fig. Untersuchungen an neuen Turbellarien. 485 Erklärung der Abbildungen. Tafel X VIII. 1. Planaria alpina Dana, nat. Gr. nach dem Leben gez., a. von der Dorsalseite, b. von der Bauchseite gesehen. 2. Pl. alpina, ruhig kriechend, ca. 3fach vergr. 3. Planaria aurita n. sp., nach dem Leben gez., Lupenvergrösserung, daneben Angabe der nat. Gr. 4. Planaria fissipara n. sp., nach dem Leben; stärker vergr. 5. Pl. fissipara, Umrisse eines Individuums in Theilung. 6. Stenostoma bicaudatum n. sp., stark vergr., nach dem Leben gez., von der Bauchseite gesehen. 7. Sten. bicaudatum, Vorderende, etwas contrahirt, von der Ventral- seite gesehen. 8. Sten. bicaudatum, in Sublimat getödtet, vom Rücken gesehen. 9; 3 = a i 3 Kette von 3 Individuen von der Seite gesehen; m Mund, wg, wg‘, wg”, Wimpergriibchen des ersten, des zweiten und des jüngsten Individuums. 10. Prorhynchus applanatus n. sp., nach dem Leben, mit Angabe der nat. Grösse. 11. Prorhynehus applanatus n. sp., in Sublimat getödtet, von der Bauchseite gesehen. 12. Pl. alpina, Ventralansicht des Vorderendes eines in Sublimat getödteten Thieres; 4 Haftgrube, / Tentakel, s Sohlenrand. 13. Dendrocoelum lacteum, in derselben Weise behandelt. 14. Dendrocoelum angarense dito. 15. Medianer, verticaler Längsschnitt durch die Genitalwerkzeuge von Pl. alpina; v Genitalöffnung und Vagina, od Vereinigungsstelle der Oviducte, rs Receptaculum seminis, ph Penisbeutel, p Penis. 16. Genitalapparat von P/. alpina von oben gesehen, nach einem gepressten Thier gez.; oe Geschlechtsöffnung, ov Oviducte, rs Recep- taculum seminis, vd Vasa deferentia, pb Penisbeutel, p Penis, Fig. Fig. Dr. J. KENNEL, Untersuchungen an neuen Turbellarien. . 17. Querschnitt durch Penisbeutel und Penis von PV, alpina; vd Vasa deferentia, b äusseres zelliges Bindegewebe, /m Lamellen der Längsmusculatur des Penisbeutels, rm Ringmusculatur desselben, p Penis. 18. Ein Stückchen aus der vorigen Fig. stärker vergr. (SEIBERT Oc. 1, Obj. 5); Bezeichnung wie vorher. 19. PL fissipara, medianer, verticaler Längsschnitt durch ein sich theilendes Thier; g Gehirn, g’ Gehirnanlage des hinteren Individuums, ph und ph’ Schlundkopf der beiden Individuen, m Mundöffnung des ersten Thieres. . 20. Querschnitt einer P\. UE durch die Gehirnanlage des zweiten Individuums. Tafel XIX. 21. Pl. aurite, medianer, verticaler Längsschnitt durch den Genital- apparat; v Geschlechtsöffnung, p Penis, rs Receptaculum seminis, sch Schlundkopf. 22. Genitalapparat von P/. aurıta von oben gesehen, nach einem conservirten, durchsichtig gemachten Thier; » Penis, od Oviduct, rs Receptaculum seminis, vd Vasa deferentia. . 23. Stenostoma bicaudatum, Querschnitt durch die ‘Region des Exeretionsporus (w) am Hinterende (Surpert Oc. 1, Obj. 5). ; 24." Stenostoma bicaudatum, Querschnitt durch die Schlundregion mit dem Greiforgan; /m Längsmusculatur des Körpers, m quere Muskelzüge von Haut zum Schlund, dr Drüsenzellen des Greif- organs, f die zu den fingerförmigen Fortsätzen zusammengelagerten Ausführungsgänge derselben (SEIBERT, Oc. 1, Obj. 5). . 25. Sten. bieaudatum, medianer, verticaler Längsschnitt durch das ganze Thier (der ventrale Schwanzanhang war auf diesem Schnitt nicht getroffen und ist punktirt eingezeichnet); g Gehirnganglion, g’ dasselbe des zweiten Individuums, dr Drüsenmasse des Greif- organs, / fingerférmige Fortsätze desselben, w Excretionscanal (SEIBERT Oc, 1, Obj. 3). Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden, Von Ludwig H. Plate, Dr. phil. Privatdocent der Zoologie und Assistent am zool. Institute in Marburg i./H. Hierzu Tafel XX—XXII. Das Studium der Organisation und der Lebenserscheinungen der Tartigraden gehört zu den wenigen Gebieten zoologischer Forschung, die selbst in unserer so überreichlich productiven Zeit fast völlig ver- nachlässigt worden sind. Ist doch nun schon ein Zeitraum von 22 Jahren verflossen, seitdem die letzte Abhandlung — aus der Feder R. GREEFF’s — erschienen ist, welche mit Genauigkeit und Sorgfalt auf den Bau und die Biologie der Tardigraden eingeht. Dieser Um- stand hat mich im Sommer 1887 bewogen, die Bärthierchen einer erneuten Untersuchung zu unterwerfen, deren Resultate ich im Fol- genden vorlege; sie weichen nur hinsichtlich des Nervensystems und der Fortpflanzungsorgane erheblich von den bisherigen Anschauungen ab und bieten im Uebrigen eine Darstellung der Histologie der ein- zelnen Organe, deren gröbere anatomische Verhältnisse schon 1840 von dem französischen Forscher Doyère in so vortrefflicher Weise ge- schildert worden sind. Auf der umfangreichen Monographie desselben beruht noch heute der weitaus grösste Theil dessen, was wir über die Anatomie und die Lebensverhältnisse jener kleinen Wesen wissen, uud nur auf dem Gebiete der Histologie, der Systematik und — wenn auch nur in sehr bescheidenem Maasse — der Entwicklungsgeschichte ist es seinen Nachfolgern gelungen, einige bedeutungsvolle neue Be- obachtungen zu machen. Ich glaube daher der hohen Anerkennung, die jeder Tardigradenforscher den Verdiensten Doykre’s zollen wird: 488 Dr. LUDWIG H. PLATE, nicht besser Ausdruck verleihen zu können, als wenn ich einer der neuen Species, die im systematischen Abschnitte dieser Abhandlung beschrieben werden sollen, den Gattungsnamen Doyeria gebe. — Auf eine Darstellung des historischen Entwicklungsganges der Tardigraden- forschung gehe ich an dieser Stelle nicht ein, weil GREEFF in seinen beiden Arbeiten hierüber schon das Wichtigste zusammengestellt hat. Dagegen dürfte eine im ganzen chronologische Aufzählung der bis jetzt über die Bärthierchen erschienenen Originalabhandlungen für die späteren Untersucher von Nutzen sein; die älteren Arbeiten aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts von SPALLANZANI, O. F. MÜLLER, EICHHORN u. A. sind in das folgende Verzeichniss nicht mit auf- genommen worden, weil die von diesen Forschern gegebenen Be- schreibungen in Folge der geringen Leistungsfähigkeit ihrer Mikroskope nur in seltenen Fällen eine sichere Erkennung der Arten erlauben. Derselbe Uebelstand macht sich übrigens vielfach auch noch in den ersten der hier aufgeführten Schriften bemerkbar. Die mit einem * bezeichneten Abhandlungen waren mir nicht zugänglich. Literaturverzeichniss. 1) ScHRANK, F. v. Pavia, Fauna boica, Vol. 3, Pars 1, p. 178 u. 195, 1804. 2) Durrocuet, in: Annales Museum Hist. Nat., T. 19, p. 381. 3) Nirzscu, in: Allgemeine Encyclopädie von Exscu u. Grouper, 5. Theil, 1820, p. 166. 4) C. A. 8. Scxvzrzr, Ueber Macrobiotus Hufelandii, in: Isis von Oken, 1834, p. 708. 5) Perry, Bemerkungen über die Familie Xenomorphidae Pry. in: Isis 1834, p. 1241. 6) Nırzsch, Bemerkungen über die Gattung Arctiscon etc. in: Arch. f. Nat., 1835, p. 374. 7) Dusaxnin F., Mémoire sur un ver parasite..... , sur le Tardigrade et sur les Systolides, in: Ann. Sc. Nat. (2. ser.) Zoologie, T. 10, p. 181, 1838. 8) Dusarvın F., Observations zoologiques II, in: Ann. Sc. Nat. (3. ser.) Zoologie, T. 15, 1857, p. 161. 9) EHRENBERG, GOTTFR. Cur., in: Isis 1834, p. 710. 10) n in: Verhandl. kgl. Akademie Wiss., Berlin, 1848, p. 334. 11) „ „ » L2] LE] LL LE] 1853, p- 326, 363, 530. 12) 5 Mikrogeologie, 1854, Atlas, Taf. 35 B. Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. : 489 13) Doyire, Mémoire sur les Tardigrades, in: Ann. Sc. Nat. (2. sér.) T. 14, 1840, p. 269—361 und T. 17, p. 193. 14) C. A. S. Scuurtze, Echiniscus Bellermanni, Berlin 1840. 15) Echiniscus Creplini, Greifswald 1861. 16) KAUFMANN J., Ueber die Entwicklung und system. Stellung der Tar- digraden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 3, 1851, p. 220. Bo) M. nn Echiniscus Sigismundi, in: Arch. f, Fr Anat., Bd. 1, 1865, p. 428. 18) R. GrEEFF, Ueber das Nervensystem der Bärthierchen, in: Arch. f. mikrs Ana, Bd, 1865, p. 161. 19) R. Greerr, Untersuchungen über den Bau und die Naturg. d. Bär- thierchen, I, die Macrobioten, in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 2, 1866, p. 102. 20) Jung, Ueber Tardigraden, in: Zeitschr. f. ges. Naturw., Bd. 54, p. 190—92, übersetzt in: Journ. R. Microscop. Soc. London, Vol. 1, n. 282. 21)*Brat F. E. L., Tardigrades and eggs, in: Amer. Naturalist,; Vol. 14, Aug, p. 593—94, 1880. 22) ZacHarıas O., Können die Rotatorien und Tardigraden nach voll- ständiger Austrocknung wieder aufleben oder nicht? in: Biol. Centralblatt, Bd. 6, 1886, p. 230. 23) * Packard A. S. Ir., Discovery of a Tardigrade (Macrobiotus Ameri- canus), in: Amer. Naturalist, Vol. 7, 1873, p. 740—41. 24) * Rankzwırsch G., Bemerkungen über Macrobiotus macronyx. Russisch. Meine Untersuchungen habe ich ganz überwiegend an verschiedenen Species der Gattung Macrobiotus ausgeführt, da diese hier bei Mar- burg am häufigsten sind. Daneben bin ich mehreren Arten des Genus Echiniscus Scu. (= Emydium Doy.) begegnet, die sich aber sämmtlich wegen des vielen rothen Pigmentes in der Epidermis nur sehr wenig für die Beobachtung eignen. Am seltensten traf ich Milnesium tar- digradum Doy. an, was ich um so mehr bedauere, als nach dem Urtheil von DovÈre und GREEFF gerade diese Gattung die Erkennung der Organisationsverhältnisse erleichtert; die wenigen Exemplare, welche mir von diesem Thier zu Gebote standen, zeichneten sich durch keine besondere Durchsichtigkeit aus im Vergleich zu den Macrobioten, da die Leibeshöhle eben so sehr wie bei diesen mit Blutkörpern dicht gefüllt war, der Unterschied scheint demnach kein sehr beträchtlicher zu sein. Endlich sind auch einige, zum Theil neue, chilenische Bär- thierchen von mir untersucht worden, für welche ich Herrn Consul a. D. Dr. Ocusentus zu Danke verpflichtet bin; derselbe hatte die 490 Dr. LUDWIG H. PLATE, Freundlichkeit, mir ein kleines Päckchen chilenischen Mooses, das vor einigen Monaten gesammelt worden war, zu überlassen. Alle diejenigen Tardigraden, welche sich zwischen Moosen und Flechten aufhalten und daher bei trockener Witterung zu einem un- scheinbaren bewegungslosen Klümpchen zusammenschrumpfen und nur nach einem Regen für wenige Stunden sich ihres Daseins freuen können, zeigen eine merkwürdige und physiologisch sehr interessante Eigenschaft, dass sie nämlich leicht in einen völlig starren, schein- todten Zustand verfallen. Schon Dovère hat richtig hervorgehoben, wie ausserordentlich die Untersuchung der Bärthierchen hierdurch erleichtert wird, ja wie ein eingehendes Studium des Nerven- und Muskelsystems nur durch diesen Umstand überhaupt möglich wird. Doyére und nach ihm Greerr versetzten die Tardigraden in diesen asphyktischen Zustand, indem sie eine grössere Anzahl von Thieren in ein Gläschen mit ausgekochtem Wasser brachten und dessen Ober- fläche mit einer Oelschicht bedeckten, um den Sauerstoff der atmo- sphärischen Luft möglichst fern zu halten. Es gelingt in der That auf diese Weise häufig, den Scheintod der Bärthierchen herbeizu- führen , leider aber auch in vielen Fällen nicht, oder die Erstarrung ist nur in geringem Maasse eingetreten, so dass die Macrobioten schon nach kurzer Zeit unter dem Deckglase wieder aufleben. Es giebt aber glücklicher Weise ein anderes Mittel, um eine tiefe Asphyxie mit fast absoluter Sicherheit zu bewirken, und dies besteht darin, dass die Bärthierchen erst gehörig ausgetrocknet werden, ehe man sie in gewöhnliches frisches Wasser bringt. Bewahrt man das Moos nach dem Einsammeln erst eine bis mehrere Wochen trocken auf — wo- möglich in einem geheizten Zimmer, in der Nähe des Ofens — so kann man sicher sein, dass die Thiere von Beginn der Wasserein- wirkung an sich in vollständiger Erstarrung befinden und aus dieser nur dann erwachen, wenn sie unter dem Deckglase arg beunruhigt werden. Ich komme bei Besprechung der biologischen Verhältnisse der Tardigraden noch einmal auf diesen Punkt zurück und will hier nur noch hinzufügen, dass eine in dieser Weise behandelte Quantität Moos genügt, um den Beobachter für ca. 3 Wochen mit Material zu versorgen, vorausgesetzt, dass erstens eine grössere Anzahl von Thieren in dem Moose vorhanden war — was leider oft genug nicht der Fall ist —, und dass man zweitens die Hauptmasse des Mooses nach dem Abspülen entfernt, um das Faulwerden des Wassers möglichst lange zu verhindern. Diesen Zweck erreicht man noch besser, wenn das Wasser jeden dritten oder vierten Tag durch frisches ersetzt wird; Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 491 die Bärthierchen werden hierdurch nicht aus ihrem Scheintod auf- gerüttelt, wohl der beste Beweis dafür, dass derselbe nicht allein auf Mangel an Sauerstoff in der Umgebung der Thiere zurückzuführen ist. Ich habe die folgenden Untersuchungen fast ausschliesslich an solchen asphyktischen Thieren angestellt und dieselben auch stets zur Controlle der Bilder benutzt, welche durch Zuhülfenahme der ge- wöhnlichsten Reagentien erhalten wurden. Die Färbung der Kerne ge- lingt nur dann, wenn man mittelst einer Nadel die Cuticula anbohrt oder mit einem feinen Messer einen Theil des Körpers abtrennt. Die Erkenntniss der inneren Organisation wird aber so gut wie gar nicht dadurch gefördert, da die Kerne meist schon an günstigen starren Individuen, zumal nach Anwendung von Essig- oder Ueberosmiumsäure, deutlich zu Tage treten. Aus diesem Grunde habe ich die immerhin etwas umständliche Methode der Färbung später ganz aufgegeben. Das Anschneiden der Cuticula ist auch nöthig, wenn man die Tar- digraden mit Glycerin oder irgend einem andern Reagens, das leicht zu Schrumpfungen führt, behandeln will. Hinsichtlich des wissenschaftlichen Namens, welchen die Bär- thierchen führen sollten, habe ich mich nicht entschliessen können, die einmal herkömmliche Bezeichnung „Tardigrada“ gegen die Perrv’sche „Xenomorphidae“ oder die von C. 8. A. SCHULTZE vorgeschlagene „Arctiscoida“ fallen zu lassen, obwohl SPALLANZANI dieselbe erst ein- geführt hat, nachdem schon längere Zeit das gleiche Wort für die Bradypoden verwandt wurde. Die Möglichkeit einer Verwechslung wird sich so selten darbieten, dass es mir nicht räthlich erscheint, den einmal eingebürgerten Namen durch einen so gut wie unbekannten zu verdrängen. Im Folgenden sollen bei möglichst ausschliesslicher Berücksich- tigung neuer oder strittiger Beobachtungen zunächst die Anatomie und Histologie der Tardigraden und dann deren biologische Bezie- hungen besprochen werden. Das dritte Capitel ist der Systematik ge- widmet und enthält eine Zusammenstellung aller bis jetzt beschriebenen Species mit Bestimmungstabellen und kurzen Artdiagnosen. Im Schluss- abschnitte gedenke ich eine allgemeine Charakteristik der Bärthierchen und zugleich eine knappe Recapitulation der neuen Beobachtungen dieser Abhandlung zu geben. Hieran wird sich am zweckmässigsten die Erörterung der Frage anschliessen, welche Stellung die Tardigraden im natürlichen System der Thiere einnehmen. 492 Dr. LUDWIG H. PLATE, I. Capitel. Die Anatomie und Histologie der Tardigraden. 1 Die Haut. Die Körperdecke der Tardigraden bestelit, wie Doyire zuerst erkannt hat, aus einer äusseren derben Cuticula und einer darunter liegenden Plasmaschicht, deren zellige Structur ihm jedoch verborgen blieb. Zwar bezeichnet er sie als trame „cellulaire“, doch geht aus dem folgenden Zusatz „dans les mailles de laquelle se trouve déposé sous forme continue ou sous celle de gouttelettes ou de globules extrêmement petits, un liquide plus ou moins fortement coloré, plus ou moins abondant“ hervor, dass er hier das Wort cellulaire noch in seiner ursprünglichen volksthümlichen Bedeutung gebraucht. GREEFF ist der erste gewesen, welcher die Zellen der Epidermis erkannt und abgebildet hat. An asphyktischen Thieren sind sie häufig vorzüglich zu sehen. Fig. 1 stellt einen Theil der Rückenfläche eines Macr. hufelandii zwischen dem zweiten und dritten Beinpaar dar. Die Zellen sind so regelmässig angeordnet, dass jede einer Längs- und einer Querreihe angehört; dies gilt auch für die Bauchfläche, während sie an den Körperseiten vielfach eine polygonale Gestalt annehmen und sich unregelmässig zwischen einander schieben. Auf dem Rücken liegen in querer Richtung 4 parallelogrammartige Zellen neben ein- ander; rechts und links von den zwei mittleren laufen unter der Epidermis die zwei dorsalen Längsmuskel (mu) und bedingen ein eigenthümliches Verhalten des dunklen Pigmentes, dass bei älteren und gut genährten Thieren nie fehlt: soweit die betrefienden Zellen die Muskeln überdecken, bleiben sie annähernd frei von den schwärz- lichen Körnern, und so entsteht das Bild, welches Doyère auf PI. 14, Fig. 12 seiner Abhandlung wiedergegeben hat, auf dem nämlich zwei helle Streifen über den ganzen Rücken der Länge nach hinziehen. Dieselbe Abbildung zeigt auch sehr deutlich, wie die Kerne als helle Kreise aus dem dunklen Zellinhalt hervorscheinen. — Bei älteren Thieren von Macr. oberhäuseri tritt in der Epidermis regelmässig ein bräun- liches Pigment in reichlicher Menge auf. Zuweilen kann man auch hier eine geringere Ausbildung desselben über den dorsalen Längs- muskeln constatiren. In der Regel ist dasselbe jedoch in Querringen angeordnet, die am Rücken überall gleich dunkel sind und nur an den Körperseiten lichter werden. Diese Bänder vertheilen sich so, dass Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 493 2 vor dem ersten und 2 hinter dem dritten Beinpaar liegen, je eines zu den 3 vorderen Beinpaaren gehört, und der Raum zwischen diesen auch noch von je einem Ringe eingenommen wird. Es sind zusammen 9 Ringe, die durch schmälere helle Streifen getrennt werden (Fig. 24). Auch hier lässt sich eine Beziehung zwischen der Anordnung der Musculatur und dem Auftreten des Pigmentes nicht verkennen; wie man aus Fig. 21 ersieht, verbindet sich ein Theil der Extremitäten- muskeln bei y, 0, &£&,n, 9, À und « mit den Längsmuskeln des Rückens. Naturgemäss werden vornehmlich an diesen Stellen die Zellen der Epidermis in ihrer Ruhe gestört werden, während die da- zwischen gelegenen weniger von der Thätigkeit der Muskeln zu leiden haben. Daher finden sich die Pigmentbänder des Rückens zwischen je 2 Ansatzpunkten jener Muskeln. — Ganz besonders reich an rothem Pigment sind die Echiniscen, deren Untersuchung dadurch sehr er- schwert wird. Die Pigmentkörnchen sitzen auch hier ausschliesslich in der Epidermis, nicht wie DoyÈRE angiebt, ausserdem in den Magen- zellen. An einzelnen Stellen, besonders an den Wurzeln der Beine, bilden sich häufig grössere Plaques von Pigment. — Hinsichtlich der Beschaffenheit der Epidermis ist noch Folgendes zu erwähnen. Bei jugendlichen Macrobioten, welche gar keine oder nur wenige Pigment- körner besitzen, wird jeder Kern von einem hellen Plasmahof umgeben (Fig. 1). Die Nuclei sind ebenso regelmässig in Reihen angeordnet wie die Zellen selbst; jeder von ihnen enthält einen deutlichen, meist etwas excentrisch gelagerten Nucleolus. Bei Betrachtung der Körper- seiten erwachsener Thiere sieht man, dass die Tiefe der Zellen nur gering, und die Matrix der Cuticula daher als ein Pflasterepithel zu bezeichnen ist. Bei jugendlichen Individuen sind die Grössenverhält- nisse häufig etwas anders, indem hier cubische Zellen angetroffen werden. — Die Dicke der Epidermis bleibt sich im Körper überall so ziemlich gleich. Nur einige Stellen machen hiervon eine Ausnahme. So schwillt die Matrix an den Spitzen der Beine zu grossen, rund- lichen, mit mehreren Kernen versehenen Körpern an (Fig. 12, 18, 24, ma), welche schon von Dovire bemerkt worden sind. Er bezeichnet sie (l. c. p. 341) als organes globuleux, ohne ihren Zusammenhang mit der Epidermis zu bemerken. Sie sollen den Zweck haben, den Krallen einen Stützpunkt zu liefern. Ich halte dies für kaum wahrscheinlich, da ja die Krallen von jenen Körpern selbst noch ein gutes Stück ent- fernt sind. Es ist naturgemässer, die reichliche Entwicklung der Matrix an den Spitzen der Beine mit der starken Ausbildung der Cuticula ebendaselbst in Beziehung zu bringen. Sind doch die 494 Dr. LUDWIG H. PLATE, Krallen und die dünne Membran, welcher dieselben aufsitzen, nur Theile der Cuticula, durch deren Neubildung demnach bei jeder Häu- tung die Matrix hier mehr in Anspruch genommen wird als an irgend einer anderen Körperstelle. — Auch in unmittelbarer Nähe der After- öffnung nimmt die Epidermis eine ungewöhnliche Dicke an (Fig. 12, 13, 18, a. ep). Sie bildet hier rundliche Anschwellungen von wech- selnder Grösse und Zahl, die vielleicht drüsiger Natur sind. — Endlich giebt es noch eine dritte Stelle, wo sich die Epidermis in gleicher Weise auszeichnet, die nächste Umgebung der Mundôfinung. Bei Macr. hufelandii habe ich öfters dorsal und ventral von derselben (Fig. 14 %k) kleine rundliche Verdickungen angetroffen; doch ist gerade diese Körperpartie in den meisten Fällen zur Untersuchung so unge- eignet, dass ich nicht sicher angeben kann, ob sie immer vorhanden sind. Bei Doyeria simplex n. sp. und wahrscheinlich auch bei den Macrobioten liegt jederseits der Mundhöhle ein langes, schlauchförmiges Organ (Fig. 4, 5, %), das neben der Mundöfinung in die Saugpapille ausmündet. Seiner Struktur nach ist dasselbe aus der Epidermis her- vorgegangen. Einen inneren Kanal, wie er bei den grossen Speichel- drüsen des Macr. hufelandii leicht in die Augen fällt, habe ich nicht beobachtet, schliesse aber dennoch aus der Lage auf die gleiche Function. Bei Doyeria findet sich eine zweite rundliche Verdickung von ziemlicher Grösse dorsal von der hier röhrenförmigen Mundhöhle, vor dem Gehirn. Ueber die Cuticula, welche überall der darunter liegenden Epidermis sich eng anschmiegt, ist nicht viel zu sagen. Sie ist durchschnittlich bei erwachsenen Thieren 1,45—2,9 u dick und : mit Ausnahme der Echiniscen an allen Körperregionen gleich stark. Dovère schreibt ihr eine ausserordentlich feine Punktirung zu, die durch Grübchen hervorgebracht werden soll. Eine solche ist in der That häufig genug vorhanden, doch variieren die Individuen einer und derselben /Macrobiotus-Species in dieser Hinsicht sehr. Die meisten haben eine völlig glatte, farb- und strukturlose Cuticula, während andere Thiere derselben Localität auf dem Rücken bald mit dicht, bald mit zerstreut stehenden Grübchen versehen sind. Auf den Körperseiten nimmt die Zahl derselben ab, und die Bauchfläche finde ich stets ganz frei von ihnen. Bei den Echiniscen gliedert sich die Rückenhaut bekanntlich in eine Anzahl von Platten von grösserer Dicke. Diese Schilder zeigen eine sehr deutliche dichte Punktirung, die nach meinen Erfahrungen auch auf zahllose Grübchen zurück- zuführen ist. Dovère deutet sie als eine richtige Körnelung und hat daher einer Art den Namen Emydium granulatum gegeben. — An Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 495 den Spitzen der Beine erleidet die Cuticula eine besondere Umbildung. Sie läuft hier (Fig. 18, 19 und andere) in eine dünne Membran aus, welche die Trägerin der Krallen ist. Zwischen den Haken eines Fusses buchtet sich dieselbe gewöhnlich etwas ein. Bei manchen Echiniscen (Fig. 6) spannt sich die Membran zwischen den Krallen wie eine Schwimmhaut aus. — Ein eigenthümliches Aussehen der Cuticula wird durch die Häutungen bedingt, welche die Tardigraden von Zeit zu Zeit durchmachen. Man trifft sehr häufig Macrobioten, welche noch in keiner Weise irgendwelche Andeutungen dieses Vorganges erkennen lassen, deren Cuticula aber statt aus einer aus zwei dicht übereinander liegenden Membranen besteht. Wird ein solches Thier durch heisses Wasser getödtet, so hebt sich die Cuticula von der Matrix ab und man sieht, dass beide Schichten von Strecke zu Strecke durch kurze Bändchen mit einander zusammenhängen (Fig. 27). Am vorderen und am hinteren Körperende ist die Verbindung einfach, zwischen beiden doppelt. Die Berührungstellen der zwei Schichten liegen genau in einer Reihe hinter einander und markiren sich von oben gesehen als helle Flecke (Fig. 24 x). Es fallen vier solche Streifen auf den Rücken. In diesem Zustande verweilen die Bärthierchen Tage lang. Endlich löst sich die äussere Haut von der inneren ganz ab und wird in der von Doyire geschilderten Weise abgeworfen. Einmal traf ich einen Macrobiotus, der unter meinen Augen aus seiner alten Hülle kroch, zu meiner Verwunderung aber schon wieder eine doppelte Cuticula aufwies. Dies Thier hatte also schon den Anfang zu einer Häutung gemacht, ehe die vorhergehende noch vollendet war. Bei einer doppelschichtigen Hautdecke ist die innere Lage nicht ganz so dick, wie die äussere; an beiden fällt bei günstigen Exem- plaren und sehr starker Vergrösserung eine deutliche Längsstreifung auf, der optische Ausdruck dicht übereinander liegender feiner La- mellen (Fig. 29). 2. Das Blut. Doyvi:re unterscheidet in der farblosen Flüssigkeit, welche die Leibeshöhle erfüllt und alle Organe umspült, einfache und zusammen- gesetzte Blutkörper, von denen erstere häufig fehlten, während letztere stets angetroffen wurden. GREEFF nennt das Fluidum in seiner all- gemeinen Charakteristik der Barthierchen (19, p. 114) „feinkörnig“, worin ich ihm nicht beipflichten kann. Mir erscheint dasselbe stets vollkommen wasserklar und homogen, und dies Verhalten ändert sich auch nicht nach Zusatz von dünnen Säuren oder Alkohol, so dass Zool. Jahrb, II. Abth, f. Morph, 33 496 LUDWIG H. PLATE, man, nach meiner Meinung, auch nicht, wie DOYÈRE, von einem Gerinnen des Blutes reden darf. Da beim Eintrocknen die Bärthierchen zu einem winzigen Körnchen zusammenschrumpfen, um bei erneuter Wasserzufuhr ihre alte Grösse wieder anzunehmen, so ist es klar, dass das Fluidum ausschliesslich oder doch fast ausschliesslich aus Wasser bestehen muss und daher keine weiteren Strukturverhältnisse erkennen lassen wird. — Hinsichtlich der grossen Bluikérper kann ich den Beschreibungen der früheren Autoren nur wenig hinzufügen. Ihre Zahl wächst offenbar mit zunehmendem Alter, da man in jungen Thieren viel weniger antrifit als in gut genährten erwachsenen. Diese sind häufig förmlich vollgepfropft mit denselben. Obwohl also eine Vermehrung der Blutzellen ausser Frage steht, ist es mir doch nie gelungen, sie in der Theilung zu sehen. In seltenen Fällen waren zwei Kerne in einer Zelle, ohne dass diese übrisens ihre gewöhnliche Form geändert hätte; drei Kerne, wie sie GREEFF in einem Blut- körper gesehen hat, sind mir nie begegnet. — Die Angabe DoyÈRE’s dass auch der Gattung Echiniscus grosse Blutzellen zukommen, halte ich für unrichtig. Ich habe viele Exemplare auf diesen Punkt hin untersucht, aber in der Leibeshöhle nie eine Spur von Blutkörpern gefunden; wären sie vorhanden, so müssten sie trotz des reichlichen rothen Farbstoffes bei günstigen Thieren nicht zu übersehen sein, denn sie sind auch bei sehr pigmentreichen alten Individuen von Macr. oberhäuseri leicht zu entdecken. — Da die Blutkörper in so stattlicher Anzahl vorhanden sind und einen so beträchtlichen Theil der Körpersubstanz der Macrobioten und Milnesien ausmachen, so müssen sie offenbar eine wichtige Rolle im Leben des Organismus spielen. Leider lassen sich nur Vermuthungen darüber äussern, welcher Art dieselbe ist. Bei jungen Thieren sind die Blutzellen fast ganz durchsichtig und nur mit wenigen Körnchen erfüllt, so dass die Kerne leicht zu erblicken sind. Je besser die Ernährungsbedingungen des Bärthierchens sind, um so mehr scheiden die Zellen kleine glänzende Granula ab, welche zuerst in der Peripherie des Blutkörpers auftreten, schliesslich aber denselben überall dicht durchsetzen. Sie scheinen fettiger Natur zu sein, da sie durch Osmium intensiv geschwärzt werden. Lässt man die Macrobioten hungern, so nimmt die Zahl der Körnchen in den Blutkugeln und auch das Volumen der letzteren etwas ab. Hieraus scheint hervorzugehen, dass jene Körper die Träger der Reservenährstofte sind, dass in ihnen diejenigen Assimilations- produkte aufgespeichert werden, welche nicht sofort wieder zur Er- haltung des Lebens verbraucht werden. Sie stellen eine Art Fett- Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 497 körper dar, dessen Zellen isolirt sind, anstatt zu einem Gewebe ver- bunden zu sein. Für diese Beobachtung spricht noch eine zweite Be- obachtung, die ich öfters gemacht habe. Die Blutkörper sind in der Regel farblos; in einigen Individuen hingegen hatten viele derselben ein grünliches oder bräunliches Colorit angenommen, das stets genau mit der Färbung der Magenzellen des betreffenden Thieres überein- stimmte. Ich kann mir dies nur so erklären, dass das Chylema der Magenzellen durch Diffusion in die Blutkörper überwandert — wobei freilich auffallend ist, dass die Leibeshöhlenflüssigkeit jener Macrobioten immer völlig farblos war — und sehe hierin einen weiteren Beweis für die Beeinfiussung der Blutkörper durch die verdauende Thätigkeit des Magens. — Die „globules simples“ Doyire’s sind nach meiner Ansicht nicht als eigentliche Blutbestandtheile anzusehen, da sie nicht selten ganz oder fast ganz fehlen. Es sind kleine glänzende Körnchen, die ganz so aussehen wie die in den Blutzellen auftretenden. Sie haben mir daher immer den Eindruck gemacht, als ob sie mit diesen identisch wären. Da die Blutkörper nicht von einer Membran um- schlossen werden, so geben sie möglicher Weise einzelne Körnchen activ oder passiv an die Leibeshöhle ab, wenn sie selbst ganz dicht von ihnen erfüllt sind. Hierfür spricht der Umstand, dass die isolirten Körnchen immer nur dann in reichlicher Menge angetroffen werden, wenn auch die Blutkörper viele Granula aufweisen. — Endlich habe ich noch die Fig. 4 und 23, a wiedergegebenen eigenthümlichen, apfel- formigen, bewegungslosen Gebilde zu erwähnen, denen ich einmal in sehr grosser Anzahl in der Leibeshöhle eines erwachsenen Macr. hufelandii begegnete. Sie sahen blass, homogen und farblos aus und besassen jedes ein glänzendes dunkles Korn, in dessen Mitte wiederum ein centraler Fleck sichtbar war. Von dem einen Pole lief ein kleiner, lichter, häufig etwas gebogener Stift aus, wie der Stiel eines Apfels. Ihre Grösse betrug 2,19—3,65 u. Ueber die Natur dieser Kügelchen vermag ich nichts anzugeben; vielleicht sind es parasitäre Organismen der niedrigsten Art (Bacterien ?), wie denn überhaupt gar nicht selten lebende Bacillen und Spirillen in der Leibeshöhle sich aufhalten. So fanden sich zusammen mit jenen Körpern auch ähnliche Gebilde (23 b) vor, die aber kleiner waren. Manche derselben waren stabförmig (Fig. 23 c) oder leicht geschlängelt und erinnerten in der Gestalt sehr an Bacterien. 33 * 498 LUDWIG H. PLATE, 3. Das Organsystem der Ernährung. A. Der Apparat zur Aufnahme der Nahrung gliedert sich, wie DOYERE zuerst richtig angegeben hat, in eine Mund- höhle, die sich nach hinten in eine Chitinröhre verlängert, in den Zahnapparat zum Anbohren der Nahrung und in den Schlundkopf, durch dessen pumpende Bewegung das zum grössten Theile flüssige Nährmaterial in den Magen gesogen wird. Accessorische Organe sind die grossen Speichel- oder Giftdrüsen, welche bei den Milnesien und Macrobioten vorkommen. Sehr charakteristisch für den Mundapparat der Bärthierchen ist jene ziemlich lange, cylindrische, von einer starken Chitinwand gebildete Röhre (Fig. 2—6, tw), welche die Mundhöhle (Fig. 4—6, v) mit dem musculösen Schlundkopfe verbindet. Dieser Kanal möge im Folgenden als „Mundröhre“ bezeichnet werden; der- selbe ist für die Systematik von Wichtigkeit, weil bei einigen Tardi- graden die Zähne in ihn eintreten, während sie bei andern direkt in die Basis der Mundhöhle hereinragen. Wenden wir uns jetzt zu einer näheren Besprechung der einzelnen Theile der Mundwerkzeuge. Die Mundhöhle wird von mehreren Chitinringen gebildet, deren Zahl bei den einzelnen Arten verschieden ist. Bei Macr. hufelandii (Fig. 4) und anderen läuft sie am vorderen Ende in einen Ring aus, der aus ca. 8 kleinen Platten zusammengesetzt ist und offenbar die Bestimmung hat, sich fest an das auszusaugende Nahrungsstück an- zulegen. An diesen schliessen sich nach hinten 5 Chitinringe an, die von vorn nach hinten an Grösse abnehmen. Da sie durch dünne Membranen mit einander verbunden sind, so können sie, ihrer Breite entsprechend, fernrohrartig zusammengeschoben werden. Es folgt hierauf ein Chitinring, der an den Seiten glockenartig gewölbt ist und in ein cylindrisches Ansatzstück übergeht, welches das vordere Ende der Mundröhre umgreift. — Bei den übrigen von mir untersuchten Bärthierchen ist die Mundhöhle einfacher gebaut. So besteht sie bei Macr. oberhäuseri (Fig. 3 v) nur aus zwei Chitinringen, von denen der hintere die Mundröhre in sich aufnimmt. Eine ganz ähnliche Ein- richtung treffen wir bei den Echiniscus-Arten (Fig. 6) an, wo schein- bar nur ein becherförmiger Ring die Mundhöhle begrenzt; sind auch hier zwei vorhanden, so ist der vorderste jedenfalls sehr klein. Bei der Gattung Doyeria endlich (Fig. 5) führt die Mundöffnung in einen Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 499 langen Kanal, der von einer zarten Membran ausgekleidet wird. Es sieht aus, als ob sich die Epidermis hier einstülpte. Am hinteren Ende dieses Kanales liegt wieder ein Chitinring, welcher der Mund- röhre aufsitzt. — Bei allen besprochenen und vermuthlich auch bei den übrigen Bärthierchen verjüngt sich der Kopf dort, wo er die Mund- öffnung trägt, zu einer kleinen Papille (Fig. 3 a, 4, 5, 6, pa), die ent- weder auch zugleich das Vorderende der Körperlängsachse bezeichnet (Macr. hufelandu, Doyeria simplex) oder etwas auf die Bauchseite verschoben ist (Macr. oberhäuseri, Echiniscen). Die Mundröhre wird überall von einer starken, doppelt con- tourirten Chitinmembran ausgekleidet und ist, entsprechend der Lage der Mundöffnung, bald vollkommen gerade (Milnesium, Maer. hufelandit), bald bogenförmig gekrümmt (Macr. oberhäuseri). Sie reicht bei den Macrobiten ein gutes Stück in den Schlundkopf herein, während sie bei den Gattungen Doyeria und Echiniscus nur eben in diesen ein- dringt. Bei Macr. hufelandii (Fig. 4) erkennt man in der Medianlinie, sowohl dorsal- wie ventralwärts, eine scharfe Linie als Ausdruck einer Längsfirst, die etwas hinter der Mitte der Mundröhre aufhört. Die auf der Bauchseite befindliche, stark vorspringende Kante begrenzt die zwei Oeffnungen für den Durchtritt der Zähne. In ähnlicher Weise finde ich auch bei den Echiniscen eine Längskante angedeutet, die aber hier ebensolang wie die Mundröhre selbst ist. Die Beschaffenheit des Vorderendes der Mundröhre von Macr. hufelandii ist nicht leicht zu erkennen; die zwei trichterartig nach innen vorspringenden Linien scheinen mir nur eine äussere ventrale Skulptur darzustellen, nicht in der Mundröhre selbst zu liegen. — Wie schon oben erwähnt wurde, ragen die Zähne der Bärthierchen entweder direckt in die Mund- höhle oder in die Mundröhre herein. Jenes ist der Fall bei den Echiniscen, Milnesien und solchen Macrobioten, die sich im Gebiss an Macr. oberhäuseri anschliessen; dieses bei Doyeria simplex und Macr. hufelandi (cf. Fig. 2—6). Bei letzterer Art sind die Zähne, da sie naturgemäss weit nach vorn verschoben werden müssen, um die Nahrung anzustechen, in einem sanften Bogen gekrümmt, dessen concave Seite nach aussen gerichtet ist. Doyère hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, dass das vordere Ende der Zähne bei den Macrobioten ver- kalkt ist, wovon man sich in der That durch Zusatz von Säuren leicht überzeugen kann. Das gleiche Verhalten soll auch für die Echiniscen Geltung haben, wenngleich es hier „langsamer und weniger regelmässig“ nachzuweisen sein soll. Nach meinen Erfahrungen sind die Zähne bei diesen Thieren ganz kalkfrei und bestehen ebenso wie bei Doyeria 500 LUDWIG H. PLATE, nur aus Chitin. Die Beschaffenheit der Zähne bei Milnesium tardigradum verdient noch genauer untersucht zu werden, da sie manche Besonder- heiten aufweisen. Bei einem sehr günstigen ausgewachsenen Exemplar, das ich in chilenischem Moose fand, zerfiel der Zahn in 3 Abschnitte, von denen nur der vorderste, von geringer Grösse, in die Mundhöhle herein ragte. Der ganze Zahn wurde der Länge nach von einem Kanal durchzogen. — Das hintere Ende der Zähne läuft bei den mir zur Verfügung stehenden Arten — mit Ausnahme von Doyeria simplex — in zwei kurze divergirende Gabeläste aus (Fig. 2, 3, 6), die knopf- förmig verdickt sind und zwischen sich eine Aushöhlung nach Art einer Gelenkpfanne bilden. Bei den Milnesien und Macrobioten dient dieselbe dem schon von Dusarprn (7) gesehenen queren Zahnträger (Fig. 2, 3, tr) zur Anheftung, während das andere Ende desselben an der Mundröhre befestigt ist. Dovire nennt diese Gebilde „supports en S“, eine Bezeichnung, die nur auf Macr. hufelandii, aber nicht auf Species passt, welche einen geraden oder nur leicht gebogenen Zahn- träger besitzen (Milnesium tardigradum, Macr. oberhäuseri). Bei den Gattungen Echiniscus und Doyeria fehlt ein Zahnträger vollständig; bei ersterer Gattung scheint früher ein solcher vorhanden gewesen zu sein, da die Gelenkpfanne am hinteren Ende jedes Zahnes noch deutlich ausgebildet ist. Bei letzterer (Fig. 5) sitzen die Zähne direct in der Zellenmasse, welche die Mundröhre umgiebt; wie die Bewegung dieser kurzen, stiftförmigen Gebilde hier bewirkt wird, ist mir unklar geblieben. Die genannte Zellenmasse ist eine Fortsetzung der Zellenschicht, welche zur Mundhöhle gehört. Sie nimmt von vorn nach hinten an Dicke zu, und hat annähernd die Form einer Birne. Im Innern er- kennt man zahlreiche Nuclei und feinkörniges Protoplasma, das aber an keiner Stelle zu Muskeln differenzirt ist. Die Zähne von Doyeria endigen hinten bald mit einem kleinen Knopf, bald gerade abgeschnitten und zeigen in diesem Falle auch nicht selten einen kurzen Schlitz, vielleicht die erste Spur der bei anderen Arten vorhandenen Gelenkpfanne. — Die Lage der Muskeln, durch welche der Zahnapparat bewegt wird, lässt sich bei Macr. hufelandii leicht feststellen. Jeder Zahn wird von 3 Muskeln bewegt, die vom hintersten Ende desselben auslaufen. Der eine ist lang und schmal, zieht nach vorne und inserirt sich an der Mund- höhle (Fig. 4), die zwei andern sind kurz, dreieckig und befestigen sich an der Membran, welche den Schlundkopf nach aussen begrenzt (Fig. 2). — Ich komme jetzt zur Beschreibung des musculösen Apparates, des Schlundkopfes oder Saugmagens, welcher den Nahrungssaft in den Magen bewegt. Am leichtesten ist der Bau desselben auch wieder bei Macr, hufelandii zu erkennen (Fig. 2, 4). Er wird in seiner ganzen Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden, 501 Länge von einem Kanal durchzogen, dessen chitinige Wandung vorn mit der Mundröhre zusammenhängt. Auf den ersten Blick fallen dem Beobachter drei Reihen von dicken undurchsichtigen Stäbchen auf, von denen jedes einzelne wieder aus zwei Stücken zusammengesetzt ist. Von den drei Reihen liegen die zwei seitlichen — bei der Betrachtung des Thieres in der Bauch- oder Rückenlage — in derselben Ebene, während die dritte mittlere ein wenig nach der Ventralseite verschoben ist. Die Mundröhre (Fig. 2, 4, tw) trägt an ihrem Hinterende einen breit nach aussen vorspringenden Rand, an den noch zwei seitliche und ein dorsales Chitinstückchen (p) sich anschliessen. Diese beiden Seitenstückchen verbinden den Rand mit den lateralen Bälkchenreihen. Doyère hat nun den Fehler begangen, dass er die drei Stäbchen- complexe in die Wand des den Schlundkopf durchziehenden Kanales legte, während derselbe in Wahrheit nur die mediane Reihe berührt und zwischen diesen Chitinstücken hindurch zieht. GREEFF spricht sich nicht eingehend über den Bau des Schlundkopfes aus; da er den- selben jedoch stellenweise als „Kaumagen“ und jene Balken als „Kau- platten“ bezeichnet, so scheint er sich der Dovire’schen Darstellung anzuschliessen und ausserdem zu glauben, dass diese Chitingebilde sich an der Zerkleinerung der Nahrung betheiligten. Eine solche Function darf man ihnen auf keinen Fall zuschreiben, da weder die Bälkchen der Seitenreihen, noch die der mittleren mit der aufge- nommenen Speise überhaupt direct in Berührung kommen können. Für jene folgt dies ganz sicher aus ihrer Lage zum Kanal des Schlund- kopfes, für diese aus dem Umstande, dass sie von aussen der Wan- dung desselben anliegen, daher höchstens einen schwachen Druck auf sein Lumen auszuüben vermögen. Diese Gruppen von Doppelstäbchen dienen meines Erachtens nur dazu, den Muskeln des Schlundkopfes einen festen Ansatzpunkt zu gewähren. Der Kanal des Saugmagens wird zu dem Zwecke allseitig von zwei concentrischen dünnen Mem- branen umgeben. Die innere verbindet die Stäbchenpaare der beiden Lateralreihen, die äussere zieht in geringer Entfernung von ihr und trennt die stark ausgeprägte äussere Muskelzone von der viel zarteren innern. Die äussere Membran stösst vorn an das breitrandige Ende der Mundröhre, hinten lässt sie sich wegen ihrer grossen Feinheit nur an günstigen Exemplaren bis zum Schlundkopfkanal verfolgen. Die Fig. 2, auf der diese Membranen im optischen Durchschnitt ein- getragen sind, wird die geschilderten Verhältnisse hoffentlich besser als viele Worte erläutern. Die Muskeln des Schlundkopfes ziehen annähernd in radialer Anordnung von dem Kanal nach der äusseren 502 LUDWIG H. PLATE, Membran. Wie schon eben angedeutet wurde, sind sie nur ausserhalb der stäbchenfreien Membran deutlich entwickelt und aus diesem Grunde nur hier von den früheren Forschern gesehen worden. Die Muskel- fibrillen zeigen auf dieser Strecke häufig viele hintereinander liegende Körnchen. Ihre Kerne finden sich vornehmlich in der Nähe der Peripherie. Die Fibrillen der inneren Muskelzone sind am lebenden Thiere sehr viel schwerer zu erkennen als die der äusseren, deren direkte Fortsetzung sie bilden. Durch die Membran, welche die Trägerin der lateralen Stäbchenpaare ist, wird dieser innere Muskel- complex streng genommen wiederum in zwei concentrische Partieen gesondert, doch lässt sich ein verschiedenes histologisches Verhalten derselben nicht constatiren. — Die geschilderte, etwas complicierte Einrichtung des Pharynx befähigt offenbar den Macrobiotus hufelandii, eine je nach Bedürfnis sehr verschieden starke Saugkraft zu entfalten, da diese davon abhängen muss, wie weit die Wände des Schlundkopf- kanales, welche in der Ruhe eng aneinander gepresst sind, auseinander gezogen werden. Da ich die Macrobioten nie direkt beim Aussaugen beobachtet habe, kann ich nur Vermuthungen über die Wirkungsweise des Saugmagens vorbringen. Wahrscheinlich wird durch die innere zarte Musculatur zunächst eine Portion Nahrungssaft in den Schlundkopf hereinbefordert , wobei die hintere Oeffnung desselben durch Anein- anderlegen der Wände luftdicht geschlossen wird. Hierauf tritt die äussere grobe Musculatur in Thätigkeit. Sie bewirkt den Zufluss einer neuen Quantität Nahrungssaft, welche beim rechtzeitigen Oeffnen des hinteren Ventils im Stande sein wird, die zuerst aufgenommene Flüssigkeitsmenge in den Magen zu drücken. Lässt die Muskel- contraction nach, so erhält der Schlundkopfkanal in Folge der Elasti- cität seiner Wandung wieder sein ursprüngliches, äusserst enges Lumen. Von dem Rest der Flüssigkeit wird ein Theil in den Magen gedrängt, der andere tritt in die Mundröhre zurück, falls er hieran nicht durch eine zweite Ventilvorrichtung gehindert wird. Bei Macrob. oberhäuseri und andern Arten mit demselben Gebisstypus scheint der Schlund- kopf im Wesentlichen ebenso eingerichtet zu sein wie bei Macr. hufe- landii. Doch lassen sich hier die Verhältnisse schwieriger ermitteln, und namentlich gewinnt man nur an stark gepressten Thieren die Ueberzeugung, dass auch in diesem Falle die centralen Verdickungen nicht in der Wand des Pharynxkanales selbst liegen. Den Milnesien fehlen die Stäbchenpaare der Macrobioten, und bei Doyeria und den Echiniscen sind sie lang und schmal, was nach GREEFF auch für Maer. macronyx zutrifft, — Bei allen bis jetzt bekannten Bärthierchen Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 503 stösst der Saugmagen unmittelbar an die Mundröhre und giebt selbst an seinem hinteren Ende den Oesophagus ab. Von dieser Regel macht die neue chilenische Gattung Diphascon (Fig. 25) eine Ausnahme, indem hier der Schlundkopf in die Mitte des relativ langen Oesophagus eingeschaltet ist. Speicheldrüsen, die, wie schon Dov&rE vermuthet, in vielen Fällen auch wohl als Giftdrüsen funktioniren, kommen bei den Gattungen Macrobiotus, Milnesium, Doyeria und wahrscheinlich auch bei Diphascon vor. Bei den Echiniscus-Arten sind sie mir nicht aufgefallen, doch ist es möglich, dass sie hier nur durch das rothe Pigment der Epi- dermis verdeckt wurden. Am deutlichsten lässt sich ihr Bau bei Macr. hufelandii überblicken. Sie stellen hier zwei grosse birnförmige Drüsen dar (Fig. 4, sal), die den grössten Theil der Rückenseite des Schlundkopfes bedecken und sich auch ein wenig auf die Ventralfläche (Fig. 16) desselben umschlagen. Der eigentliche Drüsenkörper geht in der Höhe des hinteren Zahnendes in eimen schmalen Ausführgang über, der jederseits neben dem Zahne hinzieht und zugleich mit dem- selben in die Mundröhre — auf deren Ventralseite — emmündet. An den Kanal schliesst nach hinten ein ziemlich grosser, flaschen- förmiger Raum, in dem sich das Secret ansammelt. Derselbe liegt etwas unsymmetrisch, derartig, dass er nach aussen verlagert ist und daher von einer dicken Innen- und einer schmalen Aussenwand be- grenzt wird. Im Protoplasma der Speicheldrüsen habe ich keine deutlich von einander gesonderten Zellen unterscheiden können, wohl aber viele Kerne mit Nucleolus. Das Secret der Drüse besteht aus farblosen, ölartig glänzenden, mit Osmiumsäure sich nicht schwär- zenden, homogenen Kugeln, von denen man bald eine sehr grosse, bald zahlreiche kleinere antrifft. Es ist in dünner Essigsäure löslich und sehr geschmeidig, so dass es beim Passiren des Ausführganges eine schmale, bandförmige Gestalt annimmt. Zuweilen erblickt man in den Secrettropfen wasserklare Vacuolen. — Es ist mir zweifelhaft geblieben, welche Organe bei Doyeria simplex als Speicheldrüsen anzusprechen sind. Die mit % Fig. 5 bezeichneten Gebilde haben die Gestalt ein- zelliger Drüsen, doch habe ich in ihnen nie Spuren eines Secretes ge- funden. Die dicken Zellenmassen, welche die Mundröhre (tw) umgeben, haben vermuthlich auch die gleiche Funktion. 504 LUDWIG H. PLATE, B. Schlundrohr und Magen; Art der Ernährung; Enddarm. Der Oesophagus setzt sich nach dem einstimmigen Urtheil der früheren Autoren nicht scharf vom Magen ab, sondern geht allmählich in diesen über. Dieser Satz gilt auch für das histologische Verhalten, wenngleich nicht in ganz demselben Maasse. Die folgende Schilderung bezieht sich auf Macr. hufelandü. Der Oesophagus (Fig. 4 oe) wird seiner ganzen Länge nach innen von einer derben chitinigen Membran ausgekleidet, welche dem Magen fehlt und hier durch eine zarte Cu- ticula ersetzt wird. Dieser Unterschied tritt bei Behandlung mit Kali- lauge sehr deutlich zu Tage. Die Zellen des Schlundrohres sind niedrig und stets ungefärbt. Auch kommen in ihnen nie jene grossen glän- zenden Granula vor, welche nach vollendeter Verdauung in der Magen- wand sich anhäufen. An der Uebergangsstelle von Schlundrohr und Magen werden die Zellen etwas schmäler und die Kerne rücken näher zusammen. — Die eigentlichen Magenzellen (Fig. 7) sind viel grösser als die des Schlundrohres, von polygonaler, meist 6eckiger Gestalt, von einander durch deutliche Membranen geschieden und in Längs- reihen angeordnet. Sie haben einen ansehnlichen Kern mit grossem, meist excentrisch gelegenen Nucleolus. Bei gut genährten Thieren springt jede Zelle halbkugelig in das Magenlumen vor, unter ungün- stigen Verhältnissen schrumpfen dieselben aber stark zusammen, so dass die Magenwandung sehr dünn wird. Die Zellen werden nach innen von einer zarten Cuticula bedeckt, in der man bei sehr starker Ver- grösserung kleine dunkle Striche in geringem Abstande und in radiärer Richtung verlaufen sieht (Fig. 8). Ich halte dieselben für feine Kanäle, durch welche der Nahrungssaft in die Zellen übertritt. Cilien finden sich an keiner Stelle des Tractus intestinalis, wie sie denn überhaupt nirgends im Tardigraden-Organismus vorkommen. — Ueber die Nahrung der Bärthierchen sind die verschiedenen Forscher nicht ganz derselben Meinung. Nach O. F. MÜLLer besteht sie aus vegetabilischen Sub- stanzen, denn „der kleine Bär ist ein schwerfälliges, kaltblütiges und sanftes Thierchen. Er lässet die Mitbewohner seines Tropfens mit gleicher Gleichgültigkeit als der Löwe das Kindchen um und an sich fahren.“ Duyarpin ist derselben Ansicht, dagegen sollen die Tardi- graden nach Dovère die kleinen Organismen fressen, die mit ihnen das Moos bevölkern, namentlich die Philodinäen. Ich glaube, dass nur GREEFF das Richtige getroffen hat mit seiner Angabe, die Nahrung Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 505 sei theils pflanzlicher, theils animaler Natur, und möchte hinzufügen, dass sie ganz überwiegend Vegetabilien, namentlich Moosen , ent- nommen wird. Man kann dies schon daraus schliessen, dass die Bär- thierchen viel zu plump und ungeschickt sind, um einigermaassen bewegliche Thiere festzuhalten und anzuspiessen. Ich habe sehr oft Rotatorien ganz dicht vor ihrer Mundöffnung vorbeikriechen sehen, ohne dass sie sich jemals derselben bemächtigt oder auch hierzu nur den Versuch gemacht hätten. Da jedoch Greerr und Doy&rE die Kauplatten dieser Thiere im Magen der Macrobioten wiedergefunden haben, so müssen ihnen dieselben ab und zu zur Nahrung dienen, und es fragt sich nur, ob die Rotatorien lebend oder todt waren, als sie von den Bärthierchen ausgesogen wurden. Bringt man nämlich die moosbewohnenden Philodinäen nach einer Periode intensiver Aus- trocknung wieder ins Wasser, so zeigen sie ein merkwürdiges Ver- halten. Schon nach kurzer Zeit (!/,—!/, Stunde) sind sie sämmtlich aufs neue zum Leben erwacht und kriechen munter umher oder lassen ihren Räderapparat spielen; aber ihr Leben währt nicht lange, nach 2—3 Tagen findet man die Thiere fast alle todt am Boden liegen, während doch ihre nächsten Verwandten im süssen Wasser sich unter gleichen Bedingungen wochenlang ihres Daseins freuen und sich dabei oft stark vermehren. Der Uebergang aus einer längeren Trocken- existenz in einen mehrtägigen Wasseraufenthalt ist für die Rotatorien der Fauna rediviva augenscheinlich im hohen Maasse schädlich; ihre Lebenskraft bleibt in diesem Falle nur dann ungeschwächt erhalten, wenn sie nach kurzer Zeit wieder eintrocknen. Ich gehe auf diese interessante Erscheinung nicht näher ein, weil ihre Bedeutung hier nur darin liegt, dass sie zeigt, wie die Tardigraden auch in der Natur häufig Gelegenheit haben werden, todte Rotatorien als Nahrung zu verwerthen. Nach meinen Erfahrungen nähren sich dieselben freilich in erster Linie von dem Saft der Moospflänzchen. Ich habe nämlich ‚sehr oft eine grünliche, mit einzelnen (Chlorophyll-?) Körnchen durch- setzte Flüssigkeit im Magen der lebenden Bärthierchen angetroffen, die, wie schon DuyJARDIN (9. p. 165) richtig bemerkt, offenbar vege- tabilischer Natur ist; DoYkre behauptet zwar kurz und bestimmt: „cette matière verte est le foeces, le résidu de la digestion“, bleibt aber den Beweis hierfür vollkommen schuldig, obwohl derselbe bei der ungewöhnlichen Form, den die Auswurfsstoffe hier zeigen würden, doppelt noth thut. — In Folge der Verdauung treten bei den Macro- bioten in den Magenzellen eine Menge von Körnern und Körnchen auf, von denen zwei Sorten unterschieden werden können; einmal sind es 506 LUDWIG H. PLATE, kleine, glänzende, homogene Kugeln, die sich auf Osmiumzusatz nicht verändern und bald farblos (Fig. 8 a), bald lichtgrün (8 b) sind; zweitens unregelmässig rundliche Gebilde (c), die viel grösser sind und sich häufig polygonal gegen einander abplatten. Sie erscheinen eben- falls strukturlos und stets grünlich oder bräunlich gelb gefärbt, wenn der Magen einen grünen vegetabilischen Saft enthält; im Innern liegen häufig ein oder mehrere dunkle Binnenkörper. Derartige Granula finden sich nie im vordersten kleinzelligen Magentheil und im Oeso- phagus, so dass diese offenbar an der Verdauung der Nahrung sich nicht betheiligen. Nicht selten liegt in jeder Magenzelle ein grosser Oeltropfen, der zuweilen von einem Kranze ganz kleiner Oelpünktchen umschlossen wird (Fig. 8 ol). — Die eigenthümlichen Körner mit centralem Fleck, welche Doyire von den Echiniscen beschreibt, habe ich bei den Macrobioten nie beobachtet. — Der Magen setzt sich durch eine ringformige Einschnürung vom letzten Abschnitte des Darms, dem Rectum, ab. Dorsal und lateral, aber so ziemlich in derselben Höhe wie der Magen, münden die Organe des Geschlechts- und Excretionsapparates in den Enddarm ein, so dass dieser dadurch zur Kloake wird. Doyérr giebt an (1. c. p. 324), auf die eben erwähnte Einschnürung folge eine Anschwellung, welche durch ihre Struktur an den muskulösen Pharynx erinnere und dazu diene, die Geschlechtsprodukte nnd Nahrungsreste aus der Kloake heraus zu befördern. Diese Behauptung ist, wenig- stens für die Macrobioten, nicht richtig. Von einem solchen Muskel- ring finde ich keine Spur, wohl aber verdicken sich die Wände der Kloake beträchtlich im Verhältniss zum Magen (Fig. 12 cl u. st) und springen häufig an verschiedenen, nicht ganz constanten Stellen buckel- artig nach aussen vor. — Um die quergestellte Afterspalte bildet ferner, wie schon erwähnt wurde, die Epidermis eine Anzahl von runden Wülsten, die aber in Form und Grösse sehr variiren, auch wohl ganz fehlen. 4. Die Geschlechtsorgane der Tardigraden. Hinsichtlich des Geschlechtsapparates der Bärthierchen bin ich zu ganz andern Ansichten gelangt als die früheren Untersucher. Ich kenne denselben genauer freilich nur von der Gattung Macrobiotus, doch bin ich überzeugt, dass die Verhältnisse auch bei den übrigen Genera im Wesentlichen die gleichen sein werden, da die äussere Gestalt der einzelnen Organe überall dieselbe ist. Doyère hat zuerst angegeben, dass die Tardigraden Zwitter seien, und alle späteren Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 507 Forscher haben, soweit sie sich überhaupt mit dieser Frage beschäf- tigten, sich in demselben Sinne geäussert. DoYErE deutete den grossen länglichen Sack, welcher sich in jedem Individuum dorsal vom Magen ausbreitet, als Eierstock und das schlauchförmige Organ, welches jeder- seits in die Kloake einmündet, als Hoden; die kleine dorsale Drüse, welche zugleich mit dem Ovar in den Enddarm tritt, sprach er als eine Samenblase an. In dieser Darstellung finden sich nach meinen Beobachtungen verschiedene Fehler: die Tardigraden sind getrennten Geschlechtes, jedoch ist die äussere Gestalt des ganzen Sexualapparates bei Männchen und Weibchen völlig gleich, welcher Umstand in erster Linie die richtige Erkenntniss der Verhältnisse verhindert hat. Hoden und Eierstock sind unpaare Gebilde und jeder mit einer dorsalen Anhangsdrüse (gl. d) versehen. — Das Ovar ist von DovykrE und GREEFF in seiner Lage und seinen äusseren Formen richtig erkannt und geschildert worden. Nur darin stimme ich nicht mit DOYÈRE überein, dass die zwei dünnen Ligamente, welche von den vorderen Hörnern desselben auslaufen und sich in der Höhe des zweiten Bein- paares an die Rückenmuskulatur ansetzen, gegabelt sind und einen Ast nach der Bauchseite senden; mir scheinen es einfache kernlose Fäden zu sein, die um so länger sind, je mehr der Eierstock selbst im jugendlichen oder rückgebildeten Zustande sich befindet. Auch GREEFF zeichnet sie ohne Seitenast. — Das Ovar wird von einer dünnen Haut gebildet, deren Kerne nur schwer zu finden sind. Sie liegen hier und da zerstreut und lassen sich noch am leichtesten an Thieren erkennen, deren Ovar ganz oder theilweise leer ist. — Der Inhalt der Keimdrüse bietet je nach dem Alter des Thieres einen sehr verschiedenen Anblick dar. In der Jugend ist das ganze Organ dicht gefüllt mit kleinen blassen Eiern, von denen jedes einen centralen Kern mit Nucleolus aufweist. Die Eier sind nackt, nur mit wenigen Körnchen versehen und deutlich von einander isolirt; auch findet sich an keiner Stelle des Organes ein zusammenhängendes Keimplasma, das als Ursprungsstätte derselben angesehen werden könnte. Von diesen Zellen des Ovars sind nur wenige dazu bestimmt, zu wirklichen Eiern zu werden. Die meisten werden als Nährmaterial für einige bevorzugte Zellen verwandt. Die letzten haben keine bestimmte Lage, so dass offenbar alle Zellen anfänglich mit einander in Concurrenz treten und ein Kampf ums Dasein im Roux’schen Sinne die Auslese der späteren Eier bewirkt. Das Resultat dieses Kampfes um eine möglichst günstige Ernährung macht sich schon bald dem Auge be- merkbar. Einige Zellen (Fig. 12) zeichnen sich durch besondere Grösse 508 LUDWIG H. PLATE, und Reichthum an dunklen Körnchen aus. Sie liegen bald vorn, bald hinten im Ovar, zuweilen dicht bei einander oder auch durch eine Anzahl kleiner Zellen von einander getrennt. Die Zahl der Zellen, die gleichzeitig zu Eiern heranreifen, ist eine sehr wechselnde und hängt offenbar ab von den Ernährungsverhältnissen des Thieres. Schwächliche, durchsichtige Individuen zeigen häufig nur 1—3 Eier (Fig. 21, 25) in der Entwicklung, während bei kräftigen, pigmentreichen Exemplaren nicht selten 8—12 angetroffen werden, die den Eierstock bis in die Höhe des Pharynx ausdehnen. Hat sich die Sonderung in Ei- und Nährzellen definitiv entschieden, so nehmen erstere langsam an Grösse und dunklen Körnern zu, während letztere immer mehr verschwinden. Ich habe mich vergeblich bemüht, zu beobachten, in welcher Weise die Nährzellen von den Eiern verwerthet werden, ob sie zuerst zerfallen oder ob sie in toto von jenen aufgezehrt werden, etwa wie eine Dia- | tomee von einer Amöbe umflossen und verdaut wird. Wahrscheinlich ist das erstere der Fall, da ich nie Spuren von den Kernen der Nähr- zellen im Eiplasma erblickt habe. Es ist mir ferner zweifelhaft ge- blieben, ob die Nährzellen sämmtlich verbraucht werden oder ob ein Rest derselben sich nach der ersten Eiablage durch Theilung vermehrt und eine zweite Generation von Eiern liefert. Beides scheint vorzukommen, denn zuweilen fand ich ausser den reifen Eiern eine nur ganz unbe- deutende Menge Protoplasma am Hinterende des Ovars, die keine Sonderung in distincte Zellen erkennen liess. Diese kann also schwer- lich zur Bildung neuer Eier geführt haben. Andererseits trifft man auch Thiere (Fig. 21) an, die neben den fertigen Eiern noch einen bedeutenden Vorrath von unentwickelten Zellen besitzen; derselbe wächst in wenigen Tagen nach der Ablage des letzten Eies beträcht- lich heran, und es ist sehr wahrscheinlich, dass eine zweite Serie von Eiern aus ihm hervorgeht. Sind mehrere Eier gleichzeitig im Ovar, so stehen sie stets sämmtlich so ziemlich auf derselben Entwicklungs- stufe und sind annähernd gleich gross. — Hinsichtlich der Anlage der Eischalen bin ich zu keinem sicheren Resultat gekommen. Die innere ist wohl ohne Zweifel eine echte Dotterhaut, also ein Abscheidungs- produkt der Eisubstanz. Die äussere, welche bei manchen Arten dicht mit zierlichen Knöpfchen u. dgl. besetzt ist, kann wohl nur von aussen gebildet werden, und es fragt sich, ob sie von den sogenannten Nähr- zellen oder von der Wandung des Ovars geliefert wird. Ich glaube, dass das Letztere der Fall ist, da die äussere Eischale nicht selten erst gebildet wird, wenn nur noch ein ganz kleiner, meist auf das Vorderende des Ovars zusammengedrängter Theil der Nährzellen Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 509 existirt. Doch ist es — falls die Eier nicht langsam rotiren — dann schwer verständlich, wie bei Anwesenheit von mehreren Eiern die- jenigen Partien der Eioberfläche ihre Schale erhalten, welche nur an ein benachbartes Ei, aber nicht an die Wandung des Ovars anstossen. Die dorsale Anhangsdrüse (Fig. 12 gl. d) des weiblichen Geschlechts- apparates hat eine kugelige oder birnförmige Gestalt und eine nur geringe Grösse. In vielen Fällen habe ich vergebens nach einem Lumen in ihr gesucht, das ganze Organ war vielmehr von einer fein- körnigen Protoplasmamasse erfüllt, in der zahlreiche Kerne lagen. Besondere Zellgrenzen waren nicht zu erkennen. Bei anderen Exem- plaren fand ich in der Mitte einen kleinen, unregelmässigen, lichten Raum (Fig. 12, 21), der von keiner besonderen Membran eingefasst war und wie ein Spalt im Plasma aussah. Zuweilen lag in diesem Hohlraum ein ölartig glänzender Körper von geringer Grösse und un- regelmässigen Umrissen. Dass dieses Organ nicht, wie Dovire und GREEFF angeben und letzterer auch in seiner Abbildung andeutet, eine Samenblase sein kann, ist einleuchtend, aber die Erkenntniss der wahren Funktion dieses Organes wird dadurch nicht gefördert und muss daher zukünftigen Untersuchungen überlassen bleiben. Die männlichen Geschlechtsorgane stimmen, wie schon erwähnt wurde, in ihrer Gestalt vollkommen mit den weiblichen überein; die Untersuchung derselben wird durch die grosse Seltenheit der Männchen sehr erschwert, und aus diesem Grunde habe ich manche hierher gehörige Frage unbeantwortet lassen müssen. DoYyire, der von sich selbst sagt, dass seine Monographie das ,,résultat d’une étude non interrompue depuis le mois de novembre 1838 jusqu’au mois d’octobre 1840“ sei, hat in dieser langen Zeit nur zwei männliche Thiere zu sehen bekommen, was freilich auch dadurch bedingt sein mag, dass sein Mikroskop ihm nur die Erkennung des Spermas im ausge- bildeten Zustande ermöglichte. Ich selbst habe während der 5-6 Monate, die ich auf das Studium dieser merkwürdigen Thiergruppe verwandt habe, ca. 10 Männchen unter Augen gehabt, von denen unge- fähr die Hälfte reifes Sperma enthielt. Sie gehörten den Species Macr. hufelandii, Macr. oberhäuseri und Doyeria an. Fig. 13 stellt ein derartiges Thier dar. Der grosse dorsale Sack, bei den Weibchen das Ovar, war in seiner ganzen Ausdehnung dicht mit Spermatozoen gefüllt, die sich im Anfangstheil der Kloake lebhaft bewegten, während sie sonst überall ruhig lagen. Das Sperma war im Hoden eigen- thümlich vertheilt, indem je die Köpfe und die zugehörigen Schwänze zu besonderen Gruppen angeordnet waren. In der vorderen Hälfte 510 LUDWIG H. PLATE, sassen der Ventralfläche zahlreich kleine rundliche Gebilde an, die ich für Spermamutterzellen halte; bei andern Individuen war der ganze Hoden nur mit Samenfäden erfüllt, die mit ihren Schwänzen wirr sich durchkreuzten. — Ueber die Gestalt der Spermatozoen haben DOYÈRE und GREEFF schon das Wichtigste mitgetheilt. Der grosse Schwanz- anhang trägt häufig noch einen Plasmaklumpen an sich. Der kleine ist nicht immer an derselben Stelle des Kopfes eingelenkt, bald sitzt er dem grossen Anhange gerade gegenüber, bald in unmittelbarer Nähe desselben. Im Kopfe konnte ich nichts von einem besonderen Kerne entdecken, daher scheint er selbst der Nucleus zu sein. Als ich das abgebildete Thier unter dem Deckglase langsam zerdrückte, fielen mir im Hoden eine Unmenge kleiner steifer Stäbchen auf von 8,10—13,5 u Länge, die im Aeussern ganz dem kleinen Anhang des Spermas glichen, aber vollständig isolirt lagen. Sie fanden sich auch an Stellen, die unter der Quetschung gar nicht gelitten hatten, so dass sie vielleicht selbständige Gebilde sind. — Ueber die Entwicklungs- weise der Samenfäden habe ich nur einige ungenügende Beobachtungen sammeln können. Auf frühen Stadien ist der Hoden dicht gefüllt mit sehr kleinen runden Zellen (Fig. 13 bei x); da ich Färbungsversuche nicht gemacht habe, sind diese Gebilde vielleicht nur Kerne, und das, was ich für die Nuclei halte, die Kernkörperchen. Später nehmen diese Körper ein dunkles, etwas glänzendes Aussehen an (Fig. 11 bei a), um sodann jeder in mehrere noch kleinere Kügelchen (bei b) — nach meiner Ansicht die Kerne der Spermatozoen — zu zerfallen. Das zwischen den Kernen liegende feinkörnige Protoplasma liefert dann vermuthlich die Schwanzanhänge. — Ueber den dorsalen Anhang (gl. d) fehlen mir leider noch sichere Beobachtungen. Bei einem Individuum machte das Plasma denselben Eindruck wie das noch in der Ent- wicklung begriffene Sperma im Hoden, so dass derselbe möglicher Weise nur ein Theil des Hodens ist. Bei dem in Fig. 13 abgebildeten Macrobiotus liessen sich nur die äusseren Contouren des Sackes fest- stellen; ich habe deshalb auf der Zeichnung auch nicht mehr ange- geben. Man wird wohl nicht irre gehen, wenn man diese Drüse als Prostata bezeichnet. Meine Bemühungen, die Begattung zu beobachten, blieben ohne Erfolg. Ein Männchen mit reifem Sperma befand sich stundenlang in unmittelbarer Nähe eines Weibchens, dessen Eier, nach der Grösse zu urtheilen, schon befruchtungsfähig sein mussten. Beide Thiere kamen häufig in die innigste Berührung, ohne aber jemals den Coitus zu versuchen. Sie schienen sich auch beide absolut nicht um einander zu bekümmern. — Endlich sei hier noch bemerkt, dass es Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 511 mir niemals gelungen ist, wie GREEFF „ein kleines, meist allerdings schwer aufzufindendes Copulationsglied an der Geschlechtsöffnung‘“ zu entdecken; ich finde vielmehr die Afteröffnung, wie beim Weibchen, nur von einigen Epidermisverdickungen umstellt. 5. Die Exeretionsorgane. Ich habe vorhin schon angegeben, dass in den Anfangstheil des Rectums jederseits ein schlauchförmiges Organ einmündet, welches von Doyére und von GREEFF als Hoden angesehen wird, obwohl es diesen beiden Forschern nie gelungen ist, Spermatozoen in demselben wahr- zunehmen. Da die männliche Keimdrüse, wie wir eben gesehen haben, eine ganz andere Lage einnimmt, fragt es sich, welche Funktion diesen lateralen Anhangsdrüsen der Kloake zugeschrieben werden muss. Ich glaube, es kann nicht zweifelhaft sein, dass sie eine excretorische Thätigkeit ausüben, denn einmal existirt im Tardigraden-Organismus kein anderes Organ, welches als Niere gedeutet werden könnte, und zweitens stimmen sie in Lage, Zahl und Bau völlig mit den Mar- pıGHulschen Gefässen der Milben überein; leider ist es mir wegen ihrer Kleinheit nicht gelungen, Harnsäure in ihnen nachzuweisen, so dass es zwar sehr unwahrscheinlich, aber immerhin möglich ist, dass sie Anhangsdrüsen des Geschlechtsapparates sind. Die in Rede stehenden Excretionsorgane kommen Mannchen und Weibchen in gleicher Ausbildung zu (Fig. 12, 13, 21 gl. 1). Sie sind von schlauchförmiger Gestalt und je nach dem Ernährungszustande des Thieres von sehr verschiedener Grösse; zuweilen dehnen sie sich ebenso weit nach hinten aus wie ein mässig entwickeltes Ovar. Ein schmaler Kanal durchzieht sie in ihrer ganzen Länge, in dessen Lumen mir weder ein Secret noch sonst irgend ein Gebilde aufgefallen ist. Die Wand besteht aus einer zarten Tunica propria und einer Lage von Zellen, deren Grenzen bei günstigen Thieren deutlich zu erkennen sind. Das Plasma der- selben ist feinkörnig und manchmal von ölartigem Glanze. Die Be- schreibung, welche NALEPA !) in seiner schönen Arbeit über die Anato- mie der Tyroglyphen von den zwei MaLpıGHT'schen Gefässen dieser Milben giebt, passt fast wörtlich auch für die hier geschilderten Organe. 6. Die Muskulatur. Ich komme jetzt zu einem Capitel, das im Einzelnen für den Leser nur geringes Interesse bildet, dagegen dem Untersucher viele 1) In: Sitzungsber. k. k. Akad. Wiss. Wien. Math.-nat. Klasse, Bd. 90, 1884. Zool. Jahrb, III. Abth, f, Morph, 34 Di? LUDWIG H. PLATE, Mühe macht, zu der Beschreibung der Muskulatur. Doyire hat die- _ selbe bei den Milnesien eingehend studirt, so dass ich anfänglich glaubte, diesen Abschnitt der Anatomie der Tardigraden übergehen zu dürfen. Später fand ich, dass der Verlauf und die Zahl der zur Locomotion verwandten Muskeln der Macrobioten zwar ähnlich sich verhält wie bei Milnesium, aber doch in manchen Einzelheiten abweicht. So will ich denn im Folgenden ein möglichst kurzes, aber genaues Bild der Körpermuskulatur der Macrobioten zu entwerfen suchen und zwar zu- erst mit Rücksicht auf die Anordnung der verschiedenen contractilen Züge, dann auf ihren histologischen Bau. In der Eintheilung folge ich DoY&re. I. Die Hautmuskulatur („systeme annulaire“ Doy.). 1. Die Ventralmuskeln (Fig. 22). Die Anordnung derselben ist bei Macrobiotus nicht ganz so complicirt wie bei Mailnesium. Links und rechts von der Bauchkette des Nervensystems läuft ein breiter Längsmuskel, der durch viermalige Anheftung an die Epidermis in 3 Abschnitte zerfällt (AE, EH, HM). Parallele Nebenzüge dieses Muskels sind BE und HL. Die übrigen Muskeln der Ventralseite ver- laufen quer oder schräg, und zwar entspringen sie von gewissen Knoten- punkten, die in der Medianlinie zwischen den nervösen Längscommis- suren hinter einander liegen (C, D, F, G, I, K, N). Ihre Gruppirung zwischen dem ersten und zweiten Beinpaar stimmt mit der zwischen dem zweiten und dritten im Wesentlichen überein. Sie ist aus der gegebenen Abbildung ersichtlich, zu deren Verständniss ich jedoch be- merken muss, dass mit Ausnahme von Dh und Gi alle Muskeln direkt unter der Haut verlaufen, während die eben genannten schräg durch die Leibeshöhle nach der Mitte der rechten Körperseite ziehen. Sie gehören zu den „sternodorsalen“ Muskeln Doykres und werden unten näher besprochen werden. Hinter dem dritten Beinpaare ändert sich die Stellung der Muskeln ein wenig. Es macht den Eindruck, als ob dieses letzte Körpersegment durch die starke Ausbildung der Ge- schlechtsorgane aussergewöhnlich in die Länge gedehnt worden sei, so dass die Punkte X und N, die ursprünglich zusammenfielen, nur ein beträchtliches Stück von einander getrennt wurden. Denkt man sich nämlich diese Knotenpunkte der Muskulatur zusammenfallen, so wird auch aus den 3 sternodorsalen Muskeln Kk, NJ ein einziger, und es resultirt dann dieselbe Anordnung wie zwischen dem zweiten und dritten Beinpaar: KR entspricht GQ und NM dem Muskel GR. Ein ” Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 513 Unterschied bleibt aber zwischen dem letzten Segment und den vor- hergehenden selbst in diesem Falle noch bestehen: die beiden Muskeln CQ und FR haben im letzten Körperring keine entsprechende Faser; dieselbe müsste von dem Punkte I ausgehen und zum letzten Bein- paar ziehen. Sie ist aber nicht vorhanden. — Die Gleichheit in der Anordnung der Muskeln zwischen dem ersten und zweiten und dem zweiten und dritten Beinpaar springt zwar sofort in die Augen, doch erleidet sie dadurch eine Störung, dass von F’ keine Muskeln aus- strahlen, die mit Cc und CE correspondiren. Ebenso sind DE und EF ganz isolirt dastehende Bänder. — Inwiefern die ventrale Mus- kulatur von Macrobiotus mit derjenigen von Milnesium übereinstimmt und worin beide von einander abweichen, wird der Leser leicht ge- wahr werden, wenn er Fig 1 der Pl. 17 der Dovire’schen Abhandlung mit meiner Fig. 22 vergleicht. Bei Milnesium existiren — bei Gebrauch der Buchstaben der zuletzt genannten Abbildung — jederseits die Muskeln: CD, FG, IK, FB, HI und noch einige andere von theil- weise untergeordneter Bedeutung, die bei Macrobiotus sämmtlich fehlen. 2. Die Dorsalmuskulatur ist bei Macrobiotus (Fig. 21) ebenfalls einfacher gestaltet als bei Melnesium. Bei beiden läuft jeder- seits der Medianlinie ein Paar von breiten Muskeln über die ganze Länge des Rückens. Zwischen zwei parallelen Bändern derselben Körperseite finden sich bei Milnesium 8 kurze Muskeln in zickzack- förmiger Anordnung; bei Macrobiotus sind nur drei derselben vor- handen, nämlich de, en, 79. 3. Die Lateralmuskulatur (Fig. 20). In der vorderen Körperbälfte ziehen jederseits 2 Muskeln (ca, cb und 2 Bänder zwischen c und e) neben einander, in der hinteren nur einer (eg). Ausserdem gehören hierher 3 Muskeln, die von den Punkten c, e und f ihren Ursprung nehmen und schräg durch die Leibeshöhle nach der Mitte der Bauchseite ziehen. Sie inseriren sich an den Punkten J, N, M. Alle drei geben einen kurzen Gabelast ab, wenn sie sich der Ventral- fläche genähert haben. — Milnesium besitzt noch einen vierten der zuletzt erwähnten Art. Ausserdem dehnen sich jederseits zwei Mus- keln über die ganze Länge der Körperflanken aus, die aus vielen kleinen Abschnitten zusammengesetzt und unter einander gitterartig durch andere Muskeln verbunden sind. 4. Die „sternodorsalen“ Muskeln ziehen von den verschie- denen, vorher erwähnten Muskelknotenpunkten der Ventralseite schräg durch die Leibeshöhle nach den Körperseiten, wo sie sich bei den 34 * 514 LUDWIG H. PLATE, Punkten o, h, n, i, m, k, U etwas oberhalb der lateralen Längsmuskeln an die Haut ansetzen. Da sie nicht bis zum eigentlichen Rücken heraufreichen, werden sie besser als sterno-laterale Muskeln bezeichnet. Sie gleichen vollständig denjenigen von Milnesiwm; nur die Gabelung derselben ist bei Macr. hufelandi nicht so deutlich ausgesprochen, sondern beschränkt sich, mit Ausnahme des letzten Muskels M, auf das laterale Ende. Bei Macr. oberhäuseri ist sie schon etwas stärker entwickelt. II. Die Muskulatur der Extremitäten der Macrobioten stimmt ebenfalls in ihren Grundzügen mit derjenigen der Milnesien überein. Sie entspringen theils an den ventralen Knoten- punkten (Fig. 22 0, D, F, G, I, K, N) und besorgen dann das Vor- resp. das Zurückstellen der Beine, theils an den breiten Längs- bändern des Rückens und der Seiten. Zum Emporziehen der Extre- mitäten von der Bodenfläche treten in jede zwei Bündel von Muskeln, von denen das eine sich an den äussern dorsalen Längsmuskel der betreffenden Seite, das andere an den inneren ansetzt (Fig. 20, 21 beiy,d;e,C; 9,4). Ferner erhalten die sechs Vorderbeine noch je einen Muskel, der ungefähr am Endpunkt des hinter der Extremität ge- legenen sternodorsalen Muskels entspringt. Endlich hat jedes Bein noch einige kleinere Muskeln von untergeordneter Bedeutung. III. Muskeln des Tractus intestinalis. Die Muskeln, welche die Zähne der Macrobioten bewegen, habe ich oben schon erwähnt. Ich will.daher hier nur hinzufügen, dass auch der Magen seine eigene, ihm aussen anliegende Muskulatur hat. Betrachtet man denselben von der Dorsalseite her, so sieht man zwei dünne, einander parallele Längsmuskeln (Fig. 7 mu) über die Rücken- fläche hinziehen. Am Hinterende des Schlundes laufen beide zu einem zusammen, der sich noch eine Strecke auf denselben fortsetzt. Auf jeder Seite des Magens läuft ebenfalls ein solches schmales Band, das am Hinterende des Magens auf dessen Ventralfläche übertritt und hier auf der Kloake weiter zieht. Diesen Längsmuskeln verdankt der Magen, wie mir scheint, seine rhythmischen Bewegungen nach vorn und wieder zurück, die man so oft an den lebenden Thieren wahrnehmen kann. Anmerkung. Ich habe keine Gelegenheit gehabt, die Musku- latur der Milnesien zu untersuchen und die Richtigkeit der DoyrRr’schen Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 515 Angaben zu prüfen. Nur einmal fand ich ein sehr günstiges chile- nisches Miln. tardigradum, dessen Muskeln in folgenden Punkten in ihrer Anordnung von der Dovzre’schen Beschreibung abwichen: 1) über den Rücken liefen jederseits 2 parallele Längsmuskeln, die aber nicht durch zahlreiche Schräg-Bänder unter einander verbunden waren; 2) der Muskel dF (Pl. 17, Fig. 1 der Doyir’schen Abhandlung) fehlte; 3) desgl. die Muskeln CD, FG, IK; 4) desgl. fehlten ZL und wahr- scheinlich auch JH. Dieses Individuum schloss sich demnach im Verlauf der Muskeln näher an Macrobiotus an, als man nach der Schilderung des französischen Forschers erwarten sollte. IV. Die histologische Beschaffenheit der Muskeln. Doyère beschreibt die Muskeln als cylindrische oder abgeplattete Fäden, die im Allgemeinen weder eine Punktirung noch eine Längs- oder Querstreifung aufweisen; doch sollen zuweilen auch solche mit unregelmässigen körnigen Anschwellungen vorkommen. GREEFF ent- wirft ein viel genaueres Bild von der Histologie der Muskeln, dem ich freilich nicht in allen Punkten beistimmen kann. Sie sollen aus contractiler Substanz bestehen, die nach aussen von einer „erhärteten Grenzschicht“ umgeben und im Innern hier und da von körnigem Protoplasma mit oder ohne Kern durchzogen wird. „Die Muskel- substanz selbst hat ein vollkommen homogenes Aussehen ohne jede Spur einer Quer- oder Längsstreifung.“ „Ausser dem stets um die Muskelkerne gelagerten körnigen Protoplasma findet man körnige Substanz zuweilen auch ohne Kern in Streifen oder kleinen Plaques die homogene contractile Substanz durchziehend, aber in sehr wech- selnder Menge und Gestalt, so dass oft ganze Muskeln frei davon sind, während in anderen wiederum an verhältnissmässig vielen Stellen dasselbe eingebettet liegt.“ In dieser Darstellung ist, meiner Ansicht nach, dem körnigen Protoplasma der Muskeln eine unrichtige Lage zugeschrieben worden. Dasselbe hat seinen Sitz nie im Innern der contractilen homogenen Substanz, sondern stets nach aussen von der- selben. Zweifelhaft kann man darüber nur dann sein, wenn man von oben auf den Plasmahügel des Muskels hinauf sieht, wie dies in Fig. 19 z. B. bei mu! der Fall ist. Aber auch in einem solchen Falle lässt sich durch Anwendung der Mikrometerschraube ganz sicher nach- weisen, dass Kern und Plasma über der contractilen Substanz sich ausbreiten. Dass körniges Protoplasma mit oder ohne Kern der con- tractilen Substanz vielfach von aussen anliegt, giebt auch GREEFF 516 LUDWIG H. PLATE, zu (cf. dessen Abbildungen 2, 3 in 18), aber er hält dieses Proto- plasma für Nervensubstanz und sagt von demselben: „diese pyramiden- förmige Nervenzelle legt oder ergiesst sich mit breiter Basis (Platte) über den äusseren Umfang des Muskels und endigt entweder in dieser Form und Eigenschaft oder schickt noch in der Richtung der Längs- achse des Muskels körnige Fortsätze über denselben, die auf ihrem Wege aufs Neue zu Zellen anschwellen können.“ Ein solcher Gegen- satz zwischen nervösem Plasma ausserhalb der contractilen Substanz und Muskel-Plasma innerhalb derselben lässt sich nicht aufrecht er- halten, weil nach meinen Beobachtungen 1) körniges Protoplasma in der contractilen Substanz überhaupt nicht vorkommt und 2) der Nerv, wie weiter unten aus einander gesetzt werden wird, mit einer kleinen strukturlosen Endplatte (Fig. 19 ». pl) im Muskel endet. Der sogenannte Doyirr’sche Nervenhügel besteht zum grössten Theile aus dem Protoplasma des Muskels, dem jene Nervenendplatte an seiner Spitze eingebettet ist. — Ob die contractile Substanz in Wahrheit, wie DOYkRE und GREEFF angeben, homogen ist, muss ich sehr be- zweifeln. Bei lebenden und scheintodten Thieren sieht man allerdings keine Struktur in derselben; sowie man aber mit Osmiumsäure fixirt und in destillirtem Wasser untersucht, wird eine zarte Längsstreifung in allen grösseren Muskeln sehr deutlich sichtbar, die wohl schwerlich als ein Kunstproduct angesehen werden kann, sondern auf eine Zu- sammensetzung aus vielen Fibrillen hinweist (Fig. 19). Nur direct am Rande des Muskels fehlt dieselbe und wird hier durch eine homogene, etwas dunklere Substanz ersetzt. Eine sehr zarte strukturlose Membran hüllt die contractile Masse von aussen ein, und zwischen beiden befindet sich der Sitz des körnigen Protoplasmas, das in jedem Muskel eine oder mehrere nicht genau umschriebene Regionen einnimmt, um sich von hier in wechselnder Menge über andere Partien des Muskels zu ergiessen. Dort, wo ein Muskel sich gabelt (Fig. 19 mu?) oder wo zwei benachbarte dicht neben einander herziehen, breitet sich das Proto- plasma häufig in dünner Schicht zwischen denselben aus, wie eine Schwimmhaut zwischen den Zehen. 7. Das Nervensystem der Tardigraden. 1. Das Centralnervensystem der Bärthierchen besteht nach Doykre aus vier Bauchganglien, die durch zwei lange und relativ weit aus einander liegende Commissuren unter einander verbunden werden, Von dem vordersten Ganglion läuft jederseits ein Nerv schräg “ Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 517 nach oben und vorn und verbindet sich mit einer länglichen An- schwellung, die zugleich Trägerin des Augenfleckes ist; ein anderer zieht ebenfalls nach vorn und bildet bei Milnesium ein kleines Ganglion an der Basis der Palpen. GrEEFF hat dann diese Beobachtungen dahin erweitert, dass die beiden Augenganglien durch einen schmalen, dorsal vom Schlundkopf verlaufenden Querstrang zusammenhingen, dass also auch den Tardigraden, wie allen Arthropoden, ein den Vorderdarm umgreifender Nervenring zukomme. Soweit diese Angaben sich auf das Bauchmark beziehen, kann ich sie bestätigen, während das Nervensystem des Kopfes den früheren Untersuchern in seinen wichtigsten Theilen verborgen geblieben ist. — Die Fig. 14 stellt das Gehirn (ce) und das untere Schlundganglion (Ga) eines Macrobiotus im Zusammen- hang mit dem ersten Centrum der Ventralkette in seitlicher Ansicht dar. Das Nervensystem des Kopfes ist, wie man sieht, sehr stark entwickelt, indem ein breiter Ring von Nervenzellen die Mundröhre umgiebt. Dieser Ring besteht aus einer rücken- und einer bauch- ständigen Verdickung, die an den Seiten mittelst einer breiten Schicht von Zellen in einander übergehen. Die Gestalt des oberen Schlund- ganglions erkennt man am besten bei Betrachtung des Rückens (Fig. 15). Es verlängert sich nach vorn in zwei breit-kegelförmige Lappen, von deren Spitze jederseits ein Nerv direct an die Haut zieht, und bildet nach hinten einen mittleren und rechts und links je zwei seitliche An- hänge (a, s. e, ap), die von innen nach aussen an Grösse zunehmen. Die wurstförmigen Fortsätze ap tragen ungefähr in der Mitte des Innenrandes das Augenpigment, falls solches vorhanden ist, und ver- binden sich durch einen am Augenfleck entspringenden Nerven direkt mit dem ersten Bauchganglion (Fig. 14, 16). Da nun auch das untere Schlundganglion und ga! durch die Verlängerungen der Commissuren des Bauchmarkes zusammenhängen, so spannen sich vier Nerven zwischen den Ganglien des Kopfes und des Bauchmarkes aus, ein Verhalten, das meines Wissens bei andern Gliederfüsslern noch nicht beobachtet worden ist. Das untere Schlundganglion (Fig. 16.Ga) zeigt eine ganz ähnliche Gestalt wie das Gehirn. Die beiden Ganglien des Kopfes sind durch eine breite, aber dünne Schicht von Ganglienzellen (Fig. 14), den Schlundring, vereinigt; der die Augenflecke tragende Anhang liegt zwar seitlich, aber doch im Ganzen dem Rücken genähert, so dass ich denselben dem Gehirn zurechne. — Die zwei Taster eines chilenischen Melnesium tardigradum wurden der Länge nach von einem zarten Faden, wohl einem Nerven, durchzogen; das Gehirn und das untere Schlundganglion stimmten im Wesentlichen ganz mit 518 LUDWIG H. PLATE, dem der Macrobioten überein. Bei den Echiniscen habe ich das Gehirn auch verschiedene Male gesehen, doch machte das Pigment der Cutis ein genaues Erkennen der Umrisse unmöglich. 2. Das periphere Nervensystem der Milnesien ist von Doyère und GREEFF untersucht worden, doch hat sich bis jetzt noch kein Forscher die Mühe gemacht, es in seinen Einzelheiten festzu- zustellen, namentlich auf das Vorkommen von Nebenganglien zu achten. Ich habe meine Beobachtungen nur an Macrobioten gesammelt, doch scheinen zwischen beiden Gattungen nur unbedeutende Differenzen vor- zuliegen. Von jedem Ganglion des Bauchmarks gehen jederseits drei Nerven ab, von denen die beiden hinteren (Fig. 19 n?, n°) die auf der Ventralseite verlaufenden Muskeln innerviren, während der vor- derste (n!) unter der Haut bis zu den Längsmuskeln des Rückens ansteigt. Diese Nerven sind schon von Dovère und GREEFF gesehen worden. Wie sie sich mit den Ventralmuskeln verbinden, lässt sich aus den beigegebenen Abbildungen leichter ersehen, als mit vielen Worten be- schreiben. Ausser diesen hat jedes Ganglion mit Ausnahme des zweiten noch zwei andere Nerven, die vor n! gelegen sind, sich aber weniger „gut mit einander vergleichen lassen. Diejenigen des ersten Bauchmark- Centrums haben wir oben schon kurz besprochen (Fig. 16); sie können als Opticus angesehen werden, da jeder derselben im Bogen zu dem im Gehirnanhang ap gelegenen Pigmentfleck seiner Seite hinzieht, wobei er ungefähr in der Mitte zuvor einen zarten Seitenast abgibt. Das dritte (Fig. 19 ga) und das vierte (Fig. 18 ga*) Ganglion ver- sorgen ferner die beiden Längsmuskeln der Bauchseite durch kleine Nerven. Am schwierigsten ist der Verlauf von »! für jedes Ganglion festzustellen, da dieser Nerv, wie schon gesagt, zum Rücken sich be- giebt. Bei Betrachtung der Seitenansicht eines Macrobiotus (Fig. 20) treffen wir denselben daher wieder und sehen, wie er etwas unterhalb der lateralen Längsmuskeln in jedem Segment zu einer kleinen, poly- gonalen Verdickung anschwillt, um dann weiter zum Rücken empor- zusteigen. Ob diese eckige Anschwellung eine wirkliche Zelle oder nur eine Anhäufung von Nervensubstanz ist, muss ich dahin gestellt sein lassen; ich vermochte nie einen Kern darin zu entdecken. Mit einer ganz ähnlich gestalteten Endplatte legt sich dann jeder der als nt (Fig. 20) bezeichneten Nerven an den äusseren Längsmuskel des Rückens an, nachdem er noch kurz zuvor einen kleinen Seitenzweig an die Ursprungsstellen (e, 9) gewisser Extremitäten-Muskeln abge- geben hat. Die sternförmigen Anschwellungen in der Höhe der late- ralen Muskeln entsenden einen nach hinten und nach dem Rücken Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 519 laufenden Nerven, der bald in ein kleines Ganglion mit Kernen über- geht. Ein solches sieht man auf Fig. 20 bei ¢ und J; ein drittes ist mit ya* bezeichnet worden; über die Existenz eines vierten bei d bin ich zweifelhaft geblieben. Solche Nebenganglien kommen be- sonders reichlich im letzten Körpersegment vor. Die beträchtliche Grösse desselben scheint eine Vermehrung der nervösen Centren zur Folge gehabt zu haben. Der ga‘ verlassende Nerv n! (Fig. 18) löst sich zunächst in einen Plexus von drei Zellen auf. Die hintere der- selben steht mit zwei Nebenganglien in Verbindung, einem kleineren, seitlich am Körper gelegenen (ya!) und einem grösseren (y«?) neben der Afteröffnung. Dieses letztere erreicht zuweilen einen solchen Um- fang, dass es zusammen mit dem der anderen Körperseite das Ganglion ga* an Grösse übertrifft (Fig. 12). Es erhält auch einen Seitenzweig vom Nerven »° und giebt selbst verschiedene Fäden ab, von denen einer im Hinterfuss nochmals zu einer Ganglienzelle (y«®) anschwillt. Der Nerv n° im letzten Segment läuft nicht, wie die entsprechenden in den vorhergehenden Körperringen, schräg nach der Seite, sondern zieht im Bogen nach hinten, so dass er die Bauchmarkcommissuren gleichsam nach hinten fortsetzt. Er ist auch der einzige Nerv, der nicht in einen Muskel oder in die Haut ausläuft — wie dies für alle anderen peripherischen Nerven, soweit meine Beobachtungen reichen, gilt —, sondern ein anderes Organ, nämlich die Kloake, ver- sorgt. — Die zwei vom Gehirn austretenden Nerven (Fig. 15) habe ich oben schon erwähnt. Vielleicht sind sie nicht die einzigen in ihrer Art, wenigstens sah ich einmal bei Doyeria simplex jederseits drei Nerven das obere Schlundganglion verlassen (Fig. 21). Ferner geht vom mittleren Hinterlappen des Gehirns ein feiner Nerv (Fig. 15) ab, der nach kurzem Verlaufe zu einer dreieckigen, homogen erscheinenden Masse (Ganglienzelle?) sich erweitert; diese entsendet jederseits zwei zarte Fäden, von denen einer zum inneren Rückenmuskel, der andere zu einer der oben erwähnten polygonalen Endplatten (Fig. 21) zieht, und zwar zu derjenigen, welche der aus ga! kommende Nerv n! bei Innervirung des äusseren Dorsal-Muskels bildet. Aus dem Gesagten geht hervor, dass hierdurch ein Zusammenhang zwischen dem peri- pheren Nervensystem der einen Körperseite und dem der anderen ge- schaffen wird. Ein solcher Zusammenhang findet sich noch einmal am Rücken, zwischen dem zweiten und dritten Beinpaar. Es liegt hier eine quergerichtete Nervenzelle (Fig. 1 ya; Fig. 20), die in der- selben Weise, wie dies eben geschildert wurde, sich mit zwei zur Rücken- muskulatur gehörigen Nervenendplatten verbindet. Dem scharfsichtigen 520 LUDWIG H. PLATE, DoyÈREe sind selbst diese kleinen Gebilde in der Medianlinie des Rückens nicht entgangen, nur hat er sie nicht zu deuten gewusst; ich vermuthe wenigstens, dass die auf Pl. 19 seiner Abhandlung mit ? und ?? bezeichneten Organe jene Nervenzellen sind. 3. Die Histologie des Nervensystems. Die Central- Organe werden nach aussen überall von einer zarten strukturlosen Membran eingehüllt. Im Gehirn, unteren Schlundganglion und den Ganglien des Bauchmarks fallen die grossen runden Kerne leicht in die Augen. GREEFF zeichnet in die Kerne der Bauchganglien einen Nucleolus und deutliche Contouren der Ganglienzellen, die ich nicht zu erkennen vermochte. Im Gehirn findet sich nur eine, relativ kleine Stelle (Fig. 15 bei a), wo die Kerne ganz fehlen. Die Substanz er- scheint daselbst homogen oder sehr feinkörnig, wenigstens gelang es mir nicht, eine fibrilläre Struktur, wie man erwarten sollte, zu be- obachten. Wahrscheinlich kommt auch dem unteren Schlundganglion eine solche, der Leypia’schen Punktsubstanz entsprechende Partie zu, doch bin ich hierüber nicht zu voller Sicherheit gelangt, weil die übrigen Organe des Kopfes derartige feine Untersuchungen fast un- möglich machen. — Die Längscommissuren des Bauchmarks sowie die peripheren Nerven überhaupt erscheinen mir homogen, während GREEFF unter günstigen Umständen und bei starker Vergrösserung in ihnen eine Zusammensetzung aus feinen Längsfasern erkannt hat. Die letztere Beobachtung ist vermuthlich vollständig richtig, denn sowie die Commissuren in die Bauchganglien eintreten (Fig. 16, 19), lösen sie sich auf das deutlichste in ein Bündel zarter Fibrillen auf, das in der Mitte etwas angeschwollen ist. In der Mitte des Ganglions treten die Fasern ausserdem auf eine schmale Strecke von einer Seite zur andern über, so dass die Gesammtheit der Fibrillen eine H-förmige Figur beschreibt. Die Fasern liegen nach innen von den zahlreichen grossen“ Ganglien-Kernen. Zum Schlusse komme ich auf die schon mehrfach kurz erwähnte Endigungsweise: der Nerven im Muskel zurück. Hierüber verdanken wir dem scharfsichtigen Doyire sehr bemerkenswerthe Angaben, die von: GREEFF : vollständig bestätigt und dahin erweitert worden sind, dass in den nach dem Entdecker genannten Nervenhügeln in der Regel auch je ein Kern zu finden ist. Beide Forscher begehen hierbei nach meiner Ueberzeugung den Irrthum, dass sie das Protoplasma des Muskels für Nervensubstanz halten und die eigentliche Endigung des Nerven im Doyire’schen Hügel übersehen. Am leichtesten lassen sich die Verhältnisse erkennen, wenn man den Nerven »* irgend eines der Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 521 mittleren Bauchganglien (Fig. 19) verfolgt. Derselbe begiebt sich nach dem Vorderende der grossen Retractoren der Beine und bildet in dem daselbst gelegenen Protoplasma-Hügel eine unregelmässig-sternförmige Platte (». pl.) von dunklem, homogenem Aussehen, die sich bei gün- stigen Thieren sehr scharf von dem körnigen Plasma der Muskelzelle abhebt. Ob diese polygonale Platte als eine Zelle oder nur als eine Anschwellung der Substanz der Nervenfaser anzusehen ist, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden ; ich vermuthe das Letztere, weil ich nie einen Kern in den Endplatten gesehen habe. Ein solcher findet sich dagegen sehr häufig, wenn auch nicht immer, in dem körnigen Muskelplasma des Hügels. Dass nun jene sternförmige Platte in der That nervöser Natur ist, folgt mit Sicherheit aus folgenden Befunden: 1) hängt sie direkt mit dem Nerven zusammen und besitzt dasselbe homogene Aussehen — nur ist sie etwas dunkler — wie dieser; 2) entspringen von ihr sehr häufig ein oder mehrere kurze Fäden, welche zu andern Muskeln oder zur Haut ziehen und zweifellos diese innerviren. Z. B. läuft über dem Muskel mu (Fig. 19) noch ein an- derer (mu!), den man für gewöhnlich bei Betrachtung der Bauchseite nicht sieht, weil er von jenem verdeckt wird. Bei schiefer Lage hin- gegen erhält man das Fig. 19 an der linken Hinterextremität ein- gezeichnete Bild. Die nervöse Endplatte von mu setzt sich direkt auf das vordere protoplasmareiche Ende von mu?! fort und bildet hier eine zweite Platte von geringerer Grösse; 3) versorgen viele Nerven ihre Muskeln an Stellen, wo sich keine Spur von körnigem Proto- plasma vorfindet und zwar auch wieder mittelst eines solchen poly- gonalen Endorganes. Es folgt hieraus mit Nothwendigkeit, dass das körnige Protoplasma des Doyère’schen Hügels nicht unbedingt zur Innervirung erforderlich ist und daher sehr wahrscheinlich nicht zum Nerven, sondern zum Muskel gehört; wird man doch kaum annehmen können, dass Muskel und Nerv sich auf zwei verschiedene Weisen ver- binden , nämlich das eine Mal mit körnigem , nervösem Plasma, das andere Mal ohne dieses. — GREEFF glaubt zwar, in Uebereinstimmung mit seiner Ansicht, dass der Nerv mittelst einer grossen hügeligen Ganglienzelle sich über den Muskel ergiesse, einen Unterschied zwischen den Kernen der nervösen Doyire’schen Hügel und denen des Muskels nachweisen zu können. „Die Muskelkerne sind grösser, oval und liegen von einer ebenfalls ovalen Protoplasmaschicht umgeben als einzelne abgeschlossene Muskelkörperchen in der Muskelsubstanz eingebettet. Die Kerne des Doyére’schen Hügels aber sind kleiner, rundlich und kommen blos da vor, wo mit dem Nerven in Zusammenhang stehende 522 LUDWIG H. PLATE, gangliöse Anschwellungen vorhanden sind.“ Einen solchen Unterschied habe ich nie beobachtet; ich finde Kerne stets nur ausserhalb der contractilen Substanz und — kleine Schwankungen in der Grösse ab- gerechnet — alle vom gleichen Bau. — Die eben erwähnte Endigungs- weise der Nerven an einer Stelle, wo sich keine Ansammlung von körnigem Protoplasma befindet, lässt sich am leichtesten an den Längs- muskeln des Rückens beobachten. Die vier aus den Bauchganglien tre- tenden Nerven mn! laufen unmittelbar neben den Rückenmuskeln (Fig. 1, 17, 20, 21) in eine polygonale Platte aus, die mit einer oder mit mehreren Spitzen im Muskel endigt. Von derselben gehen ausser- dem in den meisten Fällen noch andere Nervenfäden aus; so werden z. B. die von e und 4 ausgehenden Extremitätenmuskeln an ihrer Ursprungsstelle von Nerven versorgt, die jenen Endplatten entspringen. Auch die Ganglienzelle y« (Fig. 1, 20) steht mit einer solchen in Ver- bindung. Die breiten Längsmuskeln des Rückens zeigen an ihrer Innervirungsstätte keine Spur von einem Dovère’schen Hügel, überhaupt keine irgendwie nennenswerthe Ansammlung von körnigem Protoplasma. In seltenen Fällen kommt der Doyire’sche Hügel jedoch auch hier vor und nimmt die nervöse Endplatte in derselben Weise auf, wie dies von den Ventral-Muskeln geschildert wurde. Diese Ausnahme habe ich in Fig. 17 B wiederzugeben gesucht, während Fig. 17 A dieselbe Stelle im gewöhnlichen Verhalten darstellt. B ist etwas mehr von oben ge- sehen, so dass der von der Endplatte nach e ziehende Seitenzweig verdeckt wird. Man beachte ferner, wie dieselbe Endplatte (A) sich gleichzeitig über zwei dicht nebeneinander liegende Muskeln ausbreitet. — Die nervösen Terminal-Organe sind für unser Auge keineswegs immer so deutlich ausgeprägt, wie man nach Betrachtung meiner Zeichnungen vermuthen könnte. Oft sind sie wegen ihrer geringen Grösse (Fig. 18 y) und lichten Beschaffenheit nur schwer oder gar nicht zu entdecken; trotzdem zweifle ich nicht an der Constanz ihres Vorkommens, da sie sich bei günstigen Individuen nie der Be- obachtung entziehen. Aus dem Gesagten geht demnach folgendes hervor: Die Inner- virung der Muskulatur der Tardigraden geschieht mittelst einer stern- förmigen Endplatte, in welcher ein Kern bis jetzt noch nicht gesehen wurde. Dieselbe findet für jeden Muskel an einer oder an mehreren bestimmten und ziemlich genau festgehaltenen Stellen statt. Die End- platte liegt entweder in einer der an jedem Muskel vorkommenden grösseren Protoplasmaportionen und bildet dann den sogenannten Dovire’schen Hügel, oder sie schmiegt sich direkt der contractilen Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 523 Substanz an. Von diesen zwei Variationen pflegt bei einem und dem- selben Muskel immer nur eine vorzukommen. — Es ist mir zweifelhaft geblieben, ob es nicht noch eine dritte, einfachere Art der Innervirung giebt. Mehrere Male glaubte ich einen Nerven ohne Bildung einer Endplatte in die contractile Substanz übergehen zu sehen. Von der etwas vor y (Fig. 21) gelegenen Endplatte des äusseren Rückenmuskels zieht z. B. ein Nerv (Fig. 17 z) nach hinten, der bald darauf in den- selben Muskel (B) oder in den benachbarten Schräg - Muskel ohne weitere Struktur - Aenderung eintritt. Aehnliches meine ich auch an andern Stellen beobachtet zu haben, doch ist die Möglichkeit einer Täuschung stets so gross, dass eine sichere Entscheidung von späteren Untersuchungen erwartet werden muss. II. Kapitel. Biologische Bemerkungen. Die von SPALLANZANI zuerst gemachte Beobachtung, dass die Tardigraden nach langer und vollständiger Austrocknung bei Wasser- zusatz wieder aufleben, ist seitdem so vielfach wiederholt worden, dass an der Richtigkeit derselben kein Zweifel sein kann. Es knüpfen sich hieran aber zwei Fragen, die bis jetzt gar nicht oder nur un- genügend untersucht worden sind, nämlich 1) ob diese Eigenschaft auch dem beständig im Wasser sich aufhaltenden Macrob. macronyx und den marinen Formen aus den Gattungen Lydella und Echiniscus zukommt, und 2) ob nach einer längeren Trockenperiode zunächst nicht das aktive Leben, sondern vielmehr nur der scheintodte asphyktische Zu- stand eintritt, der unter Umständen so intensiv ist, dass das Thier überhaupt nicht mehr aus ihm erwacht. — Dass die zuerst aufge- worfene Frage ihre Berechtigung hat, zeigen die an Rotatorien ge- machten Erfahrungen. Die Räderthiere des süssen Wassers und diejenigen des Mooses besitzen gegen das Eintrocknen eine ganz ver- schiedene Widerstandsfähigkeit. Ich habe. früher!) viele Versuche angestellt, indem ich Wasser-Rotatorien aus mehreren Gattungen unter wechselnden Bedingungen — bald langsam, bald schnell; bald allein auf dem Objectträger, bald zusammen mit Algen etc. — eintrocknen liess. Das Resultat war ausnahmslos ein negatives, die Thiere lebten nie wieder auf. Die zur Moosfauna gehörigen Philodinäen, die ja auch 1) L. Prare, Beiträge zur Naturgeschichte der Rotatorien, in: Jenaische Zeitschr. f. Nat. 1885. 594 LUDWIG H. PLATE, in der Natur gezwungen sind, ein intermittirendes Leben — wenn ich mich so ausdrücken darf — zu führen, verhalten sich dagegen anders. Sie leben, wie erst neuerdings die interessanten Versuche von ZELINKA !) gezeigt haben, selbst dann noch wieder auf, wenn sie den ungünstigsten Temperaturen (von — 20° bis + 70° C) in der Trockenheit ausgesetzt gewesen sind. Diesen Thatsachen ist es zuzuschreiben, wenn in der Rotatorienliteratur eine so grosse Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Wiederbelebungsfähigkeit der Räderthiere herrscht. Diejenigen Forscher, welche mit reinen Wasserformen experimentirten, kamen zu einem negativen, die Beobachter der Moosfauna zu einem positiven Resultat. — Die von mir controlirten Philodinäen zeigten ausserdem die Eigenthümlichkeit, dass sie einen längeren Aufenthalt im Wasser nicht zu ertragen vermochten, wenn das Moos zuvor gehörig ausge- trocknet war. 1—2 Tage nach der Anfeuchtung fand ich alle Rota- torien — mit ganz wenigen Ausnahmen — todt am Boden liegen, obwohl ihnen frisches Wasser und reichliche Nahrung zu Gebote stand. Die nahverwandten Philodinäen des süssen Wassers lassen sich da- gegen wochenlang in einem Glase am Leben erhalten, wobei sie sich öfters enorm vermehren. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass die an ein intermittirendes Leben gewöhnten Philodinäen nach einer vorhergehenden Periode gehöriger Austrocknung schon in relativ kurzer Zeit (1—3 Tagen) im Wasser sterben. Dieser Satz gilt wahrscheinlich auch noch für andere Thiere der Moosfauna. So finde ich die Amoeba lerricola Gr. auch stets in zahlreichen Individuen abgestorben, wenn sie einen oder mehrere Tage sich im Wasser befunden haben. That ich dagegen frisches Moos, das bei feuchter Witterung gesammelt worden war, in ein Gefäss mit Wasser, so trat dieses rapide Sterben der Philodinäen nicht ein, sondern noch nach mehreren Tagen krochen viele Individuen munter im Bodensatz umher. Durch den Trocken- zustand wird demnach der Organismus dieser Thiere offenbar ge- schwächt und zwar um so mehr, je länger er dauert. Diese Schwäche kann einen solchen Grad erreichen, dass die Rotatorien selbst in ihrem eigentlichen Lebenselemente sich nur kurze Zeit ihres Daseins freuen können. Nach dem Gesagten wäre es nicht besonders auffällig, wenn sich diejenigen Tardigraden, welche dauernd im Wasser existiren, hinsicht- lich des Wiederauflebens nach dem Eintrocknen anders verhielten 1) C. Zezrwxa, Studien über Räderthiere, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 44, 1886. Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 535 als die Moosbewohner. Es liegen hierüber, so viel ich weiss, nur zwei Untersuchungen vor, eine ältere von M. SCHULTZE (17), dem es nicht gelang, den marinen Echiniscus sigismundi zum Leben zurückzurufen, und eine jüngere von ZACHARIAS (22), welche leider die Frage nicht vollständig zur Entscheidung bringt, weil dieser Forscher die Species nicht angegeben hat, welche er bei seinen Experimenten benutzte, so dass man nicht weiss, ob dieselbe ein ausschliessliches Wasserthier ist oder auch im Moose vorkommt. Er fand in der Aushöhlung einer Granitplatte, in der sich zeitweilig Regenwasser ansammelte, neben vielen Philodinäen auch eine „Bärthierchenart von bräunlichem An- sehen“. Liess ZACHARIAS diese langsam auf einen Objektträger ein- trocknen, so lebten sie nach Zusatz von Wasser nicht wieder auf. Er kommt zu dem Schlusse, dass nicht die Thiere selbst, sondern nur deren Eier eine vollständige Austrocknung unbeschadet überstehen können. Dieser Satz behält seine Gültigkeit nur für die reinen Wasser- formen der Räderthiere und, wie wenigstens sehr wahrscheinlich ist, auch der Bärthierchen, ist aber unrichtig für die Arten, welche im Moos, im Sande der Flechten, auf Baumstümpfen und del. Lokalitäten angetroffen werden und schon durch die natürlichen Verhältnisse an einen häufigen Wassermangel gewöhnt sind. Hinsichtlich der zweiten der oben aufgeworfenen Fragen kann ich folgende Mittheilungen machen. Wie schon in der Einleitung bemerkt wurde, habe ich, um die Tardigraden in den allein zur Untersuchung geeigneten, scheintodten Zustand zu versetzen, ein viel einfacheres Mittel gebraucht als das von Doyère und GREEFF angewandte, welches ausserdem nicht ganz zuverlässig ist: man lässt das Moos, dessen Bärthierchen man studiren will, erst gehörig trocken werden und bringt es vollkommen dürr ins Wasser; die dann im Bodensatz befindlichen Tardigraden sind stets vollkommen starr und ausgestreckt und geben ein wundervolles Untersuchungsobjekt ab. Auf diese Methode bin ich durch Zufall geführt worden. Während der heissen Monate Juni und Juli war das auf Excursionen gesammelte Moos schon durch die Sonne so ausgedörrt worden, dass ich fast nur asphyktische Indivi- duen zu sehen bekam. Als ich dann nach einer längeren Pause im Oktober meine Arbeit wieder aufnahm, war in den vorhergehenden Wochen viel Regen gefallen und die Folge war, dass ich, obwohl ich ebenso verfuhr wie im Sommer, nur ganz selten scheintodte Macro- bioten auf dem Grunde meiner Gläser antraf. Jetzt lag es nahe, das veränderte Verhalten der Bärthierchen auf den Umschlag der Witterungs- verhältnisse zurückzuführen und durch Versuche, den Einfluss einer 596 LODWIG H, PLATE, vollständigen Austrocknung auf den Organismus der Tardigraden fest- zustellen. Die Resultate derselben sind schon erörtert worden. Sie scheinen mir auch zu beweisen, dass die Asphyxie noch andere Ur- sachen haben kann als die von DoykRE und GREEFF angenommenen. Diese Forscher setzen dieselbe auf Rechnung mangelnden Sauerstoffes, weil man häufig die Thiere durch ausgekochtes Wasser in Erstarrung versetzen kann. So einleuchtend diese Erklärung auf den ersten Blick erscheint, ist sie doch vielleicht nicht richtig, da es mir nie gelungen ist, durch Zuleiten von grösseren oder geringeren Mengen reinen Sauer- stoff-Gases hypnotische Individuen aufzuwecken, was doch möglich sein müsste, wenn wirklich das Fehlen dieses Bestandtheiles unserer Atmo- sphäre die Veranlassung der Erstarrung wäre. Jedenfalls ist als eine weitere Ursache der Asphyxie eine intensive vorhergehende Aus- trocknung anzusehen. Hierbei kommt die Quantität des vom Wasser aufgenommenen Sauerstoffes gar nicht in Betracht, da man auch scheintodte Macrobioten erhält, wenn man dürres Moos in ganz frisches, sauerstoffreiches Brunnenwasser legt. Im zusammengeschrumpften trockenen Zustande erlöschen vermuthlich die den Lebensprocess aus- machenden molecularen Bewegungen nahezu vollständig. Kommt dann das Bärthierchen wieder in ein feuchtes Element zurück, so dringt das Wasser mechanisch in den Körper ein und bläht ihn auf; dies ist das Stadium der starren Asphyxie, welches aufhört, wenn durch einen äusseren Anstoss (Schütteln, Drücken, Umherwälzen des Tar- digraden)jene Micellar-Schwingungen wieder wachgerufen werden. Eine derartige heftige Bewegung scheint unbedingt nöthig zu sein, um das virtuelle Leben wieder in das aktuelle überzuführen; wenigstens fand ich in ruhig stehenden Gläsern selbst 3—4 Wochen nach der An- feuchtung noch alle Macrobioten in der Hypnose. Dieselben waren also von selbst, durch das blosse Liegen im Wasser, nicht wieder wach geworden, thaten dieses jedoch, wenn sie unter dem Deckglase — wo ihnen jedenfalls der Sauerstoff nicht besonders reichlich zu Gebote stand — eine Zeit lang zum Zwecke der Untersuchung hin und her gewendet worden waren. Man kann auch von derartigen Indi- viduen nicht annehmen, dass sie bei Beginn der Wassereinwirkung zum Leben erwachten, später aber in tiefen Schlaf gefallen seien, weil von Anfang an nur starre Individuen angetroffen wurden. Dieses gilt jedoch nur von Thieren, die wirklich längere Zeit im Trockenen zugebracht haben. Lässt man einen Macrobiotus auf den Objektträger eintrocknen und setzt einige Minuten, nachdem alles Wasser verdunstet ist, wieder frisches hinzu, so bewegt er sich sofort wieder. Man kann Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 597 aus solchen und ähnlichen Betrachtungen schliessen, dass die Asphyxie um so intensiver wird, je länger die Dauer der Trockenperiode gewesen ist; für die jeweilige Stärke der Erstarrung hat man in der grösseren oder geringeren Schnelligkeit, mit der die Wiederbelebung unter dem Deckglase einsetzt, einen annähernden Maassstab. Tritt diese sehr schnell ein, so war die Erstarrung nur in geringem Grade ausgebildet; erfolgt sie sehr spät oder gar nicht, so hat die Hypnose den Orga- nismus tief ergriffen. Ersteres geschieht nach einer kurzen, letzteres nach einer langen Austrocknung. Besonders interessant waren in dieser Hinsicht die ca. 30 Tardigraden, welche ich in einer kleinen Portion chilenischen Mooses, das seit mehreren Monaten trocken lag, vorfand. Die Thiere waren sämmtlich starr und keines erwachte unter dem Deckglase, trotzdem sie durchaus nicht zart behandelt wurden. Da- bei waren sie auch nicht todt, denn bei einiger Uebung lassen sich die asphyktischen Individuen von den wirklich todten leicht unter- scheiden. Parasiten. Die Tardigraden scheinen zwar ganz frei von parasitären Meta- zoen zu sein, doch trifft man um so häufiger Bacterien und sehr niedrig stehende pflanzliche (?) Organismen in ihnen an. Kugel- oder stab- förmige Bacterien finden sich vornehmlich in der Leibeshöhlenflüssig- keit und fallen durch ihre lebhafte Bewegung auf, wenn man durch Druck jene mit den Blutkörpern herauspresst. Einmal begegnete mir auch ein Macrobiotus, der in seiner Epidermis sehr zahlreiche stab- formige Bacillen von 2,7—5,9 u Grösse beherbergte. Dieselben lagen in mehreren grösseren Gruppen vereinigt, waren unbeweglich, homogen, glänzend, farblos und an beiden Enden abgerundet und verschmälert. Einzelne waren in der Mitte bisquitförmig eingeschnürt und daher wohl im Begriffe, sich zu theilen. In allen diesen Fällen scheinen die Tardigraden durch die Bacterien in keiner Weise belästigt zu werden. — Viel räthselhafter als diese Organismen sind mir die in Fig. 9 und 10 dargestellten, kugelförmigen Gebilde geblieben, von denen ich nicht einmal anzugeben wage, ob sie thierischer oder pflanzlicher Natur sind. Ich fand dieselben stets in grösserer Anzahl entweder im Lumen, oder, was noch häufiger der Fall war, in den Zellen des Magens, und zwar nur in den mittleren, während ich sie am vorderen und hinteren Ende desselben nie beobachtet habe. Diese Körper zerfallen in zwei verschiedene Sorten, die ich nie zusammen antraf. Die eine (Fig. 9 a) wird nach aussen von einer zarten Membran begrenzt und umschliesst Zool, Jahrb, III, Abth. f, Morph, 35 598 LUDWIG H. PLATE, im Innern ein feinkörniges Protoplasma, in dem zuweilen ein gröberes centrales Korn liegt. Einmal war die Kugel auch von zahlreichen geschlängelten Stäbchen erfüllt (Fig. 9 b). Die zweite Sorte (Fig. 9 c und Fig. 10) bildet derbwandige Kapseln, deren Inhalt ein sehr ver- schiedenes Aussehen darbieten kann. In der Regel besteht er (III) aus mehreren kleinen Kugeln, von denen ca. 6 in einer Aequatorial- ebene liegen. In anderen Fällen sind die Gebilde ungefähr noch ein- mal so gross geworden, und die Zahl der Binnenkugeln ist beträchtlich gestiegen (IV). Nicht so häufig wie derartige Kapseln waren die mit I und II bezeichneten, deren feinkörniges Plasma einige Bläschen oder mehrere sehr kleine dunkle Körner birgt. Es scheinen mir dies die Anfangsstadien zu sein, aus denen sich später ILI und schliesslich IV entwickelt. Der Durchmesser der Kapsel III betrug 8,25 u, derjenige der Binnenkugeln 2,7 u. Die Magenzellen werden durch diese eigen- artigen Organismen trotz ihrer grossen Zahl nicht merklich verändert. Ihre Kerne erschienen normal. Die Kapseln traten vornehmlich dann auf, wenn die betreffenden Tardigraden schon einige Wochen in dem- selben Wasser gehalten worden waren, ohne dass dieses erneuert wurde. Die Gebilde scheinen demnach erst mit der unter solchen Umständen entstehenden Fäulniss in ihre Wirthe einzuwandern. III. Capitel. Die Systematik der Tardigraden. Späteren Untersuchern glaube ich eine Erleichterung ihrer Arbeit dadurch zu gewähren, dass ich die bis jetzt bekannten Bärthierchen zusammenstelle. Für die Gattung Macrobiotus hat GREEFF schon eine derartige Uebersicht geliefert, während die Literatur über die übrigen Genera sehr zerstreut und zum Theil nicht leicht zu be- schaffen ist. Es sind bis jetzt 4 Gattungen mit 13 Arten beschrieben worden; hierzu kommen noch 8 Species, die ich zuerst gesehen habe, wodurch die Systematik dieser Thiergruppe einen Umfang von 6 Gattungen und 26 Arten erhält. A. Bestimmungstabelle der Gattungen. I. Die Krallen der Beine sind einfach, nicht doppel- hakig. Sind mehrere an demselben Fusse, so sind sie alle gleich gebaut und gleich lang. Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 529 a. Beine kurz und breit, 2—4 Krallen Gen. 1. Hehiniseus C. ScH. PUS mindestens | 79, Subg. la. Behiniscoides mihi. b. Beine lang und schmal, jedes trägt nur eine kleine Kralle.......... Gen. 2. Lydella Dus. U. Die Krallen der Beine sind alle oder theilweise doppelhakig oder 3zackig. Häufig von verschie- dener Länge. a. Um den Mund herum keine Taster, Palpen oder dgl. 1. Mundröhre und Schlundkopf folgen dicht auf einander. a. Das Gebiss besteht jederseits aus einem starken Zahn u. einem quer gestellten Zahnträger .. Gen.3. Macrobiotus C. Sch. ß. Das Gebiss besteht jederseits aus einem stiletförmigen Stift, ohne Zahnträger ......... Gen. 4. Doyeria n. g. 2. Mundröhre u. Schlundkopf durch einen kurzen Schlund von ein- anderugetrennty MEL sn. Gen. 5. Diphascon n. g. b. Um den Mund herum 6 kurze Taster, weiter nach hinten zwei ebensolche Gen. 6. Milnesium Doy. B. Charakteristik der Gattungen und Arten mit Bestimmungs- tabellen der letzteren. 1. Genus: Echiniscus C. Scx. (= Emydium Doy.) Körpergestalt verlängert-eiförmig, Kopfende rüsselartig verschmä- lert. Die Cuticula des Rückens ist verdickt und bildet eine wechselnde Anzahl von Schildern. Die Beine sind kurz und breit, jedes mit 2—4 starken Krallen von gleicher Gestalt. Der Kopf trägt 2 rothe Augen- flecke und jederseits neben der Mundöffnung 2 kurze Cirren, zwischen denen ein kleiner, stumpf endigender Taster steht (Fig. 6). Das Ge- biss besteht aus zwei langen geraden Zähnen, die vorn direct in die Mundhöhle treten und sich hinten, wie der Griff einer Krücke, in zwei kurze Arme gabeln. Ein querer Zahnträger fehlt. Der Pharynx ist klein und rund. Die grossen Blutkörper der übrigen Bärthierchen sind nicht vorhanden. Die Cuticula des Rückens und der Flanken trägt in der Regel mehrere Anhänge, entweder in Gestalt von langen Fäden oder von kurzen Dornen. Dieselben sind in zwei Längsreihen angeordnet, von denen die eine, zu beiden Seiten des Rückens, als 35% 530 LUDWI@ H. PLATE, dorsale, die andere, etwas über den Wurzeln der Beine befindliche, als laterale bezeichnet wird. Die Systematik verwerthet vornehmlich die Zahl dieser Anhänge und der Zehen, wobei sie sich aber auf nicht ganz gesichertem Boden befindet, da nach DoyÈre die jungen Indi- viduen des 4kralligen Ech. testudo nur zwei Krallen an jedem Beine und weniger Fadenanhänge als die erwachsenen Thiere haben sollen. Am constantesten tritt das vorderste Fadenpaar auf, welches seinen Sitz am Hinterende des Kopfsegmentes hat; es wird in der folgenden Tabelle den lateralen Anhängen zugezählt, obwohl es etwas höher steht als die übrigen Fäden dieser Reihe. An der Wurzel dieser An- hänge findet sich bei vielen Arten noch je ein kurzer tasterförmiger Zapfen. Bestimmungstabelle der Echiniscus-Arten. I. Jedes Bein mit 4 Krallen. Es finden sich jederseits: a. In der Dorsal-Reihe nur Dornen und zwar: 4 dors. Dornen, ausserd. 3 laterale Faden...... 1. Ech. bellermanni C.ScH. DR: = £ Due ne... 2. Zeh. creplini C. SCH. Oey: M Pe 1 lat. Faden u. 4 lat. kleine Dornen ... 3. Ech. spinulosus Doy. Durs 5 2 lat. Fäden u. 3 lange Dornen: "te 4. Ech. victor EHR. Dur 7 $ 3 lat. Fäden u. im letz- ten Segment ein lat. conisch.Knopf 5. Ech. granulatus Doy. Biss Ms bs 4 lat. Fäden .........-- 6. Ech. filamentosus n. sp. I a, x =. 4 „ BE eS yee ies 7. Ech. testudo Doy. b. in der Dorsal-Reihe auch Faden und zwar: 1 dorsaler Faden, 4 laterale Fäden 8. Ech. muscicola n. sp. 1 dorsaler Faden und ein dorsaler Dorn, 1 lateraler Faden und 1 lateraler Doppel-Dorn ........... 9. Ech. aculeatus n. sp. GC nursein lateraler Maden... .<. 10. Ech. arctomys Emr. II. Jedes Bein mit zwei Krallen. Es finden sich jederseits: 1 Dornzund 2 Fäden ee... 11. Ech. biunguis C. SCH. 1. Faden... 2 Suse... 12. Ech. similis n. sp. Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 531 Kurze Beschreibung der Echiniseus-Arten. 1. Ech. bellermanni C. Scu. (14, 15). „Körper „,—4 Pariser Linie lang; derselbe ist roth, mit Dornen besetzt, in 9 (Schein-) Segmente geschieden, mit 2 dorsalen (dreieckigen) Schildern, die von den seit- lichen getrennt sind, mit kurzen Dornen am Hinterende des 3., 5. und 7. Segmentes, jederseits mit 3 sehr langen Cirren an der Basis des 1., 2. und 4. Beines, mit 4 kralligen Füssen, die mit einer Schwimm- haut versehen sind.“ Zu bemerken ist, dass der Entdecker den Kopf als erstes Segment zählt, und dass auf seiner Zeichnung auch 2 Dornen am Hinterrande des zweiten Segmentes zu sehen sind. 2. Ech. creplini C. Scu. (15). „Länge des Körpers -~,—+ Pariser Linie; derselbe ist roth, mit Körnchen und Dornen besetzt, in 7 (Schein-) Segmente getheilt, mit 3 dorsalen Schildern, die von den la- teralen getrennt sind, mit längeren Dornen am Vorder- und Hinterrande der Seitenschilder des 4. und 5. Segmentes, auf jeder Seite mit 5 sehr langen beweglichen Cirren, die in den Zwischenräumen des 2.—7. Segmentes sitzen. Füsse mit 4 Krallen.“ Von den 6 Dornen des Rückens sitzen 2 am Vorder- und 2 am Hinterrande des 4. Segmentes, die 2 übrigen am Hinterrande des 5. Ausserdem besitzen auf der Zeichnung die Beine des vordersten Paares je einen Dorn über den Krallen. Fundort: Rigi. 3. Ech. spinulosus Doy. (13). Jederseits 2 starke dorsale Stacheln, je einer über dem 2. und 3. Bein. Ueber jedem Bein ferner ein kleiner lateraler Dorn. Ueber dem ersten Bein jederseits ein langer Faden, der etwas höher eingelenkt ist, als die eben erwähnten Dornen. Beine Akrallig. Die zwei medianen Krallen jedes Fusses sind auf ihrer Un- terseite mit einem Dorn bewaffnet, der vornehmlich am letzten Paar sichtbar ist. Im übrigen wie Zch. testudo, doch scheint diese Art etwas grösser zu werden. Fundort: Paris. 4. Ech. victor Enr. (11, 12). Es sitzen jederseits: über dem ersten Bein ein langer lateraler Faden, an dessen Basis noch ein kleiner Taster sich befindet, und ein wenig weiter nach hinten ein lateraler langer Dorn; über dem 2. und 3. Bein je ein starker dorsaler und lateraler Dorn; über dem 4. Bein ein langer lateraler Faden. Auf dem Rücken lassen sich 9 grob punktirte Schilder unterscheiden. Die Augen sind roth. Länge 4“. Fundort: Monte Rosa, 11 138 Fuss hoch. 5. Ech. granulatus Doy. (13). Jederseits 2 dorsale Dornen, je ‚einer über dem 2. und 3. Beine. Lateralwärts sitzt über den letzteren je ein langer Faden. Ueber dem 4. Beinpaar jederseits ein kleiner 532 LUDWIG H. PLATE, conischer Knopf, der bei einem von mir beobachteten Exemplar als ein kleiner Dorn ausgebildet war. Ueber dem ersten Beinpaar jederseits ein langer Faden. Der Rücken ist grob gekörnelt. Fundort: Paris. 6. Ech. filamentosus n. sp. Wie Ech. testudo, aber das Thier trägt jederseits 2 dorsale Dornen über dem 2. und einen über dem 3. Bein. Länge: 226,4 «. Fundort: Marburg. 7. Ech. testudo Doy. (13). Zwei dorsale mediane Schilder, die von den seitlichen desselben Segmentes getrennt sind. Jederseits 2 laterale Fäden über dem 1., einer über dem 3. und einer über dem 4. Bein. Jederseits über dem 3. Bein ein dorsaler Dorn. Mittlere Grösse erwachsener Thiere: 0,30—0,33 mm. Die Eier sind glatt, kugelig oder leicht eiförmig, braunroth. Sie werden in die abge- worfene Haut der Mutter gelegt. Die Jungen haben jederseits nur 2 Fäden und an den Füssen 2 Krallen. Fundort: Paris. 8. Ech. muscicola n. sp. Die 4 lateralen Fäden jederseits sind wie bei Ech. testudo angeordnet. Ausserdem sitzt jederseits über dem 3. Faden noch ein längerer dorsaler. Fundort: Marburg. 9. Ech. aculeatus n. sp. Jederseits über dem 2. Bein 1) ein lateraler Doppeldorn, d.h. ein Dorn, an dessen Basis noch ein anderer etwas klei- nerer sitzt; 2) ein langer dorsaler Faden. Eben hinter dem 5. Bein jeder- seits ein kurzer, nach vorn gerichteter dorsaler Dorn, über dem Vorder- bein ein lateraler langer Faden. Länge 283 u. Fundort: Marburg. 10. Ech. arctomys Eur. (11, 12). 9 punktirte Rückenschilder. Ueber dem Vorderbein jederseits ein langer lateraler Faden. Sonst ohne Anhang. Länge -4‘“. Fundort: Monte Rosa, 11138 Fuss hoch. Als Ech. suillus beschreibt EuRENBERG ebendaselbst (11, 12) eine Form, die von Ech. arctomys nur dadurch verschieden sein soll, dass um die Mundöffnung die 4 kleinen Cirren und zwei kurzen Palpen fehlen. Da diese aber bei allen übrigen Echiniscen vorkommen, werden sie hier wohl nur übersehen worden sein, zumal EHRENBERG von diesem Thiere nur eine Seitenansicht abbildet, bei welcher Lage die genannten Organe oft nur schwer zu erkennen sind. — Derselbe Forscher beschreibt vom Gross-Gloekner eine Art unter dem Namen Ech. altissimus, aber in so dürftiger Weise, dass die systematische Einreihung derselben fast unmög- lich ist. Seine Beschreibung lautet: mit 7 deutlichen, punktirten Schildern, die unbewaffnet sind und auch keine Fäden tragen. Das vorderste ist stumpf 3lappig. Länge 4”. 11. Ech. biunguis C. Scu. (15). „Länge des Körpers ,4,—1 Pariser Linie. Der Körper ist roth, körnig-dornig, in 6 Segmente geschieden, mit 2 dorsalen Schildern, mit Dornen am Hinterrande der Seiten- schilder des 5. Segmentes, mit 2 längeren Cirren auf jeder Seite des - 2. und 6. Segmentes, mit 2-kralligen Füssen.“ Fundort: Rigi. Beiträge zut Naturgeschichte der Tardigraden. 533 12. Ech. similis n. sp. Jederseits in der Mitte des Körpers ein langer, nach hinten gebogener Faden. An jedem Fuss 2 Krallen. Grösse ca. 452,8 «. Fundort: Marburg. la. Subgenus: Echiniscoides mihi. Diese neue Untergattung weicht von Echiniscus, zu der sie bisher gerechnet wurde, in folgenden Punkten ab: die Zahl der Krallen an jedem Bein schwankt zwischen 7—9; meist sind 8 der- selben vorhanden; der Rücken ist undeutlich geschildert und nicht punktirt; neben der Mundôffnung nur 2 kleine lanzettliche Palpen ; 2 ähnliche jederseits neben dem Auge; marin. Eine Species: Echiniscoides sigismundi M. Sch. (17). Die Beine des dritten Paares je mit einem kurzen Dorn. Auf dem Rücken des hintersten Körpersegmentes 2 kurze Dornen. Länge: 0,08—0,09'. Fundort: in der Nordsee (Ostende, Helgoland) zwischen Algen. 2. Genus: Lydella. 2. Genus: Lydella DurarpiN (9). Diese Gattung verdient noch genauer untersucht zu werden, da sie von allen Bärthierchen durch die Gestalt der Extremitäten sich am meisten dem Arthropodentypus nähert. Die dünnen Beine sind ungefähr so lang, wie das Thier breit ist, also viel grösser und schmäler als bei den übrigen Tardigraden, und laufen in eine einfache Kralle aus. Sie zerfallen durch eine un- sefähr in der Mitte liegende Einschnürung in zwei Glieder. Beim Gehen werden alle 8 Beine weit vom Körper abgestreckt. Vorn am Kopfe sitzt jederseits eine kleine, am Ende gegabelte Borste. Etwas weiter nach hinten jederseits eine grosse Borste, welehe an ihrer Basis einen ohrförmigen Anhang trägt. Zwischen diesen steifen Haaren ein Augenfleck beiderseits. Im hintersten Segment ebenfalls jederseits eine Borste mit basalem Anhang. Das Gebiss erinnert durch den kleinen kugeligen Schlundkopf und die langen geraden Zähne an die echten Echiniscen. Die eine von Dusarpin im Meerwasser beobachtete Art entbehrt noch eines Speciesnamens. Sie möge nach ihrem Ent- decker Lydella dujardini genannt werden. Länge des Körpers 0,05—0,1 mm, mit Hinterbeinen: 0,143 mm. 3. Genus: Macrobiotus. 3. Genus: Macrobiotus C. Sch. Körper cylindrisch oder länglich- oval. Cuticula des Rückens nicht zu besonderen Schildern verdickt, ohne Anhänge; die Beine mit je einem Paar von Doppelkrallen, die 534 LUDWIG H. PLATE. * zuweilen in 2 einzelne Krallen zerfallen. Um den Mund herum keine Anhänge. In der Epidermis der Haut findet sich vielfach dunkles Pigment, das aber nie ziegelroth ist, wie bei den Echiniscen. Die Zähne sind bald sanft gebogen und treten dann gewöhnlich in die Mundröhre ein oder mehr gestreckt und laufen dann direct zur Mund- hohle. Im ersteren Falle ist die Mundhöhle ansehnlich und läuft vorn in der Regel in einen aus mehreren Blättchen zusammengesetzten Ring zum Ansaugen aus, im letzteren ist sie klein und ohne einen solchen Ring. Auf die Mundröhre folgt unmittelbar der Pharynx, in den jene ein kleines Stück eindringt. In der Leibeshöhle zahlreiche grosse Blutkörper. Kopf mit oder ohne Augenflecke. Die Eier werden bald einzeln, bald zu mehreren entweder frei abgesetzt oder bei der Häutung in die abgeworfene Cuticula gelegt. Bestimmungstabelle der Macrobiotus-Arten. A. Haut glatt, ohne zahlreiche warzige Buckel. I. Die nahezu geraden Zähne treten in die Mundhöhle; Schlund- kopf klein, kugelig. einer Doppelkralle und 2 Jeder Fuss mit einfachen Krallen... . 1. Maer. oberhäuseri Dus. 2 Doppelkrallen . . . . .. 2. Macr. intermedius n.sp. II. Die etwas gebogenen Zähne treten in die Mundröhre. Schlundkopf gross, kurz oval. 1. Mit Augen. in der Mitte fest verwachsen. Die 2 Die eine Kralle giebt häufig Krallen am vorderen Ende noch einen eines zarten Nebenhaken ab ... 3. Macr. hufelandii C. Scn. hakens sind | verwachsen, einzeln bewegl.|versch. gross 5. Macr. macronyx Dug. 2. Ohne Augen, im Uebrigen wie Macr. hufelandü . . , . . 6. Macr. schultzei Gr. B. Der Kérper ist am Rücken und an den Seiten mitzahlreichen, in Reihen angeordneten, war- zigen Buckeln versehen... . 7. Macr. tuberculatusn. sp. Anmerkung: nicht mit aufgenommen wurde der Muacr. americanus PacxarD (23). Doppel- }nur am a gross . 4. Macr. tetradactylus Gr. Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden, 535 Kurze Beschreibung der Macrobiotus-Arten. 1. Macr. oberhäuseri Doy. (13, 19). Körper lang gestreckt; beim erwachsenen Thier unter der Cuticula ein bräunliches Pigment, das 9 mehr oder minder deutlich gesonderte Quer-Streifen bildet (2 vor dem ersten, 2 hinter dem letzten Beinpaar; je einer über dem 1.—3. Bein- paar und je einer zwischen diesen). An jedem Bein ein doppelkralliger Haken und 2 isolirte, von denen der an der Spitze des Beines stehende sehr lang und dünn, der andere kürzer ist (Fig. 24). Die Zähne sind fast gerade, nur wenig gebogen, im Vergleich mit denen von Macr. hufelandii zart. Die Mundröhre ist in einem leichten Bogen der Ven- tralseite zugewendet. Der Schlundkopf ist klein, kugelig. Seine cen- tralen Verdickungen, welche den Muskeln zum Ansatz dienen, sind ebenfalls klein und kugelförmig. Augenflecke fehlen; nur einmal fand ich bei einem chilenischen Individuum, das wohl eine besondere Varietät darstellt, sehr deutliche Pigmenthaufen. Die mittlere Länge schwankt zwischen 0,25—0,45 mm. — Eine weitere Tendenz zur Bildung von Varietäten spricht sich in dem verschiedenen Verhalten der Cuticula aus. Sie ist bald ganz glatt, bald mit kleinen Grübchen ver- sehen, die in wechselnder Weite gruppirt sind. Bei einer anderen Varietät tragen die Hinterbeine an ihrer Aussenseite einen stark vor- springenden Höcker (Fig. 24). — Diese Art ist bei Marburg eines der häufigsten Bärthierchen. | 2. Macr. intermedius n. sp. Fine Mittelform zwischen Maer. hufelandii und oberhäuseri. Sie gleicht dem ersteren in der Gestalt der zwei Doppelhaken jedes Fusses (2 Krallen, eine längere und eine kürzere, verwachsen in der Mitte zu einem Doppelhaken), dem letzteren in dem kleinen, runden Schlundkopf, in der Bildung des Gebisses und dem Mangel der Augen. In der kleinen Probe chilenischen Mooses, welche mir zur Verfügung stand, war diese Form weitaus am häufigsten. Ein Thier von 339,60 « Länge fand ich auch bei Marburg, zusammen mit dem gewöhnlichen Macrobiotus. 3. Macr. hufelandii C. Scu. (4, 13, 19), das gemeine Bärthierchen. Die gebogenen Zähne treten in die Mundröhre. Der Schlundkopf ist gross, kurz oval. Seine centralen Verdickungen kräftig, stabförmig. Unter der Cuticula kein bunt gefärbtes Pigment, höchstens zahllose kleine dunkle Granula oder schwarze, kohlenartige Körner. Zwei Doppelhaken an jedem Beine, dessen Krallen in der Mitte fest ver- 536 LUDWIG H. PLATE, wachsen sind. Sehr häufig zeigt die eine Kralle noch einen zarten Nebenhaken, der parallel mit der Hauptkralle läuft. Zwei Augenflecke. Die Cuticula variirt ebenso wie bei Macr. oberhäuseri. Die Länge schwankt bei erwachsenen Thieren zwischen 0,35—0,70 mm. Die Eier werden einzeln oder zu zweien und dreien abgelegt. Die von mir beobachteten (Fig. 28) sehen etwas anders aus als die von GREEFF (19) abgebildeten. Sie haben grössere, aber nicht so zahlreiche Vor- sprünge, und werden von einer inneren und einer äusseren Hülle um- kleidet. Die letztere bildet allein jene hohlen conischen Höcker, an denen man ebenfalls 2 Membranen bemerkt, eine äussere zarte und eine innere etwas derbere, die leicht punktirt ist. Durchmesser der Eier ohne Höcker 73,58 u, mit Höcker 96,22 u. Fast überall gemein. 4, Macr. tetradactylus GREEFF (19). Zwei Augen. Kauapparat ähnlich wie bei Macr. oberhäuseri. An jedem Fuss 2 Haken, die jeder aus 2 gleich grossen, einzeln beweglichen, nur am Grunde zusammen- sitzenden Krallen bestehen. Grösse ca. 0,5 mm. Die Eier sind oval, glatt und werden zu mehreren in die abgeworfene Körperhaut gelegt. 5. Macr. macronyx Dus. (7). Zwei Augen. An jedem Fuss 2 Doppelkrallen, deren verschieden grosse Haken für sich beweglich sind. Gebiss und Schlundkopf ähnlich wie bei Macr. hufelandii, aber die centralen Verdickungen sind dünne lange Stäbchen. Die glatten ku- geligen Eier werden in grösserer Anzahl in die abgestreifte Cuticula gelest. Grösse bis zu 1 mm. Einzige Süsswasserform. 6. Maer. schultzei GREEFF (19) unterscheidet sich von Macr. hufelandii nur durch den Mangel der Augen, da das zweite vom Ent- decker angegebene Merkmal (6 conische Mundpapillen) in Wegfall kommt, denn diese finden sich auch bei dem gewöhnlichen Bärthierchen. Ob diese Form sich auf die Dauer wird aufrecht erhalten lassen, er- scheint mir sehr zweifelhaft, da man öfters Individuen von Maer. hufe- landii begegnet, die ein nur sehr schwach ausgebildetes Augenpigment haben. Sie ist daher wohl nur als eine Varietät dieser Art anzu- sehen, die ja auch sonst in der Skulptur der Cuticula, der Grösse der Schlundkopf-Verdickungen, dem Bau der Krallen etc. variirt. 7. Macr. tuberculatus n. sp. Die Rückenfläche und die Seiten des Thieres sind mit vielen kleinen Buckeln von runder warzenförmiger Gestalt bedeckt (Fig. 26). Dieselben bilden ca. 9 Querreihen. Jedes Bein mit 2 Doppelhaken, deren Krallen von sehr verschiedener Länge sind und stark divergiren, so dass sie nur am Grunde im rechten Winkel zusammenstossen. In der Reihe jeder Schlundkopf-Verdickungen nur 2 Stäbchen. 2 Augen. Im übrigen ähnelt es Maer. oberhäuseri, Bei einer Varietät dieser Art fehlen die Höcker des Rückens überhaupt Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden, 537 ganz oder sind nur sehr schwach angedeutet. Die Krallen behalten aber ihre charakteristische Gestalt. Fundort: Marburg, wenige Exemplare. 4. Genus: Doyeria. Doyeria n. g. Das Gebiss besteht aus 2 kleinen Stiften, welche in die Mundröhre treten,“ aber nicht durch einen queren Zahn- träger mit dieser verbunden sind (Fig. 5). Die Mundröhre wird von einer dicken birnförmigen Zellenlage umgeben. Die Mundhöhle ist zu einem langen Rohr ausgezogen. Der ovale Schlundkopf mit langen dünnen Stäbchen. Die grossen Speicheldrüsen der Macro- bioten fehlen, dagegen finden sich vorn am Kopfe 2 schlauch- förmige Epidermisanhänge. 2 Augenflecke. Die einzige Art: Doyeria simplex n. sp. von 424,50 u Länge gleicht im Uebrigen ganz dem Macr. hufelandi, in dessen Gesellschaft sie nicht eben selten angetroffen wird. — Ich habe mir erlaubt, diese {Form nach dem classischen Untersucher der Bärthierchen zu benennen, weil es mir scheint, als ob derselbe sie auch schon gesehen hat. Er erwähnt p. 323 seiner Monographie Thiere, deren Zähne zu kleinen Kalknadeln reducirt waren und die keinen S-förmigen Träger hatten. Die Mandibeln führten unregelmässige und zwecklose Bewegungen aus. DoYkre hält solche Individuen und andere, bei denen das Gebiss und der Schlund- kopf gänzlich fehlen sollen, für Missbildungen. Dass derartige patho- logische Erscheinungen vorkommen, will ich nicht bestreiten, obwohl ich denselben nur in sehr geringem Maasse (Thieren mit zerbrochenen Zähnen) begegnet bin. Dagegen treffe ich die hier beschriebene Art so häufig und stets wieder in so gleicher Ausbildung an, dass an einer generischen Verschiedenheit von Macrobiotus nicht zu zweifeln ist. 5. Genus: Diphascon. Diphascon n. g. (Fig. 25). Diese Gattung hat grosse Aehnlichkeit mit Macrobiotus oberhäuseri, aber der kleine, runde Schlundkopf sitzt in der Mitte des Oesophagus. Das Gebiss ist zart. Ob die körnige Masse p, welche dasselbe umgab, Speicheldrüsen oder eine andere Bildung vorstellte, war an den 4 Individuen, welche ich in chilenischem Moose fand, nicht zu entscheiden. Ebenso muss ich es unentschieden lassen, ob die grosse Dottermasse o wirklich, wie es schien, nur zu einem Ei gehörte. An jedem Bein 2 Doppelhaken, deren Krallen am Grunde verwachsen sind. Das in Fig. 25 abgebildete Individuum stand im Begriff, seine äussere Cuticula abzuwerfen. Eine 538 LUDWIG H. PLATE, Species: D. chilenense n. sp. Grösse der untersuchten Thiere ca. 164,14 u. 6. Genus: Milnesium. Milnesium Doy. Um den Mund stehen 6 kurze cylindrische Taster, etwas weiter nach hinten noch 2. Die Mundhöhle beginnt mit einem aus mehreren Stücken zusammengesetzten Ring zum An- saugen. Die Zähne sind zart, haben einen queren Zahnträger und münden direct in die Mundhöhle. An die breite Mundröhre schliesst sich ein langgestreckter, hinten etwas verbreiteter querstreifiger Schlund- kopf ohne Stäbchenreihen. 2 Augen, an denen häufig (ob immer ?) eine hellere, nach aussen gerichtete Partie (Linse?) zu unterscheiden ist. Jedes Bein trägt 2 lange, dünne, terminale Krallen und dahinter 2 kurze Haken mit 2—3 Krallen. 2 Species: Von den Hinter-Haken jedes Fusses ist der eine zwei-, der andere dreizackig M. tardigradum Doy. (13, 18). Beide Hinter- Haken jedes Fusses sind Urelzackiat? 2 AE au re M. alpigenum Enr. (11, 12). IV. Capitel. Allgemeine Charakteristik der Tardigraden; ihre systematische Stellung. Zum Schlusse möge hier für Diejenigen, welche sich schnell über die wichtigsten Thatsachen aus der Naturgeschichte der Bärthierchen orientiren wollen, eine kurze allgemeine Schilderung dieser Thiergruppe folgen, in die auch die Hauptergebnisse der vorliegenden Abhandlung aufgenommen werden sollen. Die Tardigraden sind bilateral-symmetrische Thiere von cylin- drischer oder länglich-ovaler Gestalt und durchschnittlich }—1 mm Grösse. Sie lassen eine äussere Segmentirung der Körperhaut in der Regel gar nicht oder undeutlich erkennen, nur die Gattung Echiniscus weist auf dem Rücken eine Anzahl erhärterter Schilder auf, welche den Anschein einer echten Segmentirung hervorrufen; dieselben dehnen sich jedoch nicht auf die Bauchseite aus und entsprechen auch durchaus nicht der durch die Anordnung der Muskeln und Nerven ausgesprochenen Ringelung. Das Vorderende des Körpers trägt an Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 539 seiner Spitze die Mundöffnung und verschmälert sich entweder rüssel- förmig (Echiniscus) oder setzt sich durch eine leichte Einschnürung als ein besonderer Kopf vom Rumpfe ab. Von der Ventralfläche ent- springen 4 Paar ungegliederte Beine, welche kurze breite Ausstülpungen des Körpers sind und mit diesen sich nicht gelenkig verbinden. Nur das marine Genus Lydella weicht im Bau der Extremitäten erheblich von den übrigen Gattungen ab; sie sind hier lang und schmal und durch eine Einschnürung in 2 Glieder gesondert. Die beiden Hinter- beine der Tardigraden sitzen am aboralen Körperpole und einander und der Medianebene des Rumpfes stark genähert. Auch ist der Abstand des letzten Extremitätenpaares vom vorletzten fast noch ein- mal so gross wie zwischen den vorderen Paaren. Diese Lage macht auch ihre veränderte Funktion erklärlich: während die 3 ersten Bein- paare zum Gehen benutzt werden, dient das letzte Paar wie bei den Raupen als Nachschieber. — Die Haut der Bärthierchen besteht aus einer äusseren dicken Cuticula, welche glatt oder punktirt erscheint, und einer darunter liegenden dünnen Schicht 4-eckiger, sehr regelmässig angeordneter Zellen. Diese Epidermis verdickt sich an einzelnen Stellen des Körpers zu besonderen Polstern und Wülsten, und zwar findet man solche in der Umgebung des Mundes und der Afteröffnung und an der Spitze der Beine. Sie ist ausserdem die Trägerin des körnigen Pigments, welches den Bärthierchen meist nur in der Jugend gänzlich fehlt. Bei den Echiniscen ist dasselbe von ziegelrother Farbe und in so grossen Massen vorhanden, dass die Erkenntniss der inneren Organisation dadurch sehr erschwert wird. Bei andern Arten ist es bräunlich oder schwärzlich. An den Spitzen der Extremitäten er- weitert sich die Cuticula zu einer zarten Membran von wechselnder Form, welcher die Krallen aufsitzen. Die Gestalt derselben ist an allen Füssen gleich. In der Regel trägt jedes Bein ein Paar Krallen, die selbst wieder mit je 2—3 Haken endigen. Bei einzelnen Species zer- fällt die Kralle in diese Einzelhaken. Ganz abweichend läuft bei Lydella jedes Bein in einen Haken, bei Echiniscoides in 7—9 aus. Aeussere Anhänge der Cuticula in Gestalt von langen Fäden und Dornen finden sich bei fast allen Arten der Gattung Echiniscus, in geringer Ausbildung auch bei Æchiniscoides. Die Cuticula der Bär- thierchen wird von Zeit zu Zeit abgeworfen, nachdem vorher ein neue unter der alten von den Epidermiszellen ausgeschieden worden ist. Der Process der Häutung geht nur langsam von statten, so dass man häufig Individuen mit 2 Cuticular-Schichten antrifft. Einige Macro- bioten haben die Gewohnheit, ihre Eier in die abgeworfene Körper- 540 LUDWIG H. PLATE, haut zu legen. — Der von der Körperwandung umschlossene Hohl- raum, die Leibeshöhle, wird von einer klaren, wahrscheinlich fast ausschliesslich aus Wasser bestehenden Flüssigkeit erfüllt und enthält ausser den grossen Blutkörpern den Tractus intestinalis, die Geschlechts- organe, die Maupiaui’schen Gefässe, die Muskeln und die Nerven. Be- sondere Circulations- und Respirationsorgane sind nicht vorhanden, und ebenso fehlt ein eigentliches Bindegewebe; einzelne zarte Fäden, die sich zwischen den Organen ausspannen oder diese an die Haut befestigen, können freilich so gedeutet werden, doch sind sie nicht sicher von den peripheren Nerven zu unterscheiden. — Die grossen runden Blutkörper fehlen nur bei Echiniscus. Sie zeigen nicht selten eine schwache amöboide Bewegung, sind nackt und haben einen Kern. In der Jugend sind sie weniger zahlreich vorhanden als im Alter, wo sie die Leibeshöhle oft dicht erfüllen. Ihre physiologische Bedeutung ist noch unklar, doch sprechen verschiedene Gründe dafür, dass sie zur Aufspei- cherung von Assimilationsprodukten dienen. — Der Ernährungs- apparat besteht aus Mundhöhle, Mundröhre, 2 Stosszähnen, Schlund- kopf (= Saugmagen), Oesophagus, Magen und Enddarm. Der ganze Tractus zieht in gerader Linie vom vorderen Körperpole nach hinten, um kurz vor dem aboralen Leibesende auf der Bauchseite mit einer queren Afterspalte auszumiinden. Die Mundôffnung liegt auf der Spitze einer kleinen Papille, welche beim Aussaugen der Nahrung fest angepresst wird. Um sie herum stehen bei Milnesium 6 kurze cylindrische Palpen, bei Echiniscus 4 Borsten und 2 Palpen. Der Mund führt in einen meist kleinen, von einem oder mehreren Chitin- ringen begrenzten Raum, die Mundhöhle, in welche bei Milnesium, Echiniscus und einigen Macrobiotus-Arten die spitzen, zuweilen ver- kalkten Enden der Zähne hereinragen. An sie schliesst sich nach hinten die Mundröhre, ein gerader oder leicht gebogener Kanal mit derber Chitinwandung, welcher bei Doyeria und gewissen Macrobioten zur Aufnahme der Zähne bestimmt ist. Das Gebiss liegt nur bei Doyeria zum grössten Theile in einer Zellenmasse, bei den übrigen da- gegen frei in der Leibeshôhle. Die Zähne stützen sich dann entweder auf einen quer gestellten, an der Mundröhre befestigten Zahnträger, oder sie legen sich mit ihrem Hinterende dem Schlundkopfe an. Ihre Beweglichkeit verdanken sie einigen Muskeln, von denen man bei Macrobiotus einen langen Vorzieher und 2 kurze Retractoren jeder- seits beobachtet. Bei den meisten Gattungen finden sich 2 birn- oder schlauchförmige Speicheldrüsen, die bei Macrobiotus besonders gross werden; sie dienen vielleicht auch als Giftdrüsen. — Der Schlund- Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 541 kopf wirkt durch seine quer oder radiär angeordnete Muskulatur als Saugpumpe, welche die flüssige Nahrung in den Magen befördert. Er wird in seiner ganzen Länge von einem Canale durchzogen, dessen Lumen während der Ruhe äusserst eng ist. Bei Macrobiotus finden sich im Pharynx 3 Längsreihen von kleinen Chitinstäbchen, welche den Muskeln zum Ansatz dienen. Jeder dieser Balken besteht aus 2 dicht neben einander liegenden Stücken; der Canal des Schlundkopfes zieht zwischen den Stäbchen der mittleren Reihe hindurch. Bei Echiniscus und Doyeria sind diese Gebilde zwar auch vorhanden, aber weniger deutlich ausgeprägt, bei Milnesium fehlen sie ganz. — Mundröhre und Schlundkopf folgen für gewöhnlich unmittelbar auf einander, ja bei Macrobiotus und Echiniscus dringt erstere sogar auf eine kleine Strecke in den letzteren ein. Nur die Gattung Diphascon verhält sich in dieser Hinsicht abweichend, indem der Pharynx hier der Mitte des Oeso- phagus eingefügt ist. Schlund und Magen gehen ohne scharfe Grenze in einander über; charakteristisch für ersteren ist nur die derbe chitinige Cuticula, welche ihn von innen auskleidet, und welche im Magen durch eine viel zartere Membran ersetzt wird. Die Zellen des letzteren sind gross, polygonal, ohne innere Cilien-Auskleidung. Der Magen geht durch eine ringförmige Einschnürung in den kurzen Enddarm über, dessen Wandung stark verdickt ist und der durch Aufnahme des Ge- schlechtsapparates und der Marpr@nrschen Gefässe zur Kloake wird. — Die Tardigraden sind getrennten Geschlechtes. Männchen und Weibchen gleichen sich in der Körpergestalt und in der äusseren Form der Sexualorgane vollständig. Man trifit überwiegend Weibchen an, da die Männchen viel seltener sind. Die Keimdrüse liegt in beiden Ge- schlechtern als ein länglich-ovaler Sack über dem Magen und mündet in den Anfangstheil des Rectums. Sie läuft am vorderen Ende in 2 symmetrische Zipfel aus, von denen je ein langes Ligament zum Rücken zieht. Im Ovar findet man bei jugendlichen Thieren eine grosse An- zahl kleiner, isolirter Zellen, von denen nur einige wenige — im Maximum 10 bis 12 — zu Eiern heranreifen, während die übrigen theils als Nahrung verwandt werden, theils sehr wahrscheinlich nach Ablage der ersten Eigeneration das Material zur Bildung einer zweiten liefern. Bei reifen Männchen ist der ganze Hoden dicht erfüllt von den kleinen Samen-Körperchen, die durch den Besitz eines langen und eines kurzen Fadens ausgezeichnet sind. Auch die Gestalt der Anhangsdrüse ist bei beiden Geschlechtern dieselbe; sie stellt einen kleinen rundlichen Sack dar, welcher dorsal von der Geschlechtsdrüse liegt und zugleich mit dieser in die Kloake ausmündet. Die Funktion ‚542 LUDWIG H. PLATE, dieses Gebildes ist noch nicht sicher ermittelt. Ebenso ist bis jetzt die Begattung noch nicht beobachtet worden. Die Eier der Bär- thierchen werden von einer zarten inneren und einer derben äusseren Schale bekleidet; die letztere trägt bei manchen Arten zahlreiche zierliche Vorsprünge. Sie werden bald einzeln, bald zu mehreren frei oder in die abgeworfene Cuticula gelegt. — In den Anfangstheil des Enddarms mündet der Secretionsapparat in Gestalt zweier lateraler Mavpicurscher Gefässe. Dieselben sind schlauchförmig und weisen in ganzer Länge ein enges Lumen auf, das von einer Zellenlage umgeben wird. — Die Muskulatur ist sehr reichlich entwickelt, dient aber fast auschliesslich der Bewegung des Kopfes, des Rumpfes und der Beine. Die Muskeln liegen überwiegend direkt unter der Haut, nur wenige ziehen frei durch die Leibeshöhle. Man unterscheidet unter den Haut- muskeln 4 Längsbänder, welche unter dem Rücken entlang ziehen, 1 oder 2 Längsmuskeln auf jeder Körperseite, 2 ebensolche ventrale und ferner ein complicirtes System von Muskeln zur Bewegung der Beine, das theils ventral, theils lateral angeordnet ist. Alle Muskeln sind glatt und bestehen fast ganz aus contractiler Substanz, welcher nur hier und da von aussen kleine Mengen körnigen Protoplasmas anliegen. Bei Anwendung von Reagentien erkennt man in der con- tractilen Substanz zahlreiche zarte Fibrillen. — Das Nervensystem besteht aus einem grossen oberen und unteren Schlundganglion und einem Bauchmark mit weit aus einander liegenden Commissuren und 4 grossen Ganglien. Vom Gehirn ziehen einige Nerven nach vorn an die Haut des Kopfes, die von 2 breit-kegelförmigen Lappen aus- gehen. Der hintere Rand des Gehirns trägt einen mittleren und jeder- seits 2 laterale Anhänge, von denen namentlich der äussere durch seine beträchtliche Länge auffällt. Er ist ausserdem der Träger des Augenpigmentes, wenn solches vorhanden ist. Das ganze Gehirn ist mit Ausnahme einer kleinen Stelle mit feinkörniger Substanz überall aus Ganglienzellen zusammengesetzt. Das untere Schlundganglion hat eine ganz ähnliche Gestalt wie das obere; beide gehen durch eine breite, aber dünne Schicht von Nervenzellen in einander über. Das erste Bauchganglion hängt mit dem infraösophagalen Ganglion des Kopfes durch die schräg nach aussen laufenden vorderen Enden der Bauch- markcommissuren zusammen. Ausserdem sendet es jederseits einen Nerven zum Gehirn empor, der in den seitlichen Anhang desselben, an der Basis des Augenfleckes einmündet. Die Bauchganglien enthalten eine äussere Lage grosser Zellen und eine H-förmige Fasersubstanz, ‘welche sich in die Commissuren fortsetzt; diese selbst erscheinen Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 543 jedoch homogen. Die aus jedem Bauchganglion austretenden, einander entsprechenden Nerven haben so ziemlich denselben Verlauf und lassen dadurch eine segmentale Anordnung deutlich erkennen; sie sind dadurch ausgezeichnet, dass sie an ganz bestimmten Stellen zu grösseren oder kleineren Nebenganglien anschwellen. Sie versorgen fast aus- schliesslich die Muskulatur des Körpers und zwar unter Bildung stern- förmiger Endplatten, die sich entweder direkt an die contractile Sub- stanz anlegen oder dem Protoplasma des Muskels eingebettet sind (Dovzre’scher Hügel). — Von Sinnesorganen kommen den Tardi- graden ausser den Augen nur kurze cylindrische Taster zu, die bei den Echiniscen und Milnesien um die Mundöfinung herum angebracht sind. Bei den letzteren sitzen zwei solcher Gebilde auch noch etwas weiter nach hinten am Kopfe. Die Borsten, welche sich bei Echiniscus und Lydella in der Nähe der Mundöffnung befinden, dienen vielleicht den- selben Zwecken. — Während sich dieSegmentirungder Tardigraden äusserlich gar nicht oder nur in einer Weise ausspricht, die mit der inneren nicht übereinstimmt, tritt dieselbe in der Anordnung der Muskulatur und der Nerven sehr deutlich hervor, und zwar kann man danach ein Kopf- !) und vier Rumpfsegmente unterscheiden. Die Bärthierchen leben zwischen Moosen und Flechten, im Sande der Dachrinnen, zwischen Pflanzen, die nur eine geringe Quantität Erde zu ihrem Fortkommen nöthig haben und an vielen anderen Localitäten mit ähnlichen Existenzbedingungen. Die einzigen Formen, welche dauernd im Wasser leben, sind Macrobiotus macronyx, Lydella dujardini und ÆEchiniscoides sigismundi; erstere Art findet sich im Süsswasser, die beiden letzteren sind marin. Die Tardigraden nähren sich vornehmlich von Moosen und andern niederen Pflanzen, indem sie dieselben mit ihren Zähnen anstechen und dann ihren Saft aufsaugen. Ausserdem scheinen sie ab und zu animalische Kost (namentlich Rota- torien) nicht zu verschmähen. Da die meisten Bärthierchen sich auf dem Lande aufhalten, während sie doch andererseits ausgesprochene Wasserthiere sind, so können sie sich nur dann ihres Daseins freuen, wenn durch Regen oder andere Umstände eine Ueberfluthung ihres Wohngebietes eingetreten ist. Wenn das Wasser verdunstet, schrumpfen 1) Dorire zählte zwei Kopfsegmente, vermuthlich weil er (mit Un- recht) annahm, dass im Kopfe zwei Paare von oberen Ganglien sich befänden. Obwohl es ja leicht möglich ist, dass im Kopfe mehrere Segmente verschmolzen sind, sehe ichin demselben nur ein einziges, weil eine solche Verschmelzung nicht mehr nachweisbar ist und ferner das obere und das untere Schlund- ganglion in gleicher Entfernung vom vorderen Körperpole liegen. Zool. Jahrb, III, Abth, f, Morph, 36 544 LUDWIG H. PLATE, sie zu einem unscheinbaren Körnchen zusammen und können in diesem Zustande Jahre verbringen, ohne ihre Lebenskraft einzubüssen; doch scheint es, als ob die oben genannten ständigen Wasserbewohner die Fähigkeit des Wiederauflebens nach völliger Eintrocknung nicht be- sitzen. Merkwürdiger Weise tritt nach einer Austrocknung das active Leben auf Wasserzusatz nicht immer sofort ein, sondern es geht dem- selben eine scheintodte asphyktische Periode voran, die je nach der Dauer des Trockenzustandes länger oder kürzer währt. Während der- selben sind die Thiere ganz ausgestreckt und vollständig starr. Man kann diesen hypnotischen Zustand auch dadurch herbeiführen, dass man die Bärthierchen längere Zeit in ausgekochtem Wasser aufbewahrt. — Die Systematik der Tardigraden zählt bis jetzt 6 Gattungen mit 26 Species; ob die letzteren auch bei genauerem Studium sich alle als selbständige Formen erweisen werden, erscheint sehr zweifelhaft, da die Artverschiedenheit vieler sich nur auf geringfügige äussere Merkmale stützt. Suchen wir zum Schlusse zu entscheiden, welche systematische Stellung den Tardigraden nach ihrem äusseren und inneren Bau zu- kommt. Dieselbe hat seit der ersten Entdeckung dieser Thierchen eine Streitfrage der Zoologen gebildet. O. Fr. MÜLLER rechnete die- selben wegen ihrer vier Beinpaare zu den Milben, SCHULTZE, PERTY und EHRENBERG verwiesen sie in die Klasse der Krebse, DUJARDIN und Doyère wollten sie mit den Rotatorien zu den ,,Systoliden“, einer Unterabtheilung der Würmer, vereinigen, und neuerdings hat L. v. GRAFF*) den Vorschlag gemacht, aus den Bärthierchen, den Myzostomiden und Linguatuliden die Ordnung der Stelechopoden oder Stummelfüssler zu bilden, welche zwischen Würmer und Arthropoden einzuschalten wäre. Daneben hat immer die alte Anschauung des grossen dänischen Zoologen zahlreiche Anhänger gefunden, und so sehen wir dann auch in fast allen Lehrbüchern die Tardigraden den Spinnenthieren bei- geordnet, entweder als Unterabtheilung der Acarinen oder als besondere Gruppe der Pseudarachnae mit den Pycnogoniden von den echten Spinnen (Autarachnae) (HAECKEL, GEGENBAUR) gesondert. Meiner Ueberzeugung nach haben die Tardigraden bis jetzt in keinem System diejenige Stellung gefunden, welche ihnen zukommt: Die Bärthierchen sind die niedrigsten von allen bis jetzt bekannten luftathmenden Arthropoden und sind 1) Grarr, Das Genus Myzostoma. Leipzig, W. Engelmann, 1877. Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 545 an die Spitze der Tracheaten, noch vor den Onycho- phoren, zu setzen. Damit soll weder gesagt sein, dass sich in ihnen die Organisation der Urform der Tracheaten rein erhalten hat, noch dass sich Peripatus direkt von ihnen ableitet. Im Gegentheil, die Tardigraden bilden einen Seitenzweig des grossen Tracheatenstammes, welcher aber der Wurzel des letzteren näher liegt als irgend ein anderer Ast jenes Stammbaumes. Sie sind diejenige Thiergruppe, welche den Uebergang von den Gliederwürmern zu den luftathmenden Arthropoden am reinsten zum Ausdruck bringt und am deutlichsten erkennen lässt. Die Arthropodennatur der Bärthierchen spricht sich aus: 1) in dem Besitz von 4 Paar mit Krallen versehenen Extre- mitäten, die zwar morphologisch keine echten Gliederfüsse sind, indem sie nicht gelenkig vom Körper sich absetzen, sondern einfache Aus- stülpungen desselben bilden. Physiologisch entsprechen sie jenen aber schon vollständig, da sie senkrecht zur Ventralfläche stehen; 2) in dem Vorhandensein von 2 MarpiGarschen Gefässen, welche, wie bei allen Arthropoden, in den Anfangstheil des Rectums ein- münden; 3) in dem Mangel jeglicher Flimmerung. Dagegen weichen sie von dem Typus der Arthropoden darin ab, dass 1) die Segmentirung, welche in der inneren Organisation scharf ausgeprägt ist, äusserlich entweder gar nicht sichtbar ist oder nur in einer Weise angedeutet wird, die mit der inneren nicht übereinstimmt. Gewiss giebt es andere Arthropoden, z. B. die Milben, Phalangiden, für welche dieser Satz ebenfalls mehr oder weniger gilt, aber dann ist dieser Mangel einer äusseren Segmentirung als ein secundärer, durch Verschmelzen der ursprünglich getrennten Metameren entstandener anzusehen, der auch mit einer Reduction der inneren Gliederung ver- bunden ist; 2) am Kopfe keine paarigen Sinnes- oder Mundwerkzeuge vor- handen sind, welche als umgebildete Extremitäten gedeutet werden könnten. In der Bildung des Gebisses nähern sich die Tardigraden entschieden den Anneliden, unterscheiden sich aber erheblich von allen Arthropoden. Wir finden bei ihnen nichts, was sich mit den Antennen, der Oberlippe, den Mandibeln oder Maxillen der Gliederfüssler ver- gleichen liesse. Die zwei Zähne der Tardigraden umstehen nicht von aussen die Mundöffnung, wie die Mundwerkzeuge der Arthropoden dies der Artihrer Entwicklung zufolge thun müssen, sondern sie liegen weit hinter derselben, im einfachsten Falle (Doyeria) in der Schlundwandung, und 36 * 546 LUDWIG H. PLATE, sind daher, wie die Zähne der Chätopoden, als umgebildete Theile der letzteren anzusehen. Es lässt sich ja nicht leugnen, dass die Cheliceren einiger Milben, z. B. der Phytopten, eine gewisse Aehn- lichkeit mit den Mundspiessen der Arctiscen haben; aber diese beruht auf Analogie, nicht auf Homologie, wie daraus hervorgeht, dass sich bei allen typischen Milben, deren Mundwerkzeuge nicht durch An- passung an bestimmte Lebensverhältnisse umgeändert sind, sich stets eine Oberlippe, ein Kieferfühler- und ein Kiefertasterpaar vorfindet. Ueberhaupt ist der Unterschied in der Organisation zwischen Milben und Tardigraden ein so erheblicher, dass man kaum begreift, wie beide Thiergruppen immer wieder im System haben neben einander gestellt werden können. Bei jenen finden wir: mehrere (min- destens zwei) Paare von Mundwerkzeugen, vier Paar echte Gliederfüsse, die so auf den Körper vertheilt sind, dass die Existenz eines hinter ihnen gelegenen Abdomens trotz der weitgehenden Verschmelzung der Seg- mente gar nicht in Frage gezogen werden kann, einen mit zwei oder mehreren Blindsäcken versehenen Magen, ein Nervensystem, dessen ventral vom Schlundrohr gelegene Partie zu einer, äusserlich nicht segmentalen Masse concentrirt ist, Geschlechtswerkzeuge mit paarigen Ausführgängen, quergestreifteMuskulatur und bei der Mehrzahl Tracheen ; bei den Tardigraden hingegen treffen wir an: keine äusseren Gebiss- — theile, vier Paar Stummelfüsse, von denen das letzte hinter der After- öffnung gelegen ist, wodurch der Mangel eines dem Hinterleib der Arthropoden homologen Körperabschnittes bewiesen wird, scharf aus- geprägte innere Segmentirung, einen geraden Darm ohne Anhänge, ein Nervensystem mit fünf ventralen, weit aus einander liegenden Ganglien, einfache Sexualorgane ohne paarige Ausführgänge, glatte Muskulatur, vollständigen Mangel von Tracheen. Die Uebereinstimmung zwischen Milben und Tardigraden beschränkt sich demnach auf die gleiche Zahl der Beinpaare (nicht Extremitäten!) und MazpiGarschen Gefässe, Aehn- lichkeiten, die gegenüber den vielen divergirenden Verhältnissen gar nicht in Betracht kommen können. Wie zwischen Acarinen und Bärthierchen, so scheint mir auch die Uebereinstimmung zwischen diesen und den Myzostomiden eine rein äusserliche zu sein, die sich auf den Mangel einer äusseren Glie- derung und den Besitz von Fusstummeln beschränkt, und der eine hohe Verschiedenheit in allen übrigen Organisationsverhältnissen gegen- über steht. Die Myzostomiden stimmen trotz der fehlenden oder vielleicht zu den „suckers‘“ umgebildeten Segmentalorgane in so vielen anderen Punkten mit den Chätopoden überein, dass sie als aberrante Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. 547 Gruppe der letzteren anzusehen sind, deren ventrale Parapodien durch ihre Verwendung als Klammerorgane besonders stark sich entwickelt haben. Dadurch ist eine geringe Aehnlichkeit mit den Stummelbeinen der Bärthierchen entstanden. Zwischen beiden besteht jedoch der Unterschied, dass 1) letztere echte Arthropodenklauen haben, erstere dagegen die gewöhnlichen, tief in die Haut eingesenkten Borsten der Anneliden besitzen und 2) bei diesen vier, bei jenen fünf Paar Beine vor- handen sind. Weitere durchgreifende Differenzen ergeben sich bei einem Vergleich fast aller übrigen Organe. Die für die Myzostomiden charakteristischen morphologischen Verhältnisse: das stark concentrirte Bauchmark, der lange Schlundring und der Nervenring des Rüssels, der vorstülpbare Pharynx, der verästelte Darm, die Cilienauskleidung des Magens, die zwitterigen Geschlechtsorgane mit drei in das Rectum einmündenden Ovidukten und zwei lateralen getrennten männlichen Sexualöffnungen, der Mangel einer eigentlichen Leibeshöhle, die nur noch in kleinen von den Ovarien erfüllten Hohlräumen sich erhalten hat, im übrigen aber durch maschiges Bindegewebe verdrängt ist, die fingerförmigen Fortsätze der Haut, — diese und noch manche andere anatomischen Charaktere fehlen den Tardigraden vollständig und machen die Annahme einer phylogenetischen Verwandtschaft beider Thierklassen unmöglich. Sie dürfen daher auch nicht im System zu einer engeren Abtheilung vereinigt werden. Ebenso weichen die Tardigraden von den Linguatuliden in ihrer ganzen Anatomie so erheblich ab, dass man sie höchstens deshalb zusammenstellen könnte, weil sich für beide Thiergruppen keine nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zu einer anderen Classe nach- weisen lassen. Es giebt meiner Ansicht nach keine Abtheilung der Würmer oder Arthropoden, an die sich die Tardigraden direkt anschliessen lassen. Sie bilden eine isolirt dastehende kleine Gruppe, die sich schon ausser- ordentlich früh vom Stammbaum der Tracheaten abgespalten hat und daher der Urform der landbewohnenden Gliederfüssler näher steht als irgend eine andere Abtheilung. — Welche phylogenetische Stellung die Bärthierchen zu den Onychophoren einnehmen, ist schwer anzugeben. Obwohl diese durch den Besitz von Segmentalorganen sich in einer Hin- sicht mehr an die Ringelwürmer anschliessen als die Macrobioten, sind sie doch im Allgemeinen weit höher organisirt als diese: ihre Füsse bestehen aus einzelnen Gliedern, sie besitzen am Kopfe zwei Antennen und zwei Paar Mundwerkzeuge, die sich in ihrer ersten Anlage wie die Beine verhalten, sie haben Circulations- 548 LUDWIG H. PLATE, organe, einen sehr complicirten Geschlechtsapparat und zahlreiche zerstreut stehende Tracheenbüschel. Die Onychophoren lassen sich daher nicht direkt von den Tardigraden ableiten, der Abstand zwischen beiden ist zu gross, wohl aber dürfen beide als gesonderte Gruppen einer höheren Abtheilung, der Protracheaten, angesehen werden, welche den Uebergang von den Ringelwürmern zu den luftathmenden Glieder- füsslern vermitteln. In dieser Abtheilung haben die Bärthierchen die erste, die höher organisirten Onychophoren die zweite Stelle ein- zunehmen. Marburg, 17. Februar 1888. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. eo Re te Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. Es bezeichnet in allen Figuren: Cuticula Vestibulum oris Mundröhre Pharynx, Schlundkopf Cloake Drüse Gehirn unteres Schlundganglion etc. die Bauchganglien Bauchstrang Mundpapille Epidermis Zahn Zahnträger Oesophagus, Schlund Ovar Hoden N. an ya n Erklärung der Tafeln. Schlundring Nebenganglion Nerv sal Speicheldrüsen Verdiekung der Epidermis am ep > ap After 549 Verdickung der Epidermis am Munde Verdickung der Epidermis im Fusse Blutkörper Augenfleck Augenanhang des Gehirns pl Nervenendplatte a Tafel XX. Afteröffnung. Die Abbildungen ohne Angabe der Vergrösserung sind in beliebiger Grösse entworfen worden. Stück aus der Rückenhaut von Macr. hufelandii, zwischen dem 2. und 3. Beinpaar. Schnitte bei tieferer Einstellung. Schlundkopf von Macr. hufelandii. Schlundkopf und Kopf von Maer. oberhäuseri. Seitenansicht 550/1. Kopf von Maer. hufelandit. Doyeria simplex. Echiniseus granulatus, „ ” ” „ Dorsal-Seite. Ventral-Seite. Ventral-Seite. Ventralansicht. 550/1. 305/1. 460/1. Rechts und links die Haut im optischen ere ig. 8. is. 17. ig. 18. Fig. ME: 1, 16. 1.9: 20. ig. 21. ig. 22. FAO: 24. 020: 126; ‚27. ig. 28. LUDWIG H. PLATE, Beiträge zur Naturgeschichte der Tardigraden. = Rücken-Ansicht des Magens von Macr. hufelandii. Magenzellen von Macr. hufelandii. . 9, 10. Eigenartige parasitäre Gebilde derselben. | Alle 12 io. Hoden von Macr. hufelandii. Weibliche Geschlechtsorgane von Macr. oberhäuseri. 550/1. Männliche > » Maer. hufelandii. 550/1. Tafel XXL Oberes und unteres Schlundganglion von Maer. hufelandii. 550/1. Seiten-Ansicht. Das Gehirn von Maer. hufelandii von oben gesehen. 690/1. Unteres Schlund- und erstes Bauchmark -Ganglion von Maer, hufelandii. Ventral-Ansicht. 460/1. Innervirung der dorsalen Längsmuskeln von Macr. hufelandii. Die peripheren Nerven des letzten Segmentes von Maer. hufe- landii. Schiefe Ventral-Ansicht. 460/1. Die peripheren Nerven des 2. und 3. Bauchganglions von Maer. hufelandit, Ventral-Ansicht. 550/1. Muskeln und Nerven der Körperseiten von Macr. hufelandii. 2365/1. Tafel XXII. Muskeln und Nerven des Rückens von Macr. hufelandii. 150/1. Das Gehirn ist nach einem Individuum von Doyeria simplex eingetragen worden. Muskeln und Ganglien der Bauchseite von Maer. hufelandii. 150/1. Körper aus der Leibeshöhle eines Maer. hufelandii. Hinterende einer Varietät von Macr. oberhäuseri. Rücken- Ansicht. 305/1. Diphascon chilenense n. sp. 150/1. Macrobiotus tuberculatus n. sp. c. 100/1. 29. Die Cuticula eines Macrobiotus während der Häutung. Ei von Macr. hufelandri. Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. Von Dr. P. Herzfeld in Rostock. Hierzu Tafel XXIII u. XXIV. Einleitung. Das ausgebildete Jacogsox’sche Organ der Säugethiere besteht in der Hauptsache aus einem in der Nasenhöhle gelegenen ziemlich langen und engen Schleimhautgange, dem JacoBson’schen Gange, dessen Epithel zum Theil in hohem Grade dem der Regio olfactoria ähnlich ist und wie dieses Endigungen von Olfactoriusfasern enthält. Als weitere Bestandtheile des Organs sind anzuführen : zahlreiche kleine, traubige Drüsen, welche in der nächsten Umgebung des JACOB- son’schen Ganges aufgehäuft sind, und deren Ausführungsgänge in ihn münden, ferner das Bindegewebe, welches den Gang und seine Drüsen einhüllt mitsammt den darin verlaufenden Gefässen und Nerven des Organs, und endlich in den meisten Fällen eine knorplige, bei ein- zelnen Thieren knöcherne Kapsel, welche alle die vorher genannten Theile umschliesst. Zur Orientirung über die wichtigsten anatomischen Verhältnisse, mit denen wir es im Folgenden zu thun haben werden, gebe ich zu- nächst eine allgemein gehaltene Schilderung des Jacopson’schen Ganges der Säuger, erläutert durch Abbildungen vom Schaf, bei dem er sehr vollständig ausgebildet ist und am meisten untersucht wurde, sowie eine kurze Beschreibung des sogenannten JacoBson’schen Ganges des Menschen, 552 Dr. P. HERZFELD, Der JAcoBSON’sche Gang der Säuger (Taf. XXIII, Fig. 2 Jg) erstreckt sich beiderseits in sagittaler Richtung dicht neben der Scheide- wand am Boden der Nasenhöhle entlang; sein hinteres Ende ist blind- geschlossen; vorn mündet er gewöhnlich in den Nasengaumengang (Taf. XXIII, Fig. 1 u. 2 ng). Der Nasengaumengang durchsetzt bekanntlich beiderseits den vorderen Theil des harten Gaumens in schräg von lateral und hinten nach vorn und medial absteigender Richtung; er verbindet die Nasen- höhle mit der Mundhöhle, indem seine Schleimhaut oben ununterbrochen in die der Nasenhöhle, unten ebenso in die der Mundhöhle übergeht. Zur Orientirung erlaube ich mir hier auf die Figuren 1 u. 2 der Taf. XXIII hinzuweisen. Sie stellen Präparate vom Schaf dar, welche in der gleich zu beschreibenden Weise angefertigt wurden: Um sich vom Zusammenhang des Jacopson’schen Ganges mit dem Nasengaumengang zu überzeugen, entfernt man die Seitenwand der Nasenhöhle durch einen sagittalen Sägeschnitt, den man etwas seitlich von der Nasen- ' scheidewand durch das Dach und den Boden der Nasenhöhle führt, und beseitigt — mit Meissel, Scheere u. s. w. — die laterale Wand des Nasengaumenganges, soweit sie nicht schon durch den Sägeschnitt abgetrennt ist; dann sieht man an der medialen Wand des Nasen- gaumenganges (Taf. XXIII, Fig. 1ng) etwa in seiner halben Höhe und dicht am Uebergang der medialen Wand in die vordere eine feine, schlitzförmige Oeffnung (in der Abbildung sondirt); dieselbe liegt mit dem längsten Durchmesser in der Richtung des Nasengaumenganges und ist gerade weit genug, um einer mittelstarken Sonde Einlass zu gewähren. Diese Oeffnung ist die Mündung des JAcoBson’schen Ganges. An dem Fig. 2, Taf. XXIII, abgebildeten Präparat ist der JAcoB- son’sche Gang von der Mündung aus der Länge nach seitlich aufge- schlitzt, um seinen Verlauf und das blinde hintere Ende zur Anschauung zu bringen. An die Schleimhaut des JacoBson’schen Ganges verzweigen sich mehrere starke Olfactoriusäste (Taf. XXIII, Fig. 3 0), welche nach ihrem Durchtritt durch die Lamina cribrosa des Siebbeins über die ganze Höhe der Nasenscheidewand weg schräg nach vorn und unten zum JacoBson’schen Gange hinziehen; ihren Verlauf erkennt man schon bei Betrachtung der unverletzten Nasenscheidewand an schwachen Längswülsten, zu denen sie die über ihnen liegende Schleimhaut her- vorwölben. Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 553 Am besten übersieht man die Nerven des JacoBson’schen Ganges, wenn man von einem Medianschnitt des Kopfes aus den Knochen und Knorpel der Nasenscheidewand mitsammt der Knochen- und Knorpel- haut vorsichtig entfernt, ohne die übrigen Weichtheile zu verletzen ; man hat dann die innere Fläche der Schleimhaut der Nasenscheide- wand vor sich (Taf. XXIII, Fig. 3 ss), und von dem durch sie gebildeten Hintergrunde heben sich die Nerven sehr deutlich ab. Die zum Jacogson’schen Gang gehörigen Olfactoriusäste (0) lassen nach ihrem graulich-durchscheinenden Aussehen vermuthen, dass sie aus marklosen Fasern bestehen; ausser ihnen sieht man hellweisse, undurchsichtige Trigeminuszweige sich vom hinteren Rand der Scheide- wand nach vorn theils zum JAcopson’schen Gang (#47), theils zur Schleimhaut der Nasenscheidewand (ts) begeben; die letzteren Zweige kreuzen sich mit den zum JacoBson’schen Gange verlaufenden Ol- factoriusästen, ohne Anastomosen mit ihnen einzugehen. Da das Jacopson’sche Organ ein Sinnesepithel besitzt, an oder in welchem Fasern des N. olfactorius endigen, so dient es vermuthlich zur Wahrnehmung irgend einer besonderen Art von Gerüchen. Welcher Art diese sind, darüber ist man bis jetzt noch nicht ins Klare ge- kommen. Der hauptsächlichste Grund dieser Unkenntniss ist wohl, dass dem Menschen mit dem Fehlen eines ausgebildeten und functions- fähigen JAcoBson’schen Organes natürlich auch die durch dasselbe vermittelten Empfindungen abgehen. Sehr verbreitet ist die Ansicht, dass das Organ dazu diene, giftige Nahrungsmittel von ungiftigen zu unterscheiden, und zwar wird theils angenommen, dass die Stoffe, deren Beschaffenheit durch das JAcoB- son’sche Organ geprüft wird, von der in den Mund eingeführten Nahrung herstammen, und von der Mundhöhle aus durch den Nasen- gaumengang in den JAcoBson’schen Gang gelangen, theils dass sie, vom Strome der Athemluft mitgerissen, durch die Nasenhöhle in den JacoBson’ schen Gang eingeführt werden. In jedem dieser beiden Fälle bleibt es dunkel, welche mechanische Ursache die zu prüfenden Stoffe durch die so versteckt liegende und enge Mündung des Jacopson’schen Ganges in diesen hinein gelangen lässt, zumal diese Mündung wahrscheinlich meist durch den von den Drüsen des Organs abgesonderten Schleim verstopft ist. Vermuthlich durch diese Schwierigkeit, das Eindringen Empfindung erregender Stofle in den Jacogson’schen Gang von aussen her zu 554 Dr. P. HERZFELD, erklären, ist KÖLLIKER zu der Ansicht gedrängt worden, das JAcoB- son’sche Organ diene dazu, dem Individuum Wahrnehmungen zu er- möglichen, welche durch die Beschaffenheit der Säfte des eigenen Körpers hervorgerufen würden. Es lässt sich nun denken, dass eine vergleichend - anatomische Betrachtung des JAcogson’schen Organs irgend welche Aufschlüsse über seine Wirkungsweise liefern kann; ferner hat eine solche Betrachtung auch für die Anatomie des Menschen ein Interesse. Beim Menschen nämlich findet sich am Boden der Nasenhöhle kein Jacopson’scher Gang; dagegen liegt höher oben an der Nasen- scheidewand ein kurzer, sagittal verlaufender Schleimhautgang, der hinten blind endet, vorn sich in die Nasenhöhle öffnet. Da dieser Gang von Ruysca !) zuerst beschrieben ist, nenne ich ihn Ruyscn’schen Gang (auf Vorschlag des Herrn Prof. STIEDA). Der Ruyscæsche Gang liegt am vorderen Abschnitt der Nasen- scheidewand unmittelbar oberhalb eines Längswulstes, welcher sich daselbst am unteren Rande des Septums hinzieht ; er ist meist 3—5 mm lang und gerade weit genug, um die Einführung einer Borste zu ge- statten; er erstreckt sich von der Mündung an zunächst gerade nach hinten und wendet sich dann gegen das hintere blinde Ende hin etwas in einem nach oben concaven Bogen aufwärts (Taf. XXIII, Fig. 4 u. 15). Die Schleimhaut des Ruyscn’schen Ganges gleicht derjenigen der Regio respiratoria der Nasenhöhle; eine Innervation durch Olfactorius- endigungen ist nicht nachgewiesen; ich habe den Gang ebenso wie KÖLLIKER ?) bei Kindern regelmässig, bei Erwachsenen in den meisten Fällen gefunden; ich nehme an, dass der Gang, wo er fehlte, durch ‘abgelaufene Entzündungen verödet war, da in diesen Fällen noch andere Spuren solcher Entzündungen an der Nasenschleimhaut zu erkennen waren. Der Ruyscu’sche Gang wird von verschiedenen Forschern (MECKEL*), 1) Ruyscz, Thesaurus anat. tertius, Amstelod. 1744, 4°, p. 26, N. LXI 5, ef. Tab. IV, Fig. 5, und Thesaur. anat. II, asser. VI, N. VII, Not. p. 34. 2) KÖLLIKER, Festschrift für Rinecxer, Leipzig 1877. Daselbst findet man die ältere Literatur des Jaconson’schen Ganges, soweit ich sehen kann, vollständig citirt. 3) Mecker, Der menschl. Anatomie Bd. 4, 1820, p. 141, vergl. dazu KöLLIKER 1. c. Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 555 Dursy !), KÖLLIKER ?) als der JAcopson’sche Gang des Menschen und als Ueberbleibsel eines JAcOBSON’schen Organs angesehen. Anderer Ansicht ist GEGENBAUR?), welcher glaubt, dass ein JACOBSON’scher Gang beim Menschen noch nicht gefunden ist. Den Ruyscæschen Gang hält er für ein Ueberbleibsel einer Drüse, weil er an der Nasenscheidewand eines Prosimiers (Stenops) eine sehr aus- gebildete Drüse gefunden hat, deren Ausführungsgang etwa in der- selben Gegend wie der Ruyscu’sche Gang in die Nasenhöhle mündet. Die eben dargelegte Meinungsverschiedenheit unter den Forschern war für mich Veranlassung, nach Möglichkeit Thiere der ersten Ordnungen zu untersuchen, in der Hoffnung, durch Auffinden irgend welcher Uebergangsstadien die Bedeutung des Ruyscn’schen Ganges klar zu stellen. Specielle Untersuchungen. Die Punkte, auf welche ich bei meinen Untersuchungen das Haupt- augenmerk gerichtet habe, sind folgende: 1) Das Vorhandensein oder Fehlen des JAcoBson’schen Ganges und des Nasengaumenganges, sowie das Verhältniss, in dem beide zu einander stehen. 2) Der specielle Bau des JacoBson’schen Organs, und zwar: a) Die Verhältnisse der Knochen in der Umgebung. b) Die Knorpel. c) Die Weichtheile (Epithel, Drüsen etc.). 1. Jacobson’scher Gang und Nasengaumengang. Nach den sub 1 aufgestellten Gesichtspunkten lassen sich die von mir untersuchten Thiere in folgende Gruppen ordnen (vergl. Taf. XXIII, Fig. 10—15). I. Der JaAcosson’sche Gang mündet in einen durch- gangigen Nasengaumengang bei 1) Dursy, Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbelthiere. Tübingen 1869, p. 132. 2) lc: 3) GEGENBAUR, Ueber das Rudiment einer septalen Nasendrüse beim Menschen, in: Morph. Jahrbuch, Bd. 11, 1886, p. 486. 556 Dr. P. HERZFELD, den Wiederkäuern: Schaf, Reh, Rind ; einem Vielhufer: dem Schwein *; den Fleischfressern: Hund, Katze; einem Insectivoren: dem Maulwurf *; einem Halbaffen: Lemur macaco *; einem Affen der neuen Welt: Hapale peni- cillata *; Il. Ein durchgängiger Nasengaumengang ist nicht vorhanden; als Ueberrest davon findet sich eine Ein- senkung des Nasenhöhlenbodens; in diese Einsenkung mündet an ihrer tiefsten Stelle der JAcoBson’sche Gang. So verhält es sich bei den beiden untersuchten Einhufern, dem Pferd und Esel. Ill. Es ist ein Nasengaumengang und ein JACOB- son’scher Gang vorhanden. Der JAcoBson’sche Gang mündet weit vor der Nasenöffnung des Nasengaumen- ganges am Boden der Nasenhöhle. Zu dieser Gruppe gehören die untersuchten Nager: Kaninchen, Hase, Ratte *. IV. Die Nasenhöhle ist mit der Mundhöhle durch einen offenen Nasengaumengang verbunden; der JACOB- son’sche Gang fehlt. Ein solcher Befund bot sich mir dar bei: einer einheimischen Fledermaus * (die Species wurde nicht festgestellt), dem Flughund (Pteropus edwarsi **) und 2 Affen der alten Welt: Cercopithecus fuliginosus * und Inuus radiatus *. V. Beim Seehund, Phoca vitulina, giebt es keinen Jacos- son’schen Gang und keinen Nasengaumengang; an Stelle des letzteren findet sich eine Einsenkung des Nasenhöhlenbodens, welche sich etwa durch die Hälfte der Dicke des harten Gaumens nach ab- wärts erstreckt. Eine besondere Gruppe bildet der Mensch *. Ihm fehlt der Nasengaumengang; auch ist, wie erwähnt, am Boden der Nasenhöhle kein Jacogson’scher Gang vorhanden; höher oben an der Nasenscheidewand liegt der oben beschrie- bene Ruyscu’sche Gang. 1) Von diesem Thier steht mir nur eine etwas liickenhafte Schnitt- serie zur Verfügung, doch geht seine Zugehörigkeit zu dieser IV. Gruppe aus den vorhandenen Schnitten mit genügender Sicherheit hervor, Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 557 Bei keinem der untersuchten Thiere habe ich etwas sicher dem Ruyscu’schen Gange des Menschen Entsprechendes oder ein Ueber- gangsstadium zwischen diesem Gange und dem JAcoBson’schen Gange der Säuger gefunden. Sagittal verlaufende Schleimhautgänge am vor- deren Theil der Nasenscheidewand sind allerdings bei mehreren, so Inuus radiatus, Cercopithecus fuliginosus, Hapale penicillata, Pte- ropus edwarsi, vorhanden; es sind dies die Ausführungsgänge an der Nasenscheidewand gelegener Drüsen ; sie finden sich zu mehreren über und hinter einander und liegen verhältnissmässig viel höher als der RuyscH’sche Gang beim Menschen, so dass es durchaus fraglich er- scheinen muss, ob sie demselben entsprechen. Die eben dargelegten Befunde habe ich theils mittelst macro- scopischer Präparation, so wie oben für’s Schaf angegeben wurde, theils aus Serien von Frontalschnitten gewonnen. Die auf letztere Art unter- suchten Thiere sind in obiger Aufzählung mit einem * bezeichnet. Wie man sieht, fehlt bei den Thieren der II. und III. Gruppe die Verbindung des JAcoBson’schen Ganges mit der Mundhöhle durch den Nasengaumengang. Gerade bei diesen Thieren sind die Olfactorius- äste und das Sinnesepithel des JAcoBson’schen Organs besonders stark ausgebildet, also das Organ jedenfalls functionirend; daher muss die Annahme fallen, das JacoBson’sche Organ diene dazu, vermöge der erwähnten Verbindung, die in den Mund eingeführten Speisen zu „beriechen“. Der Jacogson’sche Gang fehlt bei den untersuchten Affen der alten Welt, dem Flughund, der Fledermaus und dem Seehund; er findet sich bei dem Affen der neuen Welt, dem Halbaffen und in der ganzen Reihe der übrigen untersuchten Thiere. Es fehlt also der JACOBSON sche Gang keineswegs nur solchen Thieren, welche dem Menschen besonders nahe stehen, sondern auch solchen, deren Orga- nisation von der des Menschen weit verschieden ist; es ist demnach auch aus der übrigen Organisation kein Schluss zu ziehen betreffend die Bedeutung des Organs. Es könnte vielleicht das Fehlen des JAcoBson’schen Ganges beim Seehund mit dem Aufenthalt dieses Thieres im Wasser und der da- durch bedingten Lebensweise, speciell der Art der Ernährung in irgend welchem, bis jetzt allerdings völlig dunklen Zusammenhang stehen; es würde damit auch ganz gut übereinstimmen, dass bei den Fischen keine Andeutung eines JAcoBson’ schen Organs zu finden ist, 558 Dr. P. HERZFELD, während die Reptilien ein sehr ausgebildetes derartiges Organ besitzen!). Weiterer Vermuthungen auf diesem Gebiete möchte ich mich enthalten, da dieselben ganz in der Luft stehen würden; speciell dafür, dass die Fledermaus und der Flughund in dem Fehlen des JAcopson’schen Ganges eine Aehnlichkeit mit den Affen der alten Welt besitzen, die dem Affen der neuen Welt und dem Halbaffen abgeht, habe ich nicht die geringste Erklärung. Meine Angaben über den Jacopson’schen Gang und den Nasen- gaumengang stellen im Wesentlichen eine Bestätigung, in einzelnen Punkten eine Vervollständigung des bisher darüber Veröffentlichten dar. Die umfassendsten Untersuchungen über die beiden genannten Gänge sowie überhaupt über das Jacopson’sche Organ der Säuger hat wohl GRATIOLET gemacht”). Er ist der Einzige, der über Affen der alten Welt und Halbaffen Bestimmtes aussagt; ich konnte bestätigen, dass einer der letzteren einen JACoBson’schen Gang besitzt, zwei der ersteren nicht. GRATIOLET hatte keine Gelegenheit, einen Affen der neuen Welt zu untersuchen; mir ist es gelungen, nachzuweisen, dass bei einem solchen (Hapale penicillata) ein JACOBSON’scher Gang vor- handen ist, der in den Nasengaumengang mündet. Unbekannt war ferner bisher, soweit ich sehen kann, dass einer einheimischen Fledermausart und dem Flughund der JAacoBson’sche Gang fehlt, während der Nasengaumengang vorhanden ist, dass sich also diese „Luftsäugethiere“ hinsichtlich des Verhaltens der beiden Gänge nicht den Halbaffen (und Affen der neuen Welt), sondern den Affen der alten Welt anschliessen. Zu denjenigen Thieren, bei welchen der Jacopson’sche Gang statt in einen durchgängigen Nasengaumengang in eine Einsenkung des Nasenhöhlenbodens mündet (II. Gruppe), gehören nach GRATIOLET ausser dem Pferd und Esel auch das Kamel und die Giraffe. Es wird von ihm bereits hervorgehoben, dass bei den Nagern (III. Gruppe) der Jacogson’sche Gang abgesondert vom Nasengaumengang sich in die Nasenhöhle öffnet. Bestätigt wird dies durch die Untersuchungen von 1) Fıeischer, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Jacobson’schen Organs und zur Anatomie der Nase, in: Sitzungsber. phys.-med. Societät Erlangen, Sitzung vom 12. Nov. 1877, u. a. 2) GraTioLeT, Recherches sur lorgane de Jacobson. Paris, Rignoux 1845. These. Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 559 PıanA!) (mir stand nur das in der Anmerkung angeführte Referat zu Gebote), ferner von KLEIN?) für das Meerschweinchen und das Kaninchen, von REUBEN Harvey *) für die Maus. Mein Befund am Seehund stimmt mit dem überein, was JACOBSON resp. CUVIER*) von den Cetaceen aussagt, dass ihnen nämlich der Jacorson’sche Gang ganz fehle (sowie mit der weiteren Angabe GRaTIOLET’s, dass bei ihnen der Nasengaumengang obliterirt sei). Auffällig erscheint es hiernach, dass von STANNIUS®) Manatus unter den Thieren mit be- sonders gut entwickeltem JAcOBSoN’schen Organ aufgeführt wird. 2. Specieller Bau des Jacobson’schen Organs. a) Knochen. Der vordere Abschnitt des knöchernen Gaumens ist bei sämmt- lichen untersuchten Thieren ausser der Fledermaus beiderseits von einem Loch, dem Foramen incisivum, durchbrochen (Taf. XXIII, Fig. 7 fi). Durch dasselbe treten von der Nasenhöhle zur Mundhöhle ausser einigen Blutgefässen der N. nasopalat. Scarpae, der Nasengaumengang, wo ein solcher vorhanden ist, und der JAcopson’sche Gang, falls derselbe in den Nasengaumengang mündet. Das For. incis. (Taf. XXIII, Fig. 7 fi) liegt an der Grenze des Zwischenkiefers gegen den Oberkiefer ; es wird hinten und am hinteren Abschnitt des lateralen Umfangs, vom Oberkiefer, am vorderen Abschnitt des lateralen Umfangs, vorn und medial vom Zwischenkiefer umrahmt. 1) Dr. Grov. Pırre. Prana, Contribuzione alla connoscenza della strut- tura e della funzione dell’ organo di Jacobson, Bologna 1880. Referat in: Deutsche Zeitschrift für Thiermedicin, 1882, p. 325. 2) Kıein, Contributions to the minute anatomy of the nasal mucous membrane, in: Quarterly Journal Microsc. Science, 1881, p. 97—112, und A further contribution to the minute anatomy of the organ of Jacobson in the Guinea pig, ebendaselbst, p. 219—230; ferner: The organ of Jacobson in the rabbit, ebendaselbst, p. 549—570. Derselbe veröffentlichte: The organ of Jacobson in the dog, ebendaselbst, 1882, p. 299—310. 3) REUBEN Harvey, Note on the organ of Jacobson, ebendaselbst, 1882, p. 50—52. 4) Rapport de M. Cuvrer sur un mémoire de M. Jacozson, in: Annales Muséum d'Histoire Naturelle, Tom. 18, 1811, p. 412. Jacopson’s Mémoire über seine Untersuchungen ist leider nicht er- schienen, sondern nur dieser etwas kurz gefasste Rapport, welcher von CuvIEr an die Acad. franc. in deren Auftrage erstattet wurde. 5) Srannıus, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, Berlin 1846, p. 399. Zool, Jahrb, III, Abth. f, Morph, 37 560 Dr. P. HERZFELD, Der lateral vom For. incis. gelegene Theil des Zwischenkiefers (Taf. XXIII, Fig. 7 zo) wird von BaLoGn !) als „Oberkieferfortsatz“, der medial davon gelegene (Taf. XXII, Fig. 7 zg) als „Gaumenfortsatz‘ des Zwischenkiefers bezeichnet. Ich werde von denselben Benennungen Gebrauch machen. Beim Pferd, bei welchem die Foramina incis. keinen Nasen- gaumengängen den Durchtritt zu gewähren brauchen, sind es sehr enge Spalten. Beim Menschen sind es keine Foramina, sondern zwei ziemlich enge und lange Canales incisivi, welche in ihrem untersten Abschnitt zu einem unpaaren medianen Canal vereinigt sind. Bei den Nagern sind die Foram. incis. weite Schlitze, welche sich durch den grössten Theil des knöchernen Gaumens von vorn nach hinten erstrecken. Beim Maulwurf nimmt der N. nasopalat. seinen Weg abgesondert vom Nasengaumengang und Jacopson’schen Gang durch einen be- sonderen Canal im Zwischenkiefer (Taf. XXIV, Fig. 24—26). Bei der von mir untersuchten Fledermaus ist kein eigentliches For. incis. vor- handen. Bei ihr sind die beiden Zwischenkiefer vorn durch einen tiefen ausgerundeten Einschnitt von einander getrennt (Taf. XXIII, Fig.5). Da dieser Einschnitt vom Nasengaumengang und vom N. nasopalat. durch- zogen wird, so kann er füglich als ein For. incis. angesehen werden, welchem medial und vorn die knöcherne Umrahmung fehlt. Beim Flughund findet sich nur ein median gelegenes For. incis. (Taf. XXIII, Fig. 6); es scheint mir hier ein Uebergangsstadium zwischen dem Verhalten bei der Fledermaus und dem bei den übrigen Säugethieren vorzuliegen, indem beim Flughund die mediale Umrahmung des ein- zelnen For. incis., aber nicht die vordere in Wegfall gekommen ist. Bei denjenigen Thieren, bei welchen der JAcoBson’sche Gang in den Nasengaumengang mündet, zieht sich an der lateralen Seite des Gaumenfortsatzes des Zwischenkiefers eine Furche entlang (Taf. XXII, Fig. 7 fu), welche zur Aufnahme des JAcoBson’schen Organs dient. Sie ist am vorderen Ende am schmalsten und tiefsten, nach hinten zu verbreiert und verflacht sie sich; sie setzt sich eine kurze Strecke weit auf den Vomer fort. Bei den Nagern bildet der Zwischenkiefer eine fast oder ganz vollständige knöcherne Röhre um das JAcoBson’sche Organ. Bei der Ratte z. B. wird diese Röhre, wie man am besten aus Frontalschnitten ersieht (Taf. XXIV, Fig. 19), aus einem lateralen und 1) Batoeu, Das Jacobson’sche Organ des Schafes, in: Sitzungsb. Wiener Acad. 1860, Bd. 42, p. 280, Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 561 einem medialen dünnen Plättchen von compacter Substanz gebildet, welche sich von der oberen Fläche des Zwischenkiefers erheben und oben einen freien Rand besitzen. Die medialen Plättchen der beiderseitigen Röhren (Taf. XXIV, Fig. 19 mp) steigen von den medialen oberen Kanten der Zwischen- kiefer senkrecht auf; sie liegen unten unmittelbar neben einander, oben fassen sie den unteren Theil des Scheidewandknorpels zwischen sich. Die lateralen Plättchen (Taf. XXIV, Fig. 19 dp) sind den oberen Flächen der Zwischenkiefer unweit von den medialen angefügt; sie erstrecken sich zunächst fast wagerecht lateralwärts und biegen dann aufwärts und medialwärts um, so dass ihre oberen freien Ränder die lateralen Flächen der medialen Plättchen fast berühren. Beide Plättchen reichen nach vorn hin ziemlich weit auf den vor dem For. incis. gelegenen Theil des Zwischenkiefers (Taf. XXIV, Fig. 19). Nach hinten erstreckt sich die laterale Platte ungefähr so weit wie der Gaumenfortsatz des Zwischenkiefers; die mediale endet früher in einer schräg von vorn oben nach hinten unten abfallenden Linie. Der Vomer (Taf. XXIV, Fig. 20 vo) schliesst sich ihr unmittelbar an; er bildet natürlich eine unpaare mediane Scheidewand zwischen den beiderseitigen JACOBSON’ schen Organen, so dass in seinem Bereiche die vorn von einander gesonderten medialen Wände der beiden Knochen- röhren, welche die JAcopson’schen Organe umgeben, mit einander ver- schmolzen erscheinen (vergl. Fig. 20 mit 19 der Taf. XXIV). In vorstehenden Angaben über die Foramina incis. und die Ver- hältnisse der Knochen in der Umgebung des JacoBson’schen Organs sind neue Thatsachen, welche besonders hervorzuheben wären, nicht enthalten. Vollständigere Mittheilungen über das Verhalten der ge- nannten Löcher bei den verschiedenen Säugethieren findet man bei GRATIOLET!). Nach diesem Autor ist unter Anderem beim Chim- panse ebenso, wie ich es für den Flughund geschildert habe, ein medianes unpaares For. incis. vorhanden. Bei einer Chiropterenart (Noctilio leporina) ist nach GRATIOLET weder ein die Zwischenkiefer trennender Einschnitt noch ein eigentliches For. incis. vorhanden, sondern der Gaumen ganz und gar geschlossen. Diese Angabe wird durch eine Abbildung in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thier- 1) 1. ec, p 111% 37% 562 Dr. BP. HERZFELD, reichs !) bestätigt; es kann demnach bei diesen Thieren ein Nasen- gaumengang ebensowenig wie ein N. nasopalat. existiren. b) Knorpel. Bei der Mehrzahl derjenigen von mir untersuchten Thiere, bei welchen der JAcoBsoN’sche Gang in den Nasengaumengang mündet (I. Gruppe), liegt im vordersten Abschnitt des For. incis. eine Knorpel- masse (Taf. XXIV, Fig. 17 vo + vu), von der aus zwei Knorpelstreifen nach vorn und zwei nach hinten verlaufen. Von den beiden sich nach vorn erstreckenden (Taf. XXIV, Fig. 16 vo u. vu) liegt der eine über dem anderen; zwischen ihnen liegt der vor dem For. incis. befindliche Theil des Zwischenkiefers (2), an welchen sie mit den einander zu- gekehrten Seiten fest angeheftet sind; mit ihren von einander abge- kehrten Seiten grenzen sie unmittelbar an Schleimhäute, und zwar der obere Streifen an die der Nasenhöhle (nh), der untere an die des Nasengaumenganges (ng) und des JacoBson’schen Ganges (Jg). Die beiden vom Knotenpunkt nach hinten abgehenden Streifen (Taf. XXIV, Fig. 18 hlu. hm) verlaufen neben einander; sie fassen zwischen sich die Nasenhöhle, an deren Schleimhaut ihre einander zugekehrten Seiten grenzen; mit den einander abgewandten Seiten sind sie innig an Knochen angeheftet, und zwar der laterale Streifen (Al) an den Knochen der Seitenwand der Nasenhöhle, der mediale (hm) an den Gaumenfortsatz des Zwischenkiefers (zg) und mit dem hinteren Ende an den Vomer. Dieser mediale hintere Knorpelstreif ist der eigent- liche Jacogson’sche Knorpel. Sämmtliche erwähnten Knorpeltheile sind hyalin. Die Fig. 16—18 der Taf. XXIV sind Abbildungen von Frontalschnitten des Kopfes von Lemur macaco, Fig. 16 vor dem For. incis., Fig. 17 durch den Kreuzungs- oder Knotenpunkt der Knorpelplatten und Fig. 18 dahinter. Man ersieht aus der Vergleichung dieser Schnitte noch Genaueres über die Art und Weise, in welcher sich die beiden vorderen Knorpelstreifen in die beiden hinteren fortsetzen. Die beiden vorderen Streifen nämlich vereinigen sich im For. incis. mit einem kleinen mittleren Theil ihrer einander zugekehrten Flächen (Taf. XXIV, Fig. 17 vo + vu). Da lateral und medial von der Vereinigungsstelle grössere Abschnitte getrennt bleiben, so wird die Gestalt eines jeden Streifens durch die Vereinigung nicht verwischt (vergl. Fig. 17 mit 1) Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, fortgesetzt von GiesEL. Leipzig und Heidelberg 1874, Bd. 6, Abtheilung 5, Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 563 Fig. 16 der Taf. XXIV). Es entsteht durch dies Verhalten eine im Quer- schnitt kreuzförmige Masse. Dieselbe zerfällt weiter hinten durch senkrechte Spaltung in einen lateralen und einen medialen Streifen (Taf. XXIV, Fig. 18 hl u. hm). In jeden von diesen setzt sich ein Theil sowohl des vorderen oberen wie des vorderen unteren Streifens un- mittelbar fort. Fig. 8 der Taf. XXIII ist die Abbildung der Seitenansicht eines Präparates der ganzen Knorpelmasse vom Schaf im Zusammenhang, welches durch vorsichtiges Ausbrechen des anliegenden Knochens her- gestellt wurde. Fig. 9 der Taf. XXIII zeigt ein ebensolches Präparat von unten betrachtet. Der obere vordere Streif (Taf. XXIII, Fig. 8 u.9 vo) ist eine einfache horizontale Platte, etwa so lang wie breit; sein medialer Rand liegt dem unteren Rande des Scheidewandknorpels seitlich an und ist vorn mit ihm verschmolzen. Der vordere untere Streif (vu) legt sich halbrinnenförmig von oben her um den Nasengaumengang und den JAcoBson’schen Gang. Der hintere laterale Streif (Al) ist eine im Ganzen senkrecht stehende dünne Platte, deren unterer Rand in sanfter Krümmung medialwärts umgebogen ist, so dass der untere Theil an den Boden der Nasenhöhle zu liegen kommt, während dieser Knorpelabschnitt in der Hauptsache, wie erwähnt, an der Seitenwand der Nasenhöhle liegt. Nach hinten zu verbreitert sich die Knorpelplatte etwas und endet bald mit zwei abgerundeten Zacken, einer kürzeren am Boden, einer längeren an der Seitenwand der Nasenhöhle. Derjenige der Knorpelstreifen, welcher für diese Untersuchung das grösste Interesse hat, weil er der eigentliche JAcoBson’sche Knorpel ist, nämlich der hintere mediale (hm in Fig. 8 u. 9, Taf. XXIII, und Fig. 23, Taf. XXIV), ist eine in sagittaler Richtung langgestreckte, unge- fähr senkrechte Platte, deren unterer Rand fast der ganzen Länge nach stark lateral-aufwärts umgerollt ist; es entsteht auf diese Weise eine nach oben offene Rinne oder vielmehr eine Röhre, längs deren oberer Wand ein Spalt verläuft (Taf. XXIII, Fig. 3 hm). Die laterale Wand dieser Röhre ist niedriger als die mediale und legt sich mit ihrem freien oberen Rande fast an die laterale Fläche der medialen Wand an; am grössten Theil der Länge des JAcopson’schen Knorpels bleibt zwischen dem freien oberen Rande der lateralen Wand und der late- ralen Fläche der medialen Wand der erwähnte schmale Spalt bestehen; nur an einer kurzen Strecke unweit vom vorderen Ende tritt voll- ständige Verschmelzung zwischen ihnen ein, so dass hier eine ringsum 564 Dr. P. HERZFELD, geschlossene knorplige Röhre um den Jacogson’schen Gang gebildet wird. Durch den beschriebenen Spalt treten die Olfactoriusäste des Jacopson’schen Organes in die Knorpelkapsel ein und stehen die Drüsen des Ganges mit denen der Schleimhaut der Nasenscheidewand in Zusammenhang. Fig. 23, Taf. XXIV, zeigt den JAcoBson’schen Knorpel mit seinem Inhalt und seiner Umgebung auf dem Frontalschnitt. Man ersieht daraus, dass die laterale Wand des Knorpelrohres von der Schleimhaut der Nasenhöhle überzogen wird, die mediale sich grössten- theils an den Gaumenfortsatz des Zwischenkiefers (zg) mit dem oberen Rande von der Seite her an den unteren Rand des Nasenscheidewand- knorpels (s) dicht anlegt. Diejenigen Thiere, bei welchen ich die Knorpel annähernd in der geschilderten Form und Ausdehnung gefunden habe, gehören sämmt- lich der ersten der von mir oben aufgestellten Gruppen an. Genauer darauf untersucht habe ich von Thieren dieser Gruppe ausser dem Schaf das Schwein, den Lemur, das Löwenäffchen und den Maulwurf. Bei dem Lemur ist der Jacopson’sche Knorpel nirgends zur voll- ständigen Röhre geschlossen, sondern bildet durchweg eine tiefe, nach oben offene Rinne. Beim Maulwurf (Fig. 24—26 der Taf. XXIV) sind die Knorpel im Vergleich zu den anderen genannten Thieren stark verkümmert. Beide hinteren Streifen fehlen vollständig; die beiden vorderen sind vor- handen, haben aber den Zusammenhang mit einander verloren; der vordere obere erreicht mit seinem hinteren Ende lange nicht den vorderen Rand des For. incis.; er hängt auch nicht an seinem vor- deren Ende mit dem Scheidewandknorpel zusammen. Der vordere untere Knorpelstreif liegt dem JaAcopson’schen Gange an, soweit derselbe im For. ineis. steht; und zwar liegt er zunächst der Mündung des JAcopson’schen Ganges an dessen medialer Seite und wendet sich im Verlauf nach hinten an die untere; mit seinem hinteren Ende liegt er horizontal unter dem JacoBson’schen Gange im hinteren Abschnitt des For. incis. (Taf. XXIV, Fig. 26 kn). Da beim Maulwurf der eigentliche JacoBson’sche Knorpel fehlt, und auch von Seiten des knöchernen Skelets keine Kapsel wie bei den Nagern zum Ersatz dieses Knorpels geliefert wird, so ist bei diesem Thier der Jacogson’sche Gang an seinem oberen und lateralen Um- fange, abgesehen vom vorderen Ende, das im For. incis. steckt, ohne jede feste Bedeckung. Vorn liegt es mit der medialen Seite dem Gaumenfortsatz des Zwischenkiefers an (Taf. XXIV, Fig.26); weiter hinten | Ueber das Jacobson'sche Organ des Menschen und der Säugethiere, 565 liegt er in dem Winkel zwischen knöcherner Nasenscheidewand und knöchernem Gaumen (Fig. 24, Taf. XXIV). (Welchem Knochen des Kopf- skelets die einzelnen Partieen angehören, lässt sich wegen der weit vorgeschrittenen Verknöcherung der Nähte beim erwachsenen Thier nicht entscheiden). Oben und lateralwärts zieht die Nasenhöhlenschleimhaut in ihrem Verlauf von der Scheidewand zum Boden der Nasenhöhle derart über den JacoBson’schen Gang hinweg, dass sie eine gemein- schaftliche Submucosa mit der Schleimhaut des Ganges zu haben scheint. Bei den Einhufern habe ich die Knorpel nicht näher untersucht. Bei den Altweltsaffen, der Fledermaus und dem Flug- hund (IV. Gruppe), denen ja der JacoBson’sche Gang fehlt, ist der JAcoBsoN’sche Knorpel nicht zur Röhre gebogen, sondern liegt als einfacher, plattlänglicher, bei der Fledermaus mehr rundlicher Streif dem Gaumenfortsatz des Zwischenkiefers an. Hiervon abgesehen, ver- halten sich bei diesen Thieren die Knorpel ebenso wie beim Schaf. Nur ist bei den beiden Altweltsaffen der vordere obere Streif an seinem vorderen Ende nicht mit dem Scheidewandknorpel verschmolzen, während bei der Fledermaus und dem Flughund ein solcher Zu- sammenhang stattfindet. ‘es Von Nagern habe ich nur bei der Ratte die Knorpel genauer untersucht; sie sind bei ihr noch mehr verkiimmert als beim Maul- wurf; nur der vordere obere Knorpelstreif (Taf. 24, Fig. 22 kn) ist vorhanden; derselbe erreicht mit seinem hinteren Ende nicht den vorderen Rand des For. incis.; er hat die Gestalt einer rinnenförmig, mit der Héhlung nach oben, gebogenen Platte; die mediale Wand der Rinne ist hinten bedeutend höher als die laterale; nach vorn zu nimmt sie allmählich an Höhe ab. bis zum Verschwinden; die laterale Wand bleibt sich von hinten nach vorn an Höhe ziemlich gleich; am vor- deren Ende hängt der Knorpel mit dem Scheidewandknorpel zusammen; hinten läuft er in zwei Zacken aus, welche gerade bis an die Mündung des JacoBson’schen Ganges oder etwas darüber hinaus und bis zu der vom Zwischenkiefer gebildeten Knochenkapsel des Jacosson’schen Ganges reichen (Taf. XXIV, Fig. 21 kn). Beim Menschen giebt es wie bei der Ratte nur den vorderen oberen Knorpelstreifen. In einer Serie von Frontalschnitten durch den Kopf eines 4monatlichen Embryos stellte er sich mir dar als eine ziemlich senkrecht gestellte, in sagittaler Richtung längliche Platte mit schwach lateralwärts umgebogenem unteren Rande; er läuft nach hinten in ein spitzes Ende, nach vorn in mehrere Zacken aus. Mit 566 Dr. P. HERZFELD, dem Scheidewandknorpel hängt er vorn nicht zusammen. — Man findet ihn (auch beim Erwachsenen) eine Strecke weit vor der Nasenöffnung des Canalis incis. gerade unterhalb des Ruyscu’schen Ganges, den er nach vorn und hinten etwas überragt, der Crista incisiva seitlich anliegend. In Vorstehendem sind zwar keine wichtigen neuen Thatsachen, sondern nur insofern bisher unbekannte Dinge mitgetheilt, als bei einzelnen Thieren (Affen, Fledermaus, Maulwurf etc.) zufällig die Knorpel noch nicht so genau beschrieben waren; doch unterscheidet sich meine Gesammtdarstellung dadurch wesentlich von den früheren, dass sie von einer anderen Auffassung des JAcoBson’schen Knorpels und seines Verhältnisses zu den anderen Knorpeltheilen beherrscht wird, wie dies aus den folgenden Ausführungen noch des näheren ersichtlich ist. Cuvier!) beschreibt nur die röhrenförmig gebogene Knorpelplatte, welche den JAcoBson schen Gang umhüllt. GRATIOLET ?) bemerkt, dass dieselbe einen Fortsatz ins For. incis. zur theilweisen Umhüllung des Nasengaumenganges entsendet. BALOGH ?) giebt eine genaue und im Wesentlichen richtige Schilderung der Knorpel des Schafes; er be- dient sich dabei leider, wie auch Kreın bemerkt, einer wenig hand- lichen Terminologie; ich hoffe, dass es mir gelungen ist, diesen Fehler zu vermeiden und zugleich durch den Plan meiner Darlegungen eine Uebersicht über die verschiedenen Formen resp. Grade der Ausbildung der Knorpel bei den einzelnen Thieren zu ermöglichen. Von Baron weiche ich bezüglich der thatsächlichen Angaben nur insofern ab, als ich auch beim Schaf die Knorpelkapsel eine Strecke weit ringsum geschlossen gefundeu habe, während er die Spalte an der oberen Wand sich vom vorderen zum hinteren Ende er- strecken lässt. RevuBen Harvey *) hat bei der Maus wie ich bei der Ratte ge- funden, dass der JAcoBsow’sche Gang lediglich von Knochen umhiillt ist, während nach KLEIN ©) beim Meerschweinchen und Kaninchen SESE? vel 1. ee 4) L 5) 1, Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 567 in die gleichfalls vorhandene knöcherne Kapsel sich von vorn her eine knorplige mehr oder weniger weit hineinerstreckt. Da u. A. bei der Ratte der vorhandene Knorpel gar nichts mit dem JAacogson’schen Organ zu thun hat, obgleich letzteres sehr aus- gebildet ist, und andererseits bei verschiedenen Thieren, welche nicht einmal einen JacoBson’schen Gang besitzen, der Knorpel recht ent- wickelt ist und nur anstatt einer Rinne oder Röhre eine einfache Platte darstellt (Altweltsaffen, Fledermaus), so kann ich in dem Knorpel einen wesentlichen und typischen Bestandtheil des Jacopson’schen Organs nicht erblicken; ich sehe in allen den beschriebenen Knorpeln weiter nichts als Reste des knorpligen Nasenskelets, deren Ausdehnung bei den einzelnen Thieren lediglich davon abhängt, wie weit gerade die Verknöcherung vorgeschritten ist. Der Jacogson’sche Gang kann sich sowohl diesem Knorpelrest als ganz knöchernen Theilen anlagern und formt sich meist eine Hülle aus dem betreffenden Skeletgebilde; es kann aber diese Kapselbildung auch ausbleiben (vergl. den Befund beim Maulwurf). Ich habe, zum Theil um der hier dargelegten Anschauungsweise gerecht zu werden, nicht wie die früheren Untersucher vom JAcos- son’schen Knorpel ausgehend die übrigen Knorpelstreifen als seine Anhängsel geschildert, sondern ihn nur als einen unter Umständen be- sonders ausgebildeteten Theil der gesammten Knorpelmasse dargestellt. Dem Gesagten zufolge kann ich die kleine, beim Menschen vorhandene Knorpelplatte nicht wie Cuvier!) als „eine letzte Spur des JacoBson’schen Organs“ ansehen. Die einzige constante, bei allen Säugern wiederkehrende Beziehung zwischen JACOBSON’schem Gang und Skelet ist die Anlagerung des ersteren an den Zwischenkiefer und Vomer; nirgends erhebt sich der Gang über das Niveau des unteren Randes des Nasenscheidewandknorpels. Der Ruyscu’sche Gang hingegen liegt, wie erwähnt, höher oben zur Seite des letztgenannten Knorpels. Wie dies die Vertreter der Ansicht, dass der Ruyscæsche Gang der Jacogson’sche Gang des Menschen sei, erklären, siehe am Schluss dieser Abhandlung. c) Weichtheile. Bei Betrachtung der Weichtheile beschränke ich mich auf eine eingehendere Schilderung ihrer Bestandtheile und Lagerung bei der Del..c 568 Dr. P. HERZFELD, Ratte, weil sie bei diesem Thiere gewissermaassen typisch sind für ein gut ausgebildetes Jacogson’sches Organ, und führe dann die Ab- weichungen bei einigen Thieren mit im Vergleich zur Ratte mangelhaft ausgebildetem Organ an, nämlich beim Maulwurf, dem Maki und dem Löwenäffchen. Auf microscopische Einzelheiten, die nur mit starken Vergrösserungen zu erkennen sind, gehe ich nicht ein, da mir dies für den Zweck der vorliegenden Arbeit unfruchtbar erscheint. Bei der Ratte wird die Knochenkapsel des JAcopson’schen Organs in der Hauptsache von dem Schleimhautrohr des JACOBSON’- schen Ganges, seinen Drüsen und einem sehr weiten venösen Sinus ausgefüllt. Das Schleimhautrohr (Taf. XXTV, Fig. 19 Jg u. Je) liegt zunächst der medialen Wand und nimmt ungefähr die mediale Hälfte des Innenraums der Kapsel ein, in der lateralen Hälfte dieses Raumes liegt oben und unten je ein Längsstreifen von Drüsen; dazwischen zieht sich der venöse Sinus (v) an der lateralen Seite des JACOBSON- schen Ganges entlang. Nach hinten zu verschmelzen die beiden Drüsen- streifen seitlich von dem Sinus in eine zusammenhängende Schicht, welche den Sinus von der lateralen Wand der Knochenkapsel trennt (dr). Am hinteren Ende des Jacopson’schen Ganges ist die Anordnung der Theile etwas anders als die geschilderte (Taf. XXIV, Fig. 20). Das Schleimhautrohr (Jg) liegt hier am Boden der Knochenkapsel; der venöse Sinus, viel weiter als vorn, liegt rings von Drüsen umgeben darüber; eine Strecke hinter dem Jacogson’schen Gange nimmt der venöse Sinus fast allein den ganzen Innenraum der Knochenkapsel ein. Der JAcospson’sche Gang reicht nach hinten nicht ganz so weit wie die Knochenkapsel (Taf. XXIV, Fig. 20); das vordere Ende beider Gebilde liegt fast in einer Frontalebene (Taf. XXIV, Fig. 21). Das Schleimhautrohr gleicht einem seitlich plattgedrückten Schlauche, hat daher ein spaltförmiges Lumen, welches in einer sagit- talen Ebene liegt. An der oberen und unteren Umbiegungsstelle der medialen Wand des Spaltes in die laterale münden in ihn die Aus- führungsgänge der Drüsen des Jacogsow’schen Organs. Nach dem vorderen und hinteren Ende zu nimmt die Höhe des Spaltes allmählich ab. Nach hinten zu erfährt der ganze Schlauch eine schraubenförmige Drehung um seine Längsachse, und zwar auf der rechten Seite rechts-, auf der linken Seite links-schraubig; die Drehung beträgt etwa 1/, einer ganzen Windung, so dass am hinteren Ende die Lumenspalte horizontal steht (Taf. XXIV, Fig.20). Nach dem vorderen Ende zu findet ebenfalls eine leichte Drehung des platten Stranges statt, und zwar Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 569 mit dem oberen Rande medialwärts (Taf. XXVI, Fig. 21). Ganz vorn öffnet sich das spaltförmige Lumen mittelst eines sagittalen Schlitzes nach unten und lateralwärts hin in die Nasenhöhle dicht an deren Boden. Die Schleimhaut des JAcopson’schen Ganges besteht lediglich aus Epithel, wenigstens habe ich eine deutlich abgegrenzte Tunica propria nicht entdecken können. Von der Mündung aus setzt sich geschichtetes Plattenepithel, welches den vorderen Abschnitt des Nasenhöhlenbodens auskleidet, noch eine kurze Strecke weit in den JAcopson’schen Gang, am weitesten an seinem oberen Umfange, fort; es endet scharf begrenzt (Taf. XXIV, Fig. 21 pe). Dahinter gleicht das Epithel der lateralen Wand dem der Regio respiratoria, das der medialen Wand, welches fast viermal so dick ist, dem der Regio olfactoria der Nasenhöhle (Taf. XXIV, Fig. 19 u. 20 Je). Fast in jedem Schnitt der von mir untersuchten Serien sah ich einige Capillargefässe senkrecht in das Epithel der medialen Wand bis dicht unter die Oberfläche aufsteigen; wahrscheinlich gehören diese Capillargefässe sehr schlanken Papillen an. Die Schleimhaut der medialen Wand liegt mit ihrer Aussenseite nicht unmittelbar der Knochenkapsel an, sondern dazwischen schiebt sich eine Schicht, die fast ganz von der Ausbreitung der Olfactorius- äste gebildet wird, welche von oben und hinten her durch den Spalt der Knochenkapsel in dieselbe eintreten und sich an die Schleimhaut der medialen Wand des Jacopson’schen Ganges verästeln. Die Wan- dung des venösen Sinus besteht hauptsächlich aus einer starken Schicht ringförmig angeordneter glatter Muskelfasern ; ebensolche Fasern sind überall zerstreut in dem Bindegewebe, welches den Sinus um- giebt; Zusammenziehung derselben wird eine Verkleinerung des Vo- lumens des Sinus, also Verkleinerung des Inhalts der Knochenkapsel bewirken; hierdurch wird, da die Wandung dieser Kapsel unnachgiebig ist, der Druck in ihrem Innern verringert, und man kann sich vor- stellen, dass auf diese Weise Luft in den Jacopson’schen Gang an- gesogen wird. Es diente demnach das Blut in diesem venösen Sinus, ganz ähnlich wie im eigentlichen cavernösen Gewebe, als blosse Füllungs- masse eines Hohlraumes, welche zeitweilig ausgepresst werden kann und dadurch eine Volumverminderung des betreffenden Theils zulässt. Die Kraft, durch welche diese Auspressung bewirkt wird, ist nicht in allen Fällen gleichartig. Während sie in unserem Falle auf activer Zusammenziehung der musculösen Wandung des Sinus beruht, wird bekanntlich das Schwellgewebe der Harnröhre, welches im blutgefüllten 570 Dr. P. HERZFELD, Zustande das Lumen derselben vollständig verlegt, beim Uriniren ganz passiv durch den Druck des Harnstrahls entleert. Beim Maulwurf, dem Maki und dem Löwenäffchen ist das Lumen des Jacopson’schen Ganges nicht spaltförmig, sondern im Allgemeinen cylindrisch, stellenweise auch prismatisch. Der scharfe Gegensatz zwischen dem Sinnesepithel der medialen und dem respi- ratorischen Epithel der lateralen Wand, der bei der Ratte so augen- fällig ist, fehlt bei diesen Thieren ; bei ibnen wird der Canal ringsum von einem Epithel ausgekleidet, welches an Dicke in der Mitte steht zwischen den beiden Epithelarten bei der Ratte (Taf. XXIV, Fig. 24 u. 26 Je). Der Gang ist zwar von einigen Venen begleitet; doch sind die- selben unbedeutend im Vergleich zu dem venösen Sinus bei der Ratte. Die Drüsen sind beim Maulwurf fast längs des ganzen Ganges spärlich, am hinteren Ende jedoch in colossaler Menge angehäuft (Taf. XXIV, Fig. 25 dr); sie bilden einen dicken Wulst, der sich in der fortgesetzten Richtung des Jacopson’schen Ganges am hinteren freien Rande der Nasenscheidewand hinzieht. Das hintere Ende des genannten Ganges, welches in dieser Drüsenmasse steckt, stellt den Hauptausführungsgang derselben dar (Taf. XXIV, Fig. 25 Jg). Vorstehende Schilderung der Weichtheile des JacoBson’schen Organs stimmt in allen wesentlichen Punkten mit dem überein, was von früheren Untersuchern bei anderen Thieren gefunden worden ist. Eine eingehendere Vergleichung der verschiedenen Befunde scheint mir wenig versprechend, und ich verweise daher wegen aller Einzel- heiten auf die oben citirten Originalarbeiten. Schlussbemerkungen. Meine Untersuchungen haben nicht zu einer Beantwortung der Fragen geführt, in Hinsicht auf welche sie unternommen waren, näm- lich der Frage nach der Function des JAcoBson’schen Organs und derjenigen nach der Bedeutung des Ruyscn’schen Ganges; dass ich dieselben trotzdem zur Veröffentlichung bringe, geschieht theils, weil ich in der Lage war, einzelne, wie ich glaube, wissenswerthe neue Thatsachen mitzutheilen (wie z. B. das Fehlen des JAcogson’schen Ganges bei einer Fledermaus, das Vorhandensein desselben bei Hapale), theils weil mir eine Anregung zur Beschäftigung mit dem JACOBSON- schen Organ in Form einer möglichst verschiedenartige Säugethiere umfassenden, auf eigenen Untersuchungen beruhenden, übersichtlichen Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 571 Behandlung des in Rede stehenden Themas keineswegs überflüssig erschien. Was die erste der obigen Fragen betrifft, so bin ich nicht einmal in der Lage, zur Ermittelung der Function des JAcogson’schen Organs irgend welchen Vorschlag machen zu können, dessen Zweck- mässigkeit und Ausführbarkeit einleuchtend wäre. Anders indessen scheint mir die Sache bei der Frage nach der Bedeutung des Ruyscu’schen Ganges zu liegen; hier, glaube ich, muss und wird die vergleichende Entwicklungsgeschichte voll- ständige Aufklärung bringen. Da ich selbst bisher nur vereinzelte Beobachtungen auf diesem Gebiete gemacht habe, so will ich der Vollständigkeit halber das Wichtigste davon an der Hand früherer Arbeiten darzulegen versuchen. Dursy !) und KÖLLIKER ?) suchen es wahrscheinlich zu machen, dass der Gang an der Nasenscheidewand des Menschen, welchen ich Ruyscu’schen Gang genannt habe, dem Jacogson’schen Gang der Säuger entspreche. Beide haben u. A. menschliche Embryonen unter- sucht, Dursy von 8—20 cm Länge, KÖLLIKER vom 4. Monat an auf- wärts. Zwischen ihren Befunden und den meinigen herrscht vollkommene Uebereinstimmung; es sind demnach bei älteren menschlichen Em- bryonen dieselben Unterschiede des Ruyscn’schen Ganges vom JAcoB- son’schen Gange der Säuger vorhanden wie beim Erwachsenen; so vor allem liegt der Ruyscæsche Gang auch bei diesen Embryonen höher an der Nasenscheidewand zur Seite des Scheidewandknorpels, während bei allen Säugethieren der Jacogson’sche Gang sich eng an den Zwischenkiefer anschmiegt und in keinem Falle sich über den unteren Rand des Scheidewandknorpels erhebt. Nach FLEISCHER *) findet sich bei sehr jungen menschlichen Embryonen in der Mitte des Stirnfortsatzes ein vom Epithel der Nasenhöhle ausgekleidetes Divertikel von derselben Gestalt und Grösse, wie es von Dursy und FLEISCHER bei Rinds- und Schweinsembryonen beobachtet worden ist. Beim Menschen sowohl wie bei den Thieren soll sich dies Diver- tikel zu einem sagittal verlaufenden Gange, dem Jacogson’schen Gange, abschliessen; bei den Thieren soll derselbe später an den Boden der © ND = KEN u — — mu tm © © © 572 Dr. P. HERZFELD, Nasenhöhle gelangen, beim Menschen seine höhere Lage am Septum beibehalten. Falls der Ruyscu’sche Gang des Menschen in der That aus dem von FLEISCHER beobachteten Divertikel hervorgeht, so scheint mir der Beweis erbracht, dass der genannte Gang der Jacopson’sche Gang des Menschen ist. Wünschenswerth ist es freilich, dass zur Sicherung dieses Beweises noch Zwischenstufen zu unserer Kenntniss gelangen. Auch wäre noch genauer festzustellen, ob der JAcopson’sche Gang der Säugethiere nach Art einer Drüse als blindsackige Einstülpung von der Stelle der Mündung aus wächst, oder ob er aus einer Furche entsteht, die sich nach Art der Rückenrinne zur Röhre schliesst — FLEISCHER’s Darstellung (I. c., p. 3 u. 4) spricht wohl für letzteres — und es wäre zu untersuchen, ob der Ruyscæsche Gang in der Art und Weise der Entstehung mit dem JAacogson’schen Gang der Säuger übereinstimmt. Für die Deutung des RuyscH’schen Ganges als Ueberbleibsel einer Drüse scheinen mir die vorliegenden Beobachtungen nur geringe An- haltspunkte zu gewähren. Figurenerklärung. In vielen Figuren wiederkehrende Bezeichnungen: nh Nasenhôhle Jg == Jacozson’scher Gang ng == Nasengaumengang s == Nasenscheidewandknorpel z — Zwischenkiefer sg == Gaumenfortsatz des Zwischenkiefers. Tafel XXIII. Fig. 1 u. 2. Sagittalschnitte der Nasenhöhle eines Schafes, Fig. 1 links, Fig. 2 rechts neben der Scheidewand. Der Nasengaumengang seitlich eröffnet. | Fig. 1. X == Sonde in der Mündung des Jacosson schen Ganges, Fig. 2. Der Jacosson’sche Gang seitlich aufgeschlitzt, Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. His 8 u. Fig. 8. Fig 9: Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen und der Säugethiere. 573 Medianschnitt der Nasenscheidewand, rechte Hälfte. Knochen und Knorpel der Scheidewand sind entfernt. ss — Schleimhaut der Nasenscheidewand von ihrer inneren Seite aus gesehen. o == Olfactoriusäste zum JacoBson’schen Organe tJ = Trigeminusäste ‚, a % Is = 5 zur Schleimhaut der Nasenscheidewand Jk == Jacosson’schen Knorpel. Ruysca’scher Gang des Menschen. X == Sonde in der Mündung desselben, Untere Fläche des harten Gaumens der Fledermaus. fi = Spalte zwischen den Zwischenkiefern. Desgl. von Pteropus edwarsi ie — Kor mes! Vorderer Theil des harten Gaumens vom Schaf. Untere Fläche, fi = For. incis. fu = Furche für das Jacozson’sche Organ ok — Oberkiefer z0 Oberkieferfortsatz des Zwischenkiefers. 9. Knorpel des vorderen Gaumens vom Schaf mit einem Stück (s) des Nasenscheidewandknorpels. Ansicht von der rechten Seite. » » ‚ unten her. vo — vorderer oberer Knorpelstreif I == 5 unterer s hl == hinterer lateraler ee hm = » medialer , == Jacosson’scher Knorpel. In Fig. 9 ist rechts (in der Abbildung unten) der hintere laterale Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Streifen etwas zur Seite gebogen, um den sonst durch ihn z. Th. verdeckten Uebergang des vorderen unteren in den hinteren medialen Streifen zu zeigen. 10—15. Uebersicht des Verhaltens des JacoBson’schen Ganges und Nasengaumenganges bei den von mir untersuchten Thieren. Der Verlauf des JAcoBson’schen Ganges ist durch die punk- tirten Linien angedeutet. Tafel XXIV. 16—18. Gaumenknorpel von Lemur macaco auf Frontalschnitten des 16. ji 18. Kopfes. Rechte Hälfte von vorn gesehen. Vor dem For. incis. Durch den Kreuzungspunkt der Knorpelstreifen im For. incis. Hinter dem Kreuzungspunkt. vo = vorderer oberer Knorpelstreif vu = 5 unterer 55 Al = hinterer lateraler A hm = 2e medialer a 574 Dr. P. HERZFELD, Ueber das Jacobson’sche Organ des Menschen etc. Fig. 19 u. 20. Aus Frontalschnitten des Kopfes der Ratte. Fig. 19. Mittlerer Theil des Jacosson’schen Ganges. Fig. 20. Hinteres Ende „, mp == mediales Plättchen der Knochenkapsel des Jacogson’chen Organs lp = laterales ” ” ” ” ” Organs dr = Driisen -vv == Venen Je = Epithel des Jacosson’schen Ganges. vo == Vomer o == Olfactoriusäste des JAcoBson’schen Organs. Fig. 21 u. 22. Aus Frontalschnitten der Kopfes der Ratte. Kn = vor dem Jacopson’schen Gang gelegener Knorpel ace Gaumens. Fig. 21. Vorderes Ende des Jacopson’schen Ganges. pe == Pflasterepithel zunächst der Mündung desselben vv — Venen. Fig. 22. Schnitt vor dem Jacogson’schen Gange. Fig. 23. Aus einem Frontalschnitt durch den Kopf eines Schweinsembryos von ungefähr 10 cm Länge; mittlerer Theil des Jacosson’schen Ganges. Je — Reste des Epithels des Jacozson’schen Ganges hl = hinterer lateraler I — » medialer Knorpelstreif —=Jacogson’scher Knorpel. Fig. 24—26. Aus Frontalschnitten eines Maulwurfkopfes. Fig. 24. Mittlerer Theil des Jacosson’schen Ganges. Fig. 25. Hinteres Ende „ re 2 Fig. 26. Hinteres Ende des For. incisiv. Je == Epithel des Jacogson’schen Ganges np == Nervus nasopalatinus dr — Drüsen in Fig. 25 Kn == hinteres Ende des im For. incis. steckenden Gaumen- knorpels in Fig. 26. Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. Von Weismann und Ischikawa, Freiburg i. Br. Hierzu Tafel XXV--XXVIIL Einleitung. Vorliegende Untersuchungen bilden die Fortsetzung der von uns im Jahr 1887 veröffentlichten Arbeit „Ueber die Bildung der Richtungs- körper bei thierischen Eiern“ :). Während dort der Schwerpunkt der Untersuchung auf die Feststellung der Thatsache gerichtet war, dass bei parthenogenetischen Eiern nur ein Richtungskörper gebildet, also die Kernsubstanz des Eies nur einmal halbirt wird, ist er hier im Gegentheil hauptsächlich darauf gerichtet, nachzuweisen, dass bei be- fruchtungsbedürftigen Eiern stets eine zweimalige Halbirung der Kern- substanz stattfindet und zwei Richtungskörper gebildet werden. In unserer eben citirten ersten Schrift konnte zwar schon nach den Untersuchungen Anderer eine ansehnliche Liste von Arten ausge- führt werden, deren befruchtungsbedürftige Eier zwei Richtungskörper bilden, und zwar aus zahlreichen niedern und höheren Gruppen des Thierreichs, aber es mussten doch noch grosse Lücken gelassen werden in dem Nachweis, dass es sich hier um eine gesetzmässige Er- scheinung von allgemeiner Gültigkeit handle. Diese Lücken nach Mög- lichkeit auszufüllen, ist die Aufgabe der vorliegenden Schrift, in welcher 1) Sonder-Abdruck aus den „Berichten der Naturforschenden Gesell- schaft zu Freiburg 1. Br.“ Bd. 3. Freiburg i. Br. 1887. Zool. Jahrb, III, Abth. f, Morph, 38 576 WEISMANN und ISCHIKAWA, übrigens ausser eignen Untersuchungen auch alles zusammengetragen worden ist, was uns an neuen Thatsachen von Seiten andrer Beob- achter inzwischen bekannt geworden ist. Wir selbst waren vor allem bemüht, die Reifungserscheinungen des Eies auf dem Gebiet der Crustaceen-Klasse klar zu legen. Eines- theils deshalb, weil hier ausser unsern früheren Beobachtungen über die parthenogenetischen Eier der Daphniden und Ostracoden nur äusserst wenig bekannt war, und andrerseits, weil wir hier in der Lage waren, bei denselben, oder doch bei nahe verwandten Arten die Richtungs- körperbildung an parthenogenetischen und an befruchtungsbedürftigen Eiern einander gegenüberzustellen. Wir sind nicht mit der Ueberzeugung an die Untersuchung ge- gangen, dass das von dem Einen von uns aufgestellte ,Zahlenge- setz der Richtungskörper“!) ausnahmslose Gültigkeit haben müsse, dass überall parthenogenetische Eier nur einen, befruchtungs- bedürftige aber zwei Richtungskörper bilden müssen, es schien uns vielmehr denkbar, dass Ausnahmen davon vorkommen könnten, -d. h. dass das Wesentliche des Vorgangs, die Regelung der Kernsub- stanz des Eies nach Masse und Beschaffenheit, auch einmal unter einer andern Form vor sich gehen könne als der der Richtungskörper- Bildung. Wir waren gefasst darauf, auch einmal bei befruchtungs- bedürftigen Eiern nur ein primäres Richtungskörperchen sich bilden zu sehen, allein bis jetzt sind wir einer Ausnahme vom Gesetz nicht begegnet. Von unsern theoretischen Vorstellungen aus wären nach zwei Richtungen hin solche Ausnahmen von der Regel denkbar gewesen. Es hätte bei befruchtungsbedürftigen Eiern nur ein Richtungskörper vorkommen können, und zwar entweder nur der zweite, oder nur der erste. Niemand kann voraussagen, ob es nicht irgendwo Eier von so einfachem Bau und so wenig specifisch histologischer Ausprägung giebt, dass sie ein besonderes histogenes Idioplasma nicht bedürfen und deshalb auch den Kerntheil nicht auszustossen brauchen, der dieses Idioplasma enthält: den Kern des ersten Richtungskörpers. Aber auch das Unterbleiben der Bildung des zweiten Richtungs- körpers wäre denkbar gewesen, sobald die Reductionstheilung des Kerns, auf welche nach unsrer Vorstellung die zweite Theilung des Eikerns abzielt, nicht mit einer ungleichen, sondern ausnahmsweise einmal mit einer gleichen Theilung des Zellkörpers einhergegangen 1) Wetsmann, „Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung.“ Jena 1887. Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 577 wäre. Bei Cirripedien (Lepas und Peltogaster) glaubten wir in der That eine Zeit lang, einen solchen Fall vor uns zu haben, da es uns zuerst nicht gelingen wollte, ein zweites Richtungskörperchen nachzu- weisen, und da die Kleinheit der Eier und ihre eigenthümliche Ent- stehungs- und Vermehrungsweise einen solchen Sachverhalt als mög- lich erscheinen liess. Allein es zeigte sich dann doch, dass auch hier ein zweiter primärer Richtungskörper gebildet wird, so dass wir bis jetzt irgend eine Ausnahme vom Zahlengesetz der Richtungskörper an- zuführen ausser Stand sind. Die Embryogenese im eigentlichen Sinn konnte natürlich in diese Untersuchungen nicht hereingezogen werden, dagegen haben wir, wenn möglich, die Copulation der beiden Geschlechtskerne noch zu beob- achten gesucht und können darüber einige neue Angaben machen. Was die Methoden betrifit, deren wir uns zur Untersuchung bedienten, so konnte die Beobachtung an ganzen Eiern, die in Subli- mat-Alkohol getödtet und dann mit Methylgrün gefärbt worden waren, hier nur selten Anwendung finden. So vortreffliche Dienste uns diese Methode auch bei den Sommereiern mancher Daphniden und Räder- thiere geleistet hat, so reicht sie doch bei grösseren und undurch- sichtigen Eiern nicht aus. Wir griffen hier zu derselben Methode, die wir schon früher bei den parthenogenetischen Eiern der Ostra- coden angewandt hatten: Tödten in heissem Alkohol, dem etwas Sublimat beigesetzt ist, Härten und Zerlegen in Schnittserien. Die Färbung wurde dann entweder mit Picrocarmin und Hämatoxylin, oder nur mit Hämatoxylin bewerkstelligt. Die achromatischen Ele- mente der Kernspindeln treten dabei allerdings nicht oder nur schwach hervor, um so deutlicher und schärfer aber die chromatischen. Da es bei unserer Untersuchung nicht auf ein Studium der Karyokinese als solcher ankam, sondern in erster Linie nur auf die Durchführung des Zahlengesetzes der Richtungskörper, so genügte diese Färbungs- Methode vollkommen. Die meisten der untersuchten Arten würden auch für den ersteren Zweck wenig geeignet gewesen sein, theils der Kleinheit der Chromatin-Elemente, theils der Masse und Beschaffenheit der Dotter-Elemente halber. Wir werden nun in Folgendem eine ausführliche Darstellung der Richtungskörper-Bildung bei befruchtungsbedürftigen Eiern verschie- dener Crustaceen-Ordnungen und einer Gallwespe geben, sowie auch den Vorgang bei den parthenogenetischen Eiern von Artemia salina beschreiben. Unsere zahlreichen Beobachtungen über die Dauereier der Daphniden dagegen sollen hier nur in kurzer Zusammenfassung | 38* 578 WEISMANN und ISCHIKAWA, so weit mitgetheilt werden, als es nöthig ist, um zu einem Ueberblick über alle bis heute gefundenen Thatsachen über die Richtungskörper- Bildung gelangen zu können. Wir verschieben eine eingehende Dar- stellung der Reifungs- nnd Befruchtungs-Vorgänge bei den Daphniden aus dem Grund auf eine weitere, später nachfolgende Abhandlung, weil sich in dieser Thiergruppe dabei auffallende Vorgänge gezeigt haben, die mit dem Zahlengesetz der Richtungskörper nicht direct zusammenhängen und die wir gern zu gesonderter Darstellung bringen möchten. Es sind dies die Vorgänge, welche wir zuerst als „partielle Befruchtung“ gedeutet haben, für welche aber besser eine andere Be- zeichnung zu wählen sein wird, wie die auch jetzt noch nicht ganz abgeschlossene Weiterführung der Untersuchungen gelehrt hat. I. Specieller Theil. 1. Die Dauereier der Daphniden. Unsere Untersuchungen beziehen sich auf sechs Arten, zwei Poly- phemiden und vier Daphninen, nämlich auf Bythotrephes longimanus, Polyphemus oculus, Daphnia pulex, Daphnia longispina, Moina recti- rostrisund Moina paradoxa. Bei allen diesen Arten sind die Dauereier undurchsichtig und wurden deshalb auf Schnittserien untersucht, bei allen verläuft der Reifungsprocess des Eies ganz ähnlich. Im Ovarium bereits wandelt sich das Keimbläschen zur ersten Richtungsspindel um, aber erst im Brutraum, und nachdem bereits die Samenzelle eingedrungen und die Bildung der Dotterhaut begonnen hat, schnürt sich die erste Richtungszelle an der Oberfläche des Eies ab. Es folgt dann die Bildung der zweiten Richtungsspindel und die Abtrennung des zweiten Richtungskörpers, der nahe dem ersten dicht unter die Eischale sich lagert, eingesenkt in den Eikörper. Eine secundäre Theilung des ersten Richtungskörpers, wie sie bei den parthenogene- tischen Eiern regelmässig erfolgt, haben wir hier nicht beobachtet. 2. Die parthenogenetischen Eier von Artemia salina. Schlamm aus den Salzsümpfen bei Marseille, den wir der Güte des Herrn Marion verdanken, lieferte uns das Material zu diesem Theil unsrer Untersuchung. Derselbe wurde am 14. Juni 1887 mit süssem Wasser übergossen, und es entwickelten sich schon bald einige Artemien aus ihm, obwohl derselbe 9 Jahre lang völlig trocken auf- bewahrt worden war. Schon am 11. Juli waren sechs Weibchen nahe- Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 579 zu erwachsen und trugen Eier im Uterus. Es ist schon seit den Unter- suchungen JorLy’s bekannt !), dass die Marseiller Colonie von Artemia, wenn nicht ausschliesslich, so doch vorwiegend aus Weibchen besteht. JoLy konnte unter 3000 untersuchten Thieren kein Männchen ent- decken und schloss daraus, dass entweder die Thiere Zwitter seien, oder dass, wenn Männchen dennoch existiren sollten, eine einzige Be- fruchtung für mehrere aufeinanderfolgende Generationen ausreiche (1840). Im Jahre 1873 beobachteten dann Cart Voar und v. SIEBOLD 2) Artemien aus Salzlachen derselben Küste, und auch sie konnten nur Weibchen auffinden, so dass der letztgenannte Forscher mit vollem Recht ihre Fortpflanzungsweise als Parthenogenese in Anspruch nahm. Auch wir erhielten aus dem Marseiller Schlamm fast ausschliesslich Weibchen, welche sich parthenogenetisch fortpflanzten, und zwar zuerst durch Subitaneier, d. h. durch Eier, welche sich sofort und noch im Uterus der Mutter zu Embryonen entwickeln uud dann als Nau- plius-Larven von dort ausschwärmen. An diesen Eiern sind die nach- folgenden Untersuchungen angestellt. Dass sie sich parthenogenetisch entwickelten, wurden dadurch gesichert, dass die Thiere, die zur Unter- suchung benutzt werden sollten, schon vor ihrer Reife in besondern Behältern isolirt wurden. Am 14. Juni war der trockene Schlamm mit Wasser angesetzt worden, am 20. Juli gebar zum ersten Mal eines der Weibchen Junge, und zur selben Zeit fand sich unter den Weibchen ein halbwüchsiges Männchen von 7 mm Körperlänge mit grossen Greifzangen am Kopf vor. Es blieb indessen das einzige, und auch in den späteren Generationen trat keines wieder auf. Immerhin be- weist es, dass in der Marseiller Artemia-Colonie die Fähigkeit, Männ- chen hervorzubringen, nicht gänzlich erloschen, wenn auch vielleicht auf die erste (Generation des Jahres beschränkt ist. Es wäre nicht ohne Interesse, wenn darüber an Ort und Stelle genauere Beobachtungen angestellt werden könnten. Unser einziges Männchen machte zuerst am 24. Juli Begattungs- versuche an einem Weibchen, welches rothbraune Dauereier im Uterus trug; doch vergeblich, das Weibchen suchte es abzuschütteln und liess sich nicht zur Begattung herbei. Auch später kam es — soweit unsre Beobachtung es controliren konnte — niemals zur Begattung, obwohl 1) Jorx, „Histoire d’un petit Crustacé (l’Artemia salina)“ ete., in: Annales des Sciences Nat., T. 13, 1840, p. 251. 2) SIEBOLD, „Ueber Parthenogenesis der Artemia salina“, in: Sitz.-Ber. d. k. bayr. Akad, d. Wiss. v. 7. Juni 1873, 580 WEISMANN und ISCHIKAWA, das Männchen bis zum 20. October, also vier Monate lebte, und auch dann, als wir es tödteten, noch munter umherschwamm. In der letzten Zeit machte es keine Begattungsversuche mehr. Die Eier, auf welche sich unsere Beobachtungen über Bildung des Richtungskörpers beziehen, stammten alle von isolirten Weibchen her und waren Subitan-Eier. Solche Eier sind ziemlich gross und be- stehen fast ganz aus einem feinkörnigen Dotter von grünlichblauer Farbe. Eine sehr dünne Schicht von Protoplasma überzieht die Dotter- kugel auf der Oberfläche, und im reifenden Eierstocks-Ei steigt das grosse Keimbläschen an die Oberfläche (Fig. 1) und liegt unmittelbar unter dieser Rindenschicht. Um diese Zeit erkennt man eine grosse Zahl von Chromatin-Körnern, zwischen 30 und 40 etwa, die an einem nicht färbbaren hellen Faden zu einer mehrfach verschlungenen Schnur aufgereiht zu sein scheinen (Taf. XXV, Fig. 1 A). Etwas später, unmittel- bar nachdem das Ei in den Uterus übergetreten ist, findet man sie dann ganz regelmässig angeordnet in der Aequatorial-Ebene der Richtungs- spindel liegen, deren achromatische Fasern bereits zu erkennen sind (Fig. 2). Die Spindel bildet sich innerhalb des Contours des Keimbläschens und liegt zuerst tangential zur Eioberfläche, während schon die zu Stäbchen ausgewachsenen Chromatinkörner anfangen sich der Quere nach zu theilen. Die ganze Spindel macht dann eine Drehung um 90°, so dass jetzt die Spindelachse senkrecht zur Ei- oberfläche steht, und die äussere Hälfte der Spindel wird dabei ganz kurz, gewissermaassen niedergedrückt (Fig. 3). Sodann erfolgt die Los- trennung des einen Richtungskörpers, der hier, wie bei allen bisher darauf untersuchten parthenogenetischen Eiern, auch der einzige bleibt. Der Vorgang der Abtrennung selbst lässt sich natürlich auf Schnitten nicht verfolgen, aber wohl gelang es uns, den ziemlich grossen und zuerst fast kugeligen Richtungskörper unmittelbar nach vollendeter Abschnürung nachzuweisen (Fig. 4 Rk). Derselbe verhält sich etwas anders als bei den Daphniden, insofern er ganz aus dem Eikörper heraustritt, so also wie bei den meisten andern Thieren, und nun frei zwischen dem Ei und der gleichzeitig gebildeten zarten Dotterhaut liegt. An demselben Ei, welches in einem Schnitt das Richtungs- körperchen aufwies, erkannte man an einem der folgenden Schnitte die zum Eikern umgewandelte innere Hälfte der Richtungsspindel, auch kugelig von Gestalt und schon etwas in die Tiefe der Dotterkugel ein- gesunken, ohne sichtbaren Protoplasmahof (Fig. 4 Eik). Dieser Kern spielt nun die Rolle des Furchungskerns, bildet sich zur Furchungs- spindel um, und in Fig. 5 sehen wir bereits die durch Theilung aus Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 581 ihm entstandenen zwei ersten Furchungskerne, mit deren Trennung sich das ganze Ei gleichzeitig in die zwei ersten Furchungskugeln ge- spalten hat. Das Richtungskörperchen liegt etwas abgeflacht in der Nähe des einen — vermuthlich des animalen — Eipols (Rf). Weiter haben wir die Entwicklung nicht verfolgt; das Beobachtete genügt, um sicher zu stellen, dass bei den parthenogenetisch sich ent- wickelnden Eiern von Artemia nur ein primärer Richtungskörper ge- bildet wird. Ob derselbe sich später etwa in zwei secundäre Körper spaltet, ist uns unbekannt geblieben. 3. Branchipus. GRUBE war es, der die Gattung Branchipus in zwei Gattungen spaltete, in Artemia und Branchipus sensu strictiore. Diese Unter- scheidung mag in systematischer Hinsicht ganz gerechtfertigt sein, insofern trotz der geringfügigen Unterschiede zwischen beiden Formen- kreisen doch jeder wieder aus einer Anzahl verschiedener Arten be- steht. Dass aber diese Gattungs-Unterschiede — hauptsächlich Vor- handensein oder mehr oder weniger vollständige Verkümmerung der Schwanzgabel und Zusammenziehung des 8. und 9. Abdominalsegmentes in eines — sehr geringe und schwankende sind, geht schon aus den vielbesprochenen Beobachtungen und Versuchungen von SCHMANKEWICH 1) hervor, der bekanntlich durch Veränderung des Salzgehaltes des Wassers die Artemia-Form nahezu in eine Branchipus-Form umwandeln konnte. Wir heben dies deshalb hier hervor, weil unsere hier folgenden Beobachtungen über die Zahl der Richtungskörper bei Branchipus dadurch insofern eine erhöhte Bedeutung erlangen, als sie, mit denen von Artemia zusammengehalten, gewissermaassen die beiderlei Eier einer und derselben Gattung darstellen, Branchipus die befruchtungsbe- dürftigen, Artemia aber die parthenogenetischen. Gern hätten wir die befruchtungsbedürftigen Eier von Artemia untersucht, allein es war uns nicht möglich, derselben habhaft zu werden, da der ungewöhn- lich kalte Winter von 1887 auf 88 unsern Plan, die von LEYDIG seiner Zeit entdeckte geschlechtliche Colonie von Artemia bei Cagliari auf Sardinien in den Kreis unserer Untersuchungen zu ziehen, vereitelte. Die Thiere erschienen nicht in diesem Winter. 1) „Ueber das Verhältniss der Artemia salina ete.“, in: Zeitschr, f, wiss, Zool., Suppl. zu Bd, 25, 1875. 582 WEISMANN und ISCHIKAWA, Die Eier von Branchipus sind bekanntlich kugelig und werden bei ihrem Eintritt in den Uterus befruchtet, worauf sich dann sofort die Dotterhaut um sie bildet, und bald auch die dicke und harte Schale, deren Substanz von den Uterindrüsen geliefert wird. Wenn man deshalb ein Thier tödtet, unmittelbar nachdem Eier in den Uterus übergetreten sind, kann man sicher sein, die Bildung der Richtungskörper und Einiges vom Befruchtungsvorgang zu sehen. Wir haben den ersteren Vorgang hier nicht so ausführlich verfolgt wie bei andern Arten, die gegebenen Abbildungen einiger Schnitte werden indessen genügen, um zu beweisen, dass hier zwei primäre Rich- tungskörper gebildet werden. Fig. 13, Taf. XXV stellt einen Schnitt durch ein Ei vor, welches in der ersten Theilung begriffen ist; die beiden Furchungskerne hängen noch zusammen, aber die Furche zwischen den Zellkörpern hat bereits einzuschneiden begonnen, und in ihr liegen drei Richtungskörper (R%k 1 und 2), welche also die Bildung von zwei primären Körpern beweisen, deren erster sich nachträglich, und zwar sehr früh schon getheilt hat (Fig. 13 A). Fig. 12 zeigt die Copulation der Geschlechtskerne im Centrum des Eies. Die Verschmelzung derselben hat noch nicht stattgefunden, beide Kerne besitzen noch Bläschenform, liegen aber dicht an einander, in ihrem Innern unregelmässig vertheilt eine grössere Zahl von Chro- matin-Körnchen. 4. Estheria. Die Eier von Estheria cycladoides sind für unsere Studien weniger geeignet, als man erwarten konnte. Sie sind relativ sehr klein, und ihr feinkörniger Dotter überwiegt so sehr gegen das Protoplasma und gegen die ungemein kleinen Kerngebilde, dass es recht schwer hält, die letzteren überhaupt aufzufinden. Wir haben es daher trotz der Leichtigkeit, mit der man die Thiere züchten, die Reifung der Eier verfolgen und den Moment ihres Austritts in den Brutraum, sowie die Begattung beobachten kann, doch wieder aufgegeben, an diesem Ob- jecte die Vorgänge der Eireifung und Copulation ausführlich und im Einzelnen zu verfolgen. Doch haben wir wenigstens das Hauptsäch- lichste davon gesehen und feststellen können, dass zwei primäre Richtungskörper auch hier gebildet werden. Fig. 27 u. 27A, Taf. XX VII zeigten dieselben dicht neben einander auf der Oberfläche des Eies liegend und scheinbar nur aus jeeinem Kern bestehend. Die geringe Menge von Protoplasma, welche dieselben ohne Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 583 Zweifel auch hier umgiebt, ist nur als dunkler Contour sichtbar. Ebenso schien sie auch bei den beiden Geschlechtskernen sehr gering zu sein, welche in diesem Falle ihre Vereinigung nicht im Mittelpunkte des Eies, sondern ziemlich nahe unter den Richtungskörpern vollzogen (Fig. 27 Eik + Spk und Fig. 27 B). 5. Eupagurus prideauxii. Das Material zu unseren Untersuchungen erhielten wir auf der Zoologischen Station zu Neapel in reichlicher Menge und in frischem Zustand. Die Krebse wurden sofort nach Empfang auf junge Stadien ihrer Eier durchgesehen, und wo sich solche fanden, wurden dieselben vom Thier abgelöst und nach der oben angegebenen Methode mit heissem Sublimatalkohol getödtet, gehärtet und in Schnittserien zer- legt. Die Thiere in Gefangenschaft legen zu lassen, glückte nur selten und ist auch entbehrlich, da man auf die beschriebene Weise eine grosse Zahl Eier der jüngsten Stadien erhalten kann, zumal die Hunderte von Eiern, welche das einzelne Thier mit sich herumträgt, nahezu auf dem gleichen Stadium sich befinden. Wir konnten sowohl die Erscheinungen der Eireifung, als die der Befruchtung auf zahl- reichen Schnitten studiren. | Die jüngsten der bereits abgelegten Eier zeigten an einem Punkt der Oberfläche das zur ersten Richtungsspindel umgewandelte Keim- bläschen, noch tangential gelagert (Taf. XXVI, Fig. 14), wie die Stellung der Aequatorialplatte erkennen lässt. Bei etwas älteren Eiern hat sich dann die Spindel gedreht und steht nun in radialer Richtung (Taf XX VIE Fig. 15 Rsp 2). Die Aequatorialplatte scheint 12 Chromatin -Elemente zu ent- halten, deren Spaltung in der Querrichtung !) in Fig. 15 deutlich zu sehen ist, wie in Fig. 16 ihr Auseinanderrücken an die Pole der Spindel. Auf letzterer Figur ist die Zahl der Elemente geringer an- gegeben, was indessen wohl kaum der Wirklichkeit entspricht und auf Zufälligkeiten des Präparates beruhen mag. Auf Fig. 18 ist die 1) Wenn in dieser Abhandlung wiederholt von einer „Quer“-Theilung der Chromatin-Elemente der Aequatorialplatte gesprochen wird, so steht dies nur scheinbar in Widerspruch mit der sonst allgemein angenommenen „Längsspaltung‘ dieser Elemente. Die Spaltung erfolgt eben in der Aequa- torialebene, und es hängt von der Form der Elemente selbst ab, ob man sie als Quer- oder als Längstheilung bezeichnen muss, Hier z. B. wachsen die sphäroidalen Körner zu Stäbchen aus, welche die Aequatorialebene in ihrer Längsmitte schneidet. 584 WEISMANN und ISCHIKAWA, Trennung des ersten Richtungskörpers beinahe vollendet, welche so- dann in Fig. 19 A und B von der Fläche gesehen dargestellt ist. In demselben Ei war bereits die zweite Richtungsspindel völlig ausge- bildet (Fig. 19-C und D), und auch diese scheint wieder 12 Chromatin- Elemente zu enthalten, die sich der Quere nach theilen. Von Längs- spaltung zu reden, wäre hier nicht zutreffend, da die Elemente rund- liche Körnchen sind, die sich vor der Theilung zu Stäbchen strecken und senkrecht auf der Aequatorialebene stehen, in der auch ihre Theilung erfolgt. Das Eindringen der Spermazelle in’s Ei erfolgt schon etwas früher. In Fig. 20 liegt bereits der Eikern im Mittelpunkt des Eies, umgeben von einem sternförmigen Protoplasma-Körper, dessen Ausläufer zwischen die Dotterkugeln eindringen und mit dem feinen Netz von Protoplasma- Fäden und -Platten zusammenhängen, welches alle Dotterelemente um- spinnt und bis an die Oberfläche des Eies reicht. Dort bildet es dann wieder eine compacte, wenn auch dünne Schicht, die Rinden- schicht des Eies. Eikern und Protoplasma-Mantel desselben kann man trotz dieses Zusammenhangs mit dem erwähnten Protoplasma-Netz doch auch hier als Binnen-Eizelle bezeichnen. Nicht weit von ihr liegt tief im Innern des Dotters der Sperma-Kern (Fig. 20 Spz), ebenfalls von einem Protoplasma-Mantel umhüllt (Fig. 20 A, Spa). Etwas später findet man dann die beiden Kerne im Mittelpunkt des Eies inmitten einer gemeinsamen, sternförmigen Protoplasma- Masse (Fig. 21 F%), und auf der Oberfläche des Eies erkennt man die beiden Richtungskörper (Rk 1 und 2). Die Geschlechtskerne be- finden sich wohl im sog. Knäuelstadium; eine grosse Zahl sphäroider Chromatin - Elemente liegen unregelmässig zerstreut im Innern der bläschenförmigen Kerne, theilweise jedenfalls unter einander verbunden durch blasse Fäden. Eine Verschmelzung der Kerne ist noch nicht eingetreten. Sie erfolgt aber bald, wie aus Taf. XXVII, Fig. 22 und 23 zu ersehen ist. In Fig. 22 hat die Verlöthung der Kerne an einer Stelle bereits begonnen, und die Chromatinkörner mit ihren Ver- bindungsfäden beginnen schon sich gegen diese Stelle hin zu sammeln. In Fig. 23 ist bereits Verschmelzung in grösserer Ausdehnung einge- treten, und die Concentrirung der Chromatin-Elemente gegen die Ver- schmelzungsfläche hin ist noch auffallender. Etwas später findet man dann nur einen grossen Kern im Mittelpunkt des Eies. Auch die Umwandlung des Furchungskernes zur ersten Furchungs- spindel haben wir gesehen und das Auseinanderrücken der Chromatin- Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 585 Stäbchen beobachtet. Die Fig. 23 A und 23 B geben davon eine An- schauung und zeigen, dass die Kernelemente hier sehr zahlreich sind, scheinbar viel zahlreicher als in den Richtungsspindeln. Doch ist eine genaue Zählung nicht ausführbar gewesen. 6. Mysis. Die Untersuchung mariner Crustaceen hatten wir mit einer kleinen Mysis begonnen, die in Schaaren in einigen der Schau - Aquarien der neapolitanischen Station lebt, in der Hoffnung, an ihr ein besonders günstiges, weil stets zu habendes Material zu finden. Diese Hoffnung wurde jedoch dadurch getäucht, dass die Kern- Elemente bei dieser Art sehr klein sind. Wir vertauschten deshalb diesen Podophthalmen bald gegen den viel günstigeren Hupagurus. Doch wurde immerhin so viel festgestellt, wie auf den beiden Schnitten Taf. XXVII, Fig. 25 und 26 zu sehen ist. Der erstere zeigt ein Ei, auf dessen Oberfläche am einen Pol eine Richtungskörper-Masse liegt, in der zwei Kerne deutlich (bei stärkerer Vergrösserung) zu erkennen waren. Dies müssen also die beiden primären Richtungskörper sein, da ein einziger primärer Körper sich niemals so früh schon in secundäre Zellen theilt. Der Eikern (Eik), oder vielmehr die sternförmige Binnen-Eizelle be- findet sich auf dem Weg nach dem Mittelpunkt des Eies, um dort mit der Spermazelle (Spz) zusammenzutreffen, welche von dem den Richtungskörpern entgegengesetzten Pol her ins Ei eingedrungen ist. Man erkennt ihre Bahn und die strahlenförmigen Ausläufer ihres Zellkörpers. Fig. 26 zeigt die Vereinigung der beiden Geschlechts- zellen im Mittelpunkt des Eies; die beiden Kerne liegen noch unver- schmolzen neben einander. 7. Orchestia. An dem ovalen, recht grossen und dotterreichen Ei einer neapoli- tanischen Orchestia-Art fanden wir die Richtungskörper schon fertig auf der Oberfläche des Eies in der Nähe des einen Poles liegen, während im Mittelpunkt des Eies die Copulation der Geschlechtskerne gerade begonnen hatte. Taf. XXVII, Fig. 24 zeigte die Lage der Richtungs- körper; Fig. 24 A lässt bei stärkerer Vergrösserung erkennen, dass es deren drei sind, von denen der eine etwas grösser ist und gesondert liegt, die andern beiden kleiner und dicht beisammen. Die letzteren entsprechen zusammen dem ersten primären Richtungskörper, der ein- zeln liegende dem zweiten primären, Die copulireuden Kerne im Centrum des Eies zeigt Fig. 24 B 586 WEISMANN und ISCHIKAWA, bei stärkerer Vergrösserung, die farblosen Verbindungsfäden der Chro- matin-Körner, welche bei Hupagurus so deutlich waren, konnten hier vermuthlich wegen der Kleinheit des Objectes nicht erkannt werden. 8. Lepas anatina und Balanus. Die Umwandlung des Keimbläschens zur ersten Richtungsspindel geht schon im Eierstock vor sich, wie Taf. XXV, Fig. 6 zeigt, auf welchem die Richtungsspindel bereits gebildet ist, wenn sie auch noch tangential liegt. Später stellt sie sich auch hier radial, wie Fig. 7 zeigt, und der erste Richtungskörper schnürt sich ab, während sich unter ihm die zweite Richtungsspindel bildet (Fig. 8). Das Präparat ist kein Schnitt, sondern es zeigt ein Stückchen der Eioberfläche, auf welcher, eingesenkt in die Eisubstanz, der Richtungskörper liegt, während die zweite Spindel etwas darunter zu denken ist (Rsp 2). Die Ab- schnürung des zweiten Richtungskörpers haben wir nicht beobachtet, dass sie aber erfolgt, kann keinem Zweifel unterliegen, da in Fig. 8 die im Ei zurückgebliebenen Kernelemente bereits wieder zur Aequa- torialplatte einer Spindel angeordnet sind. Bei Balanus hat schon Hork vor längerer Zeit einen Richtungs- körper gesehen, und zwar an den dem Mantelraum entnommenen jungen Eiern. An solchen sieht man in der That stets einen solchen Körper dem einen Eipol aufliegen, aber nur einen, der zweite ist wie bei Lepas nicht ohne Weiteres nachzuweisen, und wir mussten darauf ver- zichten, dies zu thun, da es uns an einer hinreichenden Menge von Material fehlte. In Ovarial- Eiern konnten wir die erste Richtungs- spindel nachweisen, in deren Aequatorialplatte vier Doppel-Chromatin- elemente von Körnerform enthalten sind. 9. Peltogaster paguri. Auch bei diesem Schmarotzer des Eupagurus prideauxii lassen sich die Richtungskörper nur schwer auffinden und es bedurfte vieler vergeblicher Untersuchungen, ehe es uns glückte den Nachweis zweier primärer Richtungskörper hier zu erbringen. Die Umwandlung des Keimbläschens zur ersten Richtungsspindel geht schon im Ovarium vor sich. Färbt man ein reifes Ei mit Methyl- grün, so tritt das umgewandelte Keimbläschen an der Oberfläche des Dotters, eingesenkt in denselben, sehr gut hervor, und man erkennt ausser dem noch persistirenden Nucleolus etwa ein Dutzend ziemlich grosse Chromatin-Körner in der gleichmässig feinkörnigen Masse der Kernsubstanz, von denen häufig — ob immer, können wir nicht bestimmt Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskürper. 587 sagen — je zwei durch einen weniger stark gefärbten Faden verbunden sind (Taf. XXV, Fig. 9). Fig. 10 zeigt ein Ei aus dem Mantelraum, an welchem beide Richtungskörper bereits abgetrennt sind (Fé 1 und 2), während gerade unter ihnen eine Anzahl Chromatin-Körner den Eikern anzeigen. Noch im Stadium der Zweitheilung des Eies finden sich diese beiden pri- mären Richtungskörper am Pol des Eies, ohne dass eine secundäre Theilung des einen von ihnen stattgefunden hätte. 10. Spathegaster tricolor. Die Eier dieser Gallwespe werden im Juli gelegt, und zwar in die Unterfläche zarter Eichenblätter. Man kann die Ablage derselben gut beobachten, wenn man die Thiere in einem hellen Zwinger ausschlüpfen lässt und ihnen frisches Eichenlaub darbietet. Bald nach dem Aus- schlüpfen erfolgt die Begattung, und meist noch am selben Tag be- ginnen die Weibchen in die Blattflächen einzustechen. Die Eier werden einzeln in das Parenchym des Blattes gelegt, aber oft viele ziemlich nahe beisammen, wie man ja auch die daraus erwachsenden linsen- formigen Neuroterus-Gallen in grösserer Zahl, manchmal bis zu über einem Dutzend auf einem und demselben Blatt findet. Wie ADLER zu- erst gezeigt hat, stehen die früher als Arten besonderer Gattungen be- schriebenen Gallwespen: Spathegaster tricolor und Neuroterus fumi- pennis in einem und demselben Generationskreis, die erstere tritt im Sommer auf und ist die Geschlechtsform, die letztere erscheint im Frühjahr und ist die parthenogenetische Generation. Es wäre interessant gewesen, die Eier beider Generationen auf ihre Reifungserscheinungen zu prüfen; da wir indessen im Frühjahr des nöthigen Materials er- mangelten, mussten wir uns zunächst auf die Geschlechts - Generation beschränken. Trotz der bedeutenden Kleinheit der Eier, deren Durchmesser nur 0,008 Mn. beträgt, eignen sich dieselben doch ganz wohl zur Untersuchung, indem sie sich mit dem Blattstück, in dem sie liegen, härten und in Schnitte zerlegen lassen. Bei durchfallendem Lichte kann man die frisch gelegten Eier zwar nicht mit blossem Auge, wohl aber mit der Lupe wahrnehmen und mit ihrer unmittelbaren Umgebung heraus- schneiden. Wir konnten dabei die Angabe ADLER’s und BEYERINCK’S vollkommen bestätigen, dass nämlich das Ei selbst noch keinen Reiz auf das umgebende Blattgewebe ausübt, dass somit nicht ein Gift bei der Ablage des Eies in das Pflanzengewebe gelangt, welches die Ur- sache der Gallenwucherung ist, wie man früher annahm, 588 WEISMANN und ISCHIKAWA, Die Eier von Spathegaster tricolor enthalten nur wenig Dotter, der in Gestalt grösserer und kleinerer kugeliger Körner ziemlich gleich- mässig im Zellkörper des Eies vertheilt ist. Die jüngsten Eier, welche wir erhielten, zeigten bereits zwei primäre Richtungskörper in der Oberflächenschicht des Eies (Taf. XXVIII, Fig. 28, Rk 1 und 2). Beide bestanden aus einem ovalen Kern, in dem mehrere sehr kleine Chromatinkörnchen lagen, und waren eingebettet in das Eiprotoplasma, ohne dass man einen eigentlichen, zu ihnen selbst gehörigen Zell- körper bemerken konnte. Darunter lag ein zweites Kerngebilde, offenbar der Eikern (Eik), und etwas seitlich davon, auch noch in der Rinde des Eies, ein stärker gefärbter Fleck, den man vielleicht als Spermakern deuten darf (Spk ?). In etwas älteren Eiern beobachteten wir wiederholt die Copu- lation der beiden Geschlechtskerne (Fig. 29). Sie geht in der Tiefe des Eikörpers vor sich, und zwar — soweit unsere Beobachtungen reichen — ganz so wie bei Crustaceen. Wir fanden die Kerne theils so, wie in Fig. 28 dargestellt, zur Hälfte sich deckend und dicht auf- einanderliegend, theils auch länger gestreckt und mit ihrem einen Ende sich kreuzend. Die Verschmelzung derselben haben wir nicht gesehen, die Chromatinkörnchen sind kleiner als in den Richtungs- körpern, und ihre Zahl lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben, wenn es auch den Anschein hat, als lägen ihrer vier in jedem Kern. Noch etwas später fanden wir die Copulation schon vollzogen und die erste Furchungsspindel gebildet. In Fig. 30 sieht man dieselbe etwas schräg von oben, so dass nur die eine der beiden Tochter-Kern- platten zu sehen ist; die andere lag tiefer und hätte, ohne das Bild zu verwirren, nicht wohl eingezeichnet werden können. In diesem Stadium befinden sich die beiden Richtungskörper noch wie vorher dicht beisammen in der Rinde des Eies und zeigen noch keine Vor- bereitungen zu weiterer Theilung. Ob dieselbe,später eintritt, haben wir bisher nicht beobachten können. Zum Schluss dieser Angaben über Gallwespen-Eier sprechen wir Herrn Dr. AptEr unsern herzlichen Dank aus für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit welcher er uns seine reiche Erfahrung in Bezug auf die Wahl des richtigen Untersuchungsobjectes zur Verfügung stellte und uns mit Material versorgte. Ohne seinen Rath würden wir jeden- falls nicht ohne Umwege die für diese Untersuchung am besten passende Art herausgefunden haben. Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 589 : Zusammenstellung der bis jetzt bekannten Belege zum „Zahlengesetz der KRichtungskörper“ und Vertheidigung seiner Deutung. Wir verstehen unter dem „Zahlengesetz der Richtungskürper“ die empirische Thatsache, dass bei parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern nur ein Richtungskörper gebildet wird, bei befruchtungsbedürftigen aber deren zwei. Inwiefern es berechtigt ist, dieses Beobachtungs- Resultat als ein biologisches „Gesetz“ zu bezeichnen, soll in der Folge besprochen werden, nachdem zuerst das empirische Material, welches zur Begründung desselben bis heute vorliegt, in systematischer Grup- pirung hier vorgeführt worden ist. Als das betr. Gesetz zuerst von dem Einem von uns aufgestellt wurde !), gebrauchte derselbe die hier gewählte Bezeichnung dafür noch nicht; es hat sich aber inzwischen als recht wünschenswerth herausgestellt, irgend eine kurze Bezeichnung dafür zu haben. Wir geben zuerst eine Zusammenstellung der wenigen Beob- achtungen von parthenogenetischen Eiern, lassen dann die weit zahl- reicheren an befruchtungsbedürftigen Eiern folgen, um sodann aus dem vorgelegten Material Schlüsse auf die Gesetzmässigkeit der Erscheinung zu ziehen. Schliesslich sollen noch einige Bemerkungen zu Gunsten der von dem Einen von uns früher schon versuchten Deutung des Ge- setzes Platz finden, sowie einige weitere Erwägungen. J Die Eireifung bei parthenogenetischen Eiern wurde bisher unter- sucht und dabei die Abschnürung von nur einem Richtungskörper festgestellt bei folgenden Arten: 1) Polyphemus oculus durch WEISMANN. 2) Leptodora hyalina durch WEISMANN und ISCHIKAWA. 3) Bythotrephes longimanus » » ” 4) Moina rectirostris ” » ” D) Moina paradoxa » » ” 6) Daphnia longispina » ” ” 1) Wetsmann, „Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Be- deutung für die Vererbung.“ Jena 1887. 590 WEISMANN und ISCHIKAWA, 7) Daphnella brachyura durch WrEISMANN und IscHIKAWA. 8) Sida crystallina 5 > » » 9) Artemia salina > » » ” 10) Cypris reptans 53 % 3 » 11) Cypris fuscata » » ” ” 12) Callidina bidens (Räderthier) ,, > » 13) Conochilus volvox ps 3 ” 14) Eine nicht bestimmte Aphide don BLOCHMANN. 15) Forda formicaria (Aphide) a = IL. Verzeichniss der Arten, bei welchen zwei primäre Richtungskörper nachgewiesen siud!). I. Coelenteraten. 1. Spongien. Spongilla nach FIEDLER ?). 2. Hydromedusen. Aeginopsis nach O. HERTWIG. Nausithoë „ ,, > Pelagia ” ” ” Lucernaria nach KOWALEWSKY. Millepora plicata nach SIDNEY HicKson *). 1) Den Literatur-Nachweis geben wir nur, bei solchen Arten, bei denen wir ihn nicht schon in unserer ersten gemeinsamen Abhandlung in den ,,Berichten der Freiburger naturforschenden Gesellschaft‘, Bd. 3, Heft 1, 1887 (auch als Separatum erschienen bei J. C. B. Mohr, Frei- burg i. Br. 1887) gegeben haben. 2) In: Zool. Anzeiger vom 28. November 1887, p. 634. 3) In: Proceed. Royal Soc. Vol. 43, No. 261. 8. Dec. 1887, und Phil. Transact. of the Royal Soc. Vol. 179 (1888), p. 198. Der Ver- fasser beschreibt den Vorgang folgendermaassen: ,,before maturation the germinal vesicle disappears and a spindle-shaped body with longitudinal striae appears, which throws out the first polar globule. A second and larger spindle appears after the first polar globule is thrown out, which in its turn discharges the second polarglobule“. Diese Beobachtung ist um so wichtiger, ‘als es die einzige Hydroidpolypen-Art ist, bei welcher der Vorgang bisher eingehend studirt wurde, und als sie die ältere An- gabe R. Breren’s entkräftet, welcher — wie in unserer früher erschienenen Abhandlung „Ueber die Bildung der Richtungskörper bei thierischen Eiern“ Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskérper. 2. Siphonophoren. Hippopodius nach P. E. MÜLLER. 3. Ctenophoren. Gegenbauria cordata nach O. HERTWIG. II. Würmer. 1. Plathelminthen. Leptoplana tremellaris nach SELENKA. Euryleptus ss PES Thysanozoon 5 6 Stylochopsis nach GÖTTE. Malacobdella und andere Nemertinen nach HormMann. 2. Nemathelminthen. 591 Ascaris megalocephala nach NUSSBAUM, E. VAN BENEDEN, CARNOY u. A. Ascaris lumbricoides nach CARNOY, BOVERI. Coronilla robusta nach Carnoy. Filaroides mustelarum a Spiroptera strumosa - Sagitta nach Hertwie und For. 3. Gephyreen. Thalassema nach Conn. 4, Annulaten. Eupomatus uncinatus nach HATSCHEK. Hermella alveolata nach Horst. Chaetopterus pergamentaceus nach WILSON. Pomatoceros (Serpula) nach von DRASCHE. Nephelis nach BürscaLı und O. HERTWwIG. Haemopis nach O. HERTWIG. Myzostoma nach Brarp. Clepsine nach Hormann und WHITMAN. Dinophilus nach KORSCHELT. Rhynchelmis nach VEJDOVSKY!). IH. Echinodermen. Echinus lividus nach Herrwic und For. Echinus brevispinosus pr besprochen wurde — nur einen Richtungskörper bei Gonothyraea be- obachtet hatte. Es ist jetzt wohl nicht mehr daran zu zweifeln, dass der zweite nur nicht zur Beobachtung gelangt war. 1) ,,Zrani Oplozeni Ryhovani Vaicka. V. Praze 1888, Zool. Jahrb, III, Abth, f. Morph, 39 599 WEISMANN und ISCHIKAWA, Toxopneustes variegatus nach SELENKA. Asteracanthion nach HERTWIG. Asterias glacialis nach Fou. IV. Mollusea. 1. Lamellibranchiata. Ostrea nach Brooks. Tellina nach O. HERTWIG. Unio pictorum nach RABL. 2. Gasteropoden. Amphorina coerulea nach TRINCHESE. Amphorina siotin 3 bi Neritina fluviatilis nach BLOCHMANN. Helix pomatia und nemoralis nach JHERING. Helix aspersa nach PEREZ. Aplysia nach MANFREDI. Chromodoris nach FıLıppo Ro. Limax nach Mark. Arion nach PLATNER. Limnaeus nach RABL, BÜTSCHLI und WOLFSOHN. Pterotrachea nach Fou und HERTWIG. Phyllirhoë nach Hertwie. Berghia coerulescens nach TRINCHESE. Succinea pfeifferi nach BUTSCHLI. 3. Pteropoden. Cymbulia peronii nach HERTWIG. Cavolinia tridentata nach HERTWIG. 4. Cephalopoden. Sepia officinalis nach VIALLETON !). Loligo nach Ussow. Argonauta nach Ussow. D'Alunicaten. Phallusia mammillata nach HENKING ?). 1) In: Zool. Anzeiger, 1887, p. 384. 2) Nach gütiger mündlicher Mittheilung von Herrn Dr. Henxine bilden sich während und kurz nach dem Eindringen des Spermatozoons zwei primäre Richtungskörper. Ich habe an einem seiner Präparate das erste Richtungskörperchen bereits abgeschnürt gesehen, während die zweite Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskôrper. 593 Ciona intestinalis nach HENKING !). Salpa pinnata nach SALENSKY ?) und TODARO °). 9 MAXIMA LD] ” rb) 9 » mucronata ee » [usiformis R 6. Bryozoen. Pedicellina echinata nach HATSCHEK ?). V. Arthropoden. 1. Crustaceen. Lepas anatina nach WEISMANN und ISCHIKAWA. Peltogaster paguri a 2 x Cetochilus septentrionalis nach GROBBEN. Branchipus nach WEISMANN und ISCHIKAWA. Estheria cycladoides _,, 4 » Bythotrephes longimanus 4 bs Polyphemus oculus » » ” Daphnia pulex Le 4 » Daphnia longispina _,, » ” Moina rectirostris ul . 6 Moina paradoxa a 5 + Asellus aquaticus nach LEICHMANN *), Orchestia nach WEISMANN und ISCHIKAWA. Mysis ” ” ” ” Eupagurus prideauxu nach is 2. Insecten. Musca vomitoria nach BLOCHMANN. Blatia germanica ,, = Aphis aceris a 3 Richtungsspindel gerade darunter bereits gebildet war und die Sperma- zelle als ein strahlenförmiger Körper am entgegengesetzten Pol des Eies lag. W. 1) Bei frischen Eiern von Ciona, die sich im Stadium von zwei Furchungskugeln befanden, zeigte mir Herr Dr. HenxiNG zwei Richtungs- körper, die nur primäre gewesen sein können, W. 2) In: Mittheil. d. zool. Stat. Neapel., Bd. 4, 1882. 3) Stud; ulteriori sullo sviluppo delle Salpe, in: Atti Reale Accademia dei Lincei, (4.) vol. 1. Roma 1886. 4) Embryonalentwicklung und Knospung von Pedicellina echinata, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 29, p. 502. . 5) In: Zool. Anzeiger, No. 262, 10, Oct. 1887. 39* 594 WEISMANN und ISCHIKAWA, Pyrrhocoris apterus nach HENKING !). Donacia sericea = Spathegaster tricolor Geers) nach WEISMANN und ISCHIKAWA. VI. Vertebraten. 1. Fische. Scyllium canicula nach KASTSCHENKO ?). Scyllium catulus re Rx Pristiurus melanostomus 0 Raja sp. Petromyzon nach Scorr und KUPFER und BENEKE. 2. Amphibien. Rana fusca nach O. SCHULTZE. Siredon pisciformis 53 3. Siuger. Fledermäuse nach E. vAN BENEDEN und JULIN. Kaninchen nach E. vAN BENEDEN und REIN. Meerschweinchen nach REIN und BELLONCI. Talpa europaea nach BELLONCI. Wenn man diese Liste II mit derjenigen vergleicht, welche wir im Jahre 1887 veröffentlicht haben, so wird man manche, damals sehr bemerkliche Lücke ausgefüllt finden. Aus der grossen Klasse der Kruster war damals nur von einer Art die Eireifung des befruchtungs- bedürftigen Eies bekannt, jetzt ist sie bei Vertretern von sieben Ord- nungen untersucht. Auch die Zahl der Insecten hat sich vermehrt, so dass wir jetzt Vertreter von vier Ordnungen aufführen konnten, und bei den Fischen, von denen bisher nur Petromyzon untersucht war, ist die Eireifung jetzt noch für drei Arten von Haien und eine Art von. Rochen bekannt geworden. Dass die Richtungskörper bei allen thierischen Eiern ohne Ausnahme vorkommen, ist damit frei- lich immer noch nicht erwiesen, denn in der Gruppe der Sauropsiden ist noch nichts von ihnen gesehen worden; freilich hat auch noch keine Unter- 1) Diese Beobachtungen an Insecten sind noch nicht veröffentlicht, sondern uns durch die Güte des Herrn Dr. Hrnxtne brieflich mitgetheilt worden. 2) „Zur Entwicklungsgeschichte des Selachierembryos“, in: Anat, Anzeiger, Jg. 3 (1888), No. 16. Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 595 suchung sich speciell auf diesen Punkt gerichtet, und bei den grossen, schwierig zu untersuchenden Eiern der Vögel und Reptilien ist ein mehr zufälliger Fund der Richtungskörper kaum zu erwarten. Wenn aber auch vielleicht ein Zweifel an dem allgemeinen und ausnahmslosen Vorkommen von Richtungskörpern immer noch möglich scheint, so darf doch wohl das Zahlengesetz der Richtungskörper als endgültig erwiesen betrachtet werden für alle diejenigen Thiere, bei denen Richtungskörper überhaupt vorkommen, und wir werden in Be- zug auf die Sauropsiden mindestens so viel mit Bestimmtheit voraus- sagen dürfen, dass, wenn überhaupt bei ihnen Richtungskörper ge- bildet werden, sie auch dort in der Zweizahl auftreten werden. Uebrigens ist es durch den von KASTSCHENKOo erbrachten Nachweis der Richtungs- körper bei den Plagiostomen wohl recht wahrscheinlich geworden, dass dieselben auch bei den in vieler Beziehung ähnlichen Eiern der Sauro- psiden ebenfalls nicht fehlen werden. Der Nachweis wird in beiden Fällen dadurch erschwert, dass die Beschaffung der richtigen Ent- wicklungsstadien der Eier nur selten gelingt. Jedenfalls ist die Wahr- scheinlichkeit, dass man die Richtungskörper bei den Sauropsiden bisher übersehen oder nicht gesehen hat, grösser als die, dass das sonst allgemeine Gesetz hier eine Ausnahme erleide. Dass es sich aber bei der Bildung der Richtungskörper in der That um ein Gesetz handle, kann wohl nicht mehr bestritten werden. Allerdings können wir dasselbe nicht von innen heraus oder a priori construiren, sondern wir können nur vermuthen und zu errathen suchen, inwiefern sich ein Gesetz an die Zahl der Richtungskörper knüpfen muss, allein diesen Mangel theilt das Zahlengesetz mit allen andern Gesetzen auf dem Gebiete des Lebens, bei welchen allen wir die innern Nothwendigkeiten, welche der gesetzmässigen Erscheinung zu Grunde liegen, nicht nachweisen können; es ist immer nur die Regel- mässigkeit, mit welcher die Erscheinung unter bestimmten Bedingungen eintritt, welche uns auf solche darunter verborgene Nothwendigkeiten hinweist. Wir vermuthen ein Gesetz, wo wir nur eine Regel be- obachten können, und wir sind zu einer solchen Vermuthung berechtigt, da es unsinnig wäre, anzunehmen, dass auf biologischem Gebiete Ge- setze nicht bestünden. In jedem einzelnen Falle dürfen wir den Schluss auf ein Gesetz mit um so grösserer Sicherheit thun, je voll- ständiger der Inductionsbeweis für die Regelmässigkeit der Erscheinung ist. Beim Zahlengesetz der Richtungskörper nun liegt keine Aus- nahme vor von der Regel; bei allen bisher untersuchten parthenogene- tischen Eiern wurde nur ein Richtungskörper gebildet, und bei allen 596 WEISMANN und ISCHIKAWA, bisher untersuchten befruchtungsbedürftigen Eiern deren zwei. Wenn man aber trotzdem noch an die Möglichkeit denken wollte, dass die Ein- oder Zweizahl der Richtungskörper eine mehr nebensächliche, gewissermaassen zufällige Begleiterscheinung bei der Reifung der Eier bestimmter Arten oder bestimmter grösserer Thiergruppen sein könnte, so wird diese Vermuthung dadurch widerlegt, dass in derselben Thier- gruppe Eier mit einem nnd Eier mit zwei Richiungskörpern vor- kommen, dass aber ausnahmslos diese Verschiedenheit zusammenfällt mit der parthenogenetischen oder durch Befruchtung eingeleiteten Ent- wicklung des Eies. Der Zufall wird schliesslich dadurch vollständig ausgeschlossen, dass auch bei einer und derselben Art, wenn sie sich abwechselnd durch parthenogenetische und befruchtungsbedürftige Eier fortpflanzt, ausnahmslos bei ersteren nur ein, bei letzteren aber zwei Richtungskörper gebildet werden. Dieser Nachweis ist bis jetzt von uns an fünf Arten so geführt worden, dass jeder einzelne Fall in sich selbst, ohne Zuhülfenahme irgend welcher Analogie, beweiskräftig ist, nämlich an Bythotrephes longimanus, Polyphemus oculus, Daphnia longispina, Moina rectirostris und Moina paradoxa. Dazu kommen dann noch einige Fälle, in denen nicht dieselben, wenn auch ver- wandte Arten oder Gattungen einander gegenübergestellt werden können. Dahin gehört unsere Beobachtung an den Sexual-Eiern von Daphnia pulex, welche ihre Ergänzung in den parthenogenetischen Eiern von Daphnia longispina findet, und die Beobachtung an den parthenogenetischen Eiern von Artemia salina, welche durch diejenigen an den Sexual-Eiern von Branchipus grubei ergänzt wird. Dahin ge- hören auch die Beobachtungen von BLOCHMANN an den partheno- genetischen Eiern zweier Aphiden-Arten, denen die befruchtungsbe- dürftigen Eier einer andern Aphiden-Art gegenüberstehen. Wenn auch in diesen letzten Fällen der Beweis der Einzahl des Richtungskörpers bei den parthenogenetischen Eiern nicht ganz unangreifbar erbracht werden konnte, des schwierigen Untersuchungsobjectes halber, so wird man doch billigerweise nach dem, was an den parthenogenetischen Eiern der Crustaceen von uns festgestellt wurde, nicht zweifeln dürfen, dass das bei den Aphiden allein beobachtete eine Richtungskörperchen auch wirklich das einzige ist, welches dort vorkommt. Das „Zahlengesetz der Richtungskörper“ darf sonach wohl als ein durch die Erfahrung hinlänglich gestütztes biologisches Gesetz angesehen werden, und bei der Bedeutung, welche wir der Substanz heute zuschreiben müssen, :deren Entfernung aus dem Ei durch die Richtungskörper - Abschnürung bewirkt wird, können Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 597 wir auch kaum umhin, dieses Gesetz für ein bedeutungsvolles zu halten. | Der Eine-von uns hat bereits früher gezeigt, in welcher Weise sich die einmalige oder zweimalige Halbirung der Kernsubstanz des Eies deuten und in Beziehung setzen lässt zu der im ersten Fall ein- tretenden Fähigkeit parthenogenetischer Entwicklung, sowie zu dem im zweiten Fall resultirenden Unvermögen, ohne Hinzutreten eines Spermakerns in die Embryogenese einzutreten. Derselbe nahm an, es handle sich bei der ersten Halbirung um die Trennung zweier der Qualität nach verschiedener Idioplasmen, von welchen das im ersten Richtungskörper ausgestossene kein Keimplasma mehr sei, sondern ein aus Keimplasma zwar hervorgegangenes, aber bereits histogenetisch specialisirtes Idioplasma. Es wurde als ovogenes Plasma bezeichnet und damit die Vorstellung angedeutet, dass es der specifischen histo- logischen Ausprägung der wachsenden Eizelle vorzustehen, dieselbe gewissermassen zu leiten habe, während das Keimplasma selbst, von Anfang an noch neben ihm in der Eizelle vorhanden, später zur Trennung von ihm gelangt und nach Entfernung des ersten Richtungs- körpers allein im Ei zurückbleibt. Die zweite Halbirung der Kern- substanz des Eies hat nach dieser Auffassung eine ganz andere Be- deutung, welche indessen jetzt hier nicht würde erwähnt worden sein, wenn nicht in jüngster Zeit eine Beobachtung bekannt geworden wäre, welche sie zu widerlegen scheint. Wir meinen die Beobachtung von Bovert, nach welcher nicht ganz selten eine abnorme Theilung der ersten Richtungsspindel im Ei von Ascaris megalocephala vorkommt!). Nach diesem Be- obachter beharrt die erste Richtungsspindel dieser Eier zuweilen in einer falschen Lagerung (tangentialer), und dann theilt sich zwar die Kernsubstanz dennoch, es bildet sich aber kein erster Richtungskörper, vielmehr bleibt die Kernsubstanz beider Theilungshälften im Ei liegen. Wenn es nun dann zur Bildung der zweiten Richtungsspindel kommt, so nimmt daran wieder das gesammte Kernmaterial des Eies Theil und bildet eine Aequatorialplatte, durch deren Halbirung nur so viel Kern- substanz aus dem Ei herausgeschafft wird, wie durch den ersten Theilungsprocess hätte herausgeschafft werden sollen. Nun soll — nach Boveri’s Deutung — die im Ei zurückbleibende Kernsubstanz zum Theil gerade diejenige sein, welche eigentlich durch den ersten Richtungskörper hätte entfernt werden sollen, welche jetzt aber einen 1) Bovent, Zellenstudien, Heft 1, Jena 1887, p. 57 u. f., p. 74. 598 WEISMANN und ISCHIKAWA, Theil des Eikerns bildet, die Copulation mit dem Samenkern eingeht und schliesslich als ein Theil des Furchungskerns functionirt. Ver- hielte sich dies wirklich so, so läge darin in der That eine Wider- legung der oben angeführten theoretischen Deutung, denn dann wäre bewiesen , dass die Kernsubstanz des ersten Richtungskörpers Keim- plasma ist. Wenn man aber diesen Fall genauer prüft, so zeigt es sich, dass dieser Schluss nicht auf festen Füssen steht, dass dabei nämlich eine Voraussetzung mit unterläuft, welche weder bewiesen ist, noch be- weisbar, ja gegen welche sich schwerwiegende Gründe geltend machen lassen. Natürlich stellen wir uns in Bezug auf die Thatsachen hier ganz auf den Standpunkt Boverrs, welcher überzeugt ist, dass seine Untersuchungs-Methode natürliche, unverzerrte und nicht krankhaft veränderte Bilder geliefert hat, und nehmen seine Angaben auch da für vollkommen genau und richtig, wo sie mit denjenigen anderer Forscher nicht zusammenstimmen. Nach Boverr enthält das in den Reifungsvorgang eintretende Ei in seinem Keimbläschen nicht 4, wie man bisher glaubte, sondern nur 2 Kern-Elemente, jedes derselben ist stäbchenförmig und der Länge nach zweifach gespalten, so dass es also einem Bündel von 4 Stäbchen entspricht. Von diesen 8 Viertel-Stäbchen werden mit dem ersten Rich- tungskörper 2mal2, mit dem zweiten noch 1 mal 2 aus dem Ei entfernt, so dass also zuletzt nur noch 2 Viertelstäbchen den Eikern bilden. Abnormer- weise kommt es nun also vor, dass die 4 Viertelstäbchen, welche für den ersten Richtungskörper bestimmt waren, im Ei zurückgehalten werden ; ihre Abspaltung findet zwar doch statt, aber, da die Kernspindel sich in abnormer Lage befindet, geschieht dies derart, dass beide Tochter- kerne im Ei liegen bleiben, vereinigt noch immer durch das Netzwerk der Spindelfasern. Nun ordnet sich die Spindel um; was Aequator vorher war, wird zu den Polen, und alle 4 Chromatin-Doppelstäbchen ordnen sich zur Aequatorialplatte, bis dann zuletzt das nach aussen zu gelegene Stäbchen jedes Doppelstabs im Richtungskörper nach aussen befördert wird. Wenn nun Bovert aus diesem Vorgang schliesst, dass die Kern- substanz der zwei ursprünglichen Elemente sowie die ihrer Viertel- stäbchen identisch sein müsse, so ist dieser Schluss nur dann richtig, wenn vorausgesetzt wird, dass die viertheiligen Stäbchen sich in normaler Lagerung zu den Spindelpolen be- funden haben. Sollten sie gelegentlich auch einmal um 90° gedreht Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 599 sich lagern können, so würde der Schluss hinfällig, und die Annahme, dass die Kernsubstanz des ersten Richtungskörpers kein Keimplasma sei, sondern ovogenes Idioplasma, könnte unbeanstandet bleiben. Die unten stehenden Abbildungen I—III werden dies veranschaulichen. Die Stäbchen sind hier in der Verkürzung gesehen als Kreise ge- zeichnet, d.h. also im optischen Querschnitt, wie sie auch Bovert häufig darstellt, die erste Reihe giebt den normalen Hergang der Richtungs- körper-Bildung, die zweite den abnormen Verlauf derselben unter Voraussetzung normaler Lagerung der Chromatin-Elemente, die dritte Fig. I. = t \ (a! \ : \ { 1 | byl | EAST r ew I 1 Jan | 1 m a a el \ 88 |, RL ea EN AA J ( \ qui \ H ; It H Ha \ i : l 1 R 8 & wey \ kr UNS pol \ \ Heer TON ONE ln 7 JO \ thks H 1 NS aeg Neots aii aud [a an N RER SD SSE are ET ET, eerste N Eu eu ay; Normaler Vorgang. Rk 2 Fig. II. Rsp 1 Esp 1 Esp 2 Rk _— — _— a - > _ _ _— =" on —_—— ee Abnormer Vorgang nach Boverr Fig. III. Rsp 1 Rsp i Rsp 2° ke _— SS \\ \ é f 1, / I I 1 1 \ \ \N\ \ u ~ = =-———_— - - ~ - --..-" Abnormer Vorgang nach uns. 600 WEISMANN und ISCHIKAWA, denselben abnormen Verlauf unter Voraussetzung abnormer Lagerung der Chromatin-Stäbchen. Ueberall ist durch Weiss und Schwarz die vorausgesetzte Verschiedenheit der einen Hälfte der Viertelstäbchen von der andern ausgedrückt; das Schwarz bedeutet Keimplasma, das Weiss ovogenes Plasma. Man sieht, dass bei abnormer Lagerung nicht nur der Spindel, sondern auch der Chromatin-Vierstäbchen die einzelnen Viertelstäbchen sehr wohl so zu liegen kommen können, dass die 4 weissen, die nor- malerweise mit dem ersten Richtungskörper hätten entfernt werden sollen, jetzt mit dem zweiten entfernt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Lagerung der Chromatin- Elemente in der Spindel keine willkürliche, zufällige, sondern eine wohl regulirte ist. Man wird aber diese Annahme kaum zurückweisen wollen und können. Zunächst erscheint sie schon dadurch gerecht- fertigt, dass die mitotische Kerntheilung offenbar ein Vorgang ist, bei dem Alles bis in die kleinsten Einzelheiten hinein geregelt ist; wie wäre es sonst zu begreifen, dass aus dem versprengten Chromatin- Material des sog. ,ruhenden Kerns“ sich immer wieder die nämlichen Stäbchen oder Schleifen in der nämlichen Zahl, in der rosettenförmigen Anordnung und in der bestimmten Beziehung zu der Spindelfigur zu- sammenfinden. Nun lässt es sich freilich durch directe Beobachtung nicht nachweisen, dass auch die Lagerung der beiden Spalthälften eines Elementes in Beziehung zu den Spindelpolen eine normirte ist, so wenig, als wir im Stande sind, das Material, aus dem die Stäbchen eines Kerns bestehen, als identisch oder als von verschiedener Qualität direct zu erkennen. Allein — wie STRASBURGER kürzlich sehr richtig gesagt hat — wir sind auch nicht im Stande, die Kernelemente ver- schiedener Arten „von einander dem Bau und der chemischen Zu- sammensetzung nach zu unterscheiden, während wir doch nothgedrungen eine stoffliche Verschiedenheit, ein verschiedenes Idioplasma in den- selben annehmen müssen“. Sie können also trotz ihres gleichen Aussehens dennoch verschieden sein und sie müssen es in vielen Fällen sein, das lässt sich geradzu erweisen, wie der Eine von uns *) schon vor längerer Zeit geltend gemacht hat. Wenn man einmal die „Kernsubstanz“ als das bestimmende Idioplasma auffasst, dann kann kein Zweifel darüber sein, dass sehr häufig bei der Kern- theilung differente Idioplasmen sich von einander trennen, d. h. 1) Weısmann, „Ueber die Zahl der Richtungskörper etc.“ Jena 1887, pag. 9. Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Riehtungskörper. 601 dass in einem Kern eine Differenzirung der Kernsubstanz in zwei verschiedene Arten stattfindet und dass diese beiden Arten von Idio- plasma sich in zwei Lager sammeln, um bei der Längsspaltung der Kernelemente sich zu trennen. Wenn z. B. eine der Furchungs- zellen von Moina, wie GROBBEN es darstellt, sich derart theilt, dass die eine Tochterzelle dem gesammten Entoderm den Ursprung giebt, die andere aber (die sog. Genitalzelle) den Keimzellen des neuen Organismus, so muss in diesen beiden Tochterzellen nach unserer Anschauung ein verschiedenes Idioplasma enthalten sein, und diese Differenzirung des Idioplasmas kann nicht durch äussere Einflüsse nachträglich zufällig erst hervorgerufen werden, sondern sie ist ein mit Nothwendigkeit aus der Zusammensetzung jener Furchungszelle resultirendes Entwicklungsphänomen. Man kann deshalb die Ansicht STRASBURGER’S, dass die Theilungs- hälften der Chromatinfäden immer gleichartig sein müssten, gewiss nicht aufrecht halten. Erkennt man überhaupt einmal an, wie dieser hervorragende Botaniker neuerdings thut, dass die Ungleichheit der Theilungsproducte (der Tochterkerne) eine Folge ihrer fortschreitenden Entwicklung ist !), so giebt man damit die primäre Verschiedenheit der beiden Theilungshälften der Kernelemente zu. Denn wären sie bei ihrer Trennung identisch gewesen, so könnten nur verschiedenartige äussere Einflüsse sie später verschieden machen, solche Einflüsse fehlen aber bei der Embryonalentwicklung häufig ganz, die Theilungs- hälften müssen also von vornherein verschieden gewesen sein. Wenn in dem obigen Beispiel die eine Kernhälfte (der eine Tochterkern) sich im weiteren Verlauf der Entwicklung als Keimplasma ausweist, da die Keimzellen aus ihr entstehen, die andere aber als Entoderm- Idioplasma, da das Entoderm des Embryos aus ihr hervorgeht, so kann dies nicht auf äusseren Einwirkungen, sondern muss auf einer inneren Verschiedenheit der Kernsubstanz beruhen, die mindestens schon von dem Augenblick an vorhanden war, in dem die Spaltung der Kern- fäden erfolgte. Wenn es nun aber unzweifelhaft ist, dass die Spaltung der Chro- matinelemente häufig ungleiche Producte liefert, so liegt darin zu- gleich das weitere Zugeständniss, auf welches es uns hier vor allem ankommt, dass diese Elemente eine normirte, bestimmte Lagerung zu den Spindelpolen einnehmen. Denn offenbar 1) STRASBURGER, „Ueber Kern- und Zelltheilung im Pflanzenreiche“. Jena 1888, 602 WEISMANN und ISCHIKAWA, kann es nicht gleichgültig sein, welche der beiden sich trennenden Hälften dem äussern und welche dem innern Pol zugewandt ist; die gleichartigen Hälften müssen vielmehr alle demselben Pol zugewandt sein, sonst könnten keine reinen, ungleichartigen Zellen mit ver- schiedener Entwicklungsanlage daraus hervorgehen. Lagerten sich z. B. die Spaltungsproducte der Stäbchen und der Aequatorialplatte so, wie im Holzschnitt IV A angedeutet, so würden daraus — trotz der un- gleichen Theilung der Stäbchen — wieder gleiche Tochterkerne hervor- gehen. Nur wenn sie sich so wie in IV B lagern, geht ein weisser und ein schwarzer Tochterkern daraus hervor. Fig. IV A. Fig. IV B. Al, AN VW Wenn nun gefragt wird, welche Kräfte die Differenzirung und richtige Lagerung des Idioplasmas sichern, so wird wenigstens so viel darauf geantwortet werden können, dass das Erstere, die Differen- zirung, nur auf Kräften, die innerhalb des Idioplasmas selbst thätig sind, beruhen kann, dass aber auch das Zweite, die gleichsinnige Lagerung der Spalthälften in Beziehung zu den Polen, kaum auf ausser- halb gelegene Kräfte bezogen werden kann. Denn es ist kaum anzu- nehmen, dass die Spindelfasern die Tendenz haben, eine bestimmte Spalthälfte zu ergreifen und ihrem Pol zuzuführen. Vollends könnte dies dann nicht der Fall sein, wenn diese Fasern ein langmaschiges Netz darstellen, wie es nach Boverrs neuen Beobachtungen der Fall zu sein scheint. Vielmehr werden die Spindelfasern sich denjenigen Chromatin-Elementen anheften, welchen sie gerade begegnen, und es wird somit von der Lagerung dieser Elemente selbst abhängen, welche Lage ihre Spalthälften am Aequator einnehmen werden. Mag auch noch Anderes dabei mitspielen, etwa ein Einfluss der verschiedenen neben einander lagernden Chromatin-Elemente auf einander — immer- hin wird es keine unwahrscheinliche Annahme sein, dass gelegentlich auch einmal eine abnorme Lagerung der Stäbchen vorkommen kann, Weitere" Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 603 ja es wäre sehr wunderbar, wenn ein so complicirter Mechanismus nicht auch einmal fehlgehen sollte. Wissen wir doch durch Bovekı, dass die Spindel selbst eine falsche Lage einnehmen kann, warum sollte nicht auch einmal die richtige Orientirung der Stäbchen gegen die Pole verfehlt werden? Sobald man aber diese Möglichkeit zugiebt, so ist damit die Erklärung für den oben besprochenen abnormen Ent- wicklungsgang gegeben, ohne dass man die Auflassung der Kern- substanz des ersten Richtungskörpers als ovogenes, allgemeiner gesprochen als vom Keimplasma differentes Idioplasma auf- zugeben braucht. Die Gründe aber, welche für eine solche Auffassung sprechen, sind wohl heute noch gerade so stark wie damals, als sie der Eine von uns zuerst geltend machte. Die erste Halbirung der Kernsubstanz des Eies lässt sich unmöglich bloss als Massen- verminderung autfassen, da sie bei parthenogenetischen Eiern ebenso- gut erfolgt, wie bei befruchtungsbedürftigen, wo es sich doch nicht darum handeln kann, eine Ausgleichung der Masse zwischen dem Ei- kern und irgend einem anderen Kern zu bewirken. Wenn aber das im ersten Richtungskörper ausgestossene Idioplasma Keimplasma wäre, weshalb müsste es da zuerst entfernt werden, damit die Embryogenese beginnen könnte? Man sollte doch denken, dass ein grösserer Vorrath von Keimplasma, als er durchaus nothwendig zum Beginn der Fur- chung ist, für die nachfolgenden Stadien der Entwicklung nur vor- theilhaft sein könnte, da ja bekanntlich die Kernsubstanz sehr erheblich an Masse zunimmt gerade während der Furchung. Man könnte auch fragen, warum denn im reifenden Ei doppelt so viel Keimplasma ent- halten sein müsse wie im entwicklungsfähigen, oder warum die Em- bryogenese nicht schon lange vorher begonnen habe, als das Keim- plasma zum ersten Mal die Masse erreichte, auf welche es später durch Halbirung zum zweiten Mal herabgesetzt wird. Allerdings liesse sich ja darauf allerlei Antwort ausdenken, aber es bleibt doch immer die entscheidende Erwägung übrig, dass das Idioplasma, welches die Embryogenese einleitet und den Character, d. h. die Entwicklungs- tendenzen der Furchungszellen und ihrer ferneren Abkömmlinge be- stimmt, unmöglich identisch sein kann mit dem Idioplasma, welches das Wachsthum des Eierstockseies leitete und ihm seinen specifischen histologischen Stempel aufdrückte. Sobald man also in den Kern- elementen die Vererbungs-Substanz erblickt, und das thun ja auch die Gegner unsrer Ansicht, so giebt es nur eine Alternative: entweder das ovogene Idioplasma besitzt die Fähigkeit, sich am Ende der Ova- rial-Entwicklung des Eies wieder in Keimplasma, aus dem es ent- 604 WEISMANN und ISCHIKAWA, stand, zurückzuverwandeln, oder es besitzt diese Fähigkeit nicht. Im ersteren Fall bleibt es unverständlich, warum es dann halbirt und zur Hälfte dem Untergang geweiht wird, im zweiten Fall begreift man, dass es entfernt werden muss, wenn das neben ihm im Eikern vor- handene Keimplasma zur alleinigen Geltung kommen soll. Es braucht nun durchaus nicht angenommen zu werden, dass in allen Fällen, in welchen die Abschnürung und Entfernung des ersten Richtungskörpers unterbleibt, der Verlauf des Processes der hier als möglich angenommene sei. Es mag ganz wohl sein, dass zu- weilen die Lagerung der Kernstäbchen eine solche ist, wie sie BOVERI voraussetzt, und dass dann wirklich ein Theil des ovogenen Idio- plasmas im Eikern zurückbleibt. Sollte dies vorkommen, dann würden wir erwarten, dass solche Eier sich später abnorm entwickeln würden, da anzunehmen ist, dass das ovogene Idioplasma störend in die Thätigkeit des Keimplasmas eingreifen müsste. War dagegen bei der Abschnürung des zweiten (und in diesem Falle einzigen) Richtungs- körpers die Lagerung der Chromatinstäbchen zu den Spindelpolen die bier angenommene, dann bleibt ja nur Keimplasma im Eikern, wenn auch in doppelter Menge, und es lässt sich nicht absehen, warum die Entwicklung zum Embryo dann nicht in völlig normaler Weise ver- laufen sollte, wie denn in der That Boveri angiebt, wenigstens die Furchung solcher Eier normal verlaufend beobachtet zu haben. Die Folgen der abnorm grossen Menge von Keimplasma miitterlicherseits werden sich, falls die hier vertretene Theorie richtig ist, in einem Ueberwiegen der mütterlichen gegenüber den väterlichen Vererbungs- tendenzen geltend machen, Folgen, die indessen bei einem Spulwurm dem menschlichen Auge wohl stets jenseits der Wahrnehmungsgrenze bleiben werden, ebenso wie die Zunahme der Ahnenplasmen über ihre Normalziffer hinaus. Boveri theilt noch einige andere Abnormitäten in der Bildung der Richtungskörper mit, die aber ebensowenig wie der soeben be- sprochene Fall etwas gegen die Annahme einer Verschiedenheit der Kernsubstanz des ersten und des zweiten Richtungskörpers aussagen. Dahin gehört der Fall, in welchem eines der vier Viertelstäbchen des ersten Richtungskörpers im Ei zuriickbleibt. Offenbar kann daraus nichts auf seine Qualität geschlossen werden, da der weitere Verlauf der Eireifung unbekannt bleibt, und man nicht einmal weiss, ob aus dem betreffenden Ei ein normales Thier sich entwickeln kann. Wie Boverr gewiss ganz richtig annimmt, handelt es sich in solchen Fällen um einen „Mangel der Theilungs-Mechanik“ und man wird Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 605 vermuthen dürfen, dass dieser um so eher schwere Folgen für die Embryonal-Entwicklung nach sich ziehen dürfte, je bedeutender er ist. Es darf vielleicht bei dieser Gelegenheit darauf hingedeutet werden, dass wir in solchen und anderen Unvollkommenheiten der Kerntheilungs-Mechanik wohl eine der bedeutendsten Quellen der Missbilduugen zu sehen haben werden, dass sich hier ein Weg öffnet, der zur Erklärung und zum Verständniss der Entstehung vieler teratologischer Erscheinungen hinführt. Allerdings nur dann, wenn man auf der hier vertheidigten An- nahme fusst, dass die durch Spaltung sich trennenden Hälften der Chromatin-Elemente verschieden sein können. Wären sie stets iden- tisch und würden erst im weiteren Verlauf der Entwicklung dadurch verschieden, dass sie verschiedenen äussern Einflüssen unterworfen würden, dann würde es gleichgültig sein, welche von ihnen nach diesem und welche nach dem entgegengesetzten Pol der Spindel hingezogen wird; können sie aber verschieden sein in Bezug auf die in ihnen enthaltenen Entwicklungs-Tendenzen, dann muss es von grösster Wich- tigkeit sein, dass jede Hälfte nach dem richtigen, d. h. nach dem für sie im normalen Entwicklungsgang bestimmten Pol gelangt und nicht nach dem entgegengesetzten. Kann man nun kaum daran zweifeln, dass gelegentlich einmal die Spaltung der Kernelemente in ver- kehrtem Sinne erfolgt und somit die sich theilenden Zellen verkehrte Kerne erhalten, so muss darin offenbar die Quelle zu einer Miss- bildung gegeben sein, sobald die beiden Kerne wesentlich verschiedene Entwicklungstendenzen in sich enthalten. Wenn z. B. in dem oben schon angeführten Beispiel der Embryogenese von Moina die Trennung jener Zelle, aus welcher das Entoderm und die Geschlechtsdrüsen hervorgehen, so erfolgte, dass die Kerne verwechselt würden, so müsste mindestens eine Verlagerung der Geschlechtsdrüsen in Beziehung zum Mitteldarm die Folge davon sein. W. RıcHTER hat in einem kürzlich veröffentlichten Aufsatz „Zur Vererbung erworbener Charaktere“ !) in interessanter Weise eine der häufigsten Missbildungen höherer Wirbel- thiere, die Spina bifida, als die Folge einer abnormen „Verbindung des Mesoderms mit dem Ectoderm im Bereich der Medullarplatte“ gedeutet. Muskelzellen, Abkömmlinge des Mesoblasts, und Nerven- Elemente, Abkömmlinge des Ectoblasts, mischen sich in dieser Miss- bildung zuweilen in seltsamer Weise durcheinander, und Ricarer 1) In: Biolog. Centralblatt, No. 10, 15. Juli 1888, 606 WEISMANN und ISCHIKAWA, bezieht dies auf eine Verlagerung der Entwicklungstendenzen des Ectoderms und des Mesoderms. Es scheint nicht undenkbar, dass die ersten Ursachen dieser Verlagerungen in verkehrten Kerntheilungen im obigen Sinne zu suchen sind, welche in früher Embryonalperiode stattgefunden haben; sollte aber auch gerade diese Missbildung einen andern Ursprung haben, so darf man doch erwarten, dass es der pa- thologischen Anatomie gelingen wird, andere Abnormitäten der Ent- wicklung auf diese Quelle zurückzuführen. Fig. Fig. Fig. Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 607 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXV. 1. Artemia salina. Schnitt durch ein parthenogenetisches Eier- stocksei, reif zur Ablage in den Uterus. Dicht unter der Eiober- fläche das in Umwandlung zur Richtungsspindel begriffene Keim- bläschen. Vergröss. Seıs. I/V. Fig. 1 A. Dasselbe bei stärkerer Ver- grösserung; man erkennt einen blassen, achromatischen Faden, der die dunkeln Chromatinkörner verbindet. Vergröss. Sem. I/VII = 900. 2, Artemia. Frisch in den Uterus übergetretenes parthenogenetisches Ei. Nur die parallel zur Eioberfläche gestellte Richtungsspindel mit ihrer nächsten Umgebung ist gezeichnet; man erkennt die „Aequa- torialplatte“ mit ihrem doppelten Kranz von Chromatinkörnern. Schnitt- präparat. Vergröss. I/VII = 900. 3. Artemia. Um ein wenig älteres parthenogenetisches Ei; die Richtungsspindel hat sich um 900 gedreht und steht jetzt vertical zur Eioberfläche; die Chromatinkörnchen der Aequatorialplatte sind etwas weiter auseinandergerückt. Schnittpräparat. Vergrösserung: Ses. I/VII — 900. . 4. Artemia. Ein noch etwas älteres parthenogenetisches Ei; Richtungs- körper Ak und Eikern Zik sind sichtbar. Vergrôss. I/V = 330. . 5. Artemia. Schnitt durch ein parthenogenetisches Ei im Stadium von 2 Furchungszellen. Ak der Richtungskörper, durch den Schnitt wahrscheinlich etwas verschoben, Dotterhaut DA sehr dünn; Fk 1 und 2 die beiden Furchungskerne. Vergröss. Sers. I/V = 330. Fig. 6. Lepas anatina. Ei aus dem Eierstock mit dem in Umwandlung zur ersten Richtungsspindel begriffenen Keimbläschen (Asp 1). Frisch mit Sublimat-Alkohol getödtetes und gefärbtes Ei. Vergröss. Sets. I/V =— oo. Zool. Jahrb. III. Abth. f. Morph. 40 Fig. Fig. WEISMANN und ISCHIKAWA, . 7. Lepas anatina. Etwas älteres Ei, ebenso behandelt. AA 1 erster Richtungskörper, der im Begriff steht, sich von der centralen Hälfte der ersten Richtungsspindel abzuschnüren. Vergrôss. Sets. I/V — 330. . 8. Lepas anatina. Noch etwas älteres Ei, ebenso behandelt. Der erste Richtungskörper, AA 1, hat sich losgelöst und liegt auf der Oberfläche; etwas darunter sieht man die zweite Richtungsspindel mit ihrer Aequatorialplatte. Vergröss. Sei8. I/V — 330. . 9. Peltogaster paguri. Das in Umwandlung zur ersten Richtungs- spindel begriffene Keimbläschen eines reifen Eies aus dem Eierstock. Man sieht innerhalb der Grundsubstanz zahlreiche durch einen hellen Faden verbundene Chromatin-Kügelchen; N der Nucleolus. Dé Dotter- kugeln. Behandlung, wie in Fig. 6. Vergröss. Ser. I/VII — 900. . 10. Peltogaster paguri. Ei aus dem Brutsack, frisch mit Sublimat- alkohol getödtet und gefärbt. Man sieht unter der Dotterhaut die beiden Richtungskörper und darunter die Chromatinkörnchen des Eikerns. Vergröss. Ser. I/V = 330. . 11. Peltogaster paguri. Ei im Stadium von zwei Furchungszellen, ebenso behandelt. Man sieht am animalen Eipol die zwei Richtungs- körper liegen, eingesenkt in die Bucht zwischen den beiden Furchungs- kugeln. Vergröss. Sers. I/V — 330. 12. Branchipus sp. Copulation der beiden Geschlechtskerne im Cen- trum des Eies, umgeben von den bereits verschmolzenen Zellkörpern der Ei- und Samenzelle. Schnittpräparat. Vergröss. I/V = 330. 13. Branchipus sp. Schnitt durch ein Ei im Stadium von zwei Furchungszellen, die noch durch einen Protoplasma-Strang zusammen- hängen. A dunkel gefärbte Verdickung, wahrscheinlich der noch nicht ins Centrum der Tochterzellen vorgerückten Kernsubstanz. In der Furche zwischen den beiden ersten Furchungszellon liegen am animalen Pol 3 Richtungskörper, RA 1 und 2. Vergröss. Seıs. I/III. . 13 A. Die Richtungskörper desselben Schnittes bei Ses. I/V = 330. Tafel XXVI. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf die Eier von Eupagurus pri- deauxti. Fig. Fig. Fig. 14. Aus einem Schnitt durch ein ganz junges Ei, an dessen Ober- fläche die erste Richtungsspindel, Asp. 1, liegt mit ihrer, beinahe noch senkrecht zur Eioberfläche gestellten Aequatorialplatte. Ver- gross. Sem. I/V — 330. 15. Etwas älteres Ei; die erste Richtungsspindel steht senkrecht zur Eioberfläche; ihre Aequatorialplatte parallel derselben. Vergröss. Ser. I/V — 330. 16. Die erste Richtungsspindel in Theilung begriffen. Fig. Fig. Fig. A. B. Fig. Fig. Fig. Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Richtungskörper. 609 17. Die Theilung derselben nahezu vollendet. 18. Ebenso, aber erster Richtungskörper bereits stark vortretend. 19. Schnitte durch ein Ei mit zweiter Richtungsspindel. Oberflächenschnitt mit Flächenansicht des ersten Richtungskörpers. Rk 1. Vergröss. I/III. Derselbe erste Richtungskörper bei stärkerer Vergrösserung von Sem. I/V — 330. Dritter Schnitt von oben mit der zweiten Richtungsspindel, Asp. 2. Vergröss. I/III. Dieselbe zweite Richtungsspindel bei Sem. I/V — 330. . 20. Ei dicht vor der Copulation der beiden Geschlechtszellen, Spz und Ezz. Vergröss. Sets. I/II. Die beiden Geschlechtszellen bei Seıs. I/V; x, Körper von unbe- kannter Bedeutung. . 21. Schnitt durch ein Ei, in dessen Mittelpunkt die beiden Ge- schlechtszellen zusammengeflossen sind, während ihre Kerne noch selbständig neben einander liegen. An der Oberfläche die beiden Richtungskörper, RA 1 und 2. 21 A. Die beiden Geschlechtskerne, vollständig ähnlich untereinander. Vergröss. Sers. I/VII — 900. 21 B. Die beiden Richtungskörper desselben Schnittes. Vergröss. IV = 330. Tafel XXVII. . 22. Eupagurus prideauxüi. Ei im Beginn der Kern - Copulation. Vergröss. Sers. I/VII — 900. . 23. Kern-Copulation weiter vorgeschritten. Vergröss. ebenso. . 28 A und B. Eupagurus prideauxii. Die auseinanderrückenden Tochter- platten der ersten Furchungsspindel. Vergröss. Sem. I/V — 330. . 24. Orchestia sp. Schnitt durch ein Ei im Moment der Copulation. Rk 1 und 2. Die drei Richtungskörper, im Mittelpunkt des Eies die copulirende Ei- und Samenzelle. Vergröss. Sers. I/II. 24 A. Die Richtungskörper desselben Schnitte. Vergröss. I/V — 8380: . 24 B. Die Geschlechtskerne. Vergröss. Sem. I./V. = 330. ig. 25. Mysis sp. Schnitt durch ein kürzlich in den Brutraum ausge- tretenes Ei. An einem Pol die Richtungskörper (Ak 1 und 2), deren Kerne besonders bei stärkerer Vergrösserung vollkommen deutlich, darunter nahe dem Mittelpunkt des Eies der Eikern mit seiner Proto- plasma-Hülle (£74), und am entgegengesetzten Pol die ins Ei eben eingedrungene Samenzelle Spz. Vergröss. Sets. I|V. 26. Mysis sp. Schnitt durch ein etwas älteres Ei, in dessen Cen- trum die beiden in Copulation begriffenen Geschlechtskerne mit dem sie umgebenden Protoplasma (Cop). Vergröss. Sets. I/II. 40% e 610 WEISMANN u. ISCHIKAW.A, Untersuch. zum Zahlengesetz d. Richtungskörper. Fig. 27. Estheria cycladoides. Schnitt durch ein vor drei Stunden in Fig. Fig. Fig. Fig. in den Brutraum ausgetretenes Ei. A‘ 1 und 2 die beiden primären Richtungskörper, darunter im Dotter die beiden Geschlechtskerne un- mittelbar vor ihrer Copulation (Zik + Spk). Vergröss. Sem. I/V = 330. 27 A. Die Richtungskörper desselben Schnittes bei Ser. I/VII. 27 B. Die beiden Geschlechtskerne bei Sers. I/VIL Tafel XXVIII. drei Figuren stellen Schnitte aus befruchtungsbedürftigen Eiern von Spathegaster tricolor dar, gezeichnet bei Sets. IVII. . 28. Ei kurze Zeit nach der Ablage getödtet. AA 1 und 2 die beiden primären Richtungskörper, Eik der Eikern und Spk möglicherweise der Spermakern. 29. Etwas später getödtetes Ei. Cop die beiden in Copulation be- findlichen Geschlechtskerne, Ak 1 und 2 die Richtungskörper. 30. Nach vollendeter Copulation der Kerne; F4 der Furchungskern, Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 474 Beiträge zur Histologie der Insekten, Von Dr. Cäsar Schäffer. (Aus dem Zoolog. Institut in Freiburg i. B.) Hierzu Taf. XXIX u. XXX. I. Ueber „Bauchdrüsen“ bei Schmetterlingslarven. Taf. XXIX, Fig. 1-22. Ursprünglich mit der Untersuchung der Flügelentwicklung bei Schmetterlingen beschäftigt, wurde ich bald durch verschiedene zu- fällige Funde von dem ersten Thema abgelenkt, um diesen interessanten Einzelheiten nachzugehen. So machte ich eine Anzahl nicht innerlich, sondern nur äusserlich in Bezug auf das Material zusammenhängender Beobachtungen, von denen zunächst zwei Gruppen vorliegen: die Be- obachtungen über Bauchdrüsen bei Schmetterlingslarven und die in der darauf folgenden Mittheilung behandelten über Blut- bildungsherde bei Insektenlarven. Das Technische schicke ich hier für beide Themata vorauf. — Was die Conservirung angeht, so habe ich die plötzliche Abtödtung der Raupen mit etwa 35-procentigem Alcohol, der bis zum Aufsteigen von Blasen erhitzt war, als sehr brauchbar befunden. Die weitere Härtung erfolgte in Alcohol. Die Schnitte wurden mit Eiweiss- Glycerin oder Nelkenöl-Collodium aufgeklebt und auf dem Objectträger gefärbt mit Boraxcarmin oder direkt aus Campechefarbholz bereitetem Hämatoxylin. Die besten Bilder gab die Hämatoxylinfärbung, be- sonders wenn mit sehr schwacher Salzsäure ausgezogen und darauf mit Ammoniak neutralisirt wurde. Bei der Behandlung mit Ammoniak empfiehlt sich das Eiweissgemisch zum Aufkleben nicht, da das Eiweiss angegriffen wird und leicht Schnitte verloren gehen. Das Nelkenöl- Collodium leistete hier vorzügliche Dienste, Zool, Jahrb. III, Abth, f, Morph, 41 612 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, id Was die unter dem zweiten Thema behandelten Larven von Musca speciell angeht, so erzielte ich mit Boraxcarmin dort nur sehr schlechte Kernfärbung, besonders bei jungen Larven. Ueberhaupt lieferten mir alle jungen Larven, auch bei Lepidopteren, weit weniger gut differenzirte Bilder als ältere. In allen diesen Fällen empfiehlt sich die Hämatoxylinfärbung. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, meinem verehrten Lehrer, Herrn Geheimrath WEISMANN, in dessen Institut die vorliegenden Arbeiten ausgeführt wurden, für die viele von ihm erhaltene Anregung meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Dank schulde ich ferner Herrn Professor GRUBER sowie Herrn Privatdocenten Dr. ZIEGLER, welcher Letztere stets meinen Arbeiten das lebhafteste Interesse ent- gegenbrachte. — Meinem ehemaligen Lehrer, Herrn Professor Dr. K. KRAEPELIN in Hamburg, dem ich die erste Grundlage in meinem zoologischen Wissen verdanke, möge der öffentliche Dank ein Zeichen meiner Verehrung sein. A. Die Bauchdrüse der Raupe von Hyponomeuta evonymella. I Anatomisches. Als „Bauchdrüse“ bezeichne ich einen Schlauch, der, im Meta- thorax beginnend, an der Bauchseite der Raupe nach vorn verläuft und am vordersten Rand des Prothorax auf einer mit zwei Retractoren versehenen kegelförmigen Vorstülpung der ventralen Körperwand aus- mündet. Der Mündungskegel ist schräg nach vorn und nach unten gerichtet. In Fig. 2 sind Kopf und zwei Thorakalsegmente der Raupe in Umrissen gezeichnet. Bei % sieht man den Kegel mit der spalt- förmigen Mündung des Organs. Was die äussere Beschaffenheit des Organs betrifft, so hat man es mit einem Schlauch (Fig. 1) zu thun, der, wie der Querschnitt (Fig. 3 und in Fig. 15 bei b) belehrt, von oben nach unten bedeutend zusammengedrückt ist. Derselbe verschmälert sich nach dem blinden Ende zu ziemlich plötzlich. Ein reichliches, aus mehreren grösseren Stämmen hervorgehendes Tracheensystem umspinnt das Organ (Fig. 1). 1) Der Wahrscheinlichkeitsbeweis für die Drüsennatur des Organs folgt weiter unten im physiologischen Abschnitt. Beiträge zur Histologie der Insekten. 613 Schon äusserlich kann man an dem frisch aus der Raupe heraus- präparirten Schlauch (Fig. 1) deutlich zwei Abschnitte unterscheiden. Der dem blinden Ende angehörige Abschnitt zeichnet sich bei schwacher Vergrösserung aus durch eine feine Punktirung und Strichelung, die, wie man bei stärkerer Vergrösserung am Rande des Schlauches deutlich wahrnehmen kann, von dem Vorhandensein einer mit kleinen spitzen, unten ziemlich stark verbreiterten Borsten besetzten dicken Cuticula herrührt (Fig. 4). Besonders gut kann man dieselben erkennen, wenn man die Zellen abträgt. Der zweite Abschnitt des Schlauches ist charakterisirt durch eine viel dünnere Cuticula ohne Borsten, sowie durch eine runzlige Ober- fläche. Dass thatsächlich eine cuticulaartige Membran auch hier vor- handen ist, lässt sich leicht wahrnehmen, wenn man die ihr aufliegende Zellenschicht abträgt. Es bleibt alsdann ein sehr dünnes, zusammen- hängendes, homogenes Häutchen übrig. Beide Theile des Organs sind scharf gegen einander abgegrenzt. Ueberall kann man bei stärkerer Vergrösserung scharfe Zellgrenzen sowie Kerne wahrnehmen. Was man so am nicht conservirten Organ sieht, lässt sich leicht an einem Längsschnitt wie in Fig. 5 (aus einem Sagittalschnitt durch die Raupe) bestätigen. Dasselbe ist danach gebildet von einer ein- fachen Zellenschicht, in der jedoch die Zellen nicht durch Membranen von einander getrennt sind. Die beiden Abschnitte des Schlauches grenzen sich deutlich gegen einander ab: der stark cuticularisirte Theil mit Borsten und der der Mündung genäherte runzlige Theil mit schwacher Cuticula. Man sieht, dass die Borsten der Körperoberfläche an der ventralen Seite (v) eine kurze Strecke in den Schlauch ein- dringen. Das runzlige Aussehen dieses Abschnittes sowie die scharfe Abgrenzung der Zellen gegen einander auf Totalpräparaten rührt, wie sich erkennen lässt, von einem bedeutenden Vorspringen der Zellen der Wandung gegen die Leibeshöhle her. — Die oben erwähnten beiden Retractoren, die sich an der Mündung des Kegels befinden, sind auf Sagittalschnitten nicht deutlich zu erkennen. Der auf Fig. 6 abge- bildete Theil eines Querschnittes durch die Raupe, geführt in der Nähe der Mündung, zeigt dieselben jedoch. Die Muskeln (r) gehen direkt in das Epithel des Schlauches über. Bei h sieht man die Hypodermis, die bei h, tangential getroffen ist und in das Epithel des Organs übergeht. Ihren zweiten Ansatzpunkt haben die Retractoren zu beiden Seiten der dorsalen Körperwand des Thieres. Soviel über die äussere Beschaffenheit. Für die Beurtheilung der 41* 614 Dr. CÄSAR SCHÂFFER, Function des Organs ist es wichtig, die feinere Structur kennen zu lernen. — Betrachtet man zu diesem Zweck den Schlauch, so wie er aus dem frischen Thier herauspräparirt ist, so fällt es auf, dass in dem runzligen Abschnitt, wie ich den der Mündung ge- näherten vorderen Theil von jetzt ab nennen will, die Kerne von kleinen hellen Bläschen dicht umlagert sind. Das stellt Fig. 7 dar. Der Kern besitzt im Innern kleine dunkle Körperchen, die in Form von schwarzen Punkten erscheinen. Tödtet man das Organ mit kaltem Sublimat ab und färbt nach Härtung in Alcohol mit Hämatoxylin, so zeigt ein solches Totalpräparat genau dasselbe Bild. Auf Schnitten finden sich die Bläschen ebenfalls wieder. Fig. 8 zeigt eine Zelle aus einem Querschnitt durch den runzligen Theil zur Hälfte dargestellt. Man sieht auch hier den Kern dicht von Bläschen (s) umlagert. In Fig. 9 ist ein Bild dargestellt, wie es sich bei einem mit Hämatoxylin gut gefärbten Längsschnitt durch das Organ einer ziemlich alten Larve ergiebt: den Kernen sind kleine Bläschen angelagert, ausserdem aber hat das Protoplasma in der Nähe des Lumens durch Bildung von Vacuolen ein blasiges Aussehen angenommen. — Was die Form der Kerne in dem runzligen Abschnitt betrifft, so zeigt sowohl das frische Objekt als auch das conservirte durchweg ziemlich rundliche Kerne ohne jede Verzweigung. Demgegenüber ist die Form der Kerne des mit Borsten ver- sehenen hinteren Abschnittes eine ganz andere. Am blinden Ende finden sich allerdings noch ziemlich runde Kerne (Fig. 10 a). Bald aber nehmen dieselben eine unregelmässigere Gestalt an (Fig. 10 b), um schliesslich sich deutlich zu verzweigen (Fig. 10 c). An der Uebergangsstelle der beiden Abschnitte hört ganz plötzlich diese un- regelmässige Gestalt auf und macht der rundlichen Form der Kerne des runzligen Theiles Platz. Bemerkenswerth sind die Spalten zwischen den Zellen und die Vertheilung des Plasmas in denselben. Wie näm- lich Fig. 11 bei sp zeigt, dringen von der Cuticula her tiefe Spalten zwischen die Zellen ein, Spalten, die bei der Betrachtung des nicht conservirten Organs die oben erwähnte Abgrenzung der verschiedenen Zellen der Wandung gegen einander ermöglichen. Die Cuticula ist an keiner Stelle mit in diese Spalträume eingestülpt. Erfüllt sind die Lücken mit derselben hyalinen Masse, von der jetzt auch bei der Vertheilung des Plasmas in der Zelle die Rede sein wird. Während nämlich um den Kern herum eine grössere Masse von Plasma liegt, erstrecken sich auf Schnitten fingerförmige Fortsätze (Fig. 11) gegen die Cuticula hin. Zwischen den Enden der Fortsätze und der Cuticula Beiträge zur Histologie der Insekten. 615 einerseits und den Fortsätzen selbst andererseits ist eine Masse ein- gebettet, die sich bei Hämatoxylinfärbung nicht mitfärbt und daher ziemlich scharf von dem Plasma abgegrenzt ist. Ein Tangentialschnitt durch eine solche Zelle in der Gegend, wo diese scheinbare Zerschlitzung des Plasmas stattgefunden hat, zeigt jedoch (Fig. 12), dass man es hier mit einem Netzwerk oder vielmehr mit einem Wabensystem zu thun hat, bei dem die Wände vom gefärbten Plasma, der Inhalt von der hellen ungefärbten Masse gebildet sind. — Die in Fig. 11 ge- zeichnete zarte Membran, die diesen Abschnitt des Organs gegen die Leibeshöhle abgrenzt, ist vollkommen structurlos. Sie ist also wohl von den Zellen der Wandung abgeschieden und als Tunica propria zu bezeichnen. Die tiefen Buchten, welche von der Leibeshöhle her zwischen die Zellen eindringen, scheinen mir theilweise Kunstproduct zu sein, da ich sie nicht auf allen Präparaten von dieser Tiefe finde. — Schliesslich wäre noch hervorzuheben, dass die hellen Tröpfchen oder Bläschen, die für die Zellen des runzligen Abschnittes charac- teristisch sind, hier vollkommen fehlen. Auch in Bezug auf die ge- sammte übrige Plasmastructur ist der Uebergang in den andern Ab- schnitt ein ganz plötzlicher. Die bisherige Schilderung des Organes geschah nach Befunden an ganz oder fast ganz erwachsenen Raupen, etwas anders ist das Aussehen desselben bei jüngeren Thieren. Untersucht man frisch aus dem Ei geschlüpfte Raupen auf Schnitten, so ist an dem dem Volumen nach erst gering entwickelten Organ keine Differenzirung in die beiden definitiven Abschnitte wahrzunehmen. — Anders verhält es sich bei Raupen von 5—6 mm Länge!). Bei ihnen finden sich schon zwei deutlich gesonderte Abschnitte vor. Am blinden Ende ist bereits eine starke Cuticula mit Borsten gebildet. Ebenso ist die Spaltung der Zellen bereits vor sich gegangen. Es ist die Cuticula also jedenfalls schon in einem Stadium ausgebildet worden, in dem die Spalten zwischen den Zellen noch nicht vorhanden waren. Hingegen fehlt die in älteren Stadien (Fig. 11) auf Schnitten als Zerschlitzung des Zell- plasmas erscheinende Structur, die „Wabenbildung“, wie ich sie kurz nennen will. — In dem runzligen Abschnitt ist keine wesentliche Ab- weichung von dem Verhalten bei grösseren Raupen zu bemerken. 1) Ich bemerke, dass sich die Grössenangaben auf Thiere beziehen, die mit heissem 35-procentigem Alkohol getödtet waren. Es findet fast durchweg bei dieser Tödtung ein ziemlich starkes und gleichmässiges Aus- strecken des Thieres statt. 616 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Höchstens wäre zu erwähnen, dass das „blasige Aussehen“ des Plasmas in der Nähe des Schlauchlumens nicht so deutlich ausgeprägt ist wie in älteren Stadien. — Dass bei der geringen Grösse des Thieres auch die Bauchdrüse weit weniger ausgedehnt ist als in den älteren Stadien, dürfte selbstverständlich sein. Die deshalb erforderliche Annahme eines Wachsthums wird im nächsten Abschnitt der Deutung des Organs Schwierigkeiten in den Weg legen. Il. Physiologisches. Nachdem ich so den Bau des Organs klar gelegt zu haben glaube, gehe ich zur Erörterung seiner Function über. Da deutet nun zunächst die Beschaffenheit der Zellen entschieden auf eine secernirende Thätigkeit hin. Ich erinnere an die verhält- nissmässig grossen Kerne, die sich in dem hinteren, stark cuticula- risirten Abschnitt des Schlauches sogar schwach verzweigen (Fig. 10 a, b, c)!). — Dafür spricht ferner das blasige Aussehen des am Lumen des Organs gelegenen Plasmas im runzligen Abschnitt sowie die Umlagerung des Kerns mit kleinen hellen Bläschen, vorausgesetzt, dass man die Bläschen für Secret führend hält, eine Annahme, zu der ich mich genöthigt sehe, da ich denselben sonst gar keine Bedeutung zuzuschreiben vermag ?). 1) E. KorscxeLr spricht es in seiner Zusammenstellung verzweigter und anderer Kerne (‚Die Bedeutung des Kernes für die thierische Zelle“ in: Sitzungsber. d. Ges. naturf. Freunde. Berlin 19. Juli 1887) aus, „dass besonders Zellen mit secernirender Function sehr voluminöse und in vielen Fällen sogar stark verzweigte Kerne haben“ (p. 129). — Es sei mir erlaubt, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich in der Arbeit von C. Caux „über den Bau, die Entwicklung und physiologische Bedeutung der Rectaldrüsen bei den Insecten“ (Dissertation, Frankfurt a. M. 1875) eine bisher unbeachtete Angabe über stark verästelte Kerne im Mastdarm von Raupen findet (l. c., Taf. I, Fig. 5). Auch macht Caun schon darauf aufmerksam, dass die verästelten Kerne ,,characteristisch sind für die Zellen secernirender Organe“ und sagt zum Schluss: ,,Jeden- falls scheint dies auf eine rege Theilnahme des Kernes bei der Secretion hinzudeuten, denn durch die Verästelung findet eine beträchtliche Flächen- vergrösserung statt (p. 23 der Dissertation). 2) Wenn man es hier wirklich mit Secret führenden Bläschen zu thun hat, dann reiht sich dieser Fall den von E. Korscuetr (in: Sitzgsbr. Ges. naturf. Freunde, Berlin 19. Juli 1887 und Biologisches Centralblatt Bd. 8, p. 110) und H. E. Zrecrer („Die Entstehung des . Blutes bei Knochenfischembryonen“ in: Arch. für mikr. Anatomie, Bd. 30, p. 610—614) Beiträge zur Histologie der Insekten. 617 Sodann möchte ich die hellen Bahnen, die im cuticularisirten Ab- schnitt von der Cuticula her in das Plasma eindringen, für Secret- bahnen halten, wiederum aus dem einfachen Grunde, weil ich keine andere Deutung wüsste. Auch scheint mir bei den von LEYDIG, CLAUS und Nusspaum!) beschriebenen Drüsen von Argulus foliaceus ein analoger Fall vorzuliegen. Es ist in diesen kugligen Zellen eine nach dem Ausführungsgang zusammenlaufende Streifung vorhanden. Nuss- BAUM hat experimentell die Secretnatur der körnigen Streifen nach- gewiesen. Das führt zu dem Gedanken, dass auch in dem vorliegenden Fall die Streifen und zwar die hellen, nicht färbbaren Streifen Secret sind. Wenn man nun auch ohne Weiteres den runzligen Abschnitt als secernirend gelten lassen kann, so bereitet dagegen im hinteren Theil die starke Cuticula Schwierigkeiten, wenigstens ist eine Secretion durch die sehr dicke Cuticula hindurch auf den ersten Blick unwahr- scheinlich. Wenn man jedoch bedenkt, dass auch in manchen andern Fällen eine leichte Durchdringlichkeit chitinöser Ausscheidungen an- genommen werden muss, so z. B. bei dem langen sicherlich resor- birenden und doch chitinisirten Enddarm des Flusskrebses oder, um ein anderes Beispiel zu nehmen, bei der Tracheenintima der Insecten, dann kann das Vorhandensein der Cuticula an dem blinden Ende des Schlauches keinen absolut stichhaltigen Einwand darbieten. Ueberhaupt muss man sich immer gegenwärtig halten, dass das, was man unter dem Namen Chitin zusammenfasst, wahrscheinlich höchst verschieden- artiger Natur ist. Allerdings glaube ich durch diese Erörterung den Einwand gegen die Drüsennatur des hinteren Abschnittes, nämlich zusammengestellten Fällen von sichtlicher Antheilnahme des Kerns an der Thätigkeit der Zelle an. Denn die hellen Bläschen scheinen mir dicht um den Kern herum sich zu bilden und von dort nach dem Lumen zu vorzurücken. Die Lagerung dicht an der Peripherie des Kerns (vergl. z. B. Fig. 7) deutet dann wohl auf eine Beeinflussung der Secretion durch denselben hin. — Neuerdings hat auch M. Verrworn (Biologische Pro- tozoen-Studien, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 44) ein neues Beispiel für Kernthätigkeit bei Secretion geliefert, indem er beobachtete, dass bei verletzten Exemplaren von Po/ystomella crispa eine Regeneration der com- plicirten Schale (durch Secretion) nur dann stattfindet, wenn das betr. Theilstück des Protozoons noch den Kern enthält. 1) F. Leynie, Ueber Argulus foliaceus, Zeitschr. f. w. Zool., Bd. 2, 1850. C. Craus, Ueber die Entwicklung, Organisation und systematische Stellung der Arguliden, Z. f. wiss. Zool., Bd. 25, 1875. M. Nusskaum, Bau und Thätigkeit der Drüsen, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 21. 618 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, wegen des Vorhandenseins der Cuticula, keineswegs ganz entkräftet zu haben. — Mit der Function der Cuticula bleibt ebenso die Function der Borsten unklar. Vielleicht dienen sie dazu, den Schlauch gegen Collabiren in Folge des Druckes der Leibeshöhlenflüssigkeit zu schützen, eine Idee, die sich nach Betrachtung der Verhältnisse bei Harpyia aufdrängt und dort weiter ausgeführt werden wird. Wenn man nun trotz der erwähnten Einwände annehmen will, dass hier ein Organ von wesentlich secretorischer Function vorliegt, dann fragt es sich vor allem, warum auf Schnitten sich im Lumen kein Secret vorfindet. Dass in Wirklichkeit irgend eine Flüssigkeit und nicht etwa Luft in dem Schlauch vorhanden ist, das macht der folgende Versuch wahrscheinlich: Wenn man nämlich die ziemlich er- wachsene Raupe am Kopf und am Abdomen mit Nadeln in einem Schälchen fixirt, und zwar mit nach oben gewendeter Bauchseite, und nun, während man die Ausmündungsstelle der Drüse unausgesetzt unter der Lupe beobachtet, Alkohol über das Thier giesst, so sieht man keine Luftblasen aufsteigen, auch nicht bei gelindem Druck. Aus den Tracheen dagegen entweicht Luft. — Auch wenn man das Organ unter Wasser aus dem frischen Thier herauspräparirt, ist keine Luft in demselben wahrzunehmen. Man kann danach also mit einiger Sicherheit auf das Vor- handensein eines Secrets schliessen. Da dasselbe jedoch auf Schnitten nicht sichtbar ist, so muss es schon ein nicht gerinnendes Secret sein, und es drängt sich die Idee auf, dass hier vielleicht ein ähnliches Vertheidigungsorgan vorliegt, wie das bei der Raupe von Harpyia bereits bekannte, also ein Organ, welches eine Säure ab- sondert. Ich habe nun wiederholt sowohl ältere als auch jüngere Raupen von Hyponomeuta gereizt und durch Lakmus- und Curcumapapier irgend ein saures oder alkalisches Secret nachzuweisen versucht, aber niemals irgend welche Reaction erhalten. Bei Raupen von Harpyia gelang mir dieses jedoch sehr gut, wenn auch nicht immer, letzteres vielleicht, weil die Raupen zu jung waren. Die oben geäusserte An- sicht, dass hier ein Vertheidigungsorgan vorliegt, ist also keineswegs bewiesen, immerhin bedeutet der mangelnde Nachweis noch keine voll- ständige Negation. Mit dem ganzen Organ bleiben dann auch die am Mündungskegel sich ansetzenden Retractoren vorläufig ihrer Function nach dunkel. Noch auf eine letzte Schwierigkeit möchte ich hier aufmerksam machen: Es fragt sich, in welcher Weise Flächenvergrösserung der Beiträge zur Histologie der Insekten. 619 Cuticula vor sich geht. Das Epithel des Schlauches vergrössert sich doch von dem ersten Auftreten der Cuticula in der ziemlich jungen Raupe bis zur erwachsenen Raupe ganz bedeutend. Man muss des- halb annehmen, dass die nicht wachsthumsfähige Cuticula mit dem Chitinpanzer zusammen bei der Häutung der Raupe abgeworfen wird, wie ich das bei der unten zu behandelnden Gabelschwanzraupe auch nachweisen konnte. Wenn das aber der Fall ist, dann ist die Neu- bildung der Cuticula dem Bau des Wandungsepithels nach vollkommen unklar. Denn wie in dem blinden Abschnitt eine zusammenhängende Cuticula von einer von Secret (?) führenden Spalträumen vollkommen durchsetzten Zellenschicht abgeschieden werden kann, das dürfte vor- läufig unverständlich bleiben. Bei den gleich zu beschreibenden ähn- lichen Drüsen von Harpyia vinula und Plusia gamma ist zwar eben- falls eine Cuticula vorhanden, die Matrix stellt aber in diesen Fällen eine continuirliche Zellenschicht vor. Die Erneuerung der Cuticula bei der Häutung bedarf also in diesen Fällen keiner weiteren Er- klärung. Nach den vorhergegangenen Erörterungen scheint mir aber das Eine in hohem Grade wahrscheinlich gemacht zu sein, dass in dem beschriebenen Organ thatsächlich eine Drüse vorliegt, wodurch der Eingangs angewandte Name „Bauchdrüse“ seine Berechtigung erhält. B. Die Bauchdrüse der Raupe von Harpyia vinula. I. Anatomisches. Es ist längst bekannt, dass die Raupe von Harpyia vinula aus einem „unter dem Kopf“ gelegenen Spalt eine Flüssigkeit ausspritzt, die ihr wohl zur Vertheidigung gegen Angriffe von Seiten ihrer Feinde dient. Dieser Spalt erscheint aber nur dann unterhalb des Kopfes gelegen, wenn, wie das bei der Vertheidigungsstellung, die die Raupe einnehmen kann, der Fall ist, Kopf und Thorakalsegmente in einander geschoben sind. In Wirklichkeit liegt die Oeffnung ebenso wie bei Hyponomeutaraupen vor dem ersten Beinpaar an der Bauchseite des Prothorax. — Diese Lage der Mündung der Drüse fordert zu einem Vergleich mit dem beschriebenen Organ von Hyponomeuta in Bezug auf die Histologie heraus. Meines Wissens hat bisher ausser PouLton noch Niemand das Drüsenorgan von Harpyia untersucht. Aber auch die von dem ge- 620 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, nannten Autor gegebene Beschreibung giebt nur die äussere Form der Drüse, ohne auf den feineren Bau einzugehen. Zuerst hat Poutron'!) das Organ bei Harpyia (Dicranura) fur- cula L. beschrieben. Dasselbe, ganz im Prothorax gelegen, sollte aus sechs Schläuchen bestehen, die bei Anwendung von Druck ausgestülpt würden. In einer späteren Mittheilung?) hat der Verf. diese Angabe widerrufen und zwar in Folge einer Nachuntersuchung an Harpyia vinula L. — „Zu Beginn des letzten Larvenstadiums“ hat er schon durch „leichten Druck“ eine Ausstülpung der Drüse hervorgerufen. Er beschreibt dieselbe im ausgestülpten Zustande als aus fünf Schläuchen bestehend, nämlich einer mittleren Tasche und zwei Schläuchen zu beiden Seiten dieser Tasche. Seine Fig. 7 zeigt die seitlichen Schläuche von nahezu gleicher Länge. Ich habe das nicht ausgestülpte Organ?) nun auf Schnitten untersucht. Es erscheint danach thatsächlich fünftheilig, nur erschienen mir zwei der vier seitlichen Schenkel (in PourLron’s Figur die unteren) nicht so lang, wie Pourrox sie zeichnet. Doch kann das daher rühren, dass ich bedeutend jüngere Raupen untersuchte als er. Die Ausmündung des Organs ist nach einem Querschnitt durch die Raupe etwas schematisirt bei schwacher Vergrösserung in Fig. 13 dargestellt. Bei ms ist der mittlere Schlauch getroffen, wie er im Begriff ist, sich abzuzweigen. Bei ss sind die seitlichen Schläuche geschnitten. Der untere derselben verschwindet auf den folgenden Schnitten bald, während der obere noch auf mehreren Schnitten an- getroffen wird. Daraus ergiebt sich die geringere Länge des unteren Schenkels, die ich oben erwähnte. Die Cuticula c verliert beim Eintritt in das Organ ihre Borsten und kleidet dasselbe als dünnes (auf dem Schnitt von der Matrix abgehobenes) Häutchen vollkommen aus. — Was den feineren Bau der Schläuche angeht, so unterscheidet sich der mittlere wesentlich von den äusseren. Fig. 14 stellt einen Theil der Wandung (aus einem Querschnitt durch den mittleren Schlauch) desselben dar. Bei ¢r ist eine an das Organ herantretende Trachee getroffen. Bei ce sieht man, wie die Cuticula sich unregel- mässig zwischen die Zellen hineinbuchtet. Auf diese Weise werden ziemlich tief eindringende Spalträume hervorgebracht. Bei c, ist ein 1) in: Trans. Ent. Soc. Lond. 1886, Part. 2. 2) Epwarp B. Pourron, Notes in 1886 upon lepidopterous larvae etc., in: Trans. Ent. Soc. Lond. 1887, Part. 3. 3) Ueber die von Pourron beobachtete Ausstülpung werde ich mich weiter unten aussprechen. Beiträge zur Histologie der Insekten. 621 solcher Spaltranm nicht in Verbindung mit dem Lumen getroffen. Der Schlauch ist gegen die Leibeshöhle hin von einer structurlosen Haut, Tunica propria (2), bekleidet. Die von der Leibeshöhle her in die Zellenschicht eindringenden Spalten halte ich für künstlich, durch die Conservirung etc. hervorgerufen, jedenfalls stehen sie nicht im Zu- sammenhang mit den vom Lumen vordringenden Spalten und besitzen keine Cuticula. Was die Kerne des mittleren Schlauches betrifft, so sind sie von ziemlich unregelmässiger Gestalt. Das tritt auf Quer- und Längsschnitten durch die Wandung nicht deutlich hervor, wohl aber auf Tangentialschnitten. Die Kerne verzweigen sich schwach, wie Fig. 15 zeigt. Auch die verzweigten Kerne von Hyponomeuta (Fig. 10) und Plusia gamma (Fig. 22) sind im Tangentialschnitt ge- sehen, Querschnitte zeigten die Verzweigung nicht deutlich. Daraus folgt, dass die Verzweigung nicht allseitig stattfindet, überhaupt nicht nach dem Lumen des Schlauches hin, sondern in einer der Peripherie des Lumens parallelen Fläche !). Das Epithel der seitlichen Schläuche stellt sich im Quer- schnitt wie in Fig. 16 dar. Es ist niedriger als dasjenige im mittleren Schlauch, aber ebenfalls von einer Cuticula (c) bekleidet. Die Kerne sind (auch im Tangentialschnitt) nicht verzweigt, sondern oval. Gegen das Lumen hin wölben sich die Zellen vor und tragen ein sich langsam zuspitzendes Haar (ha). — In keinem der Schläuche, auch nicht im mittleren, konnte ich derartige Secretballen nachweisen wie bei der Hyponomeutaraupe. Als Retractoren dienen für das Organ zahlreiche Muskeln, deren sich mehrere an jedem Schlauch ansetzen. Ihren zweiten An- satzpunkt haben dieselben an verschiedenen Stellen der Hypodermis, und zwar zum Theil an den von der äusseren Hypodermis in das Innere vorspringenden Leisten, welche auch als Fixirungspunkte für die Muskeln des complieirten Retrahirapparates für Kopf und Thorax dienen. Ich sehe von einer genaueren Beschreibung dieser Muskeln ab, da mit derselben zugleich eine eingehende Darstellung der Hypo- dermisleisten, also des Retrahirapparates, verbunden werden müsste. Was die Versorgung des Organs mit Tracheen angeht, so wird dieselbe wohl in ähnlicher Weise stattfinden wie bei Hyponomeuta. 1) Ebenso verhalten sich die verzweigten Kerne der Spinndrüsen bei den Raupen. 622 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Die ganz feinen Tracheenäste konnte ich auf Schnitten nicht erkennen, doch sah ich grössere Aeste an das Organ herantreten (Fig. 14). — Präparation am frischen Thier konnte ich aus Mangel an Material nicht mehr vornehmen. Die bisherige Schilderung des Organs erfolgte nach Raupen, die etwa ‘|, ihrer definitiven Grösse erreicht hatten. Ich habe ausserdem zum Vergleich eben aus dem Ei geschlüpfte Thiere unter- sucht. Dieselben zeigten in sämmtlichen Schläuchen vollkommen glatte, von einer Cuticula bekleidete Epithelien ohne Faltungen oder Vor- ragungen der Zellen gegen das Lumen. Die Haare der seitlichen Schläuche und die Falten des mittleren Schlauches entstehen also erst im Laufe des Larvenlebens. IJ. Physiologisches. Was die Physiologie des Organcs betrifft, so steht fest, dass eine Säure in demselben ausgeschieden wird, dass es also drüsiger Natur ist. Schon in einem 1797 erschienenen, „Unterhaltungen aus der Naturgeschichte“ betitelten Werk, dessen Autor ich leider nicht angeben kann, finde ich nämlich die Angabe, dass die Harpyiaraupe „auf einen Fuss weit einen sehr scharfen Saft“ ausspritzt, „der auf der Zunge wie Weinessig schmeckt, in einer Wunde unerträgliche Schmerzen macht und blaues Papier plötzlich roth färbt.“ — Des- gleichen giebt Pourron die Abscheidung einer Säure an. — Meine Versuche bestätigen das. Wenn ich nämlich Raupen durch Berührung reizte, erzielte ich häufig das Ausspritzen eines Secrets, das sich sowohl durch seinen Geruch als auch durch die Röthung des blauen Lakmus- papiers als Säure zu erkennen gab. Wenn nun so das Organ als Ganzes auch in seiner Function er- kannt wäre, so macht doch die Deutung der einzelnen Theile einige Schwierigkeiten. — Pouzrox halt den mittleren Schlauch für ein Reservoir. Das möchte ich nicht annehmen. Denn gerade in diesem Theil weist die Grösse der Zellen und die Verzweigung der Kerne entschieden auf eine secretorische Thätigkeit hin. Das Auf- treten der Spalten zwischen den Zellen würde in diesem Sinne als eine Oberflächenvergrösserung behufs schnelleren Austritts des Secrets in das Lumen aufzufassen sein. -- Die Cuticula, die hier bedeutend dünner ist als in dem hinteren Abschnitt des Organs von Hyponomeuta, bereitet der Annahme, dass dieser Theil secernirt, kaum Schwierigkeiten, der mittlere Schlauch dürfte also mit vielem Recht als der drüsige Theil bezeichnet werden. Beiträge zur Histologie der Insekten. 623 Schwieriger lassen sich die seitlichen Schläuche, deren Structur durch Fig. 16 dargestellt ist, deuten. Die regelmässige Form der verhältnissmässig kleinen Kerne widerspricht zwar der Annahme einer secernirenden Thätigkeit nicht, weist aber auch keineswegs darauf hin. — Wenn diese Theile des Organs kein Secret absondern, dann könnte man dieselben vielleicht als Reservoire für das Secret des mittleren Schlauches auffassen. Bei dieser Annahme könnte man dann vermuthungsweise den Haaren die Function zuschreiben, dass sie die Schläuche gegen Collabiren in Folge des normalen Drucks der Organe und der Flüssigkeit der Leibeshöhle schützen. Um sich ein Ausspritzen von Secret zu erklären, brauchte man alsdann nur eine gewisse Biegsamkeit dieser die Wandungen der Schläuche von einander haltenden Haare und einen durch besondere Muskelcontractionen so weit erhöhten Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit anzunehmen, dass der- selbe den Widerstand der Haare zu überwinden im Stande wäre. Noch weiter könnte das Lumen verengt werden durch Vorschieben und Faltung der Schläuche gegen die Ausmündung hin. Auch die er- wähnten Retractoren erhalten auf diese Weise ihre Function zuge- gewiesen, nämlich durch Zurückziehen der Schläuche eine Ausglättung der Wandung zu bewirken. Ob bei normaler Function des Organs eine Ausstülpung über- haupt oder in solchem Umfange erfolgt, wie sie durch PouLTon künstlich hervorgerufen wurde, muss ich dahin gestellt sein lassen. Bemerken will ich, dass ich niemals eine derartige Ausstülpung habe bewirken können, auch nicht bei ziemlich starkem Druck. Allerdings standen mir auch Keine so weit ausgewachsenen Raupen zur Verfügung, wie die waren, mit welchen POULTON experimentirte. C. Die Bauchdrüse der Raupe von Plusia gamma. LL Anatomisches Bei mehreren conservirten Exemplaren der Raupe von Plusia gamma bemerkte ich an der Bauchseite des Prothorax genau an der Stelle, wo bei Hyponomeuta der Miindungskegel liegt, einen Fortsatz, der mich zu näherer Untersuchuug der Raupe veranlasste. Es stellte sich dabei heraus, dass auch hier eine im Prothorax gelegene Bauch- drüse sich vorfindet. Fig. 17 giebt ein Schema, das die normale Lage des nicht ausgestülpten Organs zeigt, wie ich sie mir nach einer Serie 624 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, von Querschnitten durch eine junge Raupe construirte. Es stellt einen einfachen, zweimal eingeknickten Schlauch vor. An demselben sind zwei Abschnitte zu unterscheiden: ein drüsiger (dr, in der Figur schraffirt dargestellt) und ein ausführender (a). Bei % ist die Hypo- dermis angedeutet, in welche die Schlauchwandung continuirlich übergeht. Als Retractoren sind zwei Paare von Muskeln zu bezeichnen, die sich an den Schlauch ansetzen. Das eine Paar (r) befestigt sich an der Uebergangsstelle vom drüsigen zum ausführenden Theil, das andere (r,) in der Mitte des ausführenden Theiles. Beide Paare inseriren sich mit ihrem andern Ende an der seitlichen Körperwand des Thieres. Aus dem Schema ergiebt sich, dass, wenn man einen Querschnitt durch die Raupe an derjenigen Stelle führt, wo der drüsige Theil des Organs in den ausführenden übergeht, beide Paare von Retractoren getroffen werden müssen. Fig. 18 zeigt einen solchen Querschnitt: dr ist der Schnitt durch die erwähnte Uebergangspartie, e der Tangential- schnitt durch die Wandung an der Einknickuugsstelle des ausführenden Theiles, r und r, die Retractoren, ¢ die den ganzen Schlauch aus- kleidende Cuticula. Beim Tödten der Raupen mit heissem Alcohol wurde in den meisten Fällen ein Ausstülpen des ausführenden Abschnitts hervorge- rufen, wohl durch den bei den heftigen Contractionen des Thieres er- höhten Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit. Fig. 19 zeigt das Organ in diesem ausgestülpten Zustande nach einem Querschnitt durch eine halb erwachsene Raupe. dr stellt das Epithel des drüsigen Abschnites, a das sehr dünne Epithel des ausführenden Abschnittes dar. Bei b ist das letztere etwas anders ausgebildet als an anderen Stellen, wie das bei stärkerer Vergrösserung in Fig. 20 gezeichnet ist. Bei e ist in Fig. 19 die mit Borsten versehene Cuticula der Hypodermis, bei c, die sehr dünne borstenlose Cuticula des ausführenden Abschnittes und des drüsigen Theiles dargestellt. — Es ergiebt sich daraus, dass die Ausstülpung nur bis zum Beginn des drüsigen Abschnittes, d. h. bis zum Ansatz der hinteren Retractoren (r in Fig. 17 und 18) statt- findet. — Zur weiteren Erklärung des Baues der Drüse wäre dann noch der in Fig. 21 gegebene Querschnitt durch den drüsigen Ab- schnitt (von einer ziemlich jungen Raupe) zu vergleichen. Im Innern liegt die bei der Conservirung abgehobene dünne Cuticula c. Die Zellen des Epithels sind scharf gegen einander abgegrenzt und ohne Bläschen, wie ich im Gegensatz zu den Zellen des runzligen Abschnittes bei Hyponomeuta bemerken will. Die Kerne sind gross und unregel- mässig gestaltet. Die Unregelmässigkeit in der Form der Kerne lässt Liaw X Beiträge zur Histologie der Insekten. 625 sich auch hier erst im Tangentialschnitt (Fig. 22) recht erkennen, wie das ja auch schon für Hyponomeuta und Harpyia angegeben wurde. Was die Versorgung des Organs mit Tracheen betrifft, so wird dieselbe wohl in derselben Weise stattfinden wie bei Hyponomeuta. Aus Mangel an frischem Material habe ich darauf nicht eingehen können. IL Physiologisches. Was die Physiologie des Organs angeht, so habe ich schon durch die Bezeichnung ,,driisiger Abschnitt“ für den hinteren Theil nnd „ausführender Abschnitt“ für die vorderen die Verschiedenheit beider Partien angedentet. Dass der hintere Abschnitt als Drüse functionirt, wird durch die Form der Kerne wahrscheinlich gemacht, während das dünne Epithel des ausführenden Theiles in keiner Weise auf eine Drüsennatur hindeutet. Ich nehme an, dass dieser letztere ein Re- servoir für bereits abgesondertes Secret ist. Wenn ich auch nicht im Stande war, nachzuweisen, dass die Raupe auf äussere Reize hin ein Secret ausstösst, so scheint mir doch die Beschaffenheit des Schlauches die Drüsennatur zu beweisen. Die das ganze Organ auskleidende Cuticula kann kaum zu einem Ein- wand berechtigen, denn sie ist noch dünner als bei Harpyia und ganz bedeutend dünner als bei Hyponomeuta. — Auch diese Drüse möchte ich somit den Vertheidigungsorganen anreihen. Ob normalerweise eine so weite Ausstülpung erfolgt, wie sie Fig. 19 darstellt, kann ich nicht sagen. Ich glaube es jedoch ebenso wenig wie bei Harpyia, denn es gelang mir auch hier nicht, durch Reizung der Raupen eine solche zu erzielen. Dass eine theilweise Aus- stülpung stattfinden kann, ist allerdings wahrscheinlich. Wenn sie stattfindet, so wird sie jedenfalls durch den Druck der Leibeshöhlen- fliissigkeit erfolgen. D. Allgemeines. Nachdem ich so dem bekannten Vertheidigungsorgan bei Harpyia (H. vinula und H. furcula), also einer Bombycidengattung, ähnliche Organe bei einer Eule (Plusia gamma) und einem Kleinschmetterling (Hyponomeuta evonymella) hinzufügen konnte, glaube ich es aus- sprechen zu dürfen, dass bei solcher Vertheilung auf die verschiedensten 626 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Gruppen von Lepidopteren auch eme weitere Verbreitung auf eine grössere Anzahl von Gattungen und Arten wahrscheinlich ist, obwohl ich bei den bisher untersuchten anderen Raupen keine solchen Drüsen aufgefunden habe. Für wahrscheinlich halte ich es ferner, dass die drei beschriebenen Organe homologe Gebilde sind, Gebilde gleichen phyletischen Ursprungs, worauf die gleiche Ausmündungsstelle hindeutet. Wenn sich auch die Drüse bei Harpyia (im Gegensatz zu Hyponomeuta und Plusia) durch Theilung in mehrere Schläuche in der äusseren Form ziemlich weit von den übrigen entfernt, so wird doch auch sie phy- letisch (und ontogenetisch) von einer einfachen Einstülpung der Hypodermis abzuleiten sein. II. Ueber Biutbildungsherde bei Insectenlarven !). Taf. XXX, Fig. 23—34. A. Blutbildungsherde bei Raupen von Hyponomeuta evonymella. Bei der Untersuchung halb erwachsener Raupen von Hyponomeuta evonymella fiel mir zunächst in der Gegend der Flügelanlagen auf, dass je ein Fettkörperlappen ein ganz anderes Aussehen hatte als die übrige Masse des Fettkörpers, und zwar grenzte sich diese Partie fast immer sehr scharf von dem übrigen Fettkörper ab. Während in Fig. 23 bei f der für Ayponomeuta characteristische netzartige Fettkörper ausgebildet ist, sieht man bei bh denselben plötzlich einen ganz andern Habitus annehmen. Die Kerne behalten annähernd dieselbe Grösse, strecken sich jedoch meistens etwas in die Länge. Dagegen fehlen die Vacuolen, die dem eigentlichen Fettkörper sein characteristisches Aussehen verleihen, vollkommen. Eine Ablagerung von Fett hat also nicht stattgefunden, und man darf im physiologischem Sinne dieses Gewebe allerdings nicht als Fettkörper bezeichnen, wenngleich der directe Zusammenhang mit dem typischen Fettkörper eine gleiche Ab- stammung beider Theile, wenn auch nicht beweist, so doch in so hohem Grade wahrscheinlich macht, dass kaum ein Zweifel dagegen 1) Bezüglich der Bemerkungen zur Technik verweise ich auf die Einleitung zu dem vorher behandelten Thema: „Ueber Bauchdrüsen bei Schmetterlingslarven“. Beiträge zur Histologie der Insekten. 627 aufkommen kann. — Es ist deshalb wünschenswerth, für beide Gebilde einen zusammenfassenden Namen zu haben, und ich möchte aus später (im allgemeinen Theil) zu erörternden und aus dem Folgenden sich er- gebenden Gründen die von v. WIELOWIEJSKI!) eingeführte Bezeichnung „Blutgewebe“ adoptiren. Vergleicht man nun Schnitte wie in Fig. 24, so zeigt sich ein etwas anderes Bild. Hier bedeutet h die Hypodermis, fl die Flügel- anlage, ir das „Tracheengewebe“, in dem sich später die aufgeknäuelten Tracheen bilden, und bh dieselbe Partie des Blutgewebes wie die in Fig. 23 bei bh dargestellte, nur mehr in der Gegend der Flügelanlage geschnitten. Während nun in Fig. 23 keine deutlichen Zellgrenzen zu erkennen waren und die ganze Zellmasse ausser gegen den Fettkörper auch nach der Leibeshöhle zu scharf begrenzt war, sieht man deutlich, wie einige Zellen b% sich loszulösen beginnen, Zellen, welche vollkommen den Blutkörperchen gleichen, die sich überall in der Leibeshöhle finden (wie bei 641). Die Kerne haben genau dieselbe Grösse und Tinctions- fähigkeit, die Umrisse sind ebenso unregelmässig wie bei den typischen Blutkörperchen der Leibeshöhle, die, in amöboider Bewegung begriffen, bei der plötzlichen Abtödtung in den verschiedensten Stadien der Be- wegung fixirt wurden. — Nun kommt es allerdings leicht vor, dass bei unglücklicher Conservirung Schrumpfungen eintreten, die ein Aus- einanderfallen der Gewebselemente veranlassen, und man könnte aus diesem Grunde Bilder wie Fig. 24 für nicht beweisend halten. Doch scheint mir die Aehnlichkeit der sich ablösenden Zellen mit den über- all in der Leibeshöhle verbreiteten Blutkörperchen so sehr für die thatsächliche Richtigkeit des Bildes zu sprechen, dass dieser Zweifel wohl kaum dagegen aufkommen kann. — Ich darf deshalb wohl mit Recht diesen Theil des „Blutgewebes“ als einen Bildungsherd für Blutkörperchen (Blutbildungsherd 6h) bezeichnen. Auch auf Schnitten durch bedeutend jüngere Raupen lassen sich solche Bildungsherde nachweisen. Ich sah dieselben bei Raupen von etwa 4 mm Länge. Sie liegen hier dicht an den Flügelanlagen, die sich in diesem Stadium als gering entwickelte einfache Einstülpungen darstellen. Doch ist hier der eigentliche Fettkörper weniger von den Blutbildungsherden unterschieden, da die charakteristischen Vacuolen erst gering ausgebildet sind. 1) H. Ritter von Wirtowiessk1, Ueber das Blutgewebe der Insecten, in: Zeitschr, f. wiss. Zool., Bd. 43, Zool, Jahrb, III, Abth, f, Morph, 49 ad 628 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Man hätte sich demnach vorzustellen, dass ein Theil der Fett- körperanlage auf einem unentwickelten „embryonalen“ Stadium stehen geblieben ist, während die Hauptmasse sich zu typischem Fettkörper differenzirt hat. Der erstere embryonale Theil liefert dann später die Blutkörperchen. Schon bevor ich den Blutbildungsherden an der Flügelanlage wegen der dort stattfindenden Ablösung von Zellen meine Aufmerksam- keit zuwandte, war mir ein zu beiden Seiten des Darmkanales im Prothorax längs verlaufendes dickwandiges Rohr mit engem Lumen aufgefallen, dessen Bedeutung mir vor der Hand unklar blieb. Fig. 25 giebt einen Querschnitt durch den vorderen Theil des Prothorax einer halb erwachsenen Larve wieder und soll die Lage der beiden mit bh bezeichneten Gebilde zu den übrigen Organen darstellen. — Bei stärkerer Vergrösserung ist der Querschnitt durch das Rohr in Fig. 26 dargestellt. Es fällt sogleich die merkwürdige Aehnlichkeit dieser Zellmassen mit dem z. B. in Fig. 23 bei gleich starker Vergrösserung abgebildeten Blutbildungsherd an der Flügelanlage auf. Die Aehnlich- keit bezieht sich auf die Grösse der Kerne, die gleich geringe Ent- fernung der Kerne von einander sowie die gleiche Tinctionsfähigkeit. Diese auffallende Uebereinstimmung beider Gebilde veranlasste mich, nachdem ich das Gewebe an der Flügelanlage als Blutkörperchen bildend erkannt hatte, nach einer Stelle zu suchen, wo vielleicht eben- falls eine Ablösung von Zellen vor sich gehe. Dieselbe fand sich in diesem Stadium im Kopf der Raupe. Fig. 27 stellt nach einem Quer- schnitt durch das Thier bei b& die Ablösung von Zellen dar. Ausser- dem aber zeigt der Schnitt, dass die Wand des Rohres direct in die hier stark verdickte Hypodermis h übergeht. Der Uebergang ist nur deshalb auf dem Schnitt kein continuirlicher, weil das Rohr Windungen eingeht. Eine Zeit lang täuschten mir Bilder, wie sie Fig. 27 bietet, auch eine Mündung des Lumens nach aussen vor, eine Ausmündung, von der ich glaubte, dass sie nur deshalb auf Schnitten nicht deutlich erscheine, weil sie zu eng sei und in Folge dessen immer die Wandung tangential geschnitten werde. Wenn das sich so verhielte, dann wäre also an ein Persistiren von meines Wissens hier auch im Embryo noch nicht nachgewiesenen, am Kopf ausmündenden Tracheen zu denken. Wie dem aber auch sei, der Zusammenhang der Rohrwandung mit der Hypodermis ist zweifellos, wenn er auch vielleicht ein secundärer ist. — Derartiger Uebergänge der Wandung des Rohres in die hier immer stark verdickte Hypodermis habe ich zu beiden Seiten des Kopfes je zwei beobachtet, und zwar dorsal und ventral. Die genaue Beiträge zur Histologie der Insekten. 629 Bestimmung der Lage dieser Vorgänge ist nach Schnitten sehr schwierig, und eine Bestimmung durch Präparation des frischen Thieres ist mir wegen der Zartheit des Objectes nicht gelungen. Jedoch kann ich angeben, dass sowohl die ventralen als auch die dorsalen Uebergänge oder Verschmelzungen am Hinterende des Kopfes, also nicht in der Region der Mundwerkzeuge, sich finden. Auf den Schnitten war auch immer das obere Schlundganglion in der Mitte getroffen. Wenn man das Rohr nun von der Region des Schnittes Fig. 26 rückwärts verfolgt, so nimmt die Dicke der Wandung in der Bein- gegend das Prothorax bedeutend ab (Fig. 28), bis schliesslich das Bild sich wie in Fig. 29 darstellt. Hier lässt sich nun daraus kein Unterschied mehr machen zwischen dem besprochenen Rohr und den Tracheen, die mehrfach quergeschnitten im Schnitte auftreten. Geht man in der Verfolgung des Rohres noch weiter rückwärts, so erfolgt eine Verschmelzung mit andern Tracheen und schliesslich eine Aus- mündung durch das Prothorakalstigma. Die Tracheennatur ist somit bewiesen, und es stellen sich jetzt die bisher noch nicht erwähnten, im Lumen des Rohres auftretenden zarten Linien (Fig. 26 und 28) als die spiraligen Verdickungen der Tracheenintima dar. Was das weitere Schicksal dieser Wucherungen der Tracheen- matrix ist, glaube ich -an Schnitten durch erwachsene Raupen con- statirt zu haben. Ich war nur noch an wenigen Stellen im Stande, das Vorhandensein kleinerer Zellenmassen um die Trachee herum fest- zustellen. Es scheint also eine vollkommene Auflösung des Gewebes stattzufinden, wie das ja auch Fig. 27 wahrscheinlich macht. Weit langsamer geht dagegen die Auflösung bei den Blutbildungs- herden an den Flügelanlagen vor sich. In derselben Schnittserie, in der ich das fast vollständige Fehlen der Verdickungen der Tracheen- matrix constatiren konnte, waren die zuerst behandelten Blutbildungs- herde noch in ziemlicher Ausdehnung vorhanden und boten die klarsten Bilder für die Ablösung von Blutkörperchen. Ich glaube demnach bei der Raupe von Hyponomeuta zweiBlutbildungsherdenachgewiesen zu haben: erstens den Fettkörper im weiteren Sinne oder das WIELOWIEJSKT- sche „Blutgewebe“, zweitens die Tracheenmatrix. B. Blutbildungsherde bei Raupen von Smerinthus, Ocneria, Gastropacha, Pieris, Vanessa, Harpyia. Als ich das an der Flügelanlage bei Hyponomeuta sich be- findende Blutbildungsgewebe gesehen hatte, erinnerte ich mich sogleich 42* 630 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, der Abbildungen, welche Pancritius!) von dem sog. „Nahrungsgewebe“ für den Aufbau des Flügels bei Raupen von Smerinthus populi giebt. Die dort dargestellten Zellenmassen ?) entsprechen in ihrem Aussehen so sehr den oben beschriebenen Blutbildungsherden, und zwar in dem Stadium der Ablösung von Zellen, dass ich ohne Bedenken dieselben ebenfalls als solche Herde in Anspruch nehmen möchte. PANCRITIUS spricht sich über die Bedeutung dieser Gebilde ziemlich unklar aus. Er betont nur, dass sie nicht als Fettkörper angesehen werden dürfen, da kein Fett darin abgelagert wird. Wenn nun auch dieser Einwand kaum stichhaltig ist, da der seiner Function nach noch ziemlich dunkle Fettkörper vorläufig ein morphologischer, kein physiologischer Begriff ist, ein Fettkörper ohne Fetteinlagerung also schliesslich noch kein Unding wäre, so veranlasst mich die obige Deutung doch, diese Zell- massen als Blutbildungsherde vom Fettkörper zu trennen. — Die Abbildungen bei PAncritrus beziehen sich auf Smerinthus populi, doch hat er auch S. ocellatus und Ocneria dispar untersucht. Da er kein von S. populi abweichendes Verhalten constatirt, so scheinen also auch bei diesen Raupen solche Blutbildungsherde vorhanden zu sein. Ob dieselben jedoch bei Ocneria in solcher Ausdehnung auf- treten wie bei Smerinthus, scheint mir deshalb zweifelhaft, weil ich auf gelegentlich angefertigten Schnitten nur im zweiten Thoracal- segment zu beiden Seiten des Thieres kleine Zellhaufen von der Grösse der Zellen des Fettkörpers antraf, die wohl als solche Bildungsherde anzusehen sind. Kurz erwähnen möchte ich ferner noch, dass ich auf Schnitten durch ziemlich alte Raupen von Gastropacha quercus, Pieris brassicae und Vanessa urticae mehr oder minder grosse, in Auf- lösung begriffene Zellenmassen gesehen habe (in der Gegend der Flügelanlage), die ich sämmtlich als Blutbildungsherde deute. — In sehr bedeutender Ausdehnung findet sich das Blutkörperchen liefernde Gewebe bei Raupen von Harpyia vinula. Es ergiebt sich auf Querschnitten durch die Raupe in der Gegend der Flügelanlagen un- 1) P. Pancrıtıus, Beiträge zur Kenntniss der Flügelentwicklung bei den Insekten. Königsberger Dissertation, 1884. 2) Meines Wissens hat bisher ausser Pancerrus Niemand auf ein derartiges Gewebe aufmerksam gemacht, wenn nicht die von Drwızz in seiner Arbeit: „Ueber die Flügelbildung bei Phryganiden und Lepidopteren“ (in: Berl. Ent. Zeitschr. Bd. 25) erwähnten, die Flügelanlage umgebenden Fettkörpermassen hierher gehören. Beiträge zur Histologie der Insekten. 631 gefähr dasselbe Bild, wie es Paxcrrrius für Smerinthus populi abbildet. Während ich bei Hyponomeutaraupen einen Zusammenhang zwischen Fettkörper und Blutbildungsherd nachweisen konnte, einen Zusammen- hang, der auf eine gleiche Abstammung beider Gewebe hindeutet, gelang mir dieses bei den in diesem Abschnitt behandelten Raupen nicht. Von Gastropacha quercus, Pieris brassicae und Vanessa urticae habe ich zwar keine jungen Raupen untersucht, und Smerinthus habe ich überhaupt nur nach den Angaben von PancrrriIus hier aufge- nommen, aber auch da, wo ich eben aus dem Ei geschlüpfte Raupen prüfte, nämlich bei Ocneria dispar, vor allem aber bei Harpyia vinula, fand ich einen solchen Zusammenhang nicht. Auch erwähnt ja PAx- CRITIUS, der doch auch junge Raupen von Smerinthus untersuchte, nichts davon. Da jedoch der Befund bei Hyponomeuta es wahrscheinlich macht, dass bei den übrigen erwähnten Formen die Zellenmassen an der Flügelanlage, die sowohl der Lage wie des Aussehens halber dem er- wähnten Gewebe bei Hyponomeuta homolog zu setzen sind, mit dem Fettkörper gleichen Ursprungs sind !), so muss ich annehmen, dass in diesen Fällen die das blutbildende Gewebe liefern- den Zellen sich bereits in der Embryonalentwicklung vom Fettkörper gesondert haben. C. Blutbildungsherde bei Larven von Lyda erythrocephala L. Nachdem ich so bei 8 Lepidopterenlarven aus verschiedenen Gruppen Blutbildungsherde constatiren konnte, wandte ich mich der Unter- suchung einer Hymenoptere zu und wählte eine auf der Weymouths- kiefer in Gespinnsten lebende Zydalarve. Ich bezeichne die Art mit einiger Reserve als L. erythrocephala, da eine genaue Bestimmung in Ermangelung der Imago nicht möglich war. Die Larve von Lyda liefert ein interessantes Seitenstück zu der Hyponomeutaraupe insofern, als ich hier bei ziemlich alten Exemplaren noch einen deutlichen Zusammenhang des Blutbildungsherdes mit dem Fettkörper constatiren konnte. Fig. 30 zeigt bei bh den Blutbildungs- 1) Panckıtıus vermuthet allerdings, dass dieselben bei Smerinthus aus Wucherungen der Tracheenmatrix hervorgehen, doch schliesst er das nur aus der Aehnlichkeit dieser Zellmassen mit denjenigen, in denen sich die knäuelförmigen Tracheen bilden. 632 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, herd mit in der Ablösung begriffenen Blutkörperchen, bei f den sehr characteristischen Fettkörper !) sowie einen unzweifelhaften Zusammen- hang beider Gewebe. Was jedoch diese Bildungsherde von denen bei Hyponomeuta- raupen unterscheidet, das ist die weite Verbreitung durch den Körper. Während ich bei Hyponomeuta das Gewebe nur an den Flügelanlagen nachweisen konnte, ist dasselbe hier in Form von Zellenhaufen in der Grösse des in Fig. 30 abgebildeten durch den ganzen Thorax und das Abdomen der Raupe zerstreut, überall aber in mehr oder minder deut- lichem Zusammenhang mit dem Fettkörper. D. Blut- und Fettkörperbildung bei Larven von Musca vomitoria. Den Beobachtungen bei Lepidopteren und der einen Hymenoptere (Lyda) reihe ich hier diejenigen bei Larven von Musca vomitoria an. — 1) Ich will hier erwähnen, dass ich in den grossen Fettkörperzellen (neben diesen typischen kommen noch solche ohne jede Einlagerung vor) eine bedeutende Anzahl von stark lichtbrechenden dunkelrothen (in der Fig. 20 schwarzen) Körnchen fand, welche durch die Hypodermis durch- schimmernd der Larve eine rothe Färbung verleihen. So verhält es sich bei den abgetödteten Larven, die lebenden sind grünlich grau gefärbt. Es findet nämlich eine Aenderung der Farbe der Körnchen beim Tödten mit Alcohol statt. _ Leider versäumte ich den Fettkörper des frischen Thieres zu untersuchen, kann also die natürliche Farbe der Concremente nicht angeben. — Es ist wohl möglich, dass es sich hier um ein Un- schädlichmachen von irgend welchen Excreten durch Einschluss in den Fettkörper handelt, dass also der Fettkörper als Excretionsorgan dient. Diese Idee befestigen die alten Angaben von LeyoIc, der schon in seinem „Lehrbuch der Histologie‘ (1857) das Vorhandensein dunkler Concremente im Fettkörper angegeben, sowie in einer späteren Recapitulation (Vom Bau des thierischen Körpers, Bd. 1, 1. Hälfte, Tübingen 1864) weiterer Unter- suchungen eine grosse Verbreitung von harnsauren Salzen und Con- crementen im Fettkörper constatirt hat. — Ferner nimmt A. Sommer (Ueber Macrotoma plumbea, in: Zeitschr. f. w. Zool., Bd. 41, p. 689) bei Poduriden (Macrotoma) zwei von der „reticulären Schicht“ (Fettkörper) ausgehende, am Darm entlang laufende Gewebsstränge als Excretions- organe in Anspruch. Sowohl die reticuläre Schicht als auch diese Excre- tionsorgane enthalten viele Coneremente. — Es schliessen sich dem sodann die Angaben von E. Wrrtaczim an, der (Die Anatomie der Psylliden, in: Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. 42, p. 578) bei Psylliden (namentlich Larven), Cecidomyidenlarven, Larven und Puppen von Ameisen und Puppen von Musca erythrocephala Concremente im Fettkörper constatirte. Beiträge zur Histologie der Insekten. 633 Bei den untersuchten Schmetterlingslarven lagen die Blutbildungs- herde sämmtlich im Thorax, bei Lyda waren sie durch den ganzen Körper zerstreut, bei Musca nun finden sie sich am Hinterende der Larve in der Nähe der beiden Stigmen, durch die die grossen Tracheen- längsstämme ausmünden. Während ferner bisher der Fettkörper und die Tracheenmatrix als Bildungsmaterial erkannt wurden, sind bei Musca die Blutbildungsherde Wucherungen der Hypodermis. Ich gehe von einem in der Nähe der Stigmen geführten Quer- schnitt durch die etwa 6 mm lange Larve aus, wie ihn Fig. 31 dar- stellt. Man bemerkt in der Mitte bei d den Darmkanal, bei f den Fettkörper, der aus zu Reihen angeordneten runden Zellen besteht, an der Dorsalseite bei ir die Tracheenstämme, bei m quer- und halb- längsgeschnittene Muskeln. Zwei von den übrigen ziemlich gesonderte Muskelquerschnitte (m,) liegen am Rücken, dorsalwärts von den Tracheen, und oberhalb dieser beiden Muskeln findet sich eine der Hypodermis dicht angelagerte Zellmasse bl, die aus nicht zusammen- hängenden, aber dicht an einander liegenden und sich gegenseitig ab- plattenden Zellen von verschiedener Grösse besteht. Der Grössen- unterschied ist ein ziemlich beträchtlicher: die grössten Zellen messen im Durchmesser (es wurden möglichst runde Zellen zum Messen ge- wählt) 25 uw, die kleinsten etwa 5. Doch finden sich deutliche Ueber- ginge in der Grösse. Die Hypodermis ist auf diesem Schnitt scharf von dem Blutgewebe bl abgegrenzt. Der Ort der Entstehung des letzteren muss also anderswo liegen, er findet sich noch näher den Stigmen. An verschiedenen Stellen an der Dorsalseite des Thieres bemerkt man Wucherungen der Hypodermis, wie in Fig. 32 eine solche dargestellt ist, überall Bilder, die sich kaum anders denn als Bildungs- herde mit sich ablösenden Zellen deuten lassen. Man sieht in Fig. 32 den sehr bedeutenden Unterschied in der Grösse der neben einander sich abtrennenden Zellen, zugleich aber auch, dass dieselben der Grösse nach in einander übergehen. Es findet somit am Hinterende der Muscalarve von der Hypodermis aus eine Bildung von Blutgewebe statt, und zwar schieben sich die dort entstehenden Zellenmassen scheinbar vorläufig am Rücken des Thieres zwischen der Hypodermis und der Musculatur nach vorn vor (Fig. 31). — Untersucht man ältere Larven, so finden sich die Zellen bereits in kleineren oder grösseren Massen mitten in der Leibeshöhle des Thieres. Vorher waren nur verhältnissmässig wenige Zellen, von den übrigen abweichend, von der Hypodermis aus in das Innere gewandert. Die kleineren von den Zellen sind nun unzweifelhaft die Blut- 634 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, körperchen der Muscalarve. Was aber wird aus den grössten und den vielen Uebergangsformen? Ich glaube, dass man es hier mit jugendlichen Fettkörperzellen !) zu thun hat. Die grössten haben nämlich fast dieselbe Grösse wie die kleinsten Fettkörperzellen. Die Uebergangsformen zu den Blutkörperchen mögen wohl noch weiter heranwachsen, die kleineren sich vielleicht noch theilen und Blut- körperchen liefern. Das genauer zu verfolgen, liegt meinem Thema ferner. — Hervorheben will ich nur, dass, wenn meine Deutung der grossen Zellen richtig ist, hier Blutkörperchen und Fettkörper neben einander aus demselben Material, nämlich aus ectodermalen Zellen, zu verhältnissmässig später Zeit entstehen. Als Seitenstück dazu will ich kurz noch folgende Beobachtung anführen. Ich untersuchte Larven, die bald nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei getödtet waren, zu einer Zeit, wo sich nur ganz wenige, einzeln liegende runde Fettkörperzellen, deren Entstehung wohl der Embryonalentwicklung angehört, vorfinden, der typische aus Reihen von runden Zellen bestehende Fettkörper aber noch fehlt. Bei diesen nun gingen im ganzen Thier von der Matrix der Tracheenlängsstämme Wucherungen in Form von Zellenreihen aus, wie sie Fig. 33 (aus einem Querschnitt nahe den Stigmen) und Fig. 34 (ungefähr aus der Mitte der Larve) darstellen. Etwas ältere Larven zeigten mir keinen Zu- sammenhang zwischen Tracheenmatrix und den beschriebenen Zellen- strängen mehr, wohl aber eine Abrundung der Zellen gegen einander, mit andern Worten: den Uebergang in den definitiven characteristischen Fettkörper, wie er sich in noch älteren Larven vorfindet. Um das Resultat der Untersuchung der Muscalarve kurz zu reca- pituliren, entsteht also der Fettkörper der Larve wenigstens zum grössten Theil von der Tracheenmatrix aus, ferner entstehen von der Hypodermis aus einerseits Blut- körperchen, andererseits Fettkörperzellen, die viel- leicht den Fettkörper der Imago liefern. 1) Möglicherweise liefern dieselben den imaginalen Fettkörper. Das würde dann ein Seitenstück geben zu WırLowıEsskr’s Beobachtung bei Corethra (Ueber den Fettkörper von Corethra plumicornis und seine Ent- wicklung, in: Zool. Anz., 6. Jahrg., p. 318—322), wonach schon in ganz jungen Larven unter der Hypodermis sich eine Zellenschicht (wohl ecto- dermaler Abkunft!) findet, aus der sich der Fettkörper der Imago später entwickelt. Schon Weismann hat diese ,,Wucherungen der Hypodermis“ in einem ziemlich entwickelten Stadium gesehen (A. Wrısmann, die Meta- morphose der Corethra plumicornis, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 16). Beiträge zur Histologie der Insekten. 635 E. Aligemeines. Was ich zum Schluss noch besonders hervorheben möchte, das ist der somit nachgewiesene genetische Zusammenhang zunächst von Fettkörper und Blutkörperchen, sodann von Ectoderm (Hypodermis und Tracheenmatrix) einerseits und Fettkörper und Blutkörperchen andererseits. — Das schliesst sich an KoROTNErFF’s!) Angabe an, wonach bei Gryllotalpa während der Embryonalentwicklung der Fettkörper sich vom Ectoderm aus bildet. Auch die anatomischen Verhältnisse bei der Poduride Macrotoma plumbea, wie sie von SOMMER ?) beobachtet wurden, reihen sich dem sehr schön an. Dort konnte SOMMER einen directen Zusammenhang zwischen der „reticulären Schicht“ (Homologon des Fettkörpers der übrigen Insecten) und der Hypodermis beim er- wachsenen Thier feststellen. Ich habe im Capitel über Blutbildungsherde bei Hyponomeuta- raupen als zusammenfassende Bezeichnung für Fettkörper und Blut- körperchen den von v. WIELOWIEJSKI angewandten Namen „Blutgewebe“ adeptirt. WIELOWIEJSKI hat denselben aus rein praktischen Gründen auf alles in der Leibeshöhlenflüssigkeit Flottirende angewandt. Nach dem hervorgehobenen Zusammenhang zwischen Blutkörperchen und Fettkörper erhält der zusammenfassende Name nunmehr eine grössere Berechtigung. Aber auch in anderm, in physiologischem Sinne ist das der Fall Man kann den Fettkörper gewissermaassen als festsitzend gewordene Blutkörperchen oder umgekehrt die Blutkörperchen als wandernden Fettkörper auffassen. Hat doch der Fettkörper als Hauptfunction 3) die Aufnahme und Wiederabgabe von Nahrungssubstanzen. Vergegen- wärtigt man sich dann die Vorgänge bei der Histolyse *), die enorme _ Vollpfropfung der Blutkörperchen (Phagocyten, Leucocyten) mit Resten 1) A. Korotnerr, die Embryologie der Gryllotalpa, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 41. 2) A. Sommer, Ueber Macrotoma plumbea, in: Zeitschr, f. wiss. Zool., Bd. 41. 3) Seine zweite Function scheint die Exeretion zu sein (man vergleiche das Capitel über Blutbildungsherde bei Zydalarven). 4) Man vergleiche: A. Kowarzwsky, Beiträge zur Kenntniss der nach- embryonalen Entwicklung der Musciden, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 45, 1887, und J. van Rees, Beiträge zur Kenntniss der inneren Metamorphose von Musca vomitoria, in diesen Jahrb. Bd. 3, Abth. f. Anat. u. Ontog. d. Thiere, 636 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, von Larvenorganen, die Umarbeitung derselben und die Bedeutung dieser Nahrungssubstanzen für den Aufbau der imaginalen Organe, dann ist die functionelle Aehnlichkeit von Fettkörper und Blutkörperchen doch sehr augenscheinlich. Die Leucocyten, die nach VAN REES ausser Zerstörung, Aufnahme und Verdauung der Larvengewebe die Aufgabe haben, Nahrungsstoffe an besonders nahrungsbedürftige Stellen zu bringen, erscheinen in ihrem mit Nahrung vollgepfropften Zustande geradezu als wandernde Fettkörperzellen. — So scheint mir also auch in physiologischem Sinne die Bezeichnung ,,Blutgewebe“ Berechtigung zu haben. Einen analogen Fall für die Function der Blutkörperchen liefern KUKENTHAL’s !) Untersuchungen an Anneliden. Dort scheinen nämlich die ,lymphoiden Zellen“ den Transport von Nahrungssubstanzen zwischen die Muskeln zu besorgen. — Ferner gewinnt es nach SEMON’s?) Schilderung den Anschein, als ob bei Synaptiden die „sporadisch auf den Mesenterien und in dichteren Zügen auf dem Peritonealüberzug der Leibeswand“ sich befindenden Wimpertrichter Einrichtungen sind, welche den lymphoiden Zellen das Eindringen zwischen die darunter gelegenen Muskeln zu erleichtern, ihnen gewissermaassen den Weg zu zeigen haben. Wenn man diese für Anneliden und Synaptiden wahrscheinlich gemachten Verhältnisse auf die Insecten überträgt, wenn man den Blutkörperchen derselben ebenfalls als Function, wenigstens als theil- weise Function, die Aufnahme, den Transport und die Wiederabgabe von Nahrungssubstanzen zuschreibt, dann würde sich das an das er- wähnte Verhalten bei der Histolyse ebenfalls zwanglos anschliessen und die physiologische Aehnlichkeit von Blutkörperchen und Fettkörper noch erhöhen. 1) W. KükentuaL, Ueber die lymphoiden Zellen der Anneliden, in: Jen. Zeitschr., Bd. 18, 1885. | 2) R. Semon, Beiträge zur Naturgeschichte der Synaptiden des Mittel- meers, in: Mitth. Zool. Stat. Neapel, Bd. 7. Beiträge zur Histologie der Insekten. 637 III. Beitrag zur Kenntniss der Entwicklung des Schmetterlingsflügels. Taf. XXX, Fig. 35—39. In der Einleitung zur obigen Mittheilung „über Bauchdrüsen bei Schmetterlingslarven“ erwähnte ich, dass meine ursprüngliche Absicht bei Aufnahme der Untersuchung war, die Flügelentwicklung der Lepi- dopteren, die zwar schon mehrfach, aber nie erschöpfend behandelt worden ist, einer eingehenden Bearbeitung zu unterziehen. Jetzt, wo ich mein grösstes Interesse andern Gebieten zugewandt habe, will ich wenigstens die wichtigsten bisher erhaltenen Resultate der Oeffentlich- keit übergeben, da ich nicht weiss, ob ich mich sobald wieder mit diesem Thema beschäftigen werde. Möge die angegebene Entwicklungs- weise dieser kleinen Mittheilung die Lückenhaftigkeit derselben ent- schuldigen. An speciell über Entwicklung des Schmetterlingsflügels handelnden Arbeiten habe ich zu erwähnen: C. Semper, Ueber die Bildung der Flügel, Schuppen und Haare bei den Lepidopteren, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 8. H. Laxpoïs, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Schmetterlingsflügel in Raupe und Puppe. Ebenda, Bd. 21. P. Pancririus, Beiträge zur Kenntniss der Flügelentwicklung bei den In- secten. Königsberger Dissertation 1884. (Vorläufige Mittheilung über diese Arbeit, in: Zool. Anzeiger, 7. Jahrgg., 1884.) Betrefis weiterer Litteratur über Flügelentwicklung im Allge- meinen verweise ich auf Pancritius. Bezüglich der Beobachtungen kann ich mich mit den Angaben des letzteren Autors fast durchweg ein- verstanden erklären. Anders ist es mit den älteren SemPper’schen und “ Lanpors’schen Arbeiten. Beiden Forschern hat der damalige Mangel einer ausgebildeten Technik bei diesem subtilen Thema solche Schwierig- keiten in den Weg gelegt, dass sie mehrfach zu unrichtigen Resultaten gekommen sind. Was die Entwicklung in der Puppe betrifft, so ist SEMPER’S Darstellung in vielen Punkten entschieden richtiger als die von Lanoors. Letzterer hat sich unter Anderm eine so sonderbare Vorstellung vom Ursprung der Flügelschuppen gebildet, dass eine Widerlegung bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse überhaupt unnöthig erscheint, denn, dass die Schuppen gewöhnliche Haargebilde sind, ist ja unzweifelhaft. Ich kann leider nicht überall, wo ich den älteren Autoren wider- sprechen muss, angeben, wodurch dieselben zu ihren irrthümlichen 638 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Angaben veranlasst wurden, muss mich also damit begnügen, diesen Angaben meine Resultate einfach gegenüberzustellen. — Eingeschaltet habe ich bei der Beschreibung der Knäueltracheen eine Erörterung über den Zusammenhang zwischen intercellärer und in- tracellulärer Canalbildung. — Was mein Material angeht, so untersuchte ich die Entwicklung in der Raupe an Pieris brassicae, die Entwicklung in der Puppe an Vanessa urticae. Entwicklung des Flügels in der Raupe. Die erste Anlage des Lepidopterenflügels in der Raupe ist bereits von PANCRITIUS zur Genüge beschrieben und auf Taf. I, Fig. 2, 3 und 4 abgebildet worden. Ich verweise deshalb auf die Arbeit dieses Autors. Eine Einstülpung und innerhalb dieser wieder- um eine Ausstülpung der Hypodermis ist das Charakteristische der Anlage, genau so wie bei der Anlage aller Insectenextremitäten 1). Höchst bemerkenswerth und bezüglich ihrer Entstehung interessant sind die Tracheenknäuel, welche am Grunde der Flügelanlage sich bilden und schon von Lanpors beobachtet worden sind. Bei Smerinthus populi fand PANcritivs, „dass die grossen an die Imaginal- scheibe tretenden Tracheenäste sich in das Tracheengewebe auflösen“. „Die Theilungsstellen sind so nahe an einander gerückt, dass eine Menge dieser feinen Abzweigungen auf den kurzen Endausläufer der Haupt- tracheen fallen, welcher sich jedoch vorher schon in einige kurze, stärkere Aeste getheilt hat.“ Das widerspricht der Angabe von LANDOIS, wo- nach die aufgeknäuelten Tracheen sich in Zellen bilden, die der an der Flügelanlage vorbei verlaufenden Trachee aufsitzen. Diese Differenz rührt wohl von der Verschiedenheit des Materials her, denn LANDoIs untersuchte Pieris und Vanessa. Ich habe nun ebenfalls Raupen von Pieris brassicae auf Schnitten untersucht und kann die Angaben von Lanpois für dieses Thier vollkommen bestätigen. Fig. 35 stellt einen Schnitt durch die Flügelanlage dar, wie er sich auf einen Frontal- schnitt durch die Raupe fand. Der Zusammenhang mit der Hypo- dermis ist auf dem Schnitt nicht zu sehen, die Hypodermis selbst ist nicht eingezeichnet. Man sieht die Flügelscheide und in derselben das hohe Flügelepithel, dessen Zusammensetzung aus spindelförmigen Zellen, wie sie Pancritius für Smerinthus beschreibt (Taf. I, Fig 3a 1) „Aller Insectenextremitiiten“ ist man wohl zu sagen berechtigt, nachdem durch J. van Rers (Beiträge zur Kenntniss der innern Metamor- phose von Musca vomitoria in diesen Jahrb. Bd. 3, Abth. für Anatomie und Ontog. d. Th.) nun auch bei der Muscalarve der Zusammenhang der Ima- ginalscheiben mit der Hypodermis nachgewiesen ist. Beiträge zur Histologie der Insekten. 639 und b), ich bestätigen kann. Durch diese eigenartige Gestaltung der : Zellen wird ein Epithel hervorgebracht, das man ebenso gut einschichtig wie mehrschichtig nennen kann. Jedenfalls bildet es den schönsten Uebergang zum mehrschichtigen. Unter dieser Flügelanlage verläuft nun der in Rede stehende Tracheenstamm, welcher im mittleren Theil der Figur als median längs geschnitten erscheint. An dieser Stelle sieht man nun mit vollster Deutlichkeit, wie an der der Flügelanlage zugewandten Seite der Tracheenmatrix die Zellen der letzteren ziem- lich plötzlich bedeutend höher werden und wie auf diese Weise die keulenförmigen Zellen zu Stande kommen, welche Lanpors auf Zupf- präparaten gesehen hat. In den weiter rechts gelegenen Zellen ist bereits die Bildung der Tracheenknäuel vor sich gegangen. PANCRITIUS spricht sich über die Entstehung der Tracheenknäuel ziemlich in- correct aus. Einmal spricht er davon, dass die einzelnen Zellen der Wucherung auseinander weichen und dass „zwischen“ ihnen das „feine wellige Tracheengewebe“ auftritt. An anderer Stelle aber giebt er die intracelluläre Entstehung an. — Leider habe ich ebenso wenig wie PANCRITIUS auf meinen Schnitten etwas über die erste Entstehung der Tracheenknäuel feststellen können. Doch ist kein Zweifel an der Entstehung dieser Zellen innerhalb einzelner Zellen möglich. Erstens ist die Bildung von Lanpois mit vollster Sicherheit nach- gewiesen und abgebildet. Zweitens aber sprechen sämmtliche Schnitt- bilder ganz überzeugend für diese Auffassung, denn überall sieht man, wie der Tracheenknäuel ganz eng einen dazu gehörigen ver- zweigten Zellkern umschliesst. Bemerken will ich, dass auf Schnitten (auf dem abgebildeten zufällig nicht) sehr deutlich die Einmündung der feinen Lumina der Tracheenknäuel in das Lumen der Haupt- trachee gesehen werden kann. Eine spiralige Streifung der chitinösen Intima, wie sie PancriTius bei Smerinthus fand, habe ich bei Pieris ebenso wenig beobachten können wie Lanpors. — Was die von Lanpois angenommene Entstehung der Tracheen aus den Zellkernen betrifft, gegen die PANCRITIUS sich wendet, so erklärt sich diese allerdings falsche Annahme sehr einfach durch die Thatsache, dass, sobald die Trachee vollkommen ausgebildet ist, der Zellkern zu Grunde geht. Noch einige Worte möchte ich über intercelluläre und intracelluläre Tracheenbildung !), sowie über die Kerne der beschriebenen Tracheen 1) Intracelluläre Tracheenbildung ist noch beobachtet: allgemein bei Lepidopteren- und Ichneumonidenlarven durch Hermann Meyer (Ueber die Entw. d. Fettkörp., d. Tracheen etc. bei den Lepidopt., in: Zeitschr. f. wiss, Zool., Bd. 1), bei Muscidenembryonen durch Weismann (Entw. d. 640 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, bildenden Zellen sagen. — Was die intercelluläre und intra- celluläre Tracheenbildung angeht, so will ich bemerken, dass der principielle Unterschied, den man zwischen beiden Entstehungs- arten zu machen leicht geneigt ist, keine Berechtigung hat. Bei der gewöhnlichen Tracheenverzweigung rücken viele Zellen aus der Tracheen- matrix heraus, ohne dabei ihre epitheliale Anordnung zu verlieren, ziehen somit das Lumen gewissermaassen nach sich. So entsteht ein von mehreren Zellen begrenzter Canal. Wenn nun die Zahl der die Wandung der neuen Trachee bildenden Zellen eine geringere wird, so kommt man, sobald nur noch zwei Zellen an der Bildung theil- nehmen, zu einem Vorgang, welcher der Bildung der „Eistrahlen“ (Athemröhren) bei Ranatra und Nepa, wie sie KORSCHELT !) beschrieben hat, analog ist. Die Bildung des Canales ist aber immer noch eine intercelluläre. Nimmt man jetzt an, dass eine der beiden Zellen bedeutend weiter aus der Wandung der alten Trachee herausrückt als die andere, dass diese letztere schliesslich kaum oder gar nicht mehr aus dem Tracheenepithel austritt, so hat man in dem letzten extremen Falle eine typische intracelluläre Bildung vor sich, die sich aber leicht durch die Annahme, dass der Kern sich ein einziges Mal theilt, also die einzellige Tracheenanlage in eine zweizellige übergeht, in die intercelluläre überführen lässt. Principiell ist also das Dipteren im Ei, in: Zeitschr. f. w. Z., Bd. 13, bei Lampyris am Fettkörper, an den Geschlechtsorganen und an den Leuchtorganen durch v. WIELOWIEJSKI (Studien üb. Lampyriden, in: Zeitschr. f. w. Z. Bd. 37), am Fettkörper von Luciola italica L. durch Emery (Untersuch. üb. Luciola italica, in: Zeitschr. f. w. Z., Bd. 40), unter der Haut von Corethralarven durch v. WIELOWIEJSKI (in: Zool. Anz., 6. Jahrg.). Letzteres wurde schon von F. Leypre (Lehr- buch d. Histologie, p. 388, Fig. 201) theilweise gesehen. — Intracelluläre Canäle finden sich ferner nach MicHaEtsen in den Darmzellen von Enchy- traeiden als Chylusgefässe (Ueber Chylusgefässsysteme bei Enchytraeiden, in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 28), in den Segmentalorganen vieler Würmer, z. B. Hirudineen, in den Antennendrüsen der Crustaceen als Harncanäl- chen (C. Grogen, Die Antennendrüse der Crustaceen, in: Arb. zool. Inst. Wien, Bd. 3). Ein typisches Beispiel für die intracelluläre Entstehung von Canälen bieten ferner die Capillaren der Wirbelthiere. So hat H. E. Zıesrer (in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 30) bei Embryonen von Belone und Perea derartiges genau beschrieben, allerdings ohne Ab- bildungen zu geben. Eine wenngleich nicht sehr charakteristische Ab- bildung findet sich bei E. Zreecer (Pathologie, p. 124). 1) KoxscHeLt, Ueber einige interessante Vorgänge bei der Bildung der Insecteneier, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 45, Beiträge zur Histologie der Insekten. 641 Eindringen des Canallumensineine Zelle der Wandung inkeiner Weise von einer Ausstülpungimgewöhnlichen Sinne verschieden. Was die Kerne der Tracheen bildenden Zellen angeht, so erwähnte ich schon oben, dass dieselben verzweigt sind, eine That- sache, die schon Lanpors angedeutet hat, als er die Kerne als ge- runzelt beschrieb. Das hat nun zur Folge, dass auf Schnitten (Fig. 55) häufig der Kern zerstückelt erscheint ‘). Dieser Fall eines verzweigten Kernes wäre denjenigen an die Seite zu stellen, welche KORSCHELT *) zusammengestellt hat und denen sich die Kerne der von mir be- schriebenen „Bauchdrüsen“ bei Raupen anschliessen. Die Verzweigung deutet hier nach KORSCHELT auf eine Theilnahme des Kernes an der secretorischen Function der Zelle, das heisst auf eine Beherrschung der Zelle durch den Kern, hin. Wohl auch in dem vorliegenden Fall ist in der Aussendung von Ausläufern eine active Betheiligung _ an der Thätigkeit der Zelle, hier: der Tracheenbildung (also: Chitin- absonderung), zu erblicken. — Auch H. E. ZIEGLER ?) hat darauf hin- gewiesen, dass auffallende Grösse, Verzweigung oder directe Theilung (Fragmentation) bei solchen Kernen auftritt, die eine specialisirte Function (Secretion u. a.) übernehmen und dann zu Grunde gehen. Nach dieser Abschweifung kehre ich zu den Knäueltracheen am Grunde der Flügelanlage zurück. Dass dieselben „Larvenorgane“ sind, wie PANCRITIUS auch behauptet, ist sicher, denn auch ich konnte sie in ein paar Tage alten Puppen nicht mehr auffinden. Die grossen Tracheenlängsstämme aber, die schon in der Larve in den Flügel hineinwuchern, sind völlig selbständige Bildungen und durch einfache Sprossung der grossen Tracheen unter der Flügelanlage entstanden. Man darf also mit PANCRITIUS annehmen, dass die Knäuel die Auf- gabe haben, der in die Flügel eintretenden Blutflüssigkeit Sauerstoff zuzuführen. Später, in der Puppe, werden sie ersetzt durch die de- finitiven Tracheen. Auf welche Weise sie aber zu Grunde gehen, habe ich nicht beobachtet. Vollkommen unerwähnt gelassen habe ich bis- 1) Ich sage: „erscheint“, weil ich auch auf Schnitten durch andere Kerne, z. B. die Kerne der Drüsenzellen in der Haut von Hyponomeuta- raupen, die ich genauer untersuchte, auf den ersten Blick eine Zerstückelung wahrzunehmen glaubte. Eine vollständige Schnittserie widerlegte das aber, es handelt sich auch hier nur um Verzweigung. 2) S. oben S. 616. 3) H. E. Zieerer, Die Entstehung des Blutes bei Knochenfisch- embryonen, in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 30, p, 610—614, 643 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, her die von PANCRITIUS zuerst beschriebenen Zellenmassen, welche die Flügelanlage vieler Raupen umgeben. Er deutete dieselben als „Nahrungsgewebe“ für den Aufbau des Flügels. Ich habe in meiner obigen Mittheiluug ‚über Blutbildungsherde bei Insectenlarven“ (S. 626) gezeigt, dass dieselben Herde für die Bildung von Blutkörperchen sind. Daraus folgt, dass ich auch die Angabe von PANCRITIUS, wonach ein geringer Theil dieser Zellen von der Flügelscheide, „sobald sie nach der Flügelausstülpung wieder Thoracal- epithel wird, zur Verdickung aufgenommen wird“, für unrichtig halten muss. Eine directe Betheiligung am Aufbau der Gewebe möchte ich nicht annehmen. Entwicklung des Flügels in der Puppe). Die Ausstülpung des Flügels beim Uebergang der Raupe in die Puppe erfolgt jedenfalls durch Blutdruck. Im jungen Puppenflügel findet man ausser den grossen Tracheen, . die sich immer mehr verzweigen und in den späteren Flügeladern ?) liegen, Blutkörperchen, die mehr oder weniger mit Nahrungsmaterial vollgepropft sind, also WrrsmAnn’sche „Körnchenkugeln“. Es ist das jedenfalls dasselbe, was Semper als „einzelne Fettkôrperzellen“ be- zeichnet. PANcRITIUS giebt an, dass die Leibeshöhle der Puppe von „gallertiger Bindesubstanz“ mit „eingestreuten rundlichen Zellen“ er- füllt ist, welche bei der Ausstülpung des Flügels in das Lumen des- selben eindringt. Er meint gewiss auch die „Körnchenkugeln“. Es nimmt nur Wunder, dass er diesen jedenfalls klareren Ausdruck nicht an- wendet. Ueberhaupt behandelt Pancririus die Entwicklung des Flügels in der Puppe sehr kurz, und es ist vielleicht deshalb gerade hier an- gebracht, wenn ich meine diesbezüglichen Beobachtungen veröffentliche. Was die Entwicklung in der Puppe im Allgemeinen angeht, so beziehen sich die betr. Vorgänge auf Oberflachenvergrésserung und Faltung des Flügels, die weitere Verzweigung der Tracheen, 1) Zur Technik bemerke ich, dass die Schnitte durch die Puppen leicht zerbröckeln. Ich wandte hier die etwas langwierige, aber sehr brauchbare Methode an, die Schnittfläche vor jedem Schnitt mit ge- schmolzenem weichen Paraffin zu betreichen. Leider bin ich trotzdem nur zu lückenhaften Serien gelangt. 2) Ich vermeide für die äusserlich sichtbaren „Flügeladern“ den Ausdruck „Flügelrippen“, weil ich denselben mit SeMPER auf ein in den Flügeladern verlaufendes Rohr, das später zu besprechen ist, anwenden werde, Beiträge zur Histologie der Insekten. 643 das Einwuchern der von SEMPER zuerst beschriebenen und die Tracheen begleitenden „Flügelrippen“, die Verbindung der beiden Flügelblätter mit einander, die Bildung der Schuppen und Haare, sowie der Cuticula, die weitere Differenzirung der Schuppen und die damit zusammenhängende Entstehung der Flügelzeichnung. Ueber die weitere Ausbildung des Tracheensystems im Flügel ist wenig zu sagen. Hervorzuheben ist, dass die Matrix der Tracheen allmählich ganz verschwindet und dass im Flügel des ausgeschlüpften Insekts auch die sehr zarte Intima nicht mehr aufzufinden ist (Fig. 39). Ob sie beim Ausschlüpfen des Thieres herausgezogen wird, wie WEISMANN („Die nachembryonale Entwicklung der Musciden“, in: Zeit- schrift f. wiss. Zool., Bd. 14, p. 273) es für Musca angiebt, darüber fehlen mir Beobachtungen. Die Entstehung der Schuppen und Haare fällt schon in die ersten Tage des Puppenstadiums. Beide Gebilde sind, allgemein ge- sagt, Ausstülpungen von sich stark vergrössernden Hypodermiszellen. Die allerdings selbstverständliche, aber bisher nicht beobachtete Ab- stammung der Schuppenmutterzellen von der Flügelhypodermis konnte ich sicher constatiren. Erwähnen will ich, dass die Haarmutterzellen die Schuppenmutterzellen bedeutend an Grösse übertreffen. Genaueres über die Bildung der Schuppen findet sich bei SEMPER, über die de- finitive Structur auch bei LAnDois. Sehr früh, etwa sobald die Schuppen sich anlegen, beginnt in ganz eigenartiger Weise die Verschmelzung der Flügel- blätter. Es treten nämlich Spalten in der Hypodermis auf, indem die Zellen sich in die Länge strecken und dabei seitlich auseinander- weichen. Dabei findet aber keine vollständige Spaltung statt, sondern es erscheint das Epithel nach dem Flügellumen auf Schnitten durch eine gerade Linie scharf abgegrenzt. Es ist eine von Plasma gebildete continuirliche Membran vorhanden, die ich als „Grundmembran“ des Epithels bezeichnen will. Durch diese Grundmembran hindurch treten nun sowohl Blutkörperchen als auch Blutflüssigkeit. Fig. 36 giebt einen Theil eines Längsschnittes durch einen Hinterflügel vom 3. Tage wieder. Das Bild ist insofern etwas abweichend von dem soeben ge- schilderten, als die Grundmembranen beider Flügelblätter sich bereits dicht auf einander gelegt haben und unter einander verschmolzen sind. Der Flügel erscheint so aus zwei Epithelien zusammengesetzt, von denen gegen eine in der Mitte gelegene Membran (g) pfeilerartige Zool, Jahrb. III, Abth, f. Morph. 43 644 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Fortsätze (p) auslaufen. Zwischen die Pfeiler drängen sich die theil- weise aus dem Epithel herausweichenden Schuppenmutterzellen (schm) mit Secretbläschen (s) ein. Da, wo eine Trachee im Flügel verläuft, also in den Flügeladern, weichen die beiden Grundmembranen aus einander und umschliessen einen cylindrischen Raum, in welchem die Trachee liegt. An dieser Stelle verkürzen sich dann die Pfeiler ent- sprechend, wie das in Fig. 39, der Abbildung eines nachher zu be- sprechenden Querschnittes durch den fertigen Flügel, gut hervortritt. Was den histologischen Charakter des von der Hypo- dermis gebildeten Pfeilerwerks betrifft, so möchte ich hier darauf hin- weisen, wie wenig man häufig im Stande und berechtigt ist, ver- schiedene Gewebsgruppen scharf abgrenzt aufzustellen. Das Resultat der Hypodermisspaltung im Flügel ist hier ein Gewebe, das äusser- lich durchaus den Character dessen trägt, was man schlechtweg als Bindegewebe bezeichnet, und doch hat es sich, wie die Entwicklungs- geschichte beweist, principiell noch gar nicht aus der Gruppe der epithelialen Gewebe entfernt, nur ein paar Spaltungen haben ihm ein anderes Aussehen verliehen. — Eine derartige Ausbildung der Hypo- dermis ist übrigens bei Arthropoden, speciell in den Gliedmaassen, eine häufige Erscheinung. Was den physiologischen Werth der beschriebenen Bildung angeht, so fungiren die Spalten in der Hypodermis als Bluträume, wie das Eintreten der Blutkörperchen beweist. Die Blutflüssigkeit tritt offenbar zur Ernährung der Flügelhypodermis hinein. Aber auch den Blutkörperchen möchte ich insofern einen directen Antheil an der Ernährung zuschreiben, als ich glaube, dass sie die Aufgabe haben, Nahrungsstoffe (wohl nicht alle, aber doch bestimmte) an ernährungs- bedürftige Stellen zu schaffen und dort abzugeben, ohne jedoch bei diesem Ernährungsprocess nothwendigerweise zu Grunde zu gehen. Das schliesst sich an meine Ausführungen im Schlusscapitel der Mit- theilung „über Blutbildungsherde bei Insectenlarven‘“ an. Ich muss hier einschalten, was Semper über die Bildung der Grundmembran sagt. Dasselbe weicht sehr von dem ab, was ich so- eben geschildert habe. Ich kann aber nicht annehmen, dass das Material, welches SEMPER untersuchte (Saturnia carpini und Sphinx pinastri), sich so ganz anders verhält als Vanessa, und ich suche meine Beobachtungen mit denen SEmPER’S nach Möglichkeit in Ueberein- stimmung zu bringen, womit auch zusammenhängt, dass ich seine Be- zeichnung „Grundmembran“ beibehalten habe. — SEMPER spricht eben- Beiträge zur Histologie der Insekten. 645 falls von der Bildung von zwei Grundmembranen. Sie sollen aus Fett- körperzellen hervorgegangenen „Bildungszellen“ ihren Ursprung ver- danken, indem diese letzteren sich neben einander lagern, durch Ausläufer sich mit einander verbinden und indem sich in den Maschen dieses somit entstandenen Netzwerkes „Intercellularsubstanz“ bildet. Nach und nach sollen dann diese anastomosirenden Zellen verschwinden, ,,so dass in späteren Stadien nur noch eine homogene Membran zu erkennen ist, über welcher die Hypodermis liegt.‘ Ich glaube nun, dass man die aus Fettkörperzellen hervorgegangenen „Bildungszellen“ vollkommen aus dem Spiele lassen darf. Ohne dass ich Saturnia und Sphinx untersucht habe, möchte ich annehmen, dass SEMPER von Nahrungsmaterial freie Blutkörperchen gesehen hat, womit bei der amöboiden Beweglichkeit derselben dann auch die Semper’sche Beobachtung vom Aussenden von Fortsätzen überein- stimmt, oder dass er bei der unvollkommeneren Technik der damaligen Zeit (1857) irgend einer anderen Täuschung unterlegen ist. Dass SEMPER bei Flächenansichten des Flügels Bilder erhalten hat wie seine Fig. 1, erscheint mir sehr gut möglich, auch wenn die Verhältnisse in Wirklichkeit so liegen, wie ich sie geschildert habe. Ich schliesse das aus Folgendem: Weismann!) hat nämlich von dem Nährboden der Daphniden, also einer Hypodermisverdickung, ebensolche Bilder beschrieben (Fig. 37 A), wie ich sie am Schmetterlingsflügel fand, und bildet daneben (Fig. 37 B) eine Flächenansicht ab, die ganz dem Semper’schen Bild der Grundmembran entspricht. Das bringt mich auf die Vermuthung, dass auch Semper unter gleichen Verhältnissen Gleiches gesehen haben mag. Ein Versuch, die weiteren Einzelheiten der Grundmembranbildung, wie sie SEMPER angiebt, mit meinen Be- obachtungen in Einklang zu bringen, stösst auf grosse Schwierigkeiten und würde die Darstellung zu sehr beschweren. Ich sehe deshalb davon ab. Das nächste Stadium, welches ich bezüglich der Grund- membran gesehen habe, ist ein bedeutend älteres, dicht vor dem Ausschlüpfen des Thieres. Beide Flügelblätter haben sich in Folge bedeutenden Oberflächenwachsthuns in viele kleine Falten gelegt. Die durch Verschmelzung beider Membranen entstandene mittlere Membran ist resorbirt worden, so dass der Flügel von vielen dünnen, die beiden Blätter verbindenden Pfeilern direct quer durchzogen wird. 1) A. Wrtsmann, Beiträge zur Naturgeschichte der Daphnoiden, Theil 3, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 28, Taf. X. 43* 646 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Beim Flügel des ausgeschlüpften Insekts stellen sich die Verbindungspfeiler (p) dann wie in Fig. 39 dar. An diesem Quer- ' schnitt bemerkt man ferner, dass die Hypodermis (h) des Flügels ganz ausserordentlich reducirt ist. Auch die Schuppenmutterzellen (Schuppen sind nicht gezeichnet), sind fast vollkommen geschwunden. Man er- kennt ausserdem das erwähnte cylindrische Rohr (r), welches in den Adern von Resten der beiden Grundmembranen (g) gebildet wird und in dem die nachher zu besprechende Flügelrippe (fr) vorläuft. — Tracheen habe ich im Flügel des ausgeschlüpften Insects, wie schon oben erwähnt, nicht mehr auffinden können. Die Cuticula des Flügels ist nach der Entstehung der Flügelfalten aufgetreten, also in einem ziemlich späten Stadium. Ihr Auftreten setzt dem Flächenwachsthum des Flügels eine Grenze. — Sehr merkwürdig ist beim fertigen Flügel die Ausbildung der Cuticula an den Adern. An der Oberseite des Flügels verdickt sich dieselbe hier sehr bedeutend (Fig. 39 c) und spaltet sich in zwei auf dem Quer- schnitt eine deutliche Längsstreifung aufweisende Lamellen, zwischen die sich eine quergestreifte, scheinbar Hohlräume zeigende Schicht einschiebt. Wie diese Cuticula sich gebildet hat, darüber fehlen mir Beobachtungen. Aehnliche Structuren sind mir sonst nicht bekannt. Ich komme zur Bildung der „Flügelrippen“, wie SEMPER die in den Flügeladern neben den Tracheen verlaufenden Röhren ge- nannt hat. Die erste Entstehung derselben hat SEMPER nicht beob- achtet, und die Beschreibung, die er von ihrem späteren Schicksal giebt, beruht entschieden auf irrthümlicher Deutung seiner Präparate. Ich gebe deshalb, ohne auf SemPER’S Angaben einzugehen, nur meine eigenen Beobachtungen wieder. Danach habe ich mit Sicherheit den Zusammen- hang dieser Zellröhren mit den Tracheen beobachten können. Derselbe findet sich an der Flügelbasis, wo sich das Lumen der Tracheen stark erweitert. Verschiedene Stadien der Ein- wucherung der Rippen in die Adern habe ich nicht beobachtet. Ich gebe deshalb kurz die Beschreibung der fertigen Rippe. Auf dem Querschnitt stellt dieselbe ein meistens cylindrisches Rohr dar, welches von einer sehr dünnen Chitinintima ausgekleidet ist, die zarte Bäumchen (b) trägt (Fig. 37). Diese Bäumchen sind wohl als analog den Verdickungsleisten der Tracheenintima zu betrachten. Auf Tangentialschnitten durch das Rohr erhält man gelegentlich Flächen- ansichten der Wandung, wie sie Fig. 38 darstellt. Ob ein Zusammen- hang zwischen den Aesten der verschiedenen Bäumchen existirt, kann Beiträge zur Histologie der Insekten. 647 ich nicht sagen, glaube es aber nicht. Dagegen legen sich dieselben an vielen Stellen sehr dicht an einander. — In den Rippen verläuft ein centraler Strang (str), der auf dem Längsschnitt eine deutliche Längsstreifung zeigt. SEMPER hat ihn für einen Nerven gehalten. Dem widerspricht aber der Zusammenhang der Röhren mit den Tracheen. Ich kann den Strang deshalb nicht anders denn als Ab- scheidungsproduct der Zellen der Wandung betrachten. Genauere Be- obachtungen über denselben fehlen mir. Die Nervennatur wird auch schon dadurch ziemlich widerlegt, dass ausserdem neben den Rippen Stränge verlaufen, die eine Längsstreifung besitzen und kleine läng- liche Kerne aufweisen. Ich glaube dieselben mit Sicherheit als Nerven deuten zu können, obwohl ich einen Zusammenhang mit dem Bauch- mark nicht constatiren konnte. — Beim Flügel des ausgeschlüpften Thieres vermochte ich auf Schnitten nur in der basalen Hälfte des Flügels Rippen nachzuweisen. Es scheint also, als ob dieselben nicht elastisch sind und beim Entfalten der Flügelblätter sich aus der Flügel- spitze zurückziehen. — Ein Verschmelzen der Chitinintima der Rippen mit dem äusseren Chitin des Flügels, wie SEMPER es angiebt, findet nach meinen Beobachtungen nicht statt. — Die functionelle Aufgabe der Rippen dürfte es sein, den. Flügel zu stützen. Zum Schluss will ich kurz die Resultate, zu denen ich bei der Untersuchung der Entwicklung der Flügelzeichnung von Vanessa urticae gelangt bin, wiedergeben. Die Präparate wurden, um bezüglich der Färbung einen Vergleich mit dem definitiven Flügel zuzulassen, als Trockenpräparate angefertigt, indem der herauspräparirte Flügel der vorher wie gewöhnlich conservirten Puppe unter dem Druck eines Deckglases getrocknet wurde. Bevor der Flügel durch die Differenzirung der Schuppen bezüglich ihrer Färbung eine characteristische Zeichnung erhält, ist derselbe durch ein den Zellen der Hypodermis rings um die Kerne herum ein- gelagertes Pigment roth gefärbt. Mit der Ausbildung einer Schuppen- färbung tritt diese Grundfärbung immer mehr zurück. Die Entstehung der Zeichnung beginnt ungefähr am 9. Tage des Puppenstadiums und ist durchschnittlich am 11. oder 12. Tage, den Tagen des Ausschlüpfens, vollendet. Sie findet also in verhältniss- mässig kurzer Zeit statt, was die Untersuchung natürlich sehr er- schwert. Die Entwicklung bei verschiedenen Puppen schien mir mit verschiedener Schnelligkeit vor sich zu gehen, was vielleicht auf die verschieden starke Ernährung der Raupen, die in grosser Menge in 648 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, verhältnissmässig kleinen Zwingern untergebracht waren, zurückzu- führen ist. Als ich daran ging, die Entwicklung der Flügelzeichnung zu ver- folgen, war ich von dem Gedanken beherrscht, dass in ähnlicher Weise, wie es WEISMANN !) für Raupen und Eimer?) für Wirbelthiere nach- gewiesen hat, so auch hier vor der Ausbildung der definitiven Zeich- nung andere primitivere Zeichnungen auftreten würden, und ich hoffte dadurch in den Stand gesetzt zu werden, phylogenetische Schlüsse zu ziehen. In meinen Hoffnungen bin ich jedoch durch das erhaltene Resultat ziemlich getäuscht worden. Schon das jüngste von mir beobachtete Stadium zeigt nämlich bereits das meiste Characteristische der defini- tiven Zeichnung, und von diesem Stadium aus geht die Weiterent- wicklung im Wesentlichen durch deutlichere Ausbildung der ver- schiedenen Farben und schärfere Abgrenzung derselben gegen einander vor sich. Von einer genaueren Darstellung aller Einzelheiten sehe ich deshalb ab, da dieselben kaum von allgemeinerem Interesse sind. Es seien hier nur zwei davon erwähnt: einmal die Thatsache, dass die Zeichnung des Hinterflügels sich langsamer entwickelt als die des Vorderflügels, ferner meine Beobachtung über die Entwicklung der schwarzen Binde, die sich an der Spitze des Hinterflügels findet und die blauen Flecke trägt. Diese Binde, welche sich in gleicher Ausbildung auch beim Vorderflügel findet, dort aber sofort in der definitiven Form als braune Binde mit hellen Flecken angelegt wird, entsteht beim Hinterflügel, indem zuerst die späteren blauen Flecken in weisslicher Farbe auftreten, sich darauf mit scharf begrenzten dunklen Rändern umgeben, die zuerst sehr schmal sind, allmählich breiter werden und schliesslich zur Querbinde verschmelzen. Es ist dieses die einzige Thatsache, die meinen oben erwähnten Erwartungen entsprochen hat. Sie scheint mir aber auch zugleich darauf hinzudeuten, dass trotz des bei Vanessa urticae erhaltenen fast ganz negativen Resultates bei anderem und mehr Arten um- fassendem Material doch vielleicht noch phylogenetische Schlüsse sich ziehen lassen werden. — Durch die Beobachtung bei Vanessa urticae ist, natürlich nur für den Fall, dass man das ontogenetische Stadium 1) A. Weısmann, Studien zur Descendenztheorie II, 1876. 2) Tu. Ermer, Ueber die Zeichnung der Vögel und Säugethiere, in: Jahreshefte Ver. f. vaterl. Naturk. in Württemberg, 1883, Zool. Anz. 1882/83, Humboldt 1885/87. Beiträge zur Histologie der Insekten. 649 der Fleckenreihe auch als phylogenetisches auffasst, nachgewiesen, dass phylogenetisch die Binde aus einer Reihe von Flecken hervor- gegangen ist. Interessant ist es nun, dass bei vielen jetzt lebenden Formen statt der Binde solche Fleckenreihen auf den Hinterflügeln vorkommen. Schon bei Vanessa urticae und polychloros findet man häufig Exemplare, bei denen die Flecken nicht so stark verschmolzen sind wie gewöhnlich. Mehr noch ist das bei Exemplaren von V. levana und V. cardui der Fall. Die weiteste Trennung unter den ein- heimischen Vanessen findet aber bei V. atalanta statt. — An mir be- kannten exotischen Nymphaliden wären als typische Beispiele für die Zeichnung mit Fleckenreihen zu nennen: Precis ethyra, Pyrameis gonerilla FABR., P. virginiensis Drn. etc. Auch bei Satyriden finden sich solche Reihen. Es lässt sich aus meiner Beobachtung der Schluss ziehen, dass überall da, wo die Fleckenreihen sich finden, die Hinterflügelzeichnung, wenigstens in Bezug auf diesen Punkt, eine primitivere ist als die Zeich- nung bei Formen mit ausgebildeter Binde. Sollten sich auf solche Weise nicht noch Formenreihen von wirklich phylogenetischem Werth aufstellen lassen ? Nachschrift. Nach Absendung des Manuscripts dieser Mittheilung erschien in Nr. 286 des ,,Zool. Anzeigers“ (20. Aug. 1888) eine vorläufige Mit- theilung von F. BRAUER und JOSEF REDTENBACHER: „Ein Beitrag zur Entwicklung des Flügelgeäders der Insekten.“ — In derselben wird in eingehenderer Weise, als das meine Absicht bei der Bearbeitung der Flügelentwicklung war, die Entstehung des Geäders behandelt und zwar im Anschluss an die Arbeit von G. ERNST ADOLPH: „Ueber Insektenflügel“, in: Nova Acta Ksl. L. C. Deutschen Acad. d. Naturf., Bd. 41, 2. Theil. Ich habe diese letztere Arbeit bisher nicht erwähnt, da sie sich mit histologischen Fragen fast gar nicht befasst und die Bildung der äusseren Flügelsculptur und des Aderverlaufes von mir nicht berücksichtigt wurde. — In der vorläufigen Mittheilung von BRAUER und REDTENBACHER aber findet sich vermuthungsweise die Ansicht ausgesprochen, dass „die Zellstränge, welche bei der Nymphe der Metabolen der Flügelrippe vorausgehen, nichts Anderes als die Anlagen von Tracheen seien.“ Diese „Zellstränge‘“ scheinen mir dasselbe zu sein wie die von SEMPER sogenannten „Flügelrippen‘“ (im engeren Sinne), welchen Ausdruck ich oben adoptirt habe. Der 650 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Zusammenhang dieser als Flügelrippen bezeichneten Zellenröhren, welche in den Flügeladern (nur so nenne ich das äusserlich in Form von meist erhabenen Linien hervortretende Netzwerk des Flügels) liegen, mit echten Tracheen, wie ich ihn nachgewiesen habe, bestätigt die Ansicht der beiden Autoren. — Bezüglich des weiteren Schicksals dieser ,,Zellstränge“ scheinen mir die Verfasser zu den gleichen Resultaten gekommen zu sein wie SEMPER. Sie beschreiben eine Cuticularbildung am äusseren Umfang derselben und „Umwandlung“ zu Flügeladern, Angaben, die ich, wie aus Obigem hervorgeht, nicht bestätigen konnte- Auch hier erklärt sich vielleicht die Verschiedenheit der Resultate aus den verschiedenen Untersuchtngsmethoden, denn die Verfasser scheinen die Schnittmethode nicht angewandt zu haben. Auch ver- halten sich die verschiedenen Insektenordnungen bezüglich der Flügel- bildung vielleicht verschiedener als man zuerst anzunehmen geneigt ist. Hamburg, im September 1888. Erklärung der Abbildungen. Durchgehende Bezeichnungen: 5A Blutbildungsherd, 5A Blutkörper- chen, ce Cuticula, f Fettkörper, A Hypodermis, m Muskel, r Retractor, s Secretbläschen, Zr Trachee. Tafel X XIX, Fig. 1—12. Die Bauchdrüse der Raupe von Hyponomeuta evony- mella. Fig. 1. Totalansicht der Bauchdrüse (nach einem frischen Präparat), Länge der Raupe ca. 1 cm. cu hinterer stark cuticularisirter Abschnitt mit Borsten, ru runzliger Abschnitt (nur zum Theil gezeichnet). Fig. 2. Kopf und erstes Thoracalsegment der Raupe (die Mundwerkzeuge und Beine sind nicht gezeichnet). b Ansatzpunkte der Beine, # Mündungskegel. 3. Querschnitt durch den runzligen Theil. Boraxcarminfärbung. Fig. 4. Cuticula mit Borsten aus Abschnitt ew der Fig. 1. 5. Längsschnitt durch die Bauchdrüse (aus einem Sagittalschnitt durch die Raupe). Hämatoxylin. d Dorsalseite, v Ventralseite, Fig. 6. OM durch die Bauchdrüse nahe der Ausmündung. Häma- toxylin, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Beiträge zur Histologie der Insekten. 651 7. Kern aus dem runzligen Abschnitt (nach dem frischen Präparat). 8. Zelle aus dem runzligen Abschnitt. Boraxkarmin. 9. Theil eines Längsschnittes durch die Wandung des runzligen Ab- schnittes. Hämatoxylin. 10. Drei Kernrisse (a, b, c) aus dem hinteren, stark cuticularisirten Abschnitt. Hämatoxylin. 11. Theil eines Längsschnittes durch die Wandung des hinteren Abschnittes. Hämatoxylin. sb Secretbahnen (?). 12. Tangentialschnitt durch den kernfreien Theil einer Zelle des hinteren Abschnittes. Hämatoxylin. 13—16. Die Bauchdrüse der Raupe von Harpyia vinula. 13. Mündungsstelle der Drüsenschläuche (aus einem Querschnitt durch die Raupe). Die 4 seitlichen Schläuche ss und der mittlere Schlauch ms sind angeschnitten. Hämatoxylin. 14. Theil eines Querschnittes durch die Wandung des mittleren Schlauches. ¢ Tunica propria. Hämatoxylin. 15. Kerne aus dem mittleren Schlauch im Tangentialschnitt. Häma- toxylin. 16. Theil eines Querschnittes durch die Wandung eines seitlichen Schlauches. Hämatoxylin. ha Haar. 17—22. Die Bauchdrüse der Raupe von Plusia gamma. 17. Schema der normalen Lage des eingestülpten Organs, nach einer Serie von Querschnitten construirt. dr drüsiger Abschnitt, a ausführender Abschnitt. 18. Querschnitt durch das eingestülpte Organ. Hämatoxylin. dr Uebergangsstelle des drüsigen Abschnittes in den ausführenden. e Tangentialschnitt durch die Wandung des ausführenden Abschnittes an der Einknickungsstelle. 19. Längsschnitt durch das ausgestülpte Organ (aus einem Quer- schnitt durch die Raupe. Hämatoxylin. dr drüsiger Theil, a ausführender Theil. b der in Fig. 20 stärker vergrösserte Theil des ausführenden Ab- schnittes. 20. Der in Fig. 19 mit 5 bezeichnete Theil des ausführenden Ab- schnittes. Hämatoxylin. 21. Querschnitt durch den drüsigen Theil. Hämatoxylin. 22. Ein Kern des drüsigen Theiles im Tangentialschnitt. Häma- toxylin. Tafel XXX. 23. Blutbildungsherd 5A im Zusammenhang mit dem Fettkörper f bei Raupen von Hyponomeuta. Boraxcarmin. 24. Blutbildungsherd bei Hyponomeuta. Boraxcarmin. fl Flügelanlage, ir Gewebe für die Bildung der knäuelförmigen Tracheen, 64 sich ablösende Blutkörperchen, 652 Dr. CÄSAR SCHÄFFER, Beiträge zur Histologie der Insekten, Fig. 25. Querschnitt durch den Prothorax der Raupe von Hyponomeuta vor der Beingegend. Boraxcarmin. vd Vorderdarm, 6 Bauchdrüse, Ad Hautdrüse, 54 Blutbildungsherd (verdickte Tracheenmatrix). Fig. 26. Der tracheale Blutbildungsherd der Fig. 15 stärker vergrössert. Boraxcarmin. Fig. 27. Schnitt durch denselben Blutbildungsherd (aus einem Querschnitt durch den Kopf. Die Ablösung von Zellen (54) ist sichtbar. Borax- carmin. Fig. 28. Querschnitt durch denselben Blutbildungsherd in der Beingegend des Prothorax. Boraxcarmin. Fig. 29. Querschnitt durch die Trachee dieses Herdes weiter nach hinten im Prothorax (Beingegend). Boraxcarmin. Fig. 30. Blutbildungsherd der Larve von Lyda (erythrocephala?) aus einem Querschnitt durch die Larve. Der Fettkörper f mit rothen (in der Figur: schwarzen) Concrementen. Hämatoxylin. Fig. 31. Querschnitt durch eine etwa 6 mm lange Larve von Musca vomitoria, nahe den Stigmen geführt. bl Blutgewebe, d Darm. Hämatoxylin. Fig. 32. Blutbildungsherd der Muscalarve aus einem Querschnitt durch die ca. 6 mm lange Larve, ganz nahe den Stigmen. Hämatoxylin. Fig. 33. Theil eines Querschnittes durch eine ganz junge Larve von Musca vomitoria, ganz nahe den Stigmen. Hämatoxylin. d Darm. Der jugendliche Fettkörper f in Verbindung mit der Tracheenmatrix. Fig. 34. Jugendlicher Fettkörper derselben Larve etwa aus der Mitte des Thieres. Hämatoxylin. Fig. 35—39. Durchgehende Bezeichnungen : 5 Bäumchen (Chitin-), bk Blutkörperchen, e Cuticula, flsch Flügelscheide, fr Flügelrippe, g Grund- membran, A Hypodermis, p Pfeiler (der Hypodermis), s Secretbläschen, sch Schuppe, schm Schuppenmutterzelle, str centraler Strang der Flügelrippe, tr Trachee, trk Tracheenknäuel, Fig. 35. Längsschnitt durch die Flügelanlage von Prerts brassicae aus einem Frontalschnitt durch die Raupe. Boraxcarmin. Fig. 36. Theil eines Längsschnittes durch den Flügel einer Vanessapuppe vom 2.—3. Tage. Boraxcarmin. Fig. 37. Querschnitt durch die fertige Flügelrippe. Hämatoxylin. Fig. 38. Tangentialschnitt durch die Wandung der fertigen Flügelrippe. Fig. 39. Theil eines Querschnittes durch die basale Hälfte eines Flügels des ausgeschlüpften Insekts. Eine Flügelader ist quergeschnitten. Hämatoxylin. Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. Nach Beobachtungen an Strongylocentrotus lividus Lam. Von Dr. Eugen Korschelt, Privatdocent und Assistent am Zool. Inst. in Berlin. Hierzu Tafel XXXI. Die Bildung des Mesoderms erfolgt bei allen Echinodermen auf zweierlei Weise. Ein Theil desselben entsteht, indem sich nach Art der Peritonealsäcke getrennt oder im Zusammenhang mit einander zwei Divertikel vom Urdarm abschnüren, ein anderer nimmt seinen Ursprung durch Loslösung einzelner Zellen vom entodermalen Theil de Gastrula oder Blastula aus. Jener erstere Vorgang, die Bildung des Enterocöls, wurde mehrfach in übereinstimmender Weise darge- stellt, und man kann sich an Bipinnarien-, Auricularien- und Pluteus- larven nicht allzu schwer davon überzeugen, dass sich die Vorgänge in der Weise vollziehen, wie sie für die verschiedenen Formen von den Autoren geschildert wurden. Eine Unklarheit ist also hier nicht vor- handen. Anders verhält es sich dagegen mit der Entstehungsweise des zweiten Mesodermtheils, mit der Bildung der Wanderzellen oder des Mesenchyms. In Bezug auf den Ursprung des Mesenchyms bei den Echino- dermen stehen sich zwei Ansichten schroff gegenüber. Die eine der- selben führt das Mesenchym auf zwei Urzellen zurück, entsprechend den Mesodermzellen, die andere leugnet das Vorhandensein dieser Urmesodermzellen und lässt das Mesenchym einfach durch Vermehrung der Zellen am vegetativen Pol der Blastula entstehen. Die hier dar- 654 Dr. EUGEN KORSCHELT, zustellenden Untersuchungen wurden zu dem Zweck unternommen, wo möglich eine Entscheidung dieser streitigen Frage herbeizuführen. Weshalb als Untersuchungsobject gerade Strongylocentrotus lividus gewählt wurde, ergiebt sich aus dem vorausgeschickten Excurs über die Mesenchymbildung der Echinodermen. Andere Formen wären allerdings gern zur Vergleichung herangezogen worden, doch verhin- derte die Ungunst der Jahreszeit solches. Uebrigens liegen die Ver- hältnisse bei den übrigen Echinodermen weit klarer und scheinen von minderer theoretischer Wichtigkeit als gerade bei den Echiniden. Als man die Lehre von der Entstehung des mittleren Keimblatts oder doch eines Theiles desselben aus zwei Urmesodermzellen auf die Echinodermen übertrug, waren es zumal die Seeigel, welche dazu Veranlassung gaben. Bei ihnen sollte diese typische Bildungsweise des Mesoderms am ausgeprägtesten hervortreten. Durch SELENKA (22) und HATScHEXR (9) wurden im Umfang der Blastula verschiedener See- igel zwei Zellen beschrieben, die sich vor den übrigen Zellen durch eine etwas abweichende Gestaltung auszeichnen (vergl. z. B. Fig. I)+) und später die Mesenchym- oder Wanderzellen liefern, indem sie sich vermehren und in das Blastocöl hineinrücken. Hier ordnet sich das Mesenchym nach Art der Mesodermstreifen bilateral-symmetrisch an, indem es anfangs zwei getrennte Zellengruppen bildet und später zu zwei Streifen auswächst, die sich vom Grunde nach dem Gipfel der Blastula hin erstrecken. SELENKA hatte schon in einer früheren Arbeit (21) auf die bila- terale Anordnung der Mesenchymanlage bei den Echiniden aufmerksam gemacht. Ihm folgen spätere Autoren wie Fewkes (4) und FLEISCH- MANN (5), von denen jener sich allerdings nicht mit Sicherheit von der symmetrischen Anordnung der Mesenchymzellen überzeugen konnte, während dieser sowohl die Urmesenchymzellen wie die Mesenchym- streifen auffand. Während SELENKA seine bei den Seeigeln gewonnenen Resultate verallgemeinert und die beiden Urmesenchymzellen auch bei allen übrigen Echinodermen wiederfindet, tritt METSCHNIKOFF diesen Angaben 1) Da ich ausser der Mesenchymbildung der Echiniden auch die- jenige der übrigen Echinodermen eingehend zu berücksichtigen habe, so erlaube ich mir, von den am meisten characteristischen Formen der- selben einige Copien (S. 656 und 657) nach den betr. Autoren zu geben. Bei den Fig. I, IT und IV ist nur der optische Schnitt der Blastula bezw. Gastrula wiedergegeben und die von den ‘Autoren dargestellte Hinterwand der Einfachheit wegen weggelassen. Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen, 655 auch für die Seeigel entgegen (15). Nach ihm sind die beiden Ur- mesenchymzellen nicht vorhanden; es wandern vielmehr beliebige Zellen aus dem unteren Theile der Blastula in deren Höhlung ein; ihr Ver- lust wird durch Theilung der bleibenden Zellen ersetzt. Eine regel- mässige symmetrische Anordnung der eingewanderten Zellen ist durch- aus nicht vorhanden, indem die Einwanderung bald einzeln, bald zu mehreren erfolgt und im Innern dann ein unregelmässig geformter Haufen gebildet wird. Die von SELENKA und HATSCHER gewonnenen Bilder der Urme- senchymzellen, welche letztere sich durch geringere Grösse vor den umliegenden Zellen auszeichnen (Fig. I), erklärt METSCHNIKOFF damit, dass die Theilung der Blastulazellen nicht in regelmässigen Perioden vor sich geht. Während die eine Zelle sich theilt, bleiben die um- liegenden Zellen unverändert. Bei der Theilung verkürzt sie sich aber bedeutend, und folgerichtig sieht man dann nach ihrer Theilung zwei kürzere, dickere Zellen zwischen den lang-prismatischen liegen. So kommt der Trichter zu Stande, der von den vermeintlichen Urmesen- chymzellen in die Höhle der Blastula reicht. Solche in Theilung be- griffene Zellen findet METSCHNIKOFF übrigens am ganzen Umfang der Blastula. Mit der Bildung des Mesenchyms haben sie nichts zu thun. ; Werfen wir noch einen Blick auf die übrigen Echinodermen, so- weit deren Mesenchymbildung bekannt ist, um zu sehen, ob diese fiir oder gegen ein Vorhandensein von Urmesenchymzellen spricht. An die Echiniden würden sich nach SELENKA zunächst die Ophiu- riden anschliessen, da auch bei ihnen die Urmesenchymzellen als zwei am Boden der Blastula liegende Zellen auftreten sollen. Allerdings lauten hier die Angaben SELENKA’S weit weniger bestimmt als für die Echiniden, wie dies auch schon durch METSCHNIKOFF hervorgehoben wurde. Die Fig. III giebt eine Copie des Bildes, auf welches sich die Darstellung SELENKA’s stützt. Die beiden Urmesenchymzellen liegen am Grunde der Blastula. Eine dritte Mesenchymzelle hat sich bereits von ihnen abgelöst. Wenn FEWKES bei einer Ophiurenlarve (Ophiopholis aculeata) nach erfolgter Gastrulation in der Nähe des Blastoporus zwei symmetrisch gelegene Zellhaufen findet, so scheint uns das von keiner grossen Be- deutung für den hier in Frage kommenden Punkt, denn gerade nach der Gastrulation wird eine solche bilaterale Lagerung auf dem optischen Schnitt leicht vorgetäuscht, obwohl die Mesenchymzellen den ganzen Urdarm umgeben. Zudem hat der Autor diesem Punkt keine be- 656 Dr. EUGEN KORSCHELT, Fig. II. Blastula-Stadium von Ophioglypha lacertosa (nach SELENKA). F Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 657 Fig. III. Beginnende Gastrulation von Holothuria tubulosa (nach SELENKA). Fig. IV. Gastrula-Stadium von Synapta digitata (nach SELENKA). Fig. V. Oberer Theil des Urdarms der Larve von Astropecten pentacanthus (nach METSCHNIKOFF). Fig. VI. Gastrula-Stadium von Antedon rosacea (nach BURY). sondere Aufmerksamkeit widmen wollen, sondern macht die betr. An- gaben nur mehr nebenbei, wie seine Untersuchung der Entwicklung von Ophiopholis überhaupt keine sehr eingehende ist, soweit bis jetzt darüber Mittheilungen vorliegen. Grosser Werth scheint deshalb auf 658 Dr. EUGEN KORSCHELT, diese Angabe von der bilateral-symmetrischen Anlage des Mesenchyms nicht zu legen. Weiter oben wurde schon erwähnt, dass der nämliche Forscher in der Entwicklung des von ihm eingehender untersuchten Seeigels (Echinarachnius parma) die Bilateralität des Mesenchyms weniger deutlich fand. Bei Synapta digitata erkennt SELENNA die beiden Urmesenchym- zellen in zwei Zellen, welche dem Gipfel des Urdarms aufliegen (Fig. IV). Die Bildung des Mesenchyms erfolgt hier im Gegensatz zu den bisher betrachteten Formen erst nach der Gastrulation. Diese beiden Zellen liefern aber keine Mesodermstreifen, überhaupt ist hier keinerlei bila- terale Gestaltung des Mesenchyms zu erkennen, sondern die beiden Zellen lösen sich vom Urdarm ab und legen sich an beliebigen Stellen dem Ectoderm an. Indem sie sich vermehren, sollen die übrigen Mesenchymzellen entstehen, welche sich in der Furchungshöhle ver- theilen. Dies die Angaben, auf welche sich die Lehre von den Urzellen des Mesenchyms bei den Echinodermen stützt, und welche SELENKA veranlassen, für alle Echinodermen das Vorhandensein desselben an- zunehmen (22). Wir sahen schon oben, dass diese Annahme in METSCHNIKOFF einen entschiedenen Gegner fand, selbst für die Echi- niden, für welche die Angaben so bestimmt lauteten, um so mehr dann für die übrigen Echinodermen. Bei den Ophiuriden geht nach METSCH- NIKOFF die Bildung des Mesenchyms in ganz ähnlicher Weise wie bei den Echiniden durch Auswanderung beliebiger Zellen aus der ver- dickten Wandung der Blastula vor sich. Ein Uebergang von der Art und Weise der Mesenchymbildung, wie sie bei den Seeigeln statthat, zu dem abweichenden Modus bei den Seesternen scheint durch das Verhalten der Holothurien gegeben. Bei Cucumaria doliolum lösen sich nach der Angabe SELENKA’S von dem verdickten Boden der Blastula Zellen ab (Fig. III) und treten in das Blastocöl ein, wo sie einen unregelmässigen Haufen bilden (von einer bilateralen Anordnung wird hier nichts erwähnt). Bei Holothuria tubulosa erfolgt die Mesenchymbildung an derselben Stelle, nur etwas später, wenn sich die Einstülpung des Urdarms schon vorbereitet. Durch letzteren werden dann die Mesenchymzellen weiter nach oben gedrängt. — Anders verhält sich Synapta, indem bei ihr die Los- lösung der Mesenchymzellen erst nach erfolgter Gastrulation, und zwar am Gipfel des Urdarms vor sich geht. Die Stelle der Mesenchym- bildung ist offenbar dieselbe, nur ist der Vorgang der Zeit nach ver- schoben und damit der Berührungspunkt mit den Asteriden gegeben. Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 659 Bei den Asteriden entstammen die Mesenchymzellen nach der Beob- achtung METSCHNIKOFF’S ebenfalls dem oberen Theile des Urdarms. Nachdem sich die anfangs cylindrischen Zellen des letzteren abgeflacht haben, beginnen sie kurze, pseudopodienartige Fortsätze auszustrecken, und einige von ihnen lösen sich aus dem Zellverbande los, um sich frei in das Blastocöl zu begeben (Fig. V). Ihnen folgt dann bald eine grössere Anzahl. Dieser Vorgang hat zweifellos eine grosse Aehnlichkeit mit der Mesenchymbildung der Synapta. Auch SELENKA fand, wie er selbst sagt, „nicht selten Larven (von Synapta), bei welchen das freie Ende des Urdarms ganz unregelmässig contourirt oder wie mit sternförmigen Zellen besetzt erscheint‘ (22). Diese Beschreibung stimmt zu auffällig mit der METSCHNIKOFF’schen Darstellung der Mesenchymbildung bei den Asteriden überein, als dass man sich einer Vergleichung beider Vorgänge entziehen könnte. Allerdings hält SELENKA dieses Verhalten der Holothurienlarven für ein pathologisches, ohne aber dafür be- stimmte Gründe anzugeben. Wie wir oben sahen, ist er dafür einge- nommen, dass jene zwei dem Urdarm aufliegenden Zellen das Mes- enchym liefern. METSCHNIKOFF suchte dieselben bei den Asteriden vergeblich. An die Mesenchymbildung der Asteriden würde sich diejenige der Crinoiden anschliessen, wie sie schon von GÖTTE vermuthet (6) und neuerdings von BARROIS (1) und Bury (3) sicher nachgewiesen wird. Auch hier beginnt die Auswanderung der Mesenchymzellen erst nach der Gastrulation (Fig. VI). Die Zellen des Urdarms, zumal die gegen den Gipfel desselben zu gelegenen verlieren ihre regelmässige Anord- nung, offenbar in Folge einer hier eintretenden starken Zellenvermehrung, so dass dieser Theil der Gastrula nicht mehr streng einschichtig er- scheint, sondern sich aus unregelmässig zwischen einander einge- schobenen Zellen zusammensetzt. Eine grosse Anzahl dieser Zellen wandert in die Furchungshöhle* ein und bildet das Mesenchym (Fig. VI). Diese Angaben von BARROIS und Bury decken sich insofern mit denen von PERRIER (16), als letzterer Forscher in den von ihm untersuchten frühen Stadien der Gastrula von Antedon rosacea Wanderzellen noch nicht auffinden konnte. Aus der gegebenen Darstellung der Entstehung des Mesenchyms in den verschiedenen Abtheilungen der Echinodermen geht hervor, dass seine Bildungsweise in der bei weitem grösseren Mehrzahl der Fälle nicht eine so regelmässige sein dürfte, wie sie durch das stetige Auf- treten zweier Urmesenchymzellen bedingt ist. Vielmehr erhält man Zool. Jahrb. III. Abth, f, Morph. 44. 660 Dr. EUGEN KORSCHELT, bei Betrachtung der verschiedenen Bildungsmodi den Eindruck, als ob die typische Entstehungsweise, wie sie für die Seeigel zuerst beschrie- ben wurde, von diesen auf die übrigen Abtheilungen der Echinodermen künstlich übertragen worden sei. Sollte sich der Ursprungdes Mesenchyms aus zwei Urzellen für die Seeigel nicht bewahrheiten, so würde eine solche Entstehungsweise desselben für die übrigen Echinodermen noch viel un- wahrscheinlicher werden. Demnach kam es darauf an, den streitigen Punkt über die Art der Mesenchymbildung bei den Echiniden ins Klare zu stellen und womöglich bei den bereits untersuchten Formen das Vorhandensein der Urmesenchymzellen zu bestätigen. Wurden sie hier gefunden, so musste sich die Untersuchung auf die übrigen Abtheilungen der Echinodermen fortsetzen. Diesen Erwägungen folgend nahm ich die Untersuchung der in dieser Richtung am ge- nauesten erforschten Form, Sérongylocentrotus lividus, wieder vor. Für sie war das Vorhandensein der Urmesenchymzellen von zwei Forschern beschrieben worden. Auf die Schilderung der von SELENKA so eingehend dargestellten Furchungserscheinungen des Eies kann ich hier verzichten, dagegen sind jüngere Blastulastadien, wie das in Fig. 1 abgebildete, für den hier behandelten Punkt von Wichtigkeit, weil sie zeigen, wie die Thei- lungen der Blastomeren in diesen Stadien nicht mehr gleichen Schritt halten. Im optischen Schnitt sowohl wie in der dunkler gehaltenen hinteren Wand der Blastula erkennt man Zellen von recht verschie- dener Grösse. In etwas älteren Stadien sieht man dann das bereits von METSCHNIKOFF (15) beschriebene Verhalten auftreten. Die Zellen sind schon mehr lang-prismatisch geworden. Zwischen ihnen sieht man aber einzelne liegen, welche sich durch ihre kurze, gedrungene Form vor jenen auszeichnen (Fig. 2).° Es sind dies Zellen, die sich zur Theilung anschicken, wie schon die Structur ihrer Kerne bei Be- trachtung mit stärkerer Vergrösserung lehrt. Oft findet man zwei solcher Zellen, die aber dann kleiner sind, dicht neben einander liegen (Fig. 3 und 4). Man kann (bei genügender Durchlüftung des Prä- parats) unter dem Mikroskop verfolgen, wie diese beiden Zellen allmäh- lich an Umfang zunehmen und schliesslich den benachbarten Cylinder- zellen an Grösse völlig gleichkommen. Dieser Vorgang wurde unter anderen bei den kleinen Zellen der Fig. 3 beobachtet, die sich zuletzt vor den übrigen Blastulazellen nicht im geringsten mehr auszeichneten. Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 661 Vergleicht man die Fig. 3 mit den von SELENKA gegebenen Sta- dien, auf denen die Urmesenchymzellen schon gebildet sind, so ergiebt sich eine grosse Uebereinstimmung. Trotzdem haben wir es nicht mit solchen, besonders ausgezeichneten Zellen zu thun, wie die That- sache lehrt, dass sie von den übrigen Zellen später nicht mehr zu unterscheiden sind. Wenn auch MerscaniKorr den letzteren Punkt nicht beobachtete, so giebt er doch im Uebrigen eine so eingehende Darstellung der Verhältnisse in diesen Stadien, dass ich mich nicht weiter auf dieselben einzulassen brauche. Ueberhaupt will ich gleich hier hervorheben, dass ich die MerscaniKorr’schen Angaben im We- sentlichen zu bestätigen habe. Wenden wir uns jetzt zu dem uns vor allem interessirenden Punkt, der Bildung des Mesenchyms, welchen ich an einer sehr grossen Anzahl lebender und conservirter Larven untersuchte. Die Untersuchungsmethoden waren die gewöhnlichen. Mit beson- derem Glück wurde die Abtödtung der Larven mit Osmiumsäure- dämpfen (unter minutenlanger Einwirkung der 1 °/,igen Lösung) und nachherige Behandlung mit Glycerin, auch hierauf folgende Färbung mit Glycerin - Hämatoxylin verwendet. Zur Erhaltung der Totalform der Larven fand ich kalte concentrirte Sublimatlösung besonders ge- eignet, freilich erhalten sich bei Anwendung dieser Methode die Zell- grenzen meist weniger deutlich, und da es gerade auf diese hier sehr ankam, so erwies sich die erstere Methode als geeigneter. Auch Chromosmiumessigsäure mit nachfolgender Einwirkung von Methyl- alcohol giebt gute Bilder. Die Hauptmenge der Larven, von denen ein Theil zur Beob- achtung gelangte, wurde immer zur Weiterentwicklung bis zum Pluteus gebracht, um das normale Verhalten der untersuchten Stadien zu erweisen. Die Mesenchymbildung wird dadurch eingeleitet, dass die an dem verdickten vegetativen Pol gelegenen Zellen sich rascher vermehren als die übrigen. Die Folge davon ist, dass an dieser Stelle die Wand nicht mehr durchaus einschichtig erscheint, sondern die Lagerung der Zellen eine unregelmässige wird. Es schieben sich einige Zellen in die Schicht der übrigen ein (Fig. 5—7). Sehr bald werden dann die zu oberst gelegenen aus dem Zellenverbande hinaus in das Blastocöl gedrängt. Man sieht über dieser unregelmässig gestalteten Stelle der Blastula zuerst einige kleine Höcker und Buckel in die Höhle hineinragen (Fig. 8 und 9), die immer umfangreicher werden und sich schliesslich als besondere Zellen documentiren (Fig. 10 und 11). Immer weiter 44% 662 Dr. EUGEN KORSCHELT, rücken diese Zellen in das Blastocöl hinein und liegen schliesslich der Innenwand nur noch lose an (Fig. 12—14). Es scheint, als ob in Folge der grossen Zellenvermehrung ein stärkerer Druck auf die Zellen des vegetativen Pols ausgeübt würde und einige derselben dadurch hinausgedrängt würden. Dafür spricht auch die nach unten zugespitzte Form der Wanderzellen. In derselben Weise setzt sich die Auswanderung von Zellen am vegetativen Pol noch längere Zeit fort. Die zuerst ausgewanderten Zellen werden ven den nachfolgenden weiter ins Innere gedrängt (Fig. 14, 15, 17). Meistens zeigen die Wanderzellen in diesem Stadium eine ungleichmässige, sich der Kugelform nähernde Gestalt. Doch erweisen sie sich zuweilen auch auf dieser Stufe schon amöboid und senden Fortsätze aus (Fig. 15). Dass die Mesenchymbildung nicht in bestimmter regelmässiger Weise vor sich geht, beweisen schon die mitgetheilten Figuren, die alle etwas von einander verschiedene Bilder geben. Es hätten sich aber deren noch eine grosse Zahl weiterer hinzufügen lassen, ohne dass sich eine grössere Uebereinstimmung ergeben hätte. Zu- weilen sieht man eine einzige Zelle den Anfang zur Auswanderung machen, ein ander Mal sind es mehrere Zellen, die zu gleicher Zeit in das Blastocöl eintreten, während in solchen Fällen wie in dem von Fig. 18 eine ziemliche Anzahl von Wanderzellen auf einmal den Zellen- verband zu verlassen scheint. Auch die Fortdauer der Auswanderung geht in verschiedener Weise vor sich. Während bei manchen Larven (vergl. Fig. 19 und 20) die Zellen des vegetativen Pols sich schon verhältnissmässig früh wieder zu einer einschichtigen Lage anordnen, zeigen sie bei anderen Larven dann noch eine unregelmässige Lagerung, wenn schon eine grosse Menge von Mesenchymzellen gebildet ist (Fig. 21). So weit, wie METSCHNIKOFF dies darstellt, habe ich die Mesenchymbildung sich nie erstrecken sehen. Er schildert, wie fast alle Zellen am untersten Theil des vegetativen Pols sich zu Wander- zellen umbilden, hier also keine anderen Zellen mehr zurückbleiben und in Folge dessen eine Lücke entsteht. Soviel ich beobachtete, fand immer ein sofortiger Ersatz der austretenden Zellen statt. Obgleich ich Theilungsstadien nicht direct beobachtet habe, ist es mir doch sehr wahrscheinlich, dass nicht alle der zuletzt in der Blastula vorhandenen Mesenchymzellen direct durch Auswanderung entstanden sind, sondern es findet jedenfalls bald eine Vermehrung der ausgewanderten Zellen statt. Dafür spricht das oft ganz rapide An- wachsen ihrer Zahl. Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 663 Der Abschluss der von den Blastulazellen ausgehenden Mesen- chymbildung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zellen des vegeta- tiven Pols wieder eine durchaus regelmässige Lage annehmen, wie früher streng einschichtig erscheinen. In Folge der Abgabe der Wan- derzellen hat dieser Theil der Blastula bedeutend an Umfang abge- nommen; er ist weit dünnwandiger geworden, als er vorher war. An derselben Stelle erfolgt bald darauf die Invagination. — Eigenthümlich ist die starke Ausdehnung, welche die Larve zu gleicher Zeit erfährt: ihr Umfang nimmt bedeutend zu. Die Folge davon ist, dass sie dünnwandiger und weit durchsichtiger als vorher erscheint. Wenn die Mesenchymzellen vorher in der Blastula ziemlich gedrängt lagen, sind sie jetzt durch weite Zwischenräume getrennt. — In etwas späteren Stadien der Larve kann man die Bildung der Vasoperitonealblase in der von SELENKA geschilderten Weise beobachten. Die beschriebene Bildungsweise des Mesenchyms bei Strongylo- centrotus lividus lässt von dem Vorhandensein der Urmes- enchymzellen nichts erkennen. Obwohl ich, durch die be- stimmten Angaben von SELENKA und FLEISCHMANN geleitet, eifrig danach suchte, konnte ich doch nichts von ihnen entdecken. Wohl erhielt ich Bilder, welche mit den von SELENKA gegebenen Aehnlich- keit haben. Es sind dies die Stadien, in denen zwischen hoch pris- matische Zellen viel kürzere eingeschoben sind. Solche Zellen findet man im ganzen Umkreis der Blastula. Wenn man die Figuren 3, 4, 7 und 13 ins Auge fasst, so zeigen dieselben die grösste Ueberein- stimmung mit den von SELENKA und HATsScHER abgebildeten Stadien der Blastula, in welchen die beiden Urmesenchymzellen gebildet sind. In der Deutung dieser Bilder muss ich mich aber durchaus METScH- NIKOFF anschliessen. Wie in jüngeren Stadien der Blastula kommen auch in älteren, nämlich dann, wenn die Mesenchymbildung schon be- gonnen hat, noch solche Theilungsstadien der Zellen vor. Ich führte aber schon oben aus, wie man das allmähliche Wachsthum dieser Zellen beobachten kann, bis sie den umliegenden Zellen völlig gleichen. Wenn solche Zelltheilungen vor Beginn der Mesenchymbildung am verdickten vegetativen Pol der Blastula auftreten, wie ich dies auch zuweilen beobachtet habe, so wird die Uebereinstimmung mit den von HATSCHEK, SELENKA und FLEISCHMANN gegebenen Bildern noch grösser. Nichtsdestoweniger kann ich auch diesen Zellen keine be- sondere Bedeutung zuschreiben. Wohl werden sie ebenfalls zur Mes- enchymbildung beitragen, da sie zufälliger Weise an der Stelle liegen, 664 Dr. EUGEN KORSCHELT, wo dieses später entsteht, aber ehe es zur Mesenchymbildung kommt, haben sie ihre eigenartige Gestalt bereits wieder verloren und zeichnen sich von den benachbarten Zellen keineswegs aus. Besondere Ur- mesenchymzellen,ausdenendas Mesenchymentstammt, sind also bei Strongylocentrotus lividus nicht vorhanden; das Mesenchym verdankt vielmehr einer grösseren Anzahl der am vegetativen Pol gelegenen Zellen seinen Ur- sprung. Immerhin ist es eine ganz bestimmte Gegend der Keim- blase, wo die Bildung des Mesenchyms erfolgt, die Stelle, an welcher später die Einstülpung zur Gastrula vor sich geht. Hierbei sind die Angaben einiger Autoren zu erwähnen, nach welchen die Bildung des Mesenchyms auf andere Weise verläuft. Es sind dies zumal GREEFF (8) und R. S. BERGH (2), welche beiden For- scher die Mesenchymzellen bei Echinus miliaris und Asterias rubens im ganzen Umfang der Blastula entstehen lassen, eine Auffassung, die sich nach dem bisher darüber bekannt Gewordenen wohl kaum mehr halten lässt, wenn auch Abbildung und Beschreibung BERGH’s sehr bestimmt gehalten sind. SELENKA, welcher den betr. Angaben GREEFF’S entgegentritt, führt dieselben darauf zurück, dass die Larven patho- logisch verändert gewesen seien. Richtig ist, dass die Zellen der. Blastula bei ungenügender Sauerstoffzufuhr vor dem Zerfall der Larve ihre Form mannigfach verändern. Weiter muss hier hinzugefügt werden, dass Bilder, welche eine solche Art der Mesenchymbildung vortäuschen könnten, bei den Echiniden dadurch zu Stande kommen, dass einzelne Mesenchymzellen sich sehr früh von der Gesammtheit der übrigen ab- lösen und der Innenfläche der Blastula anlegen. Uebrigens will ich damit nicht sagen, dass das von BERGH gegebene Bild auf diese Weise entstanden sei. Sicher ist, dass bei den vielen Larven von Strong. lividus, welche ich untersuchte, ein Auswandern von Zellen anderswo als am vegetativen Pol der Blastula niemals zu beobachten war. Aehnlicher Ansicht über die Entstehung von Mesenchymzellen scheint ,auch ProuHo zu sein (17). Zwar zeichnet er einen Haufen von Mesenchymzellen, welche dem vegetativen Pol der Blastula von Dorocidaris papillata angelagert und also wohl aus diesem ausge- wandert sind, aber er spricht davon, dass in späteren Stadien, nach längst vollzogener Gastrulation, gewisse Mesenchymzellen ein braunes Pigment zeigen. Dieses Pigment entsteht im Eetoderm, und aller Wahrscheinlichkeit nach sollen die betr. Zellen ectodermalen Ursprungs sein. Prouno kann demnach hier nur an eine Auswanderung ecto- dermaler Elemente ins Innere der Larve denken, und zwar würde Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 665 diese Auswanderung, von der er übrigens nichts gesehen hat, erst sehr spät vor sich gehen. - Noch eine Frage bleibt uns schliesslich zu erledigen, nämlich die- jenige, welche Anordnung die Mesenchymzellen nach ihrem Eintritt in’s Blastocöl zeigen. Nach den Angaben von HATSCHEK, SELENKA und FLEISMANN formiren die beiden Urmesenchymzellen in Folge ihrer Vermehrung zwei Mesenchymstreifen, die sich mehr oder weniger deut- lich vom Boden der Blastula gegen ihren Gipfel hin erstrecken (FLEISCHMANN). Ebensowenig wie METSCHNIKOFF konnte ich von einer bilateral-symmetrischen Anordnung des Mesenchyms etwas erkennen. Wie oben beschrieben, treten die Wanderzellen zuweilen einzeln, zu- weilen zu mehreren in’s Blastocöl ein (Fig. 9—15). Dabei kann es der Zufall mit sich bringen, dass unter Umständen gerade zwei symmetrisch gelegene Zellen auf einmal austreten, oder dass die in’s Blastocöl ge- langten Zellen unter Umständen in zwei Partien angeordnet sind. Im allgemeinen ist dies aber, wie gesagt, nicht der Fall. Wäre eine bila- terale Anordnung des Mesenchyms vorhanden, so müsste dieselbe öfter zu beobachten sein. Obwohl ich nun Larven, die sich in den geeigneten Stadien befanden, durch Drehen von allen Seiten zur Beobachtung brachte, so konnte ich mich doch nicht von der bilateral-symmetrischen Anlage des Mesenchyms überzeugen. Der Austritt der Wander- zellen unterliegt keinem bestimmten Gesetz, und im Blastocöl legen sie sich ganz unregelmässig an ein- ander; die beiden Mesenchymstreifen sind nicht vor- handen. Die Figuren 11—22 erläutern die geschilderten Verhältnisse. Sie zeigen, dass -auch in späteren Stadien der Blastula von einer bila- teralen Anordnung des Mesenchyms nichts zu bemerken ist. Von be- sonderem Interesse ist das allerdings nur einmal beobachtete Verhalten der in Fig. 16 abgebildeten Blastula, weil bei ihr das Vorhandensein einer Bilateralitat der Mesenchymanlage gänzlich ausgeschlossen ist. Hier haben sich die wenigen vorhandenen Wanderzellen, vielleicht in Folge besonders raschen Rotirens dieser Larve um die Längsaxe, ziemlich in einer Reihe hinter einander angeordnet. Von dem Vor- handensein zweier Mesenchymstreifen kann hier gewiss nicht die Rede sein. SELENKA spricht von Mesenchymstreifen in dem Falle, wo im Blastoderm eine Anzahl (fünf) kleinerer Zellen neben einander gelagert sind. Er bildet einen solchen Fall von Echinus microtuberculatus ab und sagt, dass die beiden Urmesenchymzellen zu zwei parallelen Streifen 666 Dr. EUGEN KORSCHELT, von je fünf Zellen ausgewachsen sind. Später vermehren sich diese Zellen stärker und treten in das Blastocöl ein. — Ein ganz ähnliches Bild giebt FLeIsCHMANN von Echinocardium cordatum. Er aber spricht die vier kleineren Zellen, welche zwischen den grösseren Zellen des Blastoderms liegen, nicht als Mesenchymstreifen, sondern als vier Urmesenchymzellen an. Von ihnen schnüren sich erst die Mesen- chymzellen ab, gelangen in’s Blastocöl und gestalten hier auf die oben besprochene Weise die Mesenchymstreifen. Ich kann FLEISCHMANN’Ss wie SELENKA’S Bilder nur dadurch er- klären, dass hier zufällig eine Anzahl neben einander gelegener Zellen gleichzeitig in Theilung begriffen waren. Die Gründe für eine solche Auffassung wurden weiter oben dargelegt. Nachdem das Nichtvorhandensein der Urmesenchymzellen und Mesenchymstreifen für diejenige Form nachgewiesen worden ist, bei welcher sie am bestimmtesten beschrieben worden sind, scheint es er- laubt, auf die anderen Echinodermen zu schliessen, deren Larven die Urmesenchymzellen und Mesenchymstreifen den gegebenen Beschrei- bungen nach weit weniger deutlich erkennen lassen als die Echiniden. Das Bild, welches SELENKA von den Ophiuriden giebt und von dem wir in Fig. II (p. 656) eine Copie anfertigten, dürfte mindestens ebenso stark für die von METSCHNIKOFF und mir vertretene Auffas- sung wie für diejenige von HATSCHER und SELENKA sprechen; zudem wird von METSCHNIKOFF angegeben, dass die Mesenchymbildung von Ophiothriz nach demselben Modus verläuft, wie er ihn bei den Echi- niden beobachtete. Danach würden die am Grunde jener Blastula gelegenen beiden Zellen viel weniger als Urmesenchymzellen, sondern vielmehr als zwei Zellen zu betrachten sein, welche in Folge stärkerer Zellvermehrung, wie sie an diesem Punkt stattfindet, zu Beginn der Mesenchymbildung in’s Innere der Blastula gedrängt werden. Die Bildung des Mesenchyms, wie sie sich nach den Darstellungen SELENKA’S bei Cucumaria und Holothuria vollzieht (vergl. Fig. IH, pag. 657), zeigt eine zu auffallende Uebereinstimmung mit den ent- sprechenden Verhältnissen bei den Seeigeln, als dass wir den von SE- LENKA für Synapta beschriebenen beiden Urmesenchymzellen (Fig. IV, pag. 657) grossen Werth beilegen könnten. Vielmehr weist das Ver- halten der letzteren Form darauf hin, dass bei ihr die Mesenchym- bildung in entsprechender Weise wie bei den Crinoiden und Asteriden Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 667 (Fig. V. u. VI, pag. 657), nämlich durch Ablösung der Zellen vom oberen Theil des Urdarms, erfolgt. In dem von SELENKA beobachteten Sta- dium (mit den beiden Urmesenchymzellen) sind erst zwei Zellen zur Loslösung gekommen. Weitere Stützen für die Existenz der Urmesenchymzellen bei den Echinodermen sind nicht vorhanden. Die Mesenchymbildung zeigt in den verschiedenen Echinodermengruppen eine grosse Uebereinstimmung, wenn auch nicht in dem Sinne, wie dies durch SELENKA angenommen wird, d.h. indem Vorhandensein der Ur- mesenchymzellen bei allen Echinodermen. Bei den Echiniden entsteht das Mesenchym durch Vermehrung der Zellen am vegetativen Pol der Blastula Ihnen schliessen sich mit der gleichen Art der Mesenchym- bildung die Ophiuriden an, desgleichen gewisse Holo- thurien (Cucumaria), während bei anderen Holothurien die Entstehung des Mesenchyms auf etwas spätere Entwicklungsstufen verlegt wird, nämlich auf das Sta- dium der beginnenden (Holothuria) oder gar der vollen- deten Gastrulation (Synapta) Im letzteren Fall nimmt das Mesenchym am Gipfel des Urdarms seinen Ur- sprung, und damit ist der Uebergang zu den Crinoiden und Asteriden gegeben, bei denen das gleiche Verhält- niss statthat. (Wir können hier natürlich nur von den Formen sprechen, deren Mesenchymbildung bekannt ist, vorbehaltlich, dass verschiedene denselben Gruppen angehörige Formen dennoch Differenzen in der Art der Mesenchymbildung zeigen. Die Holothurien liefern dafür ein Beispiel.) Ein grundlegender Unterschied zwischen den verschiedenen Arten der Mesenchymbildung besteht deshalb nicht, weil es immer wieder die nämliche Stelle ist, von welcher aus die Wanderzellen ihren Ur- sprung nehmen, nur dass in dem einen Falle ihre Bildung der Inva- gination vorausgeht, im anderen derselben folgt. In beiden Fällen erscheint das Mesenchym als mit dem Entoderm zu einer gemeinsamen Anlage vereinigt. Bei diesen Betrachtungen drängt sich die Frage auf, wie die Ver- schiedenheiten in der Mesenchymbildung der Echinodermen zu erklären sind. Ist die Entstehung des Mesenchyms von dem noch mehr in- differenten Blastoderm aus der ursprüngliche Zustand, oder hat es nicht vielmehr erst in der fertigen Gastrula seinen Ursprung genommen ? 668 Dr. EUGEN KORSCHELT, Für letztere Annahme scheint verlockend, dass sie erlaubt, die beiden verschieden gearteten Anlagen des mittleren Keimblatts, das Mesen- chym und das Enterocöl, auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen. Die Enterocölien (bezgl. die Vasoperitonealsäcke) schnüren sich vom Gipfel des Urdarms ab. An derselben Stelle entsteht aber auch das Mesenchym bei einer ganzen Reihe von Echinodermen (Antedon, Astropecten, Synapta). Beide Mesodermgebilde als eine ursprünglich gleichartige Anlage zu betrachten, liegt also sehr nahe. Erst allmäh- lich erlangten sie eine verschiedenartige Ausbildung und wurden von einander getrennt. Das Enterocöl ist eine unzweifelhaft viel jüngere Bildung als die Mesenchymanlage. Dafür spricht seine enge Verbin- dung mit der Anlage des Wassergefässsystems, eines Organsystems von hoher Ausbildung. Mit der fortschreitenden Consolidirung der Enterocölanlage wurde bei einigen Echinodermen (Echiniden, Ophiuren, Cucumaria) die Bildung des Mesenchyms zurückverlegt auf das Sta- dium der Blastula. Ein Versuch, die Ursachen dieser Verschiebung zu ergründen, würde nach dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse nur zu Vermuthungen vager Natur führen, weshalb ich darauf verzichte. Ueber das Verhältniss des Mesenchyms zum Enterocöl ist viel- leicht die Entwicklung der Nemertinen geeignet uns einige Aufschlüsse zu geben. Wenn es auch nicht als sicher zu betrachten ist, dass das Mesenchym der Nemertinen sich vom entodermalen Theil der Blastula oder Gastrula ablöst, so spricht doch einige Wahrscheinlichkeit dafür (METSCHNIKOFF, 14). In ähnlicher Weise wie bei den Echinodermen bildet sich aber das Mesenchym auf jeden Fall, d. h. es lösen sich Zellen aus dem Verband der übrigen los und rücken in die Furchungs- höhle hinein, sei es nun, dass sie dem Eetoderm und Entoderm zu- sammen (HUBRECHT, 12) oder nur letzterem entstammen (METSCHNI- KOFF). Die schliesslich in grosser Anzahl vorhandenen Zellen legen sich in Form zweier Platten dem Darm und der Körperwand des im Pilidium gebildeten Wurmes an, so dass dadurch zwei Blätter gegeben sind, die man dem splanchnischen und somatischen Blatt des Meso- derms vergleichen könnte. Die von ihnen eingeschlossene Höhlung müsste dem Cölom entsprechen (SALENSKY, 18). Dieser Zustand würde mit demjenigen übereinstimmen, welchen wir uns für die Echinodermen als den ursprünglichen vorstellen: ein gemeinsamer Ursprung der jetzt als Mesenchym und Enterocöl getrennten Gebilde, eine Abtrennung einzelner Zellen oder Zellgruppen vom Urdarm, welche denselben Or- ganen den Ursprung geben, die jetzt von beiden Anlagen”des?Meso- derms geliefert werden und welche die Leibeshöhle umschliessen. Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 669 Der Unterschied, welchen man bisher zwischen der sog. mesen- chymatischen und mesoblastischen Bildungsweise des mittleren Keim- blatts anzunehmen geneigt war, würde also in diesem ursprünglichen Verhalten verschwinden, vorausgesetzt, dass die Verhältnisse bei den Nemertinen wirklich so liegen, wie sie uns geschildert werden. Uebrigens nehmen verschiedene Autoren an, dass sogar den ausge- bildeten Nemertinen eine Leibeshöhle zukomme. Im Allgemeinen ist man freilich mehr geneigt, ihnen wie den eigentlichen Plattwürmern eine parenchymatöse Erfüllung des Leibesraumes zuzuschreiben. Von SALENSKY selbst wird angegeben, dass das Cölom späterhin wieder rückgebildet wird und in nur wenig umfangreiche Lückenräume zer- fällt, indem sich die Zellen beider Blätter zu einer Art Parenchym vereinigen. Eine solche in späteren Stadien eintretende Rückbildung des Cöloms kommt bei dem uns hier obliegenden Vergleich gar nicht in Betracht. Auf einer höheren Stufe phylogenetischer Entwicklung löst sich die Anlage des Enterocöls in Form geschlossener Blasen vom Urdarm ab. Bei den Echinodermen hat sich aber, aus Ursachen, die uns jetzt noch verborgen sind, neben der höheren auch die ursprünglichere Art der Mesodermbildung erhalten. Wohl erhob sich ein Theil des Meso- derms zu der höheren Stufe, ein anderer dagegen bewahrte als Mesen- chym die Entstehungsweise der gemeinsamen Anlage. Den Stamm der Echinodermen ist man heute wohl am ehesten geneigt auf wurmähnliche Wesen zurückzuführen. Die Beziehungen zu Balanoglossus scheinen dafür einen Anhalt zu bieten. Für die Erklärung der Entstehungsweise des mittleren Keimblatts ist damit freilich nicht viel gewonnen. Mit Ausnahme des schon herangezogenen Falls der Nemertinen gestalten sich die ersten Entwicklungserschei- nungen, zumal der niederen Würmer, wesentlich anders, so dass ich mich nicht für berechtigt halte, sie zum Vergleich heranzuziehen. Bei der frühen Entstehung des Mesoderms von einer zwischen Ecto- derm und Entoderm gelegenen Stelle aus, wie sie für viele Würmer beschrieben wurde, ist man geneigt, an eine Rückverlegung der Meso- dermbildung zu denken, wenn man sieht, wie sich von dieser Anlage, welche die beiden Blätter des Mesoderms liefert, auch die wandernden Mesenchymzellen der Larve ablösen. Bei den Gephyreen scheinen noch am ehesten Anklänge an das Verhalten zu finden, wie wir es von den Nemertinen kennen lernten. Zwar treten auch hier Urmesodermzellen und paarige Mesodermstreifen auf, aber so verhält es sich nicht bei allen Gephyreen. In der Gastrula ” resp. Blastula von Phoronis entstehen die Mesodermstreifen in ganz ähnlicher Weise wie bei den Nemertinen durch Ablösung vom ento- dermalen Theil der Keimblase (METSCHNIKOFF, 14). Sie bilden eine Anhäufung von Zellen, die sich mit der Zeit der Körper- und Darm- wand anlegen, wodurch die beiden Blätter des Mesoderms gegeben sind. Bei Sipunculus hingegen treten Urmesodermzellen und paarige Mesodermstreifen auf, aus denen sofort durch Spaltung das somatische und splanchnische Blatt des Mesoderms mit der dazwischen gelegenen Leibeshöhle hervorgehen (HATSCHEK, 10). GÖTTE, welcher diesen Ver- hältnissen eine eingehende Betrachtung widmet (7), kommt in Bezug auf dieselben zu dem Schluss, dass Mesenchym- und Peritonealsäcke nicht sowohl unverbundene Gegensätze, als vielmehr verschiedene Stufen einer Entwicklungsreihe seien. Dieser Satz behält seine Giltig- keit, wenn die Entwicklungsreihe eine ontogenetische, wie wenn sie eine phylogenetische ist. Dafür sprechen die Beispiele der Nemertinen und Gephyreen. Bei den Echinodermen aber finden sich beide Formen der Mesodermbildung neben einander und von einander unabhängig. Es war mein Bemühen, auch da die eine auf die andere zurückzu- führen. 670 Dr. EUGEN KORSCHELT, Wenn auch nicht in directem Zusammenhang mit den hier behan- delten Fragen stehend, ist es doch von Interesse, zu sehen, wie auch auf dem Gebiete der Wirbelthierentwicklung für eine einheitliche Ent- stehungsweise der sog. mesenchymatischen Elemente und des eigent- lichen Mesoderms gekämpft wird. Der Parablast schrumpft zusammen, und seine Derivate, Blut, Gefässe und Bindegwebe, werden direct von den Urwirbeln abgeleitet '). Bezüglich der Genese der Keimblätter zum Vergleich mit den Echinodermen die niedrigst stehenden Formen der Metazoen heranzu- ziehen, wie es nahe liegt, ist mit Schwierigkeiten verbunden, da die Cnidarier eines eigentlichen Mesoderms (im Sinne der übrigen Meta- zoen) entbehren und die Homologie des ‚„Mesoderms“ der Poriferen mit dem mittleren Keimblatt der höheren Metazoen nicht über allem Zweifel erhaben ist. Sonst wäre es gerade die letztgenannte Abthei- 1) Rast, Ueber die Differenzirung des Mesoderms, in: Anatom. Anzeiger, Jahrg. 3, 1888. — Rücxerr, Ueber die Entstehung der endo- thelialen Anlage des Herzens und der ersten Gefässstämme bei Sela- chier-Embryonen, in: Biol. Centralblatt, Bd. 8, 1888. — H. E. ZIEGLER, Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischembryonen, in: Arch. für mikr. Anatomie, Bd. 30, 1887; Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern, ebenda, Bd. 32, 1888. i Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 671 lung des Thierreichs, welche sich in Bezug auf die Bildung des Me- soderms zum Vergleich mit den Echinodermen darbéte. Bekanntlich findet bei manchen Spongienlarven (Ascetta beispielsweise) eine Ein- wanderung von Zellen in das Innere der Blastula statt, ein Vorgang, welcher mit der Mesenchymbildung bei den Echiniden grosse Aehn- lichkeit besitzt. Aus der sich im Blastocöl anhäufenden Zellenmasse differenzirt sich aber später sowohl Mesoderm wie Entoderm (METSCH- NIKOFF, 15). Deshalb lässt sich kaum entscheiden, ob das Mesoderm von der indifferenten Blastula aus entstand oder sich erst von dem eingewanderten, der Gastrula-Einstülpung entsprechenden Entoderm her differenzirte, und eine Folgerung auf das ähnliche Verhalten der Echinodermenlarven verliert dann jeglichen Werth. Fasst man diejenigen Spongienlarven ins Auge, welche eine Invagi- nationsgastrula besitzen und bei denen aller Wahrscheinlichkeit nach die Bildung der Mesodermzellen vom Entoderm aus stattfindet (HEIDER, 11), so fällt auch bei ihnen sofort eine gewisse Uebereinstimmung mit den Echinodermenlarven auf, bei welchen sich das Mesenchym nach er- foleter Gastrulation vom Urdarm ablöst. Das Verhalten dieser Spon- sienlarven spricht aber mehr dafür, dass in dem zuvor betrachteten Falle das Mesoderm nicht direct von den indifferenten Zellen der Blastula herstammt, sondern vielmehr sich erst vom Entoderm aus differenzirt. Sind diese Betrachtungen hier zu verwerthen, so würde aus ihnen zu entnehmen sein, dass man eher diejenige Form der Mesenchym- bildung bei den Echinodermen als die ursprünglichere anzusehen hat, bei welcher sich die Wanderzellen vom Urdarm loslösen, während die directe Entstehung vom Blastoderm aus als die später erworbene Form zu betrachten wäre. Ein Versuch, die verschiedenen Formen der Mesenchymbildung nach dem Verwandtschaftsverhältniss der einzelnen Echinodermenab- theilung zu beurtheilen, entbehrt von vornherein jedes sicheren Bodens, weil die phylogenetischen Beziehungen der Echinodermen unter sich noch durchaus dunkel sind. Obwohl auch in neuerer Zeit viel dar- über geschrieben worden ist, so wissen wir doch heute weniger als je, wie wir uns die Phylogenie der Echinodermen zu denken haben. Ohne besondere Bedeutung darauf zu legen, möchte ich für die eine Abtheilung der Holothurien hervorheben, dass sich meine obigen Ausführungen mit den Ansichten vereinigen lassen, wie sie neuer- dings von Semon (24) sowie von P. und F. Sarasin (19) geäussert 672 Dr. EUGEN KORSCHELT, worden sind. Diese Forscher sind (aus hier nicht zu erörternden Gründen) geneigt, die füsschenlosen Holothurien als die ursprüng- lichen Formen anzusehen, die mit ausgebildeteren Ambulacraleysten als die abgeleiteten. Damit würde übereinstimmen, dass Synapta die primitivere, Holothuria und Cucumaria die modificirte Art der Mes- enchymbildung zeigen. — Ich führe diese Thatsache nur der sich von selbst darbietenden Uebereinstimmung wegen an, ohne ihr, wie gesagt, eine höhere Bedeutung für die verwandtschaftlichen Ver- hältnisse der Holothurien beilegen zu wollen. Man müsste erst eine weit grössere Anzahl von Formen in Bezug auf ihre Mesenchym- bildung kennen, bevor man einigermaassen Schlüsse darauf bauen könnte. Die Untersuchungen, welche den vorstehenden Betrachtungen zu Grunde liegen, wurden neben anderen gelegentlich eines Aufenthaltes an der Zoologischen Station zu Triest im September dieses Jahres angestellt. Ich nehme hier Gelegenheit, dem Director, Herrn Hofrath CLAUS, sowie dem Inspector der Station, Herrn Dr. E. GRÄFFE, für ihr bereitwilliges Entgegenkommen meinen verbindlichsten Dank aus- zusprechen. Berlin, am 30. October 1888. 1) 2) 10) 12) 13) Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 673 Literaturverzeichniss. Barrois, J., Recherches sur le développement de la Coma- tule (C. mediterranea), in: Recueil Zoologique Suisse. T. 4. 1888. BersH, R. S., Bidrag til Opfattelesen af Klövning og Kimbladdan- nelse hos Echiniderne, in: Vid. Meddelelser Naturh. Forening Kjöbenhavn 1879—80. Bury, H., The early stages in the development of Antedon rosa- cea, in: Phil. Trans. Royal Society London. Vol. 179 (1888). Fewxkes, W., Preliminary observations on the development of Ophiopholis and Echinarachnius, in: Bulletin Museum Comp. Zool. Harvard College. Vol. 12. 1886. FLEISCHMANN, A., Die Entwicklung des Eies von Echinocardium cor- datum, in: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 46. 1888. Görtz, A., Vergleichende Entwicklungsgeschichte der Comatula mediterranea, in: Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. 12. 1876. — — Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. Hamburg und Leipzig, 1882 und 84. 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W888: Zur Bildung des mittleren Keimblatts bei den Echinodermen. 679 Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXI. Alle Figuren beziehen sich auf Strongylocentrotus lividus und zeigen den optischen Schnitt der Blastula. Diejenigen, bei denen die Vergrösserung angegeben ist, sind mit der Camera gezeichnet. Fig. Fig. 1. Jüngeres Stadium der Blastula. Nach dem Leben gezeichnet. Vergr. 300. g. 2. Blastula, bei der sich zwei Zellen zur Theilung vorbereiten. Nach dem Leben gez. Vergr. 300. . 8 und 4 Zwei Blastulastadien mit einigen Zellen, die sich vor kurzem getheilt haben. Nach dem Leben gez. .5. Vermehrung der Zellen am vegetativen Pol der Blastula. Vorbereitung zur Mesenchymbildung. Sublimat - Hämatoxylin - Ca- nadabalsampräparat. Vergr. 500. . 6 und 7. Desgleichen. In Fig. 7 zwei vor kurzem durch Theilung neugebildete Zellen. Nach dem Leben gez. . 8 und 9. Weiteres Stadium der Mesenchymbildung. Osmiumsäure- Glycerinpräparat. Vergr. 500. . 10. Beginn des Austritts der Mesenchymzellen in das Blastocöl. Sublimat-Boraxcarmin-Canadabalsampräparat. Vergr. 500. . 11. Desgl. Nach dem Leben gez. . 12. Desgl. Osmiumsäure-Glycerinpräparat. Vergr. 500. . 13. Austreten der Mesenchymzellen. Einige der übrigen Zellen der Blastula noch in Theilung begriffen. Nach dem Leben gez. 14. Austreten der Mesenchymzellen. Sublimat - Boraxcarmin - Ca- nadabalsampräparat. Vergr. 500. Zoolog. Jahrb. III. Abth. f. Morph. 45 676 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Dr. EUGEN KORSCHELT, Mittleres Keimblatt der Echinodermen. 15 und 16. Austreten der Mesenchymzellen. Nach dem Leben gezeichnet. 17. Desgl. Osmiumsäure-Glycerinpräparat. Vergr. 500. 18—22. Weitere Stadien der Mesenchymbildung. 18. Nach dem Leben gez. | 19. Osmiumsäure-Glycerinpräparat. Vergr. 500. 20. Sublimat-Boraxcarmin-Canadabalsampräparat. Vergr. 500. 21. Sublimat-Alauncarmin-Canadabalsampräparat. Vergr. 500. 22. Nach dem Leben gez. Die Spermatogenese der Ostracoden. Von Dr. &. W. Müller in Greifswald. Hierzu Tafel XXXII—XXXIII. Die vorliegende Untersuchung wurde begonnen während eines fünfmonatlichen Aufenthalts in Neapel, wo ich einen mir vom Königl. preussischen Ministerium verliehenen Arbeitsplatz in der Zoologischen Station innehatte. Aeussere Veranlassung war das Auffinden einer Species der Gattung Pontocypris mit sehr abweichend gestalteten Spermatozoen. Bei weiterem Eingehen stellte sich heraus, dass sich die Art in verschiedenen Beziehungen anders verhielt als die Süss- wassercypriden, dass sie in mancher Beziehung ursprünglichere Ver- hältnisse zeigte, durch deren Erkenntniss wohl auch die sonderbaren Verhältnisse bei den Süsswassercypriden unserm Verständniss näher gerückt werden konnten. Inwieweit diese Erwartung gerechtfertigt, mag das Folgende zeigen ; in einer Beziehung ward meine Erwartung jedenfalls getäuscht, nämlich in der, den Vergleich mit den Süsswassercypriden an der Hand der vorhandenen Arbeiten durchführen zu können. Ich musste bald ein- sehen, dass das über die Spermatogenese der Süsswassercypriden Be- kannte einer sehr gründlichen Nachuntersuchung bedurfte, und es nahmen schliesslich die Untersuchungen an den Süsswassercypriden einen grösseren Umfang an als die Untersuchungen an Pontocypris, zu deren Ergänzung sie lediglich hatten dienen sollen. 45 * 678 Dr. G. W. MÜLLER, Literatur. Eine Reihe von Angaben über die Spermatogenese der Cypriden findet sich in ZENKER’S Monographie !), weiter hat STUHLMANN kürz- lich eine Arbeit über den Gegenstand veröffentlicht). Ich will hier nicht weiter auf die betreffenden Arbeiten eingehen, werde immer im Anschluss an die eigenen Beobachtungen die älteren Angaben referiren. Was das Material anlangt, so wurden folgende Species, welche sämmtlich der Familie der Cypriden angehören, untersucht. 1) Pontocypris sp. (marin). Die Species ist noch nicht beschrieben ; ich unterlasse es, dieselbe hier zu benennen und zu beschreiben, zu- mal sie vorausssichtlich einen Platz in der demnächst erscheinenden Monographie von Brapy und Norman finden dürfte. Uebrigens ist die Art an den eigenthümlich gestalteten Samenfäden, die sich bei keiner anderen Art der Gattung wiederfinden, leicht wieder zu er- kennen. Die Art findet sich überaus häufig im Golf von Neapel, wo sie in geringer Tiefe, besonders zwischen Phyllochaetopterus socialis, lebt. Die folgenden Arten gehören dem süssen Wasser an. 2) Cypris compressa Barrp (geht gewöhnlich unter dem Namen punctata JURINE, ob mit Recht ?). 3) Cypris dispar Fischer ?). Die Art findet sich bei Greifswald häufig im Mai und Juni, scheint sonst in Deutschland wenig verbreitet zu sein. 4) Notodromas monacha MÜLLER (geht gewöhnlich unter dem ZENKER’SCchen Namen Cyprois monacha, doch hat LILJEBORG seine Gattung Notodromas nicht nur ein Jahr früher aufgestellt, als ZENKER seine Gattung Cyprois, er hat die Gattung auch viel schärfer und zu- treffender characterisirt als ZENKER, es liegt also keinerlei Grund vor, den älteren Namen zu ignoriren). 1) Zenker, Anatomisch-systematische Studien an Krebsthieren, in: Archiy fiir Naturgeschichte, Jahrg. 20, 1854. 2) STUHLMANN, Beiträge etc., in: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Bd. 44. 3) Die Art steht der Species Notodromas monacha nahe, näher als der Cypris compressa, doch halte ich es nicht für berechtigt, sie, wie ZENKER will, mit Notodromas monacha in einer Gattung zu vereinigen, behalte deshalb den älteren Namen bei. Soll eine Trennung von der Gattung Cypris erfolgen, so wäre eine neue Gattung zu bilden. Die Spermatogenese der Ostracoden. 679 5) Candona candida MÜLLER (wahrscheinlich verschiedene schwer zu unterscheidende Species). Beiläufig untersucht wurden Cypris ovum JURINE ; sie dürfte sich ganz wie Cypris compressa verhalten; weiter die seltene Candona fabaeformis FiscHer, schliesslich andere Arten von marinen Cypriden, den Gattungen Pontocypris und Paracypris angehörend. Bei der Fixirung habe ich verschiedene Mittel versucht: Subli- matlösung, kalt und heiss, kochendes Wasser, Picrinsalpetersäure, Os- miumsäure, ohne wesentlich verschiedene Resultate zu erhalten. Bei den Süsswassercypriden habe ich mich mit Vorliebe des Aethers be- dient, doch liess dies Mittel, das bei manchen Arten (Cypris dispar und compressa) für manche Zwecke sehr gute Dienste leistete, bei anderen Arten (Notodromas, Candona) im Stich, wo ich mich dann des kochenden Wassers bediente. Mit Picrinsalpetersäure behandelte Thiere eigneten sich besonders zur Präparation des Vas deferens. Gefärbt wurde fast ausschliesslich mit Boraxcarmin nach der be- kannten Methode, ausnahmsweise mit anderen Mitteln, die dann ge- nannt. Die Thiere wurden dann unter der Präparirlupe in Nelkenöl zergliedert, entweder die entkalkten Schalen ganz eingebettet, was bei den meisten Arten ganz gute Uebersichtspräparate lieferte, oder die Hoden aus den Schalen befreit, zerzupft, die einzelnen Elemente mög- lichst isolirt. Bezüglich der Anordnung des Stoffs will ich noch erwähnen, dass ich zunächst von allen Arten das Keimlager und die Reifung der Mutterzellen besprechen werde, bevor ich zur eigentlichen Spermato- genese übergehe. Stets beginne ich mit Pontocypris sp., welche nach mehr als einer Richtung die ursprünglichsten Verhältnisse zeigt. Hoden, Keimlager, Reifung der Mutterzellen. Pontocypris. Die Hoden (Taf. XXXII, Fig. 1) bestehen aus vier Schläuchen, welche zwischen beiden Schalenlamellen liegen, und zwar in der hin- teren Körperhälfte, wo sie nach unten und vorn ofiene Bogen bilden. Ihr Umfang wechselt sehr bedeutend. Bei der Entleerung der Samen- fäden contrahirt sich das jenseits der reifenden Mutterzelle liegende Stück auf 1/,—1/, seiner Länge, um sich unter dem Druck der heran- wachsenden Samenfäden wieder auszudehnen. Bevor die ersten Samen- fäden gebildet werden, schliesst der Hoden dicht hinter den heran- wachsenden Mutterzellen ab, welch letztere, dem Eingang stark genähert, 680 Dr. G. W. MÜLLER, augenscheinlich dicht hinter dem Keimlager liegen. Das Keimlager selbst im Zusammenhang mit den Hoden zu erhalten, gelingt bei der- artig jungen Thieren nicht. Die Thatsachen scheinen die Annahme zu befürworten, dass sich die Hodenschläuche lediglich unter dem Druck der einwandernden Mutterzellen und der heranwachsenden Sperma- tozoen bilden, resp. aus geringen Anfängen durch Dehnung entstehen. Die Wandungen der Hoden sind sehr zart, erscheinen struc- turlos. Lassen sich Kerne in den Wandungen nachweisen ? STUHL- MANN hat die Frage für Notodromas bejaht (1 c. p. 543), er hält die zerstreuten Kerne für Reste eines Zellenschlauchs, von dem sich ein- zelne Kerne nicht zu den grossen Hodenzellen umgewandelt haben. Ich : halte die von STUHLMANN beobachteten Kerne für einwandernde Zellen. Sie finden sich stets zwischen Keimlager und Reifungsstätte ; nur ganz ausnahmsweise findet man zellenartige Gebilde jenseits der Reifungs- stätte. Sie bestanden in den wenigen beobachteten Fällen aus einem verschwommenen Zelleib und einem ziemlich deutlichen bläschenför- migen Kern; ich vermuthe, dass wir es hier mit verirrten, über ihr Ziel hinausgewanderten Mutterzellen zu thun haben, welche in Zerfall begriffen sind. Ausser den genannten Gebilden können noch zu einem Irrthum verführen Kerne, welche der Schale angehören, bei der Präparation am Hoden haften geblieben sind; sie finden sich nur ausnahmsweise. Es würde in einzelnen Fällen schwer halten, wenn nicht unmöglich sein, direct nachzuweisen, dass sie nicht der Hodenwandung angehören, doch spricht schon ihr seltenes Vorkommen gegen diese Annahme. Schliesslich finden wir ziemlich häufig am Eingang der einzelnen Hodenschläuche langgestreckte, kernartige Gebilde (Fig. 2 X); dieselben gehören unzweifelhaft der Hodenwandung an, liegen an der Innenseite, so dass sie, im Profil gesehen, nicht vorragen. Wir kommen auf die fraglichen Kerne noch einmal zurück. Das Keimlager (Fig. 1 Kl, Fig. 2) befindet sich an der Ver- einigungsstelle der vier Hodenschläuche. Wir finden in demselben folgende Elemente (vom Vas deferens aus vorgehend): zunächst lang- gestreckte, spindelförmige oder kommaförmige Kerne ; dieselben zeigen ein sehr feines Kerngerüst, von einem Zellleib ist nichts zu bemerken. Sie unterscheiden sich durch Gestalt und Lage auf’s deutlichste von den Kernen des Vas deferens, welche, stets rund, im Profil über die Wan- dung vorragen. Auf diese langen, spindelförmigen Kerne folgen kürzere, ebenfalls ohne Zelleib, sowie weiter ähnliche mit deutlichem Zelleib, (die Anzahl der Zellen ist stets grösser als in der Figur gezeichnet). Die Spermatogenese der Ostracoden. 681 Schliesslich folgen im Eingang der Hodenschläuche wieder vereinzelte langgestreckte Kerne ohne Zelleib. Anscheinend sind die langge- streckten Kerne noch unveränderte Kerne des Keimepithels, sie lösen sich ab, contrahiren sich (vielleicht auch im umgekehrter Reihenfolge), umgeben sich mit einem Zelleib, bilden so die jungen Mutterzellen. Im grossen Ganzen schreitet der Process von den Hoden nach dem Vas deferens hin vor, doch werden dabei manche der Kerne nicht umgewandelt, sie liegen noch unverändert zwischen oder vor den Zellen. Augenscheinlich gehören zu diesen Kernen auch diejenigen, welche wir im Anfangstheil der Hoden sehen (bei À), zum mindesten unterscheiden sie sich weder durch Gestalt noch durch Structur von denen des Keimlagers ; die grössere Entfernung erklärt sich zur Genüge aus der Dehnung, welche die gesammten Wände der Hoden erfahren haben. Dann würden auch diese Kerne ursprünglich dem Keimlager angehört haben. Ob sie die Fähigkeit, Mutterzellen zu werden, ver- loren haben, lässt sich nicht entscheiden. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass wir die Wandungen der ganzen Hoden betrachten als gebildet von den Zellen eines Keimepi- thels, welches an der Vereinigungsstelle der vier Hodenschläuche liegt. Die Schläuche sind entstanden unter dem Druck der heranwachsenden Mutterzellen und Spermatozoen. So liegen die Verhältnisse nicht nur für Pontocypris, sondern auch für alle anderen Cypriden. Was schliesslich die auswandernden Zellen anbetrifft, so bemerken wir neben solchen mit deutlichem Zelleib andere, denen ein Zelleib zu fehlen scheint; wir kommen darauf zurück (Fig. 2a). Im übrigen weisen diese Gebilde die gleiche Structur auf wie im Keimlager. Er- wähnen will ich noch, dass neben Kernen mit feinem Kerngerüst, wie sie in Fig. 2a gezeichnet, andere vorkommen, in denen das Chromatin einen unregelmässigen einfachen Körper bildet, doch finden wir in ein und demselben Thier immer nur die eine Form. Obwohl ich beiderlei Präparate von gleich behandelten Objecten erhalten habe, glaube ich doch, dass es sich um Verschiedenheiten in der Conservirung handelt, dass die Thiere mit einfachem Kernkörper bereits vor der Fixirung gestorben waren. Wir wenden uns zum Inhalt der einzelnen Hodenschläuche, und zwar will ich mich bei der Besprechung zunächst an Fig. 1 halten. Wir sehen da im ersten Hodenschlauch (7 ,) eine Anzahl von Sperma- zellen im Anfang der Streckung, neben ihnen, ventralwärts gelegen, 7 Mutterzellen mit deutlichem bläschenförmigen Kern; im zweiten Hodenschlauch neben Samenfäden, die von gleicher Länge wie der 682 Dr. G. W. MÜLLER, Hoden und reif zum Verlassen des Hodens, eine Gruppe von sechs Spermamutterzellen, ebenfalls ventralwärts gelegen, ausserdem ventral- wärts von diesen 10 kleinere Zellen (M,), Mutterzellen zweiter Ord- nung; ein ähnliches Bild bietet der dritte Hodenschlauch, in dem in- dessen Spermatozoen und Mutterzellen noch nicht so weit gereift sind ‘ wie in 7,, auch ist hier nichts von Mutterzellen zweiter Ordnung zu bemerken. In 7, schliesslich sehen wir nur 5 grosse Mutterzellen, ventralwärts von ihnen 12 kleinere Mutterzellen zweiter Ordnung. Die Mutterzellen von 7, sind die grössten, es folgen 7',, T,, T,. Ausser- dem bemerken wir noch in 7, und 7, kleine Zellen auf dem Weg zwischen Keimlager und Reifungsstätte. Es genügt schon fast ein Vergleich dieser wenigen Hodenschläuche, um uns im Allgemeinen eine Vorstellung von den Vorgängen in den Hoden zu geben. Wir finden stets neben den Spermatozoen eine Gruppe von gleich grossen Mutterzellen, welche in dem Maasse, wie die Spermatozoen reifen, heranwachsen. Nachdem die Spermatozoen den Hodenschlauch verlassen haben, fahren die Zellen noch kurze Zeit im Wachsthum fort, um schliesslich durch zweimal wiederholte Zwei- theilung in je vier Spermazellen zu zerfallen. Bevor aber der Process so weit gediehen ist, sind bereits jüngere Zellen eingewandert, welche sich ziemlich regelmässig ventralwärts von den grossen Mutterzellen lagern. Wir haben diese letzteren als Mutterzellen zweiter Ordnung bezeichnet im Gegensatz zu denen erster Ordnung, den grösseren. Die Mutterzellen zweiter Ordnung wachsen, wie ein Vergleich von T, und 7, lehrt, in gleichem Maasse wie die erster Ordnung heran. Durch die Theilung der Mutterzellen erster Ordnung werden diese zu Spermazellen, die zweiter Ordnung zu solchen erster. Die neuen Mutterzellen erster Ordnung wachsen wieder mit den Spermatozoen heran, es wiederholt sich der eben geschilderte Process. Das sind zu- nächst die äusseren Verhältnisse bei der Reifung der Mutterzellen. Wie gesagt, erscheint ein Vergleich der in Fig. 1 abgebildeten Hoden- schläuche schon fast genügend, um zu beweisen, dass die Reifung in dieser Weise erfolgt; ein Vergleich weiterer Hodenschläuche bestätigt unsere Ansicht durchaus. Wir wenden uns nun zu einer specielleren Betrachtung der Schick- sale der einwandernden Zellen. Eine Einwanderung scheint stattzu- finden ganz unabhängig von der Reifung der Spermatozoen, das heisst, während die Spermatozoen sich in den verschiedensten Entwicklungs- stadien befinden. Nur während einer Periode lässt sich eine solche Einwanderung nicht nachweisen, und das ist zur Zeit, wo die Sperma- tozoen den ganzen Weg zwischen Keimlager und Reifungsstätte er- Die Spermatogenese der Ostracoden. 683 füllen, doch noch nicht ausgewachsen sind (Fig. 1 7,). Während dieser Periode färben sich die Spermatozoen ziemlich intensiv, ver- decken die blassen einwandernden Zellen. Nachdem die Spermatozoen ihre volle Länge erreicht haben, färben sie sich viel weniger intensiv, und dann gelingt es, zwischen den Spermatozoen die einwandernden Zellen zu erkennen (Fig. 1 7,). Am leichtesten lassen sich dieselben natürlich nachweisen zur Zeit, wo der Weg zwischen Keimlager und Reifungsstätte frei ist. Sehen wir von der Periode ab, wo ungünstige Verhältnisse einen Nachweis einwandernder Zellen unmöglich machen, so finden wir dieselben zu jeder Zeit. Scheinbar im Widerspruch mit diesem Befund steht eine andere Thatsache: die jungen Mutterzellen erscheinen in der Regel an der Reifungsstätte erst zu dem Zeitpunkt, wo die Spermatozoen ihre volle Länge erreicht haben, und treten dann sofort in grösserer Anzahl auf. Nur in seltenen Fällen lassen sich einzelne Mutterzellen zweiter Ordnung bereits früher an der Reifungs- stätte nachweisen, doch sind sie dann sehr klein und unscheinbar (Fig. 1 7). Wie passt dieses unvermittelte Auftreten zu der An- nahme einer ununterbrochenen Einwanderung ? Ich denke mir die Sache so, dass die Spermatozoen, solange sie im Wachsthum begriffen (und ihr Wachsthum muss bei der bedeuten- den Länge, die sie erreichen, ein sehr energisches sein), den übrigen Zellen desselben Hodenschlauchs mit wenigen Ausnahmen alle zuströ- mende Nahrung entziehen, vermuthlich entziehen sie den Zellen selbst Substanz. Es ist mir sogar wahrscheinlich, dass ein Theil der ein- wandernden Zellen zerfällt, den Spermatozoen als Nahrung dient. Mit dem Augenblick, wo die Spermatozoen aufhören zu wachsen, oder so- bald das Wachsthum ein weniger lebhaftes, werden die Ernährungs- verhältnisse ganz andere, die Mutterzellen zweiter Ordnung wachsen heran. Friiher waren sie blass, lagen den grossen, intensiv gefärbten Mutterzellen erster Ordnung dicht an, waren deshalb nicht nachweisbar. In Folge der besseren Ernährung färben sie sich intensiver, wachsen heran, werden in Folge dessen sichtbar. Die Annahme, dass, solange die Spermatozoen heranwachsen (genauer gesagt, von dem Zeitpunkt der Theilung der Mutterzellen an), die Ernährungsverhältnisse für die übrigen Zellen im Hodenschlauch sehr wenig günstig sind, lässt sich noch von anderer Seite stützen: die Anzahl der Mutterzellen betrug bei einer grösseren Anzahl von Hodenschläuchen, welche ich untersuchte 3mal 9, 1mal 8, 4mal 7, 19mal 6, 52mal 5, 51mal 4, 5mal 3, Imal 2. Durchschnitt — 4,84. Spermamutterzellen zweiter Ordnung fand ich in folgender Anzahl: 684 Dr. 6. W. MULLER, imal 12, 4mal 11, Amal 10, 4mal 9, 2mal 8, 3mal 7, 7mal 6, {mal 5, 1mal 4. Durchschnitt 8,14. Wie man aus dieser Zusammenstellung ersieht, ist die Anzahl der Mutterzellen zweiter Ordnung bedeutend grösser als die erster Ordnung (4,84 : 8,14); das heisst mit anderen Worten: es werden nicht alle Mutterzellen zweiter Ordnung zu solchen erster Ordnung. Die Thatsache lässt sich fast direct beobachten. In Fig. 3 finden wir einen Hodenschlauch, dessen Mutterzellen erster Ordnung sich zum ersten Mal getheilt haben. Neben 6 jetzt zu Mutterzellen erster Ord- nung gewordenen Zellen, welche einen deutlichen bläschenförmigen Kern besitzen, finden wir 3 etwas kleinere Kugeln, in denen kein Kern zu entdecken ist. Diese Kugeln liegen mit den Mutterzellen in einer Reihe, und schon diese Anordnung weist deutlich genug darauf hin, dass diese Gebilde früher ebenfalls Mutterzellen zweiter Ordnung waren, welche in der Entwicklung zurückgeblieben sind. Wahrschein- lich zerfallen diese Zellen, dienen den heranwachsenden Spermatozoen als Nahrung. Wir brachten diese Thatsache, um die Annahme zu stiitzen, dass während des Heranwachsens der Samenfäden die Ernährungsverhält- nisse für die übrigen Zellen wenig günstige sind, und in der That scheint die Thatsache in dieser Annahme ihre einfachste Erklärung zu finden. Solange die Theilung der Mutterzellen noch nicht voll- zogen ist, genügt die zugeführte Nahrung, um alle im Hodenschlauch vorhandenen Zellen in gleichem Maasse heranwachsen zu lassen. Sobald die Theilung vollzogen ist, brauchen die Theilungsproducte mehr Nahrung für sich; der Rest vertheilt sich nicht etwa gleich- mässig auf die übrigen Zellen, vielmehr nehmen ihn nur ein Theil, durch Lage oder Constitution begünstigt, für sich in Anspruch, und diese wachsen weiter (die Mutterzellen erster Ordnung), während der Rest nicht nur nicht weiterwächst, sondern sogar zerfällt. Noch eine Thatsache will ich erwähnen, die, übrigens schwer ver- ständlich, bei Zugrundelegung der vorgetragenen Ansicht eine sehr einfache Erklärung findet. Wie kommt es, dass die Mutterzellen zweiter Ordnung, sowie die erster Ordnung ziemlich genau gleich gross sind, obwohl sie doch zu verschiedenen Zeiten einwandern? Wie erklärt sich überhaupt die strenge Periodicität in der Bildung der Samenfäden, die Thatsache, dass sich alle Mutterzellen zugleich theilen, alle Samenfäden gleichaltrig sind? Dass diese Periodicität unabhängig von den Ernährungsverhältnissen des ganzen Körpers, unabhängig vom Alter und anderen physiologischen Verhältnissen ist, erhellt zur Ge- Die Spermatogenese der Ostracoden. 685 nüge daraus, dass oft in ein und derselben Schale jeder Hodenschlauch auf einem anderen Punkt der Entwicklung steht. Ich denke, die Frage beantwortet sich sehr leicht auf Grund der oben entwickelten Ansicht: das Wachsthum aller Mutterzellen beginnt gleichzeitig, und zwar mit dem Zeitpunkt, wo das Wachsthum der Samenfäden erlischt. Die Theilung, für deren Studium das Object ein sehr- wenig gün- stiges ist, ist eine mitotische; nur einmal fand ich Zellen im Stadium des Aster. Einen Nebenkern konnte ich bei den Mutterzellen nie nachweisen. Samenzellen fand ich in folgender Anzahl (es sind nur solche Zellgruppen gezählt, bei denen die Zahl mit Sicherheit erkannt werden konnte, was keineswegs immer der Fall, was um so schwieriger, je grösser die Zahl der Zellen ist. Letzterer Umstand erklärt es, dass Zahlen über 24 nicht vorkommen). Ich fand 1mal 10, 3mal 12, Imal 14, 3mal 15, 8mal 16, 6mal 20, 2mal 22, 2mal 24 Es über- wiegen unter diesen Zahlen die Multipla von 4, und zwar sind 4mal 4 und 4mal 5 häufiger als die anderen. Vergleichen wir mit diesen Zahlen die oben gegebenen über die Zahl der Mutterzellen, so er- scheint es unzweifelhaft, dass jede Mutterzelle 4 Spermazellen liefert. Da indessen auch andere Zahlen vorkommen (14, 15, 22), so dürfte die Theilung nicht immer in gleicher Weise erfolgen. Augenscheinlich ist in den betreffenden Fällen die zweite Theilung bei einer oder mehreren Zellen unterblieben, und finden wir alsdann entsprechend 1—3 Spermazellen grösser als die übrigen. Cypris compressa. Von den Süsswassercypriden schliesst sich in der Reifung der Mutterzellen Cypris compressa (vermuthlich auch ovum) an Pontocypris am nächsten an. Leider bietet die Art bei der Präparation ganz beson- dere Schwierigkeiten, einmal, weil sie sehr klein ist (0,5 mm), beson- ders aber, weil die Schale aus sehr derbem Chitin besteht, durch Be- handlung mit Säuren nicht weich und biegsam wird. Andrerseits ist die Schale stark pigmentirt, so dass an ganz eingelegten Schalen wenig zu sehen ist, man daher gezwungen ist, die Hodenschläuche heraus- zupräparieren. Von den vier Hodenschläuchen sind zwei nach oben, zwei nach unten gebogen, so dass die zwei oberen einen nach oben, die zwei unteren einen nach unten offenen Bogen bilden. Gewöhnlich (nicht ausnahmslos) enthalten nur zwei dieser Schläuche, und zwar ein nach oben und ein nach unten gerichteter, Spermatozoen, während die 686 Dr. G. W. MÜLLER, beiden anderen nur Mutterzellen enthalten. Die von mir ausgespro- chene irrthümliche Ansicht, dass die beiden letzteren einer Verbindung mit dem Vas deferens entbehrten, wurde bereits von Norpquist und STUHLMANN widerlegt. Sehen wir die in Fig. 9 auf Tafel XXXII gezeichneten Hoden- schläuche an, so leuchtet die Aehnlichkeit mit Pontocypris sofort ein: ein Hodenschlauch, prall mit Samenfäden gefüllt — es ist nur ein Samenfaden gezeichnet, vorhanden ist eine grössere Anzahl (etwa 20), die alle eben so lang, alle eine ähnliche Linie beschreiben, so dass man sich ein Gewirr von 20 ähnlichen Linien zu denken hat —, da- hinter eine Gruppe von 6 Spermamutterzellen, dahinter 7 langgestreckte Kerne, welche reusenartig angeordnet sind und noch keinen abge- grenzten Zelleib erkennen lassen. (Es sind nur die dem Beschauer zugekehrten Kerne gezeichnet.) Im zweiten Hodenschlauch sehen wir 8 der Theilung nahe Mutterzellen erster Ordnung, dahinter 5 kleinere, deren Grenzen nur schwer erkennbar sind, dazwischen 3 längliche Kerne, und schliesslich im Anfangstheil 4 einwandernde Kerne (oder Zellen ?). Die Aehnlichkeit mit Pontocypris leuchtet sofort ein; wir haben es hier wie dort mit Mutterzellen verschiedener Ordnung zu thun, welche von einem Keimlager aus, das an der Vereinigungsstelle der Hoden liegt, ergänzt werden. Weiter entwickeln sich in jedem Hoden- schlauch auf einmal nur die Abkömmlinge gleich alter Mutterzellen, alle Spermatozoen eines Hodenschlauchs stehen auf gleicher Entwick- lungsstufe; bevor die Theilung der Mutterzellen beginnt, hat sich der Hodenschlauch entleert. Schliesslich schwankt die Zahl der Mutter- zellen erster Ordnung und entsprechend die Zahl der Spermatozoen zwischen ähnlichen Grenzen, 3 und 8 resp. 12 und 32. Die Unterschiede von Pontocypris sind folgende: die Reifungs- stätte der Mutterzellen liegt am Ende der Hoden, die jüngeren Mutter- zellen liegen hinter den älteren. Die Einwanderung erfolgt nicht ununterbrochen, sondern periodisch, und zwar zur Zeit, wo die Sper- matozoen entleert werden, oder kurz nach der Entleerung bis zur be- sinnenden Theilung — zu dieser Annahme scheinen die vorhandenen Präparate zu zwingen. Die einwandernden Zellen finden bereits Mut- terzellen erster und zweiter Ordnung vor, bilden Mutterzellen dritter Ordnung. Wir würden also von dem Zeitpunkt an, wo die Sperma- tozoen den Hoden verlassen, bis zur beginnenden Neubildung von Spermatozoen stets Mutterzellen erster bis dritter Ordnung, von da bis zur Entleerung solche erster und zweiter Ordnung vorfinden. Die Spermatogenese der Ostracoden. 687 Darin liegt ein wesentlicher Unterschied von Pontocypris. Die An- nahme einer Abhängigkeit der Periodicität in der Reifung der Mutter- zellen von den besonderen Ernährungsbedingungen, geschaffen durch die Bildung der Spermatozoen, wie wir sie für Pontocypris glaubten annehmen zu dürfen, scheint nicht ausgeschlossen, doch gestatten die ungünstigen Verhältnisse keinen sichern Nachweis. Anscheinend wird die Periodicität durch die Art der Einwanderung bedingt. Ein Zer- fall einzelner Mutterzellen scheint hier nicht stattzufinden. Von geringer Bedeutung erscheint die Thatsache, dass die ein- wandernden Zellen (oder Kerne ?) eine langgestreckte Form aufweisen. Merkwürdigerweise besitzen sie dieselbe noch nicht im Keimlager, nehmen sie erst im Anfangstheil des Hodenschlauchs an. (Ich habe nur ein einziges Präparat vom Keimlager erhalten, und auch hier war der grössere Theil abgerissen, Fig. 8, Taf. XXXIL) Cypris dispar, Candona, Notodromas. Ein ganz anderes Bild bieten schliesslich die Hodenschläuche der übrigen Süsswassercypriden dar. Da finden wir (Fig. 7, Taf. XXXI) im Endtheil der Hoden, etwa das hintere Drittel erfüllend, zahlreiche Zellen, Mutterzellen, die von hinten nach vorn an Grösse zunehmen ; inwieweit sie am blinden Ende bereits den Namen von Zellen ver- dienen, scheint zunächst schwer zu entscheiden. Es folgen dann ganz junge Spermazellen, eventuell auch halbirte Mutterzellen, weiter Sper- matozoen auf verschiedenen Entwicklungsstufen, welche den Rest des Hodenschlauchs erfüllen, sich noch zwischen die Mutterzellen drängen. Augenscheinlich schreitet die Reifung der Mutterzellen von vorn nach hinten vor, oder, was auf dasselbe herauskommt, die Mutterzellen reifen in dem Maasse, als sie vordringen. Zweifel kann nur herrschen über die Ursprungsstätte der Mutterzellen. STUHLMANN bezeichnet (l. c. p. 544) den Inhalt des blinden Endes als ein Syncytium, aus dem alle folgenden Zellen sich rekrutiren; hier muss eine Kernthei- lung stattfinden (p. 554). Diese Deutung erscheint so selbstverständlich, dass ohne den Vergleich mit anderen Arten, speciell mit Pontocypris, ein Zweifel an ihrer Richtigkeit kaum aufgekommen wäre, doch muss uns dieser Vergleich vorsichtig machen. Eine ähnliche Verlegung des Keimlagers bei übrigens gleicher Gestalt der Hoden erscheint doch ziemlich unwahrscheinlich. Sehen wir uns zunächst das sogenannte Syncytium genauer an, so finden wir bei den meisten Präparaten eine solche Anhäufung von Kernen oder kleinen Zellen, dass es unmöglich erscheint, sich eine genaue Vorstellung von dem Inhalt zu bilden. 688 Dr. G. W. MÜLLER, Auch eine Isolirung der Elemente will nicht gelingen. Bei manchen Schläuchen indessen, deren blindes Ende weniger stark gefüllt ist, gelingt es bei geeigneter Behandlung (Aether — Hämatoxylin, chroms. Kali in alcoholischer Lösung nach ApATHY) nachzuweisen, dass wir es lediglich mit wohl abgegrenzten Zellen zu thun haben. Weiter finden wir an der Vereinigungsstelle der vier Hoden- schläuche, also dort, wo bei Pontocypris das Keimepithel lag, gerade so wie bei der genannten Art, langgestreckte Kerne. Bei Cypris dispar, der einzigen Art, bei der es mir gelang, diesen Theil und den Anfangstheil des Vas deferens im Zusammenhang zu präpariren, ver- längert sich dieser. Theil in einen scheinbar soliden, fasrigen Strang, der keine Kerne erkennen lässt, während sich das Vas deferens seit- lich ansetzt, in entgegengesetzter Richtung verläuft. Die länglichen Kerne unterscheiden sich scharf von den runden Kernen des Vas de- ferens, gerade so wie bei Pontocypris. Jenseits der Vereinigungsstelle der Hodenschläuche oder, um es kurz zu sagen, des Keimlagers finden wir vereinzelte kleine Zellen. Derartige Zellen finden wir durch den ganzen Hodenschlauch zerstreut; sie ändern ihre Gestalt ziemlich be- deutend, ob activ oder unter dem Druck der umgebenden Zellen und Spermatozoen, muss unentschieden bleiben (Taf. XXXII, Fig. 11). Sie werden in dem Maasse, als wir uns vom Keimlager entfernen, immer kleiner, was, eine Wanderung der betreffenden Gebilde vorausgesetzt, vielleicht aus einer wiederholten Theilung zu erklären wäre (Fig. 11b). Weiter werden sie immer reicher an Chromatin, indem zu dem intensiv gefärbten Kern (Nucleolus?) immer zahlreichere peripher gelagerte Chromatinstücke kommen. Am Ende des Hodenschlauchs schliesslich glauben wir bei manchen Präparaten einen Uebergang dieser Gebilde in junge Mutterzellen direct verfolgen zu können, es bedarf zur Um- wandlung lediglich einer Abrundung und einer Umhüllung mit Zell- substanz. Freilich gerade die ersten Anfänge der Bildung eines Zell- leibs zu erkennen, will nicht gelingen, das ist aber auch bei den hierfür möglichst ungünstigen Präparaten kaum zu erwarten So liegen die Verhältnisse bei Cypris dispar. Notodromas monacha unterscheidet sich dadurch, dass die fraglichen Gebilde von Anfang an rund sind, ihre Gestalt nur wenig ändern. Nach der Analogie von Pontocypris bin ich geneigt, die betreffenden Gebilde für einwandernde Mutterzellen zu halten. In der That ist die Uebereinstimmung mit Pontocypris eine so weitgehende, dass wir nicht daran zweifeln können, dass hier wie dort das Keimlager an der Vereinigungsstelle der Hodenschläuche Die Spermatogenese der Ostracoden. 689 liegt, dass von diesem Keimlager aus eine beständige Einwanderung junger Mutterzellen erfolgt. Dies angenommen, bleibt nur die Frage zu beantworten, wie die Anhäufung von Mutterzellen im hinteren Ende des Hodenschlauchs entstanden ist. Die Annahme liegt nahe, dass in einem früheren Stadium die Einwanderung sehr zahlreicher junger Zellen erfolgte, welche in dem Maasse, wie sie heranwuchsen, den Hodenschlauch in die Länge dehnten. Die Annahme würde zu- nächst recht gut die geringe Anzahl von Kernen im Keimlager erklären. Vielleicht hat der fasrige Fortsatz früher einen Theil des Keimlagers gebildet, der jetzt in Folge zahlreicher Auswanderung verödet ist. Leider habe ich diese erste Einwanderung nicht beobachten können, sie muss sich vollziehen, während das Thier noch sehr jung ist. Bei den jüngsten Männchen, von denen ich Schale mit Hoden präparirt habe (Notodromas von 0,6 mm Länge, das Thier hat mindestens noch zwei Häutungen bis zur Geschlechtsreife vor sich), hat der Hoden etwa seine halbe relative Länge, reicht noch nicht bis zur unteren Knickung; er ist vollständig mit Mutterzellen gefüllt, die, wie beim reifen Hoden, vom blinden Ende nach vorn bedeutend an Grösse zu- nehmen. Das Keimlager ist nicht erhalten. Der Befund beweist nichts, er gestattet uns nicht einmal, die Richtigkeit der Annahme vorausgesetzt, die Frage zu entscheiden, ob von Anfang an, wie später, die jüngeren Zellen sich an den älteren vorbei an das Ende des Hodenschlauchs drängen, so dass die vordersten grössten Zellen auch die ältesten sind, oder ob anfangs eine grosse Zahl von Zellen ein- wandert, von denen die vordersten, etwa in Folge günstigerer Ernäh- rung, rascher heranwachsen. Trotz dieser Lücke in der Beobachtung halte ich die Annahme für unabweisbar, dass sich die fraglichen Arten, Notodromas etc., im Wesentlichen wie Pontocypris verhalten. Ich will noch einmal kurz die gewonnenen Anschauungen über Keimlager und Reifung der Mutterzellen zusammenfassen. Bei allen untersuchten Arten liegt das Keimlager an der Vereinigungsstelle der Hoden. Von diesem Keimlager aus erfolgt eine beständige Wanderung von jungen Zellen zur Reifungsstätte, welche entweder in der Mitte der Hodenschläuche (Pontocypris) oder an ihrem Ende liegt (die übrigen Arten). Die Einwanderung kann beginnen, lange bevor die Bildung von Samenfäden anfängt (Notodromas etc.), oder kurze Zeit vorher (Pontocypris, Cypris compressa); entsprechend ist bei Noto- dromas etc. zur Zeit, wo die Bildung der Samenfäden beginnt, eine grosse Zahl von Mutterzellen im Hoden vorhanden, bei Pontocypris und Cypris compressa eine geringe. Bei Pontocypris finden wir in einem 690 Dr. G. W. MÜLLER, Hodenschlauch nur Mutterzellen erster oder erster und zweiter Ord- nung (sie sind alle gleich gross oder von zweierlei Grösse), bei Cypris compressa nur solche erster und zweiter oder erster, zweiter und dritter Ordnung, bei Notodromas etc. dagegen solche erster — nter Ordnung (n — 6 und mehr). Bei Pontocypris und Cypris compressa schwankt die Zahl der Mutterzellen, welche sich mit einem Male theilen, zwischen 3 und 9 resp. 3 und 8, bei den übrigen Arten ist sie, was noch nicht erwähnt wurde, constant, Cypris dispar 2, Notodromas monacha, Candona candida und fabaeformis 4. Ausnahmen habe ich nie gefunden ; die Zahl der gleich alten Spermatozoen eines Hoden- schlauchs beträgt 8 resp. 16. Bei Pontocypris und Cypris compressa finden wir in einem Hodenschlauch nur Spermatozoen, die auf gleicher Entwicklungsstufe stehen, bei Notodromas etc. solche von verschie- denem Alter. Schliesslich noch ein Wort über die Natur der einwandernden Gebilde. Bei Pontocypris kamen neben einwandernden Zellen mit deutlichem Zelleib anscheinend nackte Kerne vor; bei Cypris com- pressa hatten wir es nur mit nackten Kernen zu thun, und auch die bei Cypris dispar einwandernden Gebilde mussten wir nach der Art und Weise, wie sie sich schliesslich in Mutterzellen umwandeln, als nackte Kerne ansprechen. Ich glaube, dass wir es in allen diesen Fällen mit Kernen zu thun haben, welche von einem sehr dünnen Zelleib umgeben sind, der schwer nachweisbar ist. Speciell war die Fixirung mit Aether, die mir für Kernfärbung sehr gute Dienste ge- leistet hat, für den Nachweis eines Zellleibs möglichst ungünstig. Die eigentliche Spermatogenese. Pontocypris. Ich muss zunächst einige Formen beschreiben, über deren Zu- sammenhang ich mir keine klare Vorstellung habe bilden können. Gerade diese ersten Formen bedürften wohl eine Nachuntersuchung an frischem oder auf andere Weise conservirtem Material, vor allem aber mit stärkeren Systemen, als sie mir zur Verfügung stehen. Fig. 13 stellt eine Zelle dar mit einem grossen Kernbläschen, welches ganz von einem stark lichtbrechenden , aber nicht färbbaren Fadenknäuel erfüllt ist. Die ganze Zelle nimmt kaum irgend welchen Farbstoft auf (während sich die Mutterzellen desselben Hodenschlauchs stark färben, eine durchaus normale Conservirung zeigen). Obwohl ich eine ganze Anzahl derartiger Zellen untersucht habe, habe ich Die Spermatogenese der Ostracoden. 691 doch neben dem Fadenknäuel nie einen Kern entdecken können; in einzelnen Fällen glaubte ich ein dem fraglichen Kern anliegendes, stark lichtbrechendes Körnchen wahrzunehmen, habe aber keine volle Sicher- heit über seine Existenz erlangen können. Fig. 14 stellt eine ähnliche Zelle dar, in welcher der Kern stark excentrisch liegt; er weist die gleiche Structur und die gleiche geringe Färbbarkeit auf, während sich der Zelleib ziemlich intensiv färbt; zwischen beiden Formen fand ich verschiedene Uebergänge in Bezug auf Färbbarkeit des Zelleibs und Lagerung der Kerne. Alle Zellen eines Hodenschlauchs zeigten stets die gleiche Beschaffenheit. Fig. 15 zeigt eine Zelle, in der an Stelle des Fadenknäuels ein einfacher heller Körper getreten ist. Derselbe lässt in seinem Inneren mehr oder weniger deutlich (Fig. 17) eine feinkörnige Structur er- kennen; ich vermuthe, dass dieser Körper durch Verdichtung des Fadenknäuels, durch Contraction des Kernbläschens entstanden ist, wo- durch die Fadenstructur für uns unerkennbar wird. Sobald sich der Körper wieder ausdehnt (Fig. 20), erscheint auch das Fadenknäuel wieder in ihm. Neben diesem Körper erscheint ein zweiter (Fig. 16), über dessen erstes Auftreten ich keine bestimmten Angaben machen kann; in dem- selben lassen sich anfangs wenig deutlich, später deutlich Chromatin- körner erkennen, und zwar stets drei. Wir bezeichnen diesen kleineren Körper von jetzt ab als Kern, den grösseren als Nebenkern. Der Kern wächst heran, streckt sich, die drei Chromatinkörner verschmelzen zu einem stabförmigen Gebilde (Fig. 16— 19). Dasselbe lagert sich dem bedeutend vergrösserten Nebenkern an, welcher in seinem Inneren wieder deutlich das Fadenknäuel zeigt. Verweilen wir hier zunächst einen Augenblick. Man wird in Fig. 13—15 den helleren Körper als Kern bezeichnen, obwohl er sich nicht durch den Besitz von färbbarer Substanz auszeichnet. Man kann ferner annehmen, dass dieser Kern, nachdem er sich vorher ver- dichtet, wodurch die Fadenstructur undeutlich geworden, sich theilt, und dass der grössere Theil zum Nebenkern, der kleinere zum Kern wird. In diesem letzteren Vorgang kann ich nichts Ungewöhnliches erblicken; dass der Kern den Nebenkern aus sich hervorgehen lässt, ist verschiedenfach beobachtet, es würde sich hier nur um eine Um- kehrung der Grössenverhältnisse handeln. Anders verhält es sich mit der Thatsache, dass der Nebenkern schliesslich die gleiche Structur annimmt, wie sie ursprünglich der Hauptkern aufwies. Darin könnte man einen Einwand gegen die hier gegebene Auffassung erblicken. Zool, Jahrb, III, Abth. f. Morph. 46 692 Dr. G. W. MÜLLER, Wie gesagt, lassen gerade diese ersten Stadien eine Nachuntersuchung mit besseren Hilfsmitteln und veränderten Methoden dringend erwünscht erscheinen. Bei den folgenden Formen ergiebt sich die Deutung einfach; der Kern streckt sich weiter, verlängert sich in einen zarten Fortsatz (Fig. 21). Bei weiterer Streckung wird auch der Nebenkern mit in die Länge gezogen, bewahrt aber zunächst noch seine fadige Structur (Fig. 22), die er bei weiterer Streckung verliert (Fig. 23). An der Grenze von Kern und Nebenkern erscheint ein stärker lichtbrechender Faden, der augenscheinlich vom Nebenkern gebildet wird. Mit diesem Faden verbindet sich der zarte Fortsatz des Kerns. Formen wie die in Figur 23 gezeichneten, wie auch die folgenden, lassen es zweifelhaft erscheinen, ob der fragliche Faden, der Centralfaden, in ganzer Länge dem Nebenkern angehört, ob er nicht eine Verlängerung des Haupt- kerns ist. Bei verschiedener Einstellung wechselt das Bild. Ein Vergleich mit den Süsswassercypriden wie auch mit anderen Arthro- poden lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass der fragliche Faden aus dem Nebenkern hervorgeht. Der Centralfaden trägt in seiner Verlängerung jederseits einen Saum — die erste Anlage der Spiral- bänder. Die weiteren Veränderungen der Samenfäden lassen sich kurz characterisiren als eine sehr lang fortgesetzte Streckung, an der in- dessen der Kern in keiner Weise Theil nimmt. Bald können wir an dem Samenfaden einen längeren breiteren Theil von einem verschmälerten Endtheil unterscheiden, welches am entgegengesetzten Ende wie der Kern liegt. Wir bezeichnen den breiteren längeren Theil als Kopf, den kurzen verschmälerten als Schwanz, selbstverständlich ohne damit irgendwie eine Homologie mit Kopf und Schwanz anderer Samenfäden ausdrücken zu wollen. Zunächst umhüllt der Zelleib noch den ganzen Samenfaden (Taf. XXXIII, Fig. 24); im weiteren Verlauf wird aber der Körper, den er, überziehen soll, zu gross, er löst sich in einzelnen Partien auf; welche sich als Tropfen besonders an solchen Stellen sammeln, wo der Samenfaden Biegungen macht (Fig. 26), wie das aus seiner Beschaffen- heit als zähflüssige Masse ganz natürlich folgt, oft fmden wir einen solchen Tropfen dem Kopfende anhaften (Fig. 27). Bei weiterer Streckung schwindet der Zelleib ganz. Während sich der Samen- faden so streckt, wird er gleichzeitig schlanker, der Kern erscheint in Folge davon als directe Fortsetzung des Centralfadens (Fig. 27). So wächst er heran bis zu seiner vollen Länge von 0,65 mm. Die Spermatogenese der Ostracoden. 693 Bevor aber der Samenfaden den Hoden verlässt, macht er noch eine Veränderung durch, er bildet eine Hülle (Taf. XXXIIL, Fig. 28). Diese Hülle erstreckt sich auf etwa ein Drittel des Samenfadens, und zwar liegt dieses Drittel am Ende des Kopftheils. Wie aus der Figur ersichtlich, ist die Hülle ziemlich dick, an beiden Enden scharf abge- setzt. Ueber ihr erstes Auftreten kann ich nur so viel sagen, dass ich sie nicht früher auffinden konnte, als wenn der Samenfaden eine Länge von 0,52 mm erreicht hatte. Sie unterschied sich alsdann von der Hülle ausgewachsener Samenfäden nur durch geringere Dicke, war bereits auf den gleichen Abschnitt des Samenfadens beschränkt. Woher stammt diese Hülle? Man würde wenig geneigt sein an- zunehmen, dass es sich hier um ein Secret der Wandungen des Vas deferens oder der Hoden handelt, doch muss ich kurz die Gründe anführen, die diese Annahme geradezu ausschliessen. Zunächst fehlen im Vas deferens wie in den Hoden durchaus Zellen, welche das Se- cret liefern könnten. Handelte es sich um ein Secret, das sich aus irgend einer unbekannten Quelle in die Hoden ergösse, die Samen- fäden umhüllte, so müsste dies Secret doch die ganzen Samenfäden umhüllen, oder wenn es sich nur in eine bestimmte Region des Hodens ergösse, dort wenigstens alle Samenfäden umhüllen. Indessen nicht einmal das letztere ist der Fall. Da die Samenfäden in verschiedener Weise angeordnet sind, ihr Schwanzende zum Theil dem blinden Ende, zum Theil der Mündung zukehren, da weiter die Hüllen an einer ganz bestimmten Stelle der Samenfäden auftreten, so liegen, was auch leicht zu beobachten ist, neben umhüllten hinteren Hälften die vor- deren nicht umhüllten Hälften von Samenfäden. Ich denke, man wird danach die Möglichkeit, dass es sich bei der Hülle um ein Secret fremden Ursprungs handelt, das von aussen her die Samenfäden um- giebt, als ausgeschlossen betrachten, die einzige mögliche Annahme zulassen, dass die Hülle von den Samenfäden selbst ausgeschieden wird. | Wir wenden uns zum Schicksal der Samenfäden im Vas deferens und wollen zunächst die Art und Weise, wie sie wandern, kurz besprechen. Die Samenfäden eines Hodens verlassen denselben sämmtlich gleich- zeitig, natürlich sämmtlich in der gleichen Anordnung, wie sie dort lagen, die einen mit dem Kopf, die anderen mit dem Schwanzende voran. Sehr bald tritt aber eine Trennung ein. In ganz geringer Entfernung vom Keimlager mündet in das Vas deferens der Blind- schlauch, den wir durch Norpquısr’s Untersuchungen kennen. Der- selbe liegt hier wesentlich anders als bei den Süsswassercypriden, nicht 46 * 694 Dr. 6. W. MÜLLER, zwischen den Schalenlamellen, sondern dorsal im Körper. Ein sehr wesentlicher Unterschied. gegenüber den Süsswassercypriden ist ferner der, dass die Fortsetzung des Vas deferens jenseits des Blindschlauchs die directe, annähernd geradlinige Verlängerung des Anfangstheils bildet, dass weiter der Blindschlauch unter einem Winkel von unge- fähr 90° einmündet (vergl. die abweichenden Verhältnisse bei den Süsswassercypriden). Die erwähnte Trennung verläuft nun in der Weise, dass nur die- jenigen Spermatozoen, welche mit dem Kernende oder Kopfende vor- ausgehen, ihren Weg im Vas deferens direct fortsetzen (und zwar immer in gleicher Linie, so dass die neben einander liegenden Hüllen das Vas deferens stark auftreiben), während die anderen, mit der Schwanzspitze vorauswandernden in den Blindschlauch abschwenken, der sie vollständig aufnimmt. Sie durchlaufen dort einen Theil ihrer Entwicklung, verlassen darauf den Blindschlauch wieder, jetzt natürlich in umgekehrter Lage, mit dem Kopfe voran, so dass jetzt alle Sper- matozoen in gleicher Weise orientirt sind, alle mit dem Kopfende vorangehen. (Dass der Eintritt in den Blindschlauch eine Umkehrung zur Folge hat, erkannte STUHLMANN, |. c.). Diese partielle Umkehrung habe ich allerdings nicht direct beobachten können, das heisst, ich habe nie Präparate erhalten können, in denen etwa gerade eine Trennung der Spermatozoen am Scheidewege erfolgt, oder in denen wenigstens Spermatozoen gerade in den Blindsehlauch eintreten oder ihn verlassen. Wenn ich solche nie erhielt, so liegt das besonders daran, dass, wie gesagt, alle Samenfäden eines Hodens (oder wenigstens alle von Anfang an gleich orientirten) neben ein- ander als ein Packet wandern *), nicht, wie bei den Süsswassercypriden, einzeln, dass es also ein günstiger Zufall wäre, wenn man Spermato- zoen gerade an dieser Stelle, die sie vielleicht noch besonders rasch passiren, anträfe. Weiter liegt die Mündungsstelle des Blindschlauchs an einer für die Präparation recht ungünstigen Stelle, ungefähr da, wo das Vas deferens die Schale verlässt, in den Körper eintritt. Obwohl also directe Beobachtungen fehlen — ein Mangel, der durch die genannten Schwierigkeiten entschuldigt werden mag —, glaube ich doch die Richtigkeit der obigen Annahme durch folgende Thatsachen genügend begründen zu können. 1) Der Umstand erschwert die Präparation des Vas deferens ganz ausserordentlich. Die Spermatogenese der Ostracoden. 695 1) Die Samenfäden liegen im Hoden in verschiedener Weise an- geordnet, verlassen auch so den Hoden. 2) Im Endtheil des Vas de- ferens sind alle in gleicher Weise angeordnet, gehen alle mit dem Kopf voran. 3) Im Blindschlauch liegen alle mit dem Schwanzende nach dem blinden Ende zu. 4) Es ist keine andere Stelle vor- handen, an der eine Umkehrung stattfinden könnte, vor allem ist der Weg zwischen Hoden und Blindschlauch zu kurz, als dass dort eine Umkehrung eines Theils erfolgen könnte. (Die letzte Bemerkung möchte überflüssig erscheinen, ist aber berechtigt mit Rücksicht auf die abweichenden Verhältnisse der Süsswassercypriden.) Mit dem Nachweis einer Umkehrung der einen Hälfte der Samen- fäden ist, denke ich, eine einfache und plausible Erklärung für das Vorhandensein eines Blindschlauchs gegeben. Es erscheint ja bei der complicirten Gestalt der riesigen Samenfäden, welche aller Wahrschein- lichkeit nach einzeln entleert werden, welche ferner höchst complicirte Einrichtungen zu ihrer Ueberführung erfordern, durchaus verständlich, dass eine gleiche Anordnung aller Spermatozoen nöthig ist, dass ent- weder alle mit dem Kopfende oder alle mit dem Schwanzende voraus den Ductus ejaculatorius !) passiren müssen, wenn dieser complicirte Apparat richtig functioniren soll. Schliesslich sei noch bemerkt, dass ich an einem frisch präparirten Stück des Vas deferens rhythmische Contractionen bemerkte, welche unzweifelhaft der Beförderung der Samenfäden dienen; Muskelfasern konnte ich nicht entdecken. Die Veränderungen, welche die Spermatozoen im Vas deferens und Blindschlauch durchlaufen, betreffen sowohl den Samenfaden selbst als auch die Hülle, beiderlei Processe verlaufen einigermaassen unab- hängig von einander. Was zuerst die Veränderungen des Samenfadens selbst anbelangt, so geht er aus der nicht gedrehten Form in die ge- drehte über. Wie die Drehung zu Stande kommt, lasse ich hier un- entschieden, wir kommen auf die Frage bei der Besprechung von Candona zurück. Nachdem sich die Drehung vollzogen, erscheint der 1) Ich brauche nach den neueren Untersuchungen von Norpquisr und Schwarz kaum besonders zu erwähnen, dass das umstrittene Ge- bilde in der That dem Ausführungsgang angehört, die Zunxer’sche An- sicht, nach welcher das Gebilde eine Anhangsdrüse des Vas deferens (Schleimdrüse) wäre, eine Ansicht, die auch ich früher auf Grund durch- aus ungenügender, ohne Kenntniss der neueren Technik angestellter Untersuchungen vertrat, eine irrige ist. Ob der Apparat den Namen Ductus ejaculatorius verdient oder nicht (wie Schwarz will), lasse ich zur Zeit unentschieden, bediene mich aber des Namens. 696 Dr. G. W. MÜLLER, Samenfaden zusammengesetzt aus einem centralen Gebilde, das von vier Linien umzogen wird. Von diesen vier Linien sind zwei neben einander liegende deutlicher, die zwei anderen schwächer. Wie dieses Bild zu Stande kommt, kann ich nicht entscheiden; als ich lebendes Material zur Verfügung hatte, an dem sich die Frage wohl leicht hätte entscheiden lassen, war ich von der Anschauung beherrscht, dass wir es mit vier Spiralbändern zu thun hätten (obwohl STUHLMANN bereits von zwei Bändern spricht, auch ZENKER, nach seinen Figuren zu urtheilen, die Sache richtig auffasst). Am Kopfende des Samen- fadens finden wir den Kern wieder, der von Plasma umhüllt, aber nicht von Spiralbändern umzogen ist, in eine stark lichtbrechende Kugel endet (Fig. 34a nach einem frischen ungefärbten Präparat). Kernfärbung will bei reifen Samenfäden nicht mehr gelingen. Nur bei Behandlung mit Alauncarmin bemerkt man eine schwache Färbung, doch ist sie so blass, dass man sie übersehen würde, wenn nicht die Aufmerksamkeit auf den Punkt gelenkt wäre. Am Schwanzende ver- lieren sich von den Spirallinien zunächst zwei und zwar die beiden schwächeren, später von den beiden stärkeren auch die eine, so dass schliesslich das centrale Gebilde nur noch von einem einfachen schmalen Bande umzogen wird, welches bis zum Ende reicht. Während der übrige Faden bereits seine definitive Form ange- nommen hat, gedreht ist, ist der umhüllte Theil entweder noch ganz ungedreht, oder die Drehung ist noch nicht vollendet. Im Allge- meinen schreitet der Process der Drehung innerhalb der Hülle in gleichem Maasse fort, als sich die Hülle ihrer definitiven Form nähert, doch scheint selbst bei den zur Entleerung reifen Samenfäden inner- halb der Hülle die Drehung noch nicht vollendet, die Windungen der Spiralbänder loser als am nicht umhüllten Theil (Fig. 34b). Augenscheinlich wirkt die Hülle als Hinderniss beim Zustande- kommen der Drehung. Erwähnen will ich noch die Thatsache, dass innerhalb der Hülle die beiden schwächeren Spirallinien spurlos oder fast spurlos verschwinden (Fig. 32, 34). Offenbar besitzen diese Linien, oder richtiger das Band, dem sie angehören, das gleiche oder fast das gleiche Lichtbrechungsvermögen wie die Hülle. Was schliesslich die Veränderungen der Hülle anbetrifft, so können wir dieselben kurz beschreiben als eine fortgesetzte Contraction, welche von der langgestreckten Form (Fig. 28) zur kurzen Birnform (Fig. 34) führt. Bisweilen scheint die Hülle an beiden Enden besonders fest mit dem Samenfaden verbunden, so dass derselbe durch die Con- Die Spermatogenese der Ostracoden. 697 traction gezwungen wird, sich innerhalb der Hülle zu krümmen (Fig. 30, 31). In Fig. 31 ist die Krümmung besonders stark, und wohl ganz ungewöhnlich, ich habe diese Form nur einmal gefunden. Meist wird, bevor die Contraction so weit gediehen ist, der Samenfaden vermöge seiner Elasticität so weit aus der Hülle herausgeschlüpft sein, dass er innerhalb derselben gestreckt liegt. Bisweilen bleibt der Samenfaden überhaupt gestreckt, er ist dann augenscheinlich nur an einem Ende fest mit der Hülle verbunden, und zwar ist dies stets das Schwanz- ende. Ein Stadium verdient noch besondere Erwähnung, nämlich das in Fig. 33 dargestellte. Bei demselben erscheint die Hülle in gleichen Abständen eingeschnürt, den Einschnürungen entsprechend zerfällt die Hülle leicht in Ringe. Ich habe die Form, die wenig zu den Verän- derungen passt, welche sonst die Hülle durchläuft, nur ganz im End- theil des Blindschlauchs gefunden, und auch dort immer nur in ein- zelnen Exemplaren. Sollte es sich vielleicht um Samenfäden handeln, die sich dort sozusagen festgefahren, dort abnorm lange verweilt haben? Vielleicht wird eine fortschreitende Contraction der ganzen Hülle, welche stets mit einer Verdickung Hand in Hand geht, durch den hier sehr engen Blindschlauch verhindert, und so zerfällt das Ganze in eine Anzahl von Gliedern, welche sich gesondert contra- hiren. Das Endresultat der Contraction ist die zierliche, in Fig. 34 dar- gestellte Birnform. In diesem Stadium macht sich innerhalb der Hülle eine Differenzirung bemerkbar: wir sehen einen dicken, stark licht- brechenden Theil, welcher sich scharf von dem schwächer lichtbre- chenden Rest abhebt. Im Receptaculum seminis wird die Hülle schliesslich abgeworfen, gerade so wie bei den Süsswassercypriden, wo die Hülle eine weniger auffällige Form zeigt. Die abgeworfene Hülle nimmt die Form einer flachen, in der Mitte durchbohrten Scheibe an, deren Gestalt nur annähernd kreisförmig ist. Die Samenfäden sind im Receptaculum seminis eben so unbeweglich wie im Vas deferens. Die eigenthümliche Form der Hülle scheint sich bei keiner der anderen bekannten Species von Pontocypris zu wiederholen; bei den weiteren 6 oder 7 Species der Gattung, die mir durch oberflächliche Untersuchung bekannt sind, kommt sie sicher nicht vor. Dasselbe dürfte für die anderen bekannten Formen gelten, wenigstens erwähnt kein Autor etwas derartiges, was sicher geschehen wäre, wenn es be- 698 Dr. G. W. MÜLLER, obachtet worden wäre. LEYpIG!) bemerkt, dass er bei einer Cypride des süssen Wassers Spermatozoen gefunden habe mit einem Kopfstück, welches scharf contourirt, kappenfôrmig war. Anscheinend handelt es sich hier um ähnliche Verhältnisse. Leider beschränkt sich unsere ganze Kenntniss auf diese Angabe Lrypia’s; nicht einmal die Art ist bekannt, doch dürfte sie neu sein, wenn es sich nicht um die spora- disch auftretenden Männchen irgend einer gewöhnlich rein weiblichen Art handelt. Die Süsswassereypriden. Zunächst noch ein Wort über die Mutterzellen. Ein Nebenkern lässt sich mit Sicherheit bei Cypris compressa nachweisen, wo wir denselben als eine Gruppe von stark gefärbten Punkten am einen Ende des Kerns finden (Fig. 36 N). Bei Cypris dispar findet sich ausserhalb des Kerns ein heller, stark lichtbrechender Körper; er lässt sich nicht stets nachweisen; am deutlichsten war er bei Thieren, die mit Alkohol absolutus conservirt waren. Bei Candona und Noto- dromas konnte ich einen Nebenkern nicht mit Sicherheit nachweisen. Die Entwicklungsgeschichte der Spermatozoen innerhalb der Hoden habe ich vorwiegend an Cypris dispar studirt, welche Art das günstigste Object liefert. Fixirt wurde stets mit Aether. Ich über- gehe die ersten Theilungsproducte, da mir ihre Beziehung zu den späteren Stadien nicht klar geworden sind (ich hoffe an anderem Ort auf die Vorgänge bei der Theilung zurückzukommen). Nur soviel glaube ich aus den beobachteten Formen schliessen zu können, dass die Nebenkerne aus der achromatischen Substanz hervorgehen. Wir beginnen mit dem in Fig. 38 dargestellten Stadium. In dem- selben bemerken wir innerhalb des abgerundeten, ziemlich stark ge- färbten Zelleibs drei runde Körper. Der eine, das Kernbläschen, enthält drei Chromatinkörper, einen grösseren und einen kleineren kugligen, sowie einen langgestreckten, wandständigen, die beiden an- deren Körper, die Nebenkerne, lassen keinerlei Structur erkennen, färben sich nicht. Das nächste Stadium schliesst sich eng an das beschriebene an, der Kern zeigt noch die gleiche Structur, an Stelle der beiden Neben- kerne ist ein länglicher in der Mitte eingeschnürter Körper getreten, in dessen Mitte sich ein länglicher dunkler Körper befindet (Fig. 39). 1) Leypre, Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere. 1883, p. 116. Die Spermatogenese der Ostracoden. 699 Augenscheinlich ist diese Form entstanden durch Verschmelzung der beiden Nebenkerne; ob der längliche Körper etwa direct das Resultat dieser Verschmelzung ist, derart, dass die als flach scheibenförmig zu denkenden Nebenkerne an der Stelle, wo sie sich berührten, zu dem länglichen Körper verschmolzen, ob die Verschmelzung der Bildung des fraglichen Körpers vorausging, kann ich nicht entscheiden; man- ches spricht für die erste Annahme. Die weiteren Veränderungen lassen sich kurz characterisiren als eine Streckung des länglichen Körpers in der Richtung seiner kürzesten Achse. Das Resultat dieser Streckung ist zunächst ein langer bandförmiger Körper (Taf. XXXIL, Fig. 40— 43). An dieser Streckung hat auch der längliche Körper Theil genommen, welcher als ,,Centralfaden“ das Band in ganzer Länge durchzieht; neben ihm bemerken wir noch eine zarte blasse Linie. Bis zu dem in Fig. 43 dargestellten Stadium hat der Zelleib mit dem Wachsthum des Bandes oder Samenfadens gleichen Schritt ge- halten, hat als gleichmässige Hülle den Samenfaden überzogen. Ge- rade so wie bei Pontocypris erscheint nun auch hier ein Zeitpunkt, wo er im Wachsthum zurückbleibt, doch ist das Resultat zunächst ein anderes. Bei Pontocypris zerriss der von Anfang an ziemlich elastische Samenfaden die Hülle; der zarte, biegsame Samenfaden von Cypris vermag das nicht, die Hülle ist stärker als er; er biegt sich in Folge dessen innerhalb des Zellleibs vielfach (Fig. 44—46). Wenn er keinen Platz mehr findet, dann wird er schliesslich zum Theil frei, der Zell- leib zerreisst in Tropfen. Diese Tropfen halten indessen einzelne Schlingen sozusagen noch gefangen; es entstehen so Bilder, wie sie in Fig. 47 dargestellt sind. Die eigenthümlichen Lichtbrechungsverhält- nisse in derartigen Knoten haben STUHLMANN zur Annahme verleitet, dass es sich hier um Zellkerne handle (lange Fäden, in denen die Kerne spindelförmige Anschwellungen bilden, |. c. p. 553). Der ganze Samenfaden, welcher in einem gewissen Stadium aus einer ganzen Reihe derartiger knotenförmiger Verdickungen besteht, soll später in entsprechende Stücke zerfallen, jeder Theil einen Samenfaden liefern. Ich denke, die gesammte hier gegebene Darstellung der Spermatogenese, speciell das gleich zu besprechende Verhalten des Kerns, enthält eine genügende Widerlegung dieser Auffassung, und ich brauche nicht weiter auf dieselbe einzugehen; ganz unzweideutige Bilder erhält man bei Hämatoxylin-Chromsäurefärbung. Bei weiterer Streckung des Samen- fadens verschwinden schliesslich die fraglichen Knoten ganz. Wir haben bis jetzt den Kern unberücksichtigt gelassen, müssen 700 Dr. 6. W. MÜLLER, aber sein Schicksal jetzt kennen lernen. Zunächst schwindet im Kern das periphere Chromatinstück, später die kleine Kugel, so dass schliess- lich nur der eine Körper übrig bleibt. In Folge der Streckung der ganzen Zelle nimmt auch der Kern eine längliche Gestalt an (Fig. 42, 43), zugleich wird das Kernbläschen undeutlicher, (in Fig. 43 Konnte es nur an einer Zelle nachgewiesen werden, welche an der betreffenden Stelle zerrissen war). Im weiteren Verlauf lagert sich der Zellkern dem Centralfaden parallel, um schliesslich, nachdem das Kernbläschen geschwunden ist, ganz mit ihm zu verschmelzen, und zwar in der Nähe des einen Endes. Gerade in diesem Stadium erscheint der Centralfaden überaus blass, ‘ das ganze Bild ist nicht leicht zu beobachten, doch lassen die Bilder keinen Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung. Im weiteren Ver- lauf erscheint der Kern als ein Theil des Centralfadens, streckt sich mit ihm etc. Damit ist die Entwicklung innerhalb der Hoden im Ganzen abgeschlossen. Es erfolgt allerdings noch eine fortgesetzte Streckung, welche die Länge des Samenfadens vervielfacht, doch sind mit dieser Streckung keine wesentlichen Veränderungen im Aufbau verbunden. Nur auf zwei Punkte will ich noch aufmerksam machen. Am Kopfende des Samenfadens erscheint anfangs undeutlich durch eine halsartige Einschnürung, später deutlich durch eine Furche ein kurzes Stück abgetrennt (Fig. 48). Das Stück weist durch Lage und Gestalt eine grosse Aehnlichkeit mit dem Kern bei Pontocypris auf, eine Aehnlichkeit die noch dadurch gesteigert wird, dass sich das Stück häufig intensiver färbt als der übrige Centralfaden, so dass ich lange Zeit glaubte, hier den Kern vor mir zu haben. Dass die Aehnlichkeit mit Pontocypris nur eine zufällige, äusserliche ist, dass das Gebilde nichts mit dem Kern zu thun hat, erhellt zur Genüge aus dem Ge- sagten. Das weitere Schicksal dieses kopfartig abgesetzten Stückes kenne ich nicht, am reifen Samenfaden finden wir es nicht wieder. Zur. Zeit, wo der Kern mit dem Centralfaden verschmilzt, er- scheint der letztere überaus blass, während der weiteren Streckung nimmt er an Intensität der Färbung zu, färbt sich schliesslich so in- tensiv, dass es nur nach sehr starkem Auswaschen und bei sorgfäl- tiger Untersuchung gelingt, den Kern nachzuweisen. Die Färbung ist so stark, dass STUHLMANN den ganzen Centralfaden als Kern an- sprach. („Sie sind nur ein Band, durch welches sich der Kern als Faden der Länge nach hindurchzieht“, 1. c. p. 560). In der That un- terscheidet sich die Art der Reaction in nichts von dem, was wir Die Spermatogenese der Ostracoden. 701 gemeinhin als Kernfärbung bezeichnen, wenn es auch, wie gesagt, ge- lingt, den Kern nachzuweisen. Die intensive Färbung verliert sich erst zur Zeit, wo die Samenfäden ihre volle Länge erreicht haben. Es lässt sich das nicht mit Sicherheit nachweisen, da es nicht gelingt, aus dem Gewirr einzelne Samenfäden zu isoliren und zu messen, doch finden wir ähnliche Verhältnisse bei Pontocypris wieder, wo indessen nicht lediglich der Centralfaden, sondern der ganze Samenfaden sich ziemlich intensiv färbt. Hier, wo nun alle Spermatozoen eines Hodenschlauchs gleich lang sind, wo die Länge des Hodenschlauchs die Länge der Samenfäden anzeigt, da lässt sich feststellen, dass die intensive Färbung des ganzen Samenfadens wenigstens annähernd mit dem Zeitpunkt schwindet, wo der Samenfaden aufhört zu wachsen. (Eine ähnliche Beobachtung finde ich bei LA VALETTE a. a. O.). Die Thatsache, dass die lebhaft wachsende Zelle sich lebhaft färbt, die intensive Färbung mit dem Aufhören des Wachsthums schwindet, scheint einige Beobachtung zu verdienen. Im ganzen Vas deferens erscheint der Centralfaden wieder ganz blass, der Kern leicht erkennbar, und gelingt es leicht, ihn an zur Entleerung reifen Samenfäden nachzuweisen (Fig. 49). Er bildet hier, wie der ganze Centralfaden, eine flache Spirale. Noch einige Worte über die analogen Vorgänge bei den anderen Süsswassercypriden. Bei Cypris compressa ist der Ausgangspunkt der gleiche wie bei Cypris dispar, eine Zelle mit bläschenförmigem Kern, welcher drei Chromatinstücke enthält, und mit zwei Nebenkernen ; die Chromatinstücke haben ähnliche Gestalt wie bei Cypris dispar. Ebenso bei Candona, wo wir aber nur einen Nebenkern finden (Fig. 37). Aehnlich wie Candona dürfte sich Notodromas verhalten, doch ist es mir hier nie gelungen, gute Bilder zu erhalten, den Nebenkern deut- lich zu sehen, was jedenfalls an der Conservirung lag. Bevor wir weiter gehen, will ich zunächst die Ansichten ZENKER’S und STUHLMANN’S über diesen Theil der Spermatogenese erwähnen. ZENKER (l. €. p. 52, 53) hat die erste Anlage des Samenfadens ge- sehen, seine Figur 5, Taf. XXXII entspricht etwa unserer Figur 42, er hat aber, was wohl zu verzeihen, den Kern übersehen, hat anderer- seits die beiden Streifen zu beiden Seiten des Centralfadens für hinter einander liegende Theile desselben Bandes gehalten. Das Band soll sich noch weiter innerhalb der Zelle aufrollen; geht es 3—4mal um die Peripherie herum, so zerplatzt die Zelle, und ihre Wandung wird allmählich in der Ernährungsflüssigkeit der Zoospermien aufgelöst, — 702 Dr. G. W. MÜLLER, Es ist schwer zu entscheiden, was für Formen ZENKER bei dieser Be- schreibung vorgelegen haben. STUHLMANN’S Ansichten über den Verlauf der Spermatogenese lassen sich nicht kurz referiren, ein Referat wäre ohne Wiedergabe der Figuren kaum verständlich, man mag deshalb entschuldigen, wenn ich hier nicht weiter auf dieselben eingehe. Den Grund für einige Irrthümer STUHLMANN’S glaube ich oben bereits gezeigt zu haben, ganz allgemein kann man wohl sagen, dass die Arbeit an der Schwie- rigkeit einer geeigneten Conservirung gescheitert ist, resp. dass STUHL- MANN auf nicht gut conservirtes Material angewiesen war, welches ausserdem noch einer Art angehörte, die zur Untersuchung wenig ge- eignet ist (Notodromas). So kommt es, dass er bei der eigentlichen Spermatogenese den Kern anscheinend stets übersehen hat, und so konnte er zu Resultaten kommen, welche durchaus von den hier nie- dergelegten abweichen, welche die Spermatogenese der Ostracoden als eine Reihe von Vorgängen ohne Analogon in der Spermatogenese der Arthropoden erscheinen liessen. Die Umkehrung der Samenfäden. Wir sahen, dass bei Pontocypris die Spermatozoen im Hoden in verschiedener, im Endtheil des Vas deferens in gleicher Weise an- geordnet sind, die Umkehrung erfolgt, so glaubten wir annehmen zu dürfen, durch Eintritt in den Blindschlauch. Auch bei Cypris dispar sind die Spermatozoen im Hoden in verschiedener, im Endtheil des Vas deferens in gleicher Weise angeordnet, auch ein Blindschlauch ist vorhanden. Hat derselbe gleiche Function wie bei Pontocypris? STUHLMANN hat bereits festgestellt, dass die Spermatozoen durch den Eintritt in den Blindschlauch eine Umkehrung erfahren, doch sollen alle Spermatozoen in den Blindschlauch eintreten, alle umgekehrt werden (1 c. p. 547). Der erste Theil dieser Annahme folgt mit Nothwendigkeit aus der ganzen Art und Weise, wie die Spermatozoen wandern, aus dem Eintritt in den Blindschlauch überhaupt; auch der zweite Theil, der mit Rücksicht auf das Verhalten von Pontocypris besondere Beachtung verdient, ist richtig. Schon die Art der Ver- bindung zwischen Blindschlauch und Vas deferens (Fig. 6, Taf. XXX), die Thatsache, dass der Blindschlauch die directe Verlängerung so- wohl des zuleitenden als ableitenden Theils bildet, dass zuleitender und ableitender Schlauch fast parallel mit einander verlaufen, würde ein Vorbeigleiten am Blindschlauch geradezu unmöglich machen; die Samenfäden, welche nicht in den Blindschlauch eintreten, müssten sich Die Spermatogenese der Ostracoden. 103 mit ihrer Spitze geradezu rückwärts wenden. Eine solche Art des Wanderns ist an sich überaus unwahrscheinlich. Fände sie dennoch statt, so müsste sich das bei der Untersuchung der Vereinigungsstelle von Vas deferens und Blindschlauch nachweisen lassen , doch treten bei allen darauf untersuchten Präparaten alle Samenfäden erst in den Blindschlauch ein, keines macht die geforderte scharfe Knickung. Auch der Einwand ist hinfällig, dass eine directe Wanderung mit Ueber- gehen des Blindschlauchs nur periodisch stattfinde, sich so der Beob- achtung entziehe, da die Wanderung der Spermatozoen hier ganz con- tinuirlich erfolgt. Können wir nach dem Gesagten den Blindschlauch nicht für eine partielle Umordnung der Samenfäden verantwortlich machen, so muss die Umordnung an anderer Stelle erfolgen. Da weiter die Samenfäden bereits alle in gleicher Weise angeordnet in den Blindschlauch ein- treten, und zwar mit dem Schwanzende voran, so muss die Umordnung zwischen Blindschlauch und Hoden erfolgen. Augenscheinlich erfolgt sie in der in Fig. 10 gezeichneten birnförmigen Erweiterung des Vas deferens (Fig. 6 B). Da die Samenfäden von der Seite eintreten, so werden sie nicht gleich den Ausgang finden, sich dort aufknäulen müssen, und ist die betreffende Blase fast stets von knäuelförmig - aufgerollten Samenfäden erfüllt. Der Ausgang der Blase ist sehr eng, die Wände sind dort verdickt, treten stellenweise lippenartig vor. Ich denke, der Schluss liegt nahe, dass die Samenfäden nur dann den Weg aus der Blase herausfinden, wenn das spitze Schwanzende vor- ausgeht, so dass auf diese Weise die gleiche Anordnung aller Samen- fäden bewirkt wird. Ebenso wie Cypris dispar verhalten sich die anderen Süsswasser- cypriden, einschliesslich Cypris compressa, bei der die Lage des Blind- schlauchs die gleiche wie bei Cypris dispar, bei der auch eine birn- formige Erweiterung im Vas deferens vorhanden ist. Diese Art, welche sich in mancher Beziehung enger an Pontocypris anschliesst, würde sich in dieser Hinsicht ganz verhalten wie die anderen Süss- wassercypriden. Ich glaube daraus weiter schliessen zu dürfen , dass die Entleerung der Hoden bei Cypris compressa allmählich erfolst, nicht mit einem Male wie bei Pontocypris, da sonst dieser Modus der Umkehrung nicht durchführbar wäre. Einige interessante Gesichtspunkte ergeben sich aus dem Ver- gleich mit Pontocypris. Zunächst liegt die Annahme nahe, dass der Blindschlauch ursprünglich bei allen Cypriden, resp. bei der Stamm- form aller Cypriden, die Bedeutung hatte, eine Umkehrung eines Theils 704 Dr. G. W. MÜLLER, der Samenfäden zu bewirken, wie wir das heute noch bei Pontocypris finden. Vielleicht in Folge einer Lageveränderung des Blindschlauchs, die ihn zu dieser Function ungeeignet machte, verlor er diese Bedeu- tung, es mussten alle Samenfäden in ihn eintreten, sich alle umkehren. An seine Stelle trat (war schon früher getreten, bevor die Veränderung der Lage erfolgte?) eine andere Vorrichtung für die partielle Um- kehrung. Das, denke ich, ist die einfachste Erklärung für das Vorhanden- sein des Blindschlauchs bei den Süsswassercypriden. Im engsten Zusammenhang mit dem verschiedenen Modus der Umkehrung steht die Beschaffenheit der Samenfäden, wenn sie den Hoden verlassen. Bei den Süsswassercypriden sind dieselben schlaff, weich, sehr wenig elastisch, und das erscheint nothwendig, damit sich der Samenfaden in der birnförmigen Erweiterung aufrollen kann; bei Pontocypris sind sie ziemlich steif, anscheinend bereits ebenso steif wie im Endtheil des Vas deferens, ein ähnliches Aufrollen wäre hier ganz unmöglich (man vergleiche las verschiedene Verhalten der Samen- fäden beim Zerreissen des Zelleibs). In Folge dessen muss der Sa- menfaden der Süsswassercypriden im Vas deferens erstarken, muss dort steif und elastisch werden, und diesem Zweck (abgesehen von der Bildung der Hülle, vergleiche weiter unten) dienen die eigenthümlichen Zellen, welche die Wandung des Vas deferens jenseits des Blind- schlauchs auskleiden. Bei Pontocypris, wo der Samenfaden nicht starrer zu werden braucht, auch seine Hülle bereits im Hoden abgeschieden hat, bedarf es keiner Zufuhr von Substanz, die betreffenden Zellen sind überflüssig, und in der That fehlen sie durchaus. Noch einen weiteren Unterschied will ich hier erwähnen. Bei allen Süsswassercypriden wird der Samenfaden länger als der Hoden, er muss sich krümmen, um im Hoden Platz zu finden (Fig. 9); bei Pontocypris erleidet der Samenfaden höchstens eine geringe Knickung, stets entspricht die Länge des Hodens der Länge der Samenfäden. Bei Arten von Pontocypris mit sehr langen Samenfäden findet entweder eine spirale Aufrollung der Hoden in der hinteren Hälfte statt, oder der Hoden wächst an der ventralen Seite der Schale hin bis zum vor- deren Körperende, wo er sich schliesslich noch spiralig aufrollt (Fig. 4, Taf. XXXII; es ist nicht mit Sicherheit zu erkennen, wie viel Win- dungen ein Hodenschlauch hier noch macht, doch scheinen es 3 oder 4 zu sein). Eine solche Ausdehnung der Hoden wäre aber kaum mög- lich, wenn der Hoden einen nach oben offenen Bogen bildete, er wird dann keinen Platz finden, würde bei der Streckung mit Keimlager und Die Spermatogenese der Ostracoden. 705 Ausführungsgang in Collision gerathen; sie ist nur möglich, so lange -der Hoden einen nach unten offenen Bogen bildet. Deshalb erscheint es bemerkenswerth, dass bei allen Cypriden mit partieller Umkehrung der Samenfäden durch den Blindschlauch, die Hoden nach unten offene Bogen bilden (ich kenne aus dieser Gruppe nur die Gattung Ponto- cypris, andere marine Gattungen dürften sich anschliessen), dass bei allen Cypriden mit partieller Umkehrung der Samenfäden zwischen Hoden und Blindschlauch, also bei allen Süsswassercypriden, denen sich die marine Gattung Paracypris anschliessen dürfte, die Hoden wenigstens zum Theil nach oben offene Bogen bilden. Cypris com- pressa und ovum mit ihren zum Theil nach oben, zum Theil nach unten gebogenen Hoden stehen, wie auch in anderer Beziehung, in der Mitte zwischen beiden Gruppen. Schliesslich könnte man noch annehmen, dass eine Anhäufung von Mutterzellen im Hoden, wie sie bei Nofodromas etc. vorhanden ist, unvereinbar mit den Verhältnissen sei, wie wir sie bei Pontocypris im Zusammenhang mit der Steifheit der Samenfäden finden (Veränder- lichkeit des Volums etc.), dass eine solche Anhäufung erst stattfinden konnte, nachdem die Spermatozoen biegsam geworden. Es sind eine ganze Reihe von Verschiedenheiten, die wir glaubten mit dem verschiedenen Modus der partiellen Umkehrung in Zusammen- hang bringen zu können. Verschiedene Elastieität der Samenfäden beim Verlassen der Hoden, Reifung der Mutterzellen. Freilich ist der Zusammenhang zwischen diesen Verschiedenheiten nicht etwa in der Weise aufzufassen, als hätte die eine Veränderung die andere noth- wendig zur Folge gehabt, sondern in der, dass die eine Veränderung erfolgen musste, bevor die andere eintreten konnte, und zwar erscheint die geringere Elasticität als Ausgangspunkt. Die Veränderungen der Samenfäden im Vas deferens. Das geeignetste Object für das Studium der Veränderungen, welche die Samenfäden im Vas deferens durchlaufen, bietet Candona, weil hier alle Theile stärker entwickelt, alle Elemente leichter gesondert zu erkennen sind. Alle Untersuchungen sind, soweit es nicht aus- drücklich anders bemerkt ist, an frischem Material ausgeführt; prä- parirt wurde in einer Lösung von Na Cl von 0,6 °/,; häufig wurden die Objecte in verdünntes Glycerin mit Gentianaviolett eingelegt. Jenseits des Blindschlauchs bieten die Samenfäden anfangs an- nähernd dasselbe Aussehen dar wie in den Hoden, sie sind vor allem 106 Dr. G. W. MÜLLER, noch nicht gedreht. Sie setzen sich zusammen aus folgenden Ele- menten (Fig. 50): 1) dem Centralfaden Cf, 2) dem contractilen Band’ cB und 3) den zwei Spiralbändern Spb. Der Centralfaden ist stark lichtbrechend, durchzieht den Samenfaden in ganzer Länge. Das contractile Band liegt dem Centralfaden dicht an. Es weist eine eigenthümliche Structur auf, besteht aus zwei Reihen stark licht- brechender Punkte, die bei hoher Einstellung hell, bei tiefer Einstel- lung dunkel erscheinen. Das contractile Band reicht nur bis zum Be- ginn des Schwanztheils. Es färbt sich mit Gentianaviolett ziemlich intensiv, was Centralfäden und Spiralbänder nicht thun. Den Nach- weis, dass das contractile Band seinen Namen mit Recht führt, werden wir später liefern. Was die begleitenden Spiralbänder betrifft, so kann man über Zahl und Beschaffenheit derselben in Zweifel sein. Neben Präparaten, in denen wir, wie im gezeichneten, 2 Säume die centralen Gebilde begleiten sehen, finden wir solche mit 4 oder 5 Linien, welche zum Theil blass, zum Theil deutlich, zum Theil gestreckt, zum Theil vielfach gefaltet sind. Es handelt sich hier unzweifelhaft um Kunst- producte, die einzelnen Linien stellen die Ränder der abgelösten Spiral- bänder dar. Vollständige Sicherheit über die Zahl der begleitenden Bänder liefern uns Samenfäden mit noch nicht vollendeter Torsion (Fig. 53), an denen wir sehr deutlich zwei gesonderte breite Ränder die centralen Gebilde umziehen sehen. Besonders deutlich wird das Bild, wo der Samenfaden zum Theil in seine Elemente aufgelöst ist. Am Schwanztheil erscheinen die Spiralbänder zarter, schmaler, sie sind aber noch in ganzer Länge nachweisbar. Wie geht aus dieser Form die definitive, spiralgedrehte hervor ? Wie kommt die Spiraldrehung zu Stande? Ich will, bevor ich ver- suche, eine Antwort auf diese Frage zu geben, die Samenfäden in dem Stadium beschreiben, welches der Bildung einer Hülle vorausgeht, in der Entwicklung der Samenfäden einen gewissen Abschluss bezeichnet. Wir finden in diesem Stadium (Fig. 55, 56, 52) das centrale Ge- bilde umzogen von vier Linien, welche den Gedanken nahe legen, dass wir es mit vier Spiralbändern zu thun haben. Wie dieses Bild auf- zufassen ist, lehrt ein Vergleich mit älteren Stadien (Fig. 53). Augen- scheinlich haben sich die Spiralbänder dicht neben einander gelegt, so dass die benachbarten Ränder als einzige Linie erscheinen, welche in der Profilansicht des Bandes ihre Fortsetzung finden; so entsteht täuschend das Bild von vier gesonderten Linien. Das centrale Achsengebilde besteht aus einer schwach licht- brechenden, mit Gentianaviolett ziemlich intensiv färbbaren Grundsub- Die Spermatogenese der Ostracoden. 707 stanz, c B, augenscheinlich hervorgegangen aus dem contractilen Band, und einer in dieselbe eingesenkten, kaum merkbar über dieselbe her- vorragenden stärker lichtbrechenden, wenig färbbaren Spirale, dem Centralfaden. Da, wo die Spiralbänder aufhören, also an der Grenze von Kopf und Schwanz, hört die Grundsubstanz ebenfalls auf, der Centralfaden verliert seine spirale Drehung, setzt sich gestreckt fort. Wir sind damit schon zum Schwanztheil übergegangen, den wir noch kurz beschreiben wollen. Derselbe (Fig. 52) besteht aus dem gestreckten Centralfaden; um denselben schlingen sich am Ende in loser Windung zwei Spiralbänder. Das eine derselben hört nach wenigen Windungen plötzlich auf, das andere umzieht in sich immer enger anlegenden Windungen den Centralfaden. Bald werden die Windungen undeutlich; sie sind an gefärbten und in verdünntem Gly- cerin liegenden Samenfäden noch auf 0,08—0,13 mm, an trocken liegenden auf 0,19— 0,27 mm zu erkennen, dann hört auch dieses Spiralband auf, der Centralfaden erscheint auf eine Entfernung von 0,38—0,43 mm ganz isolirt, bis an der Grenze von Kopftheil und Schwanztheil beide Spiralbänder plötzlich wieder erscheinen. Was die Uebergangsformen zwischen dieser und der in Fig. 50 gezeichneten Form betrifft, so unterscheiden sie sich durch weitere und losere Windungen der Spiralbänder, denen losere Windungen des Centralfadens entsprechen. Die Spiralbänder haben sich noch nicht dicht an einander gelegt, erscheinen noch deutlich als gesonderte Bänder mit blassen Rändern. Dabei zeigen die Bänder, wenn wir am Faden aufsteigen, nicht gleichen Abstand von einander, sondern ab- wechselnd grösseren und kleineren, was darauf hinweisen würde, dass die Bänder ursprünglich nicht genau an gegenüberliegenden Seiten des centralen Achsengebildes befestigt waren. Zwischen Fig. 53 und Fig. 55 habe ich noch verschiedene Ueber- gangsformen beobachtet, zwischen Fig. 50 und Fig. 53 fehlen mir dieselben, vermuthlich werden diese Stadien ziemlich rasch durch- laufen. Ich will im Anschluss an diese Beschreibungen noch einige Maasse geben, wobei ich als Einheit den Theilstrich des Micrometers bei SEIBERT, System IV (= 0,027) zu Grunde lege. Kopf Schwanz Summa Samenfaden, ungedreht 26 13 au 25 12 37 Uebergangsstadium 19 2 ? Zool. Jahrb. III. Abth, f, Morph. 47 708 Dr. G. W. MÜLLER, Kopf Schwanz Summa Drehung vollendet 15 22 31 15 24 39 14 20 34 13,5 23 36,5 15 26 41 Zu diesen Maassen sei noch folgendes bemerkt: es gelingt ziem- lich selten, nicht gedrehte Samenfäden so weit zu isoliren, dass man sie vom einen bis zum anderen Ende mit Sicherheit verfolgen kann. Sind sie einigermaassen isolirt, so sind sie noch nicht gestreckt, bilden meist ein wirres Knäuel, und nur selten liegt ein Samenfaden leidlich günstig für eine Messung, doch bleibt diese Messung wegen der man- cherlei Krümmungen immer einigermaassen ungenau. Den Schwanz- theil konnte ich noch an sechs weiteren Individuen messen, stets mit gleichem Resultat. Die Uebergangsformen sind fast noch schwerer zu isoliren als die ungedrehten; ich konnte nur ein einziges Mal einen Kopf messen. Auch das in Fig. 55 gezeichnete Endstadium zu isoliren, gelingt nicht leicht, nur die erste der angeführten Zahlen stammt von einem solchen Samenfaden; die anderen stammen von solchen, welche bereits von einer Hülle umschlossen waren, wie sie aus dem Endtheil des Vas deferens (vor dem Ductus ejaculatorius) überaus leicht zu isoliren, auch leicht zu messen sind. Da die Bildung der Hülle die Länge der einzelnen Theile sicher nur sehr wenig ändert (wahrscheinlich gar nicht), so können wir die fraglichen Zahlen ruhig mit ver- werthen. Was beim Ueberblicken der gegebenen Zahlen sofort auffällt, ist die starke Verkürzung des Kopfes; die Gesammtlänge ist die gleiche geblieben, der Schwanz hat entsprechend an Länge zugenommen. Derjenige Theil, der bei der Verkürzung des Kopfes wirklich kürzer geworden, ist augenscheinlich das contractile Band, bei den Spiral- bändern ist die Verkürzung ausgeglichen durch die spirale Drehung, der Centralfaden hat überhaupt kaum an Länge verloren, da die Ge- sammtlänge des Samenfadens die gleiche geblieben. Versuchen wir jetzt eine Antwort auf die oben aufgeworfene Frage: wie kommt die Spiraldrehung zu Stande? so muss die Antwort lauten: durch Contraction, und zwar durch Contraction des contractilen Bandes. Setzen wir den Fall, dass von drei neben einander liegenden, in ganzer Länge an den Die Spermätogenese der Ostraeoden. 709 Rändern mit einander verbundenen Bändern sich das mittlere contra- hirt, so wird der Erfolg nach den besonderen Bedingungen ein ver- schiedener sein. Leisten beide seitlichen Bänder gleichen Widerstand, so werden sich beide, bei einem gewissen Verhältniss zwischen Con- traction und Widerstand, falten, gleichgültig, ob das Ganze frei be- weglich ist oder, wie es hier der Fall, durch irgend welche Führung an einer Krümmung verhindert wird. Leisten beide seitlichen Bänder der Contraction ungleichen Widerstand, so wird sich das Ganze, wenn es frei liegt, schneckenförmig krümmen oder, wenn es an der Krüm- mung verhindert wird, zur Schraube zusammenziehen, so dass die äusseren Bänder das innere contrahirte spiralig umziehen (immer ganz bestimmte Verhältnisse zwischen Contraction und Widerstand vorausgesetzt). Der letztere Fall ist ganz genau der unsrige, und es erübrigt nur, zu zeigen, welche Rolle die einzelnen Theile spielen. Das contractile Band würde natürlich die Rolle übernehmen müssen, die Contraction zu bewirken, und wir müssen nur nachweisen, dass es seinen Namen mit Recht führt. Ich will zum Beweis folgende Be- obachtung anführen : an einem noch frischen, ungedrehten, zerrissenen Samenfaden sah ich, wie sich das Band unter meinen Augen verkürzte; während es anfangs in gleicher Linie mit den abgelösten Stümpfen der Spiralbänder endigte, wurde es nach wenigen Minuten deutlich von den letzteren überragt. Dabei änderte es seine Structur, die stark lichtbrechenden Punkte wurden feiner, zahlreicher. Dass die beiden Spiralbänder die Rolle der seitlichen begleitenden Bänder übernehmen, ist klar ; nachzuweisen bleibt nur, dass der Wider- stand, den sie einer Contraction entgegenstellen, nicht auf beiden Seiten gleich ist. In dieser Beziehung ist zunächst zu erwähnen, dass, wie oben wahrscheinlich gemacht, die Spiralbänder nicht genau an gegen- überliegenden Punkten des contractilen Bandes befestigt sind, der Samenfaden (ganz abgesehen vom Centralfaden) nicht streng sym- metrisch gebaut ist (vergl. Fig. 53). Beachtung verdient hier weiter die Anordnung der Spiralbänder am Schwanzende. Ich denke mir dieselbe in folgender Weise zu Stande gekommen: beide Bänder sind an beiden Enden fest mit dem Centralfaden verbunden. Erfolgt nun am Kopf- theil die Contraction und in ihrem Gefolge die spirale Drehung, se werden, da sich der Centralfaden nicht mit verkürzt, die Spiralbänder am Schwanzende entweder zerreissen müssen oder sich dehnen. Wäh- rend nun das eine Spiralband sehr bald zerreisst, dehnt sich das andere sehr bedeutend, wobei es immer zarter wird, sich dem Central- 47* 710 Dr. G. W. MÜLLER, faden immer fester anlegt, bis es schliesslich auch zerreisst. So spricht die Beschaffenheit des Schwanzendes deutlich genug für eine Ver- schiedenheit der beiden Spiralbänder. Was schliesslich die Führung anbelangt, welche ein Krümmen, ein schneckenförmiges Aufrollen des ganzen Gebildes verhindern soll, so dachte ich eine Zeit lang an das Vas deferens, welches als Röhre den sich contrahirenden Samenfaden umschliesst; augenscheinlich würde aber diese Führung nicht genügen, vielmehr übernimmt der Central- faden diese Rolle. Ich machte schon oben darauf aufmerksam, dass der gesammte Samenfaden bei der Contraction kaum kürzer wird, was der Kopf an Länge verliert, gewinnt der Schwanz; das heisst mit an- deren Worten weiter nichts, als dass contractiles Band und Spiral- bänder am Centralfaden herabgleiten. Andrerseits ist der Centralfaden so steif, dass er sehr wohl geeignet ist, eine Krümmung zu verhindern, die Führung zu besorgen. Immerhin ist er nicht ganz starr, und auch das scheint von Wichtigkeit. Da er nicht central liegt, vielmehr zwischen contractilem Band und einem Spiralband, oder wenigstens seitlich am contractilen Band, so wird bei der Contraction eines von beiden nachgeben, eines sich um das andere schlingen müssen. Wie aus Fig. 53 ersichtlich, geben beide Theile etwas nach, doch streckt sich der Centralfaden, sobald er in Folge fortgesetzter Contraction aus seiner Zwangslage befreit wird, stets sofort, weshalb er im ganzen Verlauf des Schwanzes ganz geradegestreckt erscheint. Selbstver- ständlich muss die Krümmung, die er innerhalb des Kopfes erleidet, sich als eine Verkürzung des ganzen Samenfadens geltend machen, doch ist diese Verkürzung zu gering, als dass sie nachweisbar wäre. Für einen derartigen Nachweis sind einmal die Messungen nicht ge- nau genug, vor allem aber ist die Länge der Samenfäden nicht hinrei- chend constant. Noch eine Frage will ich versuchen zu beantworten. Wodurch wird das Authören der Contraction bestimmt? Anfangs findet sich zwischen den Spiralbändern ein Zwischenraum; in dem Maasse, als die Contraction fortschreitet, nähern sich die Bänder, um sich schliesslich mit ihren Bändern zu berühren. Augenscheinlich wird mit dem Augen- blick der Widerstand, den die Contraction findet, ein sehr viel grösserer. Möglich, dass sie noch kurze Zeit fortdauert und so ein Empor- wölben der Ränder bewirkt, jedenfalls muss der Widerstand jetzt sehr rasch wachsen, dadurch der Contraction eine Grenze gesetzt werden, ohne dass deshalb die Contractionsfähigkeit erschöpft zu sein braucht. Die Spermatogenese der Ostracoden. ZU Ich will schliesslich noch einige Thatsachen erwähnen, welche ge- eignet sind, die hier vorgetragenen Anschauungen zu stützen. Be- freien wir bei einem frisch getödteten Thier die ungedrehten Samen- fäden aus dem Blindschlauch, so krümmen sich dieselben zum Bogen, zu einer Schneckenlinie, die indessen nie mehr als einen Umlauf hat. Die Thatsache erklärt sich leicht aus dem Gesagten, wenn wir be- rücksichtigen, dass der Centralfaden hier noch nicht so steif ist, einer Krümmung nicht genügenden Widerstand bietet. Derselbe erstarkt erst im weiteren Verlauf des Vas deferens, eine Thatsache, auf deren Bedeutung wir bereits oben aufmerksam machten. Hier will ich ferner erwähnen, dass sich auch bei Notodromas eine unsymmetrische Anordnung der Spiralbänder nachweisen lässt (Fig. 60); eine ungleiche Ausbildung der Bänder war auch sehr deutlich bei Pontocypris. Auch eine Zunahme des Schwanzes auf Kosten des Kopfes konnten wir bei Notodromas nachweisen. Ganz allgemein scheint eine verschiedene Befestigung der Bänder am Schwanztheil, doch dürfte der gewöhnliche Fall der sein, dass nur eines der beiden Spiralbänder am Schwanzende fest mit dem Central- faden verbunden ist, welches sich dann zu einer sehr weit gedehnten, zarten Spinale auszieht, während das andere ungehindert am Central- faden herabgleitet. Wir wenden uns zur Bildung einer Hülle. Nachdem die Contraction vollendet ist (Fig. 55), was ungefähr in der Mitte zwischen Blindschlauch und Ductus ejaculatorius erfolgt, beginnt die Bildung einer Hülle. Zunächst erscheint der vorher scharf contourirte Samen- faden, der ein sehr klares Bild bot, undeutlich contourirt, von den Windungen ist kaum noch etwas zu erkennen, das ganze Bild ist sehr undeutlich, es erscheint unmöglich, dasselbe durch eine Zeichnung zu veranschaulichen. Im weiteren Verlauf wird das Bild wieder schärfer, und ein zum Entleeren reifer Samenfaden bietet etwa das Bild wie in Fig. 57, doch müssten auch hier alle Linien verschwommener er- scheinen. Die Zickzacklinien, welche die gleichzeitig sichtbaren oberen und unteren Ränder der Spiralbänder repräsentiren, müssten hell auf dunklerem Grund gezeichnet sein. Wie es kommt, dass diese Linien in der Mitte unterbrochen sind, vermag ich nicht zu entscheiden. Man muss dafür die eigenthümlichen Lichtbrechungsverhältnisse des Samenfadens selbst und der Hülle verantwortlich machen. Wie be- kannt, rührt diese Veränderung des Bildes von der Bildung einer Hülle her; woher stammt aber diese Hülle? ZENKER lässt dieselbe aus dem Secret der Schleimdrüse entstehen, welches gleichzeitig mit den Samen- 2 Dr. G. W. MÜLLER, fäden entleert wird (l. c. p. 54). STUHLMANN vermuthet (1. c. p. 549), dass es sich um ein Secret handle, welches das Vas deferens abscheide. Die letzte Antwort erscheint ganz selbstverständlich mit Rücksicht auf die die Wandungen des Vas deferens bekleidenden Zellen, welche augen- scheinlich secretorische Function haben. Doch sollten uns die Resul- tate, die wir bei Pontocypris gefunden haben, vorsichtig machen. Dort wurde die Hülle vom Samenfaden selbst gebildet, und es erscheint einigermaassen unwahrscheinlich, dass homologe Gebilde, mit denen wir es doch unzweifelhaft zu thun haben, auf so verschiedene Weise entstehen. Die Gründe, die mich zu der Annahme bestimmen, dass die Entstehung die gleiche wie bei Pontocypris, sind ähnliche wie bei dieser Art; es handelt sich darum, nachzuweisen, dass die Hülle nicht den ganzen Samenfaden überzieht, sondern nur einen Theil des- selben. Die abgeworfenen Hüllen im Receptaculum seminis, welche be- kanntlich ein sehr treues Bild des Samenfadens liefern, reichten stets nur bis zur Grenze von Kopf und Schwanz, resp. einem Punkt dicht hinter derselben; nie finden wir eine Hülle, an der ein grösseres Stück vom Schwanz erhalten wäre. Nun könnte man annehmen, dass die Hülle stets an dieser Stelle zerreisst. Der einfachste Weg zur Ent- scheidung der Alternative: abgerissen oder begrenzt abgeschieden, wäre natürlich der, nachzusehen, wie weit die Hülle reicht. So leicht in- dessen das Vorhandensein einer Hülle am Kopftheil zu erkennen ist, da hier die complieirte Structur undeutlich wird, so schwierig scheint das am Schwanztheil, da hier keine complicirte Structur zu verwischen ist. Von einem Wahrnehmen der Hülle als äussere Contour, welche nur bis zu einem gewissen Punkt reicht, kann keine Rede sein, und so erscheint die Thatsache, dass wir am Schwanz keine Hülle ent- decken können, werthlos. Freilich könnte man geltend machen, dass eine Hülle, wenn sie vorhanden, wenigstens am Ende des Schwanzes, wo derselbe von zwei Spiralbändern umgeben ist, nachweisbar sein müsste, Dass sie dort fehlt, könnte man schon als verhängnissvoll für die Annahme einer Abscheidung von aussen betrachten. Doch lässt sich der Nachweis, dass die Hülle wirklich nicht weiter reicht als bis zur Grenze von Schwanz und Kopf, noch auf andere Weise führen. An frischen Präparaten färbt sich der Centralfaden mit Gentiana- violett sehr wenig. An stark macerirten Präparaten färbt er sich sehr intensiv, doch beschränkt sich die Färbung auf eine oberflächliche Schicht, nach deren Entfernung man auf den ungefärbten Centralfaden Die Spermatogenese der Ostracoden. 713 stösst. Augenscheinlich ist eine oberflächliche Schicht durch die Ma- ceration derart verändert (gequollen ?), dass sie zu intensiver Auf- nahme von Farbstoff geeignet ist. Die intensive Färbung oder die Wirkung der Maceration reicht nun an umhüllten Samenfäden genau bis zur Grenze der Hülle, jenseits derselben hat die dichte Hülle den Samenfaden fast vollständig gegen Veränderung geschützt, er färbt sich nur schwach mit Gentianaviolett (Fig. 54). Ich halte es damit für bewiesen, dass die Hülle nicht weiter reicht, sowie weiter, dass die Hülle vom Samenfaden selbst gebildet wird, nicht von den Wandungen des Vas deferens einfach abgeschieden wird. Eine andere Frage ist die, ob die Hülle überall vom Samenfaden selbst gebildet wird. Ich will, um wenigstens auf die Möglichkeit der anderen Art der Bildung hinzuweisen, die Verhältnisse besprechen, wie wir sie bei Notodromas finden. Hier zeigen die abgestreiften Hüllen, dass auch der Schwanz umhüllt gewesen ist. Nie besitzen die entsprechenden Hüllen die volle Länge des Schwanzes, doch sind sie sehr verschieden lang, sind augenscheinlich an sehr verschiedenen Stellen abgerissen, und es ist mir hier wahrscheinlich, dass der ganze Samenfaden, einschliesslich des Schwanzes, umhüllt wird. Dies Vor- kommen lässt wenigstens die Annahme zu, dass hier die Hülle von aussen her den Samenfaden umfliesst, doch ist auch die andere Art der Bildung nicht ausgeschlossen. So gut wie bei Pontocypris ein Theil des Kopfes, bei Candona der ganze Kopf, so könnte ja hier der ganze Samenfaden eine Hülle ausscheiden. Freilich bei Candona und Pontocypris sind es augenscheinlich die Spiralbänder, welche die Hülle abscheiden, ebenso bei Notodromas am Kopf, am Schwanz müsste der Centralfaden diese Rolle übernehmen, und darin könnte man einen Grund gegen die Annahme einer Abscheidung von Seiten des Samen- fadens finden. Andererseits muss es unwahrscheinlich erscheinen, dass gleichwerthige Gebilde auf so verschiedenem Wege gebildet werden, doch könnte man sich über die letztere Schwierigkeit durch folgende Annahme hinweghelfen: bei Candona ist es das Secret der Wandungen des Vas deferens, welches zunächst vom Samenfaden aufgenommen, vielleicht auch chemisch verändert, dann wieder als Hülle abgeschieden wird; bei Notodromas würde dieser Weg abgekürzt, das Secret wird nicht erst aufgenommen, sondern bildet direct die Hülle. Einen entscheidenden Grund für die eine oder andere Ansicht finde ich nicht, muss mich deshalb damit begnügen, auf die Möglich- keit einer Umhüllung von aussen hingewiesen zu haben, 714 Dr. G. W. MÜLLER, Ueber die Samenfäden von Candona im Receptaculum seminis ist wenig zu sagen. Wir finden sie zum Theil noch in der Form wieder, die sie vor dem Eintritt in den Ductus ejaculatorius besassen. Bei anderen ist das Bild ein sehr unklares, verworrenes, was wahrschein- lich auf einer Lösung der Hülle von dem Samenfaden beruht, doch geht diese Form nicht nothwendig einer vollständigen Lösung voraus, wie man anz. Th. von ihrer Hülle befreiten Samenfäden sehen kann. Schliesslich finden wir Samenfäden, die z. Th. aus ihrer Hülle befreit sind, wo dann der befreite Theil das gleiche Bild gewährt wie vor der Bildung einer Hülle. Ganz von der Hülle befreite Samen- fäden habe ich im Receptaculum seminis nie finden können. Die Hülle wird anscheinend stets in der Richtung nach dem Kopfende hin ab- gestreift, wobei natürlich der ganze Kopf das kurze, enge Stück, welches den Anfangstheil des Schwanzes umgab, passiren muss. Die abgewor- fene Hülle (Fig. 58) bietet das Bild von vier parallelen Schraubenlinien, welches in ganz entsprechender Weise zu Stande kommt, wie das für den ganzen Samenfaden geschildert wurde. Was die bekannte Bewegung der Spiralbänder betrifft, so habe ich dieselbe nur an umhüllten Samenfäden beobachten können. Sie besteht in Wellen, welche gewöhnlich von der Grenze zwischen Kopf und Schwanz, selten von einem anderen Punkt beginnen und anschei- nend stets in der Richtung vom Schwanz zum Kopf verlaufen. An- fangs sind die Wellen einzeln, um sich dann in so kurzen Zwischen- räumen zu folgen, dass die Bänder in ganzer Länge in schwingender Bewegung sind. Wir kommen auf Ursprung und Bedeutung dieser Bewegung bei Besprechung von Notodromas zurück. Notodromas monacha. Die Samenfäden eignen sich viel weniger zur Untersuchung als die von Candona, alle Theile habe ich überhaupt nicht nachweisen können, doch zweifle ich nicht daran, dass die Zusammensetzung die gleiche ist wie bei Candona. Das Stadium mit loser Aufrollung der Bänder oder beginnender Contraction habe ich hier verschiedenfach beobachtet (Fig. 60), doch konnte ich an denselben kein centrales Gebilde erkennen. Wie aus der Figur ersichtlich, sind hier, wie bei Candona, die Abstände der Bänder nicht gleich. Zwischen dem umgedrehten und dem in Fig. 60 dargestellten Samenfaden konnte ich noch ein Uebergangs- stadium mit sehr losen Windungen beobachten, doch habe ich mir Die Spermatogenese der Ostracoden. 715 über den Verlauf der Bänder keine ganz klare Vorstellung bilden können. Die Form, welche der Bildung der Hülle direct vorausgeht, bietet ein Bild, dessen genaue Auffassung ebenso viele Schwierigkeiten be- reitet wie seine Deutung. Wir erblicken da (Fig. 61) zwei Reihen von parallelen, hellen, in der Figur dunkel gezeichneten Linien, welche sich schneiden. Jede Linie des einen Systems setzt sich scheinbar iu eine des anderen Systems fort, während sie zwei Linien schneidet. Es entstehen so drei parallele Ziekzacklinien. Es scheint unmöglich, dieses Bild mit der Vorstellung von zwei um das centrale Gebilde geschlungenen Bändern in Einklang zu bringen, auch wenn man vier Linien, repräsentirt durch die Ränder der nicht vollständig genäherten Bänder, zu Hülfe nimmt; die Figur scheint deutlich für das Vorhan- densein von drei Bändern zu sprechen. Trotzdem sind es in Wirklich- keit vier Linien, welche den Centralfaden umziehen, wie das aus dem Bau der Samenfäden unzweifelhaft hervorgeht, wie man das auch mit Sicherheit an solchen Samenfäden feststellen kann, bei denen nicht alle Linien gleich stark ausgeprägt sind. Vermuthlich entsprechen zwei der Linien den Rändern, zwei den Mittellinien der Bänder. Wie das fragliche Bild zu Stande kommt, kann ich nicht sagen, man muss dafür die eigenthümlichen Lichtbrechungsverhältnisse der Samenfäden verantwortlich machen. Was die Bildung der Hülle anbetrifft, so beobachten wir zunächst, ganz wie bei Candona, ein Stadium, in welchem die Umrisse durch- aus verschwommen sind. Das Stadium, in welchem die Ueberführung in das Receptaculum seminis erfolgt, unterscheidet sich wesentlich von dem betreffenden bei Candona. Zunächst erscheinen die Ränder nicht geschwungen oder gewellt, sondern gerade, was sich aus der abwei- chenden Gestaltung der Spiralbänder erklärt (Fig. 53 und 60). Von dem Verlauf der Spiralbänder bemerken wir an ganz frischen Präpa- raten bei schwacher Vergrösserung (SEIBERT IV) weiter nichts als eine helle Wellenlinie auf dunklem Grund (Fig. 62). Dieselbe stellt die eine Trennungslinie zwischen beiden Spiralbändern dar. Bei stärkerer Vergrösserung bleibt bei manchen Samenfäden das Bild unverändert, bei anderen erscheint mehr oder weniger deutlich eine zweite, die erste schneidende Wellenlinie — die andere Trennungslinie. Schliess- lich können wir an manchen Samenfäden zwischen beiden Systemen die oben erwähnte Mittellinie der Spiralbänder erkennen , doch stets viel blasser als an den nicht umhüllten, wo sie von den Rändern nicht zu unterscheiden waren. Zweierlei scheint dabei bemerkenswerth, ein- 716 Dr. G. W. MULLER, mal das verschiedene Verhalten der Trennungslinien, weiter die auf- fällige Veränderung, welche in dem ganzen Bild durch die Bildung der Hülle bewirkt wird (vergl. Fig. 61 und 62). Dass diese Verän- derung des Bildes nicht durch eine Veränderung in der Lage der Bänder bewirkt wird (obwohl eine geringe Veränderung in der Lage der Bänder keineswegs ausgeschlossen ist), bedarf keines Beweises. Im Receptaculum seminis bieten die Samenfäden zunächst das Bild, wie wir es eben beschrieben, darauf, nach Abwerfen der Hülle, wieder das in Fig. 61 dargestellte. Gewöhnlich sind fast sämmtliche Samenfäden von ihrer Hülle befreit. Das Abwerfen der Hülle geschieht in umgekehrter Richtung wie bei Candona, also derart, dass die Hülle über den Schwanz hin abgestreift wird, was unzweifelhaft damit im Zusammenhang steht, dass ein längeres Schwanzstück vorhanden ist, welches mit über den Kopf gestreift werden müsste, was kaum mög- lich. An den abgeworfenen Hüllen erkennen wir leicht zwei den Rän- dern der Spiralbänder entsprechende Zickzacklinien (Fig. 63); dieselben sind nicht gleich stark, was wohl die deutlichere Ausprägung der einen Linie (Fig. 62) bei umhüllten Samenfäden erklärt. Die Bewegung der Samenfäden ist eine ganz andere als bei Can- dona. Zunächst schlagen dieselben bisweilen hin und her, schlängeln sich in grossen Bogen, doch scheint diese Bewegung unabhängig von der gleich zu erwähnenden zu sein. Um die andere Art der Bewegung zu beschreiben, will ich zunächst an eine jedem geläufige Erscheinung erinnern. Wenn wir eine frei hängende, unten beschwerte Schnur stark über ihre Ruhelage hinaus zusammendrehen, so dreht sie sich, sobald der Zwang aufhört, mit zunehmender Geschwindigkeit in ent- gegengesetzter Richtung auf, überschreitet die Gleichgewichtslage, kehrt, bei einer gewissen Grenze angekommen, um, um wieder die Gleichgewichtslage zu überschreiten, wobei die Zahl der Drehung mit jedem Male kleiner wird. Diese Art von Pendelbewegung ist von einer abwechselnden Verkürzung und Verlängerung der Schnur begleitet. Ist die Schnur nicht genügend belastet, so windet sich bei starkem Zusammendrehen die Schnur um sich selbst. Ich müsste, wollte ich die Bewegung der Samenfäden von Noto- dromas beschreiben, die obige Beschreibung fast Wort für Wort wieder- holen. Das abwechselnde Drehen nach rechts und links, die damit verbundene Verkürzung und Verlängerung, das Kleinerwerden der Schwingungen, das Zusammendrehen der Samenfäden mit sich selbst, das alles ist hier überaus deutlich zu beobachten. Freilich werden wir es niemals mit einer Schnur von ähnlicher Elasticität zu thun Die Spermatogenese der Ostracoden. 717 haben. So erklärt es sich, dass das Abnehmen der Schwingungen viel langsamer erfolgt oder, mit anderen Worten, das Hin- und Herpendeln verhältnissmässig länger dauert. Weiter verharrt ein Samenfaden, der sich mit sich selbst zusammengedreht hat, nicht in der Lage, wie es eine Schnur thun würde, sondern die Verschlingung löst sich wieder, um sich auf’s neue zu schlingen. Das sind Differenzen, die sich aus der Verschiedenartigkeit des Materials, aus der grossen Elasticität der Samenfäden erklären. Die Uebereinstimmung ist deshalb nicht weniger auffallend. Diese weitgehende Uebereinstimmung zwingt zur Annahme, dass der Samenfaden, bevor er seine Bewegung beginnt, sich in einer ähn- lichen Spannung oder Zwangslage befindet wie ein stark zusammen- gedrehter Faden. Woher rührt aber diese Zwangslage? Ich will hier eine Hypothese über Ursprung und Bedeutung geben, überlasse es den Lesern, sich ein Urtheil über die Berechtigung derselben zu bilden. Die Hypothese lautet. Die im Vas deferens abgeschiedene Hülle schrumpft, contrahirt sich, bringt dadurch den Samenfaden in eine Zwangslage. Nachdem der Zusammenhang gelockert ist, was vermuth- lich beim Passiren der sehr engen Narbe des Ductus ejaculatorius er- folgt, führt die Spannung zunächst zu einem Abstreifen der Hülle. Damit ist aber die Spannung nicht vollständig ausgeglichen, der Druck, welchen das prall mit Samenfäden gefüllte Receptaculum seminis sowie die umgebende Körpermusculatur ausüben, halten den Samenfaden in seiner Zwangslage fest, aus der er sich erst befreien kann, wenn er das Receptaculum seminis verlässt. Dabei kommt ihm aber gerade die Spannung zu Statten. Die Bewegungen, welche er in Folge der Spannung ausführt, dienen ihm als Beförderungsmittel durch den langen Ausführungsgang, ermöglichen ihm noch das Eindringen in das Ei, und darin sehe ich die eigentliche Bedeutung des ganzen Vorgangs. Ich will noch einige Gründe anführen, welche geeignet scheinen, die Hypothese zu stützen. Was zunächst die Contraction der Hülle anbetrifft, so erinnere ich an Pontocypris, wo sich eine sehr weit- gehende Contraction der Hülle direct beobachten liess. Auch bei No- todromas erscheint die Hülle zunächst viel umfangreicher, umgiebt als lose Masse den Samenfaden , dessen Structur sie ganz verwischt. Später umhüllt sie ihn dicht, worauf seine Structur wieder deutlich wird. Das eine lässt sich also auch hier direct beobachten, dass nämlich die Masse der Hülle schrumpft. Nun ist es sehr wohl denkbar, 718 Dr. G. W. MÜLLER, dass eine solche Schrumpfung den Samenfaden einengt (was bei Can- dona direct nachweisbar ist), auch dass das Resultat des Zusammen- drückens ein engeres Anziehen der Schraubenwindungen ist, ist sehr wohl denkbar. Leider lässt sich aber gerade dieser Punkt nicht direct durch die Beobachtung bestätigen. Ein Versuch, die Breite der einzelnen Windungen direct zu messen, erweist sich als aussichtslos. Eine Differenz in der Gesammtlänge des Kopfes, als des zusammen- gepressten Theiles, wäre vielleicht nachweisbar, doch ist dabei die Variabilität in der Gesammtlänge der Samenfäden störend. Die weitere Annahme, dass Hülle und Samenfaden zunächst sehr fest mit einander verbunden sind, dass dieser Zusammenhang erst beim Passiren des Ductus ejaculatorius gelockert wird, scheint geeignet, die merkwürdige Thatsache zu erklären, dass die Samenfäden im Vas de- ferens keinerlei Bewegungen ausführen. Für die Behauptung schliesslich, dass auch nach dem Abstreifen der Hülle der Samenfaden in einer Zwangslage sich befindet, scheint das oben geschilderte Verhalten der Samenfäden deutlich genug zu sprechen. Uebrigens führen auch bereits im Receptaculum seminis, sobald man dasselbe isolirt hat, die Samenfäden Bewegungen aus, wenn auch, in Folge des geringen Spielraums, wenig ergiebige. Augenschein- lich befinden sie sich in Folge der Isolirung des Receptaculum seminis unter geringerem Druck, vermögen sich wenigstens zum Theil aus ihrer Zwangslage zu befreien. Schliesslich will ich eine Thatsache nicht verschweigen , welche allerdings wenig im Einklang mit der gegebenen Hypothese steht. Zerreisst man das Receptaculum seminis, so beginnen die meisten Samenfäden sofort ihre Bewegung, einzelne aber verharren noch kürzere oder längere Zeit in Ruhe, bevor sie beginnen, um dann die Be- wegung in der beschriebenen Weise zu Ende zu führen. Nach irgend einem Hinderniss, welches vor Beginn der Bewegung be- seitigt würde, sieht man sich vergeblich um. Während so die ganze Bewegung den Eindruck einer von aussen aufgezwungenen macht, scheint doch für die Auslösung der Bewegung die eigene Initiative bestimmend. Wie verhält sich Candona, passt ihr Verhalten zu der hier ge- gebenen Hypothese? Eine Thatsache lässt sich hier direct beobachten, die nämlich, dass durch Bildung, resp. Schrumpfung der Hülle die Samenfäden zusammengepresst werden. Man vergleiche nur Fig. 55 und 57, sowie in Fig. 59 den umschlossenen und den befreiten Theil. Man sieht in letzterer Figur den Samenfaden so zu sagen aus der Hülle Die Spermatogenese der Ostracoden. 719 herausquellen, die Spiralbänder erscheinen viel voluminöser, nachdem sie die Hülle verlassen. Hier erfolgt die Zusammenpressung des Samenfadens in ganz anderer Weise, als wir es für Notodromas an- nahmen. Dort wurde die ganze Spirale zusammengezogen, hier werden die Bänder zusammengepresst. Der Unterschied liegt direct in der Gestalt des Samenfadens begründet; bei Notodromas sind es flache Bänder, die dem centralen Achsengebilde dicht anliegen, bei Candona erscheinen die Bänder in der Mitte emporgewölbt. Möglich, dass die Bänder hier nur an den Rändern aufliegen, sich in der Mitte frei ab- heben, die Wölbung einer Höhlung entspricht, möglich aber auch, dass die Bänder in der Mitte so viel dicker sind als am Rand. Die erstere Annahme würde die Thatsache des Zusammenpressens ein- fach erklären, die indessen auch bei der zweiten verständlich er- scheint. Wie der Samenfaden hier dem durch die Contraction der Hülle ausgeübten Druck in anderer Weise nachgiebt, so ist auch die Art und Weise der Befreiung eine andere. Hier schlüpft zunächst ein winziges Stückchen des Spiralbandes aus der umgebenden Hülle, die entstandene Lücke wird durch ein nachrückendes Stück ausgefüllt, und so fort, die Lücke läuft als Welle über das ganze Spiralband ; jeder Welle entspricht ein winziges, aus der Hülle geschlüpftes Stück des Spiralbandes. Dass hier keine Spannung zurückbleiben wird, nachdem der Samenfaden einmal die Hülle verlassen hat, dass der Druck der umgebenden Samenfäden einen vollständigen Ausgleich der Spannung nicht verhindern kann, liegt auf der Hand. So stimmt es vollständig zu unserer Auffassung, wenn wir an den aus ihrer Hülle befreiten Samenfäden jede Bewegung vermissen. Lässt sich einer der- artigen Bewegung irgend welche Bedeutung für die Beförderung der Samenfäden aus dem Receptaculum seminis zuschreiben? Man könnte annehmen, dass es nur dann den Samenfäden gelingt, aus der Hülle herauszuschlüpfen, wenn sie sich bereits mit der Schwanzspitze im Ausführungsgang des Vas deferens befinden; das Ausschlüpfen aus der zwischen den übrigen Samenfäden fixirten Hülle wäre dann gleich- bedeutend mit einer Fortbewegung im Ausführungsgang. Das Beför- derungsmittel wäre wohl kein so ergiebiges wie bei Notodromas, es würde den Samenfaden nicht weiter im Ausführungsgang befördern, als er selbst lang ist. Leider fand ich zur Zeit, als ich mir diese Frage gestellt hatte, keine Gelegenheit mehr, die Annahme durch Untersuchung an frischem 720 Dr. G. W. MULLER, Material zu bestätigen, da im Herbst bei Candona die Männchen verschwinden; an conservirtem Material will eine Untersuchung nicht glücken. Uebrigens erhält die ziemlich auffallende Thatsache, dass wir im Receptaculum seminis nie vollständig von ihrer Hülle befreite Samen- fäden finden, in der fraglichen Annahme ihre einfachste Erklärung. Schliesslich sei nochmals auf das Verhalten von Pontocypris hin- gewiesen. Dass hier die Gestaltung der Hülle nicht geeignet ist, die Samenfäden irgendwie in Spannung zu erhalten, liegt auf der Hand, und in der That fehlt hier den Samenfäden jede Bewegung. Wie hier die Beförderung der Samenfäden erfolgt, ist eine Frage, auf die ich die Antwort schuldig bleiben muss. Literarisches. ZENKER (l. c. p. 53 ff, Taf. ITB) scheint, nach den Fi- guren zu urtheilen, im Ganzen eine richtige Vorstellung von der Zusammensetzung der Samenfäden gehabt zu haben. Er erkannte, dass sich die Achse aus zwei Stücken zusammensetzt, scheint auch zwei Spiralbänder angenommen zu haben, doch spricht er sich nir- gends klar darüber aus. Seine Vorstellung von der Gestaltung der einzelnen Theile, besonders der Spiralbänder war eine wenig zu- treffende. Die Spiraldrehung soll durch Thätigkeit der Spiralbänder zu Stande kommen, welche den Centralfaden herumdrillen, sich um ihn schlingen. Die Hülle wird bei der Begattung von dem Secret der gleichzeitig entleerten Schleimdrüse (in Wirklichkeit Ductus eja- culatorius) gebildet. ZENKER hat zuerst die Wellenbewegung der Spiralbänder gesehen (richtiger Max SCHULTZE, der ihn darauf auf- merksam machte). Die Bewegung soll zu einem Abwerfen der Hülle führen. Nach STUHLMANN (p. 561 f.) besteht der Samenfaden aus dem Cen- tralfaden, dessen Zusammensetzung aus zwei Fäden einmal beobachtet wurde, und zwei um denselben geschlungenen Spiralbändern. Dazu kommt dann noch ein Spiralsaum, der auf den hinteren Theil der Fäden beschränkt ist (nach unserer Auffassung die schmale Fortsetzung der Spiralbänder auf den Schwanz). Ausserdem kommt noch ein Spiralfaden (oder identisch mit dem Spiralsaum?) vor. Was damit gemeint ist, kann ich nicht entscheiden, ich habe das Gebilde nie ge- funden. Die Bewegung, welche zur Spiraldrehung führt, scheint durch Die Spermatogenese der Ostracoden. 721 den erwähnten Spiralsaum hervorgerufen zu werden. Die Windungen sollen von der Spitze des Spermatozoons nach hinten fortschreiten ; während vorn schon eine ziemlich dichte Drehung zu sehen ist, ist dieselbe hinten noch ziemlich weit, eine Beobachtung, die ich nicht bestätigen kann. Die Hülle entsteht vielleicht in den Schlingen des Vas deferens, vielleicht erst im Ductus ejaculatorius. Ihre Bedeutung besteht vermuthlich darin, die Bewegung während der Uebertragung zu hindern, da sie dieselbe erschweren würde. In Bezug auf letztere Hypothese will ich nur daran erinnern, dass die Samenfäden im Vas deferens nie eine Spur von Bewegung zeigen, obwohl sie, soweit wir zu erkennen vermögen, reif sind, und obwohl sie der Hülle entbehren. Rückblick. Die Resultate der Untersuchung lassen sich etwa in folgenden Sätzen zusammenfassen. Das Keimlager befindet sich an der Vereinigungsstelle der vier Hodenschläuche, welche letztere unter dem Druck der heranwachsen- den Mutterzellen und Samenfäden entstehen. Die Reifungsstätte der Mutterzellen liegt in der Mitte der Hodenschläuche AERO) oder an ihrem Ende (Süsswassercypriden). Die Einwanderung der Mutterzellen erfolgt entweder in der Weise, dass sich Zufuhr und Verbrauch annähernd das Gleich- gewicht halten, in welchem Fall ein Hodenschlauch stets nur Samen- fäden von gleichem Alter und Mutterzellen von nur zwei oder drei verschiedenen Grössen enthält (Pontocypris, Cypris compressa), oder es findet eine starke Einwanderung von Mutterzellen während der Jugend, vor Beginn der Bildung von Spermatozoen statt, doch hört mit diesem Zeitpunkt die Einwanderung nicht auf. Die Mutterzellen nehmen von vorn nach hinten an Grösse ab, entsprechend erfolgt die Umwandlung der Mutterzellen in Spermatozoen, von vorn nach hinten fortschreitend. Bei den betreffenden Arten finden wir stets Samenfäden und Mutterzellen in sehr verschiedenem Alter, von sehr verschiedener Grösse. So bei Cypris dispar, Candona, Noto- dromas. Die Zahl der Mutterzellen, welche mit einem Male sich 9 theilen, schwankt bei Pontocypris sp. zwischen 3 und 9, bei Cypris 122 Dr. G. W. MÜLLER, compressa zwischen 3 und 8, bei den anderen untersuchten Arten ist sie constant, und zwar Cypris dispar 2, Notodromas und Can- dona 4. Jede Mutterzelle liefert 4 Spermazellen, ausnahmsweise nur 3 oder 2. Die eigentliche Spermatogenese schliesst sich eng an die anderer Arthropoden an. Ein oder zwei Nebenkerne bilden ein Schwanzstück, das ganz ausnahmsweise lange weiterwächst und sehr complicirt gebaut ist; der Kern lagert sich entweder ganz dem Ende des so entstandenen Körpers (Pontocypris) oder in der Nähe des einen Endes (Süsswassercypriden) dem Centralfaden an. Der aus dem Nebenkern hervorgegangene Theil, den wir in toto als Schwanz “zu bezeichnen hätten, gliedert sich in einen breiteren und in einen schmäleren Theil, die wir als Kopf und Schwanz bezeich- neten. Da die Samenfäden im Hoden verschieden angeordnet sind, da weiter die complicirten Apparate der Ausführungswege eine gleiche Anordnung aller Samenfäden fordern, so muss eine Umkehrung eines Theils der Samenfäden erfolgen. Bei Pontocypris wird diese theilweise Umkehrung in der Weise bewirkt, dass nur diejenigen Samenfäden, welche mit dem Schwanzende vorausgehen, in einen Blind- schlauch eintreten, den sie natürlich mit dem Kopfende voran wieder verlassen. Bei den Süsswassercypriden treten alle Samenfäden in den Blindschlauch ein, alle werden dort umgekehrt, die partielle Umkeh- rung wird hier bewirkt in einer birnförmigen Erweiterung des Vas deferens, welche zwischen Hoden und Blindschlauch liest. Zustandekommen der Spiraldrehung. Der Samenfaden besteht aus dem Centralfaden und drei neben einander liegenden, in ganzer Länge mit einander verbundenen Bän- dern, von welchen letzteren das mittlere contractil ist. Eine Con- traction dieses Bandes bewirkt die spirale Drehung, wobei der Cen- tralfaden als Leitstange dient, welche ein schneckenförmiges Aufrollen verhindert, während die seitlichen Spiralbänder durch unsymmetrische Anheftung und ungleiche Beschaffenheit für eine Verschiedenheit der seitlichen Widerstände sorgen. Die Hülle wird bei einigen Arten (Pontocypris, Candona) vom Samenfaden selbst abgeschieden, während bei anderen Arten (Cypris, Notodromas) die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass die Hülle von den Wandungen des Vas deferens abgeschieden wird, die Sperma- tozoen von aussen umhüllt. Die Spermatogenese der Ostracoden. 123 Bedeutung der Hülle. In einem Falle wenigstens können wir mit Sicherheit nachweisen, dass sich die Hülle contrahirt, und zwar sehr stark (Pontocypris) ; eine geringere Contraction findet sich wahrscheinlich auch bei den Süsswassercypriden, und es dürfte die Bewegung der Samenfäden auf eine Spannung oder Zwangslage zurückzuführen sein, in der sie sich in Folge der Contraction der Hülle befanden. Die Spannung, resp. die Bewegungen, welche der Samenfaden in Folge der Spannung ausübt, dient vielleicht als Beförderungsmittel beim Verlassen des Receptaculum seminis. Zoolog. Jahrb. III. Abth. f. Morph, 48 724 Dr. G. W. MÜLLER, Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren sind mit dem Prisma gezeichnet, und zwar mit fol- genden Systemen: Serserr I, IL IV, V, VII; ist die Zeichnung nach- träglich verkleinert, so ist das durch einen beigesetzten Bruch angezeigt. Abkürzungen. B Birnförmige Erweiterung. M r Mutterzellen in Rückbil- Bs Blindschlauch. dung. c B Contractiles Band. N Nebenkern. Cf Centralfaden. S Samenfaden. e Z einwandernde Zelle. Sb Spiralband. Kl Keimlager. T Hoden. K Kern: T,, T, erster, zweiter Hoden, von M Mutterzelle. oben gezählt. M,, M, etc. Mutterzellen erster, Vd Vas deferens. zweiter Ordnung. Tafel XXXII. Fig. 1—3. Pontocypris sp. Fig. 1. Hoden (IV, Osmiumsäure). Fig. 2. Keimlager und Anfang der Hodenschläuche (kochendes Wasser, VL, 3). Fig. 2a. Einwandernde Zellen (heisses Sublimat, VII). Fig. 3. Hodenschlauch nach vollzogener erster Theilung der Mutter- zellen (V). Fig. 4 Pontocypris, andere Species, Schale mit dem stark verlängerten Hoden (Sublimat, IT. Fig. 5—7. Cypris dispar. Fig. 5. Vereinigungsstelle der Hodenschläuche (Pikrinsalpetersäure, IV). Fig. 6. Schale mit dem Hoden und dem Anfangstheil des Vas deferens. Die Pfeile sollen die Art und Weise characterisiren, wie die Sper- Die Spermatogenese der Ostracoden. 725 matozoen wandern, und zwar bedeutet das dicke Ende den Kopf, das dünne Ende den Schwanz (Pikrinsalpetersäure, I). . 7. Ende eines Hodenschlauchs (Pikrinsalpetersäure, IV). . 8, 9. Cypris compressa (Aether). .8. Stück des Keimlagers mit zwei anhaftenden Hodenschläuchen (V, 3). . 9. Zwei Hodenschläuche (V, 2). . 10, 11. Cypris dispar. . 10. Birnförmige Erweiterung des Vas deferens (Pikrinsalpeter- säure, IV, 2). . 11a, b, ce. Einwandernde Mutterzellen (Aether, VIT). a Anfangstheil, b Mitte, ce Endtheil des Hodenschlauchs. . 11d. Junge Mutterzellen aus dem Endtheil des Hodenschlauchs (Aether, VIT. . 12. Notodromas monacha, einwandernde Zellen (Aether, VII). Tafel XXXII. . 13—34. Pontocypris sp., 13—23 VII, 13—17 heisse concentrirte Sublimatlösung, 18 Osmiumsäure, 19, 20 heisses Sublimat, 21—23 Osmiumsäure, 24 V, heisses Sublimat, 25—27 VI. . 25. Kopfende von 24 stärker vergrössert. . 26. Kopfende eines Samenfadens von 0,16 mm Länge. Osmium- säure. . 27. Dasselbe von einem fast ausgewachsenen Samenfaden von 0,57 mm Länge. . 28. Samenfaden reif zum Verlassen der Hoden (heisses Wasser, IV). 28a, b. Anfang und Ende des umhüllten Theiles VII. g. 29—34. Der umhüllte Theil von Samenfäden aus dem Vas de- ferens, nach frischen Präparaten. 29, 30 V; 31 VII 4; 32 VI. 33 gefärbt mit Hämatoxylin, V. . 34. Samenfaden reif zum Entleeren. a Kopf, b Schwanz mit Hülle. . 35. Cypris dispar, Mutterzelle, der Theilung nah. Alk. absol., Van . 36. Cypris compressa, ebenso. VII. Aether. . 37. Candona, junge Spermazelle. VII 4. Aether. . 38—49. Cypris dispar, Aether. 38—43 VII 4, 44—49 VIL. 38—42 die ganze Spermazelle, 43—46, 48 das Kopfende; 47 Stück aus der Mitte mit anhaftenden Protoplasmatropfen. . 49. Samenfaden, reif zur Entleerung, Kopfende mit Kern. 48 * g. 50. Stück an der Grenze von Kopf und Schwanz von einem un- Dr. G. W. MÜLLER, Die Spermatogenese der Ostracoden. 50-59. Candona. gedrehten Samenfaden. VII 4, frisches Präparat. . 51. Contractiles Band. VII, frisches Präparat. g. 52. Schwanzende mit Gentianaviol. gefärbt. VII 4. ig. 53. Stück des Samenfadens mit noch nicht vollendeter Drehung. VII. . 54. Achsengebilde von der Grenze von Kopf und Schwanz. Ma- cerationspräparat, Gentianaviolett. VII. . 55. Stück aus dem Kopf eines Samenfadens. VII. . 56. Grenze von Kopf und Schwanz. VII. . 57. Stück aus dem Kopf eines umhüllten Samenfadens. VII. . 58. Abgeworfene Hülle VII. . 59. Samenfaden, zum Theil aus der Hülle geschlüpft. g. 60—63. Notodromas monacha, frische Präparate VII. ig. 60. Samenfaden mit noch nicht vollendeter Torsion. . 61. Samenfaden vor beginnender Bildung der Hülle. . 62. Umhüllter Samenfaden. . 63. Abgeworfene Hülle. Morphological Studies. Nr. 3. The Nature of the Teeth of the Marsipobranch Fishes !). By J. Beard, Ph. D., B. Sc. Zoologist to the Scottish Fishery Board, University of Edinburgh. (Aus dem Anatomischen Institut zu Freiburg i./Br.). With Plates XXXIV—XXXV. Introduction. Wherever one turns for information as to the nature of the teeth of the Marsipobranch fishes the only answer met with is that they possess horny teeth. And, as the morphologist attaches no particu- lar importance to the possession of horny teeth, — for horn is a structure which can be developed in very various situations on the body surface, — one finds that no one has thought it worth while to investigate the Marsipobranch teeth more closely. WIEDERSHEIM, in the last edition of his „Lehrbuch“ — a book which represents the latest phases in our knowledge of Vertebrate anatomy — writes on p. 485: „Ich werde ganz, absehen von den Hornzähnen, beziehungsweise Hornscheiden, wie wir sie schon anlässlich der Betrachtung des Kopfskeletes bei Cyclostomen, Amphi- bien, Schildkröten, Vögeln und Schnabelthieren kennen gelernt haben. Alle diese Bildungen sind — darauf weisen jene Fälle hin, wo sich, 1) Being a small appendix to Prof. Huxrey’s memoir „On the na- ture of the craniofacial apparatus of the Marsipobranch Fishes“. 728 Dr. J. BEARD, wie wir dies bei Trionyx gesehen haben, in embryonaler Zeit noch echte Zähne anlegen — im Sinne einer regressiven Metamor- phose aufzufassen.“ For all the groups WIEDERSHEIM mentions, except one, most zoologists would find little diffieulty in accepting this dictum. But the true gnathostomatous nature of the Marsipobranchs has been dis- puted by men of such high scientific rank as Profs. BALFOUR, HAECKEL and GEGENBAUR; and the horny teeth are regarded by them as for- mations with no relationships to true teeth. The facts to be here re- corded modify their conclusions, and lend support to the views so long upheld by Profs. Domrn and HuxLEY (4, p. 34). At about the time I discovered the true teeth of Myxine, PouL- TON (17) had found teeth in young Ornithorhynchus. It is known that the horny teeth of Amphibian larvae are secondary developments. Acipenser possesses teeth in the larval stages (13). The whalebone whales also are furnished with teeth in the foetal condition, and the earliest birds are also known to have had teeth. So now one may confidently assume that teeth are characteristic of all Vertebrates above the Marsipobranchs. Nor need the assertion stop here, but must be made to include the Myxinoids, and most prob- ably the more degenerated Petromyzontidae. Historical. This section need not detain us long, for very little is known about the teeth of the group. To go no further back than J. MÜLLER (15, p. 84); in his beautiful researches one finds the statement that the teeth of the Cyclosto- mata are horny, and beyond this only the topography of the teeth in the mouth is mentioned. F. E. Scaurze (18, p. 310, Tf. 17, Fig. 10) examined the teeth of Petromyzon fluviatilis, and described correctly the simple horny plates, showing that they rest on a slight dermal papilla, and fit into special epidermal depressions at the base of the papilla. LANGERHANS (14, p. 39) in a very valuable paper on the ana- tomy of the freshwater Petromyzon could naturally only confirm SCHULZE’S results regarding the teeth. C. S. Tomes (21, p. 153) speaks of the horny teeth of the Cy- clostomata, and points out how entirely different they are to the teeth of the rest of the Vertebrata. - Morphological Studies. 729 And finally Prof. W. K. PARKER (16, p. 398) in his beautiful mono- graph on the skull of the Marsipobranch fishes mentions very briefly the bright yellow horny teeth of the Myxinoids. So far as the Myxinoids are concerned, as will be seen in the sequel, the negative results of all observers regarding the presence of true teeth have arisen solely because no one has made microscopial sec- tions of them. It is no easy matter to make decent sections through the head of Myxine, and to obtain sections of Bdellostoma teeth one must employ special methods, for the horn of those teeth will turn the edge of any razor in existence. The horny teeth of Petromyzon planeri. The teeth of this species are the simplest, and as F. E. SCHULZE (18, p. 310) shewed they consist of simple horny plates resting on a slight dermal papilla, and arising from a special groove at the base of the papilla. I have figured such a tooth in longitudinal section in fig. 11. The figure shews that the groove in which the tooth rests is a horn-produeing organ (hg). In some of the teeth (and this is represented in the particular figure), one sees traces of a second horny plate below the first in the deeper layers of the epidermis. This second plate appears to be a reserve tooth. The only other point to be noticed is that the teeth of P. planeri are very small. At no time in the life-history of Petromyzon planeri are real teeth developed. I have studied their earliest development during the metamorphosis or shortly after, and shall for the sake of com- parison with the Myxinoids first describe it after I have given the ac- count of their teeth. The horny teeth of Petromyzon marinus. We have seen above that a reserve tooth may be sometimes formed beneath the functional tooth of Petromyzon planeri: the pres- ence of such reserve teeth becomes the rule in the marine form. In- deed, one may almost describe the teeth of the latter as compound. Each and every tooth of this form is made up of three horny cones, one above the other like a nest of Chinese bones. This arrangement is figured in diagrammatic section in fig. 12. Prof. Howes tells me he has known of this peculiarity of the teeth of Petromyzon marinus for some time. The marine Petromyzon 730 Dr. J. BEARD, is a large animal, and its tecth are also of fair size. Probably they are rapidly used up, and hence must be re-formed so rapidly that one always finds three cones to each cusp. There are no points of much morphological interest in the teeth of P. marinus, and except that the biting surface is horn, they possess no points in common with the true teeth of Myxine and Bdellostoma. The teeth of the Myxinoids. The differences obtaining between the teeth of Myxine and those of Bdellostoma are so slight, that there would be no particular ad- vantage in giving full and separate descriptions of each. The most striking difference is the much greater size of those of Bdellostoma ; the latter are also better developed histologically. While the median tooth of Bdellostoma has a length of from five to six millimetres, that of Myxine only measures one or two millimetre. The same pro- portion also holds for the lingual teeth of the two genera. The arrangement of the teeth in the mouth has been de- scribed by JOHANNES MÜLLER (15, pp. 78, 79, more fully p. 120). It need hardly be remarked that his account is perfectly correct. In both forms there is a large median tooth on the gum, not very far within the oral cavity, and there are two rows of teeth on the tongue, the lingual teeth. In Myzine there are eight teeth in the first lingual row, and eight or nine in the second. Bdellostoma has more: either eleven (B. hexatrema), or twelve (B. heterotrema) ') (15, p. 79). This shows that the forms with the most gill clefts have also most teeth, and, a priori, points out that we have a gradual de- generation in the teeth from B. heterotrema to the Petromyzon- tidae. It will be worth while to quote in full what JOHANNES MÜLLER has to say about the teeth, more especially as his account is the fullest we possess: and, so far as it goes, it is exceedingly good. He devotes an entire ,,Capitel“ to these structures and writes as follows (15, p. 120). „Die Zähne der Bdellostomen und Myxinen gleichen im Allge- meinen denen der Petromyzen, sie sind hornartig, hohl, nur sind sie 1) According to Dr. Günrner there is but one species of Bdello- stoma. The species distinguished by MÜLLER are merely varieties, Morphological Studies. 731 viel härter und spitziger. Der schalige Zahn sitzt auf seiner Matrix auf. Bei Bdellostoma und Myxine sind die Zähne von gleicher Bil- dung. Unter dem vorderen Ende der Gaumenleisten liegt ein einfacher nach hinten gekrümmter Zahn (Taf. Ic, Taf. III, Fig. 6), nicht auf dem Knochen selbst, sondern auf einer halbweichen Matrix befestigt. Man unterscheidet an dem Zahne die hohle, wulstartige, breitere Basis und den conischen, nach hinten gekrümmten, ebenfalls hohlen Haken. Die breitere Basis ist von dem Conus des Zahnes abgesetzt. Die Matrix ist ein linsenförmiger, oben nämlich und unten erhabener, ziem- lich weicher Körper, auf der Mitte ihrer unteren Fläche erhebt sich der weiche Kern des Zahns, der Form des letzteren analog, nur weniger spitz. Die Matrix des Gaumenzahns liegt unter der vorderen Commissur der Gaumenleisten auf einer festen fibrösen Platte ange- wachsen. Diese Platte ist durch feste fibröse Haut vorn und hinten befestigt: vorn an das hintere Ende des Schnauzenknochens, hinten durch eine fibröse Haut, die zu der Commissur der Gaumenleisten in die Höhe geht (Taf. IV, Fig. 11). Der Rand der Matrix verbindet sich mit der fibrösen Platte zu einem Saum, der mehr der fibrösen Platte angehört und sich um die Basis des Zahns als Zahnfleisch dicht anlegt, und fast eine Scheide um die Basis des Zahns bildet, Diese Scheide ist von der Schleimhaut des Mundes überzogen. Die übrigen Zähne am unteren Theil der Mundhöhle sind Zungen- zähne, und zusammengesetzt wie die Zungenzähne der Petromyzen, nur viel spitziger und härter, übrigens in der allgemeinen Anordnung mit diesen übereinstimmend. Sie bilden auf den Zungenplatten zwei hinter einander liegende, in der Mittellinie des Mundes unterbrochene Zahnreihen oder Reihen von Spitzen. Denn eigentlich liegen auf jeder Seite der Zunge zwei Zähne hinter einander, die kammförmig noch in eine Reihe von Spitzen auslaufen, während die Basen der Spitzen verbunden sind. Bei Myxine waren auf jeder Seite in der ersten Reihe 8 Spitzen, in der zweiten 8—9. Die mittleren Zahnspitzen einer seitlichen Reihe sind die grössten, die innersten, welche an die untere Mittellinie des Mundes grenzen, sind kaum kleiner. Nach aussen nehmen die Zahnspitzen zuletzt wirklich ab: die äussersten sind sehr klein. Bei Bdellostoma verhält es sich ebenso; nur die Zahl der Zahnspitzen ist verschieden etc.“ The figures of the arrangement of the teeth given by MÜLLER and Prof. W. K. PARKER (16) are very good and perfectly correct. Both these observers only describe the teeth as horny, but J. MÜLLER, who appears to have examined them very closely, did not overlook 132 Dr. J. BEARD, the true odontoblast pulp, though he did not recognise its nature. The true pulp is, however, not so soft as appears from his description. I have found it — especially in Bdellostoma — very hard indeed. I will now describe the appearances presented by a vertical section of the median tooth of Bdellostoma, and then compare it briefly with the lingual teeth of the same animal, and afterwards with all the teeth of Myxine. Such a section is partially figured in fig. 1, and in fig. 7. I have given a semi-diagrammatic representation of the whole tooth. Except in the diagrammatic arrangement of the pulp elements it is fairly true to nature. Such a section is not to be made by means of a razor; for it is impossible to soften the horn, and when the whole tooth is embedded in paraffın it is as hard as a stone. Method. I have embedded such whole teeth in paraffin, and afterwards, by means of a very strong knife a series of sections of about one millimetre in thickness were cut; only one or two of these are of use. Those which pass near the centre of the tooth are then fastened on a glass slide by means of canada balsam, and, after the latter is hardened (in the warm oven), the section is ground down in the manner practised by v. Kocx for corals. To save time and to obtain thinner sections with less trouble, one may file away a portion of the thick section with a fine file before grinding it. Bdellostoma. The tooth of Bdellostoma is roughly divisible into three portions. Outside of all is a cap of horn (fig. 7 hg), beneath this a strati- fied epithelium (fig. 7 se) is met with, and finally more internal- ly is situated the odontoblast pulp (figs. 1 and 7 oc). In Bdello- stoma the outer horny layer is very thick and strong, and of a bright yellow colour (fig. 1 h). Its diameter is about 0,275 milli- metre and its length about 4 millimetres. It has the form of a cone over the pulp of the tooth, and is fitted into an epidermal or horn groove (hg) at its base. It increases in length from the cells of the horn groove becoming converted into horn, and in thickness from the cells of the stratified epithelium. We may now pass to the description of the odontoblast pulp, because certain other structures lying outside it are more easily de- scribed after it. The odontoblast pulp is a hard, conical, massive, cellular structure, which is very broad at its base (figs. 1 and 7 oc) and Morphological Studies. 135 tapers off rapidly towards its apex (fig. 1 oc). Below it is partially hollowed out, forming a pulp cavity (fig. 7 pc) filled with blood vessels, connective tissue, and (probably) nerves. This odontoblast cone is very hard and obviously calcified. After lying in picrocarmine for weeks it is still unmacerated. In section it is seen to be made up of several rows of cellular elements which radiate from the centre towards the circumference of the tooth and slope away from above downwards. These elements (fig. 4) are calcified odontoblasts. Each of them has a large somewhat rounded nucleus, and the cells have a polygonal tapering form. They are on the average about 0,1 millimetre in length. These cells are very markedly longitudinally striated (fig. 24). The striae are somewhat wavy, and appear to be the optical expres- sion of structures corresponding to the dentinal tubules of ordinary teeth. If Prof. WALDEYER’S view!) of the mode of formation of the dentine by the conversion of odontoblast substance into the former structure be correct, then the correspondence would be exact, and as these odontoblasts in the Myxinoid tooth are most certainly partially calcified cells, the appearances they present go a long way towards confirming his view. The pulp does not consist of a single row, but of many rows of such odontoblasts. This is represented in figs. 1 and 5 and semi- diagrammatically in fig. 7. The apex of the odontoblast cone in Bdellostoma is occupied by a small bright structureless cap of something which I take to be enamel (e). It has a maximum diameter of 0,075 millimetre and presents more the appearance of enamel than of anything else. In my preliminary note on these teeth I was very much in doubt whether this cap could be called dentine or enamel. My doubts were removed after meeting with WALDEYER’s opinion of the dentine de- ‘velopment of ordinary teeth as mentioned above. Further, the enamel nature of this cap is rendered acceptable to general belief, when I add that, since that time, I have been fortunate enough to discover an epi- thelium corresponding to the so called enamel-organ. I shall here call this structure an enamel organ or enamel epithelium in a strict morphological sense, since it is an epithe- 1) See Srricker’s Handbook of Histology. English Edition. Vol. I, p. 489. 734 Dr. J. BEARD, lium which rests upon the enamel. And in order to create no con- fusion by the introduction of a new term, I may describe it under the old name without prejudice as to its taking part in the enamel for- mation or not. The arrangement of the epithelium under the horn including the enamel epithelium, is somewhat complicated. It will be best understood by first examining fig. 2, which is a diagramm showing the sole way in which the Myxinoid tooth differs in its mode of develop- ment (as deduced from the adult conditions) from the tooth of any ordinary Vertebrate. To illustrate this I have taken the diagram of a developing tooth as given by WIEDERSHEIM (24, p. 484, fig. 367), and from it I have constructed the diagram (fig. 2) for comparison. It is important to notice at once that the horn is formed from the epidermis just outside the involution which gives rise to the enamel epithelium. Here a horn-groove is formed at hg, and within the area thus circumscribed the epidermis is doubly folded-in over the developing tooth, — over the odontoblast papilla. The odontoblast papilla — and it is the same in the developing tooth of any Verte- brate, — is thus surrounded by two layers of epiblast: next it, and resting on it, is the enamel epithelium; outside this is a second layer of epithelium (oe) which is usually named the external epithelium of the enamel organ: I shall here simply call it the outer epithelium. So far, in speaking of these two layers of epithelium, I have been describing such appearances in the developing tooth of Myaine or Bdellostoma as one can deduce from the anatomical facts to be de- scribed. As no one has yet been fortunate enough to obtain an embryo of either of these fishes, it is, of course, not likely that the development of the teeth could be described from actual preparations. But we do not know at what stage of their life-history the teeth are developed in the Myxinoids, and it may just happen that those stages in which the teeth are first developed are obtainable. As yet I have not had very young Myxine at my disposal. The semi-diagrammatic fig. 7 shows the actual state of these two layers of epithelium (de and oe) in my specimen‘), which was probably a fairly young individual. On comparing the figure with the diagram just described, it is easy to recognise the two layers of the epidermis, which were originally involuted over the papilla. Owing to the growth of the tooth the enamel 1) As a matter of fact the enamel epithelium was continued further into the pulp cavity than represented in the figure. Morphological Studies. 735 epithelium is no longer complete, but is ruptured at its apex, and only extends partly along the odontoblast cone. This enamel epithelium in Bdellostoma has all the charac- teristics usually ascribed to such an epithelium. Fig. 6 and 8 (ee) are intended to illustrate these peculiarities. The figures are taken from near the apex of the enamel epithelium in a tooth like that figured in fig. 7. Fig. 6 is a drawing of a portion of this epithelium under high magnification. It shows a high columnar epithelium (e e) resting on the odon- toblast cone (oc). The cells form that beautiful pallisade epithelium so characteristic of the so called enamel organ. Any one acquainted with the appearance of that epithelium in the developing tooth of a shark or lizard will find no difficulty in admitting the resemblance. The bases of the cells rest on the odontoblast cone, and it is worthy of notice that a few small cells lie at the basis of the enamel epithelium (fig. 6 sc). Each cell is longitudinally striated. It is long and narrow, about 0,02 millimetre in height, and the nucleus lies not far from the outer end. This enamel epithelium extends down along the cone to the borders of the pulp cavity, nay, it even seems to be continued for some distance up the pulp cavity, but closely embracing the odonto- blast cone. Ultimately, however, it is reflected from the tooth, and passes over into the outer epithelium. In the other direction, that is, towards the apex of the tooth, it slopes off gradually, and almost flattens out on the cone (fig. 7). It ends somewhat suddenly about half-way along the cone. The outer epithelium (oe) which begins at the inner side of the horn groove, and passes downwards along the cone to the border of the pulp cavity, ends in the enamel epithelium as described above. It has the characters of the deeper layer of the ordinary epi- dermis, and, like the latter, gives rise to a stratified epithelium (se) which grows up between the odontoblast cone and the horny cap, and probably helps to thicken the latter, at least in young ani- mals. It appears to me that a portion of this stratified epithelium also arises from the enamel epithelium (fig. 8). At least so I explain the split in fig. 8 in the middle of the stratified epithelium. 736 Dr. J. BEARD, Probably in more mature animals both outer- and enamel epithelia disappear. — Evidently such is the case in Myxine. As we have seen, except for the presence of a very small cap of enamel at its apex, the tooth is destitute of enamel, and although figs. 1 and 7 were taken from a fully developed and powerful median tooth, there is no trace of enamel in the region of the tooth on which the enamel epithelium rests. Whatever may be the case in the teeth of other animals, the evidence does not go to show that in the Myxinoid tooth the enamel epithe- lium forms the enamel. — On the contrary, everything appears to point to its having other functions. Finally, I ought to point out the curious pyramidal arrangement of the cells of the stratified epithelium above the enamel-cap (fig. 7). In my preliminary paper I stated that these teeth present nothing aequivalent to the so called enamel organ of other teeth. The dis- covery was only made after a great many sections of Bdellostoma teeth had been prepared, and then I was only able to find it in one tooth near the close of the research. Afterwards I got portions of it in several. Although I have made a great many teeth sections from several individual Myxine (such sections are easily prepared from the animal), I have not found this enamel organ in any tooth. One Myxine was obviously a young individual, but its teeth presented no enamel epi- thelium. Probably it disappears sooner or later; its position with refer- ence to the odontoblast cone cannot be a very favourable one for nutritive purposes. The teeth of Myxine. As the teeth of Myxine possess nearly the same characters as those of Bdellostoma they need not detain us long. I have figured a longitudinal section of a Myxine tooth under low magnification in fig. 11, and a small portion of the apex of the odontoblast cone under high magnification in fig. 4. The arrangement of the teeth was given in the extract from Jo- HANNES MÜLLER, and it must be remembered that the members of each row of lingual teeth are united together by their horny cones, like those of Bdellostoma ; thus forming compound horny teeth with true odontoblast pulps underneath them. | Morphological Studies. 137 The teeth of Myxine are very much smaller and weaker than those of Bdellostoma. They are not so richly calcified, and the horn is not so hard, and with a little care one can cut longitudinal sections of the whole head with the teeth in situ. As before stated, they have a length of about one millimetre. The horny cone of each tooth has the same appearance and characteristics, and arises in the same manner as that of Bdellostoma (fig. 13 hg). Underneath it (fig. 13 se) a stratified epithelium is met with as in the latter form; following it comes a true cellular odontoblast pulp (fig. 13 oc). The cell elements are like those of Bdellostoma. The enamel epithelium could not be found in any of the numer- ous preparations, though many of the sections were by no means bad. At the apex of the odontoblast cone a very small enamel cap can, on careful search, be sometimes detected (figs. 5 and 13c). It is much smaller than that of Bdellostoma, and appears to be ofter absent. Its diameter is about !/,,, of a millimetre, whereas that of Bdellostoma is nearly ten times as thick. The development of the horny teeth of Petromyzon planeri. After this work was already written !) in the form in which it now appears (with the exception of this section), my friend, Prof. Howes, drew my attention to a paper by Dr. W. B. Scorr (19) which treats of the development of teeth in the Lamprey. Scort’s re- searches only appeared in a rather inaccessible Journal (Science), and have received no mention in either of the chief „Jahresberichte“ for 1883. Fortunately for my work Prof. WIEDERSHEIM was able to place at my disposal a number of newly metamorphosed Petromyzon which had been caught on Oct. 31* 1888?) in the neighbourhood of Kirn- halde in the Schwarzwald. I will at once state what I was able to find in those specimens, and then compare my results with those of ScoTT. 1) April 1888. 2) I mention the exact date as such matters are often of extreme importance with reference to questions of the life-history of the ani- mal, 133 : Dr. J. BEARD, Most of the individuals were already too old, and the teeth were so far advanced that a reserve tooth was being formed be- hind and within the first tooth One or two however showed the very earliest stages in the tooth formation. In passing, I may remark that in even the oldest Ammocoetes no trace of tooth development could be detected. The teeth are among the latest developments in the metamorphosing Petromyzon. Their development takes place in individuals which have appar- ently acquired all the Petromyzontoid characters, and the mouth has lost its Ammocoetoid horse-shoe shaped character and become oval. Transverse sections shew best the evolution of the teeth. In fig. 5 the appearance presented in such a section is depicted, a smaller portion of one such section is figured in fig. 9. In the first place, it must be noticed that the mouth is lined by a thick strati- fied epithelium (se). Lying in the deeper layers of this epithelium, that is, forming its basis, one notices a somewhat symmetrical row of what at first sight look like true tooth sacs. In fact, these sacs would be in all respects comparable to those of ordinary developing teeth but for one fact. Though they possess a dental papilla (dp) they have no odontoblasts. Even in younger stages before traces of horn are present no odontoblasts are developed. The papilla is mesoblastic (of reticulate connective tissue) and upon it there rests an „enamel epithelium‘, which passes over, as in other cases, into what I have termed the outer epithelium. The curious circumstance is that from the start the enamel epithelium and the circular horn groove into which it passes externally produce horn (h), and, beyond the imitation of a true tooth sac in which, if ever present, the odontoblasts never become functionally active, there is no trace of true tooth structure ever produced in Petromyzon planeri. The first horny tooth formed is a very thin one, and even before that has cut its way through the overlying stratified epithelium, a reserve tooth is in course of formation. Not all the teeth in the mouth of the fresh-water form are de- veloped in this way. It is only in the case of a certain number of teeth near the anterior margin of the mouth in which these dental sacs are developed. The teeth more inwardly situated are formed simply in the basal layers of the stratified epithelium; without the intervention of a tooth sac. There are two ways in which this mo- dification might be explained. Morphological Studies. 739 It might be supposed that the time at which they possessed true tooth structure, i. e. that of the Myxinoid tooth, was so remote that they had lost all trace of the mode of development of true teeth. Or, again, we might consider these posterior teeth as secondary develop- ments which never possessed the structure of Myxinoid teeth. The latter explanation appears to be the true one. If the horny teeth of Petromyzon stood alone without the My- xinoid teeth, which explain their development and morphology, we could hardly assume that the Petromyzontidae ever had true teeth. The formation of these tooth sacs would be a very curious cir- cumstance, and might make us cautious as to the morphology of the Petromyzontoid teeth, but we should hardly be justified in assuming the former existence of true dental structures in the group. The comparison of Myxinoid and Petromyzontoid teeth. The Myxinoid teeth bridge over the gulf between horny teeth and true teeth, for they shew us the way in which starting from true dental structures we may end in having only horny teeth. And not only is this true for the Marsipobranchs, it also holds for all other cases of horny teeth. We see also the course along which the teeth of some other Vertebrates: birds, reptiles and Mono- tremes, have passed, in order to finally degenerate to purely horny structures. In this sense horny teeth are substitution products of true teeth. Nor is this all. I take it that the horny jaws of Chelonians and birds were at one time substitutions of teeth. — The fusion of the lingual teeth of the Myxinoids shews .clearly how from separate horny teeth there may ultimately be a compound horny plate form- ed. It requires but the fusion of a number of such horny teeth in the lower, and again in the upper jaw, to produce a biting apparatus identical with that of a Chelonian. The horny carapace etc. of a Chelonian is a structure which is endeavouring to strengthen and finally perhaps supplant and substi- tute a series of dermal bones, and thus ultimately it too is a substi- tution product of tooth scales. But here I am anticipating. In the same way as the horny teeth of Petromyzon are the degenerate remains of true teeth, the scales of reptiles may fairly be considered as sub- stitutions of the skin-scales of fishes. LEypr@ !) has shown that the 1) In Scincus and Cyclodus among Lizards „the dermis beneath Zoolog. Jahrb. III. Abth. f. Morph. 49 740 Dr. J. BEARD, scales of Anguis possess a bony basis. And thus here again it is not difficult to see that it is the so called enamel organ, which has become the horn-producing organ. But need we stop here? Hairs and feathers are ultimately related to horny scales, and the formation of a hair sac has analogies at least to the formation of a horny tooth sac in Petro- myzon. And so, once more, one may venture the hypothesis that hairs and feathers are substitutions of the scales of fishes. Not direct substitutions, as the teeth of Petromyzon are, but indirectly derived from them through stages, some of which still exist in the horny scales of Reptiles, but others of which are perhaps unknown. Returning to Petromyzon, there seems to be now no doubt that the horny teeth are degenerate products of teeth exactly like those of the Myxinoids, and it is very significant to notice that it is just that epithelium, usually believed to be the enamel-forming organ in true teeth, which is concerned here in the formation of horn. Thirty five years ago Prof. HuxLey (12) tried to establish the view that the whole tooth is an enderonic formation and that no part of it owes its origin to the enamel epithelium. The discoveries here recorded tend to support his view. Without entering into a discussion of the literature of tooth development, one or two objections to the current view may be here urged. Firstly, as others have noticed, the enamel in nearly all cases only arises under a very small portion of the enamel epithelium. In other words, by far the greater portion of the enamel epithelium is certainly not concerned in enamel formation. Then again the disappearance of the enamel epithelium on the enamel formation can be explained in other ways, i. e. increase of pressure and absence of nutrition. Lastly, the fact observed by SPEER (20) viz that certain particles in the enamel epithelium reduce osmic acid in the same way as does enamel, need not be evidence of the enamel-forming function of that epithelium. They may have absorbed those particles (assuming them to be enamel), for purposes of nutrition. The position of the enamel the horny scales is ossified, and the body has a complete armor of bony scutes, corresponding in form with the scales“ (Huxzey 11, p. 186). It is hardly necessary to consider here all those cases of recent or fossil reptiles in which the body is furnished with bony scutes, but the opinion may be expressed that the possession of bony scutes in all these cases is a more primitive condition than that in which horny scales alone are present. Morphological Studies. 741 epithelium on the apex of the odontoblast papilla cannot be a very favourable one for its nutrition. If it is to be sustained, it must obtain nourishment from within, and whence if not from the deve- loping enamel ? Further, I may mention that I possess preparations of the deve- loping teeth of Petromyzon (stained with osmic acid) in which several layers of the stratified epithelium above the papilla and many cells of the epidermal part of the papilla itself contain numerous blackened particles. I do not know what the real nature of these particles is in either SPEE’S case or my own, but it is a little hazardous to pronounce them straight away to be half-elaborated enamel. Sper says they are not of a fatty nature, but may they not be none the less products of cell degeneration ? Returning now to Scorr’s work. The earliest stage he describes and figures is one in which there is no longer any trace of a ,,tooth- sac“ such as I figure in figs. 3 and 9. In fact, the first tooth is just breaking through the stratified oral epithelium, and a reserve tooth is already in course of formation. His figure looks as though it were taken from one of the posterior teeth, which, as mentioned above, never present much resemblance to true tooth formations. As a preliminary to the tooth formation, the ,,epiblast which lines the cavity of the mouth becomes extremely thick“ (Scorr 19, p. 731). When he continues that ,,the essential parts of a tooth are here present“, it is impossible to agree with him. The most essential part of a developing tooth is absent, viz., the odontoblasts. His opinion that the enamel epithelium functions in Petromyzon as a sort of tooth gland, forming horn, harmonises with the views enunciated in this memoir, but Dr. Scorr hardly proved his thesis, for he never saw the true tooth-sac as figured in fig. 9, and had not the evidence for his conclusions which the comparison of the Myxi- noid tooth with the developing Petromyzontoid tooth has yielded us. Scorr concludes (19, p. 732) that his view of the peculiarities of dental development in Petromyzon „implies, of course, that this group of fishes was derived from ancestors possessed of teeth of the ordinary or Selachian type. Further, as it is now very generally ad- mitted that teeth are only modified placoid scales, it follows that the 49 * 142 Dr. J. BEARD, lampreys are descended, ultimately at least, from forms provided | with placoid scales“. And now Dr. Scorr finds it „necessary to qualify this opinion, he thinks that, such a conclusion, however, does not by any means commit us to the view that the Myxinoids are degenerate descendents of some Gnathostomatous group, as this is no more implied in the possession of ordinary calcareous teeth than in the presence of the horny teeth, which the group has long been known to possess‘. This argument, which has been made to me by others, is ih simple words, that true teeth do not postulate the existence, now or in the past, of true jaws. The argument is only used for the Marsipo- branchii, in which the morphology of head is and has been difficult to solve. If the structures found in the head of a Myxinoid cannot be homologised with structures in the head region of an ordinary Vertebrate or Vertebrates then the argument may be worth some- thing. But, considering the comparisons and discoveries in the morpho- logy and development of the Marsipobranchs which have been made by J. MüLLer, Huxtey, PARKER, DOHRN, AHLBORN and by Scorr himself it is not too much to say that the presence of true teeth in the Myxinoids does postulate the former existence of true jaws in the whole group. Comparison of results and general considerations. It is generally agreed that the more degenerate members of the group are the Petromyzontidae, and the degree of development of some of the various members of the class!) as deduced from other points in their anatomy would be P. fluviatilis or planeri, P. marinus, Mordacia mordax, Geotria®), Myxine glutinosa and Bdellostoma. The phylogenetic development is the reverse of this — that is, the Myxinoids, Myxine and Bdellostoma, are the most primi- tive forms, indeed the most primitive Vertebrates now existing. 1) A thorough comparative investigation of the anatomy of the whole group of the Marsipobranchs is one of the greatest desiderata of Vertebrate morphology. 2) Thanks to Dr. Güntner’s great kindness I was able to examine the teeth of Geotria. They are Petromyzontoid. Morphological Studies. 743 The order of degeneration, taking the most degenerate forms first, as above, is identical with that one can deduce from the teeth. For other reasons it is especially interesting and important that the Myxinoids should present more primitive conditions than the Petro- myzontidae. The identification of the oral hypophysis as the remains of the old Vertebrate mouth depends on that point, and it is hence very satisfactory to find there is evidence, stronger than any yet ad- duced, for the older and more primitive nature of the Myxinoids. It should not be forgotten that Profs. Huxiey (12, p. 428) and W. K. PARKER have already expressed themselves in this sense. What the relations of the group to other fishes are shall now be examined, and, as far as possible, the question be answered: — are the Marsipobranchii degenerate, or primitive fishes, or both? According to Prof. Harckren (9, p. 425) they „sind von den Fischen weiter entfernt als die Fische vom Menschen. Wir miissen sie daher als die letzten Ueberbleibsel einer sehr alten und sehr tief stehenden Wirbelthierklasse betrachten, welche noch lange nicht die Organisationshôühe eines wirklichen echten Fisches erreicht hatte‘. At the same time he regards the sucking mouth as a secondary ad- aptation, and in this respect he differs, as we shall see, from Prof. BALFOUR. GEGENBAUR (8, p. 409) speaks with much more caution about the position of the group, and maintains that „the Cyclostomata should be placed apart from the rest of the Craniota, for their whole organi- sation shows that they branched off very early from the Craniota“. WIEDERSHEIM (23, p. 126) also expresses himself with reserve on the matter, but is rather disposed to accept, at any rate partially, Huxzey’s comparison of the cranial skeleton of Petromyzon with the larval amphibian skull. He writes (p. 126): „Die isolirte Stellung der Cyclostomen macht es sehr schwierig, diese Fischgruppe in irgend welche genetische Be- ziehung zu anderen Wirbelthieren zu bringen, und alle darauf gerich- teten Speculationen müssen vor der Hand als sehr gewagt be- zeichnet werden. Gleichwohl will ich nicht unerwähnt lassen, dass sewisse Entwicklungsstadien der ungeschwänzten Batrachier auffallende Aehnlichkeit mit dem Schädel des Ammocoetes besitzen, so dass man vielleicht beide als aus einer gemeinsamen Stammform entsprungen betrachten darf (HUXLEY).“ Prof. HuxLey (12, p. 412 et seq.), like BALFOUR and DOoHRNnN, took up a much more decided position, and showed that in the skull 744 Dr. J. BEARD, of the Lamprey there were rudiments of a mandibular and hyoid apparatus, and he concluded (p. 427) that „the craniofacial apparatus of the Lamprey can be reduced to the same type as that of the higher Vertebrates, by means of the intermediate terms afforded by the tadpole’s skull‘, and he adds „there appears to me to be no suf- ficient foundation, in the present state of knowledge, for regarding the Marsipobranch skull as one which departs in any important respect from the general Vertebrate type“. And on p. 428: ,,that the parts of the face of the Lamprey present no structures, which are not to be found in one shape or another among the higher Vertebrates, appears to me to be clear.“ Donrx (4, p. 34 et seq.), as long ago as 1875, insisted and still continues to urge, that the Cyclostomata are degenerate offspring of true jaw-bearing fishes, and that the suctorial mouth is a secondary adaptation from a biting one. BALFOUR (1, vol. I, p. 68), while admitting the degeneration refuses to assent to DOHRN’S view that the Cyclostomata are descended from a relatively highly organised type of fish, and remarks: „It appears to me that they belong to a group of fishes in which a true skeleton of branchial bars had not become developed, the branchial skeleton they possess being simply an extra-branchial system: while | I see no reason to suppose that a true branchial skeleton has dis- appeared. If the primitive Cyclostomata had not true branchial bars, they could not have had jaws, because jaws are essentially developed from the mandibular branchial bar. These considerations, which are supported by numerous other features in their anatomy, such as the character of the axial skeleton, the straightness of the intestinal tube, the presence of a subintestinal vein &c., all tend to prove that these fishes are remnants of a primitive and prae-gnathostomatous group. The few surviving members of the group have probably owed their preservation to their parasitic or semi- parasitic habits, while the group as a whole probably disappeared on the appearence of gnatho- stomatous Vertebrate.“ And on p. 264 in a footnote: „I am acquainted with no evidence, embryological or otherwise, that they are degraded gnathostomatous forms &c.“ Summarising the reasons which led BALFour to reject the gna- thostomatous nature of the Marsipobranchs, they are 1) the sucking mouth, 2) the so-called extra-branchial skeleton, and 3) the absence of limbs. Morphological Studies. 745 These points stand now in a very different position to that in which they were when Bazrour died. In the fifth of his „Studien“ (5, p. 52 et seq.) Dourn has shewn that in Petromyzon each branchial bar arises as one piece and never, as in Selachians, becomes segmented into several pieces, and he concludes that the latter condition is secon- dary, and that there can be no doubt that the single bars of Petromyzon are homologous with the inner branchial skeleton of Selachians. With his demonstration of the true nature of the branchial skele- ton of Petromyzon, DoHrN has removed one of the main supports of BALFOUR’S conclusions, for BALFouR’s view of the nature of the bran- chial skeleton — orginally enunciated by RATHKE and supported by GEGENBAUR — was employed as an additional argument as to the character of the Cyclostome mouth. We can here leave the presence or absence of limbs out of question, remembering, none the less, that DoHrn has produced some evidence for their former existence in the Cyclostomata in the presence of the „Kuppel-Zellen“ of Ammocoetes (6, p. 405). After all the main point is the nature of the mouth. BALFOUR’S argument in this matter has been disposed of by Donrn, so far as the a priori question is involved, but of course the problem is not settled by that refutation. BALFOUR was of opinion that a sucking mouth was a very primi- tive character. To this view he inclined because a sucking mouth (more correctly a mouth with an intrinsic or extrinsic sucking appa- ratus) is to be found in Lepidosteus (larvae), Cyclostomata, and some larval Amphibians. On the other hand, Donen has pointed out that the sucking appa- ratus is derived from very different structures in the three cases, and has promised a special Study in which the suckers shall be investigated, and referred to their proper origin in the different cases. Now, it appears almost certain that the suckers of Lepidosteus | and the larval Amphibians are homologous structures, but derived from | the mucous sacs of very different segments. — The one of a segment |! or segments in front of the mouth, the other of a segment behind the |: mouth. I mean here mucous sacs homologous with the segmental | + sacs of Myxine. Eısıg, very rightly, sees in these latter structures very primitive structures, corresponding to the spinning glands of Annelids. He hints that he and DoHrn are of opinion that in other fishes the mucous ! organs are bound up with the lateral sense organs (7, p. 420). 746 Dr. J. BEARD, Nothing could have less of a glandular character than the mouth of a Cyclostome, and the mouth of Myxine is not a sucking mouth at all but a boring mouth !). Whether a sucking mouth be primitive or not — a question which there can be no hesitation in deciding in the negative — the mouth of the Marsipobranchs is evidently something quite different from the suckers of Lepidosteus &c. The discovery of true teeth in the Myxi- noid fishes places a very different complexion on the question of the nature of their mouth. Whether the teeth sit on mandibular or maxillary skeletal portions or not has nothing to do with the evidence they afford of the gnatho- stomatous characters of the Marsipobranchii. Their evidence throws light in three directions. In the first place, WıLLıamson (25) shewed long ago, and HERT- wi& (10) more recently confirmed and extended the discoveries, that the teeth of Vertebrata are derived from dermal scales, and hence the ancestors of the Marsipobranchii must have possessed scales in their skin. In the second place, unless we make a first and only exception to the rule, true teeth postulate the existence at one time or another of a true biting mouth, for originally a biting mouth is as necessary to true teeth as they were primitively to every Vertebrate biting mouth. Hence the ancestors of the Marsipobranchs must have pos- sessed biting jaws, and the sucking mouth is a secondary development, which is accompanied by a total or partial degeneration of the true teeth. This degeneration is complete in the Petromyzontidae, incom- plete in the Myxinoids. And lastly to reverse BaLrour’s argument and employ its con- verse against his views: if they had true teeth they must have had a true branchial skeleton, for true jaws are developed from a portion of the branchial skeleton. The discovery of true teeth in the group only confirms HuxLey’s view indirectly: by lending an a priori probability to the conclusion that some remains of the true jaws are also present. I need hardly remark that teeth occur on so many bones in the mouth of fishes, that the presence of a tooth or teeth on a particular oral cartilage in a Myxinoid does not of itself afford evidence of the homology of 1) In the lingual apparatus of the Myxinoids Nature has tried to make a weapon analogous to the radula of a Mollusc. Morphological Studies. 747 that particular structure to some other structure in the mouth of an ordinary fish. Position of the Marsipobranchii. The question of the position of this group with regard to other fishes is one which is not easy to settle definitely. Doubtless the embryology of the Myxinoids would throw a good deal of light upon the matter; for, while they are in some particulars more degenerate than the Petromyzontidae, I think one must support HuxLEY as against Dorn in his conclusion that the former group are on the whole the more primitive. The organs, which in the Myxinoids are more degenerate than in the Petromyzontidae, are the eyes and the branchial apparatus. It is, of course, easy to understand why the eyes have degenerated: a life passed within other fishes, and the development of powerful muscles in the region of the visual organs must exercise a degenerating influence in these sense organs. I may remind the reader that WIEDERSHEIM (24) has demonstrated that in certain coral-eating fishes, Tetrodonts, a tremendous development of biting muscles has sufficed to put the nose, wholly or partially, out of existence. While accepting some degeneration in the Marsipobranchs along with DoHrn, the truth of BALFour’s view that they are very primitive forms must also be allowed. The persistence of the hypophysis-gut passage is a very import- ant factor in this conclusion: for it is not unlikely (2, p. 22) that we have in this structure and its special nervous system a very old organ: in fact, the old Annelidan mouth of the ancestors of Verte- brates. The parietal eye of the Petromyzontidae is another point in which the group shew more prômitive conditions. In the segmentally arrang- ed slime sacs of Myxine we also have very ancient organs, which again point towards the Annelida. Other primitive characters have been enumerated by BaAzrour. . As I have already given his views and the reasons for them, I need not repeat them. The group of the Marsipobranchii must undoubtedly be added to the gnathostomatous Vertebrata. And the name Cyclostomata may very fitly give place to that proposed by BUONAPARTE, and adopted by Profs. HuxLey and Park£ér: the Marsipobranchii. The Marsipobranchii stand between the Selachians and La 748 Dr. J. BEARD, Ganoids!), but are far more related to the latter than to the former. Not that they are descended from either group; in all probability they are a degenerate offshoot of the gnathostomatous ancestors of the two groups. In the number of gill clefts, and the presence of a subintestinal vein, they stand nearer to the Selachians than to the Ganoids, while in the great development of the oral and neural hypophysis, the con- dition of the urino-genital organs, and the great modification of the mouth parts they find allies among the Ganoids, with which group they agree in their migration wholly or partially to the rivers and fresh-water streams. And finally, in the segmentally arranged slime or mucous sacs of the Myxinoids, the high development of the parietal eye in Petromyzon, and the persistence of the hypophysial-gut passage in the Myxinoids they are far more primitive than any existing Ganoid or Selachian. And there seems to be no reason for supposing that the group is a degenerate offspring of either Selachians, or Teleosteans. And thus one can say with BaLrour that the Marsipobranch fishes are the remnants of a very primitive group, nay more, that they are the most primitive of existing Vertebrates. But his view of their prae-gnathostomatous nature must be rejected, and certainly BALFOUR himself would now have relinquished it. One word more from Prof. Dorn and I have done. He says: — „Die Trennung, welche die bisherige Morphologie zwischen eigentlichen Fischen und Petromyzonten glaubte annehmen zu müssen, beruht auf irrthümlicher Interpretation von Verhältnissen, welche in ihrem Zu- standekommen nur begriffen werden müssen, um sofort die viel grössere und nähere Zusammengehörigkeit der beiden Gruppen erkennen zu lassen“ (5, p. 52). I desire to express here my best thanks to Profs. WIEDERSHEIM and Howes for their good counsel; and to Dr. GÜNTHERS and Prof. Howes’ kindness I am, moreover, indebted for some of the rare material used in this small research. 1) The relationship of the Marsipobranchii to the Ganoidei will be treated of in a future memoir on Ganoid morphology. Morphological Studies. 749 List of Literature cited. Bazrour, F. M., A treatise of Comparative Embryology. Vol. 2. 2. Brarp J., The old mouth and the new, in: Anat. Anz. Nr. 1, 1888; 15. 16. also in: Nature, Jan. 1888. — — The teeth of the Myxinoid Fishes. Ibid. Nr. 6, 1888, p. 169; also in: Nature, Mar. 22"4 1888, p. 499. Dourn, À. Der Ursprung der Wirbelthiere. 1875. — — Die Entstehung der Visceral-Bogen bei Petromyzon Planeri. „Studien“ Nr. V, in: Mittheil. Zool. Stat. Neapel 1884, Heft 1, p. 52. — — Die Bedeutung der unpaaren Flosse etc. Studien Nr. IX. Ibid. Bd. 6, Heft 3. Eısıg, H., Die Capitelliden, in: Fauna u. Flora des Golfes von Neapel. 16. Monographie. 1887. GEGENBAUR, C., Elements of Comparative Anatomy. English trans- lation. 1878. . HaAEcKEL, E., Anthropogenie. 1875. . Herrwie, O., Ueber das Hautskelet der Fische, in: Morph. Jahrb. Bd. 2. . Huxuey, T. H., The anatomy of Vertebrated animals. 1871. — — On the enamel and dentine of teeth, in: Quart. Journ. Microsc. Sci. 1855. — — The nature of the cranio-facial apparatus of Petromyzon, in: Journ. Anat. and Physiol. Vol. 10, 1876. Kxocx, J., Die Beschreibung der Reise zur Wolga ete. in: Bull. Soc. Nat. Moscou, 1871. LANGERHANS, P., Untersuchungen über Petromyzon Planeri, in: Nat. Gesell. zu Freiburg i/B. Bd. 6, 1873. MÜLLER, J., Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Parker, W. R., On the skeleton of the Marsipobranch Fishes. Part I. The Myxinoids, in: Phil. Trans. Roy. Soc. London, 1883, Pt. 2. 750 17. 18. Dr. J. BEARD, Pourron, E. B., True teeth in young Ornithorhynchus paradoxus, in: Proc. Roy. Soc. London, Feb. 9, 1888; also for the full paper, in: Quart. Journ. Microsc. Sci. Vol. 29, July 1888. ScHULZE, F. E., Ueber cuticulare Bildungen etc., in: Archiv f. mi- krosk. Anat. Bd. 5. Scort, W. B., On the development of the teeth in the Lamprey, in: Science, Vol. 2, 1883, pp. 731—2. Spee, F. v. Ueber die ersten Vorgänge der Ablagerung des Zahn- schmelzes, in: Anat. Anz. 1887, Nr. 4, p. 89—92. Tomes, ©. S., Anatomie der Zähne. German translation. 1877. Wazpeyer, W., Structure and development of the teeth, in: STRICKER’S Handbook of Histology, Vol. 1, pp. 463—496. WIEDERSHEIM, R., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wir- belthiere, 2. Auflage 1886. — — Das Geruchsorgan der Tetrodonten, in: Festschrift für A. v. Köuuıker, 1887. Wirrıamson, W. C., Investigations into the structure and develop- ment of the scales and bones of Fishes, in: Phil. Trans. Roy. Soc. London, 1851, Vol. 2. Morphological Studies. 751 Description of Plates. Alphabetical references. dp dental papilla, e enamel, ee enamel epithelium, h horn, hg horn groove, 9 odontoblast, oc odontoblast cone, oe outer epithelium of ena- mel organ, pe pulp cavity, se stratified epithelium, ss tooth sacs. Plate XXXIV. ig. 1. Longitudinal section of apex of a lingual tooth of Bdellostoma, to show the horny layer (hk), the apex of the odontoblast cone (0 €), and the enamel cap. Zeiss, C. oc. 2 cam. luc. Mag. 120. Fig. 2. Diagram to illustrate the supposed mode of development of a Myxinoid tooth. For comparison with the figure on p. 484 of WiepersHermm’s Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbel- thiere, 2. Auflage, 1886. Fig. 3. Portion of mouth epithelium (transverse section) of a nearly metamorphosed Petromyzon planeri showing three tooth sacs (ss) and the first horn formation (h), odontoblasts are absent. g. 4 Odontoblasts from a Myxinoid tooth. Highly magnified. Zeiss F. oc. 2. Mag. 460. Fig. 5. Apex of a tooth of Myxine to show the small cap of enamel (e) under high magnification. Longitudinal section. Zeiss F. oc. 2. Mag. 460. Fig. 6. Portion of enamel epithelium from the same Bdellostoma tooth- — section as fig. 8, ee enamel epithelium, oc odontoblast cone. Fig. 7. Semi-diagrammatic figure of a complete section of a tooth of Bdellostoma to show its anatomy. About twenty times the nat- ural size. Fig. 8. Small portion of a median tooth of Bdellostoma in longitudinal 152 Dr. J. BEARD, Morphological Studies. section to show the enamel epithelium (ee), the outer epithelium of the enamel organ (oe) and the stratified epithelium (se) between them. Plate XXXV. figures of this plate are reduced to two-thirds of there original size. g. 9. One tooth sac from fig. 3 (Petromyzon planeri) under high magnification. Zeıss F. oc. 2. Mag. 460. . 10. The horn groove of a Bdellostoma tooth, in longitudinal section. Zeiss F. oc. 2. Mag. 460. . 11. Section of a horny tooth of Petromyzon planeri, with reserve tooth. 12. Diagram of the three-coned horny tooth of P. marinus. . 13. Section of a tooth of Myxine under low magnification. Zeiss C. oc. 2. Mag. 48. Morphological Studies. Nr. 4. The Nose and Jacobson’s Organ. By J. Beard, Ph. D., B. Sc. Zoologist to the Scottish Fishery Board, University of Edinburgh. Aus dem Anatomischen Institut zu Freiburg i./Br. With Plates XXXVI—XXXVIII. Introduction. In the following pages it is proposed to review and extend our knowledge of the morphology and development of the Vertebrate ol- factory organ, and to examine to what extent its development con- forms to the description given in the second of these Studies (37) on the development of the cranial sense organs, ganglia, and nerves. In a former paper (36) on the branchial or lateral sense organs, some new views of the nature of the nose were enunciated and supported by certain facts of development. In fine, it was attempted to bring the nose and ear into the same category of sense organs as those of the lateral lme, or as they were then called, the branchial sense organs. The conclusions then published have been challenged by three morphologists, whose views and statements we shall have occasion to examine and criticise. Dr. van WisHe (55) and Prof. Emery (50), (through his pupil Maprip-Moreno), have opposed my conclusions on the grounds of em- bryological researches, on the other hand, Prof. GEGENBAUR (45) has challenged them from the standpoint of the comparative anatomist, 754 Dr. J. BEARD, One criticism of Prof. GEGENBAUR’S can be here at once admit- ted, for it is a just one, viz., that the figures in my former contri- bution (36) were not as clear or as well drawn as ought to have been the case, and if an error lay in this fact, an attempt is here made to remedy it. If my conclusions as to the morphology of the nose are once more persistently urged in this paper, is is not because I see fit to uphold my views at any price, but because the renewed series of researches here recorded, when considered in the light of recent work (37) of mine on the peripheral nervous system, lead, as I think, irresistibly to the conclusion that the nose, like the ear, is part of one system of sense organs; a system which Vertebrates have inherited from their Annelidan ancestors. This statement is meant to be a modified support of Dr. Eısıg’s valuable comparisons (41, 42) of the lateral sense organs of Annelida and of Vertebrata. In a future Study the conditions under which this homology can be accept- ed will be clearly laid down. The power to evolve new sense organs from indifferent found- ations must, in my opinion, be absolutely refused to Vertebrates. A Vertebrate, now or at any time in its past history as a Vertebrate, can only form sense organs by further differentiations of the segmen- tally arranged sense organs, inherited from its Annelidan ancestors, and from its eyes which have nothing to do with the latter sense organs. The eyes certainly do not ,swim in the same boat‘ as the nose and ear, as Dr. Him expresses it (46, p. 5). To refer to some of these supposed differentiations. It is im- possible to understand the development of the parietal eye except as a differentiation of a part of the sensory tissue of the paired eyes, and, as insisted on in the first of these Studies, it is not difficult to make out the evolution of the parietal eye in this manner. If the position taken up for the parietal eye is partly hypotheti- cal, the matter is very different when the evolution of JACOBSON’S organ of Lacertilia and Ophidia is considered. Its actual development is described in the following pages, and it will then be demonstrated that what is practically a new sense organ is merely derived from a portion of an old sense organ, the nose. That which has happened in the case of JacoBson’s organ in La- certilia and Ophidia has taken place in all Vertebrates (except the outcast Amphioxus) to a greater or less extent in the ear. There from a low sense organ, homologous with a lateral or branchial sense Morphological Studies. 755 organ, a series of very complicated sense organs, the cochlea, semi- circular canals &c., has been evolved. All, as can be shewn deve- lopmentally, by the growth and differentiation of one small piece of sensory epithelium. Another case may be instanced of the formation of sense organs in Vertebrates from other sense organs. It is a well known fact, originally noticed by MALBRANC (51), and afterwards confirmed by SOLGER, myself and others, that the lateral sense organs multiply by division. All these facts appear to go a long way towards establishing the dictum that Vertebrates cannot form new sense organs out of in- different cells. Whence then is the Vertebrate olfactory organ derived? Mar- SHALL (52) and Donrn (39) have supposed from a gill-cleft. The position taken up in this and some earlier memoirs by me is that it is a higher differentiation of a preexisting segmental lateral or bran- chial sense organ, just as JACOBSON’S organ is also a further deriva- tive and differentiation of the olfactory sense organ, which was there before it. Besides the researches on the olfactory organ proper it is pro- posed to give some account of the development and minute structure of JACOBSON’s organ in lizards and snakes. In this account some very interesting facts will be recorded, facts which shew that very little is known about this organ, although it has been investigated in Reptilia by LEYDIG, FLEISCHER, SOLGER and Born. History of Jacobson’s organ. Since the discovery of this organ at the beginning of the present century by the Danish anatomist whose name it bears (15), it has been investigated by many morphologists. Though the literature is not very extensive, it is rather difficult to collect together, and there are one or two memoirs in the literature cited, which I have not been able to obtain. They are marked by an asterisk. One of the earliest investigators, RATHKE, describes his researches as follows (29, p. 88): „Noch ehe die Bildung einer Nasenhöhle be- werkstelligt ist, entsteht auch schon die den Schlangen eigenthiimliche Nasendrüse. Unfern des künftigen unteren Nasenloches bildet sich ungefähr um die Mitte dieser Periode aus der Riechhaut, wenn diese schon zu einer Mulde zusammengebogen ist, und zwar aus der gegen die Mittellinie des Kopfes zugekehrten Hälfte derselben, eine Ausstülpung, Zool. Jahrb. III, Abth, f, Morph, 50 156 Dr. J. BEARD, die sehr rasch sich vergrössert, sich von der Riechhaut so abschnürt, dass die ganz einfachen Höhlen beider zuletzt nur durch eine enge Oeffnung in einander übergehen, und am Ende der zweiten Periode ein fast kugelrundes Bläschen darstellt. Merkwürdigerweise geht die Vergrösserung dieses Bläschens in dem Maasse vor sich, dass es am Ende der zweiten Periode ungefähr ebenso gross, als das von der Riechhaut gebildete Säckchen ist. Auch nimmt die Dicke seiner Wan- dung bedeutend zu, so dass diese zu der angegebenen Zeit um mehr als das Doppelte grösser ist als die der Riechhaut. Doch entwickelt sich das beschriebene Bläschen eigentlich nicht bloss zu der Nasen- drüse selbst, sondern es theilt sich jetzt schon seine Wandung offenbar in zwei Schichten, zu denen die viel dickere äussere als der Boden für die Knochenkapsel erscheint, (?) welche späterhin die Nasendrüse einschliesst. — Das Bläschen der Nasendrüse liegt dicht über einem Flügel des Stirnfortsatzes, ist bedeckt von dem vorderen unteren Theile des Nasendaches, welcher auf jenen Fortsatz übergeht, und befindet sich an der gegen die Mittelebene des Kopfes gekehrten Seite des Säckchens, welches von der Riechhaut gebildet ist, und welches jetzt schon einen starken Eindruck von ihm erhalten hat, so dass es durch ihn sehr stark von den Seiten abgeplattet worden ist.“ Thus, according to RATHKE, JACOBSON’S organ arises as an in- vagination of the olfactory mucous membrane, and the organ becomes differentiated from this invagination. FLEISCHER (8) was the first who made this sense organ the object of a very complete series of investigations, from fishes to mammals. Unfortunately his researches were only published in tbe form of a pre- liminary note, and the complete memoir has never appeared. As Born states (4, p. 79), Freiscnher’s work has not rendered it certain whether JAcoBson’s organ is a new formation, or whether it is part of the nose. Born, in his very thorough, complete, and beautiful series of papers on the lachrymal duct of various Vertebrates, has treated of the organ but very slightly and not correctly, and, along with RATHKE and FLEISCHER, he found the organ in question in late stages as an invagination of the olfactory mucous membrane. BÉRANECK (2) is the last observer who has recorded any facts about the early develop- ment of the organ. His statements are not very correct and are un- accompanied by figures, and the stage at which his researches begin is a pretty late one. Morphologieal Studies. 757 Born writes as follows: — „Bei ganz jungen Embryonen sah ich die Mündung des Jacopson’schen Organes so sehr nach vorn gewendet, dass sie mehr neben als in der Oeffnung der Riechgrube erschien, es liegt dies die Frage nahe, ob dasselbe aus der Riechgrube ausgestülpt werde oder zugleich mit und neben dieser entstehe, und erst später in dieselbe eingesenkt werde‘ (4, p. 79). And FLEISCHER, in describing his researches among Reptiles, says: „In den frühesten Stadien, die zur Untersuchung vorgelegen haben, ist bereits ein vom Nasenhöhlenepithel ausgehendes Divertikel nachweisbar, wie wir bei den Säugern beobachtet haben. Nur ist dasselbe viel grösser als das bei letzteren beschriebene. Von einem Epithel ausge- kleidet, nimmt es fast die Hälfte der ganzen Nasenhöhle ein.“ Indeed, examination of the literature of JACOBSON’S organ shows clearly that just in the group of animals, the Reptilia, in which alone it can.be considered as something more than a rudimentary organ, a thorough comparative investigation is a desideratum. Of the structure of JACOBSON’S organ we have many researches by KLEIN (16 to 19), Leypie (22, 23), Wriaut (34), and Born (3, 4, 5, 6): while Born and SOLGER (31) have given good accounts of the anatomical relationships of the organ and its position in the cranium. Hence in the following pages only the most important points of the nature and origin of JACOBSON’S organ will be considered. For this purpose its early development will be described in connection with the olfactory nerve of Reptiles, and following this, some points in the em- bryonic and adult structure which have important bearings on the question of the morphology of the nose will be discussed. Material. The investigations were made on a great number of embryos of Lacerta agilis and Anguis fragilis, and also on some half a dozen typical stages of Tropidonotus natrix. For the olfactory nerve I was able to make use of the large series of sections made for a recent study (37) of the peripheral nervous system of Vertebrates, and have thereby been able to correct, confirm, and extend my former statements (36, pp. 33 to 42). The development of the olfactory organ and nerve in Elasmobranchii. The first account of the development of the olfactory nerve of Elasmobranchs is that of MarsHauu (52, 53). He concludes that the 50 * 158 Dr. J. BEARD, olfactory nerve develops in precisely the same way as the cranial segmental nerves: they arise at first from the upper part of the fore brain, and gradually shift downwards, acquiring by so doing a second- ary connection with the cerebral hemispheres, of which they are at first completely independent; and finally, the olfactory lobe or vesicle, so far from being the earliest part to be developed, is actually the last, no vestige of it appearing in the chick until the seventh day of incubation, in the salmon till long after hatching, or in the dogfish until stage O of BaLFour’s nomenclature. HOFFMANN (43, p. 88) has also made some observations on the olfactory nerve and organ, directed mainly to test MARSHALL’s and DoHrn’S view of its gill-cleft nature. The description given by myself (36, p. 36) of the development was as follows: — „the development of the nerve of the first segment is practically that of a typical segmental nerve in which post- and prae-branchial branches are aborted. The nerve grows down from the brain to a thickening of epiblast, it fuses with this thickening, and a ganglion is formed at the point of fusion. Even with the limited amount of material at the writer’s disposal, it can fairly well be shewn that the ganglion is formed from the skin“. For further particulars the reader is referred to the work cited, and the above passage is only quoted in order that in what follows the interpretations and extensions, so far as they differ from the former account, may be obvious to the reader. Soon after the publication of my work, Dr. van Wine (55) published some observations of his own, in order to refute my con- clusions. His observations are correct, but as a matter of fact they support instead of disprove my position. He remarks: — ,,Ich finde, dass der Olfactorius zu Anfang von BALrour’s Stadium I noch nicht vorhanden ist; er tritt erst zu Anfang der Periode J auf, wann die vierte Kiementasche schon angelegt, aber noch keine nach aussen durchgebrochene ist. Das Riechorgan und der Nerv entstehen beide aus dem vorderen Neuroporus!). Der Olfactorius entwickelt sich nicht aus der Nervenleiste, denn er tritt in einer Pe- riode auf, wann dieselbe im Kopfe schon längst geschwunden ist; auch ist er vom Anfang an mit der Haut in Verbindung und unter- scheidet sich durch diese zwei Merkmale von allen übrigen dorsalen 1) Not „aus dem vorderen Neuroporus“ but in the region of it, Morphological Studies. 159 Nervenwurzeln. Der Riechnerv entsteht also erst nach dem Acranier- stadium, und in Uebereinstimmung damit ist seine Abwesenheit beim Amphioxus.“ This passage, along with the true statement of the origin of the olfactory nerve as an epiblastic differentiation, contains a. number of theoretical conclusions which I do not support; all we have to do here is to accept the one simple statement of the actual origin of the nerve (better neural ganglion of the olfactory) and the denial that it arises, as the neural ridge was supposed to do, as an outgrowth of the central nervous system. Before making renewed investigations on the development of the olfactory nerve and organ, in order to test van WisHE’s observations, I came to the conclusion that there was a good deal of truth in what he stated. For the results of a very extended and complete series of observations on the early beginnings of the cranial and spinal ganglia, part of which has already appeared (37), led to the recognition that these ganglia are formed as epiblastic differentiations, and not, as usually supposed by nearly all observers, as outgrowths of the central nervous system. But this was not sufficient, for it became necessary to examine once again whether, like other cranial segmental nerves, there is also a double origin of ganglionic elements in the case of the olfactory metamere. The result is given in the following lines. Figs. 22 and 24 (pl. XXXVIII) are from a section passing through the anterior neuropore of a very young Elasmobranch embryo, the portion of the lip of the „neuropore‘‘ marked by the closed figure in fig. 22 is drawn under high power in fig. 24. The epiblast of the reentering angle between epiblast and fore- brain is seen to be very thick, and we shall see that it is this thicken- ed portion of the epiblast which gives rise to a portion of the ol- factory ganglion. I may here mention that later on this portion becomes converted into the olfactory nerve. Most nerves in the Ver- tebrata are transformations of ganglion cells, just as muscles are transformations of muscle-cells. In fig. 17 (pl. XXXVIII) we have the appearances presented by a transverse section through a young Torpedo embryo. The plane of section passes through both fore brain (fb) and hind brain (kb). In the latter region is seen a portion of the „Anlage“ or foundation of the trige- minal ganglion (V). The upper portion of the section shows the fore brain and the optic vesicles, and the point where the fore brain reaches the epiblast 760 Dr. J. BEARD, is the region of the socalled „anterior neuropore !)“. — This portion of epiblast with a piece of the adjoining fore-brain (fb) is given under much higher power in fig. 16. As this latter figure is a better repre- sentation of nature then the former, the reader must only consider fig. 17 as a guide to the situation from which fig. 16 is taken. It is noticeable that a certain number of cells fill in the space between the two lips of the neural tube, and that outside them there lies a number of other cells which obviously were split off from the epiblast in the fashion I have only recently described for a typical or spinal ganglion (37). In fact, these cells (ol. a.) are the foundation of the olfactory neural ganglion ?), which only differs from other neural ganglia in that all its cells become converted into nerve fibres. The cells mentioned above are not connected with the fore brain, though they partly lie between its lips. Soon they grow outwards and downwards to the olfactory epithelium, which is not very far distant, and in the figure is very possibly included in the portion of epiblast at x. It is not easy to make out the very first differentiation of the olfactory epithelium. The next stage at which I found it is figured in fig. 20 under low power, and a portion of the right hand side of the section is given in fig. 18 highly magnified. The fore brain (fb) has already closed, the olfactory epithelium (0 e) is well marked, but as yet is it is not easy to make out the limits of its neural and hae- mal extensions. A number of cells of the olfactory ganglionic foun- dation are fused with the sensory epithelium. The ganglion has, as yet, no connection with the central nervous system. The next stage in the formation of the olfactory organ and its nervous apparatus is depicted in fig. 19. The plane of section is rather horizontal, and cuts the olfactory epithelium near its neural border; so that the figure of the sensory epithelium looks rather like a very much thickened patch of epiblast. In reality the section is through the upper wall of an open vesicle. The olfactory neural ganglion is fused with the sensory epithelium, a rapid proliferation of cells is taking place, and some of these cells 1) The anterior neuropore is a structure whose only morphological importance rests in the support it affords to certain speculations. 2) For an explanation of the terms neural and lateral ganglia the reader is referred to Part I of the researches on the peripheral nervous system (37, pp. 176—181). Morphological Studies. 761 are already being given off into the ganglion to form the lateral ganglion of the olfactory i. e. those ganglionic cells which are derived from the sensory thickening, as in the case of the branchial sense organs connected with the other cranial segmental nerves, such as the trigeminus, vagus &c. (36, 37). This figure also shows that, like the sensory epithelium of the lateral line or of any cranial segmental nerve, the olfactory neuroepithelium is very early differentiated from the rest of the epiblast, and grows by cell divisions within itself, not by the addition of new epiblast cells. The growth is, so to speak, interstitial. The upper and lower limits are marked off at a, b, and beyond this point on each side lies the indifferent epiblast. In the next figure (fig. 21) this marked boundary between neuro- epitheliam and indifferent epiblast is very obvious at a and db. This section is from a slightly older embryo, and shows that many cells have already been given off into the ganglionic foundation, and that others are about to pass into it. The ganglion is not yet connected with the brain, but the connection takes place very socn after this. It is hardly necessary to discuss here the question as to how this connection of the ganglion of a sensory nerve with the brain takes place, as I have considered it at some length in a recent publication (37, pp. 171—173). But I believe that what holds for other cranial nerves in this respect also obtains for the olfactory. Most certainly the final attachment to the brain is the only one that ever exists, and there is no shifting of the root in MARSHALL’S sense (53, p. 11). In Elasmobranchs the whole or nearly the whole of these ganglion cells, both neural and lateral ganglia, are used up in the formation of the olfactory nerve. This is a curious fact, and probably stands in connection with two things. Firstly, the olfactory organ has tremendous central ganglionic centres in the much later developed (MArsHALL, 35) olfactory lobes, and, though a large sense organ in these fishes, it is hardly likely to be a very delicate one. In any case, though ganglionic cells are cer- tainly formed from the sensory epithelium in Elasmobranchs, — a fact, which satisfies all my contentions, — there are very few peri- pheral ganglionic cells in the olfactory epithelium of Elasmobranchs. Generally speaking, the number of ganglionie cells used up in the formation of the Vertebrate olfactory nerve is something astonishing, and the cellular nature of this ‘nerve, — even in man — has been admitted by KÖLLIKER (21) who otherwise agrees with Hıs (47 and elsewhere) in rejecting the cellular nature of em- 762 Dr. J. BEARD, bryonic nerves. That the olfactory nerve in certain stages pos- sesses a ganglionic formation is certain (see fig. 8 Lacerta). Perhaps here I may be allowed to state briefly a conclusion of my work on nerve and sense organ development, leaving its fuller con- sideration for a subsequent occasion. In the chain connecting the sensory cells of a Vertebrate sense organ with the central nervous system we may find ganglion cells arising from at least three different morphological sources, apparently from four, but the first and second sources now to be enumerated are morphologically identical, and the sole difference between the two cases rests in the fact whether the ganglia remain in the neuroepithelium or not, — a difference of no morphological importance. 1) In the neuroepithelium itself; as, for instance, at the bases of the sense cells of nose, eye, ear or of JAcoBSoN’s organ of Angus. 2) On the inner side, coming to lie beyond the neuroepithelium, but derived developmentally from it: viz., lateral ganglia of the bran- chial or lateral sense organs, bud-like ganglia of JacoBson’s organ of Ophidia. 3) Between the lateral ganglion and the central nervous system: as, for example, the neural ganglia of trigeminus, facial, auditory, or vagus nerves. 4) As a special differentiation in the central nervous system itself i. e. olfactory lobe &c. One or other of these may be ill-developed, or if the fourth be specially developed we may find the first, second, and third almost reduced to nerve elements alone. The phylogenetic meaning of all these complications is something of which we as yet hardly possess any conception; how far a solution of the matter seems possible will be indicated in a subsequent study on the phylogenetic history of the branchial or lateral sense organs. If these complications appear startling, they will hardly be so, if we consider, how complicated is the manner in which, according to the epochmaking researches of KLEINENBERG (49), the Annelidan nervous system is ontogenetically evolved. Why should we expect the Vertebrate central and peripheral nervous systems to arise in a less ntricate fashion? The Vertebrate central nervous system with the peripheral system is as complicated when compared with that of the Annelid as an important line of railway of to-day is when compared with one of forty years ago, ) Morphological Studies. 163 As a matter of fact the development of the Vertebrate nervous system is very intricate, and by no means so simple as hitherto supposed. And I feel it my duty to point out that we are only just beginning to see how complex are the problems presented to us in our attempts to solve the nature of the central nervous system. Some of us fail to recognise this truth, otherwise no investigator would sit down with a number of sections through the brain and nerve-roots of man or the dog, and endeavour from these alone to reduce the peripheral nervous system to a segmental arrangement, The development of the olfactory nerve and organ, and Jacobson’s organ in Reptilia. So far as I am aware, no-one has really investigated the develop- ment of the olfactory nerve in the lizard or snake. BÉRANECK (2, p. 526) has made certain statements on this head which are quite in- correct. As an instance of his inaccuracies it may be mentioned that he finds that the olfactory lobe develops first, and that long afterwards the olfactory nerve makes its appearance. ; In his stage IV, which is the earliest described, the embryo has all its other nerves well-developed, even its hind-limbs are pretty far advanced, but although it has a small olfactory lobe it is without olfactory nerve. Further, in his figure of this stage (pl. XXVIII, fig. 1), the olfactory organ is already represented by a pit in the epiblast. Under these circumstances no value can be attached to the observations and assertions of M. BÉRANECK on the olfactory nerve and organ in the lizard. On the development of JAcoBson’s organ in Reptiles we have the observations of Born and FreiscHER which have already been quoted in the introduction to this paper. BERANECK says very little about JACOBSON’S organ (2, p. 530). The earliest stage in which I have been able to find the found- ations of the olfactory ganglion, — that is of those ganglionic cells (neural ganglion) which give rise to the olfactory nerve, corresponds exactly to fig. 22 (Torpedo) — the first stage described in Elasmo- branchs. It is figured in fig. 11. Here as in figs. 22 and 24 the „ant- erior neuropore“ has not yet closed, and at its lips certain cells are being proliferated from the epiblast, just as in sharks, 764 Dr. J. BEARD, These cells are the foundation or Anlage of the olfactory neural ganglion. A slightly later stage is shown in fig. 14. Some of those on the right-hand side are still partially connected with the epiblast. The cells are also beginning to grow down towards the olfactory neuroepithelium, and in the next stage figured they lie in close connection with the latter, and in some places are fused with it (fig. 12). The fore brain has closed in, and there are no longer any of the cells of the ganglionic foundation on its summit. The development of the olfactory epithelium will now be taken up, and we shall follow the formation from it of the nose proper and JACOBSON’S organ. In the figure just examined (fig. 12), which is taken from a very young embryo of L. agilis — a stage very much younger than M. BERANEcK’s stage IV, — one notices that the ol- factory neuro-epithelium is represented by a simple epiblastic thicken- ing, which has as yet undergone no invagination at all. The limits of the neuro-epithelium are very sharply marked off from the indifferent epiblast above and below, or neurally and haemally. In fact, at this stage the neuro-epithelium differs in no characteristic from the neuro- epithelium connected with a typical branchial nerve such as the glosso- pharyngeus. — In the latter case the neuro-epithelium gives rise in fishes to branchial or lateral sense organs, and even in Reptiles !) these typical branchial nerves, such as the facialis and glossopharyngeus, possess well-developed neuro-epithelia above the gill-clefts in certain stages. From researches I have not yet published, the neuro-epithelia of facialis and glossopharyngeus in Reptiles (at least) appear to give rise to the taste buds of the mouth. The piece of olfactory neuro-epithelium in the lizard soon begins to undergo a series of changes. For a long time during the deve- lopment rapid cell-divisions take place within it. These cell-divisions give rise, as we shall see, to the sensory end-cells and several layers of ganglion cells. The neuro-epithelium also begins to invaginate, but unlike the case of Elasmobranchs, the invagination almost from the start is not a simple one. It takes place in such a way as to divide the neuro- epithelium into two small depressions or pockets (figs. 25 and 26 p. 766). 1) In this group these structures were first seen by BERANECK, Morphological Studies. 765 These are the first differentiations of the nose proper and JA- COBSON’S organ. In a vertical section, such as the one depicted in fig. 27, it may be remarked that the one depression is directed neu- ralwards, and in transverse section outwards (fig. 29), while the other depression grows backwards (in longitudinal section, fig. 28), and in- wards (in transverse section, figs. 29 and 30). These depressions both get deeper and deeper (figs. 27 and 28), and become more and more constricted off from each other. The changes which have taken place during all this time have been brought about by the growth and further differentiation of the simple piece of neuroepithelium figured in HO? This is obvious from a glance at fig. 23, which represents the nose proper, oe, and JACOBSON’S organ, Jo, in a longitudinal section of a fairly advanced embryo of Anguis fragilis. In this figure the limits of the neuroepithelium are very easily determined, and it is seen that the sensory epithelium does not pass gradually but abruptly over into the ordinary epiblast. The stages from this point onwards, that is from figs. 29 and 30, seem to have all been seen by Born (4) and FLEISCHER (8), and I therefore venture to quote FLEISCHER’S description in full (8, pp. 10 to 11): „In the earliest stages at my disposal a diverticulum, such as we have seen in the Mammalia, can be observed. But here it is much larger than in the latter. It is covered by an epithelium, and occupies almost the half of the entire olfactory depression. From its situation we may homologise this diverticulum with the lower cul-de- sac observed in the Anura, and consider the rest of the nasal cavity as composed of an upper and middle cul-de-sac. Just as in the Anura, we find this diverticulum in some sections in communication with the nasal cavity, in others separated off from it. In the further course of development it passes further downwards, and in doing so gets turned about its axis, so that the canal, by means of which it was still connected with the nasal cavity, comes now to open into the mouth cavity. Even in very early stages it (the diverticulum or JAcoBson’s organ) becomes covered by a carti- lage (see the figures 29 and 30 of this paper), which, similarly to that cartilage we noticed in the Mammalia, projects forwards from the nasal septum in a mushroom-form towards JACOBSON’S organ. In doing so it pushes the epithelium of the lower wall before it, so that the lumen of the organ acquires a semi-lunar form“ (see fig. 9). 166 Dr. J. BEARD, Fig. 28. Morphological Studies. 167 The skeletal portions of the nose and JAcOBsON’S organ have been well-investigated by others, especially by Born (4, 5, 6), and so we can here leave them unnoticed, confining our attention to the changes which occur in the sensory epithelium proper. In the preceding pages I have described how in Elasmobranchs the olfactory epithelium gives rise to a certain number of ganglion cells, which I call the lateral ganglion. The same thing takes place in the lizard, and to a far greater degree in the snake, in both the nose-proper and JACOBSON’S organ. As the changes are most obvious in the Ophidia, I shall describe what I have observed in several snake embryos ( Tropidonotus natrix). At the same time I must mention , and hope to demonstrate, that the structures described below are also to be found in the lizard, but in a more disguised form. Fig. 10, a section of an Anguis embryo, shows that the epi- thelium of both JAcosson’s organ (Jo), and of the nose (oe), has acquired a considerable thickness. An identical stage of 7. natrix could have been represented. Leaving, for a time, the nose out of question, we may note that the wall of JACOBSON’S organ is composed 1) of an epithelium lining the cavity of the organ, and this epithelium will give rise to the sense cells; 2) internal to this several rows of „nuclei‘“ or cells which are of a ganglionic character. In this section the olfactory nerve has already acquired its per- manent connection with the brain, and, indeed, the olfactory lobe is fairly developed. The nerve is made up of two branches, a neural or dorsal one to the olfactory organ proper, and a haemal or ven- tral one to the organ of JAcopson. The latter is a very thick branch and contains numerous nuclei in its course. The deeper layers of the sensory epithelium, i. e. the ganglionic layers, now begin to proliferate ganglionic elements at regular intervals into the mucosa. The epithelium throws out, as it were, a number of bud-like processes (fig. 6). We shall soon see what this means. Fig. 6 is a vertical section of JAcopson’s organ in a snake em- bryo. The organ has now its characteristic adult form. The sensory epithelium is very thick, and its outer side, which is connected with the large branch of the olfactory nerve, forms a number of very symmetrical and striking projections. One of these nobs and its portion of the sensory epithelium is represented in fig. 5. On examining these projections more closely we see that the fibres of the olfactory 768 Dr. J. BEARD, nerve end in the little nobs of cells, and that each of these little nobs is neither more nor less than a collection of ganglion cells (fig. 6), formed from the neuroepithelium, projecting at regular inter- vals from it, and forming a mosaic-like pattern. The nobs of cells are very characteristic of JACOBSON’S organ in snakes, and there are from 150 to 200 of them in each organ. In a slightly later stage, in which the cartilage is beginning to be formed (fig. 2), the organ has become more like that of the adult. The sensory epithelium is now made up of the following consti- tuents: (1), an inner layer of sense cells (sb), beyond these (2), several layers of elongated „nuclei“; more outwards (3), a fairly thick layer of more rounded ,,nuclei‘‘ !), and, outside of all (4), the little nobs of ganglion cells. These latter are still more marked than in the proceding stage, and the fibres of a large branch of the olfac- tory nerve end in them. They possess now somewhat of a pear-shaped appearance, and I shall speak of them, for reasons to be afterwards developed, as the smell-bud ganglia. Morphologically they are the homologues of lateral ganglia, for like them they owe their origin to the neuro-epithelium, which in its turn is homologous with the sensory epithelium of a segmental lateral sense organ. A number of these smell-bud ganglia, and the columns to which they give rise, are drawn, as seen in the section just described, in fig. 4. The next stage to be considered is much more advanced, and the cartilages are all fully formed. It is represented in fig. 1, a longitudinal vertical section of an advanced Tropidonotus embryo of 10 to 12 centimetres in Jength. The section passes through one olfactory lobe (ol 7) and the course of its olfactory nerve (ol). The nerve is divided into the two branches described above, and the section cuts the JACOBSON’S organ branch at its thickest portion. Part of the branch to the nose proper is also cut, and the plane of section has passed through the inner wall of the nasal cavity. The wall of the duct of Jacopson’s organ, (J o d) is also seen 1) The histologist usually speaks of such structures as these as „nuclei“. The morphologist, however, must assign a true ganglionic cellular nature to them, no matter how small the body of the cell may be, here they are no doubt ganglionic. Morphological Studies. 769 in the section, and the figure depicts a section taken through the central portion of JACOBSON’S organ. The columns of smell-bud ganglia have increased in size, and project into the mucosa more than in the last figure described. They appear to have increased at the cost of the cells forming the outer layer of „nuclei“ in fig. 6. Here, as during the whole course of development, it is very easy to demonstrate that the fibres of the olfactory nerve end in these co- lumns, or smell bud ganglia (see figs. 4 and 5). Jacobson’s organ of the adult snake. In a section of JAcopson’s organ of an adult snake, such as is figured in fig. 7, it will be noticed that the smell-bud ganglia are still more marked than in the embryo, and indeed, the whole sensory epithelium of JAconson’s organ is split up into a number of columns. Towards the free surface of the organ each column forms a smell-bud comparable to those described by BLAUE in Teleosteans and Amphi- bians (38). The base of each smell-bud is made up of a long column of ganglionic cells, which in its turn receives the fibres of the olfac- torius at its base. The figure of the adult organ (fig. 7) is not as good as I could have wished it to be. Unfortunately, at the time this subject was under investigation, only spirit specimens of adult snakes could be obtained. The state of histological preservation of the specimen used was not very bad, and I have been obliged to content myself with what could be got from it. I have represented a few of the sensory cells of JAcoBsoNn’s organ from one adult, and also their connection, so far as it could be made out, with the lower lying „nuclei“ (fig. 3). The figure is sufficiently good to show the close agreement in minute structure between the sensory epithelia of JAcopson’s organ in the snake and in the guinea-pig (Cavia) as depicted by Dr. KLEIN (17, Pl. VII, figs. III and IV). It was not likely that the striking appearance of JAcopson’s organ in the Ophidia, as described above, should have hitherto escaped notice, although nothing is said of the matter in the text-books. Lrypie (23, p. 324, Pl. XV, figs. 5, 6 and 7) had already seen — and indeed, what has he not seen? — these columns of ganglion cells in the year 1872, but the methods employed by him were not 770 Dr. J. BEARD, such as to give him the insight into the real facts, which my prepa- rations have afforded me. He has given very beautiful figures, though they hardly give an idea of the extreme beauty of the organ as seen in good vertical sections. LEYDIG considered the columns as composed of connective tissue and ganglion-cells. Thus his description is not incorrect, for between the columns there is a quantity of connective tissue, and also capillaries, and by these two tissues the smell-bud ganglia are separated from one another. But LeypiG appears to have drawn the olfactory nerve as pas- sing downwards between the columns (23, fig. 7); this is not correct, the nerve fibres end in the bases of the ganglionic columns as shown in my figure. Born (6, p. 214), in the last of his memoirs on the nasal cavities etc. has also seen and given an interpretation of these co- lumns. He says: „In der zwischen den Fasern liegenden kleinzelligen Masse meint Leypia »zweierlei Zellenarten unterscheiden zu können, solche nämlich, welche als Bindegewebszellen anzusehen wären, und andere, denen eine nervöse Natur zukommt, die. somit kleine Gang- lienkugeln vorstellen könnten«. Diese Deutung des kleinzelligen Ma- terials zwischen den radiären Fasern ist, wie die Entwicklungsgeschichte mit Sicherheit (!) lehrt, eine irrthümliche (?), dasselbe ist vielmehr die zellige Ausfüllungsmasse einfacher Drüsen von birnför- miger Configuration, die dicht an einander gedrängt die ganze Schleim- haut durchsetzen.“ Although Born has seen and examined this structure of the Ophidian JACOBSoN’S organ in embryos of many stages, he has given figures which are of no value to the independent reader in judging of the accuracy of Born’s statements. The figures are simple black- board drawings without the representation of cells or nuclei of any sort. Born’s conclusions are quite wrong, as Ramsay WRIGHT (34, p. 389 et seq.) has already pointed out. So far as WRIGHTS account!) goes, it agrees with my own. He had only examined the organ in an advanced embryo (head 6 mm) 1) Wrıeut mentions a fuller paper by Macazrum to follow his. I only got a sight of this after my work was written. It is buried in the Proceedings of the Canadian Institute, Toronto. MacazzLum does not appear to have got further than Wricur, and in his paper I could find no statements of importance which were not already contained in Waricurs note. | Morphological Studies. 71 and in the adult, and correctly describes the columns as made up of ganglion cells, and, as we shall see, quite rightly concludes that the cells of the columns are comparable to the deeper layers of the ol- factory epithelium in the same animal. Hence he supports LeypiG’s contention that the columns contain ganglionic cells, but he remarks, and in this I cannot agree, that the polygonal form of the columns has been determined by the meshes of the capillary plexus, through which the outgrowths have taken place (34, p. 391). As a matter of fact the growth of the columns takes place before the development of the capillary plexus. He concludes, and with this conclusion I agree completely and emphasize it, that JACOBSON’S organ in Lacertilia and Snakes is a very highly specialized portion of the olfactory epithelium (p. 393). KLEIN (18, p. 565) has also noticed cells projecting singly or in small groups into the mucosa from the sensory epithelium of JAcos- son’s organ of the rabbit. But, so far as I am aware, no observer has traced the development of the columns from the neuro-epithelium, or noticed the exceedingly close correspondence, amounting, as I think, to a complete homology, between the smell buds of the Ophidian Ja- COBSON’S organ (and their ganglionic columns) and the smell buds of Amphibia and fishes, as described by BLauE (5). There is a very striking resemblance between the former and the smell-buds of Triton cristatus as figured by BLAUE (38, Tf. 14, fig. 36). Comparison of Jacobson’s Organ in Lacertilia with the same structure in Ophidia. The question naturally arises whether or not the sensory epithe- lium of Jacopson’s organ in the Lacertilia ever presents the divi- sion into smell-buds and their associated ganglia such as I have just described in the Ophidia. A superficial examination of sections of advanced or nearly ripe embryos of Anguis or Lacerta would lead to a negative conclusion. But on closer investigation of good sections, it can be made out that the deeper or ganglionic layers show traces of an imperfect division into ganglionic columns such as we found in the Ophidia. This is most easily seen in the somewhat regular wavy outline of the outer- most ganglionic layers of the organ as seen in section (fig. 9 La- certa, fig. 10 Anguis). This wavy outline and the arrangement of the ganglionic cells in Zool, Jahrb, Ill, Abth, f. Morph, 51 172 Dr. J. BEARD, columns, though not so marked as in the Ophidia, is, however, to be made out more or less perfectly in both Lacerta and Anguis (figs. 9 and 10). But, except in the Amphisbaenidae, it has not yet been possible to detect a division of the sensory end-cells into smell buds such as can be observed in the adult snake (figs. 7 and 15). Jacobson’s organ and the ordinary nasal epithelium in Ophidia and Lacertilia. I have not had any good sections of the nasal epithelium of adult snakes, but in sections through advanced embryos of the stage represented in fig. 6 for JAcopson’s organ, it is not difficult to make out the same regular wavy outline as in JAcoBson’s organ of the lizards. I have represented an exact camera drawing of such a piece of olfactory epithelium from the same embryo as fig. 6 in fig. 13. Here it is very obvious that similar divisions into smell-buds and their ganglia are at the bottom of the structure of the nose, as well as of JAcopson’s organ, in snakes. The difference lies in the lesser development of the smell-bud ganglia in the former case, and JACOBSON’S organ in snakes (for that matter in Lacertilia also), must be an incomparably finer sense organ than their nose- proper. Anguis and Lacerta have essentially the same sort of nasal epi- thelium as Tropidonotus. That is, they, and to a still greater extent the Amphisbaenidae, present the appearances in their olfactory epi- thelium which have just been described for Ophidia, and fig. 13 would serve for the former just as well as for the latter. I have not thought it worth while to figure the olfactory epithelium of either Lacerta, or Anguis, or an Amphisbaenid. Conclusions. It was almost certain before these researches, and it is now a fact, that JAcoBson’s organ of Reptiles is a specially differentiated part of the nose. It is most highly developed in Lacertilia and Ophi- dia, and as yet no trace of it has been found in either Crocodilia or Chelonia. I have searched for it in Chelonians and in embryo Cro- codiles, but in vain. The two groups in which JAcorson’s organ is well developed, Morphological Studies. 773 the Ophidia and the Lacertilia!), are apart from it, endowed with a very simple olfactory organ, — very simple as compared with the nasal organ of Crocodilia and Chelonia. On the face of the facts, it looks as though these things stood in relationship to each other. Possibly the nose-proper of Lacertilia and Ophidia has a simple structure, because of the high development and extreme delicacy, as a sense organ, of JACOBSON’S organ. On the other hand the Crocodilia and Chelonia are recompensed for the absence of JACOBSON’S organ by the much greater complexity of their olfactory organs proper (vide nos. 43 and 16). GörTE (10, p. 654), FLEISCHER (8, p. 8), Born (3, p. 120) and KÖLLIKER (20, p. 9) are inclined to regard the lower of the three cul de sacs in the Anura as the homologue of JAcoBSON’s organ. This cannot be regarded as proved, or even as probable. The Lacer- tilia and Ophidia appear to have no very close relationships with the Anura, their Amphibian ancestors were probably of another type, and the complexity of the nose in the Anura is explicable in the Same way as that of Crocodilia and Chelonia. It should not be forgotten that the parietal eye, a very old sense organ found even in Cyclostome fishes and apparently in no others (as a developed sense organ), is well developed in the Lacertilia, while it is very highly degenerated in the Anura. In fact, these two organs alone, the parietal eye and JACOBSON’S organ, appear to place a vast gulf between the Ophidia and Lacertilia on the one hand, and the Anura on the other. They also sharply separate the two groups of Reptiles?) just mentioned from the Che- lonia and Crocodilia. As WIEDERSHEIM remarks (54, p. 400) there appears to be no homology between the so called JACOBSON’S organ of the Gymnophiona and that organ of the Reptilia, and the so called JAcoBson’s organ of the former group ought rather to be called the secondary olfactory organ to prevent confusion. In no sense can it be rightly named a 1) The Amphisbaenidae possess a Jacopson’s organ whose structure is completely Lacertilian. 2) Prof. W. K. Parker (26, p. 407, No. 38, p. 636) concludes that the skulls of snakes and Lizards present close resemblances in their development. 51.* 774 Dr. J. BEARD, JACOBSON’S organ; for JacoBson did not discover it, and it is not homologous with the organ he did detect. It may here be noted, and Prof. WIEDERSHEIM agrees, that the division of the olfactory nerve into two branches in the Gymnophiona cannot be regarded as corresponding at all to the division of the branches of a cranial nerve to each side of a gill-cleft as WIEDERS- HEIM (33) and MARSHALL (33) formerly considered. It is only a di- vision of the olfactory nerve into two portions comparable to, though hardly homologous with, the divisions of the olfactory nerve in lizards and snakes into two branches, one to the nose proper and the other to JACOBSON’S organ. This brings us to the disputed question of the quondam existence of prae-oral clefts, a matter which cannot be discussed here in detail. Donrn and MARSHALL (39 and 52), as is well known, have endeay- oured to establish the claims of the nose to rank as a modified gill- cleft. In a former paper I tried to show that this view was untenable. Regarding that attempt a good deal of misunderstanding exists, and it will be well to consider once more the true morphological nature of the nose in the light of recent work. In my opinion there does not exist a particle of evidence to show that the nose is a modified gill-cleft, and at present, the evidence that a gill-cleft formerly existed on the haemal side of the nose is to many zoologists not very convincing. There is nothing in the development of the nose per se to sug- gest a gill cleft, on the contrary, the comparison of the olfactory nerve and organ with the sensory portion of a cranial branchial nerve, its complicated ganglia and sensory epithelium is now complete. There is no evidence of branchial musculature and cartilages, of motor roots of the olfactory nerve, still less of the existence of an actual branchial cleft. Like a typical branchial nerve, the olfactory nerve develops ele- ments from two sources : from the epiblast just outside the foundation of the central nervous system, and from the special neuro-epithelium. The latter, like that of the facialis or vagus, grows in length by increase within itself, and in many cases, Polypterus (WALDSCHMIDT), some Te- leosteans, Amphibians and Reptiles, again like the neuro-epithelia of facialis or vagus, it later on in development divides up into a number of smell-buds, comparable exactly to the sense organs of the la- teral line. Morphological Studies. 775 GEGENBAUR (45, p. 15) and Emery (50, p. 590) regard this seg- mentation into smell-buds as a secondary condition, which destroys the value of any comparison with the sense organs of the lateral line, and Emery adds (p. 592) that, although Maprip- Moreno’s results controvert BLAUE’s conclusions, ‚wird die Ansicht Brarn’s, dass das Riechorgan der Reihe der „branchialen‘“ Sinnesorgane gehöre, weder bekräftigt noch erschüttert.“ I confess to a very different opinion. If the results of MAprın- Moreno could justifiably be regarded as having the effect on BLAUE’S conclusions, which Prof. Emery and his pupil think they have, then not only would BrLAUES conclusions go to the winds but mine also. In reality, MAprip-Moreno’s work has no sort of in- fluence on the one or the other. Itwasjust what one would expect from considerations of the lateral linedevelopment that at first there would be a piece of neuro-epithelium which would only later on in development divide up more or less completely into separate sense buds.- "The lateral line)" as”of course Prof. Emery knows, also arises in this way, and instead of producing evidence against BLAUES views or mine, Prof. Emery and his pupil have, though to a very slight extent, unwittingly helped our cause. Not that my conclusions agree with BLAUES on all points — of that I have already spoken in a former paper — but I agree fully with him in regarding the smell-bud as the original condition of the nasal sense organ, as the condition m which it was a branchial or lateral sense organ whether a gill cleft was present or not. The argument employed by Prof. GEGENBAUR (45) against the primitive nature of the smell-bud is that the lower forms, i. e. the Selachians and Physostomi, present an even olfactory epithelium in which no division into sense buds has taken place. Here several things are overlooked. Firstly it is tacitly assumed that the forms with sense buds are derived from forms without them, i. e. from these so called lower forms. Again it is assumed that the Selachians are more primitive forms than other groups, i. e. Ganoidei. This latter point is really an open question and a good deal can be said, and has yet to be said, about the relationships of Selachians to other groups of fishes. When one also remembers that smell-buds have been found in Ganoids (Polypterus) it will be at once evident that the existence of them in only certain groups of Teleostei does not affect the question 776 Dr. J. BEARD, of their primitive nature, for all zoologists hold the Teleostei to be derivatives of Ganoids, and the Ganoids have certainly not been evol- ved from any fishes like existing Selachians. Furtber, if the undivided condition of the olfactory epithelium (a condition the actual existence of which is not certain, for possibly everywhere the ultimate structure of that epithelium has the form of buds) is the primitive one, then an argument supporting that view can be just as well applied to the sense organs of the lateral line. But, if any morphologist will venture to assert that a linear streak of sensory epithelium, reaching from the vagus region to the posterior end of the tail, was the original condition of the lateral line, he will find himself stranded in a whole sea of troubles and contradictions. Emery remarks (50, p. 590) „falls die BLaue’sche Ansicht richtig wäre, so sollten in der Ontogenie solcher Fische, welche im erwach- senen Zustand keine Riechknospen haben, solche Knospen oder doch Spuren davon während der Jugend auftreten etc.“ The necessity is not obvious. The lateral line, (in the ontogeny wohl bemerkt), is at first undivided into sense buds, and why may not that also happen, and even remain permanently, in the case of the nose, without prejudice to the morphological nature of the ,,Riech- knospen“, if they do appear ?. If they do not become differentiated, then the nose epithelium re- mains in a more embryonic condition (so to speak). How does Prof. Emery know that smell-buds are not always present in the nose in a disguised form? The facts recorded here for JACOBSON’s organ — a part of the nose! — should be taken to heart, for were it not for the development of the smell-bud ganglia it would hardly be possible to recognise the smell-buds themselves, but they would be present none the less! The questions here touched upon and the answer to Prof. GEGEN- BAUR’S argument regarding the nose and the branchial or lateral sense organs themselves could be best discussed after the publication of my further researches on these sense organs; this publication is all the more necessary as in my opinion the facts of development are very clear. Much of the morphology of the lateral line can be made out, and the phylogenetic origin of the sense organs appears to me to be now obvious. What the facts and probabilities are we shall see in the memoir which follows this. Here only the remark that Prof. Donrn’s recent statement (40, p. 452), that the lateral nerve grows from the ganglion to the peripheral sense organs just like an ordinary Morphological Studies, 777 nerve is wrong and misleading. How does an ordinary nerve grow ?!) In horizontal sections the mode of growth of the lateral nerve is seen to be as I formerly described it (36, pp. 19—20). Transverse sections of embryos, and on such sections Prof. Donen seems to have chiefly relied, are valueless for deciding this point. But I must now close. The researches in hand during the past two or three years in addition to other results, here rendered more and more certain the view that the nose and ear are specially modi- fied parts of the system of lateral or branchial sense organs. And there does not appear to be any evidence for any other view of their homology. If there be evidence to show that the nose and ear are modified gill-clefts, it ought to be produced. And regarding the gill nature of the ear Profs. Domrn and FRORIEP ought either to endeav- our to establish or to abandon their position. Though I agree with many of Donrn’s doctrines and conclusions, I cannot support the gill-cleft nature of nose, ear, or hypophysis. The true morphological nature of all three now appears to be clear, and personally, if I persist in my views, it is not because they are mine, but because they are so far the most satisfactory and most probable. Finally, I must once more point out that van WIJHE’S researches on the development of the olfactory nerve, as described in the intro- duction, have not the bearings on the question of the morphology of the nose which van WuHE’s ascribed to them. They support the view that the nose is the homologue of a segmental lateral sense organ, and show that its nerve is homologous with the sensory portion of a cranial segmental nerve. In possessing an epiblastic origin apart from the central nervous system as described by van Wie (55) the ol- factory nerve agrees with any other cranial segmental nerve. In brief, the olfactory nerve (better ganglionic foundation) is derived from two sources (lateral ganglion and neural ganglion) just as I recently stated to be the case for all true cranial segmental ganglia (37). 1) This question is answered very differently by different morpho- logists: see the recent memoirs of Profs. Donrn and His and of myself. 178 16. 17. 18. 19. Dr. J. BEARD, Bibliography of Jacobson’s organ‘). Baron, C., Das Jacossons’sche Organ des Schafes, in: Sitzungsbericht Akad. Wien. 1862. Beraneck, E., Sur le développement des nerfs craniens chez les Lézards, im: Recueil. Zool. Suisse. Vol. 1, 1884, p. 519. Born, G., Ueber die Nasenhöhlen und den Thränennasengang der Amphibien, in: Morph. Jahrb. Bd. 2, 1877. — — Die Nasenhöhlen und der Thranennasengang der Abamiotenl Theil L Ibid. Bd. 5. — — Theil II. 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The magnifications employed are A == 48, C = 120, D = 200, F — 460 diameters. Plate XXXVI. Fig. 1. Longitudinal vertical section of head of a Tropidonotus em- ; bryo to show Jacopson’s organ (J 0) and its branch of the olfac- tory nerve (ol II) Zeiss A. oc. 2. Fig. 2. A similar section of younger Tropidonotus embryo. Zeiss A. oc, 2. 1 Fig. 3. Sensory end-cells of a smell-bud of Jacogson’s organ. Adult T. natrix. Zeiss F. oc. 2. Fig. 4. Portion of sensory epithelium of JAcosson’s organ from the same embryo as Fig. 1. To show the ganglionic columns. Zeiss F. ‚ae. 2 Fig. 5. A similar column of Jacopson’s organ of a younger snake embryo. From the same embryo as fig. 6. Zriss F. oc. 2. Fig. 6. Jacospson’s organ and its innervation in a still younger stage than figs. 1 and 2, showing the first formation of the smell-bud ganglia. Zuiss C. oc. 2. Fig. 7. JacoBson’s organ of an adult 7. natrix in longitudinal section. The figure shows the ganglionic columns (s glc), the terminal smell- buds (sb) the branch of the olfactory nerve to JAcoBson’s organ (ol IT) and a large amount of pigment (p). g. 8. Section of the central termination of the olfactory in a lizard embryo, The figure shows the ganglionic basis of the olfactory Fi Li 189 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Dr. J. BEARD, nerve (0g) and its division into two portions corresponding to the division of the olfactory organ into the nose proper and Jacopson’s organ. The upper ganglion (ogI) belongs to the nose proper, the lower one (ogII) to Jacopson’s organ. Zeiss F. oc. 2. Plate XXXVI. 9. Jacogson’s organ in longitudinal vertical section. Lacerta agilis. From an embryo shortly before hatching. It shows very slight signs of the division into ganglionic columns. Zeiss D. oc. 2. 10. A similar section from a similar embryo of Anguis fragilis. Zeiss D. oc. 2. 11. Section through the region of the still open anterior neuro- pore of a very young lizard embryo, showing the first origin of the olfactory neural ganglionic foundation (ol a mn). Zeiss D. OC. 2. 12. Section through the fore-brain region of a very young lizard embryo. Shows the limits of the olfactory neuro -epithelium (se) and also the olfactory neural ganglonic foundation (olan). Zeıss iD voe:: 2: 13. Portion of the nasal epithelium from the same snake embryo as fig. 6. To show the indications of ganglionic columns (s gle) and smell-buds (sb) in the olfactory mucous membrane. Zeiss Doc 14. Section through the fore-brain region of a very young lizard embryo, to show the epiblastie origin of the olfactory nerve, 1. & of the olfactory neural ganglionic foundation (olan). Zeiss D. oc. 2. 15. Portion of the sensory epithelium of JAcopson’s organ from an adult T. natrix. The figure shows the terminal smell- buds (sb) and their ganglionic columns. Zeiss D. oc. 2. Plate XXXVIIT. 16 and 17. Two drawings of a section through the fore - brain region of a young Torpedo embryo. To show the origin of the olfactory neural ganglionic foundation (olan). Fig. 16. Zeiss F. CC ET Ariss ©. 200.02; 18. Section of a Torpedo embryo, showing the fusion of the ol- ° factory neural-ganglion (ol a n) with the neuro-epithelium (s e). Zeiss i DG ere 19. Horizontal section through the olfactory neuro-epithelium of a Torpedo embryo, showing the origin of ganglionic cells (ol g lateral ganglion) from the neuro-epithelium. Zeiss D. oc. 2. 20. Is a low-power drawing of the section from which fig. 18 was taken. Zeiss À. oc. 2, | Fig. Fig. Morphological Studies. 783 21. Transverse section of a Torpedo embryo, showing similar appearances to those seen in fig. 19. Also shows the limits of the olfactory epithelium. Zeiss D. oc. 2. 22. Shows the whole section from which the preceding figure was taken. The enclosed figure shows the portion depicted in fig. 24. Zeiss A. oc. 2. . 23. Longitudinal vertical section of the anterior part of the head of a young Anguis embryo, showing the neuro-epithelium giving rise to JAcoBson’s organ (Jo) and the nose proper (n). Zriss C. oc. 2. X 145. . 24. Section of a Torpedo embryo to show the epiblastic foundation of the olfactory neural-ganglion (ol a n). Zeiss F. oc. 2. Berichtigung. | | Seite 617 Zeile 11 von oben muss es statt: „Secret sind“ he sen: „Secret führend sind“. s : Ende von Bd. 3 Abth. f. Anat. F ünsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 517 romma che D rei (Hermann Pohle) in Jena i % MUC Y A. yale N qi ae tae eh ne wi . Zoolog. Jahrbücher Ba I Abth.f Morphol. 4 | ’ “ Zoolog. Jahrbücher Ba Mt. Abth. f Morphol. Svan Rees del Jerları ven Geseay Fischer ta Jentz Lith Anse v Werner & Water Frankia aa, ll prea uel jou RY Ih SU IEEE Lee x Gustav Fischer iJena 1 j » j ge "a ‘ a ‘ ” # Fe = a se er FE ae | — wi “ . : Ram oe . es LA à + = 5 DE. Gustav Fischer “ Zoolog. Jahrbücher: Bd M Morph. Abth. Lith AnstwA Giltsclil oid = a vn = Le] = o 2 125, > 5 a = (<=) = a => J N FR > al = “ a > » iF * ; A = en r. Pr. “- = oR. & we à à * y © ug P = é LA - LA L Lal 1 Zoolog, Iahrbnicher Bd II. Morph.Abth. Gustav Fischer Zoaluy Jahrbücher Ba Morph. Abth. . Gustav Fischer N . i . E a ® ‘ i ' i wR, | \ } a = ® y i ; \ ‘ i é ee d 3 Al ae . c x i Zoolog.Jahrhicher Ba IL Morgh. Alt. 2 OL De JOUODOU N + N N RW | UN qi in i soit ees > AR Varl.v. GustaWfischer RT Taf VU. 2 im cy un , . N Zudog Tbrhücher BAI Morph Ah. ; mstr mstr Gustav Fischer IB Ben re hae | ty 12 LT ln DE al oa pas bal U he RS 24 In oO Ssaribro 010701010700 °° > ZL _ Gustav Fischer | 12 vert Ludwig Will od, Abiltsch, Jena Ansty im 1) = 4 D = À = I | u & | 7 \ # - . + é u i ‘ i. 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A Giltsch Jena “ er LP a" D | PR Gay D 4 Bu Be a ve ih À EHER, = Soha Reh, Rind, Kaninchen. Schwetn,Hund Kätze, Mau Iwurf sel : Hase. Lemur, Hanate . Ratte. 15 1%. 15. TL | a wi f Ya 2 rereer £ A Y DL ' V4 < 1 Fledermaus, Flughund . et (Fr Cercopittecus ful Phoca vitulina Mensch. Jnuus radiat - erzfeld dei. Verl. v. Gustav Fischer iJena. Litt Ansty. A Giltseh Jena 2 : à x Kar ANS EN LE Rd Pod LA 0 bo» © oo © | i Herzfeld de or pn DE | UN 148 CS ONE i . © Fr + 7 r- ow? wes , a 7 ou 5 de + Be . 2 4 i iy, N : > 16 7 x . Ears Ce ER : wee ÿ im - . . “A x. = 2 a 4 A a É ñ 4 nn Ss 2 = 1e” u “ei x “ ù = My - 5 7 Û But 5 A . « . 7 = > iets Cr, = - br Le u . . 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