Ser = al | San tats ‘iY Asa aN ) N | um) AN N UE ‘ UE A D CR PA + Fe à [AA NR vi LU ALLEN: to Ÿ N ( RR Py AE N N} iy AE a oh Ly N ny 12 RO ak Mr, 4 M yl l a i van a u 4 Ue TW Win BN sd aM un: fi Al Li „ha NL FR vat , Le DR AN in EAU , zu i AURA i IAN ae WN ATI MIN NULS MUR NAT EL ei LT in i ll, ‘MN NU ’ u (A un) A ye Vie i (l alt Net N WA fav RON Mee MN ; AN ro ’ u CARE TP PEUT de ie » ware HE D LA re f AAA = à u Ik AAN AN ‘ NSH) \ x ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER ABTEILUNG FUR ANATOMIE UND ONTOGENIE DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON PROF. Dr. J. W. SPENGEL IN GIESSEN VIERUNDDREISSIGSTER BAND MIT 41 TAFELN UND 66 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1912 Alle Rechte, namentlich das der Übersetzung, vorbehalten. ICI § Inhalt. Erstes Heft. (Ausgegeben am 14. Juni 1912.) SCHOENEMUND, EDUARD, Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. Mit Tafel 1—2 und 3 Abbildungen im Text SCHEPOTIEFF, ALEXANDER, en über niedere an Mit Tafel 3 SUSLOY, SERGIUS, Uber die Kopf üsen ae len Orthopteren Mit Tafel 4—6 Mammen, HEINO, Uber die Morgkolenee de Heteropteren- und Homopterenstigmen. Mit Tafel 7—9 und 22 Abbildungen im Text Zweites Heft. (Ausgegeben am 28. Juni 1912.) BAUNACKE, WALTHER, Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. Mit Tafel 10—13 und 12 Abbildungen im Text . Drittes Heft. (Ausgegeben am 11. Juli 1912.) FOERSTER, Emi, Vergleichend-anatomische Untersuchungen über den Stechapparat der Ameisen. Mit Tafel 14—15 und 3 Ab- bildungen im Text . - SCHAXEL, JULIUS, Versuch einer rear ee dee Ent- wicklungsvorgänge. Mit Tafel 16—28 und 10 Abbildungen im Text ae : ete chee Seite IV Inhalt. Viertes Heft. (Ausgegeben am 25. Juli 1912.) Seite MOROFF, THEODOR, Cyto-histogenetische Studien. Mit Tafel 29—41 Br 16 Abbildungen im Dents Mr. ar 2 ee. ee . Entwicklung des Facettenauges bei Gristacaee ‘Mit Tafel 29 bis 38 a 7 Abbildungen im Text . . . . 482 2. Über die Entwicklung des Muskelgewebes bei Ces Mit Tafel 39—41 und 9 Abbildungen im Text . . . 553 Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten, Von Eduard Schoenemund. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Münster.) Mit Tafel 1—2 und 3 Abbildungen im Text. Einleitung. Bei den anatomischen Untersuchungen der Pseudoneuropteren, besonders der Amphibiotica, hat man wichtige Tatsachen entdeckt, die vielleicht von nicht geringer Bedeutung für das Problem der Phylogenie der Insecten sind. Hauptsächlich waren es die Ephe- meriden, die eines eingehenderen Studiums für würdig gehalten wurden, weil man bei ihnen noch nicht jene hohe organische Differenzierung vorfand wie bei den anderen Insecten. Jedoch auch den Perliden, einer den Ephemeriden nahestehenden Gruppe, wird man größeres Interesse entgegenbringen müssen, denn diese repräsen- tieren ebenfalls wegen ihres ursprünglichen Baues und der Art der Entwicklung eine niedrige Organisationsstufe, trotzdem sie in der Ausbildung einzelner Organe, z. B. der Geschlechtsorgane, wesentlich anders gestaltet sind. Bereits seit Durour (1841) kannte man bei den Perliden jenen merkwürdigen Zustand der schlingenförmigen Anlage der inneren Genitalien, während im übrigen den Anatomen die Tiere in biologischer und besonders auch in genetischer Be- ziehung noch recht wenig bekannt sind. Diese Tatsache nun, daß bei einem ganz flüchtigen Studium dieser Tiere solch interessante Verhältnisse gefunden wurden, legte die Annahme nahe, daß ein genaues Studium derselben für die Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 1 2 EDUARD SCHOENEMUND, Wissenschaft nicht ohne jede Förderung sein werde. Wie ich be- reits in einem Vortrage vom 23. Januar 1911 vor der Medizinisch- naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Münster mitteilen konnte, ist eine solche Arbeit nicht ohne Resultate gewesen. Das Männchen von Perla marginata zeigt nämlich eine obligate hermaphrodite Sexualanlage und zwar in einem Verhältnis, wie es überhaupt unter den Inseeten noch nicht beobachtet ist. Daher erscheint es wünschens- wert, daß eine so merkwürdige Gruppe von Tieren eingehender von den Zoologen studiert wird. Aus diesem Grunde mag auch wohl mein hochverehrter Lehrer, Herr Prof. Dr. W. STEMPELL, mir die Aufgabe gestellt haben, nähere Angaben über die Biologie und Morphologie der größeren Perliden zu machen. In der Literatur finden sich nur spärliche Nachrichten über die Perliden vor. Hauptsächlich ist es die systematische Seite, welche eingehender berücksichtigt ist. Eine sehr schöne Übersicht über die gesamte Perliden-Literatur bis zum Jahre 1841 finden wir in Pıcrer’s Schrift: „Histoire naturelle des Insectes Neuroptères. Famille des Perlides. Genève 1841.* Bis dahin kannte man etwa nur 20 Arten, deren Diagnose noch dazu in den meisten Fällen zweifelhaft war. Einige kurze Aufschlüsse über die Anatomie dieser Tiergruppe waren schon von BURMEISTER (1839) gegeben worden, jedoch konnte mit den Hilfsmitteln damaliger Zeit nur weniges geleistet werden. Weit bessere Resultate lieferten schon die Untersuchungen von L. Durour (1841). Besonders bemerkens- wert sind seine Angaben und Abbildungen über die bei den Perliden typisch vorkommenden inneren Genitalien. Ganz bedeutend erweitert wurde die Kenntnis dieser Tiergruppe durch das großartige Werk des Genfer Zoologen Pıcrer (1842). Dieser Gelehrte zählt schon nicht weniger als 7 Genera mit über 100 Arten auf. Zu seinen anatomischen Untersuchungen hatte er hauptsächlich wegen des leichteren Studiums der einzelnen Organe die größte Art (Perla bipunctata) verwandt. Bis in neuere Zeit bildete sein Werk in jeder Beziehung die beste und zuverlässigste Quelle Fast alle anderen Arbeiten des 19. Jahrhunderts, meistenteils systematischen Inhaltes, bewegen sich im Rahmen von Prcrers Schrift. Einige kleinere oder größere Beiträge zur Biologie und Anatomie lieferten noch A. GERSTÄCKER, 1873—1874, SCHINDLER, 1878, PALMÉN, 1877 bis 1884, O. E. Imnor, 1881 und KATHARINER, 1901. GERSTÄCKER und PALMÉN machten bei den Perliden die bis dahin ganz unerhörte Entdeckung, daß die Tracheenkiemen bei den Imagines persistieren. Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 3 Im#or hat etwas genauer einzelne Organe von Perla maxima studiert, jedoch auch er läßt uns noch über manche Punkte im unklaren. Die Larven sind von ihm nicht einmal erwähnt worden. Als in neuerer Zeit die moderne Systematik in der Morphologie der Genitalanhänge ein vorzügliches Mittel zur Kennzeichnung der einzelnen Arten er- blickte, wandte man sich auch wieder mehr den Perliden zu. Welch dankbares Arbeitsfeld sich hier den Forschern öffnete, zeigen eine Reihe vorzüglicher Abhandlungen von Ris, KEMPNY, KLAPÂLEK. Letzterer hat besonders viele systematische Schriften veröffentlicht. Eine kurze Zusammenfassung seiner Arbeiten finden wir in dem bekannten Heftchen: „Die Süsswasserfauna Deutschlands, Berlin 1909.“ Immerhin ist unsere Kenntnis von der Biologie, Morphologie und Anatomie der Perliden, besonders aber der Larven noch als recht lückenhaft zu bezeichnen. Selbst nicht einmal über die größeren, für anatomische Studien sehr geeigneten Arten ist man genügend unterrichtet, was um so merkwürdiger erscheint, als doch diese Tiere in fast jedem Gebirgsbache anzutreffen sind. In vorliegender Arbeit möchte ich nun die Resultate meiner eigenen Untersuchungen niederlegen. Es war nicht meine Absicht, die einzelnen Organe erschöpfend zu behandeln, vielmehr habe ich nur überall das Wesentliche hervorzuheben versucht. Gern benutzte ich dabei die Gelegenheit, früher gemachte Angaben zu bestätigen und namentlich auch zu erweitern. Herrn Dr. H. JAKOBFEUERBORN, Assistent am hiesigen zoologischen Institut, schulde ich vielen Dank für das Interesse, welches er dieser Arbeit entgegenbrachte. ‘ Herrn Privatdozenten Dr. A. THIENEMANN muß ich besonders danken für die freundliche Überlassung der einschlägigen Literatur. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. W. STEMPELL, möchte ich meinen tiefgefühlten Dank aussprechen für die Anregung dieser Arbeit und ganz besonders für die vielen im Verlaufe dieser Arbeit mir erteilten Ratschläge. Bereitwilligst stellte er mir auch immer zu meinen Exkursionen in das Sauerland Mikroskope aus seinem Privatlaboratorium zur Verfügung. Benennung unserer Arten. Uber die Benennung der einzelnen Perlidenarten scheinen sich die verschiedenen Autoren noch nicht einig zu sein. Auch die Namen der 3 größten Species, die auf ihrem Larvenstadium durch büschel- förmige Tracheenkiemen atmen, variieren sehr in der Systematik. < 1* 4 EDUARD SCHOENEMUND, Nach den internationalen Regeln der zoologischen Nomenklatur soll jedes Tier den Namen desjenigen Autors beibehalten, welcher das- selbe so beschrieben hat, daß man es deutlich wiedererkennen kann. Wohl gibt uns nun schon Scopozr im Jahre 1763 eine kurze Dia- gnose von einer Perla maxima, die es aber in manchen Punkten zweifelhaft erscheinen läßt, welche Art er damit gemeint hat. So sagt denn schon Pıcter in einer Anmerkung (1842, p. 201): „La citation de Scorouı est douteuse, peut-être a-t-il voulu décrire la Perla bipunctata, on le croirait à la phrase: ,alis nitidis, albidis“ mais les mots: „thorace nigro, pedibus fuscis* me paraissent rendre plus probable qu'il a eu entre les mains la Perla marginata.“ Auch eine kurze Beschreibung der Larve finden wir bei ScoroLı, von ihr glaubt Prcrer, daß sie auf die größte Perlide, nämlich auf die von ihm als „Perla bipunctata“ bezeichnete Species paßt (vgl. Prcrer, p. 8). Jeder Perlidenkenner wird nun aber wissen, daß die Imagines der beiden Arten nur sehr schwer, die Larven dagegen viel leichter zu unter- scheiden sind. Wenn also in diesem Falle nur die Beschreibung der Larve ausschlaggebend für uns sein kann, so wäre ja eben nach PıcreEr’s Meinung selbst Perla maxima ScoroLı identisch mit Perla bipunctata Picrer. Dieser Ansicht ist auch ImHor in seiner Arbeit: „Beiträge zur Anatomie von Perla maxima Scor.“, desgleichen Tümrer (1901). Auch KLAPALex, der die Perliden in großer Anzahl nach der syste- matischen Seite hin bearbeitet hat, hält in seiner im „Bulletin inter- national de l’Académie des Sciences de Bohême“ (1907) erschienenen Abhandlung Perla bipunctata Prior. für synonym mit Perla maxima Scop. Doch wird er in seiner Benennung inkonsequent, da er in dem bekannten Heftchen „Die Süsswasserfauna Deutschlands“ (Berlin 1909) die von Picrer als Perla marginata bezeichnete Art mit dem Namen Perla maxima Scor. belegt. Die größte Art bezeichnet dann derselbe Autor als Perla abdominalis Burm., was mir vollends un- verständlich ist, da BURMEISTER (vgl. p. 881) nur ein einziges Exemplar als Imago von weit geringerer Körpergröße gesehen hat. Eben weil in einem solch neuen, allgemein bekannten Werke eine derartige Namenverwechslung sich vorfindet, sah ich mich veranlaßt, die speziellen Beschreibungen der einzelnen Autoren zu prüfen und an dieser Stelle näher darauf einzugehen. Nach meinen Festsetzungen sind als synonym zu betrachten: 1. Perla marginata Panzer (Perla bicaudata SULZER, Perla marginata BURMEISTER, Perla marginata Prcr.). Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 5 2. Perla maxima Scorouı (Perla bicaudata Newman, Perla cephalotes Burm., Perla bipunctata Prcr.). 3. Perla cephalotes Curtis (Perla bipunctata Röm., Perla cepha- lotes Newman, Perla bipunctata BURM.). Bei Perla cephalotes ist wohl wegen der auffälligen Punktierung und der rotbraunen Farbe der Larve eine Verwechslung mit den anderen beiden Arten vüllig ausgeschlossen. I. Biologie. Embryonalperiode und erstes Larvenstadium. Bestimmte Angaben iiber die Lebensvorginge auf dem Em- bryonalstadium der größeren Perla-Arten vermag ich nicht zu machen, da sich mir keine Gelegenheit bot, die hierzu nötigen sorg- fältigen Beobachtungen anzustellen. Auch die Dauer der Embryonal- periode wird schwer zu begrenzen sein, da sie selbst für die ein- zelnen Individuen derselben Art verschieden ist, wie denn ganz allgemein gerade hinsichtlich dieses Punktes noch zahlreiche Meinungsverschiedenheiten unter den Biologen bestehen.. Aus dem ersten Auftreten der noch sehr kleinen Larven schließe ich, dab diese erst nach 6—8 Wochen aus dem Ei schlüpfen. Sie haben einen verlängerten Körper, an dem man eine Anzahl gleichgrober Segmente wahrnimmt. Es hält dann selbst mit der Lupe noch schwer, sie als Perliden-Larven von denen der Ephemeriden zu unterscheiden, jedoch zeigen letztere meist einen dickeren und höheren Thorax und ein spitz zulaufendes Abdomen, was bei den Perliden nicht der Fall ist. Äußere Atmungsorgane scheinen noch gänzlich zu fehlen. Es muß also wohl eine Atmung durch das noch zarte Körperintegument stattfinden und auch noch vollständig aus- reichen. Larvenstadium. Nach wenigen Häutungen tritt bald die für die groben Perla- Larven charakteristische Körpergestalt auf. Der Kopf nimmt eine platte Form an, der Thorax wird schon breit und kräftig, während das Abdomen noch ziemlich klein bleibt. Zugleich stülpen sich an den Seiten des Thorax die Tracheenkiemen hervor. Sie stellen wenig verästelte Büschel mit langen Fäden dar. So reichen z. B. die am hinteren Thorax sich befindenden Kiemenfäden bis zum 7. Abdo- 6 EDUARD SCHOENEMUND, minalsegment. Aber nicht alle Kiemenbüschel treten zu gleicher Zeit auf, die kleineren bemerkt man erst bei zunehmendem Alter; über- haupt entwickeln die Tracheenkiemen ihre definitive Gestalt erst auf den sukzessiven Larvenstadien. Die aktive Schwimmbewegung wird durch die Behaarung der Beine ermöglicht, da Tibia und Femur mit starkem Borstenbesatz versehen sind. Beim Anziehen der Beine folgen die Borsten, ohne dem Wasser merklichen Widerstand zu leisten, beim Ausstoßen legt sich aber der Borstenbesatz zur Seite und vergrößert so die Druck- fläche. Unterstützt wird die Schwimmbewegung noch durch seit- liches Hin- und Herbewegen des ganzen Körpers, dabei bietet das Abdomen mit den langen Schwanzfäden ein ganz vorzügliches Steuer. Geraten die Larven in eine starke Strömung, so vermögen sie nicht zu schwimmen, sie spreizen dann die Beine weit aus und suchen irgendeinen Gegenstand am Boden zu erreichen, an dem sie sich fest- klammern. Überhaupt schwimmen die Perliden nur äußerst selten, weil die Tiere sehr lichtscheu sind. Legt man nämlich in ein Aquarium ein Stück Holz oder dgl., so findet man nach kurzer Zeit alle Larven unter demselben und zwar an der dem Licht abgewandten Seite. Ist der Gegenstand zu klein, so daß nicht alle einen Platz an dem- selben finden, so hängen sie sich nach Art eines Bienenschwarmes untereinander fest. Nur selten sieht man sie, gewöhnlich auf der Suche nach Nahrung, scheu über den Boden laufen, vorsichtig mit den langen Fühlern tastend und mit den großen Augen umherspähend. Die Nahrung der kleinen Larven besteht hauptsächlich aus In- fusorien und Kieselalgen, die sich an den Steinen in reichlicher Menge vorfinden. Auch sind im Wasser genug organische Reste pflanzlicher wie tierischer Organismen vorhanden, von denen sie zehren. Die größeren Larven dagegen sind wahre Räuber. Sie stellen besonders ihren nächsten Verwandten, den Ephemeridenlarven, nach. Aus dem Hinterhalt lauern sie ihrer Beute auf, halten sie mit den spitzen Maxillen wie mit einer Zange fest, während die Mandibeln die Nahrung zerbeißen und durch den Pharynx in den Verdauungs- kanal hineinschieben. Auch kommt es vor, daß ganze Tiere und Stücke derselben verschlungen werden, die dann erst im Kaumagen zerkleinert werden. Hauptsächlich sind es die in Gebirgswässern häufig vorkommenden Larven von Baetis, Habrophlebia und Oli- goneuria. Aber auch andere Arten von Ephemeriden werden mit gleicher Vorliebe verzehrt, was auch wohl schon bekannt ist. In einer neueren Arbeit von DRENKELFORT dagegen wird es als Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 7 zweifelhaft hingestellt (1910, p. 537). Dieser Autor wird aber sicher- lich seine hierzu angestellten Versuche mit kleineren Perliden- Gattungen, wie Nemura u. a, vorgenommen haben. Man braucht ja nur eine große Perla-Larve mit einer Ephemeride in ein Sammelglas zu tun, so wird man bald sehen, welche Feindschaft und Erbitterung zwischen beiden sogar in der Gefangenschaft besteht. Aber auch kleinere Tiere derselben Gattung resp. Art sind vor den größeren Exemplaren nicht sicher. Besonders häufig werden die sehr kleinen Männchen von den größeren Weibchen angegriffen. Mehrmals fand ich ein kleines Männchen ganz im Kropf einer größeren weiblichen Larve vor. In der Gefangenschaft dagegen greifen die Tiere selten Individuen derselben Art an. Tote Exemplare wurden aber fast voll- ständig bis auf die Chitinhaut aufgefressen. Zuweilen kam es auch vor, daß selbst die größten Larven bei der Häutung oder direkt vor derselben, wo sie ja fast völlig wehrlos sind, angegriffen und gänz- lich aufgezehrt wurden. Da es mir nun in Münster an Ephemeridenlarven fehlte, so nahm ich Fütterungsversuche mit anderen kleinen Wasser- tieren, wie Chironomidenlarven und Tubifex, vor, doch blieben die- selben ohne Erfolg. Die Tiere waren sogar imstande, 6 Wochen und noch länger bis zu ihrem Ausschlüpfen ohne Nahrung zuzu- bringen, ja sie fühlten sich anscheinend noch recht wohl dabei. Allerdings war dann das Fettgewebe, welches sonst den ganzen Körper dicht auspolsterte, stark reduziert. Bei der Aufzucht mußte ich jedoch für Nahrung sorgen, falls eine normale Entwicklung statt- finden sollte. Von Hunger getrieben, wagten sich die größeren Arten schließlich an Gammarus, jedoch konnten die kleinen Exemplare diesem nichts anhaben. Schließlich fand ich einen völligen Nahrungs- ersatz in Asellus aquaticus, welcher auch leicht von den kleineren Larven überwunden werden kann. Wie ich konstatieren konnte, frißt eine große ausgewachsene Perla-Larve täglich 2—3 Ephemeridenlarven. Man sollte deshalb glauben, die Entwicklung schreite rasch voran. Bis jetzt nahm man auch fast allgemein an, daß die Lebensdauer der Perliden auf ihrem Larvenstadium nur 1 Jahr dauere. Derselben Ansicht war auch Picrer, obwohl er nichts Sicheres mitteilen konnte. Erst in einer jüngst erschienenen Arbeit von FERD. NEERACHER (Genf 1910) wird dieser Frage wieder Erwähnung getan. Die Untersuchungen dieses Forschers über die Lebensdauer der Larven gründen sich aber nicht auf Zuchtversuche, sondern nur auf Be- 8 Epuarp SCHOENEMUND, obachtungen im Freien. Er schreibt: „Sehr leicht läßt sich die Entwickelung der Perlidenlarven verfolgen. Einige Monate nach beendeter Flugzeit trifft man die winzigen, noch nicht bestimmbaren Larven im Algen- und Moosrasen des Flußbettes scharenweise an. Sie beginnen nun, sich über das ganze Flußbett zu verteilen, be- wohnen die ihnen am besten zusagenden Stellen und wachsen sehr rasch. Im Oktober sind sie schon halb ausgewachsen, im Laufe des Winters, bzw. des Frühlings erreichen sie ihre maximale Größe; alle Exemplare besitzen alsdann dunkle Flügelscheiden; in den Mund- werkzeugen, Flügelscheiden, den Beinen und Schwanzfäden schimmern bereits die Körperteile der Imago durch. Nachdem die Flugzeit vor- über ist, sind alle Larven verschwunden, was aufs deutlichste zu konstatieren ist. Die Lebensdauer der Perlidenlarven beträgt somit ein Jahr.“ Obige Beschreibung trifft vielleicht für die kleinen Perliden- Arten zu, jedoch für die größeren Arten paßt sie auch nicht in einem einzigen Punkte. Meine Angaben stützen sich auf vollständige Zuchtversuche. Zu diesem Zwecke hatte ich im hiesigen Institut ein den Verhältnissen möglichst angepaßtes Aquarium aufgebaut. Alle 3—4 Wochen unternahm ich eine Exkursion in das Sauerland, um die dortigen Formen mit meinen gezüchteten zu vergleichen. Hier fand ich ebenso wie STEINMANN (1907) in den Gebirgsbächen der Schweiz das ganze Jahr hindurch Larven der verschiedensten Altersstufen nebeneinander. Im August, also 1—2 Monate nach beendeter Flugzeit, traf ich schon Exemplare an, die so vollständig ausgebildet und entwickelt waren, daß ich glaubte, es seien Nach- zügler, die sich noch im Spätherbst in Imagines verwandeln würden. Daneben traten alle Übergangsformen bis zu den kleinsten Arten auf. In das Aquarium gesetzt, entwickelten sich alle in normaler Weise ebenso wie in der freien Natur. Sie reagierten nicht auf Temperaturunterschiede, denn obwohl ich während des ganzen Winters das Wasser auf 13°C erwärmt hatte und auch die Zimmer- temperatur etwa 18° C betrug, so ließ sich trotzdem bei den schon im Spätsommer vollständig ausgewachsenen Individuen die Entwick- lung nicht bis zu einer vorzeitigen Reife treiben. Erst im Mai, also in der jährlichen Flugperiode, schlüpften die größeren Exemplare aus. Auch die Entwicklung der kleineren Larven hatte nur sehr mäßige Fortschritte gemacht. Im Sommer fanden etwa alle 6—8 Wochen regelmäßige Häutungen statt, im Winter dagegen konnte ich während der Dauer von 3 Monaten auch nicht eine Larvenhäutung beobachten, Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 9 obwohl im Aquarium alle etwaigen schädlichen Einflüsse der rauhen Jahreszeit ausgeschaltet waren. Anscheinend machen also die Per- liden im Winter eine Ruheperiode durch, und man findet sie deshalb auch besonders am Grunde der Gewässer vor. Diese angestellten Versuche und Beobachtungen lassen es nun außer allem Zweifel er- scheinen, daß die Entwicklung der größten Perliden-Arten ebenso wie bei vielen Ephemeriden mindestens 2, wenn nicht sogar 3 Jahre beansprucht. Nymphenstadium. Etwa 5 Wochen vor der Ausbildung zum geschlechtsreifen Tier findet die letzte Larvenhäutung im Wasser statt. Die Larve ist zur Nymphe geworden. War bis jetzt das ganze muntere und räuberische Leben des Tieres nur auf Nahrung und Beute gerichtet, so ist es jetzt um so ruhiger geworden, denn auf diesem Stadium voll- zieht sich die innere Metamorphose. Die Nymphe nimmt auch nur selten Nahrung zu sich, denn sie hat ja in ihrem Körper genügend Reservestoffe aufgespeichert, die nun auch fast sämtlich, namentlich von den Geschlechtsdrüsen, resorbiert werden. Hat sich nun im Innern die Umwandlung vollzogen, so kann man leicht beobachten, wie überall die Hypodermis sich von der alten Chitinschicht los- trennt. Die bis dahin flachen Flügelscheiden wölben sich etwas. Die Mundwerkzeuge werden funktionslos und ganz weichhäutig. Das Chitinskelet nimmt eine dunkle Färbung an, so daß die schönen gelben Zeichnungen am Körper verwischt werden. Ist die Zeit der Metamorphose gekommen, so kriecht die Nymphe aus dem Wasser. Nach den Angaben von KATHARINER und NEERACHER soll die letzte Häutung ausschließlich des Nachts resp. nach Mitternacht stattfinden. Im Gegensatz hierzu schlüpften in meinem Aquarium die meisten Tiere am Tage aus; wohl waren sie des Morgens schon aus dem Wasser gestiegen, jedoch verweilten sie meistens 1—2 Stunden außerhalb des Wassers noch in ihrer alten Hülle. Man bemerkt deutlich, wie der Thorax sich immer wieder dehnt und dann wieder etwas sich zusammenzieht. Schließlich zerreißt der Chitinpanzer auf dem Rücken in einer vorgebildeten Naht, und in 1—2 Stunden ist das geschlechtsreife, geflügelte Tier fertig. Findet die Perlide keinen Gegenstand, an dem sie sich festklammern kann, so springt wohl die Naht auf dem Thorax auf, aber dann wirkt die alte Hülle wie ein Schlingnetz auf das Tier, und es geht zugrunde. Eine auf- 10 [EDUARD SCHOENEMUND, fallende Erscheinung, die KaATHARINER wahrnahm und welche ich auch bestätigen kann, besteht bei den größten Perliden in der Art der Befestigung. Findet nämlich die Nymphe keinen geeigneten, rauhen Gegenstand, an dem sie ihre Metamorphose vollziehen kann, so vermag sie auch an nicht allzu glatten Steinen ihre alte Haut abzustreifen. Zu diesem Zwecke wirft sie zunächst die chitinige Auskleidung des Vorderdarmes aus, die des Kaumagens trocknet dann an den Steinen an und dient als Anker, die der Speiseröhre als Tau. So wird also der Nymphe ein leichteres Ausschlüpfen möglich, jedoch sind in jedem Falle, und sei es auch nur durch Adhäsion, die Extremitäten ebenfalls befestigt. Eine bloße Fixierung der Haut durch Auswerfen des Kaumagens gestattet aber noch nicht, wie KATHARINER annimmt, eine Häutung. Man kann sich leicht hiervon überzeugen, indem man ein Exemplar auf eine glasierte Unterlage bringt. Wohl befestigt sich die Larve in der eben beschriebenen Weise, auch springt die Rückennaht des Thorax auf, aber die Imago vermag nicht die alte Hülle von den Beinen zu streifen und geht zugrunde. An dieser Stelle möchte ich eine ebenfalls schon von KATHARINER beobachtete Erscheinung erwähnen. Dieser Biologe hatte nämlich an frisch ausgeschlüpften Tieren, besonders unter den Flügelwurzeln, eine große Anzahl roter Milbenlarven gefunden. Desgleichen fand er die im Wasser lebenden Perla-Larven, namentlich die Kiemen- büschel derselben, mit den Milben behaftet. Man wäre hiernach vielleicht geneigt zu glauben, es handle sich um Parasitismus von seiten dieser Acarinen. Indessen kann ich mitteilen, daß diese kleinen Geschöpfe an den Perliden nur Transport, aber keine Nahrung suchen. Während des ganzen Jahres konnte ich trotz größter Auf- merksamkeit keine Milben an den Kiemen oder Extremitäten der Perla-Larven vorfinden. Interessant ist es nun, daß gerade in der Flugzeit, wo also die Nymphen ihre Metamorphose vollziehen, die Acarinen angetroffen werden. Sie sitzen, wie gesagt, in großer Anzahl, ca. 40—80, zwischen den einzelnen Kiemenfäden versteckt. Wenn nun ihr Wirt aus dem Wasser steigt, wandern sie in dem Moment, wo die Häutung vollzogen wird, schnell auf das geflügelte Insect über. Was weiter aus diesen Milbenlarven wird, kann ich nicht mit- teilen. Wohl habe ich zu diesem Zwecke eine große Anzahl von Perliden untersucht, aber immer fand ich die sechsfüßige, niemals die achtfüßige Form vor. Jedenfalls darf man wohl an- Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 11 nehmen, dab diese kleinen Tiere, da sie keiner großen aktiven Be- weglichkeit fähig sind, nur deshalb die Perlidenlarven aufsuchen, um in andere Gewässer verschleppt zu werden. Welche Hydrachniden- Species wir hier vor uns haben, vermag ich nicht anzugeben. Herr Dr. A. Tuıenemann war so freundlich, einige Vertreter dieser Art zur Prüfung dem hervorragenden Hydrachnologen Herrn F. KönıkE in Bremen zu unterbreiten. Leider kann auch er noch nicht mit Sicherheit sagen, in welche Gattung die Larven gehören. Höchst auffallend ist es noch, daß die Acarinen nur die Perliden befallen, während die in überaus großer Anzahl in demselben Wasser sich vorfindenden Ephemeridenlarven von ihnen verschont bleiben, obwohl doch gerade deren Imagines zur weiteren Verbreitung und Ver- schleppung geeigneter wären. Sicherlich wird die zu schnell er- folgende Häutung der Ephemeriden den Milben nicht genug Zeit bieten, auf den neuen Wirt überzusiedeln. Vielleicht mag auch der Grund in der nochmaligen Häutung der Subimago zu suchen sein. Imagostadium. Nach langer, mehrjähriger Entwicklung geht endlich aus der Larve resp. Nymphe durch die Metamorphose das geschlechtsreife Individuum, die Imago, hervor. Der Zeitpunkt des Erscheinens ist nicht überall derselbe. KrariLer führt in Heft 8 der „Süsswasser- fauna Deutschlands“ 1909 für die großen Perla-Arten die Monate Juni und Juli an. Im westlichen Deutschland, in Westfalen und Rheinland, beginnt die Flugzeit schon Anfang Mai, dagegen ist sie Mitte Juni schon meistens beendet. Als Dauer der Flugzeit führt NEERACHER für Perla cephalotes 3 Wochen, für Perla maxima aber 10 Wochen, für Perla marginata überhaupt keinen Zeitpunkt an. In hiesiger Gegend währt die Flugzeit nicht so lang. Sie beträgt für die im Sauerlande am häufigsten vorkommende Art, Perla margi- nata, etwa 5 Wochen, für Perla cephalotes und Perla maxima etwa 4 Wochen. Nur selten erheben sich die größeren Arten in schwer- fälligem Fluge in die Luft, gleiten dann aber bald wieder zu Boden. Das kurze Leben der Perliden ist nur der Erhaltung der Art gewidmet und erreicht bald nach der Copulation sein Ende. Nach der Befruchtung legt das Weibchen seine Eier ab. Diese werden nach und nach aus dem Oviduct entleert, bleiben aber noch, durch eine klebrige Flüssigkeit zusammengehalten, an der Unterseite des Abdomens haften, bis sie sich zu einem kleinen Eierpaketchen angehäuft haben. Erst dann fliegt das Weibchen zum nahe gelegenen Gewässer, um dort 12 EDUARD SCHOENEMUND, seine Eier, die es wie ein kleines Paketchen am Abdomen umher- trägt, unbekümmert um ihre Zukunft ins Wasser fallen zu lassen. Hier löst sich jedoch das Paketchen wieder auf, und die einzelnen Eier werden von dem fließenden Wasser fortgerissen und bleiben schließlich mittels ihres firnisartigen Überzuges leicht an Steinen, ganz besonders auch an glatten Kieseln haften. Die Eier insgesamt werden für gewöhnlich in 2—3 Paketchen abgeworfen. Der Grund hierfür liegt wohl darin, daß es so dem Weibchen ermöglicht wird, desto sicherer seine Eier abzulegen, anderenfalls es stets Gefahr laufen würde, von dem fließenden Wasser ergriffen zu werden. Wird ein Weibchen nicht befruchtet, so erfolgt trotzdem eine Eiablage, jedoch tritt dann meistens schon der Tod ein, bevor noch die Eier sämtlich abgelegt sind. Die Lebensdauer der einzelnen Individuen ist sehr ver- schieden. Vollzieht sich bald nach dem Ausschlüpfen die Copu- lation, so erfolgt auch bald der Tod. Im Durchschnitt leben die Weibchen etwa 4—6 Tage. Männliche Exemplare halten sich ungefähr 6—10 Tage in der Gefangenschaft, sie besitzen mithin eine größere Lebensdauer. Auch schlüpfen dieselben meistens schon vorher aus, da beim Auftreten der weiblichen Artgenossen die Männchen bereits vorhanden sein müssen, weil sonst die Weibchen ihre Eier, wenn auch noch unbefruchtet, ablegen. Diese kurze Lebensdauer der Perliden ist aber nicht durch Nahrungsmittel bedingt. War die Larve ein gefräßiger Räuber mit scharfen Mundwerkzeugen, so ist die Imago ein ebenso harmloses Insect. Man wußte bisher noch nicht mit Sicherheit, ob die aus- geschliipften Tiere irgendwelche Nahrung zu sich nehmen, denn aus den vüllig riickgebildeten Mundwerkzeugen wie auch aus der Be- schaffenheit des Darmkanals dürfte man einigermaßen sichere Schlüsse ziehen. Die großen Perla-Arten nehmen, wie ich mit Sicherheit konstatieren konnte, keine feste Nahrung zu sich, denn sie haben in ihrem Körper immer noch genügend Reservestoffe auf- gespeichert. Vermochte schon die Larve, also ein in der Entwick- lung begriffenes Tier, 6—8 Wochen ohne Nahrung zuzubringen, so ist dieses um so eher von dem schon ausgewachsenen Insect anzu- nehmen. Dies bestätigt auch NEERACHER in seiner jüngst er- schienenen Arbeit, jedoch behauptet er, daß die Imagines gar keine, nicht einmal flüssige Nahrung zu sich nehmen. Dieser Behauptung widerspricht aber folgende von mir gemachte Beobachtung. Als ich ein Weibchen nur !/, Tag lang unter einer Glasglocke der Sonne Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 13 aussetzte und zufällig ein Wassertropfen das Glas benetzte, stürzte das Tier sofort auf denselben zu und genoß davon. Mehrmals da- von abgewehrt, kehrte es immer wieder sofort zu demselben zurück. Dieses Experiment habe ich dann noch oft ausgeführt. Es unter- liegt deshalb wohl keinem Zweifel, daß die Imagines in der heißen Sonnenglut flüssiger Nahrung bedürfen und diese teils von Wasser, teils von Blütensäften zu sich nehmen. Wir haben so einen kurzen Überblick über die Lebensverhält- nisse unserer Perla-Arten auf ihren verschiedenen Entwicklungs- stadien erhalten. Es ist wohl leicht verständlich, daß diese Tiere eben wegen ihrer versteckten Lebensweise und ihrer unauffälligen Farben bisher nur wenig Freunde gefunden haben. Im Haushalte der Natur aber spielen sie unzweifelhaft eine große Rolle. Sie sind hauptsächlich Bewohner klarer Gebirgswässer und bilden in diesen nebst Eintagsfliegenlarven und anderen Tieren eine vorzügliche Nahrung der Forellen. Diese Tatsache ist dem Angler auch recht wohl bekannt, und Larven sowohl wie Imagines liefern ihm für den Fischfang einen besseren Köder als irgendein anderes Tier. Fundorte, Fang und Aufzucht der Larven. Lebensfähigkeit ohne Wasser. Wohl zu jeder Jahreszeit kann man die Perla-Larven in den- jenigen Gebirgswässern vorfinden, welche auch reich an anderen Wassertieren, besonders an Ephemeridenlarven sind. An Stellen, wo das Wasser durch Fabrikanlagen verunreinigt ist, sind sie eine gute Strecke flufabwärts nicht anzutreffen, deseleichen auch selten dort, wo der Fluß einen trägen Lauf hat. Unterhalb von Wehren und an Orten, welche ein Felsenbett mit reichlichem Steingeröll haben, fängt man immer Perla. So habe ich auf einer solchen Strecke von etwa 10 m innerhalb kurzer Zeit wohl ca. 300 große Exemplare gefangen. Zum Fangen selbst bedarf man keinerlei Hilfsmittel. Da die Larven unter Steinen leben, so hebt man letztere möglichst schnell aus dem Wasser, indem man dabei ihre Unterseite ebenso rasch nach oben wendet, da sich sonst die Tiere sofort in das Wasser fallen lassen. Aber selbst dann noch muß man sie eilig mit der Hand fassen, da sie immer auf die dem Suchenden ab- gewandte Seite zu fliehen streben, um sich dann in das Wasser zu stürzen. Ganz junge Exemplare kann man vorsichtig mit einem kleinen, weichen Pinsel von den Steinen absuchen. Will man die 14 Epvuarp SCHOENEMUND, Larven lebend mit nach Hause nehmen, so muß man sie recht auf- merksam behandeln. Man wirft 1 oder höchstens 2 Exemplare in ein gewöhnliches Sammelglas, daß etwa nur '/, mit frischem Wasser angefüllt ist. Unterwees wird man dann dasselbe möglichst oft er- neuern. Sehr häufig geschieht es trotzdem, daß die Larven wegen mangelhafter Sauerstoffzufuhr regungslos geworden sind und der Körper wie bei einem toten Exemplar ganz starr und leblos er- scheint. Um sie dann wieder munter zu machen, lege man sie mit dem Rücken in eine flache Schale, jedoch darf dann das Wasser eben nur den Boden überdecken und die Kiemen benetzen. Bald wird man bemerken, oft erst nach einigen Stunden, wie die Ex- tremitäten rhythmisch sich bewegen. Man bringe sie alsdann in ein Aquarium. Hier bietet ihnen klares Flußwasser, wenn es täg- lich erneuert wird, genügenden Sauerstoff, auch das Leitungswasser gebirgiger Gegenden ist ihnen zuträglich. Wohnt man in ebenem Lande, wo also kein Gebirgswasser vorhanden, so muß man einen ständigen Strom frischen Wassers durch das Aquarium leiten. Am zweckmäßigsten ist es dann, die Öffnung des Zuleitungsrohres mög- lichst nahe über den Wasserspiegel zu legen. Der Wasserstrahl reißt dann große Mengen kleinster Luftbläschen mit sich, und so wird das Wasser für die Larven genügend durchlüftet. Außerdem hat diese Methode noch den großen Vorteil, daß die Störung des Gleichgewichtes durch die Luftblasen das Wasser in heftige Be- wegung versetzt, so dab alle schädlichen Gase entfernt und an die übrig gebliebenen tierischen Nahrungsreste sich nicht leicht Sapro- legnien festsetzen. Ein solcher Wasserstrom ist für eine Aufzucht, die längere Zeit in Anspruch nimmt, unerläßlich. Zur Nahrung bietet man ihnen Ephemeridenlarven oder, wo solche nicht vor- handen, Asellus aquaticus. | Bei der großen Anzahl von Larven, die mir zur Verfügung stand, konnte ich die Lebensdauer der Tiere außerhalb des Wassers feststellen. Der Sonne ausgesetzt waren die meisten bereits nach 1, Stunde tot. Weit günstiger waren die Versuche, welche ich im Schatten bei 15° C anstellte. Die mittelgroßen Larven gingen durchschnittlich nach 4 Stunden ein, größere Exemplare und Nymphen lebten 15—20 Stunden. Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten, 15 II. Morphologie. Technik. Bevor ich zur Darlegung meiner anatomischen Befunde über- gehe, will ich noch einige Mitteilungen über die Konservierungs- und Untersuchungsmethoden machen. Eine bekannte Schwierigkeit besteht bei den meisten Insecten in der Herstellung der Schnitt- serien. Diese machte sich auch beim Schneiden meiner Perliden- larven recht bemerkbar. Das dicke Chitinskelet wird durch die Be- handlung mit Xylol recht spröde und zersplittert dann vor dem Mikrotommesser wie Glas. Es gelingt daher selten, befriedigende Schnittserien zu erhalten. Diese Hindernisse lassen sich aber gut überwinden, wenn man Larven züchtet und sie direkt nach der Häutung konserviert. Die neue Chitinschicht ist dann noch recht weich und läßt sich sehr gut schneiden. Da die Tiere in absolutem Alkohol noch etwa !/, Minute leben, so tötet man sie am besten in heißem Wasser. Zur Konservierung empfiehlt es sich, die Tiere zuvor an verschiedenen Stellen durchzuschneiden und erst dann in das Fixierungsmittel zu bringen. Einzelne Organe, wie Antennen und Speicheldrüsen, müssen zuvor herauspräpariert und dann kon- serviert werden, da sonst ein feineres Studium der Histologie un- möglich ist. Die besten Resultate erzielte ich mit heißer wässriger Sublimatlösung unter Beimischung des halben Volumens Alkohol nebst einigen Tropfen Eisessig. Chrom-Osmium-Essigsäure wie auch Pikrin-Schwefelsäure zeigten nicht gleich gute Wirkung. Nach der Fixation wurden die Präparate in der üblichen Weise in Alkohol, Xylol usw. übergeführt. Die Serienschnitte wurden in einer Dicke von 10 uw, bei kleineren Organen, wie z. B. bei Antennen und Speicheldrüsen, dagegen nur in einer Dicke von 4—6 u hergestellt. Färbungen in toto habe ich wegen der undurchlässigen Chitinschicht nicht vorgenommen. Sämtliche Schnitte wurden auf dem Objekt- träger mit der DerArreuv’schen Hämatoxylinlösung gefärbt. Sehr schöne Präparate erhält man, wenn man eine Nachfärbung mit einer wässrigen 1°/,igen Eosinlösung vornimmt. Ein gleich gutes Ergebnis hatte ich besonders bei kleineren Organen durch eine Färbung mit der Gremsa’schen Lösung. Die beigegebenen Figuren sind entweder nach dem Leben oder nach hergestellten Schnittserien gezeichnet. Um die richtigen Größen- verhältnisse zu treffen, wurden die Umrisse mittels des ABBéschen 16 EDUARD SCHOENEMUND, Zeichenapparats entworfen; sonst ist alles freihändig von mir ge- zeichnet worden. Allgemeine Körperbeschreibung. Aus den von verschiedenen Autoren gelieferten Beschreibungen und Zeichnungen schließe ich, daß die großen Perliden in bezug auf Größenverhältnisse und Färbung je nach der Lokalfauna einige Unterschiede aufweisen. Wenn man meine beigefügten Figuren mit anderen, z. B. denen von Picrer vergleicht, so wird man nach der Zeichnung des Körpers nicht leicht die eine oder andere Art wieder- erkennen können. Auch die Beschreibungen, besonders die der Larven, sind noch recht mangelhaft, weshalb ich meine auf zahl- reiches, lebendes Material sich stützenden Darstellungen hier folgen lassen will. Zunächst möchte ich einige Größenverhältnisse der im Sauerlande vorkommenden Arten darlegen. Sie sind das Ergebnis zahlreicher Messungen. Perla maxima SCOPOLI. Nymphe & NympheQ Imago g Imago © mm mm mm mm Länge des Kürpers 15—19 25—37 17—20 25—30 Länge der Antennen 12 13 14 16 Länge der Cerci 12 16 iS 16 Flügelspreite 30—36 50—66 Perla cephalotes Curtis. Nymphe S Nymphe2 Imago & Imago 9 mm mm mm mm Länge des Körpers 14—17 24—32 15—17 24—28 Lange der Antennen 14 13 14 15 Länge der Cerci 11 13 12 14 Flügelspreite 20—24 50—60 Perla marginata PANZER. Nymphe ¢ Nymphe® Imago d Imago? mm mm mm mm Länge des Körpers 15—21 25—30 23—28 24—29 Länge der Antennen 71 12 14 16 Länge der Cerci 13 15 13 15 Flügelspreite 36—42 50—60 Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 17 Die im Sauerlande vorkommenden Arten scheinen demnach, wenn man obige Maßzahlen mit den von Prcrer und KLAPÂLEK gegebenen vergleicht, größer zu sein als in anderen Gegenden. Leider konnte ich kein Material aus der Schweiz und anderen Ländern bekommen, um die dortigen Exemplare mit den hiesigen zu vergleichen. Zwischen den in Deutschland vorkommenden Arten war ein RO ilo Unterschied nicht zu konstatieren. Kopf. Der Kopf der großen Perliden hat ungefähr die Gestalt eines Trapezes. Er ist flach zusammengedriickt und wird nach dem Munde zu abgeplatteter und schmaler. Bei den einzelnen Larven zeigt er eine typische Gestalt, auf die ich unten noch zu sprechen komme. Die einzelnen Teile der Kopfkapsel sind meist miteinander verwachsen und nur schwer gegeneinander abzugrenzen. Immerhin läßt sich jedoch bei genauer Aufmerksamkeit folgende Gliederung erkennen. Auf der Oberseite des Kopfes nimmt man vorn das ungefähr rechteckige Labrum wahr, welches meist eine dunkle Platte ist und die Mundöffnung überdeckt (s. Fig. A). Daran schließt sich nach hinten der Clypeus (el) oder Kopfschildan. Dieser ist gewöhnlich durch ein helles Band gekennzeichnet. Seine Abgrenzung gegen die Stirn ist nicht so leicht Fig. A. wahrzunehmen. Die vor den Augen gelegene Gegend, die Stirn (f), ist gewölbt und trägt die 3 Punkt- augen. Nach hinten ist sie bogenförmig von dem Scheitel ge- trennt. Äußerlich ist dies durch 2 kleine Rillen sichtbar ge- macht. Die zwischen den Augen befindliche Zone stellt den Scheitel dar (v). Derselbe ist deutlich vom Hinterhaupt durch eine stark chitinisierte Linie zu unterscheiden. In der Mitte ist er enger, an den seitlichen Enden trägt er die großen, halbkugelförmigen Facetten- augen. Der letzte, hintere Teil des Kopfes wird als Hinterhaupt (0) bezeichnet. Er grenzt den Kopf gegen den Thorax ab. Auf der Mitte des Hinterhauptes bemerkt man noch eine Längsnaht; sie setzt sich etwa bis in die Mitte des Scheitels fort, spaltet sich hier Yförmig und schickt nach beiden Seiten einen Schenkel etwa bis an die Facettenaugen. Diese Nahtlinie spielt bei der Häutung eine große Rolle. Es springt nämlich an dieser vorgebildeten Stelle bei der Metamorphose die Kopfhaut auf, und nur so ist es dem Tiere Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 2 18 EDUARD SCHOENEMUND, möglich, seinen Kopf aus der alten Hülle zu befreien. An der Seite des Kopfes, hinter den Facettenaugen, steht ein starker Borsten- besatz, augenscheinlich zum Schutze der vorstehenden Augen. Vor den Augen befinden sich die borstenförmigen Fühler mit 80 bis 100 Gliedern, die nachher noch zu beschreiben sind. Ferner bemerkt man an der Seite vorstehende Teile der Mundwerkzeuge, wie z. B. die Cardines, die Palpi labiales und die Lobi externi. Die Unterseite des Kopfes wird von dem Labium oder der Unterlippe und der Gula oder Kehle gebildet. Die Unterlippe sowie auch die Mundwerkzeuge sind neuerdings in einer Arbeit von NEERACHER beschrieben worden. Die dort gemachten Angaben stimmen vollständig mit meinen Be- funden überein, weshalb ich dieselben hier nicht mitteilen will. Die Kehle ist eine große Platte, welche fast die ganze Unterseite des Kopfes bedeckt. Zu beiden Seiten bildet sie nach vorn einen lappen- förmigen Fortsatz, welcher etwa bis an die Lippentaster reicht. Bei der Imago sind die einzelnen Kopfteile mehr oder weniger umgestaltet worden. Die Mundwerkzeuge sind besonders stark redu- ziert (s. NEERACHER, p. 583—584). Die zusammengesetzten Augen liegen mehr seitlich und sind stark gewölbt. Kopfschild und Stirn sind durch eine Mförmig gewundene, gelbe Linie scharf gegenein- ander abgegrenzt. Zwischen den Facettenaugen und den Punkt- augen liegt jederseits noch eine bohnenförmig gestaltete Schwiele, die in der Systematik als Stirnschwiele bezeichnet wird. Antennen. Am Kopf fallen uns besonders die stark chitini- sierten Fühler oder Antennen auf. Sie stehen seitlich vor den Facettenaugen und sind bei den Larven nach vorn gerichtet, während sie bei der Imago eine ganz charakteristische, mehr nach hinten gerichtete, bogenförmige Haltung annehmen. Sie sind borstenförmig, | ziemlich groß, etwa 12—20 mm lang und bestehen beim Männchen aus ca. 50—70, beim Weibchen aus ca. 60—100 Gliedern. Das Basal- glied ist besonders stark, zylinderförmig und sehr beweglich dem Kopf- skelet eingelenkt. Das 2. Glied, das Pedicellum, hat ungefähr nur die halbe Länge und den halben Durchmesser des ersten. Die übrigen Glieder bilden zusammen das Flagellum. Die einzelnen Glieder be- sitzen nach der Basis zu einen größeren Durchmesser und geringere Länge, an der Spitze dagegen herrscht das umgekehrte Verhältnis vor, denn hier erreicht die Länge etwa das 5fache des Durch- messers. Sämtlichen Gliedern der Larve sitzen ringsum am vorderen Rande interessante, eigentümliche Organe auf, 4—6 an der Zahl. Dieselben bestehen aus feinen Chitinhaaren, ferner aus keulen- Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 19 förmigen Gebilden und stärkeren Borsten. Bei allen Gliedern des Flagellums findet man folgende Anordnung vor. In der Mitte stehen 5—6 feine Haare dicht nebeneinander (cf. Fig. 13 s). Diese haben zusammen einen größeren Porenkanal, durch welchen der Sinnes- nerv eintritt. Zu beiden Seiten trifft man dann die keulenförmigen Gebilde an, sie sind etwas länger als die Haare und etwas gegen dieselben geneigt. Zuletzt findet man noch lange Borsten, rechts und links je eine. Sie überragen die übrigen Antennenorgane weit und dienen jedenfalls nur als Schutzapparat, da sie sich immer kreuzweise übereinander legen. Daß solche komplizierten Organe nicht lediglich für die Per- ception von Tastreizen bestimmt sind, liegt auf der Hand, denn eben durch die eigenartige Stellung der äußeren Borsten würden ja die inneren Haare ihren Zweck als Tastapparate offenbar nicht erfüllen. Wir haben vielmehr hier nach einer anderen physiologischen Bedeutung zu suchen. Sicherlich dienen sie dazu, den Chemismus des Wassers zu prüfen oder allerlei Eindrücke von der Beschaffen- heit der Nahrung usw. zu vermitteln. Man wird sie daher als che- mische Sinnesorgane bezeichnen können. Das Pedicellum besitzt diese Anordnung nicht, sondern hat nur einen Kranz von 60—80 der kleinen, keulenförmig gestalteten Gebilde Die Chitinschicht sämtlicher Glieder ist noch von zahlreichen, porenartigen Kanälen durchsetzt (vgl. Fig. 13 p), wie man häufig solche bei den Insecten an allen möglichen Körperteilen findet. Bei der Imago sind die Antennen etwas länger und dünner ge- worden und zeigen eine schwarzbraune Färbung. Die soeben be- schriebenen, für die Larven spezifischen Sinnesorgane sind gänzlich verschwunden. Man bemerkt auf den Gliedern nur eine große An- zahl unregelmäßig angeordneter Borsten. Thorax. Der Thorax der Larven ist in seinem ganzen Um- fang bedeutend breiter als hoch und etwas gewölbt. Hierdurch ist es dem Tiere in starken Strömungen möglich, sich eng an einen festen Gegenstand anzuschmiegen und so dem Wasser möglichst wenig Widerstand zu bieten. Die einzelnen Thoracalsegmente sind deutlich voneinander gegliedert. Der Prothorax ist durch eine dünne Intersegmentalhaut mit dem Mesothorax etwas beweglich verbunden. Meso- und Metathorax sind am stärksten entwickelt und fester miteinander verwachsen. An den Seiten des Thorax inserieren die ebenfalls sehr kräftig entwickelten und festen Beine. Von den einzelnen Beingliedern ist besonders das Femur stark ge- 2% a 20 EDUARD SCHOENEMUND, ~ baut, auf der Unterseite ist er mit einer Rille versehen, in welche bei den für die Atmung auszuführenden rhythmischen Bewegungen die Tibia zu liegen kommt. Femur und Tibia sind mit Schwimm- borsten besetzt, wodurch die Beine zu typischen Ruderfüßen um- gestaltet sind (Fig. 18, 19, 20). Prothorax. Dieser hat ungefähr die Gestalt eines Rechtecks und ist etwa 2mal so breit wie lang. Das Pronotum bildet eine rechteckige Platte mit hinten abgeschnittenen Ecken. Auf der Medianlinie fällt hier ebenfalls wie auf dem Meso- und Metanotum eine Naht auf. An dieser Stelle springt bei der Häutung des Tieres die Haut auf. Die Ränder des Pronotums gehen seitlich noch über den Körper hinaus, sie schützen so die darunter liegenden Kiemen und die Basis der Vorderfüße. An den Seiten des Prothorax unter- scheidet man das Episternum, ferner ein vor der Coxa gelegenes Nebenseitenstück und das Epimeron. Das Episternum ist mit der Bauchplatte, dem Prosternum, verschmolzen. Das Nebenseiten- stück ist ein kleines, dreieckig abgegrenztes Plättchen vor der Coxa, es trägt 2 kleinere Kiemenbüschel. Zwischen Coxa und Pronotum verläuft eine deutlich sichtbare Naht, welche das Episternum von dem Epimeron trennt. Letzteres ist ebenfalls mit dem Brustschild verschmolzen, so daß eine Abgrenzung nicht möglich ist; es trägt das 3. größere Büschel der vorderen Supracoxalkiemen. Das Pro- sternum erscheint als eine einfache Platte von der Gestalt eines Sechsecks. Von der Mitte der Platte verlaufen nach den Ecken mit Ausnahme der vorderen tiefe Furchen (s. Fig. B). Fig. B. Fie. C. Bei der Imago sind die Verhältnisse wesentlich dieselben ge- blieben. Mesothorax. Er ist vom Prothorax durch eine dünne Haut getrennt. Als Ausstülpungen dieser Intersegmentalhaut findet sich zu beiden Seiten ein starkes Kiemenbüschel von je 3 Quasten vor. Am Mesonotum der Perla-Larven ist die bei den Insecten sonst übliche Unterscheidung verschiedener Teile nicht möglich. Bei Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. OT jugendlichen Exemplaren ist das Mesonotum ebenso geformt wie das Pronotum. Erst allmählich werden bei den heranwachsenden Larven an dem Hinterrande des Riickenschildes kleine Ausstiilpungen sichtbar, welche die sogenannten Flügelscheiden darstellen. An den Pleuren des Mesothorax unterscheidet man das Episternum, ferner ein vor der Coxa gelegenes Nebenseitenstiick und das Epimeron. Das Episternum hat etwa rhombische Gestalt und verläuft vom vorderen Rande des Mesonotums bis zur Verbindungslinie von Coxa und Riickenschild. Das Nebenseitenstiick ist dreieckig und leicht gewölbt, es wird eingeschlossen von dem Mesosternum, der Coxa und dem Episternum. Das Epimeron ist gleichfalls von rhombischer Gestalt und trägt die beiden kleinen Büschel der mittleren Supra- coxalkiemen. Das Mesosternum ist eine quadratische Platte, welche auf jeder Seite mit 2 Fortsätzen noch die Coxa etwas umschließt und dann mit dem Pleuralstück sich vereinigt. Durch eine Hförmige Zeichnung und eine mediane Furche wird es in 5 Felder geteilt (s. Fig. C). Bei der Imago ist der Mesothorax ebenso breit wie hoch. Das Mesonotum hat wesentliche Umänderungen erlitten. An ihm bemerkt man zunächst einen kleinen vorderen, nach vorn niedergebeugten Teil, das Praescutum. Dieses wird auf der Medianlinie in 2 stark gewölbte Hälften zerlegt. Der größte Teil des Rückens wird von dem T-förmig gestalteten Scutum gebildet. Dieses Stück wird der Länge nach von einer mehr oder minder deutlichen Naht durchzogen. Diese trennt nicht das Scutum in zwei gesonderte Stücke, sondern ist jedenfalls nur wie am Prothorax noch als die bei der Larve vor- handene Naht zu deuten. Die seitlichen Kanten des Scutums sind halbkugelförmig gewölbt. Den hinteren Rand des Mesonotums bildet ein schmaler, die ganze Breite einnehmender Abschnitt, das Meso- phragma. Die übrigen Teile des Mesothorax, also das Mesosternum und die Mesopleuren, sind dieselben geblieben wie bei der Larve, sie sind jedoch schärfer gegeneinander abgegrenzt. Zwischen dem Rückenschild und dem Mesepisternum und dem Mesepimeron befindet sich das Flügelgelenk. Gestützt wird dasselbe hauptsächlich durch Teile des Episternums. Die Flügel sind schon von verschiedenen Autoren, so von Picrer und KLArAter, beschrieben und abgebildet worden. Der Metathorax zeigt bei der Larve dieselben Verhält- nisse wie der Mesothorax. Nur auf dem Mesosternum fehlt die Medianlinie. Bei der Imago ist insofern eine Veränderung eingetreten, als 92 EDUARD SCHOENEMUND, das Metaphragma durch eine Lücke in zwei Hälften gespalten er- scheint. Abdomen. Das Abdominalskelet der Larve besteht aus 10 Seg- menten, welche in dorsoventraler Richtung etwas abgeplattet er- scheinen. Von dem ersten Hinterleibsring ist nur noch das Tergit zu finden, da das Sternit vollständig mit dem Metasternum ver- wachsen ist. An den übrigen Segmenten sind sämtliche Stücke mit- einander verschmolzen, so daß eine Unterscheidung zwischen Sternit, Pleuren und Tergit nicht möglich ist. Die einzelnen Ringe sind durch Intersegmentalfalten verbunden, sie gestatten eine Verkürzung und eine Verlängerung des Abdomens und vor allem dessen schlängelnde Bewegung beim Schwimmen. An den Seiten, dort, wo bei den Ima- eines die Stigmen sich vorfinden, nimmt man an günstigen, be- sonders aber an frisch gehäuteten Exemplaren dunkle Stellen wahr. Eine stärkere Vergrößerung zeigt hier kleine Narben, welche die funktionslosen Stigmen verschließen. An der Ventralseite des 8. Segments ist am hinteren Rande bei weiblichen Individuen ein heller, schwarz umrandeter Fleck wahrnehmbar. Schon auf ganz jugendlichen Stadien sind hierdurch die Geschlechter auseinander zu halten. Der 10. Hinterleibsring ist auf der dorsalen wie ven- tralen Seite in eine dreieckige Spitze ausgezogen. Den Abschluß des Abdomens bildet der Analteil. Er trägt die Analöffnung, die Analklappen, den Anallobus und die Cerci oder Schwanzfäden. Die Analklappen stellen 2 kleine Höcker dar, welche mit der Basis der Schwanzfäden verwachsen sind, sie tragen bei einigen Arten kleine Kiemenbüschel. Der Anallobus ist klein und nicht gut sichtbar. Die Cerei sind im Verhältnis zum Körper sehr lang und bestehen aus 40—50 Gliedern. Über die Funktion dieser Fäden ist man sich noch nicht recht klar. Kouse stellt ganz allgemein für die Insecten solche Anhänge als ,Afterfühler“ den Kopffühlern gegenüber. Als Sinnesorgane und zwar zum Tasten mögen sie ja immerhin dienen, es fehlt ihnen als tastenden Organen aber doch genügende Beweglich- keit. Die einzelnen Ringe sind nämlich fest ineinander gefügt. Sie sind zylindrisch geformt, an der Basis recht kurz und breit, an der Spitze länger und schmaler. An den Enden sind die Glieder mit quirlartigen Borsten besetzt, manchmal, so z. B. bei Perla marginata, mit einer starken Haarfranse. Hieraus ist zu schließen, daß unter anderem die Schwanzfäden ein ganz vorzügliches Steuer beim Schwimmen sind. Das Abdominalskelet der Imago ist nicht so fest gebaut wie Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 23 das der Larve. Das Sternit des 1. Segments bleibt mit dem Meta- sternum verschmolzen, das Tergit ist nur als eine kleine Platte wahrnehmbar. Das 2.—8. Segment ist deutlich in Tergit und Sternit gesondert. Das Sternit stellt eine dünne Platte dar, welche zu beiden Seiten hin nach oben etwas umgebogen ist. Das Tergit ist weit größer ausgebildet, es dehnt sich seitwärts noch weit nach unten aus und verschmilzt hier mit dem Bauchschild. Nahe dieser Naht tragen die 8 ersten Tergiten jederseits ein kleines Stigma. Der 8. Bauchring bildet bei den weiblichen Exemplaren eine deutliche Subgenitalplatte (cf. Fig. 9). Der 9. und 10. Ring ist beim Weibchen in dorsoventraler Richtung stark abgeplattet, am 9. Segment ist eine Grenze zwischen Tergit und Sternit wohl noch festzustellen, am 10. ist jedoch eine solche nicht mehr zu erkennen. Beim Männchen haben die letzten Glieder zum Zwecke der Copulation einige Modi- fikationen erfahren. Das 9. Ventralstück bildet eine breite Genital- platte, während die dorsale Platte sehr eng ist. Eine Unterscheidung zwischen Sternit und Tergit ist nicht möglich. Der 10. Ring ist geteilt und jederseits nach vorn in einen hakenförmigen Fortsatz ausgezogen. Beschreibung der einzelnen Larvenformen. Perla maxima (Scor.) (Fig. 19). Der Kopf ist ungefähr trapezförmig. Zwischen den Facetten- augen ist er sehr breit, während er nach vorn schmäler wird, auch erscheint ‘er stets abgeplattet. Die Unterseite des Kopfes ist gelb oder weiblich-gelb, die Oberseite dagegen trägt ganz bestimmte schwarze Zeichnungen. Das Labrum ist immer schwarz gefärbt, manchmal befindet sich in der Mitte ein heller Streifen. Der Kopf- schild ist durch ein die ganze Breite einnehmendes gelbes Band deutlich gekennzeichnet. Auf der Mitte des Kopfes ist ein trapez- förmiger gelber Fleck wahrnehmbar, welcher etwas vor der Fühler- basis beginnt und vor dem 3. Ocellus endet. Zu beiden Seiten dieses Fleckes nahe der Fühlerbasis treten 2 Makeln deutlich hervor. Zwischen den Facettenaugen zieht sich ein dunkles Band hin, welches nach hinten 4 Ausläufer entsendet, von denen die beiden mittelsten an ihrem Ende je 1 Punktauge tragen. Das Hinterhaupt ist stets durch eine schwarze Linie von dem übrigen Kopfteil ab- gegrenzt. Die Schläfen sind stets gelb, die Fühler rötlich-braun. 24 EDUARD SCHOENEMUND, Der Thorax ist auf der ganzen Unterseite gelblich-weiß. An den Seiten trägt er 6 Paar Kiemen von silbergrauer Farbe. Häufig sind die Kiemenbüschel etwas geschrumpft; überhaupt sind sie bei dieser Species nicht so schön ausgebildet wie bei den nachher noch zu beschreibenden Arten. Das Pronotum ist nur an der Außenseite gelb umrandet. Durch eine Medianlinie und 2 dunkle Streifen auf den Seitenflächen werden auf ihm 4 helle Felder gebildet. Auf dem Meso- und Metanotum ist immer eine deutliche braune Median- linie vorhanden. Stets findet sich auf beiden eine Y-ähnliche schwarze Figur. Außerdem verlaufen auf den beiden Seitenfeldern, dort, wo die Flügelscheiden sich auszudehnen beginnen, 2 dunkle Binden nach vorn. Die Flügelscheiden selbst sind braun umrandet. Die Beine sind mit kurzen Schwimmborsten versehen. Auf dem Femur ist zu- weilen in der Mitte am vorderen Rande ein schwarzer Fleck vor- handen. Das Abdomen zeigt auf der Unterseite eine gelblich - braune Farbe, die nach hinten zu immer dunkler wird. An der Ventral- seite des 8. Ringes ist beim Weibchen oft eine kleine Auskerbung am hinteren Rande wahrnehmbar. Stets ist dieselbe deutlich schwarz umrandet. Das Sternit des 9. und 10. Segments ist bräunlich gefärbt. Die Oberseite des Abdomens ist schwarzbraun. Auf den ersten Ringen sind stets 4 eiförmige gelbe Makeln vorhanden, auf den hinteren werden diese jedoch immer kleiner und verschwinden meistens. Das 9. Tergit ist bei den weiblichen Larven vollkommen schwarz. Von dem 10. Rückenschilde ist das letzte in eine dreieckige Spitze aus- gezogene Stück stets gelb. Die Analklappen treten deutlich hervor und tragen je 1 kleines Kiemenbiischel. Die Schwanzfäden sind rötlich-braun und sehr lang, die einzelnen Glieder sind mit kurzen Borsten besetzt. Manchmal trifft man auf der Innenseite auch eine kleine Haarfranse an. Perla marginata PAxz. (Fig. 18). Diese Species ist der vorher beschriebenen sehr ähnlich, so daß man sie manchmal auf den ersten Augenblick nicht von jener unter- scheiden kann. Der Körper ist im allgemeinen etwas kleiner und schlanker gebaut, mitunter erreicht er jedoch dieselbe Größe und Stärke wie bei Perla maxima. Auch die Zeichnung des Körpers, besonders des Thorax und des Abdomens, ist nicht sehr verschieden, so dab namentlich bei den kurz vor der Häutung stehenden Larven Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 25 die für die vorige Art charakteristischen Zeichen hervortreten können. Immerhin unterscheidet sie sich in manchen Punkten recht wesent- lich von ihrer Schwesterart. Die in Fig. 18 gegebene Zeichnung stellt eine Larve dar, wie sie gewöhnlich oder kurz nach der Häutung aussieht. Auf der Mitte des Kopfes befindet sich in schwarzem Felde eine gelbe sternförmige Zeichnung. Das zwischen den Facettenaugen liegende schwarze Band sendet nach hinten nur 2 Ausläufer, welche an ihren Enden je 1 Punktauge tragen. Die schwarze Naht, welche das Hinterhaupt von dem Scheitel trennt, ist meistens nach den Seiten hin verwischt. Die Vorderecken des Prothorax sind etwas zugespitzt, die Hinterecken stark abgerundet. Auf den Seitenfeldern gehen die schwarzen Längsstreifen nicht bis zum hinteren Rande, so daß hier jederseits ein Vförmiger gelber Fleck entsteht. Die Zeich- nungen des Meso- und Metathorax sind am meisten variabel. Oft trifft man ebenfalls wie bei Perla maxima eine Yähnliche Figur auf dem Mesonotum an, niemals dagegen in gleichem Maße auf dem Metanotum. Die Flügelscheiden sind jederseits von 2 dunklen Linien umsäumt. Die Unterseite des Thorax ist gelb. Die Beine sind mit langen Schwimmborsten besetzt. Auf dem Femur ist ein schwarzer Fleck deutlich sichtbar. An den Seiten des Brustkastens bemerkt man 6 Paare gelber Kiemen, die 5 größeren gleichen in Gestalt und Farbe ganz einem Weidenkätzchen. Der Hinterleib ist auf der Unterseite gelb, mit Ausnahme der beiden letzten Sternite, welche braune Färbung zeigen. Bei weib- lichen Exemplaren ist stets an der Ventralplatte des 8. Segments eine kleine Auskerbung vorhanden, die von einer dunklen Linie um- säumt ist. Auf der Oberseite des Abdomens weisen die einzelnen Tergite helle Makeln auf. Die Analklappen treten weniger deutlich hervor und tragen keine Kiemenbüschel. Die Schwanzfäden sind gelblich-braun und auf der Innenseite mit einer dichten Haarfranse besetzt. Perla cephalotes Curr. (Fig. 20). Der Körper dieser Larve zeigt eine rotbraune Farbe und ist somit leicht von den beiden anderen Arten zu unterscheiden. Der Kopf ist, wie schon der Name sagt, groß und dick und in dorsoventraler Richtung nicht so abgeplattet. Die an den Seiten hervortretenden, kräftig entwickelten Cardines sowie auch die übrigen Mundgliedmaßen lassen die Mundgegend recht breit er- 26 EDUARD SCHOENEMUND, scheinen. Das Labrum ist von dem übrigen Kopfskelet durch eine gelblich-weiße Linie getrennt. Zwischen der Fühlerbasis wird die Stirn von einem Mförmigen, wellenartigen Band durchquert. Zu- weilen ist dasselbe von einem schmalen braunen Streifen durch- brochen. Hinter dem Mförmigen Band stehen 4 gelbe Makeln, von denen die beiden hinteren je 1 Punktauge tragen. Die Netzaugen befinden sich in gelblichen Feldern, die nach der Medianlinie spitz auslaufen. Die Antennen sind gelblich-braun. Der Prothorax trägt auf der Mittellinie ein helles Band. Auf den Seitenfeldern stehen weiße, bogenförmige Linien und eine An- zahl heller Punkte. Meso- und Metathorax zeigen auf der Mitte des Rückens ein helles, nach hinten spitz zulaufendes Band und zu beiden Seiten 3—4 gelbe Flecken. Die Kiemen sind gut entwickelt und auffallend weiß. Die Fußglieder, besonders aber das Femur, sind auf der Oberseite gelblich-braun, auf der Unterseite gelb, an den Kanten sind sie schwarz umrandet und mit kurzen Schwimm- borsten besetzt. Das Abdomen ist braun. Die einzelnen Ringe gleichen ein- ander durchaus, nur sind die mittleren meistens etwas breiter. Die Unterseite des ganzen Körpers ist gelblich-rot. An der Ventral- platte des 8. Segments ist beim Weibchen eine dunkle Chitinlinie schwach angedeutet. Die Analklappen tragen kleine Kiemenbüschel. Die Schwanzfäden sind rötlich-braun, an den einzelnen Gliedern steht ein Quirl feiner Borsten. Imagines. Von einer ausführlichen Beschreibung der Imagines sehe ich ab, da besonders für Perla maxima und Perla marginata kaum wesent- liche Unterschiede aufzufinden sind. Die in systematischen Werken angeführten morphologischen Angaben widersprechen sich oft voll- ständig, so daß es mir wirklich unmöglich war, die eine oder andere Art zu bestimmen. Auch die Morphologie der Genitalanhänge bietet keinen Anhalt, denn sie ist für beide Formen vollkommen gleich, so daß die in Fig. 9 gegebene Zeichnung der weiblichen Subgenital- platte von Perla maxima ebenfalls für Perla marginata paßt. Auch ist es bei Perla maxima nicht immer möglich, die bei der Imago persistierenden Analkiemen wieder zu erkennen und so die Art zu identifizieren. FERD. NEERACHER, welcher neuerdings die Perliden der Rheinfauna bei Basel systematisch bearbeitet hat, läßt gerade diese beiden Formen unberücksichtigt und spricht die Hoffnung aus, Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 27 es würde sich vielleicht doch noch das eine oder andere Merkmal finden lassen, um die beiden Arten sicher auseinander zu halten. Auf Grund von Zuchtversuchen hatte ich eine große Anzahl Imagines beider Arten getrennt vor mir, so daß ich beim Aufsuchen von Eigenschaften nicht fehl gehen konnte. Farbe, Form und Nervatur der Flügel, der gegenseitige Abstand der Punktaugen etc. konnten nicht berücksichtigt werden, da keine wesentlichen Unterschiede aufzufinden waren. Aus den Mundgliedmaßen, wie sie NEERACHER abgebildet hat, lassen sich wohl einigermaßen sichere Schlüsse ziehen, jedoch wäre in einem solchen Falle immer eine Zergliederung nötig. Immerhin ist jedoch auch ohne diese eine Erkennung der einzelnen Arten möglich. Der Kopf der in Deutschland vorkommenden beiden Species ist nämlich verschieden gezeichnet und kann ganz allein in der Systematik Verwendung finden. Perla marginata Panz. (Fig. 7). Die Unterseite des Kopfes ist gelb. Auf der Stirn, wo sich bei der Larve die sternförmige, sechsstrahlige Zeichnung befindet, ist stets ein heller Fleck vorhanden, der nach hinten von der gelben oder rötlich-gelben M-Linie umsäumt ist. Die Stirnschwielen liegen jederseits in einem hellen Felde, welches sich zwischen den Punkt- und Facettenaugen ausbreitet. Das Hinterhaupt ist meistens in der Mitte etwas dunkel, nach den Seiten zu lichter. Perla maxima Scor. Die Unterseite des Kopfes ist stets schwarz. Auf der Oberseite befinden sich vor der M-Linie in dunklem Felde 2 kleine helle Makeln. Die Stirnschwielen sind ebenfalls rotbraun. Kopfschild, Stirn und Scheitel sind fast immer schwarz. Das Hinterhaupt ist stets gelb bis rotgelb. Sicherlich gibt es zwischen den beiden Arten noch andere, un- wesentliche Merkmale, die jedoch kaum von irgendwelcher prak- tischen Bedeutung bei der Determination sein werden. Perla cephalotes Curt. Diese Art ist schon leichter zu erkennen und von den anderen zu unterscheiden. Ich verweise auf die Arbeit von NEERACHER, p. 554—556. Dieser Autor gibt zum Schlusse seiner Beschreibung eine Abbildung des Hinterleibes von Perla cephalotes, welche wesent- 28 EpuarD SCHOENEMUND, lich verschieden ist von der von KLAPÂLEKk gegebenen. Sie paßt auch genau für die hiesigen Formen, und es ist wohl anzunehmen, dab Kraräuer entweder bei der Zeichnung ein trocknes Exemplar vor sieh gehabt hat oder aber ein Weibchen, welches die Eier schon abgelegt hatte. Respirationssystem. a) Tracheenkiemen. Bei den Larven der 3 großen Perla- Arten erregen besonders die Tracheenkiemen als äußere Organe unsere Aufmerksamkeit. Sie sind als büschelförmige Körperanhänge von BURMEISTER und Picter schon erwähnt worden. Nach letzt- genanntem Autor sollen 8 solcher Büschel vorhanden sein (1841 p. 86). „Die sechs ersten sitzen paarweise auf der weichen Haut, die die Thorakalsegmente von einander trennt. Das erste Paar liegt zwischen Pro- und Mesothorax, das zweite zwischen Meso- und Metathorax, das dritte hinter dem Metathorax. Die beiden letzten Büschel liegen an der inneren Basis der Schwanzfäden.“ In dem jüngst erschienenen Werke: Die Süßwasserfauna Deutschlands, Berlin 1909, sagt KLArALek von der Gattung Perla: „Auf der Brust ist je ein starkes Doppelbündel von feinen Kiemenfäden auf der weichen Haut hinter jeder Hüfte und nebstdem auf der Vorderbrust ein kleines vor der Hüfte.“ Es herrschen also noch die verschieden- sten Meinungen hierüber, jedoch hat schon PALMÉN (1877, p. 27) sich für 6 Paare von Kiemenbüscheln am Thorax ausgesprochen. Das 1., 3. und 5. Paar, zwischen den Thoracalpleuren und Coxen gelegen, bezeichnet er als Supracoxalkiemen zum Unterschiede von den Substigmalkiemen, die dicht unter der Stelle sitzen, wo später bei den Imagines die Stigmen sich vorfinden, nämlich zwischen Pro- und Meso-, ferner Meso- und Meta- und endlich zwischen Metathorax und dem sich anschließenden Abdominalsegment. Nähere Angaben über die Zahl der Quasten, die ein solches Bündel zusammensetzen, über die Größenverhältnisse und die Beschaffenheit der Kiemen, gibt uns dieser Autor auch nicht. Dieses möchte ich noch durch die Resultate meiner Untersuchungen ergänzen. Die Substigmalkiemen sind die größeren, sie setzen sich nicht bei jedem Büschel, wie bisher allgemein angenommen wurde, aus 3 einzelnen Quasten zusammen, sondern das 3. Paar zählt deren nur 2, die aber dafür etwas länger sind. Jeder Quast besitzt einen Stamm, von dem einzelne zylinderförmige Stiele abgehen, die wiederum auf ihrem äußersten Ende eine Reihe kleiner Kiemenfäden Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 29 wagen (vel. Fig. 1). Nach Pıcrer’s Angaben, wie auch nach seiner Zeichnung zu schließen, gehen alle Fäden von einer kurzen zylin- drischen Basis als einer Verlängerung des Körperinteruments aus. Bei etwas genauerer Beobachtung kann man jedoch schon mit un- bewaffnetem Auge erkennen, dab dies nicht der Fall ist. Jeder Quast zählt ungefähr 15—20 solcher Stiele, die alle einen Durch- messer von etwa 0,153 mm und eine Länge bis zu 0,720 mm haben. Die auf den Ästen sitzenden Fäden, 4—8 an der Zahl, haben eine Breite von 0,0464 mm, eine Länge von 1,050 mm. Eine Verzweigung der Fäden findet im allgemeinen nicht mehr statt, nur in den seltensten Fällen habe ich noch eine Gabelung wahrgenommen. Die Supracoxalkiemen sind bedeutend kleiner. Sie sitzen oberhalb der Coxa und unterhalb des Proscutums und der Flügelscheiden des Meso- und Metathorax. Am Prothorax besteht ein solches Büschel aus 3 Quasten, von denen das eine, und zwar das nach dem Meso- thorax gelegene, größer ist als die beiden anderen zusammen. Der Grund hierfür mag wohl darin zu suchen sein, daß die beiden kleineren direkt zwischen dem Proscutum und der Coxa liegen, während das 3. ganz frei liegt und deshalb sich besser ausbreiten kann. Aus ähnlichen Gründen mag auch wohl das 2. Supracoxal- kiemenbüschel jederseits nur aus zwei, das 3. nur aus einem einzigen Quast bestehen, weil nämlich hier die Flügelscheiden jede Ent- wicklung und Entfaltung verhindern. Auch die Supracoxalkiemen sind ebenso beschaffen wie die Substigmalkiemen, nur daß die Stiele wie auch die Fäden bedeutend kleiner sind. Bei Perla maxima und Perla cephalotes findet man auch noch auf den Subanalklappen, an der inneren Basis der Schwanzfäden, 2 kleine Büschel, die etwa dieselbe Größe wie die Supracoxalkiemen haben. In diese kiemenartigen Ausbreitungen des Körperinteguments erstrecken sich zahlreiche Tracheenfäden in einer bemerkenswerten Weise, wie es schon von BURMEISTER und Picrer beschrieben ist. Lezterer sagt nämlich: „La ramification est subite, et la oü cesse le tronc principal on voit naître une multitude de petites trachées, minces, égales, peu ramifiées. (Chacun des rameaux correspondent à chacun des fils extérieurs, circonstance, que jai pu vérifier souvent au microscope, mais j'avoue ne pas avoir pu découvrir très clairement le mode exact de cette correspondance. Je crois qu'arrivé à la base de chacun des coecums le tube trachéen se confond avec lui en perdant sa lame hélicoide, et que la muqueuse interne du tube est la continuation de celle de la trachee“ 30 EDUARD SCHOENEMUND, (ef. Prcrer, 1841, p. 88). Diese Meinung Picrers trifft jedoch nicht ganz zu. In jeden Kiemenfaden führt, wie er richtig ge- sehen hat, ein kleines Tracheenrohr. Untersucht man nun aber konserviertes Material, wie es oben genannter Forscher vielleicht ge- tan, so ist selbst mit einer stärkeren Vergrößerung nicht viel mehr zu sehen. Zupft man dagegen einen Faden von einer lebendfrischen Kieme ab, so sind die noch Luft führenden Partien stark licht- brechend, und man sieht dann unter dem Mikroskop ein Bild, wie es in Fig. 12 wiedergegeben ist. Die in der Mitte des Fadens ein- tretende Trachee verzweigt sich nach allen Richtungen. Die ein- zelnen, sehr feinen Röhren, die ungefähr einen Durchmesser von 0,00145 mm haben, verlaufen ziemlich parallel und anastomosieren miteinander. Die spiralige Tracheenintima ist mit sehr starker Vergrößerung bis in den mittleren Teil der Fäden nachweisbar, sie scheint dann aber zu verschwinden. Auf den Tracheenkiemen, mit Ausnahme der kleinen Fäden, trifft man in großer Anzahl überall zerstreut Durchbohrungen der Chitineuticula an. Auf Querschnitten durch eine Kieme sieht man, daß diese porösen Kanäle mit Hypodermiszellen in Verbindung stehen (s. Fig. 5). Derartige Zellen sind für gewöhnlich etwas größer als diejenigen, welche die Chitinschicht absondern. Sie sind von etwa birnförmiger Gestalt, in ihrem Innern trifft man meistens 2 dicht nebeneinanderliegende Kerne an. Was die physiologische Bedeutung dieser differenzierten Ectodermzellen anbetrifft, so dürfte es schwer sein, etwas Sicheres darüber zu sagen. Irgendwelche Sinnesorgane in ihnen zu vermuten, ist wohl ausgeschlossen, denn Vitalfärbungen mit Alizarin, wie auch die Methoden von GozGr, RAMON y CAJAL und ArArHy, welche ich zum Nachweis feiner Nervenendigungen anwandte, ergaben negative Resultate. Eher noch möchte ich sie für Drüsenzellen halten, welche irgendein Secret auf den Kiemen absondern. Vielleicht spielen sie auch bei der Atmung eine Rolle, indem sie wegen der Durchbohrung der Cuticula den Gasaustausch erleichtern. b) Tracheensystem. Über das Tracheensystem der Perliden findet man in der Literatur nur spärliche Angaben. NEWPOoRT und Picrer geben als hauptsächlichstes Organ 2 lange Tracheenstämme an, die sich durch den ganzen Körper von den Antennen bis in die Schwanzfäden erstrecken. Die letzte darauf bezügliche Arbeit ist die von PALMÉN. Dieser Gelehrte bestätigt kurz einige früher ge- machte Angaben, behandelt dann aber hauptsächlich das Verhältnis Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 31 der Tracheenkiemen zu den Stigmen und läßt die Verzweigung der Tracheen unberücksichtigt, da sie nicht in den Rahmen seiner Ab- handlung paßt. Meine Untersuchungen in bezug auf das Tracheensystem er- gaben folgende Resultate. Die Längsstämme ziehen sich zu beiden Seiten des Darmes durch den ganzen Körper hin, von ihnen gehen dann die übrigen Tracheenäste als vielfach sich verzweigende Divertikel ab und umspinnen in ihren feinsten Endigungen das ge- samte Organsystem. Da die Verzweigungen auf den sukzessiven Stadien der Larven keine erheblichen Differenzen zeigten, möchte ich nur die bei allen konstant vorkommenden Äste hervorheben. Im Abdomen machen die Längsstämme viele schlangenförmige Win- dungen, augenscheinlich, um sich den schlängelnden Bewegungen des Hinterleibes anpassen zu können. Im 9. und 10. Segment ent- springen nur einige kleinere Äste, im 3.—8. sind dagegen in jedem Ringe auf jeder Seite je 2 Ausgangspunkte von Tracheenästen, der eine ist mehr nach dem hinteren, der andere mehr nach dem vorderen Rande des Segments hin gelegen (s. Fig. 1). Alle von dem hinteren Rande des 3. 4, 6, 7. Segments ausgehenden Tracheenäste teilen sich bald wieder in dorsale und ventrale Muskeläste, die ihrerseits noch Zweige zu den Fettgeweben und den nächstliegenden Ganglien abgeben. Im 5. und 8. Segment gehen von dieser Stelle viscerale Äste zum Chylusdarm resp. zum Rectum. Die am vorderen Rande der Segmente entspringenden Äste gehen im 7. und 8. Segment zur Muskulatur und zum Fettgewebe, im 3.—6. Segment, wo sie be- sonders stark sınd, zu den Geschlechtsteilen. Ungefähr von der Mitte des 2. Abdominalringes entsenden die Hauptstämme zum Kau- magen je einen starken Ast, der gleich bei seinem Eintritt an der Basis der Blindsäcke in äußerst zahlreiche Fäden zerfällt, so dab die Blindsäcke wie auch der Kaumagen von einem starken Netz umsponnen sind. Im Thorax verlaufen die Längsstämme bogenförmig zwischen den vorderen, mittleren und hinteren Verzweigungspunkten, die zwischen Pro- und Meso-, ferner zwischen Meso- und Meta- und zwischen Metathorax und dem 1. Abdominalring liegen. Von dem hinteren Verzweigungspunkte gehen ab: 4 Äste zu dem 3. Substigmalkiemenbüschel, 2 Tracheen zu dem 3. Supracoxalkiemenbüschel. 32 EDUARD SCHOENEMUND, Von dem mittleren Verzweigungspunkte gehen ab: 4 Äste zum 2. Substigmalkiemenbüschel, 1 starker Ast nach hinten, der sich in 3 Teile teilt, von denen der eine noch einen Nebenast für das 2. Substigmalkiemen- büschel abgibt, der mittlere zum 3. Beinpaare läuft, der andere dagegen mit einem Ast vom 3. Verzweigungspunkte anastomosiert; — ferner 1 starker Stamm zum 3. Beinpaar, 1 Ast nach vorn, der sich zuletzt gabelt und in die beiden Büschel der 2. Supracoxalkiemen geht. Vom vorderen Verzweigungspunkte gehen ab: 1 Ast für das 1. Substigmalkiemenbüschel, großer Ast zum 2. Beinpaar, 1 ziemlich starker Ast nach hinten, der seine Zweige zum 1. Sub- _Stigmalkiemenbüschel, zur Rückenmuskulatur und zum 2. Bein- paar sendet. m Von allen diesen Verzweigungspunkten gehen noch viele kleinere Äste zu den Muskeln, Ganglien und dem Fettkörper. Beim Eintritt in den Prothorax zerfällt jeder Hauptstamm in einen ventralen stärkeren und in einen dorsalen Ast. Der dorsale Ast gibt noch einige kleine Zweige an die Muskeln des Prothorax ab und erstreckt sich dann nach vorn in den Kopf. Der ventrale Stamm, als Fort- setzung des Hauptstammes, gibt bald einen starken Ast ab, der seine Zweige zum 1. Supracoxalkiemenbüschel, zum 1. Beinpaar und zur Rückenmuskulatur sendet. In der Mitte des Prothorax gibt der ventrale Ast noch einen Nebenast zum 1. Supracoxalkiemenbüschel und tritt dann in den Kopf ein. Im Kopf entsendet der dorsale Ast seine Zweige zu den Facetten- augen, zu den Nebenaugen, zum Ganglion supraoesophageum und in die Oberlippe Der ventrale Ast entsendet Nebenäste zum Ganglion infraoesophageum, in die Unterlippe, in die Maxillen, Mandibeln und Antennen. Wie ich bereits gesagt, enden alle Äste in feinen Ausläufern, welche das ganze Organsystem umspinnen. In einzelnen Organen, z. B. in den Kiemen, anastomosieren die Endfäden miteinander. Das Tracheensystem der Larve ist also ganz geschlossen; offene Mündungen, sogenannte Stigmen, sind nicht vorhanden. Jedoch muß Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 33 noch eine Verbindung des Tracheensystems mit der Hypodermis nachzuweisen sein, da ja die Tracheen von paarigen, segmental an- geordneten Ectodermeinstülpungen abzuleiten sind. Bei genauerer Beobachtung kann man auch jederseits 10 solide Stränge wahr- nehmen (s. Fig. 1 chs), welche von dem Hauptstamme ausgehen und am vorderen Rande der einzelnen Abdominalsegmente und an den Verbindungshäuten der Thoracalpleuren inserieren. Diese Stränge spielen, wie PaLméx für alle wasserbewohnenden Insectenlarven nachgewiesen hat, eine wichtige Rolle, da durch dieselben bei den periodischen Häutungen der Larven die alte Tracheenintima, welche an bestimmten Stellen entsprechend den Anheftungsfäden zerreißt (s. Fig. 1 tz), aus der neugebildeten herausgezogen wird. Bei der letzten Häutung, durch welche die geschlechtsreife Imago entsteht, bilden die Stränge ein Kanallumen und stellen die Stigmengänge dar. Verdauungssystem. Der Darmkanal der Perla-Larven ist wie bei allen fleisch- fressenden Tieren verhältnismäßig kurz und erstreckt sich als ein fast gerades Rohr vom Mund bis zum After. Eine recht gut ge- lungene Abbildung dieses Organs, speziell von Perla maxima, finden wir schon in Pıcre£r’s oft erwähntem Werke vor. Sie ist der Wirklich- keit entsprechend und paßt auf alle 3 hier zu beschreibenden Arten, weshalb ich eine neue Zeichnung nicht liefern möchte. Der Darm zerfällt in 3 verschiedene Abschnitte, Vorderdarm, Mitteldarm und Hinterdarm. Vorderdarm. Dieser beginnt mit einem dreieckigen Hypo- pharynx und einem kurzen, sich anschließenden Pharynx. Auf letzteren folgt der Ösophagus, welcher anfangs eine feine Röhre bildet und dann allmählich einen größeren Durchmesser annimmt. Er erstreckt sich etwa bis in den Mesothorax und endigt im Kropf. Dieser ist ein Behälter von beträchtlichen Dimensionen, in dem die Nahrungspartikel bis zur Aufnahme in den Kaumagen verbleiben. Äußerlich kennzeichnet eine mehr oder minder deutliche Einschnürung den Übergang vom Kropf zum Kaumagen. Letzterer mündet als ein enges Rohr in den Mitteldarm. Hypopharynx. Am Grunde der Mundhöhle, zwischen den beiden Innenladen, erblickt man einen unpaaren Anhang, nämlich den Hypopharynx. Dieser hat ungerähr die Gestalt eines gleich- schenkligen Dreiecks und zeigt für die 3 Arten kaum wesentliche Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 3 34 EDUARD SCHOENEMUND, Unterschiede. Er ist bei Perla marginata klein und vorn mehr zu- gespitzt, während er bei Perla maxima und Perla cephalotes mehr abgerundet erscheint. Präpariert man den Hypopharynx vom Darm- kanal ab, so zeigt er eine in Fig. 6 abgebildete Gestalt. Wie ein Mantel wird er von einer Chitinschicht rundum bedeckt. Der vordere Teil ist am stärksten chitinisiert und trägt eine große An- zahl dicht aneinander stehender kleiner Borsten. Der mediane Teil ist an der oralen Seite weichhäutig und mit einer dünneren Chitin- schicht bedeckt, die sich dann allmählich in den Darmkanal hinein fortsetzt. Zu beiden Seiten der Zunge bemerkt man zwei dicke, runde Chitinpolster (cf. Fig. 6 cp). Hier münden nämlich die Speichel- drüsen. Von diesem Polster verlaufen am Rande der aboralen Seiten- fläche nach der Mitte zu 2 kleine Röhrchen, die dann in einen ge- meinschaftlichen, mit Chitin ausgekleideten Kanal übergehen. An dem einen Ende dieses röhrigen Kanals sind die Ausführungsgänge der Speicheldrüsen angewachsen. Der Hypopharynx spielt haupt- sächlich beim Hinunterwürgen der Nahrung eine große Rolle. Der Pharynx oder Schlund wird von einer sehr starken Ring- muskulatur umgeben. Nach innen folgt dann eine Bindegewebs- schicht, in welcher einzelne Längsmuskelstränge eingebettet liegen. Daran schließt sich ein hohes Palissadenepithel mit Chitincuticula. Außerdem verlaufen nach außen noch starke Muskelbänder zum Kopfskelet, welche das Öffnen des Schlundrohres bewirken. Ösophagus. Die Speiseröhre ist durch Muskelbänder am dor- salen Kopfskelet befestigt, verhältnismäßig kurz und von zylindrischer Form. Auf Querschnitten hat sie die Gestalt einer Ellipse, deren Hauptachse eine Länge von 1,2 mm und deren Nebenachse eine Länge von 0,5 mm zeigt. Es lassen sich am Ösophagus mehrere Schichten unterscheiden. Die äußerste Bekleidung bildet eine dünne Haut, auf diese folgt eine starke Ringmuskulatur. Zahlreiche Längs- muskelfasern sind dann weiter nach innen zu mit der Ringmuskulatur verwachsen oder liegen im Bindegewebe zerstreut. Ein hohes Cylinder- epithel bildet die nächstfolgende Schicht; letztere hat, da sie ectodermalen Ursprungs ist, auch eine dünne Chitincuticula. Das Epithel bildet etwa 6 Längswülste, die weit in das Lumen hinein- ragen. Die Höhe des Epithels ist je nach dem Larvenstadium ver- schieden. Sie beträgt bei einer ausgewachsenen Larve etwa 0,0232 mm. Die Kerne sind eiförmig, ihre Größe beträgt 0,0116 mm. Kropf. Dieser ist bei jungen Larven noch fast gar nicht aus- gebildet, sondern hat kaum einen größeren Durchmesser als der Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 35 Osophagus. Man bemerkt an ihm zahlreiche, ringförmige Ein- schnürungen. Auf den folgenden Stadien nimmt er jedoch allmäh- lich größere Dimensionen an, bis er schließlich auf dem Nymphen- stadium ein großes, sackförmiges Gebilde ist, das als Reservoir für die nur flüchtig zerkleinerten Nahrungspartikelchen dient. Auf Querschnitten treffen wir dieselben Schichten an wie bei dem Öso- phagus, jedoch sind dieselben nicht so stark entwickelt. Die Ring- muskulatur ist dünn geworden, und das Epithel hat nur eine Höhe von 0,00876 mm. Zahlreiche Längsfalten des Epithels ragen in unregelmäßigen Formen weit in das Darmlumen hinein. In jeder Falte trifft man stets einen Längsmuskel an. Die Länge des Kropfes beträgt bei einer ausgewachsenen Larve 7 mm, sein größter Durchmesser 3 mm. Kaumagen. Dieser ist, makroskopisch betrachtet, nicht leicht vom Kropf zu unterscheiden, denn er besitzt dieselbe äußere Struktur; zudem liegt er auch zwischen 8, nachher noch zu beschreibenden, Blindsäcken versteckt. Schneidet man jedoch die äußerste Schicht, eine dicke Muskellage, durch, so kann man leicht eine blumenkelch- artige Chitinschicht herausheben; es ist dies die Chitinbekleidung des Kaumagens. Breitet man diese auf einem Objektträger aus, so hat man ein formenschönes, regelmäßiges Bild vor sich, wie es in Fig. 4 wiedergegeben ist. Man sieht zunächst eine Reihe radiär verlaufender Längsfalten. Da es jedoch schwer sein würde, sich nur auf Grund dieser Figur eine richtige Vorstellung von diesem Organ zu machen, füge ich noch Abbildungen zweier Serienschnitte hinzu. Diese Schnitte sind in verschiedener Höhe der Chitinleisten geführt und durch eine Pfeilrichtung in Fig. 4 angedeutet. Zugleich lassen sie auch die Histologie des Kaumagens erkennen. In Fig. 2 be- merkt man 12 Vorsprünge, 6 breitere und mit diesen alternierend 6 schmälere. Die 6 breiten Felder sind dreieckig zugespitzt und führen eine sehr starke, mit Borsten und Höckern versehene Chitin- schicht. Die 6 anderen, schmäleren Vorsprünge haben ungefähr auf Querschnitten die Gestalt eines Fünfecks und besitzen nur eine dünne Cuticula, die mit Haaren überzogen ist. Das Darmlumen hat in dieser Gegend einen Durchmesser von etwa 1,19 mm. Verfolgt man den Kaumagen auf Schnitten in oraler Richtung, so ändert sich das Bild ein wenig. Das Darmlumen ist größer, die einzelnen Felder sind auf Kosten ihrer Höhe etwas breiter geworden. Die Spitze des dreieckigen Vorsprunges hat sich tief eingesenkt und bildet so jedesmal 2 neue mit Borsten besetzte Felder (vgl. Fig. 3). 3* 36 EDUARD SCHOENEMUND, In dem Flächenbild können solche wellenförmige Erhöhungen und Vertiefungen nur durch Schattierungen angedeutet werden, es sind demnach in Fig. 4 die mit Borsten besetzten, dreieckigen Leisten im Gegensatz zu den anderen etwas rauher gezeichnet. Diese Chitinleisten senden nach vorn 12 stark chitinisierte, ebenfalls radiär verlaufende Linien aus. Zwischen ihnen bemerkt man 12 größere Felder, die ungefähr die Form eines zugespitzten Dreiecks besitzen. Jedes der Felder ist mit zahlreichen, starken Borsten besetzt, die in das Innere des Kaumagens, und zwar in analer Richtung, vor- springen. An der Spitze eines jeden Dreiecks findet man einen stark chitinisierten Zahn, welcher oft noch mit Dornen besetzt ist. Häufig erscheint dieser Zahn auch stumpf, als wäre er abgebrochen. Was die Histologie dieses Darmabschnitts anbetrifft, so folgt auf die beschriebene Chitinauskleidung die Matrix oder Chitinogen- schicht. Diese stellt ein einschichtiges Palissadenepithel dar, welches dort am höchsten entwickelt ist, wo eine starke Chitinabsonderung erforderlich ist. Seine Höhe beträgt dort 0,0725 mm. An den rinnen- artigen Vertiefungen, also dort, wo die Chitinschicht kaum merklich ist, ist auch das Epithel nur sehr niedrig, etwa 0,0145 mm. Die Kerne haben in dem hohen Epithel eine eiförmige, in dem niederen eine kuglige Form. Sie nehmen stets die Mitte der Zelle ein. Die nächstfolgende Schicht ist ein sehr dünnes Bindegewebe. Dasselbe füllt besonders die Lücken aus, welche durch die wellenförmige Ge- staltung des Epithels entstanden sind. Weiter nach außen folgt eine starke Ringmuskulatur. Auf Querschnitten zählt man meistens 5—6 Ringmuskelfasern, welche vollkommen kreisförmig in sich ab- geschlossen sind. Längsmuskelstränge sind in diesem Darmteil nicht vorhanden. Ganz zu äußerst trifft man schließlich noch ein dünnes Peritoneum an. Der Vorderdarm wird bei den Perliden nicht wie bei vielen anderen Insecten durch eine ringförmige Epithelfalte abgetrennt, sondern durch Längsfalten, welche in das Kanallumen hineinragen und durch eine starke Ringmuskulatur gegeneinander geprebt werden können. Eine periodische Häutung muß selbstverständlich auch dieses Organ durchmachen, weshalb man auch leicht an den Exuvien die Chitinauskleidung des Vorderdarmes vorfindet. Bemerken möchte ich noch an dieser Stelle, daß das Tier wenige Tage vor der Häutung niemals Nahrung aufnimmt. Über die physiologische Bedeutung eines solchen Kaumagens divergieren heute noch die Ansichten der Forscher. GRABER (1877) Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 37 teilt mit, daß die aus dem Vorderdarm austretenden Nahrungs- partikelchen außerordentlich klein sind, während im Schlundrohr sich noch verhältnismäßig große Stücke vorfinden. Nach den Unter- suchungen von GOLDFUSS U. KRUCKENBERG (1880) soll der Kaumagen keine zerkleinernde Wirkung mehr auf die im Kropf mit alkalischen Säften durchsetzten Speisen ausüben, vielmehr sollen die Chitin- leisten mit ihren Borsten und Zähnen nur dazu dienen, den Speise- brei im Magen zurückzuhalten. Gegen letztere Ansicht aber sprechen folgende Tatsachen. Insecten, welche nur von flüssigen oder weichen Stoffen leben, wie z. B. auch die Imagines der Perliden, besitzen niemals einen mit Zähnen und Borsten besetzten Verdauungsapparat. Erst in dem Maße, wie die Tiere festere Nahrung zu sich nehmen, beobachtet man eine stufenweise Entwicklung dieses Organs. Bei den carnivoren Insecten, die reichlich feste Nahrungsstoffe, wie z. B. Chitinteile und andere härtere Körper, zu sich nehmen, trifft man meistens einzelne, jedoch stark entwickelte Zähne und Dornen an, die doch für eine Zurückhaltung des Speisebreies weit weniger ge- eignet sind als ganze Felder mit kleinen, dieht aneinander stehen- den Borsten. Es scheint also doch wohl, daß bei großer Nahrungs- gier, wo die Beute rasch hinuntergewürgt wird, es noch eines be- sonderen Apparats bedarf, wodurch die Speisen zerkleinert werden müssen, bevor sie verdaut werden können. Ähnlicher Meinung ist auch Rıs, 1896, p. 606. Nicht wenig spricht auch hierfür die von mir selbst gemachte Beobachtung, daß im Kropf sehr häufig kleine, fast unversehrte Exemplare von Eintagsfliegenlarven, ferner ganze Gliedmaßen, wie Beine usw., sich vorfanden, während im Mitteldarm nur sehr feine, zerkleinerte Nahrungspartikelchen vorhanden waren. Auch die kräftig entwickelte Ringmuskulatur kann doch nur den Zweck haben, den Darm zu peristaltischen Bewegungen zu befähigen. Eine andere Funktion kann dieselbe unmöglich haben; ein etwaiges Hineinschieben der Nahrung in den Mitteldarm ist doch wegen der starken, nicht biegsamen Chitinleisten unmöglich gemacht, vielmehr wird dies durch kräftige Einschnürungen im Kropf bewirkt. Bei der Imago sind wesentliche Unterschiede zu konstatieren. Die Chitinauskleidung ist bei der Metamorphose ausgeworfen und nicht wieder ersetzt worden. Die Längswülste innerhalb des Kropfes sind verschwunden. Das Darmlumen ist sehr geräumig und nimmt fast den ganzen Hohlraum des Thorax ein. Auf Querschnitten kann man eine dünne Hülle, einige Längsmuskelfasern, eine Ringmusku- 38 Epuarp SCHOENEMUND, latur und ein sehr niedriges Epithel wahrnehmen. Die ganze Darm- wand ist pergamentartig hell und durchsichtig. Mitteldarm. Der Mitteldarm, welcher die eigentliche Auf- gabe der Verdauung und der Resorption hat, ist ein zylindrisches Rohr und etwa 6 mm lang. Auf Schnitten trifft man zu äußerst eine Peritonealhülle an, dann folgt eine dünne Schicht, bestehend aus Bindegewebe und einigen Längsmuskelfasern, auf diese eine Ringmuskulatur und endlich das Drüsenepithel. Das Epithel ist in der Nähe des Vorder- und Hinterdarmes am stärksten entwickelt. Seine Höhe beträgt dort 0,0247 mm. Im Epithel des Mitteldarmes lassen sich immer zweierlei Zellen unterscheiden und zwar Secret- und Stützzellen. Die Secretzellen sind recht hoch und stellen das eigentliche Cylinderepithel dar. Die Kerne derselben sind lang- gestreckt und nehmen immer die Mitte der Zellen ein. Ihre Höhe beträgt 0,01045 mm. Die Secretzellen enthalten einen dunkel- braunen Stoff, welcher in frischem Zustande gelblich erscheint und aus kleinen Secretkörnchen besteht. Die Stützzellen liegen mehr nach der Muskulatur zu und sind zwischen den Secretzellen ein- gebettet. Ihre Kerne liegen ebenfalls ganz nahe der Muskulatur. Manchmal sind so viel Stützzellen mit Kernen vorhanden, daß man im ersten Augenblick denken könnte, man hätte ein doppelschichtiges Epithel vor sich. Blindsäcke. Da die Larven der Perliden sehr gefräßig sind und reichlich Nahrung zu sich nehmen, so genügt der Darm allein nicht, um die Verdauungssäfte zu liefern, so daß 8 Ausstülpungen der Darmwand, die sogenannten Blindsäcke, zur Aushilfe dienen © müssen. Diese Blindsäcke befinden sich am Übergang zwischen Kaumagen und Chylusmagen und sind wirtelförmig um ersteren an- geordnet. Untersucht man diese Anhänge bei der Larve, so unter- scheidet man an ihnen leicht eine äußere helle und eine innere intensiv gelbe oder bräunliche Schicht. Trennt man die äußere von der inneren, was übrigens sehr leicht möglich ist, und legt die gelbe unter das Mikroskop, so genügt schon der Druck eines Deckgläschens, um dieselbe zu zerdrücken. Man erblickt dann eine Unmenge kleiner, gelber Tröpfehen, welche das abzusondernde Secret bilden. Die Struktur dieser Blindsäcke ist genau wie die des Mitteldarmes. Fig. 8 stellt einen Schnitt durch einen solchen Blindsack dar. Die Epithelzellen sind verschieden hoch und geben deshalb in ihrer un- regelmäßigen Anordnung ein wellenförmiges Bild. Die Höhe des Epithels beträgt 0,068 resp. 0,096 mm. Die Kerne nehmen ungefähr a) Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten, 39 die Mitte der Schicht ein und folgen der inneren, wellenfürmigen Umrandung. Auch beobachtet man hier, ebenso wie im Mitteldarm, die Stützzellen. Bemerkenswert ist noch eine Vorrichtung, durch welche der Darmkanal am Kürperskelet befestigt ist. Die Oberfläche der 8 Blind- säcke ist nämlich von einer dünnen, zusammenhängenden Lage von Längsmuskeln überzogen. Dieses Muskelgewebe tritt am vorderen Ende der Blindsäcke zusammen und bildet einen einzigen Faden. Die Fäden der 6 kleineren Magenanhänge sind an der Außenwand des Ösophagus befestigt. Die Muskelfäden der 2 größeren Blind- säcke vereinigen sich noch mit je einem anderen Faden, der von der Basis des Kropfes kommt, und verwachsen dann am vorderen Rande des Pronotums. Diese beiden Muskelbänder ziehen den Magen, der manchmal infolge allzu reichlicher Nahrungsaufnahme bis in das Abdomen verschoben ist, stets wieder in die frühere Lage zurück. Mit Absicht habe ich deshalb auch nicht über eine genaue Lage der einzelnen Darmabschnitte berichtet, da dieselbe aus angegebenem Grunde eine recht verschiedene ist. Auch die zu diesen Teilen des Darmes führenden Tracheenstämme sind recht lang und können sich leicht den verschiedenen Lagen anpassen. Am Mitteldarm der Imago finden wir im wesentlichen dieselben Verhältnisse wieder. Das Darmlumen ist etwas größer und infolge- dessen auch die Darmwand etwas niedriger geworden und fast auf die Hälfte reduziert. Gelbe Secretkörnchen sind gar nicht oder doch nur sehr spärlich vorhanden, ein Zeichen, daß die Secretion auf- gehört hat. Auch die Blindsäcke sind etwas weitlumiger, pergament- artig hell und fast durchsichtig. Das hohe Palissadenepithel hat sich auch hier fast membranartig verdünnt. An der Grenze von Mittel- und Enddarm münden die Marprénrschen Gefäße, etwa 80 an der Zahl. Sie sind schon von ScHINDLER (1878) genau be- schrieben worden. Enddarm. Dieser besitzt ungefähr eine Länge von 6 mm. Er setzt sich zusammen aus dem Colon (1,7 mm lang) und dem Rectum (5,4 mm lang). Das Colon, ein enges Rohr, besitzt nur eine sehr dünne Mus- kulatur, welche fast überall die gleiche Stärke besitzt. Das Epithel hat im vorderen Teil eine Höhe bis zu 0,296 mm. Im hinteren Teil wird es mächtiger und etwa doppelt so hoch. Das Rectum (Mast- darm) hat die Form einer aufgetriebenen Blase, in welche etwas seitlich der Diekdarm einmündet. Das Lumen dieses Darmabschnitts 40 EDUARD SCHOENEMUND, hat einen Durchmesser von 2,215 mm. Die Muscularis ist nur sehr dünn. Das Epithel ist leicht gewellt und nicht überall gleichmäßig ausgebildet. Auf der dorsalen und lateralen Partie erreichen die Zellen die beträchtliche Größe von 0,1165 mm und die ovalen Kerne eine solche von 0,0725 mm. Auf der ventralen Seite ist die Zellenschicht nur 0,0348 mm hoch (cf. Fig. 10). Das Ende des Mastdarmes ist durch zahlreiche Muskelbänder am Chitinskelet be- festigt. Bei der Imago sind die einzelnen Schichten nicht sehr stark umgestaltet, nur sind sie etwas niedriger. Speicheldrüsen. Als Speicheldrüsen der Perliden sind von Durour jederseits 9 getrennte Konglomerate von Drüsenzellen aufgefunden worden. Über die Lage derselben gibt uns Imxor weitere Aufklärung. Er schreibt sodann: „Alle vier Speicheldrüsen sind von reichlichem Fettgewebe umhüllt, sodass es ziemlich schwierig ist, die Ausführungsgänge in ihrem weiteren Verlaufe zu verfolgen“ (p. 21). Es ist ihm auch in der Tat nicht gelungen, die ausleitenden Gänge bis zu ihrer Mündung zu verfolgen, denn er fährt nachher fort: „In dem hinteren Teil des Kopfes angelangt, verbinden sich beide Gänge über dem Oesophagus, um mit ampullärer Erweiterung in das dorsale Gewölbe der Mund- höhle von hinten einzumiinden.“ Mit Hilfe der Schnittmethode werden solche anatomischen Schwierigkeiten leicht überwunden. Die aus- führenden Gänge verlaufen nämlich lateral bis zum Eintritt in den Kopf. Hier wenden sie sich nicht dorsalwärts, wie ImHor behauptet, sondern ventralwärts und vereinigen sich unter dem Ösophagus zu einem kurzen, gemeinschaftlichen Kanal. Dieser ist, rein morpho- logisch betrachtet, nur ein chitinisierter Teil der Unterseite des Hypopharynx. Der Ausführungsgang ergießt nun seinen Inhalt nicht direkt in die Mundhöhle, sondern er gabelt sich nochmals und sendet je einen Ast seitwärts zum Rande der Zunge. Die Mündungsstelle ist dort jederseits von einem kleinen, runden Chitinwulst umgeben. Man kann übrigens auch sehr leicht makroskopisch diese Tatsache konstatieren, indem man von einem in Alkohol oder Formalin ge- härteten Kopf den Hypopharynx vorsichtig abpräpariert. Man erblickt dann auf ihm den gemeinschaftlichen ampullären Kanal und die von den Drüsen kommenden Gänge. Was die histologische Beschaffenheit der Speicheldrüsen an- Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 41 belangt, so kann man an einem Driisenbliischen auf Querschnitten eine Membrana propria, einen Zellenkomplex, einen Hohlraum und einen kleinen Ausführungsgang erkennen. Die Secretionszellen sind ziemlich groß, sie liegen an der Membrana propria. In ihrem Innern bemerkt man oft kuglige Gebilde, die bläschenförmig aussehen, jedenfalls aber wohl nur als größere Secrettrôpfchen anzusehen sind. Das Secret zeigt in frischem Zustande eine gelbe Farbe, jedoch habe ich auch in einigen Fällen eine rötliche Färbung beobachten können. Die Kerne sind kuglig oder ellipsoidförmig gestaltet. Die Größe ihres Durchmessers schwankt zwischen 0,006 mm und 0,014 mm. Die großen Kerne haben einen zentralen, größeren Chromatin- nucleolus und mehrere kleine. Eine regelmäßige Lage der Kerne ist nicht zu beobachten, manchmal liegen sie dicht an der Membrana propria, manchmal auch in der Mitte der Zelle. Das Zellplasma enthält zahlreiche, kleine Körnchen und ist von kleinen Fasern durchzogen, wodurch eine Abgrenzung der einzelnen Zellen gegen- einander sehr erschwert wird. In dem ganzen Zellenkomplex ist ein Hohlraum, in welchen das Secret sich ansammelt. Wie die einzelnen Drüsenbläschen in Kommunikation stehen, kann man auf günstig geführten Schnitten leicht sehen. Von einem Hohlraum geht ein kleines chitinisiertes, äußerst feines Röhrchen aus, welches sich dann mit ebensolchen Kanälchen der anderen Drüsenbläschen ver- bindet, bis schließlich der Inhalt aller in einem gemeinschaftlichen Gange fortgeleitet wird. Dieser besteht aus einer strukturlosen Membrana propria, aus einem Epithel und einer spiraligen Chitin- intima. Geschlechtsorgane. Die Geschlechtsorgane der Perla-Arten sind schon von ver- schiedenen Forschern, so von Durour, IMHor, PALMEN und KLAPÂLEK, eingehender untersucht worden. Durour entdeckte jenen eigen- artigen Zustand in der schlingenförmigen Anlage der inneren Geni- talien, eine Erscheinung, die bis jetzt unter den Insecten nicht weiter beobachtet worden ist. Das Organ besteht nämlich beim männlichen wie beim weiblichen Geschlecht aus einer unpaaren Drüse, die, huf- eisenförmig gebogen, dorsal vom Darmkanal gelegen ist. Die beiden Ausführungsgänge vereinigen sich dann, bevor sie nach außen münden, zu einem unpaaren Abschnitt, der noch bei beiden Geschlechtern einige Modifikationen zum Zwecke der Copulation erfahren hat und mit spezifischen Anhangsdrüsen versehen ist. 42 Epuarp SCHOENEMUND, Nach diesen kurzen, allgemeinen Erläuterungen möchte ich zu- nächst auf die Frage von der unpaaren Keimdrüse zu sprechen kommen, welche schon Imnor und KrArALer beschäftigt hat. Imnor wagt es nicht, etwas Sicheres darüber auszusprechen, ob „die Keim- drüse ursprünglich einheitlich, ob es ein primitiver Zustand ist, oder ob dieselbe entsteht durch Zusammentreten und mehr oder weniger deutliche Verschmelzung der beiden vorderen Enden eines ursprüng- lich lateral gelegenen Hoden oder Ovarium in der Medianlinie des Körpers über dem Darmkanal, also eine secundäre Form ist“ (cf. p. 27, 1881). KuariueX dagegen ist der Überzeugung, daß die schlingenförmig angelegten Genitalien einen ganz primitiven Zustand darstellen, demzufolge die Perliden noch eine weit niedrigere Organi- sationsstufe vorstellen als die Ephemeriden, deren paarige Entwick- lung der Genitalien bis jetzt für die ursprüngliche gehalten wurde. Seiner weiteren Meinung nach sollen sogar aus diesem und anderen Gründen die Perliden eine viel niedrigere Entwicklungsstufe repräsen- tieren als die Apterygoten, die als eine der ursprünglichsten Formen der Insecten betrachtet werden. Zur Begründung seiner Über- zeugung macht er auf 2 Umstände aufmerksam: „erstens, dass in der Ordnung Plecoptera diejenigen Arten, welche wir als niedriger organisiert betrachten müssen, einfache, schlingenförmig angelegte Genitalien besitzen, und zweitens, dass diese Form der bei den Myriopoden normalen Anordnung derselben Organe sehr nahe steht.“ „Bei dieser Klasse“, so fährt er fort, „entwickeln sich Ovarien und Hoden meist als langgestreckte Schläuche, die aber oft paarige Aus- führungsgänge haben. Ja bei Scolopendra complanata finden wir nach FABRE auch eine ähnliche schlingenförmige Samenblase, wie sie bei den Plecopteren als eine unter den Hexapoden isolierte Er- scheinung auftritt“ (cf. 1897, p. 732). Irgendwelche ontogenetischen Untersuchungen hat KnapsueK jedoch nicht vorgenommen, so dab die von ihm aufgestellte Behauptung immerhin noch rein hypo- thetischer Natur ist. Leider fehlte es auch mir an Gelegenheit und vor allem an Material, um diese höchst interessante Frage zu lösen. Eine Lösung ist aber nur dann möglich, wenn die Perliden auf ihrem embryonalen und postembryonalen Entwicklungsstadium genau untersucht werden. Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 43 t Weibliche Geschlechtsorgane. Die weiblichen Geschlechtsorgane sind bereits von Durour und Imuor für Perla maxima genügend beschrieben und abgebildet worden. Die fiir die eine Species gemachten Angaben stimmen auch fiir die beiden anderen, da Unterschiede nicht zu konstatieren waren. Auf einige Punkte von Imnors Arbeit möchte ich jedoch noch zurück- kommen, da meine Untersuchungen andere Befunde ergaben. Auf p. 34 spricht Imnor von einer Anhangsdrüse mit 8 Drüsenschläuchen und einem gemeinsamen ausleitenden Endstück, die in das Recep- taculum seminis einmünden soll. Bei den hier vorkommenden Arten habe ich trotz sorgfältigster Untersuchung niemals das Vorhanden- sein einer solchen Drüse konstatieren können. Wohl mündet nahe dem Receptaculum in die Vagina jederseits eine vielfach gewundene Schleimdrüse. Vielleicht hat Imxor eine solche beobachtet, jedoch kein klares Bild von ihr bekommen. Die Drüse bildet eine einfache Röhre, ihr Secret dient dazu, die Eier mit einer klebrigen Schicht zu umgeben, damit sie an einem Gegenstand im Wasser haften bleiben. Die weiblichen Geschlechtsprodukte, die Eier, weisen interessante Bildungen auf, wie sie schon von ImHorF genauer beschrieben worden sind. Besonders auffallend ist die Micropyle, welche an dem spitzen Pole des Eies sich vorfindet. Man bemerkt dort einen zylindrischen Fortsatz (cf. Imsor, 1881, p. 35), welche von einem Kanal durch- bohrt ist. Dieser Hohlzylinder wird von einer herrlich violett ge- färbten Schicht in der Form eines Hutpilzes überdeckt. Hier schreibt nun Imnor: „Die Überdeckung bildet eine zusammenhängende Schicht, an welcher ich keine Öffnung entdecken konnte. Bekanntlich hat Meissner z. B. am Ei der Musca vomitoria und an anderen Eiern erkannt, dass sich an deren Mieropyle Öffnungen vorfinden, welche den Spermatozoen freien Eintritt gewähren. Auf welche Art und Weise nun die Spermatozoen zum Eidotter durch diese, wie es scheint, geschlossene Micropyle gelangen, harrt hier noch der näheren Untersuchung.“ Demgegenüber möchte ich bemerken, daß diese glas- helle Schicht keine resistente, derbe Masse ist, sondern eine gallert- artige, allerdings etwas zähere Schleimmasse bilde. Da nun bei dem Austreten der Eier die Micropyle an dem Receptaculum seminis vorbeikommt, so wird die gallertartige Masse sicherlich einen Reiz auf die Spermatozoen ausüben, die dann dorthin strömen und 44 EDUARD SCHOENEMUND, sich durch diese Schicht, wie es häufig vorkommt, einfach hin- durchbohren. Männliche Geschlechtsorgane. Die inneren männlichen Genitalien treten bei der Larve anfangs als eine einfache Röhre dorsal vom Darm auf. Als Ausstülpungen derselben gehen dann in der weiteren Entwicklung die Keimdrüsen hervor. Da die 3 Species eine verschiedene Ausbildung der Organe aufweisen, so werde ich sie getrennt behandeln müssen. Perla marginata. Bei den Männchen von Perla marginata bemerkt man schon auf sehr jugendlichen Stadien in der Anlage der Genitalien 2 drüsen- ähnliche Bildungen, die zunächst noch wenig scharf unterschieden, bei fortschreitender Entwicklung jedoch eine deutliche Differenzierung erkennen lassen. Schon mit bloßem Auge kann man zweierlei Ge- schlechtsdrüsen, Hodenfollikel und Ovarialschläuche, beobachten. Es besitzt also das Männchen eine hermaphrodite Sexualanlage (cf. eigene Arbeit in: SB. med. nat. Ges. Münster i. W., 1911). Beiderlei Geschlechtsdrüsen sitzen nebeneinander auf ein und demselben röhrigen Gange (cf. Fig. 14). Die Hoden liegen zu beiden Seiten dorsal vom Darm. Sie bestehen aus kleinen ellipsoidförmigen Bläschen, die in 3—4 Reihen angeordnet erscheinen. Die Follikel sitzen an dem Ausführungsgange nur nach der dem Darm zu- gewandten Seite. Das Innere eines Hodenfollikels läßt bei den Larven noch 2 deutlich verschiedene Zellenkomplexe unterscheiden. Die eine, nach außen gelegene Zone enthält die Samenmutterzellen, die andere die Spermatiden, aus denen sich die Spermien bilden. Der follikeltragende Abschnitt setzt sich auf jeder Seite nach hinten in einen engen, zylindrischen Schlauch fort. Im vorderen Teile des Abdomens, dort, wo die Hodenfollikel aufhören, wendet sich die schleifenförmige Röhre noch mehr dem Rücken zu und trägt auf dieser halbkreisförmigen Partie eine Menge weiblicher Eierschläuche, wie sie in Fig. 14 abgebildet sind. Wo die männlichen Samenkapseln aufhören, setzen sich sogleich die weiblichen Keimdrüsen an. Die Ovarialröhren werden allerdings bei den männlichen Exemplaren nicht so kräftig entwickelt wie bei den weiblichen. Sie sitzen regellos dem oberen Teile der halbkreis- förmigen Röhre an, der hier wohl ebenso wie beim weiblichen Ge- Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 45 schlecht als Calyx bezeichnet werden kann. Die Zahl der Eiröhren ist eine beträchtliche, ca. 70—100. Anfangs erscheinen sie als kleine zusammenhängende Masse und sind von einer dünnen Hülle umzogen. Mit zunehmender Entwicklung löst sich diese Hülle, und die einzelnen Schläuche werden frei, liegen dann aber meistens ganz wie beim weiblichen Geschlecht im Fettgewebe eingepolstert. Jede Ovarial- röhre besteht ganz wie beim Weibchen aus einer Anzahl von Ei- kammern, etwa 12—18 an der Zahl. Die einzelnen Kammern sind durch ein einschichtiges Follikelepithel voneinander gesondert. Das Ei selbst zeigt eine aus zahlreichen Körnchen bestehende Dotter- masse, ein Keimbläschen und einen Keimfleck (cf. Fig. 17). Die Keimbläschen erreichen in allen Kammern, die nach dem Ende der Ovarialschläuche zu immer kleiner werden, schon eine bedeutende Größe. Die Endkammern enthalten ein Konglomerat von undifferen- zierten Zellenelementen. Die Ausbildung der Keimdrüsen ist nun ungefähr bis in das Nymphenstadium eine gleichstarke. Sobald aber die Hodenfollikel beginnen, Spermien zu bilden, bleiben die Eiröhren auf dem ge- schilderten Entwicklungszustande stehen. Wohl beobachtete ich in einigen Fällen, daß besonders nahe den Ausführungsgängen der Ovarialschläuche einige Bier sich sehr gut weiter entwickelt hatten. Eine völlige Reife habe ich jedoch niemals beim Ausschlüpfen der Nymphe konstatieren können, da sich weder eine Chorionschicht noch eine Micropyle gebildet hatte. Die Produkte der männlichen Keimdrüsen, die Spermien, sind langgestreckt (cf. Fig. 15). Man unterscheidet an ihnen einen stark färbbaren, starren Körper, den Kopf, ferner einen langen, faden- förmigen Schwanzteil und ein nicht immer gut sichtbares Spitzen- stück. Stets trifft man die Samenelemente in kleinen Häufchen an. Durch eine Nährzelle sind sie alle in einem Punkte zusammen- gehalten, so dab die einzelnen Spermien wie Strahlen von diesem Punkte nach allen Richtungen auseinandergehen. In diesem Zu- stand bleiben sie bis zu ihrer Entleerung in das Receptaculum seminis, woselbst sie sich dann voneinander lösen. Vasa deferentia. Das hintere Ende des follikeltragenden Abschnitts setzt sich jederseits in einen engen, zylindrischen Schlauch fort. Dieser ist sehr lang, ca. 1,7 cm, und liegt in vielen Windungen dorsal vom Darm. Immor’s Angaben stimmen auch hier wiederum mit meinen Befunden nicht überein. Dieser Autor schreibt nämlich: „Dieser Teil des männlichen Generationsapparates zerfällt in zwei 46 EDUARD SCHOENEMUND, verschiedene Partien, die allerdings nicht scharf getrennt sind, son- dern nach und nach ineinander übergehen. Der dem Hoden näher gelegene Teil kann deshalb als besonderer Abschnitt in Anspruch genommen werden, weil er bei vollendeter Geschlechtsreife des In- sektes mit Sperma gefüllt erscheint und einigermassen die Stelle einer Samenblase vertritt, da ein solches spezielles Organ fehlt.“ Eine besondere Differenzierung des Vas deferens, speziell zur Auf- bewahrung des Samens, konnte ich nicht konstatieren, vielmehr ist bei geschlechtsreifen Tieren der ganze ausleitende Gang gleichmäßig ausgebildet und mit Sperma angefüllt. An dem hinteren Ende bilden jedoch beide Samenleiter, bevor sie sich zu einem gemeinschaftlichen Gange vereinigen, je eine schlauchförmige Ausstülpung, welche die Vesi- cula seminalis darstellt. Diese beiden Samenblasen, welche ImHor übersehen hat, sind etwa 3 mm lang und prall mit Spermien an- gefüllt (cf. Fig. 11). Daß an zweiter Stelle auch noch die Vasa deferentia als Samenbehälter dienen, liegt auf der Hand. Ductus ejaculatorius. In diesem etwa Sförmig gestalteten Abschnitt der männlichen Geschlechtsorgane münden die Samen- behälter und die Samenleiter. Die Wandung ist überall sehr stark verdickt und von einer starken Muskellage überdeckt. Penis. Das männliche Copulationsorgan besitzt die in Fig. 11 wiedergegebene Gestalt. Auf der Oberfläche ist dasselbe mit einer groben Anzahl kleiner Chitinborsten besetzt. Perla maxima. Bei dieser Species, die äußerlich sich nur recht wenig von der vorigen unterscheidet, ist im Bau der inneren Genitalien ein merk- licher Unterschied vorhanden. Die Hodenfollikel sitzen auch hier in 3—4 Reihen dem gemeinschaftlichen Ausführungsgange auf und zwar ebenfalls nach der dem Darm zugewandten Seite. Nach Imxor (1881) dagegen (cf. p. 29) sollen die einzelnen Bläschen dicht gedrängt rings herum den gemeinschaftlichen Gang umgeben. Dort, wo bei Perla marginata die Ovarialröhren ansetzen, findet man den Gang völlig frei von Keimdrüsen. In einigen Fällen konnte ich dort Gebilde wahrnehmen, die auf den ersten Augenblick wohl den Eindruck rudi- mentärer Eierschläuche machten, jedenfalls aber nur Teile des Fett- körpers waren. Ob bei den Männchen von Perla maxima anfänglich auch eine Differenzierung der Geschlechtsdriisen vorhanden ist, wird erst die ontogenetische Untersuchung lehren. Durour (1891) und Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 47 Imnor (1881) haben die männlichen inneren Genitalien von Perla maxima abgebildet. In ihrer Figur bedecken die Follikel den ganzen Gang und lassen in der mittleren Partie keinen freien Zwischen- raum. Ein solche Anordnung ist zuweilen auch zu beobachten, weit häufiger jedoch noch die vorher geschilderte. Die übrigen Geschlechtsteile, die Vasa deferentia, der Ductus ejaculatorius, die Vesiculae seminales und der Penis sind bei dieser Art genau so beschaffen wie bei Perla marginata (cf. Fig. 11). Auch für die Geschlechtsprodukte, die Spermien, pabt in Gestalt und Größe die in Fig. 15 gegebene Abbildung. Perla cephalotes. Diese Species ist von den beiden vorher beschriebenen Arten in der Anlage des Geschlechtsorgans recht wesentlich verschieden. Die Keimdrüsen bedecken auf der dem Darm zugewandten Seite den ganzen Gang, so daß niemals ein freier Zwischenraum vorhanden ist. Die Vasa deferentia lassen eine vordere englumige und eine hintere weitlumige Partie erkennen. Letztere dient als Samenblase, da eine solche bei diesen Tieren nicht speziell ausgebildet ist. Häufig be- merkt man, wenn die Anzahl der Spermien zu groß wird, auch noch eine sackförmige, seitliche Ausstülpung der Samenblase. Ein gemein- schaftlicher Ausführungsgang der Vasa deferentia, ein Ductus ejacu- latorius, ist als besonderer Abschnitt nicht wahrzunehmen, da die Samenleiter direkt in das Copulationsorgan einmünden. Auch die Spermien sind für diese Art ganz charakteristisch ausgebildet. Schneidet man die Vesicula seminalis auf, so kann man die Geschlechtsprodukte, die wie ein Knäuel dünner Wolle zu- sammengeballt sind, auf einmal mit der Nadel herausholen. Die Spermien liegen stets zu 20—30 in der Längsrichtung aneinander und sind dann ringförmig aufgerollt. Während die Spermien von Perla marginata und Perla maxima nur eine Länge von 0,1015 mm zeigen, haben diejenigen von Perla cephalotes die enorme Länge von 2,205 mm (cf. Fig. 16). Man unterscheidet an ihnen ein dünneres Spitzenstück, 0,0027 mm lang, einen Kopfteil, 0,0155 mm lang und einen nur mit sehr starker Vergrößerung sichtbaren Sch wanz- faden mit einer Länge von 2,1895 mm. Aus den gegebenen Schilderungen ersieht man, welche auber- ordentliche Verschiedenheit im Bau der inneren Genitalien sich bei 48 EpuarD ScHOENEMUND, den großen Perla-Arten vorfindet. Die niedrigste Entwicklungsstufe des Geschlechtsorgans treffen wir wohl bei Perla cephalotes, beim männlichen wie beim weiblichen Geschlecht an. Beim Weibchen verbinden sich die Eileiter vor ihrem Ende zu einem kurzen ge- meinschaftlichen Gange, der dann, nachdem sich seine Wand noch zu einem kugelförmigen Receptaculum seminis erweitert hat, nach außen mündet. Irgendwelche Anhangsdrüsen, die janur als Spezialitäten höher differenzierter Insecten anzusehen sind, finden sich bei dieser Species nicht vor. Was die männlichen Genitalien anbelangt, so zeigen auch sie, wie wir gesehen haben, eine recht primitive Form. Die Samen- gänge verlaufen bis kurz vor ihrem Ende getrennt und münden dann ohne besondere Ausbildung einer Vesicula seminalis oder eines Ductus ejaculatorius in das noch recht schwach entwickelte Copu- lationsorgan. Eine höhere Ausbildung des Genitalsystems findet man schon bei Perla maxima. Beim Weibchen mündet in jeden Eileiter eine vielfach gewundene Schleimdrüse. Beim Männchen ist eine besondere Vesicula seminalis und ein Ductus ejaculatorius vorhanden. Den eigenartigsten Zustand treffen wir jedoch bei den Männ- chen von Perla marginata an. Aus dem Vorhandensein von zweierlei Geschlechtsdrüsen müssen wir schließen, daß hier ursprünglich ein echter Hermaphroditismus vorgelegen hat und zwar in einer recht primitiven Form. Sollten die noch anzustellenden ontogenetischen Untersuchungen zeigen, daß die hufeisenförmige Genitalanlage bei den Perliden ein ursprünglicher Zustand ist und nicht etwa aus Verschmelzung zweier lateral gelegener Partien entstanden ist, so wird man direkt zu der Annahme eines ursprünglichen Sperm- oviducts geführt. Die reifen Eier wurden dann bei hermaphroditen Tieren dieser Art einfach in den Calyx entleert und zugleich, wenn sie die Ausführungsgänge der Hodenfollikel, um nach außen zu ge- langen, passieren mußten, auch befruchtet. Es ist aber wohl möglich, daß das Studium der embryonalen Entwicklung bei den Perliden zu einem solchen Ergebnis führt, denn, wie Hrymons berichtet (p. 43), haben METSCHNIKOFF, BALBIANI und Wırraczın für die Aphiden eine Entwicklung der Geschlechts- anlage aus einem einheitlichen Zellenkomplex in übereinstimmender Weise beschrieben; erst später tritt bei diesen Tieren eine Durch- schnürung der Anlage in 2 Hälften ein. Ein derartiger Fall, daß neben einem völlig normalen Weibchen ein Männchen mit hermaphroditischer Sexualanlage existiert, ist bisher in Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. 49 der ganzen Tierreihe in so deutlich ausgesprochenen Maße noch nicht bekannt. Nach meiner Literaturkenntnis hat nur HEymoxs (1890) bei Phyllodromia (Blatta) germanica auch eine Differenzierung der Sexualanlage beim Männchen gefunden. Neben der Hodenanlage fand er noch kuglige Gebilde, die in einigen Fällen keine besondere Entwicklung zeigten, in anderen wohl zur Entstehung von rudimen- tären Eiröhren führten. In einem stärker entwickelten Ovarial- schlauch konnte Hrymons auch zwei Eianlagen beobachten. Bei unserer Perlide dagegen konnte man in allen Fällen wohl über 1000 Eikammern zählen. Auch bei den Arthrostraken ist ein ähnlicher Fall bereits be- kannt. Nach Nepeskı (ef. Herrwic, p. 394) besitzt das Männchen von Orchestia cavimana neben den Hoden ein rudimentäres Ovarium. Ferner soll eine hermaphrodite Anlage bei einigen männlichen Schnecken beobachtet sein, bei denen ja gerade im Bau der Ge- schlechtsorgane die größte Mannigfaltigkeit herrscht. Diese Entdeckung der hermaphroditen Sexualanlage bei Perla marginata dürfte auch wohl in Beziehung zu setzen sein zu den Resultaten, die MEISENHEIMER bei den Untersuchungen gehabt hat, die er über den Einfluß der Geschlechtsdrüseu auf die sekundären Geschlechtscharaktere angestellt hat. Zu diesem Zwecke kastrierte er männliche Larven von Schmetterlingen und setzte ihnen weib- liche Geschlechtsdrüsen ein. In allen Fällen fand er, dab die Ge- schlechtsdrüsen bei den Schmetterlingen keinen bestimmenden Ein- fluß auf die Ausbildung der sekundären Charaktere während der ontogenetischen Entwicklung ausüben. Diese von MEISENHEIMER an- gestellten Versuche stimmen nun in schönster Weise mit den Resul- taten meiner Befunde überein. Obgleich die Männchen von Perla marginata keine transplantierten, sondern neben den Hoden natür- liche weibliche Geschlechtsdrüsen besitzen und beiderlei Keim- drüsen in den ersten Larvenstadien wohl fast gleichmäßig ent- wickelt werden, so tritt doch schon der sekundäre Geschlechts- charakter deutlich hervor. Von einer Einwirkung der Ovarien auf den sekundären Geschlechtscharakter, sei es durch eine Secretion oder auf eine andere Weise, ist auch hier nichts zu verspüren. Allgemeine Schlußbetrachtungen. Am Schlusse meiner Untersuchungen sei es mir gestattet, einige phylogenetische Fragen kurz zu streifen. Wie die Paläontologie Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 4 50 EpuARD SCHOENEMUND, lehrt, lebten bereits in den Epochen der paläozoischen Zeit, im Devon und Carbon unter den Insecten die Pseudoneuropteren und einige Orthopteren-Gruppen (Libelluloidea, Ephemeroidea, Blattoidea usw.). Zwar sind von den Perloidea und Plecoptera bis jetzt nur einige wenige Reste aus dem Perm von Rußland und dem Dogger von Ust Balei in Sibirien bekannt, jedoch wir können wohl mit Sicherheit annehmen, daß auch die Perliden eine uralte Insectengruppe darstellen. Dafür sprechen nämlich der einfache äußere Körperbau, die gleiche Aus- bildung der Abdominalsegmente und besonders auch die langen Schwanzfäden, die sich nur bei niederen Formen vorfinden. Auch die innere Organisation ist ziemlich primitiv. Eben weil man hier keine interessanten Spezialitäten der höher differenzierten Insecten vorfand, hielt man die Perliden für eine armselige, keiner weiteren Beachtung werte Gruppe. Aber gerade wegen dieser niedrigen Organisation wird man sich in erster Linie auch den Perliden zu- wenden müssen, denn sie lassen vielleicht noch wichtige Ergebnisse erwarten, die für das Problem der Phylogenie der Insecten von Be- deutung sind. Daß auch die 3 hier näher beschriebenen Arten trotz der mehr oder minder großen Differenzierung der Sexualorgane dennoch phylogenetisch einander sehr nahe stehen, erkennt man aus der fast gleichmäßigen Ausbildung sämtlicher übrigen Organe. Wegen der Größe und Zeichnung des Körpers sind ja Perla maxima und Perla marginata schon äußerlich einander so ähnlich, daß sie manchmal auf den ersten Augenblick selbst den Kenner täuschen können. Jedoch auch zwischen diesen beiden und der dritten, in der Färbung des Körpers wesentlich anders aussehenden Form habe ich nahe Be- ziehungen konstatieren können. Nach den periodischen Häutungen der Larven kann man sehr häufig an Perla maxima und Perla marginata am Thorax zuerst die für Perla cephalotes ganz charakteristische Zeichnung wahrnehmen. Dieselbe verschwindet jedoch schon inner- halb weniger Stunden, sobald die Chitinschicht erhärtet und die schwarze Zeichnung hervortritt. Höchst interessant wäre es noch, zu erfahren, ob zwischen diesen nahe stehenden Formen auch eine Fruchtbarkeit besteht. Ein Weibchen von Perla maxima nahm stets ein Männchen von Perla marginata an und umgekehrt. Falls bei derartigen Copulationen auch eine Befruchtung und eine spätere Entwicklung stattfinden sollte, wird man besonders seine Aufmerksamkeit auf die Ge- Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. . 51 schlechtsorgane lenken müssen, um zu sehen, wie bei diesen Ab- kömmlingen die inneren Genitalien beschaffen sind, ob eine hermaphrodite Sexualanlage vorhanden ist oder nicht. Zur Lösung dieser Frage werden Zuchtversuche die besten Resultate liefern können. Ich hoffe, in einer zukünftigen Arbeit näher darauf zurückzu- kommen. 4* 52 EpvarD SCHOENEMUND, Literaturverzeichnis. 1763. ScoPoLI, Entomologia Carniolica. 1771. DE GEER, Mémoires pour servir à l’histoire des Insectes, Vol. 2, Stockholm. 1838—1839. BURMEISTER, Handbuch der Entomologie, Vol. 2, Berlin. 1841. 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Supracoxalkiemen- büschel el Clypeus dr Speicheldrüsengang ep Epithel f Frons fo Follikelepithel H Hoden h Hypodermis k Kölbehen von den Sinnesorganen der Antennen ko Kopf ! Labrum m Muskel nuc Nucleus nucl Nucleolus o Occiput Ov Ovarium p Poren pe Penis Mgm Ringmuskulatur s Sinneshaare sch Schwanzborsten schw Schwanzteil se Secretzellen si Sinnesorgane sk 1., 2., 3. Substigmalkiemen- biischel sp Spitzenstiick su Facettenauge tr Tracheen trs Tracheenstämme tx Stellen, an denen die Chitinintima zerreißt v Vertex vd Vas deferens ve Ductus ejaculatorius vs Vesiculae seminales Tafel I. Fig. 1. Fig. 2. Stelle ist in Fig. 13 durch die Pfeilrichtung I angedeutet. Fig. 3. Transversalquerschnitt Tracheensystem einer Larve mit Tracheenkiemen. Querschnitt durch den unteren Teil des Kaumagens. Gos. Die 30:1. durch den oberen Teil des Kau- 56 Epvarp Scnognemux», Zur Biologie und Morphologie einiger Perla-Arten. magens. Die Stelle ist durch die Pfeilrichtung Il in Fig. 4 angedeutet. 80 : 1. Fig. 4. Kaumagen, aufgeschnitten und in eine Ebene ausgebreitet. (RTP vag) Ba Fig. 5. Schnitt durch die Driisenzellen der Tracheenkiemen. 675:1. Fig. 6. Hypopharynx einer Larve. 15:1. Fig. 7. Kopf und Prothorax einer Imago von Perla marginata in dorsaler Ansicht. 5:1. Fig. 8. Querschnitt durch einen Blindsack des Darmes. 20: 1. Fig. 9. Hinterleibsende einer weiblichen Imago von Perla maxima in ventraler Ansicht. 4:1. Fig. 10. Querschnitt durch den Dickdarm einer weiblichen Larve, entnommen einer Transversalschnittserie. 30:1. Fig. 11. Penis von Perla maxima mit den Vesiculae seminales. 12: 1. Fig. 12. Ein kurzer Kiemenfaden des 1. Supracoxalkiemenbüschels. 970 yea Fig. 13. Antennenglied einer Perla-Larve. 480: 1. Mate les Fig. 14. Die gesamten inneren männlichen Genitalien von Perla marginata auf dem Larvenstadium. 15:1. Fig. 15. Spermium einer Imago von Perla marginata. 375:1. Fig. 16. Spermium einer Imago von Perla cephalotes. 375:1. Fig. 17. Querschnitt durch eine Eiröhre des Männchens von Perla marginata. 30:1. Fig. 18. Dorsalansicht einer Nymphe von Perla marginata PANZ. OS ee Fig. 19. Dorsalansicht einer Nymphe von Perla maxima Scop. SRI Fig. 20. Dorsalansicht einer Nymphe von Perla cephalotes Curt. A 2. rte tit us Nachdruck verboten. Übersetzumgsrecht vorbehalten. Untersuchungen über niedere Organismen, IV. Studien über Meeresbacterien. Von Dr. Alexander Schepotieff, Privatdozent in St. Petersburg. Mit Tafel 3. 1. Allgemeine Beschreibung der beobachteten Bacterien. Die Frage über den feineren Bau der Bacterien gehört zu den wichtigsten und zu den brennendsten Fragen der modernen Biologie, indem zu viele und zu wichtige Ansichten über das Wesen der lebenden Substanz von ihrer Entscheidung abhängen. Die Bacterio- logen sind aber in ihrem Urteil über den Bau des Bacterienkörpers noch bei weitem nicht einig geworden. Schon ein kurzer Überblick der äußerst umfangreichen Literatur zeigt uns, daß hier sehr viele Widersprüche vorhanden sind. Einige Forscher sind der Ansicht, dab die Bacterien bloße Plasmamassen ohne Kern sind, andere, daß sie echte Zellen darstellen, und zwar entweder mit wahrem Kern oder mit verschiedenen Einschlüssen, die als dem Kern analoge Ge- bilde betrachtet werden können; endlich gibt es Forscher, von denen die Bacterien als nichts anderes denn nackte Kerne bezeichnet wurden. Viele Widersprüche sind natürlich auf ungenügend durchgeführte Technik zurückzuführen, viele auf Schwierigkeiten der Untersuchung, auf ungenügende oder einseitige Beurteilung der beobachteten Bilder. Die Mehrzahl der mit dem Studium der Bacterienstruktur be- 58 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, schäftigten Forscher untersuchte pathogene Formen, d. h. solche, die nicht in freien natürlichen Verhältnissen leben, sondern entweder als vereinfachte Formen betrachtet werden können oder sich in der einen oder der anderen Richtung spezialisieren. Nur wenige Forscher untersuchten nicht pathogene Arten aus dem Wasser oder der Erde. Trotz der außerordentlich umfangreichen Literatur über den Bau, die Struktur und die Entwicklung der Bacterien verbleiben doch einige Gebiete der Bacteriologie, die noch sehr wenig erforscht worden sind. Zu diesen Gebieten gehören zweifellos die marinen, nicht pathogenen Bacterien, deren Untersuchung von den Bacterio- logen bis in die allerneueste Zeit fast gänzlich vernachlässigt wurde. Obwohl diese Bacterien einen sehr großen Einfluß auf den Stoff- wechsel der Ozeane und auf den Kreislauf des Meeresbodens aus- üben, finden wir nur spärliche Untersuchungen über ihre Biologie und Lebensbedingungen in der Literatur; zu erwähnen sind: Russe (1892, 1893); B. Fıscher (1894); K. Branpr (1899); Baur (1901); Gran (1901, 1903); Ferre, (1903); KEUTHER (1904); NATHANSOHN (1906); Morısch (1906, 1907); Benecue (1907); Taomsen (1907). Über die Struktur der Meeresbacterien finden wir in der modernen Literatur, abgesehen von einigen sehr kurzen Notizen von RussEL und MorıscH, keinerlei Angaben. Alles dies veranlaßte mich während meines Aufenthaltes auf der Zoologischen Station in Neapel etwas in dieses Gebiet ein- zudringen und einige Untersuchungen über den feineren Bau der marinen Bacterien anzustellen, ohne jedoch deren biologische Ver- hältnisse zu berücksichtigen. Die von mir untersuchten Bacterien wurden aus gewöhnlichem Foraminiferenschlamm des Golfes von Neapel, der aus geringen Tiefen stammte, gewonnen. Einige Proben des Schlammes wurden zuerst in Titrierschalen stark ausgepreßt, um sämtliche Foraminiferen- und Molluskenschalen zu zerstören; der so erhaltene Niederschlag wurde erst durch dünne Drahtnetze, um die größeren Bruchstücke zu be- seitigen, und dann mehrmals durch Müllergaze abfiltriert. Nach dieser sukzessiven Filtrierung einer bestimmten Menge von Meeres- wasser blieben darin nur die kleinsten Organismen zurück, die meistens aus Bacterien bestanden. Schon aus solchen Proben konnten nach längerem Stehen oder nach nochmaligem Filtrieren durch aller- feinste Gaze die Bacterien leicht erhalten werden. Ähnliche Resul- tate, aber mit einer geringeren Zahl von Bacterien, ergaben andere Proben von Foraminiferenschlamm, die der einfachen Filtrierung Untersuchungen über niedere Organismen. 59 ohne vorherige Pressung und Zerstörung der Schalen, unterworfen wurden. Das Meereswasser, das nach der Anwendung beider Methoden bekommen wurde und größtenteils nur Bacterien enthielt, wurde auf Nährboden ausgesät. Zur Erhaltung reiner Kulturen wurden die so gewonnenen Bacterien zuerst auf Fischgelatine und auf ein Gemisch von Fischagar und Gelatine (?/, Fischagar, '/, Gela- tine mit geringem Zusatz von Stärke) ausgestrichen. Von den so erhaltenen Kulturen wurde eine Anzahl sofort isoliert und weiter kultiviert, eine andere dagegen, wenn das Wachstum ungünstig oder wenig charakteristisch wurde, weiter nach den von Gran (1901, p. 5) empfohlenen Methoden für die Reinkulturen von Meeresbacterien bearbeitet. Als Hauptmerkmale für die Artdiagnosen der beobachteten Formen wurden angenommen: die Kulturen auf Nährboden, und zwar auf Gelatine, Agar und Bouillon, das allgemeine Ansehen derselben im hängenden Tropfen aus jungen und aus alten Gelatinestich- kulturen, endlich der allgemeine Bau der einzelnen Individuen bei schwachen Vergrößerungen von 560 :1. Am häufigsten gelang es mir die im Jahre 1892 von Russen beobachteten und in den Küstenzonen des Meeres allgemein ver- breiteten Bacillus granulosus, Bacillus limosus, Spirillum marinum und Bacillus littoralis zu erhalten. Außerdem entwickelten sich bei mir in einem großen Gefäß, wo einige Exemplare von Hircinia mirabilis zum Verfaulen gelassen wurden, sehr große Mengen von roten Schwefelbacterien, so daß das ganze Gefäß wie mit einer starken Karminlösung gefüllt erschien. Eine genauere Untersuchung zeigte, dab hier neben vielen anderen Purpurbacterien sich besonders zahlreich Rhodocapsa sp., allem Anschein nach Rh. suspensa MoriscH, entwickelt hatte. Diese Art wurde denn auch von mir untersucht.) Bacillus limosus RUSSEL. Nährboden: Gelatineplatten. Entwicklung verläuft äußerst rasch; es bilden sich ganze Massen bis 2 cm im Durch- messer (Fig. 6, Taf. 3). Gelatineverflüssigung erfolgt sehr rasch. Gelatinestich. Sehr breite sackförmige Trichter mit dünnen Häutchen (Fig. 5). 1) Alle von mir untersuchten marinen Bacterien färben sich nach GRAM nicht. 60 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, Schräge Agar. Entwicklung verläuft rasch; es bilden sich weiße feuchte Flecken. Bouillon. Starke Färbung mit grobem Bodensatz und ober- flächlicher feiner Haut. Im hängenden Tropfen. Junge Kulturen haben das Aus- sehen eines Aggregats sehr kurzer Fäden aus 2—8 einzelnen Indi- viduen (Fig. 7b); aus alten Kulturen (Fig. 7a u. 8) einzelne oder paarweise verbundene Individuen. Sporenbildung wurde beobachtet; Sporen endstandig. Allgemeine Organisation.') Einzelne Bacterien (Fig. 21) haben das Aussehen von schlanken geraden Stäbchen, 3—4mal so lang wie breit, mit schwach abgerundeten Ecken. Länge ca. 81/, bis 9 u, Breite 2—21,, u. Der Körper von B. limosus aus ganz jungen, nur einige Stunden alten Kulturen hat das Aussehen eines fast homogenen Stäbchens ohne erkennbare Membran (Fig. 26); mit dem weiteren Wachstum treten in seinem Innern einige kleine stärker lichtbrechende Pünkt- chen auf; es sind noch keine weiteren besonderen Einschlüsse zu erkennen. Aus Kulturen auf stärker verflüssigter Gelatine lassen die Bacterien deutlich eine Grundsubstanz und eine Anzahl be- sonderer Einschlüsse unterscheiden. Auf der Oberfläche des Körpers ist eine sehr dünne Membran (MD, Fig. 21) deutlich zu erkennen. Die Grundsubstanz (Gsb, Fig. 20—21) zeigt einen deutlichen Alveolarbau, so daß man folgende Bestandteile in derselben unter- scheiden kann: 1. Die Wandsubstanz (Ws) der Alveolen, die in lebendem Zu- stande schwach lichtbrechend ist. 2. Den Inhalt der Alveolen (Al, Fig. 21), der wasserhell und schwächer färbbar ist als die Wandsubstanz. 3. Die in den Wabenknoten liegenden Körnchen; sie färben sich mit anderen Farben als die Alveolenwände und sind etwas stärker lichtbrechend: die sogenannten „lichtbrechenden Körnchen“ (ZX). Die größeren Einschlüsse bestehen morphologisch aus zweierlei 1) GUILLERMOND (1908) und DANGEARD (1890) beobachteten ihrer Aussage nach B. limosus, aber nicht aus Meeren, und geben entweder gar keine Diagnosen oder ganz abweichende Merkmale (grüne Färbung ete.). Mir scheint, daß diese Autoren eine andere Art, nicht aber B. limosus RUSSEL, aus dem Meereswasser untersucht haben. Auch stimmen meine Resultate mit denen von GUILLERMOND nicht überein. Untersuchungen über niedere Organismen. 61 Arten von Gebilden: aus länglichen Klümpchen oder Strängen und aus kugligen, tropfenähnlichen Granula. a) Die länglichen Einschlüsse liegen stets nur in den Knoten- punkten der Alveolarwände, oder sie sind in die Wände selbst ein- geschlossen. Sie haben das Aussehen länglicher Bänder oder Stränge und färbten sich bei allen Versuchen nur mit denselben Farbstoffen wie die lichtbrechenden Körnchen (Chrs, Fig. 20 u. 21). Man kann sie also als verlängerte oder mehr erwachsene Körnchen, die nur größere Dimensionen erreichten, auffassen. Wegen ihrer länglichen Bandform glaube ich, dab für sie die Bezeichnung als Chromatin- stränge am besten passen wird. Die kleineren „lichtbrechenden Kürnchen“ der Grundsubstanz entsprechen den roten Körnchen im Sinne BÜTSCHLTS. b) Die kugligen Granula liegen nur in den Alveolen selbst und sind stets größer als die roten Körnchen. Nach ihrer Färbbarkeit und anderen Eigenschaften kann man 2 Arten von Granula unterscheiden: a-Granula; sie sehen den Chromatinsträngen und kleineren Einschlüssen der Alveolarwände ähnlich und stellen wahrscheinlich Modifikationen der Substanz der letzteren dar. Solche Granula sind bei 5. limosus nicht häufig. b-Granula (Ft, Fig. 20); sie stellen Reservestoffansammlungen dar und färben sich nicht mit denselben Farbstoffen wie die Grund- substanz, Chromatinstränge und a-Granula. Sie sind hier auch spär- lich, und ihre genauere Beschreibung soll bei anderen Arten gegeben werden. Die Unterschiede zwischen roten Körnchen, Chromatinsträngen und a-Granula bestehen nur in der Intensität der Farbe. Am schwierigsten ist die Natur des Alveoleninhalts zu erkennen; er färbt sich nach langer Färbung mit denselben Farbstoffen wie die Alveolenwände. Seltner bleibt er ungefärbt; niemals konnte ich jedoch eine Farbendifferenzierung zwischen dem Alveoleninhalt und der übrigen Grundsubstanz erhalten. Die Membran ist bei B. limosus zu dünn, um hier genauer be- trachtet zu werden. Teilung. Die Teilung von B. limosus (Fig. 22—24) beginnt zuerst mit der Bildung einer schwachen Verengerung des Körper- durchmessers (Vg, Fig. 22); dann tritt eine Ansammlung von Chro- matinsträngen auf der Höhe der Verengung auf. Diese Stränge bilden eine Art von Scheidewand, die gewöhnlich schräg von einem 62 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, zum anderen Tochterindividuum verbleibt (Qs); nach der Trennung der letzteren zerteilen sich die Chromatinanhäufungen wieder in einzelne Stränge. Sporulation. Die Vorbereitung zur Sporulation besteht aus zwei Veränderungen im Bacterienkörper: 1. Einer stärkeren Ansammlung der Chromatinstränge in einer Hälfte des Körpers (Chrs, Fig. 27). 2. Veränderungen in der Substanz desselben (Fig. 28—31). Die Chromatinsubstanz erfüllt vor der Sporulation zuerst das ganze Innere einer Hälfte des Körpers: hier sammeln sich die meisten Chromatinstränge an, und es treten zahlreiche a-Granula in den Alveolarräumen auf. Es entsteht dann eine mehr oder weniger kom- pakte Masse, die als Vorspore (Vsp, Fig. 28) bezeichnet werden kann. Hier tritt noch keine Umwandlung der Körpersubstanz auf. Während der Bildung der Vorspore wird der übrige Körper blasser, fast sämt- liche Chromatinstränge verschwinden. Die Umwandlung der Vorspore in die echte Spore ist durch den sukzessiven Verlust der Färbbarkeit mit den für Chromatinstränge charakteristischen Farbstoffen gekennzeichnet; dieser Verlust erfolgt von der Peripherie der Vor- spore nach deren Innerm zu, so daß in ihrem Zentrum oft ein sich färbendes Pünktchen erkennbar bleibt (Am, Fig. 30), das von den früheren Forschern als Kern der Spore bezeichnet wurde (Münt- SCHLEGEL, 1900; A. Meyer, 1901; Naxaniscui, 1901; GRIMME, 1902). Die fertige Spore hat das Aussehen eines sehr stark licht- brechenden Körpers, der nach dem Verschwinden der letzten färb- baren Partie durchaus homogen erscheint (Sp, Fig. 29). Die Sporen- membran tritt erst später nach dem Absterben des übrigen Bacterien- körpers auf. Sie ist dick und stärker lichtbrechend als die Spore selbst (Spm, Fig. 30). Bacillus granulosus Russet. Nährboden: Gelatineplatten. Entwicklung geht lang- sam; es bilden sich undurchsichtige blattartige und glänzende Massen, die bei schwachen Vergrößerungen konzentrisch geschichtet erscheinen (Fig. 2). Gelatineverflüssigung erfolgt ziemlich langsam. Gelatinestich (Fig. 1). An der Oberfläche bildet sich eine flache Vertiefung ohne Haut. Untersuchungen über niedere Organismen. 63 Schräge Agar. Entwicklung verläuft sehr langsam, ungünstig. Es bilden sich weißliche oder gelbliche Flecken. Bouillon. Trüb mit feinem Bodensatz ohne Haut. Im hängenden Tropfen. Junge Kulturen haben das Aus- sehen eines Aggregats von langen Fäden (Fig. 3b). Aus alten Kulturen (Fig. 3a): sehr kleine Fäden oder einzelne, paarweise mit- einander verbundene Individuen. Sporulation wurde beobachtet; Sporen fast endständig. Allgemeine Organisation Die einzelnen Individuen (Fig. 4 u. 35) sind große, 2mal so lange wie breite, mit dicker Mem- bran versehene Stäbchen (Mb, Fig. 34 u. 35). Länge ca. 5—61/, u, Breite 2—2!/, u. Aus sehr jungen Kulturen hat D. granulosus das Aussehen eines länglichen Stäbchens mit zahlreichen Einschlüssen, zwischen denen jedoch die Grundsubstanz noch erkennbar ist; auch ein Alveolarbau, ähnlich dem bei D. limosus, kann ebenfalls unterschieden werden. Chromatinstränge sind hier spärlich, a-Granula gar nicht zu er- kennen, dagegen sind die übrigen Einschlüsse sehr zahlreich. Eine deutliche Membran ist bei jungen Individuen leicht zu erkennen (Mb, Fig. 34). An lebenden Exemplaren ist sie stärker licht- brechend als die Grundsubstanz des Körpers, weshalb sie auf opti- schen Längsschnitten sehr deutlich als eine homogene Schicht zu sehen ist. In älteren Kulturen ist 5. granulosus vollständig mit Einschlüssen erfüllt (E, Fig. 35 oder 37). Die Untersuchung des feineren Baues der Grundsubstanz an lebenden oder einfach fixierten Exemplaren ist deshalb unmöglich. Die Einschlüsse bestehen aber größtenteils aus Reservestoffen, die sich in Essigsäure leicht lösen. Die mit diesen Einschlüssen erfüllten Bacterien sind stark lichtbrechend. Die mit schwacher Essigsäure vorsichtig behandelten Exemplare zeigen im allgemeinen denselben alveolären Bau der Grundsubstanz wie die Bacterien aus jungen Kulturen oder wie B. limosus (Fig. 36 Al). Rote Körnchen und a-Granula fehlen hier vollständig; Chromatin- stränge sind in geringer Zahl vorhanden. Der Alveolarbau ist hier sehr ungleich, da die großen Einschlüsse oft eine Alveole auf Kosten der anderen erweitern. Abgesehen von diesen Einschlüssen, die den b-Granula von B. limosus entsprechen, treten noch besondere Ein- schlüsse — die c-Granula — auf, die in Essigsäure entweder unlös- lich bleiben oder nur quellen, sich aber mit den für die Grund- 64 ALEXANDER SCHEPOTIEFF substanz charakteristischen Farbstoffen nicht färben (Ne, Fig. 36). Ihre Zahl ist bei B. granulosus jedoch sehr gering. Was die Natur der b-Granula betrifft, so läßt ihre schnellere Löslichkeit in Essigsäure und ihr allgemeines Aussehen schon im voraus vermuten, dab sie Fetteinschlüsse darstellen, was durch die weiter unten beschriebenen mikrochemischen Reaktionen vollkommen bestätigt wird. Teilung. Die Teilung kann man bei B. granulosus nur bei jungen Formen deutlich erkennen (Fig. 38 u. 39), bei denen die Fett- einschlüsse spärlich sind oder ganz fehlen. Hier kann man auch die Bildung einer Chromatinscheidewand erkennen (Qs), aber in viel schwächerer Entwicklung als bei B. limosus.!) Genauer sind diese Vorgänge von mir nicht untersucht worden. Sporulation. Die Vorbereitung zur Sporulation charakteri- siert sich durch allgemeinen Verbrauch der Fetteinschlüsse, so dab der ganze Körper blasser wird. Die in älteren Kulturen hervor- tretenden blassen und schwächer lichtbrechenden Individuen deuten auf die angefangene Sporulation. Die Bildung der Vorspore erfolgt wie bei B. limosus, nur ist diese hier bedeutend kleiner und liegt nicht ganz endständig, sondern etwas näher der Mitte des Körpers (Vsp, Fig. 40). Wegen ihrer geringen Dimensionen wurde die Sporu- lation bei B. granulosus von mir nicht genauer untersucht. Die Spore selbst (Sp, Fig. 40) ist kuglig und stark lichtbrechend. Sie färbt sich nicht mit den allgemeinen Farbstoffen der Grundsubstanz. Bacillus littoralis RUSSEL. Nährboden: Gelatineplatten. Entwicklung verläuft langsam; es bilden sich braune kleine Massen (Fig. 14). Gelatineverflüssigung geht äußerst langsam vor sich. Gelatinestich. An der Oberfläche bildet sich eine farblose breite Vertiefung ohne Haut, tiefer tritt eine bräunlich-rötliche Kultur auf, die wie eine feine Linie aussieht (Fig. 13). Schräge Agar. Entwicklung verläuft langsam; es bilden sich graue feuchte kleine Fleckchen. Bouillon. Schwache Trübung mit sehr feinem Bodensatz, ohne Haut. 1) Die Bildung der Scheidewand während der Teilung des Bacterien- körpers beobachtete ich nur bei B. limosus und B. granulosus. Dieser Vorgang erinnert etwas an die Teilung der Chlorophylikörner, wenn dabei eine besondere Querplatte hervortritt (MIKoscH, 1877, SCHAARSCHMIDT, 1881). Untersuchungen über niedere Organismen. 65 Im hängenden Tropfen. Junge Kulturen bestehen aus einem Aggregat von einzelnen oder paarweise miteinander verbundenen Individuen (Fig. 15 u. 16); in alten Kulturen nur einzelne Individuen. Allgemeine Organisation. Einzelne Individuen sind klein, oval. Ihre Länge ca. 2—2}/, u. Sporulation wurde nicht beobachtet. Spirillum marinum Russe. Nährboden: Gelatineplatten. Entwicklung verläuft langsam; es bilden sich runde, radiär gestrichene, graue Massen (Fig. 10). Gelatinevertlüssigung erfolgt langsam. Gelatinestich. An der Oberfläche bildet sich ein kleiner Trichter mit feinem Häutchen (Fig. 9). Schräge Agar. Entwicklung verläuft langsam; es bilden sich flüssige weibliche Flecken. Bouillon. Feine Trübung mit feinem Bodensatz und weißlicher dicker Haut. Im hängenden Tropfen. Junge Kulturen bestehen aus einzelnen, seltner paarweise miteinander verbundenen Individuen (Fig. 12a). Aus alter Kultur (Fig. 11 u. 12b): Aggregat schrauben- förmiger Fäden aus mehreren Individuen. Sporulation wurde beobachtet; Sporen zentral. Allgemeine Organisation. Einzelne Individuen halbkreis- förmig, vom Aussehen echter Spirillen mit einem Büschel langer Geißeln (Gs, Fig. 42 u. 43) an einem Körperende; sie sind 4—5mal so lang wie breit, mit abgerundeten Körperenden. Länge 7—8 u, Breite 11/,—3 u. Die Grundsubstanz des Körpers von Spirillum marinum hat eine deutliche Alveolarstruktur. Im optischen Längsschnitt liegen die Alveolen gewöhnlich in 3 Längsreihen angeordnet (Alv u. Al, Fig. 45). Die Chromatinstränge sind äußerst stark entwickelt und haben das Aussehen von langen, oft spiral gebogenen Bändern mit undeutlichen Umrissen (Chrs, Fig. 42, 45 u. 48). Bei den aus jungen Kulturen stammenden Individuen sind die Stränge kurz und gleichmäßig auf den ganzen Körper verteilt. Ihre Zahl erreicht dann 10—15 (Fig. 46). In älteren Kulturen bei schwachen Vergrößerungen haben die Chro- matinstränge das Aussehen eines Klumpens von spiraligen Gebilden, die außerordentlich an die einzelnen Chromosomen von in mitotischer Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 5 66 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, Teilung begriffenen Kernen erinnern (Fig. 42). Bei schwachen Ver- gröberungen erscheinen diese Komplexe als spirale Fäden.) Einschlüsse. a-Granula und die roten Körnchen Bürscazrs treten ziemlich häufig auf, sind aber sehr klein; b-Granula fehlen. Der Hauptunterschied zwischen jungen und älteren Kulturen von Sp. marinum besteht in der stärkeren Entwicklung der c-Granula in den älteren. Hier liegen sie gewöhnlich in den zentralen Alveolen (E, Fig. 45 u. 47). Die Körpermembran ist entweder nicht vorhanden, oder sie ist nur bei den lebenden Exemplaren als eine dünne, sehr stark licht- brechende Schicht erkennbar. Die Geißeln erscheinen als einfache Anhänge dieser Schicht. Die Teilung wurde bei Sp. marinum nicht beobachtet, ebenso wurden auch keine Stadien gefunden, die auf eine Vorbereitung zur Teilung hindeuten. Sporulation. Die Vorbereitung zur Sporulation ist anfäng- lich durch das Verschwinden der c-Granula und durch die An- sammlung der meisten Chromatinstränge an einer Stelle des Körpers charakterisiert. Wir haben hier also eine ähnliche Erscheinung, wie sie sich bei allen übrigen Formen zeigt. Die Vorspore (Vsp, Fig. 50) liegt nicht endständig, sondern ungefähr in der Mitte des Körpers, nahe dem von Geibeln freien Körperende. Die Spore ist oval, lichtbrechend und nach allen ihren Eigenschaften den Sporen der übrigen Arten ähnlich. Rhodocapsa suspensa MOLISCH. Nährboden. Auf denselben konnte ich keine reinen Kulturen erhalten, da sich dabei wegen der äußerst langsamen Entwicklung von Æhodocapsa selbst stets andere Arten entwickeln. Isolierung einzelner Individuen ist dagegen ziemlich leicht, da sie nach schwachem Schütteln des Reagenzglases mit Kulturen eine Zeitlang im Wasser schwimmen und durch Filtrieren durch weiten Tüll leicht als ein roter Niederschlag auf dem letzteren zurückbleiben. Solcher Niederschlag wurde dann in frischem Seewasser kultiviert oder in dem für Purpurbacterien von MorıscH (1907) empfohlenen Agar oder endlich in Seewasser mit etwas Schwefelwasserstoff. Auf dem Agar von Mouiscu geht die Entwicklung jedoch äußerst langsam. 1) Die Spiralfäden von DOBELL (1908) oder SWELLENGREBEL (1906) sind wahrscheinlich ähnliche Klumpen. Untersuchungen über niedere Organismen. 67 Im hängenden Tropfen. Junge Kulturen bestehen aus langen Fäden (Fig. 52); aus alten Kulturen (Fig. 18 u. 19): Kurze Fäden, seltner auch einzelne Individuen. Allgemeine Organisation. Die einzelnen Individuen von Rhodocapsa haben das Aussehen von Stäbchen mit abgerundeten Ecken und zahlreichen kurzen Geißeln, die über die ganze Körper- oberfläche zerstreut sind. Die Länge des Körpers variiert, je nach der Kultur, von 4—6!/, u, die Breite 2—2'/, u. Sporulation wurde beobachtet; Sporen endständig. Der feinere Bau von Rhodocapsa ist äußerst kompliziert. Der Bau und die Entwicklung dieser Form hängen von dem Nährboden und den allgemeinen Lebensbedingungen ab. Da sie zu den Schwefel- bacterien gehört, kann man in erster Linie 2 Formen von Æhodo- capsa unterscheiden: 1. Rhodocapsa in Anwesenheit von Schwefelwasserstoff mit Schwefelkörnchen (Sh, Fig. 53) und fast ganz frei von rotem Pigment. 2. Rhodocapsa, die sich ohne Zutritt von Schwefelwasserstoff entwickelt, frei von Schwefelkörnchen, mit starker Entwicklung von rotem Pigment (Fig. 51, 52, 54 u. 55). In beiden Fällen tritt jedoch keine besondere Gallerthüllenbildung auf, wie MorıscH (1906) annahm, sondern es sind nur zahlreiche kurze peritriche Geißeln vorhanden, deren Zahl ziemlich variabel ist. Nach dem Schütteln schwimmen einzelne Individuen und Fäden von Rhodocapsa im Wasser mittels ihrer Geißeln, nicht aber mittels be- sonderer „Airosomen“, wie Morısca (1906, 1907) vermutet hatte. Letztere sind auf alle Fälle nichts anderes als optische Bilder, die durch die stärkere Lichtbrechung der einzelnen Schwefelkörnchen oder Fetteinschlüsse verursacht sind, was schon von FıscHer (1897) nach- gewiesen wurde. a) Rhodocapsa mit Schwefelkörnchen. Die Proben der roten „Niederschläge“, die aus den Fäden von Rhodocapsa bestehen, entwickeln sich ziemlich gut und schnell in den Reagenzgläsern mit Seewasser und in Lösungen von Schwefelsalzen mit Schwefelwasser- stoff. Die Entwicklung geht besonders gut bei starker Beleuchtung, da die Rhodocapsa-Kulturen positiv phototroph sind. Solche Kulturen sind blaß rötlich und stellen ein Aggregat von Fäden dar, die aus einzelnen stark mit den Schwefelkörnchen er- füllten Individuen bestehen (Fig. 53). Einzelne Bacterien haben das Aussehen der glänzenden Stäbchen mit einer geringen Quantität röt- ilchen Pigments. Die Schwefelkörnchen erscheinen als ovale oder on 68 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, kuglige Gebilde, die man aus trockenen Präparaten leicht isolieren kann nach Behandlung mit 10°/,iger Kochsalzlösung oder mit starker Essigsäure. Da die Schwefelkörnchen die Körper der Bacterien sehr dicht erfüllen, kann man die übrigen Bestandteile der letzteren nicht genauer erkennen. Wenn man Kulturen mit Schwefelkörnchen in frisches Meerwasser überträgt, in dem keine spätere Schwefelwasser- stoffbildung auftritt, so verschwinden allmählich alle Schwefel- körnchen. ca. 7—10 Tage nach der Übertragung sind alle Bacterien schon frei von Schwefelkörnchen. b) Rhodocapsa ohne Schwefelkörnchen. Mit dem Ver- schwinden der Schwefelkörnchen tritt gleichzeitig die Vermehrung des roten Pigments auf. In den Reagenzgläsern mit frischem See- wasser entwickelt sich Rhodocapsa zuerst ziemlich intensiv (Fig. 17), bald aber erscheint ihre Kultur blasser. Dieses Verblassen ist mit der Bildung von eigentümlichen sporoiden Körpern verbunden, die auf eine begonnene Degeneration der Kultur hindeuten. Bei voll- ständigem Mangel an Schwefelwasserstoff oder genügender Quantität der Schwefelsalze sterben die Kulturen in 1—1?/, Monaten ab. Einzelne Fäden solcher ausgestorbener Kolonien bestehen aus leeren Schalen mit Sporoidkörpern (Skp, Fig. 58). Auch bei Mangel von Luftzutritt zu den intensiv wachsenden Kulturen von Rhodocapsa sterben solche Kulturen bald aus. In diesem Falle ist das Aussterben der Kultur nicht immer mit der Bildung der Sporoidkörper verbunden. In den Körper von Rhodocapsa ohne Schwefelkörnchen kann man leicht die Grundsubstanz von verschiedenen Einschlüssen unter- scheiden; besonders charakteristisch für Rhodocapsa ist das rote Pigment, das in Gestalt zahlreicher kleiner Kügelchen in der Peri- pherie des Körpers liegt (Pg, Fig. 55 u. 57). Sie sind löslich in abs. Alkohol, Äther, Chloroform, unlöslich in 35—90° Alkohol und Wasser. Während der Anfertigung von Präparaten kann man also den Körper von Rhodocapsa vollständig entfärben. Man kann aus diesem Grunde nicht entscheiden, wo sie liegen, in den Alveolen oder in deren Wänden. Nach den Studien der Präparate von Rhodocapsa kann man fest- stellen, daß der gesamte Körper während der Zeit der intensiven Entwicklung aus folgenden Bestandteilen besteht: 1. Grundsubstanz, die in wenigen gelungenen Präparaten eine Andeutung von Wabenbau zeigt (z. B. Fig. 55). 2. Pigmentkörnchen (P49). Untersuchungen über niedere Organismen. 69 3. Chromatinstränge (Chrs). 4. b-Granula oder Fetteinschlüsse (Ft). 5. c-Granula (E, Fig. 60). Die Teilung von Rhodocapsa wurde nicht beobachtet. Die Sporu- lation ist wegen der vielen fremden Einschlüsse nur äußerst schwer zu beobachten. Die Vorbereitung zur Sporulation ist durch den Verlust der meisten Einschlüsse charakterisiert, wobei eine deutliche Anhäufung von kurzen Strängen in einem der Körperenden erkenn- bar wird (Vorspore) An deren Stelle bildet sich dann eine stark lichtbrechende, ovale Spore (Sp, Fig. 56). Die sporoiden Körper treten zuerst als kleine, zahlreiche, stärker lichtbrechende Pünktchen oder Körnchen in der Grundsubstanz auf. Dann verschmelzen sie zu größeren Körnern, die sich mit den für die Grundsubstanz charakteristischen Farbstoffen nicht färben. Die Breite solcher Körnchen ist bedeutend größer als die des Körpers. Infolge dieser Größe bekommt man leicht die Möglichkeit, die Sporoid- körper von den kleineren endständigen Sporen zu unterscheiden (Skp, Fig. 58 u. 59). 2. Historische Übersicht der Untersuchungen über den feineren Bau des Bacterienkôrpers. Wie bereits erwähnt, kann man die in der Literatur der letzten drei Dezennien enthaltenen allgemeinen Betrachtungen über den feineren Bau des Bacterienkörpers folgendermaßen zusammenfassen: Bacterien sind Cytoden ohne Kern, Bacterien sind Zellen und Bacterien sind Kerne ohne Protoplasma.!) I. Die Bacterien sind Cytoden ohne Kern. Diese Ansicht teilen FiscHer (1891), Micuza (1894), Hinze (1901) und Massarr (1902), welche die Existenz eines Kernes bei Bacterien bestreiten und nur Membran und Plasma unterscheiden; die Einschlüsse dieses letzteren sind entweder Vacuolen oder Nahrungs- körperchen. Spätere Untersuchungen mit Anwendung von mikrochemischen und Farbenmethoden haben diese Auffassung jedoch vollständig er- schüttert, da die Existenz von Einschlüssen, welche die verschiedenen Kernstoffreaktionen zeigen, keinem Zweifel mehr unterliegen kann. 1) Die besten Übersichten über den Bacterienbau finden wir bei DIETTRICH (1904), Miaguna (1906), Amato (1908), GUILLERMOND (1908) und AMBROZ (1909). 70 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, II. Die Bacterien sind Zellen, d.h. sie besitzen entweder einen Kern oder Einschlüsse, die dem Kerne analog sind. a) Die Bacterien besitzen einen echten Zellkern. Nach ScHorTELıus (1888), WAGER (1891), Proropororr (1891), ZURAL (1892), InkEwicz (1894), Kuxsrzer u. Bosquer (1898) und KUNSTLER (1900) besitzen die Bacterien entweder einen oder mehrere echte Zellkerne. Als diese wurden größtenteils Reservestoffe oder andere Einschlüsse beschrieben, welche mit den Kernen nichts zu tun haben. SJÖBRING (1892) unterscheidet ein peripheres Protoplasma von einem zentralen Kern, der sich mitotisch teilt. Das Protoplasma färbt sich sehr intensiv mit Karbol-Magentarot, der Kern mit Karbol- methylenblau. A. Meyer (1899) unterscheidet, nach Anwendung zahlreicher Doppelfärbungen und mikrochemischer Reaktionen, zweierlei Arten von Einschlüssen des Bacterienkérpers: den echten Kernen ent- sprechende Gebilde und die Reservestoffe. Eine ähnliche Auffassung wurde von Grimms (1902) bei seinen Untersuchungen ausgesprochen. Auch Naxantscut (1900, 1901) fand nach intravitalen Methylenblau- färbungen ein dem Kern entsprechendes Gebilde. Jugendliche Formen sind nach ihm einkernig, ältere vor der Teilung mehrkernig. Fermpere (1900', 1900?) fand nach Methylenblau + Eosin- färbung eine besondere Differenzierung des Bacterienkörpers in eine innere rote und eine äußere blaue Partie. Die erstere betrachtete er als ein Kern, der sich amitotisch teilt. HeGzer (1901) betrachtete die Bacterien als mit einem echten Kern versehene Organismen, indem er dieselben mit den Cyano- phyceen verglich, da er bei den letzteren einen sich mitotisch teilen- den Kern beobachtete. Einer ähnlichen Meinung waren auch MÜHL- SCHLEGEL (1900) und Huss (1907). Das Vorkommen einer mitotischen Teilung bei den Cyanophyceen sowie das Vorhandensein eines echten Kernes bei den Cyanophyceen wurde aber seitdem von vielen kom- petenten Forschern bestritten und nicht anerkannt. Rayman u. Kruts (1904) beschrieben die mitotische Teilung des Bacterienkernes, wobei sie die Granulaansammlungen an beiden Körperenden vor der Sporulation als eine dem Dyaster analoge Er- scheinung auffassen. Vespovsky (1904) fand bei Bacillus gammari einen sehr deut- lichen Kern und beobachtete dessen Teilungen. Ähnliche Bilder sah auch Mencn (1904) bei B. megatherium, bei B. gammari (1907) und teilweise bei Cladothrix (1905). In beiden Fällen läßt sich Untersuchungen über niedere Organismen. 71 die Existenz eines wahren Kernes nicht bestreiten. Es bleibt aber noch zweifelhaft, ob diese Organismen in Wirklichkeit Bacterien darstellen. SWELLENGREBEL (1907!) fand bei B. binueleatum zwei kernähn- liche Gebilde, die sich chemisch von den übrigen, fettähnlichen Ein- schlüssen unterscheiden und einige Chromatinreaktionen zeigten. Amato (1908) fand nach intravitaler Brillantkresylblau-Färbung bei vielen Bacterien einen zentral liegenden Kern, welchen er als einen echten Kern auffafte. b) Die Bacterien besitzen Einschlüsse, die entweder dem Kerne analoge Gebilde sind oder als Reservestoffe betrachtet werden können. Bases (1888) beobachtet als Erster in dem Bacterienkörper be- sondere Körnchen, die nach ihm in gewisser Beziehung zu der Teilung und zu der Sporulation stehen sollten. Ernst (1889) bezeichnete ähnliche Körper zuerst ebenfalls als dem Kern analoge Gebilde und zwar wegen ihrer Färbbarkeit mit Hämatoxylin und Kernschwarz, wegen ihres Widerstandes gegen Verdauung, wegen ihrer Teilungen und wegen ihrer späteren Um- wandlung in Sporen. Später unterschied er (1901, 19021, 1902?) im Bacterienkörper einerseits mit vitalem Neutralrot färbbare Kügel- chen (die sogenannten Bages-Erxsr'schen Körner späterer Forscher), andrerseits „Plasmasomen“, präformierte Elemente des Plasmas und Behälter der Reservestoffe. Nach Bunce (1895) treten in dem Bacterienkérper vor der Sporulation besondere Körnchen auf, die sich von den BABES-ERNST- schen Körnern sowohl in bezug auf die Färbung wie auch in chemischer Beziehung unterscheiden (die sogenannten Bunge’schen Körperchen). Næisser (1888) fand bei Xerosebacillen durch Färbungen mit Methylenblau und Bismarckbraun kernartige Körnchen, die den Bagzs-Ernsr’schen analog sind. Ähnliche Körnchen beschrieben noch WAGNER (1898), CATTERINA (1898), Kromprecuer (1901) und Pretsz (1904) unter verschiedenen Bezeichnungen und Erläuterungen. Im Jahre 1897 beschrieb Fischer für Bacterien besondere Körnchen, die den Reservestoffkörnchen der Cyanophyceen analog sind. MünHrscHLEGEL (1899, 1900) erkennt nur zweierlei Arten von Einschlüssen bei Bacterien an: die Bases-Ernst’schen Körnchen und die Bunge’schen, die Sporenvorstufen darstellen. Die Natur der Einschlüsse wurde besonders von A. MAYER 72 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, untersucht. Wie bereits erwähnt, unterscheidet er echte Zellkerne von den Reservestoffen (1899). Letztere bestehen aus folgenden Ge- bilden: 1. aus Fett (1901), das sich mit Sudan III und Dimethylamido- azobenzol färbt und die allgemeinen mikrochemischen Reaktionen des Fettes zeigt; 2. aus Glykogen oder einem nahestehenden Kohlehydrat (1899), indem sie nach Iod blau werden; und 3. aus Volutin (1904). Letzterer erweist sich nach einer Reihe von Versuchen, insbesondere mit Methylenblau, als eine Nuclein- säureverbindung und kann auch als Reservestoff bei vielen höheren Pflanzen gefunden werden. Fetteinschlüsse bei Bacterien fanden noch: Sata (1900), GRIMME (1902), Gorruer (1901), Enis (1903) und Eısengere (1909). Die Bunge’schen, KrompzcHer’schen sowie alle von SJÖBRING, ILKEWICZ, GRIMME, Preisz und GOTTHEIL beschriebenen Einschlüsse sind, nach EIsENBERG, ebenfalls fettähnliche Gebilde. Volutineinschlüsse im Sinne Meyer’s fanden bei Bacterien noch GRIMME (1902) und Ezzrs (1903). Nach Ascorı (1901!, 1901?) sind jedoch alle von den früheren Forschern beschriebenen Körnchen untereinander homolog, stellen aber keine Kerne dar, sondern besitzen eine noch unbekannte bio- logische Bedeutung. FEporowırsch (1902) unterscheidet bei Bacterien nach der Färbung mit Anilinwasser + Gentianaviolett und nach Iod + Safranin dreierlei Arten von Körnchen: kernähnliche und sporogene Körner sowie sogenannte Protosporen. Diese letzteren entsprechen den Bages-Erxsr'schen Körnchen. DiETTRICH und LiEBERMEISTER (1902) fanden bei Behandlung mit «-Naphthol und Dimethylparaphenyldiamin bei Luftzutritt be- sondere Einschlüsse, die, obwohl mit Sudan III färbbar, doch nach künstlichem Magensaft unverändert bleiben und nur als Nuclein- anhäufungen oder „Sauerstoffüberträger“ bezeichnet werden können. Nach RowLanD (1903) stellen die meisten Einschlüsse in dem Körper der Bacterien Excretionskörner dar. Besondere Eiweißein- schlüsse hat Vay (1909) in den Pestbacillen gesehen. Die als echte Kerne von den oben erwähnten Forschern be- zeichneten Gebilde repräsentieren höchstwahrscheinlich Modifikationen von allen hier genannten Einschlüssen: den BaBes-Erxsr'schen, den Buner’schen, den KROMPECHER’Schen und den übrigen Körnchen, den Fettröpfchen usw. Untersuchungen über niedere Organismen. 73 c) Die Bacterien besitzen einen großen Zentralkörper und eine schmale Rindenschicht, die dem Kern und dem Plasma entsprechen (Bürscati'sche Theorie). Bürscauı (1890, 1896, 1902) betrachtet den ganzen Bacterien- körper als aus zwei Partien bestehend: aus einer Rindenschicht, welche dem Plasma entspricht, und aus einem Zentralkörper von wabigem Bau, der dem Kern analog ist. Ganz kleine Bacterien können nur aus einem Zentralkörper be- stehen. In dem Zentralkörper liegen besondere rote Körner, die Chromatinanhäufungen entsprechen. Einen ähnlichen Bau des Bacterienkörpers vermuteten schon 1887 KLegs und WEIGERT, indem sie fanden, daß der Körper der Bacterien größtenteils aus Kern- substanz besteht. Bürscatr's Ansichten teilten auch Hurrrr (1891), WAHRLICH (1891), Frenzen (1891!, 1891°), SCHEwIAKOFF (1893), MrrropHanow (1893) und Löwırr (1896). Krerr (1894), FrÄnkeu (1895) und FeINBERG (1900) beobachteten bei Bacterien einen besonderen Axialfaden, der Kernreaktionen zeigt und sich amitotisch teilte; dieser Faden ist mit dem Zentralkörper im Sinne Bürschtr’s vergleichbar. TRAMBUSTI u. GALEOTTI (1892) beschrieben mitotische Teilungen des Zentralkérpers. Nach Zerrnow (1891) kann man ebenfalls bei Bacterien eine Rindenschicht von dem übrigen Körper unterscheiden. Dieser Körper besteht größtenteils aus Chromatinsubstanz (1897, 1900) mit ganz spärlichen Resten von Plasma, welche überhaupt nur in jungen Kolonien hervortreten. SCAGLIOSI (1905) beschrieb einen ähnlichen Bau des Bacterien- körpers aus einem großen Kern, wenigem Plasma und einer Körper- membran, wobei er nachwies, daß überhaupt alle jungen Bacterien eine Neigung für Kernfarbstoffe haben. Hamm (1907) verglich die Plasmaschicht Bürscazrs mit der sogenannten Kapsel der Bacterien. Diese letztere stellt nach FiscHer (1897, 1903) und Boni (1900) ein Kunstprodukt dar. Mircuza (1896) betrachtet die Kapsel als eine quellbare Außenschicht der Bacterien- membran, BINAGHI (1898) als seine Aufblähung. Nach Pane (1898) dagegen wird die Kapselbildung wie auch die Plasmaschicht Bürscaur's entweder ein Degenerationsprodukt oder eine künstliche Nieder- schlagsbildung darstellen. d) Die Bacterien besitzen beides, Kern- und Plasmasubstanzen diffus miteinander gemischt (ScHaupinn’s Theorie). 74 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, Nach ScHAUDINN (1902) tritt bei großen B. bütschlii diffuse Ver- teilung der Kernsubstanz im Plasma ein; sogar bei Sporenbildung tritt keine Absonderung des Kernes, sondern nur eine Anhäufung färbbarer Granula (Kernsubstanz) im wabigen Plasma auf. Ähn- liches meinte schon 1887 WeEIGERT, nach welchem Chromatin im Bacterienkörper eng mit dem Plasma gemischt ist. Marx u. WarrHe (1900) versuchten im Bacterienkörper neben membranähnlichem Plasma und zentraler Kernmasse noch Centro- somen ähnliche Gebilde in Gestalt besonderer blauer Körnchen auf- zufinden, jedoch wurden ihre Angaben von den späteren Forschern (z. B. von KROMPECHER, 1901 und ScHUMBURG, 1902) widerlegt. GortscaLicH (1907) erkennt auch eine enge Mischung beider Substanzen, aber nur chemische, nicht morphologische. Nach WoLFF (1907) ist das Plasma ebenfalls untrennbar von der Kernsubstanz; dieser Autor teilt auch die ScHhaupınn’schen Anschauungen. e) Die Bacterien besitzen eine Chromidialsubstanz. Nach ScHhAauvınn (1903) kann man die diffus im Plasma zer- streuten Chromatinkörnchen mit der Chromidialsubstanz im Sinne R. Hertwie’s vergleichen. Eine ähnliche Auffassung sprach kürz- lich GuILLERMOND (1908) aus, doch müssen nach ihm weitere Unter- suchungen in dieser Richtung angestellt werden, bevor eine end- gültige Entscheidung zu erwarten ist. SWELLENGREBEL (1907', 1907?) beschreibt bei B. maximus bue- calis einen Spiralfaden, der dem Kern analog ist und chemisch aus Nucleinstoffen besteht; er läßt eine achromatische Grundsubstanz und einzelne Chromatinkörner unterscheiden; letztere sind ebenfalls mit Chromidien vergleichbar. Den Zerfall der Spiralfäden im Bac- terienkörper in einzelne Chromatinstückchen beobachtete kürzlich auch Dogezz (1908). III. Die Bacterien sind Kerne oder bestehen aus- schließlich aus Kernsubstanz. Diese Meinung haben im allgemeinen schon Kress (1887) und Hveppe (1891) ausgesprochen; genauer wurde sie in zahlreichen Arbeiten von RuzıckA !) und von AMBROZ (1909) entwickelt. Ruzicka zeigte zuerst, daß in der Struktur der Bacterien während ihrer Ent- wicklung besondere Schwankungen auftreten, die denen der Zellkerne analog erscheinen (1898, 1900). Auch mikrochemisch verhalten sie sich ähnlich wie die Kerne gegen Farbstoffe (1903, 19041, 19071, 1) Kurze Darlegung aller seiner Untersuchungen s. Ruzicka (1909?). Untersuchungen über niedere Organismen. 75 1907?, 19085); besonders charakteristisch für Bacterien ist ihre Un- löslichkeit in künstlichem Magensaft. Die Einschlüsse des Bacterien- körpers kann man deshalb als Nucleolen bezeichnen, den ganzen Körper als eine Ansammlung von Chromatin + Linin (resp. Plastin). Der ganze Entwicklungszyklus der Bacterien, besonders aber die Beobachtungen über die Depressionszustände bei B. anthracis (1907?, 1908?, 1909!) zeigen, daß zwischen Plastin und Chromatin ähnliche Beziehungen bestehen, wie wir sie in den Kernplasmarelationen der Zelle beobachten. Die Spore (1908*, 1909’) bildet sich als ein Aggre- gat von Chromatinkörnchen, welches sich sodann in Plastin um- wandelt; eine ähnliche Umwandlung tritt auch bei Kernen während der Mitose auf. Zum Vergleich wurden von RuzıckA die Erythro- cyten der höheren Wirbeltiere untersucht (1905', 1907"), die einen ähnlichen Bau aus Kernsubstanzen zeigten wie Bacterienkörper und seine theoretischen Anschauungen bestätigen, wonach PB. anthracis „einem nackten Kerne entspreche“ (19077, p. 304). Die im Körper der Bacterien zerstreuten Chromatinkérperchen werden von ihm also nicht als Chromidialsubstanz, sondern als ,Chromiolenstrukturen“ (1909!) bezeichnet. Dieser kurze Überblick zeigt, wie groß die Widersprüche in den Ansichten über den Bau des Bacterienkörpers der jungen oder sich teilenden Generationen sind. Auch in bezug auf das Wesen der Sporulation bei den Bacterien sind die Forscher durch- aus noch nicht einig. i Die Spore bildeizsreh durch Anhaufune von Körnchen, deren Substanz späterhin von derjenigen des Körpers abweicht und sich der Sporensubstanz nähert. Bei der Reifung der Spore tritt hier also eine Veränderung der Substanz ein. Diese Auffassung teilten ältere Forscher, wie Zopr (1885), DE Bary (1887), Bune (1895), BurcHARD (1898), Mıcura (1898), welchen sich später WAHRrLıcH (1892), CERTES (1901), ScHauDINN (1903), Amaro (1908) und Ruzicka (19081, 19097) anschlossen. 2. Die Spore bildet sich als ein Korn innerhalb des Bacterienkörpers, welches sich durch weiteres Wachstum ver- größert und alle Eigenschaften der Spore annimmt. Diese Auffassung teilen: Prazmowsky (1880), BREFELD (1881), Kocx (1888), L. KLEIN (1889), FRENZEL (1892) unter den älteren Forschern; von neueren Autoren betrachten A. FıscHer (1895), WAGNER (1898), A. MEYER 76 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, LA (1897, 1899), NakaniSCHI (1900, 1901), MüHLSCHLEGEL (1900), Kuxsr- LER (1900), Feporowirscx (1902), Preısz (1904) und GUILLERMOND (1908) die Sporen als umgewandelte Kerne. 3. Spuren der Geschlechtsentwicklung während der Sporenbildung sucht Schaupısn (1902) bei B. bütschlii aufzufinden. Ähnliche Bilder erwähnt bei verschiedenen Bacterien auch Doseru (1909). Genauer hat diesen Fall kürzlich RuzıckA (1910!) untersucht. Das Wesen der Autogamie bei den Bacterien besteht in der Bildung besonderer Generationen mit zwei Sporen.!) Ihre Bildung wurde aber nur bei abnormen Umständen beobachtet und verlangt weitere Untersuchungen. Die Arbeiten der älteren Forscher, die viele verschiedene Ein- schlüsse als Kerne beschrieben, haben jetzt nur noch geringen Wert. Den Basss-Ernst’schen, Buner’schen oder KROMPECHER’schen Körnchen und Körperchen sowie allen bis zu den Untersuchungen von A. MEYER beschriebenen Einschlüssen kommt nur noch eine historische Bedeutung zu. Nach Meyer kann man alle Einschlüsse entweder als Reser vestoffe oder ähnliche Gebilde (z. B. Fettröpfchen, Pigmente, Schwefelkörnchen, Carotinkörnchen, Kohlehydrate, Lipoiden etc.) oder aber als Nuclein- verbindungen (Volutin nach Meyer, Chromatin nach RuziıckA) auf- fassen. Außerdem fand Hinze (1901) im Bacterienkörper Körner von Amylon, FUHRMANN (1907) von Lipochromen, BucHxer (1897) von „Albumin“, Meyer (1899) und Brepmann (1909) von Kohle- hydraten. Man muß anerkennen, daß der Bau des Bacterienkörpers von dem Stoffwechsel abhängt; letzterer ist aber von der äußeren Welt abhängige. Die Arbeiten von VEJDovsky (1904) und Mexcr (1904) sind auch nicht von Bedeutung, da nach übereinstimmendem Urteil einer ganzen Reihe von Forschern alle diese Arbeiten Saccharomyceten, Algen, endlich Artefakte oder Sporozoen, aber durchaus keine Bacterien zum Gegenstande haben (SWELLENGREBEL, 19071, 19077; Amaro, 1908; GRIMME, 1902; GUILLERMOND, 1908; Meyer, 1908; PECZENKo, 1908). Eine ausführliche Kritik der Angaben von SWELLENGREBEL (1907) über den Bau von B. binucleatum finden wir bei Ruzrcxa (19022, 1) Gewöhnlich entwickelt sich während der Sporulation nur eine Spore. Die Bildung zweier Sporen kommt normalerweise sehr selten vor (bei B. biitschlu, Bact. inflatus und B. arthobutyricus, Clostridium butyri- cum, NAKANISCHI, 1902). Untersuchungen übe niedere Organismen. rar p. 36), welcher den Nachweis dafür bringt, daß die von ersterem Autor als Kerne bezeichneten Gebilde den BaBzs- Ernst’schen Körnchen entsprechen, aber durchaus nicht konstant sind und nicht als Kerne betrachtet werden können. Aus der Fülle der Literaturangaben verbleiben uns also als wichtigste Arbeiten nur diejenigen von Meyer (1899, 1901, 1904), Bürscauı (1890, 1896, 1902), Schaupınn (1902, 1903), GUILLERMOND (1908), Amaro (1908), Ampros (1909), EISENBERG (1909) sowie die zahlreichen Abhandlungen Ruzıcra’s (1898 —1910?). Nach den Angaben aller dieser Forscher haben wir zwei Fragen von fundamentaler Bedeutung vor uns: 1. Ist die Grundsubstanz des Bacterienkörpers der Kernsubstanz gleich oder nicht, d. h. sind die Bacterien Zellen oder ein- fache Kerne? 2. Sind Einschlüsse, die keine Reservestoffe darstellen, den Kernen oder kernartigen Gebilden (Chromosomen, Nucleolen, Caryosomen) homolog ? Der genaueren Natur der Reservestoffeinschlüsse — Fette, Gly- kogen, Oxalsäure, Schwefelkörner, Pigmente etc. etc. — kommt dabei eine sekundäre Bedeutung zu. Die Untersuchungsmethoden. Die oben angegebene allgemeine Beschreibung des Baues von Bacillus limosus, B. granulosus, B. littoralis, Spirillum marinum und Rhodocapsa suspensa gibt keine Antwort auf die Frage über die Natur des Bacterienkörpers und seiner Bestandteile. Zu deren Auf- klärung habe ich eine ganze Reihe von Untersuchungsmethoden an- gewendet. 1. Anwendung von Kernfarbstoffen: Methylenblau, Methylviolett, Thionin, Toluidinblau, Essigsäure, Karmin, Bismarck- braun, Kresylviolett R, Krystallviolett, Gentianaviolett, Methylgrün, Dahlia und Hämatoxylin. 2. Anwendung von Plasmafarbstoffen: Orange G, Eosin (wasserlösl. und Alkohol), Bordeaux R, Erythrosin und Bleu de Lyon. 3. Anwendung der wichtigsten Doppelfärbungen (Kombination der Kernfarbstoffe mit Plasmafarbstoffen; diese Methoden sind gültig für die Unterscheidung des Chromatins von Plastin): Giemsa; Bronpı-HEIDENHAIN; Rutheniumrot (nach Eısen, 1897); 18 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, Orcein; Fuchsin + Iodgrün (Zimmermann, 1896); Safranin + Licht- grün; Methylenblau + Essigsäure (Carnoy et LEBRUN, 1897); Methyl- grün + Fuchsin S (Maurarti, 1892; LILIENFELD, 1893); Methylenblau —- doppelchromsaures Kali (CARLIER, 1899); Kernschwarz + Safranin. 4. Anwendung von Verdauungsfermenten: Magensaft (nach ZacHartras, 1888, 1896, 1898) und Trypsin. 5. Mikrochemische Reaktionen nach Scuwarz (1892), HEINE (1896), ZacHArıAs (1896, 1901) und Reınke (1881): 0,4—0,1°/, NaOH. OR OT: Konz. Essigsäure. 10°/, Kochsalzlösung. IL CH ARO. Konz. Lösung von CuSO%. Konz. Lösung von MgSO?*. 10°/, Sodalösung. 5°/, Dinatriumphosphat. Glaubersalzlösung + Essigsäure. 3 Vol. konz. HCI + 4 Vol. H?O (Reınke, 1881). Die Bestimmung der Natur der Fetteinschlüsse wurde nach den von EIsENBERG (1909) empfohlenen Methoden durchgeführt. Wegen der geringen Dimensionen von B. littoralis erwies sich diese für die Untersuchungen als ungeeignet. Aus diesem Grunde habe ich sie nicht genauer untersucht, wie auch alle übrigen spär- lich vorkommenden Arten. Von den übrigen Arten erwies sich die große BD. limosus am geeignetsten für Studien. Die Untersuchung dieser Form bildet die Grundlage aller meiner Beobachtungen. 3. Untersuchungen über den feineren Bau des Bacterienkörpers. Bevor wir zu der genaueren Betrachtung der Natur der Grund- substanz, der Chromatinstränge und der übrigen Bestandteile über- gehen, gebe ich hier eine Übersicht der Untersuchungen über die Natur der b-Granula. Letztere stellen die Fetteinschlüsse dar, was durch folgende Versuche bestätigt ist: Nach Wirkung von werden b-Granula Picrokarmin rot Boraxkarmin rot Eosin ungefärbt Säurefuchsin : Untersuchungen über niedere Organismen. 79 Methylenblau ungefärbt Methylviolett + Formalfuchsin ; Methylgrün a Safranin R Dimethylamidoazobenzol gelb (sehr stark!) Sudan III rot Karbolmethylenblau ungefärbt Naphtholblau blau Nilblaubase blau Iodidkalium bräunlich Brillantkresylblau ungefärbt Scharlach R hellrosa Indophenylblau blau Chloralhydrat löslich (sehr schnell) Essigsäure löslich (langsam) Die Natur der c-Granula erklärt sich durch folgende Ver- suchsreihe: Nach Wirkung von werden c-Granula Bismarckbraun ungefärbt Bleu de Lyon blau GIEMSA rot Gentianaviolett sehr schwach Eosin (wasserl.) hellrosa Methylgrün ungefärbt Orcein rot Thionin ungefärbt Toluidinblau ungefärbt BIONDI-HEIDENHAIN rot Safranin +- Lichtgriin blau Magensaft unlôslich Trypsin unlöslich (3 Tage) 3 Vol HCl + 4 Vol H°O unlöslich a KOH unlöslich Essigsäure stark quellen Auf der beigefügten Tabelle (s. S. 80—81) sind die Resultate der Versuche angegeben über die Natur der 1. Grundsubstanz von PB. limosus und Spirillum marinum ; 2. Membran von B. granulosus; 3. Chromatinstränge von D. limosus, Spirillum \marinum und Rhodocapsa suspensa; 4. Vorspore von BD. limosus; 5. Sporen von BL. limosus, B. granulosus und Rhodocapsa suspensa; 6. Sporoidkörper von Rhodocapsa suspensa. 80 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, Bacillus limosus Grund- Chromatin- substanz stränge etc. Vorspore Spore Bismarckbraun schwach stark stark schwach Bleu de Lyon hellblau ungefärbt ungefärbt schwach Bordeaux R färbbar schwach sehr schwach färbbar Hämatoxylin DELAF. schwach sehr stark sehr stark ungefärbt GIEMSA blau dunkelviolett | violett (stark) hellblau Gentianaviolett sehr schwach sehr stark sehr stark ungefärbt Dahlia ungefärbt rosa rot ungefärbt Eosin (Wasserlösung;) färbbar sehr schwach ungefärbt färbbar Erythrosin färbbar ungefärbt ungefärbt sehr schwach Kresylviolett R schwach stark färbbar sehr schwach Krystallviolett (färbbar) stark stark schwach Methylviolett ungefärbt sehr stark sehr stark ungefärbt Methylgrün sehr schwach stark sehr stark ungefärkt Methylenblau sehr schwach stark sehr stark ungefärbt Orange G. schwach färbbar ungefärbt färbbar Orcein rosa blau u. violett blau rosa Rutheniumrot rosa blau dunkelblau rosa (schwach Thionin ungefarbt stark sehr stark ungefärbt Toluidinblau sehr schwach stark sehr stark ungefärbt Essigsaures Karmin färbbar sehr stark stark sehr schwach BıoxDI-HEIDENHAIN rosa blau hellgrün hellrosa Hämatein + Eosin rot hellblau dunkelblau rosa (schwach Fuchsin + Iodgrün rot grün bläulich u. grün hellrosa Methylenblau + S.-Fuchsin rosa (schwach) blau dunkelblau rot Safranin + Lichtgrün grünlich rosa rot grünlich-rötlie Methylgrün + Essigsäure ungefärbt grün grün ungefärbt Methylgrün + S.-Fuchsin rosa grün grün rosa Methylenblau-+-doppelchr.Kali ungefärbt blau dunkelblau ungefärbt Kernschwarz + Safranin grau schwarz | schwarz rosa Magensaft kiinstl. Trypsin 1%, KOH 0,4—0,1%% NaOH 10°/, Sodalösung 10°/, Kochsalzlüsung Glaubersalz + Essigsäure 1%, KH2PO4 3HC1 + 4H20 konzentrierte Essigsäure konzentrierte Lösung CuSO4 konzentrierte Lösung MgSO* 2°, Dinatriumphosphat bis 25 Tage unlöslich, wie j lange Zeit unlöslich uulüslich unlöslich lange Zeit unlöslich unlöslich lange Zeit unlöslich unlöslich unlöslich; quillt dann quillt schnell unlöslich unlöslich unlöslich langsam löslich löslich quillt und löslich löslich löslich löslich löslich leicht löslich lange Zeit unlöslich löslich löslich löslich schnell löslich löslich löslich löslich sehr schnell löslich löslich sehr leicht löslich sehr leicht löslich löslich löslich unge, so auch alte Kulturen unlöslich bis 3 Tage unlöslich unlöslich unlöslich unlöslich unlöslich ; quil dann unlüslich unlöslich ; quil nach langer Ze quillt schnel unlöslich unlöslich unlöslich Untersuchungen über niedere Organismen. 81 Bacillus granulosus Spirillum marinum Rhodocapsa suspensa Grund- Chromatin- | Chromatin- sporoide mmbran Spore substanz stränge stränge | Spore Körper schwach sehr schwach schwach sehr stark stark schwach ungefärbt gefärbt schwach blau ungefärbt ungefärbt | schwach ungefärbt — schwach färbbar ungefärbt ungefärbt | sehr schwach färbbar gefärbt ungefärbt | sehr schwach | sehr stark — — — (schwach) blau blau rot rot blau blau (schwacl _ — sehr schwach | sehr stark stark ungefärbt färbbar — — — — rötlich ungefärbt färbbar gefärbt färbbar färbbar ungefärbt ungefärbt färbbar färbbar schwach sehr schwach färbbar färbbar — — — — — sehr schwach stark — — — — — sehr schwach stark — — — — — sehr schwach | stark — —_ — gefärbt ungefärbt | sehr schwach | hellgrau stark ungefärbt färbbar sehr stark gefärbt ungefärbt | sehr schwach | sehr stark stark ungefärbt färbbar ärbbar schwach färbbar ungefärbt = == = — — violett blau blauviolett rot rosa — — rosa blau blau ungefärbt ungefärbt gefärbt ungefärbt ungefärbt sehr stark stark ungefärbt ungefärbt _ — sehr schwach | sehr stark = — = — — sehr schwach stark stark ungefärbt ungefärbt — — rosa (schwach) blau — = = — — — — blau rosa rosa (schwac = — rosa (schwach); grünlich blau grünlich hellrosa (schwach) rötlich rosa blau blau oder grün rötlich rosa rünlich grün grünlich rötlich rot grünlich oder | unbestimm violett — — ungefärbt grün grün ungefärbt ungefärbt rosa rot = — grün rot rot rot — grau schwarz schwarz rosa rötlich inlöslich unlöslich unlöslich bis 25 Tage unlöslich bis 15 Tage nge Zeit unlöslich unlüslich | schnell schnell löslich | unlüslich unlöslieh, ulüslich 3 Tage löslich quellen daı — — lange Zeit löslich — — — unlöslich inlöslich unlöslich unlöslich löslich löslich unlöslich unlöslich == — lange Zeit löslich löslich unlöslich unlöslich unlöslich inlöslich unlöslieh — = — — — quillt quillt nach — — leicht löslich unlöslich, |unlöslich (qu 12 Stunden quillt dann |nach5Stund löslich quillt und | quillt stark | lange Zeit unlöslich |schnell löslich langsam lösl löslich unlöslich anlöslich _ — — — — — unlöslich unlöslich _ löslich unlöslich unlöslieh Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 6 82 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, Auf Grund der in dieser Tabelle angegebenen Versuche kann man folgende Antwort auf die oben gestellten Fragen geben: 1. Der gesamte Bacterienkörper besteht aus Kern- substanzen. Dafür sprechen sämtliche Färbungen und mikrochemische Ver- suche in bezug auf den ganzen Bacterienkörper. 2. Chromatinstränge, rote Körnchen Bürscaunr’s, a-Granula und Vorsporen bestehen aus Chromatinen oder dessen Modifikationen. Dafür spricht: die intensive Färbbarkeit nach: Bismarckbraun, Hämatoxylin, Gentianaviolett, Krystallviolett, Methylviolett, Methylenblau, Thionin, Toluidinblau und essigs. Karmin; die violette Färbbarkeit nach Gremsa; die blaue Färbbarkeit nach: Orcein, Rutheniumrot, BronpDI-HEIDEN- HAIN, Methylenblau + Fuchsin, Hämatein + Eosin, Methylen- blau + doppelchroms. Kali; die grüne Färbbarkeit nach: Methylgrün + Fuchsin, Fuchsin + Iodgrün und Methylgrün + Essigsäure; die rote Färbbarkeit nach: Lichtgrün + Safranin; keine Färbbarkeit nach: Blau de Lyon, Bordeaux R und Eosin; leichte Löslichkeit in Trypsin und in meisten anderen Lösungen (besonders in HCl + H?0, 3:4). 3. Grundsubstanz (der Alveolenwände), Körper- membran, c-Granula, Sporen und sporoide Körper be- stehen aus Plastin im Sinne Ruzıcka’s (1908?).') Dafür spricht: die rote oder rötliche Färbbarkeit nach: Orcein, Rutheniumrot, Methylgrün + Fuchsin, Fuchsin + Iodgrün, Hämatein + Eosin, Methylenblau + Fuchsin und Bıoxpı-HEIDENHAIN; 1) Nach RuzıckA (1908?, 1910?) ist das Plastin eine den Albuminoiden angehörende Substanz, die sowohl ein Kern- als auch ein Plasmabestand- teil ist. Daß es nicht nur im Plasma (Cytoplastin v. SCHWARZ, 1887), sondern auch in den Kernen, als Bestandteil der echten Nucleolen vor- handen ist, wurde schon längst bekannt (ZACHARIAS, 1887). Uber Plastin s. auch: REINKE u. RODEWALD (1881), REINKE (1881), LoEw (1884), REINKE (1883), Bortrazzı-BoRUTTAU (1904), HALLIBURTON (1893), MAFATTI (1891—1892) und MAGNuS (1903). Untersuchungen über niedere Organismen. 83 die blaue Färbbarkeit nach Giemsa; die grüne Färbbarkeit nach Safranin + Lichtgrün ; keine Färbbarkeit nach: Methylviolett, Thionin, Methylenblau + doppelchroms. Kali, Dahlia und überhaupt sehr schwache Färb- barkeit nach meisten Kernfarbstoffen ; die Unlöslichkeit in Trypsin und den meisten anderen nucleo- lytischen Reagenzien; die Quellbarkeit in Essigsäure. Daß die Bacterien vorwiegend aus Kernsubstanzen (Nucleinen, Nucleinbasen, Nucleinsäuren, Nucleoproteiden usw.) bestehen, war schon fast allen mit deren Chemie beschäftigten Forschern bekannt.') Ruzicka begründete seine Ansichten über die Zusammensetzung des Bacterienkörpers aus Kernsubstanzen hauptsächlich auf den Um- stand, dab die Bacterien in Pepsinsalzsäure unverändert bleiben. Allein ist dieses Merkmal nach Drerrricx (1903) und Nemec (1908) nicht beweisend. Aber außer diesem Merkmal haben wir noch die ganze Reihe der anderen hier angeführten Färbungs- und besonders mikrochemischen Versuche, die für diese Auffassung sprechen. Wenn wir annehmen, daß der Bacterienkörper nur aus Kernsubstanzen besteht, so muß die Bacterienmembran der Kern- membran, die c-Granula den Nucleolen, die Grundsubstanz dem achromatischen Kerngerüst und die Chromatinstränge den Chromosomen entsprechen. Den Inhalt der Alveolen kann man theoretisch mit dem Kernsaft vergleichen. Die genauere chemische Unterscheidung der einzelnen Substanzen im Bacterienkörper (z. B. zwischen Oxy- und Basichromatinen der Chromatinstränge) ist noch nicht durchführbar. Da die Bacterien äußeren Einflüssen vollständig zugänglich sind, so konnte man schon a priori zahlreiche Modifikationen oder An- passungen an die äußeren Lebensbedingungen voraussagen. Hierher 1) Hierher gehören: NENCKI (1880), VINCENZI (1887), VANDERVELDE (1884), DREYFUss (1893), CRAMER (1892), GOTTSTEIN (1893), NISHIMURA (1893), Hann (1897), Lustig u. GALEOTTI (1897), DE SCHWEINITZ (1897), Ruppez (1899), GALEOTTI (1898), Aronson (1900), BLANDINI (1907), Levene (1904, 19011, 19017), TRUDEAU u. LEVENE (1901), BALDUIN u. LEVENE (1901), Benprx (1901), WHEELER (1902), [WANoFF (1902), DIETTRICH u. LIEBERMEISTER (1902), CAsAGRANDI (1902), Kırtasıma (1903), VAUGHAN (1893, 1903), KreBs (1903), PALADINO (1903), TıiBertı (1904), ENEA (1904), WAHLEN (1909), KINGHORN (1904) und LEACH (1906); s. auch WHEELER (1909). 6* 84 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, gehören die Bildungen der Membranen und der Geißeln sowie zahl- reicher Einschlüsse fremder Natur in dem Körper (Fettröpfchen, Kohlehydrate, Reservestoffe, Stoffwechselprodukte etc. etc.), die sich bei den echten Zellen alle im Protoplasma ansammeln und den Kern freilassen, hier aber alle noch innerhalb des letzteren liegen. Von den beiden erwähnten Gruppen von Substanzen, die den Bacterienkörper bilden, ist die zweite — die Gruppe der Plastine — die wichtigste, da die reifen Sporen ausschließlich von ihr ge- bildet werden. Die Plastinesind also die Träger der Ver- erbung. Untersuchungen über niedere Organismen. 85 Literaturverzeichnis. 1909. AMBROS, A., Entwickelungscyclus des Bacillus nitri n. sp. als Bei- trag zur Cytologie der Bakterien, in: Ctrbl. Bakteriol. Abt. 1, Orig., Vol. 51. 1908. Amaro, A., Ueber die feinere Struktur der Bakterien, ibid., Vol. 48. 1900. ARONSON, in: Arch. Kinderheilk., Vol. 30 (non vidi). 1901!. Ascouı, G., Morphologie der Bakterien, in: Deutsch. med. Wochenschr. 1901?. —, Ueber den Bau der Bakterien von Dr. K. NAKANISCHI, in: Ctrbl. Bakteriol., Abt. 1, Orig., Vol. 30. 1888. BABES, V., Ueber isoliert färbbare Anteile der Bakterien, in: Ztschr. Hyg., Vol. 5. 1901. BazDuiIN et LEVENE, in: Journ. med. Res., Vol. 6 (non vidi). 1901. 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Pg Pigment Qs Querseptum Chrs Chromatinstränge Sp Spore Spm Sporenmembran E Einschlüsse Ft Fettröpfchen Gs Geißeln Gsb Grundsubstanz V Vacuole Kr Kôrnchen Mb Membran Ne Nucleoli Fig. Fig. Fig. Kultur). Fig. Fig. Fig. Fig. Kultur). Fie. De Fig. Fig. Fig. 35: 1% 2. 3. 1 4. 5. 6. 7. 135: 8. 9. 10: 11, Sk Schwefelkörnchen Skp Sporoidkörper Vg Verengung Vsp Vorspore Zk Zentralkérnchen Ta tied ae. Bacillus granulosus. Stichkultur. B. granulosus. Gelatineplattenkultur. B. granulosus (im hängenden Tropfen: Ih B. granulosus. 560 : 1. Bacillus limosus. Stichkultur. D. limosus. Gelatineplattenkultur. B. limosus (im hängenden Tropfen: 1. B. limosus. 560:1. Spirillum marinum. Stichkultur. Sp. marinum. Gelatineplattenkultur. Sp. marinum (im hängenden Tropfen). a junge, a junge, 135292 b ältere b ältere Untersuchungen über niedere Organismen. 95 Fig. 12. Sp. marinum. 560:1. Fig. 13. Bacillus littoralis. Stichkultur. Fig. 14. B. lilloralis. Gelatineplattenkultur. Fig. 15. B. littoralis (im hängenden Tropfen). 135: 1. Fig. 16. DB. htloralis. 560:1. Fig. 17. Rhodocapsa suspensa. Eine Kultur in frischem Meeres- wasser, 10 Tage alt. Fig. 18. Rh. suspensa, 135:1. Fig. 19. Rh. suspensa. 560:1. Fig. 20. B. limosus. Fixiert auf der Flamme. 2263:1. Fig. 21. DB. limosus. Fixiert nach SCHAUDINN. 2263:1. Fig. 22—24. Querteilung von B. limosus. Halbschematisch. Fig. 25. Junges Exemplar von B. limosus. 776:1. Fig. 26. D. limosus. Junges Exemplar ohne Chromatinstränge. el. “I — ©: Fig. 27—31. Sporulation von B. limosus. 1600: 1. Fig. 32. BD. granulosus nach Behandlung mit Essigsäure. 1830: 1. Fig. 33. B. limosus. 3 Exemplare nach kurzer Behandlung mit Trypsin. 1086: 1. Fig. 34. B. granulosus. 812:1. Fig. 35. B. granulosus vor Behandlung mit Essigsäure. 1930: 1. Fig. 36. B. granulosus. Fixiert nach SCHAUDINN. Nach kurzer Behandlung mit Essigsäure. 2230: 1. Fig. 37. B. granulosus. Halbschematisch. Fig. 38 u. 39. Querteilung von B. granulosus. Schema. Fig. 40 u. 41. Sporulation von B. granulosus. 812: 1. Fig. 42. Spirillum marinum. Aus einer jungen Kultur. Schema des Chromatinsträngeverlaufes. 1220 : 1. Fig. 43. Sp. marinum. 1086: 1. Fig. 44. Sp. marinum. Sehr junges Exemplar (Geißeln sind nicht gezeichnet). Fig. 45. Sp. marinum. Fixiert nach ScHAUDINN. 2230: 1. Fig. 46. Sp. marinum. Schema des Chromatinsträngeverlaufes. 1830 : 1. Fig. 47. Sp. marinum. c-Granula. Schema. 1830:1. Fig. 48—50. Sporulation bei Sp. marinum. 960 : 1 und 1090:1. Fig. 51. Rhodocapsa suspensa. Ein Exemplar ohne Schwefelkörnchen mit gut entwickelten Geißeln. 1930:1. Fig. 52. Fh. suspensa. Teil eines Fadens. 1930:1. Fig. 53. Rh. suspensa mit zahlreichen Schwefelkörnchen. 2320:1. 96 ALEXANDER SCHEPOTIEFF, Untersuchungen über niedere Organismen. Fig. 54. Rh. suspensa. Trockenpräparat. 2320: 1. Fig. 55. Rh. suspensa. Zwei Exemplare aus einer älteren Kultur ohne Schwefelkörnchen. 2320:1. Fig. 56. Sporulation bei Rh. suspensa. Fig. 57. Rh. suspensa. Schema der Pigmentverteilung. Fig. 53—60. Bildung der sporoiden Körper in Kulturen, welche ich im Depressionszustande befinden. Halbschematisch. Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Über die Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. Von Sergius Suslov. (Aus dem Laboratorium des Zoologischen Museums der Kais. Universität Moskau.) Mit Tafel 4—6. Als ich mich neuerdings mit der Anatomie und Biologie der Mantodea beschäftigte, wandte ich bei der Präparation des Kopfes von Mantis religiosa meine Aufmerksamkeit auf einige sehr merkwürdig gestaltete Bildungen zu beiden Seiten des Pharynx. In der Literatur über die Kopfdrüsen der Insecten fand ich fast gar keine Hinweise auf die Existenz von Drüsenbildungen im Kopfe der Mantodea, mit Ausnahme von L. Borpas (4c), der die Mandibulardrüsen von Mantis religiosa beschrieb: ,Les glandes mandibulaires sont situées vers la base de la ligne d'insertion de ces dernières avec la tête et sont comprises en avant des tendons de leurs muscles adducteurs et abducteurs. Leur teinte est d’un blanc mat et leur forme parfois sphérique, mais généralement ovoide ou conique et à grosse extrémité coecale, dirigée du côtè externe, recouverte par les parois dorsolaterales de la mandibule.“ Das sind die allgemeinen topographischen Hinweise, die Borpas über die Kopfdrüsen der Gottesanbeterin gibt und die, wie wir gleich sehen werden, von der Wirklichkeit sehr weit entfernt sind. Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 7 98 SERGIUS SUSLOV, Die Kopfdrüsen von Mantis religiosa erfüllen rechts und links fast den ganzen Raum zwischen dem Auge und dem Endoskelet, dem Adductor und Remotor mandibulae, Frons und Occiput. Wenn man den Kopf der Gottesanbeterin vom Nacken aus ansieht, so kann man beim besten Willen auch nicht einmal eine Andeutung einer Drüse finden, da die Öffnung dieser von der Galea und Lacinia maxillae ganz verdeckt wird. Wenden wir aber vorsichtig die Maxille medial um 90°, so erblicken wir lateral von der ge- drehten Maxille eine lange, enge Spalte mit etwas verdickten, weib- lichen Rändern. Diese Spalte bildet gleichsam die Basis eines Drei- eckes, als dessen einer Seite die Vereinigungslinie der Mandibeln mit dem Kopfe erscheint. Die Fig. 1 gibt ein ganz genaues Bild der topographischen Verhältnisse, sowohl an lebenden als auch an fixierten Objekten. Am lebenden Kopf kann man, wenn man ihn in physiologischer Lösung betrachtet, sehen, daß die Spalte bald enger, bald weiter wird und aus ihr in kleinen Tropfen eine Klare, ziemlich dickflüssige Masse austritt, die etwas gelblich gefärbt ist. An in Spiritus präparierten Köpfen ist die Spalte deutlicher wahr- nehmbar als an lebenden, die in physiologischer Lösung betrachtet worden. Hinsichtlich der äußeren Öffnung der Kopfdrüsen erscheint Borpas nicht nur ungenau, sondern er gibt Unzutreffendes, indem er sagt: „un court canal excréteur, qui s'ouvre par un étroit orifice, sur la face mandibulaire limitant la bouche, un peu en avant de l'ouverture pharyngienne“. Wie wir sahen, liegt die Offnung der Drüse (wenn wir von der normalen Lage des Kopfes ausgehen) hüher als die Mandibel selbst, auf der dünnen Chitinhaut, die von der vorderen Ober- fläche der Maxille auf die hintere Partie des Kopfes bis zur Basis der Mandibel geht, so daß, wenn wir die Maxille von rechts nach links hin und her drehen, wir das Häutchen, auf dem die Off- nung sich befindet, spannen oder erschlaffen lassen und damit zugleich die Konturen und das Lumen dieser Offnung verändern werden. Das Chitin auf der Mandibel ist sehr dick, und das Vorhanden- sein einer Öffnung auf demselben mit wechselndem Lumen erscheint unmöglich. Und bei den Insecten, für welche Mandibulardrüsen be- schrieben wurden, öffnen sie sich nicht auf der Mandibularfläche, sondern immer über der Stelle der Einlenkung der Mandibel und des Kopfes. Somit gibt die fig. 11 der Arbeit von Borpas sowohl Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 99 die Form wie die Stelle der Öffnung der Kopfdrüse der Gottes- anbeterin ganz falsch wieder. Haben wir erst die Öffnung der Drüse gefunden, so ist es nicht mehr so schwierig, die Drüse zu finden. Entfernen wir vorsichtig die Maxille mit ihrer Muskulatur und einen Teil des Chitins bis dicht an die Offnung der Drüse, so liegt die ganze Drüse in ihrer gesamten Kompliziertheit vor uns. Auf der Fig. 2 ist zu sehen, was für eine relativ gewaltige Ausdehnung diese Drüse besitzt — sie fällt geradezu in die Augen. Die Kopfdrüsen von Mantis religiosa bestehen aus zwei Teilen, die scharf voneinander unterschieden sind: 1. aus einem diekwandigen drüsigen Sack, der mit der Außenwelt durch eine enge Spalte in Verbindung steht, und 2. aus einem riesigen dünnwandigen Sack, einem Reservoir, das bald überfüllt, bald vollkommen leer ist, in Abhängigkeit von der absondernden Tätigkeit des drüsigen Sackes und von dem Grade des Zuflusses des Secrets aus dem Reservoir nach außen, der je nachdem die verschiedenste Form und Größe an- nimmt, also je nach seiner Füllung. Außerdem bemerken wir an sorgfältigen Präparaten (Fig. 2), daß zum lateralen Teil der spaltenförmigen Öffnung der Drüse sich ein zarter Muskel hin- zieht, der an der Grenze der Musculi remot. und adduct. mandibulae beginnt. Nachdem wir die allgemeinen topographischen Verhältnisse der Kopfdrüsen klargestellt haben, wollen wir an die Beschreibung der Einzelheiten der Drüse gehen. Auf der Fig. 3, wo die heraus- präparierte Drüse im ganzen dargestellt ist, erscheinen ihre Teile in folgender Form: der dickwandige Sack (Fig. 3 sac u. Fig. 4) hat eine leicht konische Form und erinnert an einen entomologischen Kätscher, der zum Ende hin verengt ist. Die Länge des Sackes fällt genau mit der Horizontalachse des Kopfes zusammen (Fig. 7 u. 8 sac). Mit einem blinden, verschmälerten Ende berührt der Sack, mit dem Hypoderm des Frons fast verwachsend, an dessen Grenze das Auge (Fig. 7). Lateral ist er (Fig. 3 sac u. Fig. 4) derart etwas zusammengedrückt, dab sein Lumen auf dem Querschnitt bald breit-, bald engellipsoidisch erscheint, und sehr selten nimmt sein Hohl- raum Birnenform an, was sich natürlich durch eine starke Kon- traktion des Sackes in der Gegend der Öffnung beim Fixieren er- klären läßt. Der untere Rand, mit dem der Sack (Fig. 4 mr) zu den Mandibeln hin gewandt ist, hat eine abgerundete Form, und der obere Rand 7* 100 SERGIUS SUSLOV, (Fig. 4 sp) ist ganz gerade, nimmt an Dicke bedeutend zu und geht in eine Spalte über, die neben dem Frons breiter, aber näher der Nackenpartie des Kopfes enger wird und sich allmählich mit der Öffnung vereinigt (Fig. 3 u. 4 oe), durch die der Sack nach außen mündet. Eine enge Längsspalte verbindet beide Teile der Kopf- drüse, durch sie hat der dickwandige Sack eine Kommunikation mit dem Reservoir, gerade an der Stelle, wo die Längsspalte des dick- wandigen Sackes in die quere, äußere Spalte übergeht und die Muskelfasern befestigt sind (Fig. 2 m. gl. md), welche das Eintreten des Secrets sowohl durch den drüsigen Sack wie unmittelbar aus dem Reservoir regulieren. Der dünnwandige Sack zeichnet sich, wie aus Fig. 3 (res) zu ersehen, stark durch seine Zartheit und Durchsichtigkeit vor dem drüsigen Sack aus und übertrifft ihn vielmals an Größe, er ist überall mit Falten bedeckt, mit Vertiefungen versehen, mit einem Wort, hat die merkwürdigsten, äußerst veränderlichen Umrisse, je nachdem mit dem Secret gefüllt ist und in Abhängigkeit von den Konturen der umgebenden Gewebe und Organe, mit denen er in enger Be- rührung steht. Auf Querschnitten des Kopfes kann man sehen, wie Teile des dünnwandigen Sackes dicht dem Auge anliegen, dem Endoskelet, den Muskeln, dem Hypoderm des Frons usw. Der dünnwandige Sack erscheint gewöhnlich an Exemplaren, die sich nicht gehäutet haben, sowohl im lebenden Zustande als auch besonders nach Härtung in Spiritus oder anderen Fixierungsmitteln goldiggelb ge- färbt, welche Färbung nach den zur Einschließung in Paraffin nötigen Manipulationen schwindet. Wenn man den gehärteten dünnwandigen Sack unter der Lupe mit Nadeln zerzupft, so ist die in ihm befind- liche gelbe Masse von so fester Konsistenz, daß sie sich der Ein- wirkung der Nadeln fast gar nicht fügt und man sie direkt vom Objektglas entfernen muß, da man sonst die Teile des Sackes nicht mit dem Deckglase bedecken kann. An frischgehäuteten Exemplaren konnte ich diese gelbe Flüssigkeit nicht beobachten, im Gegenteil erwies sich der dünnwandige Sack als ganz leer. Um sich die ziem- lich verwickelte Lage der Drüsenteile zueinander und zu den um- gebenden Geweben endgültig klar zu machen, bediene man sich mit Vorteil der Figg. 5, 6, 7 u. 8. Aus einem Querschnitt, der durch das erste Drittel des Kopfes geht (Fig. 6 res), sieht man nur erst Teile des dünnwandigen Sackes, die in verschiedenen Richtungen durchschnitten sind und bald als Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 101 enge isolierte Röhren, bald als lange und breite Säcke erscheinen, die miteinander kommunizieren. An einem Querschnitt aus derselben Serie (Fig. 7), aber schon aus dem Gebiete des unteren Drittels des Kopfes, einem Schnitt, der etwas schräg geht, sehen wir, daß nach Maßgabe der Annäherung an die Stelle der Vereinigung der beiden Teile der Kopfdrüsen die Auswüchse des dünnwandigen Sackes (Fig. 7 res) schon weniger umfangreich werden und ihre Zahl viel geringer (rechter Teil der Fig. 7). Auf dem rechten Teil des Schnitts ist sehr gut zu sehen, wie der dünnwandige Sack in den dickwandigen übergeht, der sich dann nach außen vor der Maxille öffnet. Auf demselben Schnitt sieht man ferner, daß auch der dünn- wandige Sack, nachdem er sich mit dem dickwandigen an einer be- stimmten Stelle vereinigt hat, ebenfalls, wie begreiflich, in die all- gemeine (gemeinsame) Öffnung nach außen mündet. Auf Fig. 8 aus derselben Serie erblickt man noch im linken dieses die Verbindung des dickwandigen Sackes mit der Außenwelt, während im rechten Teil diese Verbindung geschwunden ist, da der Schnitt sich dem mandibularen unteren Rande des Sackes nähert. Teile des dünn- wandigen Sackes sind schon fast geschwunden, und der drüsige Sack selbst erreicht nicht mehr den vorderen Teil des Kopfes, da sein zentraler Teil schon vorüber ist und der Schnitt oberflächlich über den mandibularen Rand des Sackes ging. Auf der Fig. 5, die einen frontalen, dicken Schnitt des Kopfes zeigt, ist besonders klar zu sehen, wie die obere Spalte des dickwandigen Sackes mit dem dünnwandigen Reservoir sich ver- einigt. Jetzt haben wir uns eine klare Vorstellung von den Bestand- teilen der Kopfdrüsen von Mantis religiosa gemacht, und es taucht unwillkürlich der Wunsch auf, unsere Beschreibung mit der von L. Borpas (4c) zu vergleichen. Vor allen Dingen gelang es Borpas nur einen Teil der Drüse zu sehen, den, den ich als „diekwandigen drüsigen Sack“ bezeichnete; „das Reservoir“, das dünnwandige aber, das so kolossale Dimensionen erreicht, hat er gar nicht be- obachtet. Wahrscheinlich hatte er beim Präparieren den dick- wandigen Sack von dem zarteren Reservoir abgerissen. Daher be- schreibt er nur einen Teil der Drüse und noch dazu ganz falsch, da sogar an dem abgerissenen dickwandigen Sacke jene lange, enge Spalte längs dem ganzen Sacke zurückbleiben mußte, durch welche beide Teile der Kopfdrüse sich miteinander vereinigen. 102 SERGIUS SUSLOV, Ferner schreibt L. Borpas: „Du côté interne, elles [glandes] sont s’amincissant progressivement et se continuent par un court canal excréteur, qui s'ouvre par un étroit orifice.“ Wie wir sehen, ist von einem Ausfiihrungsgange nicht die Rede: der Hohlraum des drüsigen Sackes kommuniziert unmittelbar mit der Außenwelt durch eine enge, lange Spalte. Sowohl das Lumen des Sackes wie die Dicke seiner Wände in der Gegend dieser Öffnung verändern sich fast gar nicht, was besonders deutlich auf der linken Partie der Fig. 8 zu sehen ist. Histologische Beschreibung. Bevor ich an die Beschreibung der detaillierten Beschaffenheit des drüsigen Sackes und des Reservoirs gehe, will ich einige Hin- weise darauf geben, welche Methoden ich bei der mikroskopischen Untersuchung anwandte. Die Kopfdrüsen wurden sowohl an Schnitten wie an Flächen- präparaten studiert. Für die Schnitte nahm ich Köpfe von Gottes- anbeterinnen, die sich eben erst gehäutet hatten, und fixierte sie mit den Flüssigkeiten von Carnoy, GILSON, HERMANN und PERENY. Die besten Resultate erhielt ich meiner Ansicht nach mit den Flüssig- keiten von Carnoy und Ginson. Die so fixierten Köpfe goß ich entweder in Paraffin ein oder in Paraffin-Celloidin, was jedenfalls bessere Resultate liefert als Paraffin allein, besonders beim Studium der topographischen Verhältnisse der Kopfdrüsenteile. Besonders dünne Schnitte machte ich nicht, sie waren gewöhnlich 10 u dick. Für die Flächenpräparate präparierte ich die Kopfdrüsen ganz heil unter der Lupe heraus, was nicht besonders schwierig ist, und fixierte die so isolierten Drüsen mit Hrrmann’scher Flüssigkeit, Osmium oder Fremmine’scher Flüssigkeit. Die gewaschenen und gehärteten Drüsen färbte ich mit Hämatoxylin nach DELAFIELD, und nachdem ich sie nur durch Nelkenöl gezogen, zerzupfte ich sie in Canadabalsam. Dies gelingt sehr leicht bei dem dünnwandigen Reservoir, das in sehr dünne Membranen zerfällt. Der drüsige Sack taugt dagegen gar nicht zum Zerzupfen, da seine Wände dick, viel- schichtig und für eine Totaluntersuchung ungeeignet sind; man stu- diert ihn besser an Schnitten. Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 103 Der drüsige Sack. Der dickwandige Sack (Fig. 9 sac) besteht aus zwei Schichten von Zellen, zwischen denen sich keine Abgrenzungen feststellen lassen, weder mit Hilfe irgendwelcher Fixations- noch irgendwelcher Färbungsmittel. Die äußere Zellenschicht unterscheidet sich durch große Kerne, die größtenteils spindelförmig und regelmäßig angeordnet sind, perpendikulär zur äußeren Oberfläche. Diese Kerne sind sehr reich an Chromatinkörnchen. Die innere Zellenschicht zeichnet sich durch 2—3mal kleinere Kerne aus, die ohne irgendwelche Ordnung gelagert sind. Zwischen diesen zwei Schichten von Zellen und Kernen befindet sich eine breite Zwischenschicht, fast ohne Kerne, nur hier „und da sieht man Kerne, die denen der inneren Schicht gleichen. In diesem schwach sich färbenden Plasma finden sich eine Menge Vacuolen von verschiedener Größe, deren Inhalt sich in Hämalaun wie auch in Denarrenp’schem Hämatoxylin stark färbt; ich halte ihn für ein Secret. In geringerer Zahl findet man diese Vacuolen auch in der äußeren Kernschicht. Je näher dem Vereinigungpunkt mit dem dünnwandigen Reservoir werden die Kerne der Außenschicht bedeutend kleiner und nehmen an Zahl ab, und an der Übergangs- stelle selbst (des einen Sackes in den anderen) häuft sich eine charakteristische Gruppe von Zellen der Innenschicht an. Die ganze innere Oberfläche des drüsigen Sackes ist mit einer dünnen Chitinhaut überzogen, ohne bestimmte Struktur und Skulptur. Nur in der Gegend des Überganges des drüsigen Sackes in die Außen- spalte kann man an der inneren Chitinhaut lange Chitinhärchen be- merken, deren Bestimmung es natürlich ist, ein allzuschnelles und reichliches Austreten des Secrets der Kopfdrüsen nach außen zu verhindern. Somit erscheinen die Zellen der inneren Schicht des drüsigen Sackes als rein chitinogen und unterscheiden sich wenig von der Schicht der Hypodermalzellen, als deren unmittelbare Fort- setzung sie in Wirklichkeit anzusehen sind. An Exemplaren, die während der Häutung fixiert wurden, kann man sogar sehen, wie die dünne Chitinhaut sich löste und daß sie sich im Hohlraum des Sackes befindet. Bei der Untersuchung des drüsigen Sackes war es mir anfangs nicht ganz klar, wie das Secret, das in der äußeren und der Zwischenschicht gebildet wird, in den Hohlraum der Drüsen gelangen sollte. Irgendwelche intracelluläre Kanälchen, wie sie OETTINGER (21) für die Abdominaldrüsen von Phyllodromia germanica und Periplaneta 104 SERGIUS SusLov, orientalis beschreibt, konnte ich nicht entdecken, trotz aller Be- mühungen. Mir scheint, daß das Secret direkt in den Drüsenhohl- raum durch die zarte Chitinhaut hindurchschwitzt. Eine ähnliche Ausscheidungsart des Secrets in Hautdrüsen unmittelbar durch die Chitinmembran, die keine sichtbaren Poren besitzt, erscheint heute überhaupt nicht als unmöglich. So beschreibt HexsevaAr (11a) die Ausscheidung von Secreten durch eine Chitinmembran in den GILson- schen Drüsen beiden Phryganiden, ferner erkennt KosHewnrkov (18) ein ähnliches Durchschwitzen bei der Wachsausscheidung an den Wachsdrüsen auf besonderen Spiegeln bei den Bienen und auf ge- wöhnlichem Chitin des Sternits von Dombus an. Und BERLESE (2) stellt sogar eine allgemeine Regel auf: „Si vede constante questa regola: che tutte le secrezioni speciali degli insetti (meno che per tessuti ghiandolari spettanti ad altri foglietti, cioè pel mesenteron & per le ghiandole strettamente genitali) devono sortire all esterno per via osmotica e traversando sempre una pellicula chitinea.“ Somit dringt der Inhalt der Vacuolen des drüsigen Sackes rein osmotisch durch die Chitinhülle und gerät in den Hoblraum des drüsigen Sackes, der somit als Hauptherd der Erzeugung des Secrets er- scheint, das zur Aufbewahrung bis zur Benutzung in das dünn- wandige Reservoir gelangt. Der von uns geschilderte Bau des drüsigen Sackes widerspricht durchaus der von Borpas gegebenen Beschreibung. So fand er z.B. zwei Hüllen, die den Sack umgeben sollen; wir bekamen sie niemals zu sehen. „Une enveloppe“ — schreibt er — „externe, constituée par une mince couche de fibrilles conjonctives et musculaires à des positions irregulieres les unes sont dirigées obliquement et les autres circulairement. 2°. Au dessous, existe une mince membrane basilaire, hyaline, transparente, présentant, de distance en distance, de petits noyaux aplatis, difficilement visibles.“ Nach unseren Beobachtungen existiert weder eine Bindegewebshülle noch eine Hülle aus Muskel- fasern, ebensowenig wie eine hyaline Membrana basilaris. Seine fig. 12 selbst zeigt durch ihre schematische Beschaffenheit, wieweit sie von der Wirklichkeit entfernt ist, wenn man seine Zeichnung mit unserer Fig. 9 vergleicht: sie haben nichts miteinander gemein. Die drüsige Schicht des Sackes besteht nach Borpas aus einer Schicht cylindrischer Zellen, deren Seitenwände wenig wahrnehmbar sind (und doch sind auf seiner fig. 12 diese Wände scharf dargestellt), die innere Oberfläche dieser Zellen ist von einer dünnen Chitinhülle begrenzt, als dem Resultate „de l’agglutination d’une bordure ciliee, Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 105 à cils très courts“. In der Tat sieht man aber an der Hülle nichts Derartiges: es ist einfach eine zarte Chitinhülle, die den gewöhn- lichen chitinogenen Zellen anliegt, die Borpas gar nicht bemerkte. Das Reservoir. Untersuchen wir die Wandungen des Reservoirs an Flächen- präparaten, so sehen wir (Fig. 10), dab sie von flachen polygonalen Zellen bedeckt sind, zwischen denen die Grenzen gewöhnlich sehr scharf ausgeprägt sind, d. h. bei einem gewissen Füllungsgrade des Reservoirs. Diese Grenzen erscheinen als ein ganz verwickeltes ‘System von hellen Kanälen, an denen hier und da Tracheenstämme verschiedenen Kalibers verlaufen. Betrachten wir aber die Wandungen von leeren, stark ge- schrumpften Reservoiren nach der Häutung, so sehen wir, daß die Zellen von den Seiten her stark zusammengedrückt sind und dab die Grenzen zwischen ihnen vollständig verschwinden. An einem Schnitte (Fig. 9), der perpendikulär zur Oberfläche der Wandung geführt ist, bemerken wir eine Schicht Zellen, die einen starken seitlichen Druck auszuhalten haben; ihre Kerne liegen perpendikulär zur Oberfläche und treten so stark in den Hohlraum des Reservoirs hinein, daß nur eine ganz dünne Zwischenlage von Plasma den Kern vom Raum des Reservoirs trennt. Die Reservoirzellen des vom Secret gefüllten Reservoirs haben nach der Fixation mit FLEMMING- scher Flüssigkeit eine vorzüglich ausgeprägte maschige Struktur (Fig. 11). Die Kerne, ihre Zahl und Form, sind unglaublich ver- schiedenartig. Einen Kern von mehr oder weniger gewöhnlichem Typus sehen wir auf Fig. 11. Ein Umstand mag noch hier hervor- gehoben sein: das ist das Fehlen eines differenzierten Nucleolus; das Chromatin ist einfach in Klümpchen im ganzen Kern zerstreut. An anderen Zellen (Fig. 10) können wir zwei, drei und mehr Kerne be- obachten; nicht selten trifft man auf eine direkte Teilung der Kerne, dann eine Knospung und sogar eine Fragmentation der Kerne. Was die direkte Teilung anbelangt, so geht sie erstaunlich unregelmäßig vor sich: nur selten sieht man Bilder, die an die klas- sische direkte Teilung mit Bildung biskuitförmiger Kerne erinnern, in deren beiden Hälften sich gleiche Mengen von Chromatin vor- finden. Oft bleibt die Brücke, die beide Kernhälften verbindet — eine sehr dünne Brücke — auch so bestehen, ihr Verschwinden habe ich nicht beobachtet; offenbar erreichte die Teilung nicht ihr Ende (die äußersten Zellen in Fig. 10). Auf Fig. 12 ist eine riesige Zelle 106 SERGIUS SUSLOV, dargestellt. Parallel zu ihrer langen Achse liegt ein amitotisch sich teilender Kern, dessen beide Hälften durch eine breite Brücke ver- bunden sind, die Chromatinkörnchen enthält. Es gelang mir nicht, das Schicksal dieser Brücke mit den Chromatinkörnchen bis zum Ende zu verfolgen, da ich ein derartiges Bild nur einmal sah. In der Mehrzahl der Fälle kann von einer direkten Teilung nicht die Rede sein. Von dem Mutterkern sprossen an verschiedenen Stellen 1, 2, 3, 4, 5 und mehr Knospen von verschiedener Größe, oder der Kern verwandelt sich durch Bildung von Falten, Vertiefungen und Ein- schnürungen in eine Reihe von Kugeln wie am Rosenkranz, und als Resultat erhalten wir jene merkwürdig gestalteten Kerne, wie sie. auf Fig. 13 u. 14 dargestellt sind. Bei derartigen Knospungen und Fragmentationen ist es sehr schwer, irgendeine Vorbereitung zur Teilung, eine Regelmäßigkeit in der Verteilung des Chromatins zu bemerken: in der einen Knospe ist mehr Chromatin vorhanden, in der anderen weniger, es fehlt fast ganz; in der einen sind die Chro- matinkörner größer, in der anderen klein usw. Nur einmal gelang es mir zu sehen (Fig. 15, die rechte Zelle), daß die Chromatinkörnchen in einer Linie lagen in gewisser Richtung, in der, in welcher der ganze große lange Kern ausgezogen lag: man erhält den Eindruck, daß er sich in der gegebenen Richtung teilen will. Endlich muß man auch solche Fälle anführen (linke Zelle, Fig. 15), wo man mit Mühe feststellen kann, daß Spuren von Chromatin in dem abknospenden Teile des Kernes vorhanden sind, und in einigen freilich seltnen Fällen konnte ich ein vollständiges Fehlen des Chro- matins in den abgeknospten Partien konstatieren. Solche Knospen sind um vieles kleiner als die Mutterkerne und kleiner als die anderen Knospen, man kann in ihnen keinerlei Formelemente wahrnehmen: sie bestehen nur aus der Kernhülle und dem kaum gefärbten Kern- saft. Man kann sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für Abortivkerne halten. Das Vorhandensein einer großen Anzahl von vielkernigen Zellen und sich amitotisch teilenden, knospenden und fragmentierenden Kernen ruft unwillkürlich die Frage hervor, ob diese Teilung der Kerne nicht im Zusammenhange mit der Teilung der Zellen steht. Hierauf kann man kategorisch antworten, daß die Kernteilung niemals eine Teilung des Zellkörpers zur Folge hat, sondern im Gegenteil, sie ruft die Bildung vielkerniger Zellen hervor, und so ist es schwer, in diesem Prozesse der Kernteilung einen Zellvermehrungsprozeß zu er- Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 107 blicken, somit eine Wiederherstellung, Regeneration der Reservoir- zellen. Die Ursache für diese Erscheinung muß man in den periodisch wechselnden äußeren Umständen suchen, unter denen die Zellen des dünnwandigen Reservoirs leben müssen. Das Reservoir erscheint als ein dünnwandiger Sack, der periodisch vom Secret angefüllt wird, das aus dem dickwandigen, drüsigen Sacke eintritt und periodisch unter gewissen Bedingungen sich entleert. Bei Anfüllung mit dem Secret sind die Wandungen des Sackes stark ausgedehnt, sie haben einen gewaltigen Druck auszuhalten, und bei der Entleerung fallen die Wandungen natürlich zusammen, und es * bilden sich zahlreiche Falten; eben diese eigentümlichen, rein mecha- nischen Bedingungen führen dazu, daß die Kerne sich teilen, zer- fallen, knospen ohne jede Regelmäßigkeit und ohne Veränderung und Vorbereitung von Chromatinkörnchen; mit anderen Worten, die Kerne unterliegen einer Teilung, einem Zerfall, nur durch den Druck und nicht, weil ein Teilungsprozeß, Vermehrungsprozeß der Zellen beginnt. In den Zellen der Harnblase von Säugetieren sind ebenfalls ver- schiedene Fälle direkter Teilung durch Nem1Lov (20), Karpov (16) u. A. beschrieben. „In der direkten Teilung der Zellen des Epithels der Harnblase“ — schreibt Karpov — „haben wir ... eine Polymorphie der Kerne mit charakteristischer Bildung von Falten; die Vertiefung der Falten führt zur vollständigen Abschnürung des Kerns in gleiche oder ungleiche Teile; Veränderungen am Nucleolus oder am Chromatin, die man in direkte Verbindung mit dem Teilungsprozesse setzen könnte, werden nicht beobachtet; eine Teilung des Zellkörpers findet nicht statt.... Es ist nicht denkbar, der direkten Teilung im Epithel der Blase eine regenerative Bedeutung zu geben und überhaupt in ihr einen der Caryokinese gleichwertigen Prozess zu erblicken.... Dank den funktionellen Eigentümlichkeiten des Organs erleidet das Epithel der Harnblase gewaltige Deformationen: in der gefüllten Blase dehnen sich Zellen aus, werden flacher; in der zusammen- fallenden Blase unterliegen sie seitlichem Druck, nehmen Wiirfel- form an, ja sogar Cylinderform. Einer besonders starken Einwirkung unterliegen die Zellen, die an den Faltenbiegungen der Schleimhaut sitzen. Alle diese Umstände: 1. der verstärkte und spezielle Stoff- wechsel (das Wachstum, der Metabolismus), 2. das Fehlen der Caryo- kinese, also genügende Zeit, 3. mechanische Momente lassen uns klar 108 SERGIUS SUSLOV, werden, weshalb die direkte Teilung im Epithel der Harnblase so oft getroffen wird... .“ Somit führen die sehr gleichen Bedingungen, in denen sich die Zellen des Reservoirs der Kopfdrüsen von Mantis religiosa und die Zellen der Harnblase der Säugetiere sich befinden, zu ein und der- selben Erscheinung, zur Knospung und zur direkten Teilung der Kerne und zur Bildung vielkerniger Zellen. Die Innenfläche des Reservoirs ist ebenso wie die des drüsigen Sackes von einer Chitinhülle überzogen, die sich mit Eosin sehr schön färben läßt. Die Hülle unterliegt gleichzeitig mit der Häutung des Tieres der Abstoßung, was nochmals die ectodermale Natur der Kopfdrüsen von Mantis religiosa erhärtet. In der Region des Überganges (Fig. 18) der Wandungen des Reservoirs in die äußere Spalte verliert die innere Chitinhülle ihren strukturlosen Charakter, es treten auf ihr eine Menge zarter langer Härchen auf, die in dichter Schicht alle Biegungen und Falten der Wände bedecken, an denen die zähe Flüssigkeit nunmehr mit ge- ringerer Schnelligkeit aus dem Reservoir durch die äußere Öffnung treten kann. Den dünnwandigen Sack haben wir die ganze Zeit über als Reservoir bezeichnet. Diese Bezeichnung wird auch vollkommen durch die Rolle begründet, die er bei der Drüse spielt, und durch die auffallende Ähnlichkeit mit dem Reservoir der (labialen) Speichel- drüsen von Mantis religiosa, das ähnlich unserem dünnwandigen Sacke aus einer Reihe flacher polygonaler Zellen besteht, mit Kernen, die die allerverschiedenste Form besitzen und sogar an die direkte Teilung erinnern. Ebenso erscheint das Reservoir der Speichel- drüsen bald mit ihrem Secret überfüllt und nimmt dann die Gestalt einer langen Birne an, bald ganz leer und sieht dann wie eine ganz dünne Lamelle aus, die nur mit Mühe bei der Beobachtung gefunden wird. Der gleiche histologische Bau und die ähnliche physiologische Funktion gestatten, wie mir scheint, mit gutem Grund, den dünn- wandigen Sack als Reservoir der Kopfdrüsen der Gottesanbeterin zu bezeichnen. : Die streng feststehende Form, der komplizierte Bau, das Vor- handensein einer Menge von Vacuolen mit färbbarem Inhalt lassen den dickwandigen Sack als das Grundorgan erscheinen, welches das Secret liefert, das bis zum geeigneten Zeitpunkt in dem diinnwandigen Sack wie in einem Reservoir aufbewahrt wird. Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 109 Die physiologische Funktion der Drüsen. Nachdem wir die Kopfdrüsen von Mantis religiosa anatomisch und histologisch untersucht haben, ist es natürlich, dab wir uns der Frage zuwenden, welche Rolle im Leben der Gottesanbeterin die von uns entdeckten Kopfdrüsen spielen. Wie bekannt, beschrieb in neuester Zeit BRUNTZ (5a, b) besondere „reins labiaux“ bei den Thysanuren; ein Teil derselben scheidet — es ist der „saccule* — ammoniakalisches Karmin, ein anderer Indigokarmin aus. Auch ich hatte Gelegenheit, der Frage näherzutreten, ob nicht die Kopfdrüsen der Gottesanbeterin irgendeine ausscheidende Funktion ausübten. Da ich aber innen einen Chitinbelag beider Teile der Drüse fand, der bei der Häutung sich löste, so verhielt ich mich anfangs gleich einigermaßen skeptisch gegen ihre ausscheidende Funktion. Und in der Tat führten zahlreiche Versuche mit Injektionen von Ammoniakkarmin und Indigokarmin zu negativen Resultaten. Während die Nephrocyten, die sich um den Pharynx gruppieren, die Nephro- eyten, die alle Speicheldrüsen ganz bedeckten, die Pericardialzellen mit Karminsäure überfüllt waren, fanden sich in den Zellen der Kopfdrüsen davon keine Spuren. Freilich trifft man an der Ober- fläche in diesem und jenem Teil der Drüse Gruppen von Leucocyten, die mit Karminsäure beladen sind, doch wird bei genauerer Unter- suchung klar, daß dies der Drüse selbst fremde Elemente sind, da man niemals Karminsäure in den Zellen der Drüse findet. Während die MarrıscHrschen Gefäße alle schwarz waren vom injizierten Indigokarmin, waren beide Teile der Drüsen vollkommen farblos und enthielten keine Spur von Indigokarmin, weder in den Wandungen noch im Hohlraum der Drüse. Somit kann ich auf Grund meiner Beobachtungen kategorisch behaupten, daß die Kopfdrüsen von Mantis religiosa keine aus- scheidende Funktion ausüben. Untersucht man die Kopfdrüsen in lebendem Zustande, so er- scheint das Secret, welches in die Mundhöhlung tritt, als zähe Flüssigkeit von goldgelber Färbung. Bei der Fixation verwandelt sich das Secret in eine feste Masse von intensiver orangegelber Farbe, und diese Masse ist bedeutend leichter als Wasser und Spiritus, sie schwimmt bei der Präparation auf deren Oberfläche. Das Vorhandensein eines Reservoirs in den Kopfdrüsen von 110 SERGIUS SUSLOY, Mantis religiosa, das dem Reservoir der Speicheldrüsen ähnlich ist, das Austreten des Secrets aus Öffnungen, die sich an der Basis der Mandibeln befinden, in den Hohlraum des Mundes lassen mich in der beschriebenen Kopfdrüse eine akzessorische Speicheldrüse er- blicken, um so mehr als PHiciPTrsSCHENKO (23) und Bruntz (5a, b) 2 Paar Speicheldrüsen bei den Thysanuren beschrieben haben, von denen das vordere Paar ebenso an der Basis der Mandibeln sich öffnet. Die vorderen Speicheldrüsen der Thysanuren kann man, da sie in demselben mandibularen Somit wie die akzessorischen Speichel- drüsen von Mantis religiosa liegen, als vollkommen homologe Bildungen ansehen. Die Gottesanbeterinnen sind alle Räuber, ernähren sich aus- schließlich vom Fleische von Insecten und Arachnoiden (zuweilen auch von dem der Wirbeltiere), so daß es nichts Sonderbares ist, daß eine so komplizierte und schwerverdauliche Nahrung die Bildung einer besonderen Ergänzungsspeicheldrüse notwendig machte. Und bei den Bienen führt die komplizierte Bearbeitung, der die Nahrung unterliegt, zur Vermehrung der Speicheldrüsen sogar bis auf 6 Paar [Borpas (4a). Darum erscheint die 2. Speicheldriise von Mantis religiosa als nichts Besonderes, wenn bei anderen Insecten (Ptery- goten und Apterygoten) Speicheldrüsen nicht bloß in der Einzahl sich finden. Die übrigen Mantodea. Außer Mantis religiosa konnte ich noch aus der Familie der Mantidae Parameles taurica, Parameles heldreichii, Tis oratoria und Bolyvaria brachyptera und aus der Familie der Empusidae Empusa tricornis untersuchen, mit einem Wort alle jene Gottesanbeterinnen, die in so großer Zahl im Süden der Krim gefunden werden. Auch bei ihnen sind im großen und ganzen die Kopfdrüsen ebenso gebaut wie bei Mantis religiosa und ist ebenso stets das Vorhandensein eines dickwandigen drüsigen und eines dünnwandigen Sackes (Reser- voirs) nachweisbar; sie sind anatomisch und histologisch genau homo- log, mit dem kleinen Unterschiede, daß die Größe der Kopfdrüsen der übrigen Mantodea bedeutend hinter denen von Mantis religiosa zurückbleibt und dab der drüsige Sack bei ihnen etwas schwächer entwickelt ist. Blattodea. Nachdem ich endgültig das Vorhandensein der neuen kompli- zierten Kopfdrüsen bei allen Mantodea der Krim klargelegt hatte, Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 111 fing ich an die Blattodea, die in anatomischer Hinsicht den Mantodea sehr nahe stehen, zu untersuchen. Ich begann bei diesen Insecten, die so oft untersucht worden sind, nach Kopfdrüsen zu suchen, und es gelang mir zu meinem Er- staunen auch bei ihnen das Vorhandensein ebenso charakteristischer Kopfdrüsen festzustellen wie bei Mantis religiosa. Wenn man vom Scheitel aus den Kopf von Stylopyga orientalis betrachtet, so ist die Öffnung der Drüse vom Stipes bedeckt, befindet sich unter ihm. Wendet man aber letzteren nach innen (Fig. 16) in medialer Richtung, so befindet sich die Öffnung auf einer Linie, welche die Grenze zwischen Cardo und Stipes bildet. Sie liegt den Winkel und die Grenze der Mandibula nicht ganz erreichend und er- scheint als kleine ovale Spalte (oe, Fig. 16). Wenn man den Kopf mehrere Tage mit 70°, Spiritus fixiert, so wird es nicht schwer, die ganze Drüse herauszupräparieren. Sie hat folgendes Aussehen (Fig. 17): der Spalt geht, wie zu sehen, unmittelbar in einen kleinen ovalen dickwandigen Sack über, der lange nicht die Dimensionen wie bei Mantis religiosa erreicht. Er ist sehr kurz und erreicht nicht die Stirnoberfläche. Das dünn- wandige Reservoir, ebenfalls nicht groß, liegt zusammen mit dem drüsigen Sack zwischen der Mandibel und dem unteren Teil der Mm. adduct. und remotor. mandibulae. Aus dem fixierten Reservoir läßt sich eine durchsichtige, feste Masse herauspräparieren. Histo- logisch unterscheiden sich beide Teile der Kopfdrüse der Schabe wesentlich in nichts von der Beschaffenheit dieser bei den Mantodea. Auber bei Stylopyga orientalis gelang es mir eine analoge Beschaffen- heit der Kopfdrüsen bei Periplaneta americana, Heterogamia aegyptica und Platta transfuga zu finden. Vergleich mit den Kopfdrüsen anderer Insecten und der Myriapoda. Die von mir beschriebenen Kopfdrüsen der Mantodea und Blattodea haben Ausführungsöffnungen am Winkel der Mandibel. Wenn man bedenkt, daß alle Kopfdrüsen der Insecten und Chilo- poden [Hrymons (13a, b)] aus der Haut herstammen, so hat unsere Ausführungsöffnung eine sehr wichtige Bedeutung: sie zeigt, dab eben an dieser Stelle die Haut des 4. Mandibularsomiten, an der Stelle der Angliederung (Einlenkung) der Extremität, die einem Somiten entspricht, ein Divertikel bildete, das zu Ende der Ent- wicklung des Embryos sich in die Kopfdrüse verwandelt. Somit ge- 112 SERGIUS SUSLOV, hören die Kopfdrüsen der Mantodea und Blattodea zweifellos zum Mandibularsomit und künnen mit vollem Recht als Mandibular- drüsen bezeichnet werden, aber natürlich nicht im Sinne von Borpas, der sie nur deshalb so bezeichnet, weil sie sich seiner Meinung nach in den Mandibeln selbst befinden. Drüsen, die den Mandibulardrüsen der Mantodea und Blattodea homolog sind, wurden schon von mehreren Autoren bei den Insecten und Myriapoden beschrieben. Hrymons lenkte bei der Untersuchung der Entwicklung der Orthopteren zuerst die Aufmerksamkeit auf das Vorhandensein einer Kopfdrüse bei Forficula: „Gegen Ende der Embryonalzeit entsteht bei Forficula jederseits am Kopf eine Hypo- dermiseinstülpung. Dieselbe wuchert nach innen und bildet ein System von unregelmässig gestalteten Säckchen und Schläuchen, welche sich in den Seitenteilen des Kopfes ausbreiten und bis in die Basal- teile der Mandibeln eindringen. Die Einstülpungsöffnung bleibt er- halten. Sie befindet sich zu den Seiten der als „Stipes“ bekannten Basalteile des ersten Maxillenpaares. Die äussere Chitinschicht setzt sich nach innen fort. Über die Funktion der in Rede stehenden Gebilde, welche meines Wissens auch von den Entomotomen bisher nicht beachtet wurden, habe ich keine Untersuchungen angestellt.“ Hrymons bezeichnet genau die Öffnung und die Lage der Kopf- drüse von Forficula, die ganz mit den von uns beschriebenen Drüsen der Mantodea und Blattodea zusammenfällt Das „System von unregelmäßig gestalteten Säckchen und Schläuchen“ ist zweifellos die Wandung des Reservoirs, die in verschiedener Richtung durch- schnitten wurde. Wovon Hrymons vollkommen schweigt, das ist die Existenz des dickwandigen drüsigen Sackes. Doch auch dies ent- spricht vollkommen der Tatsache. Ich selbst habe Schnitte durch den Kopf von aus dem Ei gekrochenen Larven von Mantis religiosa ge- macht, ebenso von Stylopyga orientalis, und bei ihnen war der drüsige' Sack noch schwach entwickelt, und man muß um die Existenz dieses Organs wissen, um die Andeutung desselben als das künftige große Organ zu erkennen, so daß Heymoxs vollkommen recht hat, die Aufmerk- samkeit nur auf Teile des dünnwandigen Sackes der Kopfdrüsen bei den von ihm untersuchten Embryonen von Forficula zu lenken. Wenn man sich noch erinnert, daß Borpas vor kurzem (4b) Kopfdrüsen bei Phyllium beschrieb, so ist die Existenz homologer Kopfdrüsen bei den niederen Orthopteren erwiesen: bei den Derma- ptera, Blattodea, Mantodea und Phasmatodea. Meine Versuche, ähnliche Kopfdrüsen bei höheren Orthopteren zu finden — Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 113 bei Gryllodea, Locustodea und Acridiodea — hatten keinen Erfolg. Nur die Termiten haben, nach Houmaren’s (14) Unter- suchungen, ungeachtet ihrer Verwandtschaft mit den Blattodea, Mandibulardrüsen, die ganz eigentümlich gebaut sind, in Gestalt von Päckchen einzelliger Drüschen, von denen ein jedes einen langen Ausführungskanal besitzt. Für die höherstehenden Pterygoten sind Mandibulardrüsen von mehreren Autoren beschrieben. Unter den Trichoptera hat Lucas (19) bei Anabolia furcata das Vorhandensein von Mandibulardrüsen beschrieben und HENSEvAL (11a, b) bei Anabolia nervosa. Ähnlich den Drüsen der Termiten vereinigen sich diese Gruppen einzelliger Drüschen mit eigenen Aus- führungskanälen in einen kurzen gemeinsamen Ausführungsgang fast dicht an der Mandibel selbst. PATTEN (22) beobachtete die Bildung von Drüsen bei Phry- ganiden in der Mandibularpartie in Gestalt von Derivaten des Ectoderms. Bei den Hymenopteren sind Mandibulardrüsen bei Ameisen durch Janet (15a, b) in Gestalt einer Gruppe einzelliger Drüsen beschrieben, die sich in einen Sack öffnen, der mit der Außenwelt durch eine Öffnung an der Mandibelbasis in Verbindung steht. In Gestalt von Säcken wurden Mandibulardrüsen bei den Bienen [Scaremexz (24), Borvas (4a)| erwähnt. Für Lepidopteren sind Mandibulardrüsen in Form langer Röhren bei den Raupen von Bombyx mori durch Buanc (3) be- schrieben, sowie von HexsevAu (11c, d) für die Raupen von Cossus ligniperda. Schließlich beschrieb GEORGEVITScH (8) für die Coleo- pteren bei den Larven von Ocypus oleus ein Paar röhrenförmiger Drüsen im Kopfe, die den ebenfalls von ihm beschriebenen Drüsen im ganzen Körper dieser Larve homolog sind. Aus den angeführten Tatsachen folgt offensichtlich, daß, wenn auch bei den höheren Ptery- goten Drüsen gefunden werden, die den Kopfdrüsen der Mantodea und Blattodea homolog sind, sie sich doch anatomisch stark von- ‘ einander unterscheiden. Steigen wir im System weiter hinab und wenden uns den Apterygoten und Myriopoden zu. Unter den Collembola führt WıLrem (25, 26) bei Sminthurus im Kopfe paarige Anhäufungen runder Zellen an, die sich durch einen Ausführungsgang an der Basis der Mandibeln öffnen. Die von Becker (1) gut beschriebenen Speicheldrüsen von Zomo- Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 8 114 SERGIUS SUSLOY, cerus, Orchesella und Isotoma liegen unmittelbar an der Einlenkung der Mandibeln und Kiefer. Bei den Thysanuren, den nächsten Verwandten der niederen Orthopteren, können zum mandibularen Somit die Drüsen von Cteno- lepisma und Machilis gerechnet werden, die sich an der Stelle der Ein- lenkung der Mandibel in den Mund öffnen. Somit führt auch ein Vergleich mit den Thysanuren zu dem Schlusse, daß der Bau ihrer Kopfdrüsen des Mandibularsegments nichts Gemeinsames mit ihrem Bau bei den niederen Orthopteren hat. Unter den Myriopoden finden wir eine sehr ähnliche Bildung nur bei Zithobius, bei dem ähnliche Kopfdrüsen von HeErsst (12) be- schrieben wurden, unter der Bezeichnung „System II“. Dieses „System II“ besteht aus dem dickwandigen Sacke, der sich zwischen den Maxillen, etwas hinter den Mandibeln, öffnet, und dem „End- sack“ — dem dünnwandigen Sacke mit den unregelmäßigsten Kon- turen. Freilich ist es schwer zu entscheiden, zu welchem Segment man das „System II“ von Lithobius rechnen soll, da die Kopfdrüsen und die Metamerie des Kopfes der Myriopoden nicht vollkommen untersucht sind und wir somit kein Kriterium besitzen, auf Grund dessen wir nach Segmenten die Kopfdrüsen der Myriopoden und Insecten vergleichen könnten. Über die Kopfdrüsen der Insecten überhaupt. Eısıc (7) sprach zuerst die kühne Ansicht aus, die auf Kenner’s (17) Arbeit über die ähnliche Entwicklung der Speicheldrüsen und Ne- phridien bei Peripatus begründet war, die Ansicht, daß die Speichel- drüsen der Tracheaten als metamorphosierte Nephridien anzusehen seien. Und ungeachtet einer Reihe von embryologischen Untersuchungen von HATSCHEK (10), Parren (22), Bürscaui (6) und Hrymons (13a), die bewiesen, daß die Speicheldrüsen ectodermalen Ursprungs sind, hält sich diese veraltete Anschauung noch immer; so beschreibt Brunrz bei den Thysanuren Kopfnephridien, die sich merkwürdigerweise durch einen gemeinsamen Gang mit den hinteren Speicheldrüsen in den Mund öffnen, deren Bestimmung es sei, eine Flüssigkeit zu produzieren ,,destinée à entrainer au dehors les produits d’exeretion“. Heymons (13a, b), der so viel für die Embryologie der Insecten und Chilopoden geleistet hat, sagt bei Beurteilung der Resultate an Scolopendra: „In dieser Hinsicht kontrastieren meine Befunde mit denjenigen von HEATHCOTE (1888), der bei Julus sich für eine meso- Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 115 dermale Abkunft der Speicheldrüsen ausspricht. Bei den Chilopoden und Insekten trifft dieses jedenfalls nicht zu, und den mehrfach an- geregten Vergleichen zwischen den erwähnten Drüsen und den Nephridien der Anneliden fehlt namentlich deswegen der Boden, weil gar keine Beziehung zwischen den Drüsen und dem Coelom vorhanden ist.“ Wenn man bedenkt, daß das ganze Ectoderm der Arthropoden eine drüsige Schicht darstellt, so kann man nicht umhin mit KosuEewnıkov (18) zuzugestehen, daß den Hautdrüsen der In- secten und der Gliederfüßler überhaupt keine phylogenetische Be- deutung beigemessen werden kann, da ihr Vorhandensein an der oder jener Stelle das Resultat einer rein sekundären Anpassung der Hautschicht an eine bestimmte Funktion ist. Welche phylogenetische Bedeutung könnte man auch den Kopf- drüsen der Insecten beimessen, da sie nie mit dem Colom in Verbindung stehen und ihnen der wichtigste Teil fehlt, der meso- dermale. Vergleicht man die Kopfdrüsen nach den entsprechenden Somiten, so kann man ganz wissenschaftlich homologisieren, wenn man sich nach den Anhängseln der Somiten richtet, bei denen sie diese oder jene Rolle spielen, z. B. eine ähnliche wie die Cruraldrüsen bei den Onychophoren [Haass (9). Daher können wir ganz gesetzmäßig die vorderen Speicheldrüsen von Machilis und Ctenolepisma mit den Mandibulardrüsen der niederen Orthoptera (Dermaptera, Blattodea und Mantodea) homologisieren, da sie zu ein und demselben Mandibularsomit gehören. Den hinteren Teil der Speichel- drüsen von Machilis und Ctenolepisma können wir mit demselben Recht mit den Speicheldrüsen der Orthoptera homologisieren, da die einen wie die anderen dem 6., letzten (labialen) Somit des Kopfes an- gehören. So erhalten wir sehr interessante Resultate des Vergleiches, und die niederen Orthoptera und Thysanura haben 2 Paar Speichel- drüsen, die vollkommen homolog sind, zum 4. und 6. Somit gehören — was ihre ohnehin nahe Verwandtschaft bestätigt. Behält man die Herkunft der Kopfdrüsen der niederen Orthoptera im Auge, als Divertikel der Haut des 4. Somits an seiner Grenze mit dem 5. und die vollkommene Abwesenheit irgendeiner aus- scheidenden Funktion, sowohl unter normalen Verhältnissen wie auch nach einer Injektion, so halte ich es für unmöglich. in ihnen Reste von Nephridien des Mandibularsomits zu erkennen. Mit mehr Grund könnte man, so scheint es, in den von uns 8* 116 SERGIUS SUSLOV, beschriebenen Kopfdrüsen der niederen Orthopteren, wie es auch Hrymons für die Kopfdrüsen der Chilopoda und PHILIPTSCHENKO für die Speicheldrüsen der Apterygota zuläßt, metamorphosierte mediale Cruraldrüsen des Mandibularsomits sehen, als Drüsen, die an jedem Kopfsegment vorhanden sind, das diese oder jene Ex- tremitäten trägt. Zum Schlusse halte ich es für meine Pflicht, Herrn Prof. Gr. A. Kosmewnıkov meine tiefe Erkenntlichkeit für die Er- laubnis auszusprechen, mich im Laboratorium des Zoologischen Museums der Kais. Univ. Moskau der Arbeit hingeben zu dürfen, wie auch für seine wertvollen Ratschläge und die stete moralische Unterstützung. Moskau, im Juni 1911. 10. Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 117 Literaturverzeichnis. BECKER, Zur vergleichenden Anatomie der Kopfdrüsen bei den Collembola, in: Tagebuch (Dnewnik) der Zool. Abt Kais. Russ. Ges. von Freunden der Naturwissenschaften, Vol. 3, No: 5 (russisch). BERLESE, ANT., Gli Insetti, loro organizzazione, sviluppo, abitudini e raporti coll’uomo, 1909. BLANC, La tête du Bombyx mori à l’état larvaire, in: Trav. Labor. Etudes de la Soie, Lyon 1891. Borpas, a) Appareil glandulaire des Hymönopteres, in: Ann. Sc. nat. (7), Zool., Vol. 19, 1894. : b) Contribution à l'étude de quelques points d'anatomie in- terne des Phyllies (Phyllium crucif.), in: Ann. Inst. 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WILLEM et SOBBE, Le tube ventrale et les glandes céphaliques des Sminthures, in: Ann. Soc. entomol. Belg., Vol. 41, 1897. Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. 119 Erklärung der Abbildungen. g Gula max Maxille g. fr Ganglion frontale m. gl. md Muscul. glandulae mandi- g.o Ganglion opticum bularis g. sb Ganglion suboesophageale m.r Mandibelrand e Cardo m.r.md Muscul. remotor mandibulae ch Chitin p. m Palpus maxillaris el Clypeus oe Offnung d.gl.sol Ausführungsgang der Speichel- res Reservoir drüse sac Sack h Hypoderm sm Submentum m. ad. md Musculus adductor mandi- Sp Spalte bulae st Stipes Tafel 4. Fig. 1. Kopf von Mantis religiosa vom Nacken aus. Die Maxille ist median gewendet. Man sieht im Winkel der Mandibel eine enge Spalte, die Ausführungsöffnung der Kopfdrüse (oe). Fig. 2. Kopf von Mant. religiosa, von dessen Nackenteil entfernt wurden: Labium, Maxille, das Chitin und die Nebenmuskeln. Man sieht die Mandibulardrüse, ihren drüsigen Sack (sac), das Reservoir (res), die Muskeln, welche das Auftreten des Secrets regeln (m. gl. md), die äußere Spalte (oe). Fig. 3. Die herauspräparierte Mandibulardrüse von Mant. relig., die aus dem umfangreichen drüsigen dickwandigen Sack (sac) besteht und dem dünnwandigen Reservoir (res). Fig. 9. Längsschnitt durch den drüsigen Sack in der Partie seiner Verbindung mit dem dünnwandigen Reservoir. Fig. 16. Kopf von Stylopyga orientalis vom Nacken aus. Die Maxille ist medial gewendet. Man sieht die ovale Öffnung (oe) der Kopfdrüse. Fig. 17. Herauspräparierte Kopfdrüse von Stylopyga orientalis. Der kleine drüsige Sack und das dünnwandige Reservoir liegen zwischen dem Musc. adduct. und remotor der Mandibel. 120 SERGIUS Sustov, Kopfdrüsen einiger niederen Orthopteren. Fig. 18. Schnitt in der Partie der Vereinigung der Reservoirwände mit der Ausführungsöffnung (oe). Die Wände sind von einer dichten Schicht Härchen bedeckt. Tafel 5. Fig. 4. Herauspräparierter drüsiger Sack der Kopfdrüse von Mant. religiosa. Man sieht die Spalte (sp), durch welche der Sack mit dem dünnwandigen Reservoir verbunden ist, den unteren runden Mandibel- rand (mr) und die äußere Ausführungsöffnung (oe). Fig. 5. Ein etwas schematisierter dicker Frontalschnitt durch den Kopf von Mant. relig. Man sieht deutlich, wie durch die obere Spalte der drüsige mit dem dünnwandigen Sack verbunden ist. Fig. 6. Querschnitt im mittleren Drittel des Kopfes von Mant. relig. Teile des dünnwandigen Sackes, in verschiedenen Richtungen durchschritten, nehmen fast den ganzen Raum zwischen dem Auge und dem Endoskelet ein. Fig. 7. Querschnitt des unteren Drittels des Kopfes von Mant. relig. In seinem linken Teil sieht man die Wandungen des Reservoirs, während im rechten Teil schon der drüsige Sack erscheint. Seine Wände gehen unmittelbar in das dünnwandige Reservoir über. Der drüsige Sack öffnet sich durch die Offnung oe nach außen, wohin sich auch das Reservoir öffnet. Fig. 8. Querschnitt des unteren Drittels des Kopfes von Mantis religiosa. In seinem linken Teil geht der diekwandige Sack unmittelbar in die äußere Ausführungsöffnung über (oe). Im rechten Teil findet sich fast kein Stück der Wände des Reservoirs und der drüsige Sack hat die Verbindung mit der Außenwelt eingebüßt. NatelnG: Fig. 10. Flächenpräparat der Reservoirwandung der Mandibulardrüse. In einigen Zellen sieht man zwei und mehr Kerne. Einige Kerne teilen sich amitotisch. Die Grenzen zwischen den Zellen sind scharf ausgeprägt. Fig. 11. Eine Zelle des dünnwandigen Reservoirs der Mandibular- drüse, fixiert mit FLEMMING’s Flüssigkeit. Man sieht ausgezeichnet die maschige Struktur des Plasmas. Fig. 12. Direkte Teilung einer Zelle des Reservoirs. Zwei un- gleiche Teile des Kernes sind durch eine Brücke verbunden, in der Chromatin- körner vorhanden sind. Fig. 13. Knospenbildung am Kern einer Zelle des Reservoirs. Fig. 14. Zellen aus der Wandung des Reservoirs. In einer beginnt die direkte Teilung, in der anderen sind Knospen, die einem Rosenkranz ähneln. Fig. 15. Zwei Zellen aus den Reservoirwandungen. In der links- liegenden Zelle bildet der Kern eine Knospe, in der man mit Mühe Spuren des Chromatins sieht. In der rechts liegenden Zelle kann man eine linienformige Anordnung des Chromatins in dem stark lang ausge- zogenen Kerne erkennen, als ob sich der Kern anschicke gerade in dieser Richtung sich zu teilen. Nachdruck verboten, Übersetzungsrecht vorbehalten, Über die Morphologie der Heteropteren- und Homopterenstigmen, Von Heino Mammen. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Greifswald) Mit Tafel 7—9 und 22 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. "Einleitung. Literatur über Zahl und Lage der Heteropteren- und Homopterenstigmen. Technisches. _ Systematische Übersicht der behandelten Vertreter. A. Geocores. B. Homoptera. C. Hydrocores. Physiologische Versuche. Vergleich der Landwanzenstigmen. Vergleich zwischen den Land- und Wasserwanzenstigmen. Vergleich der Heteropteren- und Homopterenstigmen mit denen anderer Insecten. Schluß. Einleitung. Eins von den vielen Gebieten in der Zoologie, auf denen unsere Kenntnis bis jetzt noch höchst mangelhaft ist, ist das über die Morphologie der Insectenstigmen. Fast ganz vernachlässigt sind die 122 Heıno Mammen, Stigmen der Rhynchoten, vor allem die der Heteropteren und Homo- pteren. Es gibt allerdings einige wenige Arbeiten, die sich mit der Lage und Anzahl sowie mit dem äußeren Aussehen der Stigmen be- schäftigen, aber selbst hier herrschte bis vor einigen Jahren noch eine große Unklarheit. Dank der Arbeiten von HaAnpuizsch (1899) und Hrymons (1899) sind wir jetzt jedenfalls so weit, dab wir über die allgemeine Lage einigermaßen unterrichtet sind. Was aber den genauen Bau der Hemipterenstigmen, besonders den Verschlußapparat angeht, so finden wir darüber nur sehr wenig in der Literatur. Daß man die Hemipterenstigmen bis jetzt so stiefmütterlich behandelt hat, kann ich mir nur dadurch erklären, daß man sie bis heute für zu einfach gehalten hat. Wie könnte O. KRANCHER sonst noch 1880 in seiner Arbeit „Der Bau der Stigmen bei den Insekten“ sagen (p. 510): „Als die einfachsten Stigmen, diejenigen, welche man gleichsam als unterste Stufe derselben hinstellen könnte, sind jene zu betrachten, welche nur eine Oeffnung oder Spalte der Körperhaut darstellen.“ ... „Dass natürlich hier weder von Lippen noch von einer Beweglichkeit des Randes die Rede sein kann, versteht sich von selbst. Derartige einfache Luftlöcher treffen wir in sehr typischer Weise beispielsweise bei den Wanzen.“ Es ist ja richtig, daß die Rhynchotenstigmen in mancher Beziehung etwas primitivere Verhältnisse zeigen als die mancher anderer Insecten, aber so einfach wie KRANCHER glaubt, sind sie doch nicht. So gelang es mir z. B. bei allen Stigmen, mit Aus- nahme derjenigen der Wasserwanzen, sehr interessante Verschluß- apparate aufzufinden, die zum größten Teil von den bis jetzt be- kannten der übrigen Insecten gänzlich abweichen. Literatur über Zahl und Lage der Heteropteren- und Homopterenstigmen. Das älteste Werk, in dem von Zahl und Lage der Hemipteren- stigmen die Rede ist, ist das von Léon Durour „Recherches anatomiques et physiologiques sur les Hémiptéres“ (1833). Allerdings sind in dieser Arbeit noch manche Irrtümer enthalten; aber wenn man an die Unvollkommenheit der technischen Hilfsmittel der da- maligen Zeit denkt, so muß man sich doch über die Ergebnisse wundern, zu denen dieser Forscher gekommen ist, der manchen seiner Nachfolger weit überragt. Von den thoracalen Stigmen hat DurouR eins gefunden, und zwar das zweite an der Grenze von Meso- und und Metathorax; er schreibt (p. 362): „Il n’y a qu'une seule paire Heteropteren- und Homopterenstigmen 123 de stigmates thoraciques, et elle occupe cette région latérale et in- férieure du thorax qui porte le nom de flancs de la poitrine.“ Weiter heißt es: „Les stigmates des Hémiptères, et en particulier ceux des Géocorises, n’ont que les bords empruntés aux pièces de la poitrine qui les circonscrivent. Ils sont situés dans la ligne même de séparation de mésothorax et du métathorax, un peu en arrière de l'articulation des pattes intermédiaires. Les bords, presque habituellement contigus de ces deux segmens, forment les lèvres du stigmate.“ Die Abdominalstigmen, sagt Durour, seien in der Zahl der Segmente vorhanden, ausgenommen jedoch die Genitalsegmente. In der Regel seien 6 Paare vorhanden (p. 364): „Le nombre des stigmates abdominaux n'est pas le même dans tous les Hémiptères. Le plus souvent, il y a six paires: mais il est des genres qui en ont moins, et d’autres qui en on sept.“ Was ihre Lage angeht, so sagt Durour: „Ils sont placés à droite et à gauche sur deux lignes longitudinales et parallèles, à peu de distance du bord externe des segmens ventraux.“ Die Angaben Durour’s werden zum Teil ver- vollständigt von BURMEISTER (1835), der noch ein zweites thoracales Stigmenpaar entdeckte (p. 49): „Es finden sich 4 Paar Thoracal- stigmen, zwei an jeder Seite. Das erste Paar wird vom über- greifenden Rande des Vorderbrustbeines verdeckt, das zweite liegt frei da, doch meist in einer länglichen, oft merkwürdig verzierten Vertiefung.“ Während Durour und BURMEISTER sich nur mit der Zahl und der allgemeinen Lage der Stigmen beschäftigten, gehen H. Lanpors u. W. THELEN (1867) schon etwas genauer auf ihren Bau ein. Diese beiden Forscher sind überhaupt die ersten, die sich mit der Art und Weise des Tracheenverschlusses bei den Insecten beschäftigen. Leider behandeln sie gerade die Wanzen mit nur wenig Worten. Sie be- schreiben den Verschlußapparat bei den abdominalen Stigmen von Cimex lectularia und Pentatoma baccarum. Auf die thoracalen Stigmen gehen sie überhaupt nicht ein. Bis jetzt war man betreffs der Zahl der Stigmen noch sehr im unklaren. Erst Scmiöpre gelang es (187Q) nachzuweisen (p. 240), „that Rhynchota heteroptera possess, without exception, ten pair of spiracles“. Scur6pre beschreibt auch genauer die Lage des 1. thora- calen Stigmas (p. 240): „The first pair is placed in the connecting membrane between the prothorax and mesothorax. It is in most cases to be found only with great difficulty, and only by a very skilful investigation.“ Das Verdienst Schıöprte’s ist es vor allem. 124 Hero Mammen, das 3. Paar Stigmen, das bis dahin nur bei Nepa bekannt war, bei allen Wanzen aufgefunden zu haben (p. 241): „The third pair of spiracles is placed on the back of the animal, hidden by the wings, between the metanotum and the first dorsal segment of the abdomen.“ ScurépTE scheint sich besonders mit den Wasserwanzen beschäftigt zu haben, da er von dem 3. Stigma behauptet, es sei sehr groß. Das ist nun bei den Wasserwanzen allerdings der Fall, während es im Gegenteil bei manchen Landwanzen fast ganz reduziert ist. SCHIÖDTE bezeichnet dieses 3. Stigmenpaar als metathoracales, da er der Ansicht ist, daß es vor allem den Metathorax mit Tracheen versorge. Hierin hat er sich nun getäuscht, wie spätere Forschungen von P. Mayer (1876), Hansen (1890), HanpuirscH (1899) und dann besonders von Hrymons (1899) ergeben haben. P. Mayer ist auch der Erste, der von einem Verschlußmuskel bei einem thoracalen Stigma und zwar bei Pyrrhocoris apterus spricht. Eine Arbeit, die für den Bau der Stigmen der Insecten von sroßem Wert ist, ist die von O. KRANCHER (1880) „Der Bau der Stigmen bei den Insekten“. Aber gerade was die Hemipterenstigmen anlangt, so bringt er kaum Neues. 10 Jahre später erschien dann die Arbeit von H. J. Hansen, und zwar bezeichnet dieser Forscher nur die beiden ersten Stigmenpaare als thoracale, während er die „Spiracula metathoracica* Scaröprte’s dem 1. Abdominalsegment zu- rechnet. VERHOEFF dagegen scheint (1893) wieder 3 Paar thoracale Stigmen anzunehmen, da er bei allen Rhynchoten das Stigma des 1. Abdominalsegments leugnet. Von Wert sind die Arbeiten von HanpzirsCH und Hrymons, die beide wie Hansen nur die beiden ersten Paare als thoracale Stigmen ansprechen. Besonders gründlich sind die Untersuchungen des letzten Forschers, der seine Ansicht fogendermaßen begründet (p. 372): „Die im Thorax zur Entwicklung sekommenen Stigmen erleiden in der Folge eine Verschiebung. Das dem Mesothorax angehörende Paar nimmt nämlich eine interseg- mentale Lage zwischen Meso- und Prothorax ein und gelangt schliesslich noch während der Embryonalzeit vollkommen in den hinteren Abschnitt des letzteren. In ähnlicher Weise tritt das dem Metathorax zuzurechnende Paar in den Mesothorax hinüber. Gewisser- massen als Ersatz dafür schliesst sich das erste abdominale Stigmen- paar dem hinteren Rande des Mesothorax an. [Wohl Metathorax, d. Verf.| Die Thoraxsegmente sind durch diese Vorgänge in den Besitz von Stigmen gelangt, die ihnen ursprünglich nicht angehören. Natürlich erfolgt bei diesen Wachstumsprozessen nicht nur eine Ver- Heteropteren- und Homopterenstigmen. 125 schiebung der eigentlichen Stigmen selbst, sondern mit diesen tritt gleichzeitig auch die das Stigmenpaar unmittelbar umgebende Hypo- dermispartie hinüber. Die letztere bezeichne ich als Stigmenträger oder als Pleurit.“ Die einzige sich mit den Homopterenstigmen befassende Arbeit, die ich in der ganzen Literatur finden konnte, ist die schon er- wähnte von Hanprırsch (1899) „Wie viele Stigmen haben die Rhyn- choten?“ Allerdings beschäftigte sich HanprresCH auch nur mit der Lage und Zahl der Stigmen, die er richtig angibt, und zwar stellt er fest, daß auch die Homopteren 10 Paar Stigmen besitzen. Ich werde auf diese Arbeit später noch zurückkommen. Über den Bau der Homopterenstigmen sowie besonders über ihren Verschluß suchen wir bis jetzt vergeblich Angaben in der Literatur. Weder H. Lanpois u. THELEN noch KRANCHER gehen auf den sehr interessanten Ver- schlußapparat ein. Technisches. Um die Stigmen zunächst aufzufinden, verwendete ich meistens in Kalilauge maceriertes Material. Ich entfernte die Extremitäten und die Flügel und teilte die Tiere darauf durch einen Längsschnitt in zwei gleiche Hälften. Kleinere Exemplare brachte ich erst in Transparentseife und teilte sie dann mit Hilfe eines Mikrotommessers. Sehr zu empfehlen ist es auch, die Tiere, besonders wenn es sich um solche mit stark pigmentiertem Chitin handelte, zu bleichen. Ich entwickelte zu diesem Zweck in einem Reagenzgläschen aus Kalium- chlorat und ziemlich starker Salzsäure Chlor, darüber befestigte ich mittels eines Pfropfens aus Glaswolle die zu bleichenden Tiere. Nachdem ich dann das Material in Wasser gut ausgewaschen hatte, färbte ich mit Bleue de Lyon oder Hämatoxylin (HrıpexHaiın). Be- sonders das erstere empfehle ich sehr. Zur Präparation der Ver- schlußmuskeln teilte ich die Tiere in ähnlicher Weise in 2 Hälften, bleichte eventuell und färbte dann ziemlich lange mit Boraxkarmin (ca. 24 Std.) Darauf entfernte ich vorsichtig unter der Lupe mit 2 Nadeln die Körpermuskulatur und gelangte so schließlich auf die Stigmen mit ihren Muskeln. Schnitte färbte ich ebenfalls, da es sich nur um Chitin und Muskulatur, weniger um feinere histologische Verhältnisse handelte, mit Boraxkarmin. Da diese sehr gern ab- schwammen, brachte ich sie zunächst in Photoxylin. Das hatte allerdings den Nachteil, daß das Paraffin sich in Xylol nur sehr langsam löste, so dab sie längere Zeit darin stehen mußten. 126 Hgixo Mammen, SCHIÖDTE uud PAUL Mayer erwähnen, daß ihnen die Präparation des 1. thoracalen Stigmas einige Schwierigkeit bereitet habe, da es sehr leicht in 2 Stücke zerreiße, wenn man Pro- und Mesothorax voneinander trenne. Ich half mir folgendermaßen. Nachdem ich die Tiere in 2 Längshälften geteilt hatte, entfernte ich vorsichtig die Rückenplatten. Bei kleineren weichhäutigen Exemplaren leistete mir dabei eine Pinzettenschere wertvolle Dienste. Nachdem ich dann die Färbung vorgenommen hatte, führte ich die einzelnen Hälften in Kreosot über, entfernte die Körpermuskulatur und zog dann mit Hilfe zweier Nadeln Pro- und Mesosternum unter einem Präpariermikroskop sorgfältig auseinander. Gewöhnlich blieb dann das Stigma unversehrt vor dem Mesosternum liegen, zuweilen haftete es auch am Prosternum. Bei dieser Methode ist mir kein einziges Stigma zerrissen, selbst bei den Wasserwanzen nicht. Systematische Übersicht der behandelten Vertreter. Bevor ich zur Besprechung der einzelnen Familien übergehe, will ich zunächst eine kurze Übersicht über die von mir behandelten Vertreter geben. In der Reihenfolge der Familien hielt ich mich an Leunis-LupwiG, „Synopsis der Tierkunde“, das mir auch zur Bestimmung der einheimischen Hemipteren diente. Die mit einem Sternchen (*) versehenen Vertreter sind ausländische. Ich bestimmte bei ihnen die Gattung nach FIEBER, „Die europäischen Hemipteren“. Die Species zu bestimmen war wegen Mangels einer Monographie ganz unmöglich, außerdem fehlte mir eine genügende Menge von Vergleichsmaterial. A. Geocores. I. Pentatomidae. 1. Tropicoris rufipes (Imago und Larve). 2. Pentatoma dissimilis. 3. Asopus bidens. 4. *Husarcoris sp. 5. *Aspongopus sp. II. Coreidae. Syromastes marginatus. . “Alydus sp. (Imago und Larve). . *Arenocoris sp. . *Leptocorisa sp. . *Camptopus sy *Neides sp. D> OUP © D IL: IV, VE. VE DEI. Y. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 127 Lygaeidae. l. Pyrrhocoris apterus. 2. Lygaeus equestris. 3. *Phydadicus sp. 4. *Oxycarenus sp. 5. *Cymus sp. Capsidae. 1. Capsus capillaris (Imago und Larve). 2. Lygus bipunctatus. 3. Miris laevigatus. 4. *Sahlburgella singilarıs (Larve). Membranacei. Acanthia lectularia. Reduviidae. *Estrichodia crux. Nabis ferus (Imago und Larve). . *Colliocoris sp. *Harpactor sp. *Pygolampis sp. UHR 99 Nr Hydrodromici. 1. Hydrometra paludum. 2. Limnobates stagnorum. 3. Velia currens. ‘ B. Homoptera. Stridulantia. 1. *Cicada gigantea (Larve). 2. *Plathypleura sp. 3. *Huechys germari. . Fulgoridae. 1. *Pseudophana sp. (Imago und Larve). 2. *Issus sp. Membracidae. *Centrotus sp. Cicadellidae. 1. Jassus atomarius. 2. Aphrophora spumaria (Imago und Larve). C. Hydrocores. . Nepa cinerea. . Naucoris cimicoides. . Notonecta glauca. *Lethocerus uhleri. Corixa geoffroyi. 128 Heıno Mammen, Geocores. I. Pentatomidae. 1. Tropicoris rufipes. a) Imago. Als ersten Vertreter der Pentatomiden untersuchte ich Tropicoris rufipes, und zwar bearbeitete ich zunächst die thoracalen Stigmen. Ich werde zuerst das 2. Stigma behandeln (Taf. 7 Fig. 1—6), da es einen einfacheren Bau zeigt als das erste. Was seine Lage angeht, so ist diese schon von Durour richtig angegeben; es liegt frei da an der Grenze von Meso- und Metathorax. Durour bezeichnet die beiden Ränder der betreffenden Segmente als die Lippen des Stigmas; er hält damit den Spalt, den Meso- und Metathorax etwa von dem seitlichen Rande des Tieres bis in die Extremitätengegend heran zwischen sich einschließen, für die eigentliche Stigmenöffnung. Das ist nun allerdings nicht richtig, denn diese liegt tiefer (vg. Taf. 7 Fig. 4 O). Die beiden Ränder der Segmente senken sich gleichmäßig in das Innere des Tieres ein, um zunächst eine Falte zu bilden. In Wirklichkeit ist diese Falte die Intersegmentalfalte, die allerdings im Zusammenhang mit dem Stigma umgestaltet ist. Daß sie nichts anderes ist, das geht auch aus dem Vergleich mit der Larve hervor. Am Grunde der Falte befindet sich nun die eigentliche Öffnung (0) als ein sehr feiner Spalt, durch den die Luft zunächst in eine Tracheenblase wandert, bevor sie in die zahlreichen sich von der Blase abzweigenden Tracheenstämme gelangt. Medial vom Stigma (vgl. Taf. 7 Fig. 2) setzen sich der hintere Rand des Meso- und der vordere des Meta- thorax winkelförmig ab, um dann im Innern zu verschmelzen. Auf diese Weise wird eine bessere Articulation der beiden Segmente gegeneinander bewerkstelligt. In der Nähe des Stigmas jedoch kommt diese Verschmelzung nicht zustande, vielmehr schrägen sich die Einsenkungen lateralwärts ab, um um das Stigma herum einen Wulst zu bilden (vgl. Taf. 7 Fig. 1). Auf diese Weise kommt das Stigma medial in einem Winkel zu liegen. An der Verbindungs- stelle der beiden Segmente setzt sich die ansehnliche Intersegmental- muskulatur (M) an. Ferner befestigt sich medial vom Stigmen- spalt ein Muskel (Me), der sich in den soeben beschriebenen Winkel hinein erstreckt, um sich hier an die Segmentränder anzuheften. Dort, wo der Muskel sich an die Intersegmentalfalte ansetzt, ist diese durch besonders starkes Chitin ausgezeichnet. Von einer be- sonderen Ausbuchtung ist jedoch nichts zu bemerken. Zu erwähnen Heteropteren- und Homopterenstigmen. 129 wäre noch, daß die Ansatzstelle nicht genau medial von der Öffnung liegt, sondern dab sie etwas nach vorn gerückt ist. Der Muskel selbst besteht aus einer ganzen Anzahl von Fasern. Um ein Hineindringen von Fremdkörpern in das Stiema zu ver- hindern, ist am äußeren mesothoracalen Rande ein Reusenapparat angebracht (Taf. 7 Fig. 4 R), der aus einer großen Anzahl von Chitinborsten (Taf. 7 Fig. 6) besteht. Diese Borsten, die noch ihrer- seits wieder mit kleinen Zähnchen besetzt sind, sind in mehreren Reihen übereinander angeordnet; so bilden sie ein äußerst dichtes Netzwerk, das imstande ist, jeden Fremdkörper vom Stigma fern- zuhalten. Schon Durour beschreibt diese Art von Schutzvorrich- tungen bei Landwanzen (p. 363): „Comme les soins conservateurs de la nature ne sont jamais en defaut, ces bords respectifs sont garnis intérieurement de cils courts, mais bien fournis, dont l’entre- croisement forme comme un fin tamis qui s'oppose à l’abord des atomes héterogènes dont la présence pourrait offenser la délicatesse des trachées, et qui ne donne accès qu’au fluide subtil de la re- spiration.“ Auf welche Weise können wir uns nun einen Verschluß dieses Stigmas bewerkstelligt denken? Es leuchtet ein, daß sich der Stigmenspalt schließen muß, wenn sich der oben beschriebene Muskel (Taf. 7 Fig. 1 Me), der Verschlußmuskel, kontrahiert, denn dadurch wird der mesothoracale häutige Stigmenrand straff gespannt, so dab er fest gegen den harten metathoracalen gepreßt wird. Den vorderen häutigen Rand bezeichne ich als Verschlußband, den hinteren als Verschlußbügel (Taf. 7 Fig. 5 Bd u. Bg). Der Verschluß wird noch dadurch dichter, daß der Verschlubbiigel. der wie eine Messerschneide verschärft ist, in einen entsprechenden Falz des Verschlußbandes ein- greift. (Auf einen Vergleich mit älteren Angaben komme ich später zurück.) Wie wird nun das Stigma wieder geöffnet? Meine Ansicht ist, daß dies vor allem durch die Elastizität des Verschlußbügels ge- schieht. Jedoch halte ich es nicht für unwahrscheinlich, daß auch die Körpermuskulatur und im besonderen die Intersegmentalmusku- Jatur hierzu in gewissem Grade beiträgt, und zwar denke ich mir dies folgendermaßen bewerkstelligt. Zum besseren Verständnis mag uns em Schnitt (Taf. 7 Fig. 3) durch den medialen Winkel des Stigmas dienen. Dieser Schnitt zeigt die Intersegmentalmuskulatur (Mi), wie sie sich einerseits an die Intersegmentalfalte, andrerseits weiter nach hinten an das Integument des Metathorax ansetzt. Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 9 130 Heino Mammen, Ferner sieht man, wie der vordere Rand des Metathorax, der etwas vorragt, in eine entsprechende Ausbuchtung des Mesothorax hinein- paßt. Es ist leicht einzusehen, daß Meta- und Mesothorax eng zu- sammengepreßt werden, wenn sich die Intersegmentalmuskulatur zusammenzieht. Wenn aber der vordere Rand des Metathorax auf den Mesothorax gedrückt wird, sich also die Segmentränder nähern, soist es immerhin möglich, daß dabei der Verschlußbügel etwas zurück- gezogen wird. Es leuchtet ein, dab so das Stigma sich immer nur zu einem kleinen Spalt öffnen kann, da die Bewegung der betreffenden Segmente gegeneinander immer nur innerhalb eines kleinen Zwischen- raumes möglich ist. Während das 2. Stigma wegen seiner freien Lage zwischen Meso- und Metathorax leicht aufzufinden war, machte die Ent- deckung des 1. (Taf. 7 Fig. 7 u. Fig. A) zunächst einige Schwierig- keiten. Während Meso- und Metathorax verhältnismäßig fest mit- einander verbunden sind, ist das bei Pro- und Mesothorax in weit- aus geringerem Maße der Fall. Bei den beiden letzten Segmenten wurde eine Beweglichkeit gegeneinander durch ein winkelförmiges Einrücken der betreffenden Segmente erzielt, bei Pro- und Meso- thorax haben wir eine Intersegmentalmembran ausgebildet. Da dazu das Prosternum das Mesosternum, ähnlich wie das Pronotum das Mesonotum, weit überragt, so ist wohl einzusehen, daß diese Änderung in der Art der Articulation von Einfluß auf den Bau des 1. Stigmas sein muß. Dieses rückt somit weit unter den Hinterrand des 1. Segments, wo es vor dem Mesosternum liegt (Fig. A). Der vom Mesothorax gebildete Rand des Stigmas zeichnet sich durch seine große Härte aus; er zeigt eine sechseckige Felderung. Die eigentliche Stigmenöffnung ist nun nicht ein länglicher gerader Spalt wie bei Stigma 2, vielmehr ist sie gekrümmt; auf diese Weise gewinnt der vordere Stigmenrand das Aussehen eines Deckels. Die Ähnlichkeit mit einem Deckel wächst noch dadurch, daß sich der vordere Rand über den hinteren legt (vgl. auch Fig. V 1, S. 166). Der Deckel hebt sich dadurch von der übrigen Membran ab, dab er aus härterem Chitin besteht. In ihm verlaufen Furchen in sagittaler Richtung. Durch eine besondere Chitinleiste, wie wir sie später bei einem Stigma finden werden, ist der Deckel nicht von der Membran abgegrenzt. Medial verbreitert sich der hintere Rand des Stigmas zu einer Platte, die sich an ihren Rändern wallartig von ihrer Umgebung abhebt. An diese Umrahmung setzt sich nun der Verschlußmuskel Heteropteren- und Homopterenstigmen. 131 an, der sich mit seinem anderen Ende medial vom Stigmenspalt an- heftet. Zieht er sich zusammen, so wird damit der Deckel in das Innere des Tieres gezogen, so daß er sich mit seinem vorderen Rande, der noch besonders wulstartig verdickt ist, fest auf den harten hinteren Stigmenrand legt, wodurch das Stigma fest verschlossen wird. Für den Verschluß wichtig ist es noch, dab die Anheftungs- punkte des Muskels nicht beide in der Ebene des Deckels liegen, sondern daß der eine infolge der Wölbung der Intersegmentalmembran tiefer in das Innere hinein verlagert wird. Auf diese Weise wird ein festerer Verschluß erzielt, da der Muskel beim Zusammenziehen nicht nur einen seitlichen Zug auf den Deckel ausübt, sondern diesen zugleich nach dem Innern des Körpers zu zieht. Läßt die Kontraktion des Verschlußmuskels nach, so öffnet sich das Stigma durch die Elastizität des Deckels wieder. Fig. A. Fig. B. Fig. A. Tropicoris rufipes. Schematischer Sagittalschnitt durch Stigma 1. Mst Mesosternum. Pst Prosternum. D Deckel. O Stigmenöffnung. Fig. B. Tropicoris rufipes. Schematischer Frontalschnitt durch ein Ab- dominalstigma. A Kegel. O Öffnung. Tyr Trachee. J Integument. Stg Stigmen- grube. Verschlußmuskel durch eine punktierte Linie angedeutet. (Auf die Schnitt- ebene projiziert.) Ein Reusenapparat ist bei diesem Stigma nicht in dem Mabe entwickelt wie bei dem zweiten. Allerdings ist der vordere Rand des Mesothorax mit einigen Haaren versehen. Aber wenn wir die Lage der beiden Stigmen vergleichen, so liegt es auf der Hand, daß in das 1. Stigma bei seiner versteckten Lage unter dem Prosternum lange nicht so leicht Fremdkörper gelangen können wie in das 2, dessen Öffnung genau vertikal unter der Segmentgrenze liegt. Hier ist ein komplizierter Reusenapparat durchaus am Platze. Nachdem wir so den Bau der thoracalen Stigmen kennen ge- 9% 132 Hrıno Mammen, lernt haben, wollen wir uns den abdominalen zuwenden. Mit Aus- nahme des 1. (Taf. 7 Fig. 8 Sti), das dorsal in der Membran zwischen Metathorax und dem 1. Abdominalsegment liegt, sind alle übrigen 7 Abdominalstigmen (vgl. Fig. D, S. 133) ventral in das Integument eingelassen, indem auf jedes Segment jederseits ein Stigma kommt. Während das 1. der ventralen Stigmen von dem übergreifenden Rande des Metasternums verdeckt wird, liegen die nächsten 5 frei da; das letzte dagegen, das eine geringere Größe besitzt, ist mit dem 1. Genitalsegment eingezogen. Das 1. Stigma (Taf. 7 Fig. 8 St) ist außerordentlich reduziert, so daß seine Auffindung große Mühe machte. Es stellt eine ovale Öffnung dar. Am besten war es zu finden an maceriertem Material, das mit Bleue de Lyon gefärbt war, indem man von innen dem Verlaufe des zugehörigen Tracheen- stämmchens bis zu seiner Ansatzstelle folgte. Von irgendeinem Verschlußapparat konnte ich nichts entdecken; ich glaube überhaupt, dab dieses Stigma für die Atmung kaum noch in Frage kommt. Seine rudimentäre Beschaffenheit ist auf die ungünstige Lage zwischen Thorax und Abdomen und auf die Reduktion des 1. Ab- dominalsegments zurückzuführen. Die übrigen Abdominalstigmen (Taf. 7 Fig. 9 u. Fig. B, S. 131) sind von einem kreisférmigen Peritrem (P) umgeben; bei ihnen ist ein mächtiger Verschlußkegel (X) aus- gebildet, der sich in frontaler Richtung erstreckt. Die Stigmen liegen nun nicht in der Ebene der abdominalen Körperoberfläche, vielmehr senkt sich das Integument zunächst zu einer Grube (Stg) ein, an deren Boden sich ein länglicher Spalt befindet. Mit diesem Spalte beginnt die Trachee. Ich bezeichne ihn als das eigentliche Stigma. Der Verschlußkegel ist als eine Ausstülpung der vorderen Grubenwand aufzufassen. Da die Grube nun bei Tropicoris sehr wenig tief ist, so liegt er unmittelbar unter der Körperoberfläche, mit welcher er durch weichhäutiges Chitin verbunden ist. An der Spitze des Kegels heftet sich der Verschlußmuskel an, der sich un- gefähr in einem Winkel von 45° von ihm entfernt, um an das In- tegument heranzutreten. Diese Abdominalstigmen wurden zuerst von H. Lanpois u. W. THELEN bei Pentatoma baccarum erwähnt. Ich kann mir allerdings nach ihren kurzen Angaben kein rechtes Bild von ihnen machen. Die Öffnung der Stigmen, sagen diese Autoren, sei kreisrund, manchmal auch oval. Was Lanpvoıs u. THELEN für die Öffnung angesehen haben, ist mir nicht recht klar, wahrscheinlich jedoch die Öffnung in der Körperoberfläche, also den Eingang in die Stigmengrube, während nach meiner Auf- Heteropteren- und Homopterenstigmen. 133 fassung der Spalt am Boden der Grube das Stigma ist. Allerdings untersuchte ich nicht Pentatoma baccarum, aber da ich bei allen Pentatomiden-Abdominalstigmen, z. B. auch bei einer ganz nahen Verwandten von P. baccarum, nämlich bei P. dissimilis, im Prinzip dieselben Verhältnisse vorfand, so darf ich wohl annehmen, daß auch P. baccarum keine Abweichungen zeigt. Wie haben wir uns nun den Verschluß dieser Stigmen vorzu- stellen? Wenn sich der Verschlußmuskel kontrahiert, so wird da- mit der vordere Rand der Stigmenspalte gegen die ihm gegenüber- liegende Lippe gepreßt, und das Stigma wird damit geschlossen. Die nach vorn gerichtete Lippe des Stigmas wollen wir als Ver- schlußbügel (Bg), die hintere dagegen als Verschlußband (Bd) be- zeichnen. Daß beide bei diesen Stigmen auf ein Minimum zurück- sinken, wie Lanpois u. THELEN schreiben, kann ich nicht recht einsehen. — Um Fremdkörper aus dem Kegel, der hohl ist, fern- zuhalten, ist an seinem vorderen Rande ein Reusenapparat ange- bracht. b) Larve (Fig. C u. D) Während bei der Imago das 1. thora- cale Stigmenpaar von dem 2. ziemlich abweicht, haben wir bei der Larve beide Paare ganz gleich ausgebildet, sie unterscheiden sich weder durch ihre Größe noch durch ihren Bau voneinander; auch nehmen sie in bezug auf die betreffenden Segmente eine ganz gleiche Lage ein. Allerdings liegt das erste mehr medial. Das 1. Paar (Fig. C) liegt am Hinterrande des Prothorax frei da, das 2. am entsprechenden Rande des Mesothorax. Hier zeigt es sich deutlich, Ms1 Ey nn, CA Fig. C. Fig. D. Fig. C. Tropicoris rufipes. Larve. Lage der thoracalen Stigmen. StI, 2 1. und 2. Stigma. St4 2. Abdominalstigma. 1, Il, III Bauchplatten der Brustringe. Fig. D. Tropicoris rufipes. Larve. Lage der ventralen Abdominalstigmen. Mst Metasternum. Gs 1. Genitalsegment. 134 Heino MAMMEN, daß der Vorraum vor dem Stigma nichts anderes als die Interseg- mentalfalte ist. Allerdings finden sich bei diesen Stigmen Anfänge einer Grubenbildung innerhalb der Intersegmentalfalte. Die Ränder der Stigmen sind beide in gleicher Weise ausgebildet, auch bei Stigma 1. Die hintere Stigmenfalte zeichnet sich dadurch vor der vorderen aus, dab sie eine eigenartige bäumchenförmige Verästelung aufweist, die sehr an die Stigmenmembranen der Wasserwanzen erinnert. Ich kann mir diese sonderbare Struktur nur durch Faltung entstanden denken. Einen Verschlußmuskel haben die thoracalen larvalen Stigmen auch aufzuweisen; er setzt an die Stigmengrube ähnlich an wie bei dem 2. Imaginalstigma. Ebenso bietet ihm der hintere Rand des Pro- resp. Mesothorax eine Ansatzstelle dar. Ein Verschluß wird wie bei Stigma 2 der Imago bewerkstelligt. Daß die beiden Stigmenpaare gleichgebaut sind, kann ich mir nur da- durch erklären, daß Pro- und Mesothorax ähnlich miteinander ver- bunden sind wie Meso- und Metathorax, indem keines der Segmente ein anderes teilweise überragt. Auf die Entwicklung des „Deckel- stigmas“ aus diesem verhältnismäßig primitiven komme ich später in einem besonderen Abschnitt noch zu sprechen. Die Abdominalstigmen der Larve zeigen denselben Bau wie bei der Imago. Das erste, dorsal gelegene, ist ebenfalls rudimentär. Sämtliche ventrale Stigmen liegen frei da (Fig. D, S. 133), das letzte unterscheidet sich durch seine geringe Größe von den übrigen, dem Bau nach ist es jedoch diesen gleich. — Wegen der freien Lage sämtlicher Stigmen bei der Larve zog ich es vor, in C und D die Lage der Stigmen an dieser und nicht an der Imago zu demon- strieren. 2. Pentatoma dissimilis. Bei P. fand ich im wesentlichen dieselben Verhältnisse vor wie bei Tropicoris rufipes. Bis auf das 1. Stigma, bei dem sich geringe Abweichungen finden, sind die Stigmen sogar genau so gebaut wie bei Zropicoris. Die Lage des 1. Stigmas ist dieselbe wie bei Tropicoris, nur fiel mir bei Pentatoma auf, daß der Teil des Mesosternums, der sich unter dem Prosternum befindet, stärker mit Härchen versehen ist. Beim Stigma selbst ist der Ansatzpunkt des Muskels an die Stigmenfalte etwas tiefer ge- rückt, so daß die beiden Ansatzstellen ziemlich in gleicher Höhe liegen. Das ist bei diesem Stigma für den Verschluß auch wieder vorteilhafter, da der Deckel auch schon medial anfängt sich ab- zuschnüren; denn dadurch werden bei der Kontraktion des Muskels Bügel und Band einander mehr genähert. Der Deckel selbst besteht Heteropteren- und Homopterenstigmen. 135 bei Pentatoma aus weichhäutigerem Chitin. Auf ihm ziehen sich Faltungen hin in der Richtung wie der Muskel wirkt. 3. Asopus bidens. Das 1. thoracale Stigma unterscheidet sich dadurch von dem des vorhergehenden Vertreters, daß sich medial vom Stigma ein kleiner kegelartiger Fortsatz befindet, an dem sich der Verschlußmuskel anheftet. Im übrigen finden sich keine Abweichungen. 4. Eusarcoris sp. Weitergehende Unterschiede zeigten sich bei Eusarcoris. Beim 1. Stigma legt sich der vordere Stigmarand deckelartig über den hinteren. Das Stigma selbst ist jedoch ein gerader Spalt. Demnach scheint mir dieses Stigma primitiver zu sein als das entsprechende der vorhergehenden Vertreter. Was das 2. Stigma angeht, so ist hinsichtlich seiner Lage nichts Abweichendes zu erwähnen. Jedoch haben wir am Hinterrande des Mesothorax den Reusenapparat weniger ausgebildet, er besteht nämlich nur aus einigen Borsten, die in einer einzigen Reihe angeordnet sind. Die Ansatzstelle des Verschlußmuskels an die Stigmenfalte ist sehr klein. Während sich der Muskel sonst direkt an eine besonders verdickte Stelle der Falte anheftet, löst sich bei Æusarcoris vom vorderen Stigmenrande eine Chitinsehne ab, die sich medial allmählich ver- breitert, um dann mit dem Muskel in Verbindung zu treten. Andrer- seits befestigt sich der Muskel nicht an beide Einsenkungen der beiden Segmentränder, sondern nur an die des Metathorax. 5. Aspongopus sp. Zum Teil andere Verhältnisse als bei den bis jetzt besprochenen Pentatomiden finden sich bei Aspongopus. Beim 1. Stigma ist der Deckel lateral nicht abgeschnürt. Von der Intersegmentalmembran hebt er sich nach hinten zu durch eine be- sondere Chitinspange ab, die wir bei den anderen Vertretern nicht fanden. Die Ansatzstelle des Muskels an die Stigmenfalte ist ganz in die Nähe der Öffnung gerückt. Im übrigen ist dieses Stigma wie das bei Tropicoris gebaut. Anders ist es dagegen mit dem 2. Stigma. Da der hintere Rand des Mesothorax lateral von den Extremitäten den vorderen des Metathorax, wenn auch nicht bedeutend, überragt, so ist es natürlich unmöglich, daß die eigentliche Stigmenöffnung genau senk- recht unter dem Segmentspalt liegt. Die Folge ist, daß das Stigma ähnlich wie das erste weiter nach vorn rückt (Fig. U 2, S. 166). Zur Ausbildung eines Deckels kommt es jedoch nicht. Wie bei Zropi- coris senken sich die beiden benachbarten Segmentränder ein. Bei Aspongopus gabelt sich die Einsenkung des hinteren mesothoracalen 156 Hero MAMMEN, Randes, sobald sie sich lateral dem Stigma nähert, so daß dieses ähnlich wie bei Tropicoris in einem Chitinwinkel zu liegen kommt, nur mit dem Unterschied, dab dieser einzig und allein vom Meso- thorax gebildet wird. Der sonstige Bau des Stigmas ist derselbe wie bei allen Pentatomiden; der vordere Stigmenrand ist häutig, während der hintere derber ist. Der Verschlußmuskel heftet sich’ in dem Chitinwinkel wie bei Z’ropicoris an. Auch der Reusenapparat ist ähnlich wie bei jener Wanze. Etwas abweichende, obgleich im Prinzip dieselben Verhältnisse wie bei Zropicoris finden sich bei den abdominalen Stigmen. Äußer- lich haben sie etwa bohnenförmige Gestalt. Der hintere Rand des Verschlußkegels ist bei ihnen halbkugelförmig aufgeblasen, während die ihm gegenüberliegende Lippe des Stigmas entsprechend hohl ist, so daß der Kegel beim Verschließen genau in diese Ausbuchtung hineinpaßt. Die Lippe ist mit kleinen Chitinzähnchen versehen, die wohl den Zweck haben, Fremdkörper aus der Trachee fernzuhalten. Il. Coreidae. 1. Syromastes marginatus. Was zunächst die Lage der Stigmen bei den Coreiden anbelangt, so ist diese dieselbe wie bei den Pentatomiden. Das 1. Stigma (Taf. 7 Fig. 10) ist ziemlich weit in den Prothorax hineingeriickt (Fig. EK). Es liegt hier in der Intersegmentalmembran.An das Stigma schließt sich eine ziemlich grobe Tra- cheenblase an, von der erst die zahlreichen Tracheen- stämme ausgehen. (In Fig.E ist nur ein Ast gezeichnet.) Nun liegt aber das Stigma nicht auf der Blase wie bei den Pentatomiden, sondern es ist visierartig vor ihr, Fig. E. Syromastes marginatus. Schematischer oder richtiger hinter ihr Sagittalschnitt durch Stigma 1. Pst Prosternum. ie h . Mst Mesosternum. Jsm Intersegmentalmembran. angebracht, so dab die Trbl Tracheenblase. O Stigmenöffnung. Qu Quer- Tracheenblase sich an die D Intersegmentalmembran an- legt. Auf diese Weise kommt das Stigma in eine Ebene zu liegen, die schief zum äußeren Integument steht, während die Ebene des 1. Pentatomidenstigmas diesem ziemlich parallel verläuft. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 137 Ich will solche Stigmen als „Visierstigmen“ bezeichnen. So kommt es, dab das Coreidenstigma mehr Raum beansprucht. Dieser wird nun folgendermaßen geschaffen. Über den vorderen Rand des Mesothorax zieht sich eine Querleiste (Fig. E Qu) hin, auf der der hintere prothoracale Rand lagert, so daß dieser sich beim Zusammen- ziehen der Intersegmentalmuskulatur dem Stigma immer nur bis auf eine gewisse Entfernung nähern kann. Auf diese Weise entsteht vor dem Stigma ein ziemlich umfangreicher Hohlraum. Der eigent- liche ovale Stigmenapparat, den wir als „Visier“ bezeichnen, hebt sich von der Intersegmentalmembran (Taf. 7 Fig. 10 Jsm) durch sein härteres Chitin ab. Medial erweitert sich der dorsale Rand zu einer am Ende abgerundeten Platte, die mit einem Wulst ver- sehen ist. Der ventrale Stigmenrand legt sich medial zum Teil unter den dorsalen; dafür ist er dann dort, wo er nicht überdeckt wird, weiter vorgewölbt, so dab die beiden Ränder an der Stigmen- öffnung einander unmittelbar gegenüberstehen. Ein Verschlußmuskel (Me) zieht sich von dem medialen Winkel des ventralen Stigmen- randes an der inneren Seite der Platte entlang nach deren Um- wallung hin. Während der dorsale Rand des Stigmas (Bg), der sich überhaupt durch sehr festes Chitin auszeichnet, sich ganz plötzlich von der Membran abhebt, geht der ventrale, die „Klappe des Visiers“ (Bd), an seiner Grenze allmählich in diese über. Auf diese Weise wird es ihm möglich, sich gegen die Membran zu bewegen. Von der Ansatzstelle der „Visierklappe“* aus legt sich noch eine be- sondere Falte unter diese. Welche besondere Bedeutung sie hat, ist schwer zu sagen. Die Tracheenstruktur ist, wie ich auf Schnitten nachweisen konnte, bis an die Stigmenöffnung heran zu verfolgen. Wie ein Verschluß dieses Stigmas herbeigeführt wird, ist aus den obigen Tatsachen heraus leicht einzusehen. Zieht sich der Verschluß- muskel (Mc) zusammen, so wird damit medial auf den ventralen „Visierrand“ ein Zug ausgeübt, und dieser wird damit fest auf den ihm gegenüberliegenden Stigmenrand gepreßt, womit die feine Öffnung geschlossen ist. Im Prinzip ähnlich dem 1. Stigma ist das 2. thoracale Doch ergeben sich einige Unterschiede, weil Meso- und Metathorax nicht durch eine weichhäutige Intersegmentalmembran verbunden werden. Vielmehr wird die Articulation dieser beiden Segmente gegeneinander ähnlich bewerkstelligt wie bei den Pentatomiden. Der vordere Rand des Metathorax springt sehr weit in das Innere vor. In der Nähe des Stigmas jedoch befindet sich in ihm eine Öffnung, durch die die 138 Herno MAMMEN, Tracheenstämme hindurchgehen, um den Metathorax zu versorgen. Der vordere Rand des Stigmas, das ebenfalls ein Visierstigma ist, wird nun gebildet, indem sich der vordere eingesenkte Rand des Metathorax scharf umbiegt (vgl. Fig. U 6, S. 166); er hebt sich auch keineswegs von seiner Umgebung ab. Die „Visierklappe“ dagegen, , die übrigens elastischer ist, geht allmählich in eine weichere Mem- bran über als bei Stigma 1. Auch bei diesem Stigma konnte ich auf Schnitten die Tracheenstruktur bis zur Öffnung verfolgen. Der Verschlußmuskel setzt sich an das Stigma in entsprechender Weise an wie bei Stigma 1. Andrerseits heftet er sich an der Innenseite des umgebogenen hinteren Randes des Mesothorax an. Ein Verschluß wird ähnlich bewerkstelligt wie bei 1. Fremdkörper werden von dem Stigma ferngehalten durch einen dichten Kranz von mit kleinen spitzigen Höckern versehenen Borsten, die sich am Hinterrand des Mesothorax befinden. Dieser Reusen- apparat ist bei Stigma 1 wegen der schon genügend geschützten Lage zu entbehren. Die abdominalen Stigmen von Syromastes sind den abdominalen Pentatomidenstigmen ganz ähnlich. Der Verschlußkegel ist sehr in die Länge gezogen. 2. Alydus sp. a) Imago. Die Imago von Alydus ähnelt im wesentlichen der Imago von Syromastes. Bei Stigma 1 gewahrt man an der Grenze des dorsalen Stigmenrandes und der Membran eine Reihe von Härchen. Was sie für einen Zweck haben, kann ich nicht angeben. Daf sie dem Stigma irgendwelchen Schutz gewähren, ist mir nicht wahrscheinlich. Bei Stigma 2 unterscheidet sich der Reusenapparat von dem bei Syromastes. Härchen finden sich am Hinterrand des Mesothorax nur in geringer Zahl, dafür ist aber dieser selbst über dem Stigma zackig ausgebuchtet. b) Larve. Bei der Larve überragt der Prothorax den Meso- thorax noch nicht. Die beiden Segmente verbindet eine Membran, die jedoch nicht unter dem Prothorax eingefaltet ist, sondern die frei daliegt. Das erste Stigma liegt nun am Hinterrande des Pro- thorax, und zwar ist es ein sehr feiner Spalt am Grunde einer sehr flachen Grube, die nach oben zu offen ist. Irgendeine Schutz- vorrichtung, wie Reusenapparat, findet sich auch hier nicht. Das Chitin der Stigmenfalten zeigt ebenfalls die bäumchenförmig ver- ästelte Struktur, die wir bei der Larve von Zropicoris fanden. Bei Alydus fand ich diese Struktur an beiden Stigmenrändern. Besonders schön trat sie auf mit Boraxkarmin gefärbten Schnitten hervor, die Heteroptereu- und Homopterenstigmen. 139 ich durca peide thoracale Stigmen ausführte. Die beiden Ränder des Stigmas sind ziemlich gleichförmig gebildet. Der Verschluß- muskel setzt ähnlich an wie bei der Imago. Das 2. Stigma unter- scheidet sich kaum von dem 1., nur wird es eine kurze Strecke vom Mesothorax überragt. Bei der Larve setzt sich keine Tracheenblase an das Stigma an, sondern es geht von ihm nur ein mächtiger Tracheenast ab. 3. Arenocoris sp. Das 1. Stigma von Arenocoris zeigt eine mächtige Tracheenblase, die bedeutend umfangreicher ist als bei den beiden oben beschriebenen Vertretern. Damit das Ganze nun mehr Halt gewinnt, lösen sich vom Mesothorax innerhalb der Inter- segmentalmembran 2 Chitinspangen ab, die sich um die Blase herum- legen. Der Hinterrand des Mesothorax zeigt eigentümliche mit Zacken versehene Chitinhöcker. Die Form des Verschlußkegels der abdominalen Stigmen weicht einigermaßen von den Abdominalstigmen der übrigen Coreiden ab. Während er bei jenen äußerst langgestreckt war, ist er hier sehr kurz; seine Spitze ist ganz vornüber gebeugt, so daß er auffallend einer Schlafmütze ähnelt. Der Verschluß wird bei ihnen wie bei den Abdominalstigmen der Pentatomiden herbeigeführt. 4. Leptocorisa sp. Bei Leptocorisa verläuft ähnlich wie bei Arenocoris um die Tracheenblase des 1. Stigmas herum ein Chitin- rahmen. Im übrigen finden sich einige Unterschiede in der Befestigung des Verschlußmuskels. Bei den bis jetzt besprochenen Coreiden zog sich der Muskel längs einer vom unteren Stigmenrande gebildeten Platte hin, so daß er sich in einer Ebene ausbreitete, die schief zur Körperoberfläche stand. Bei Leptocorisa dagegen setzt sich medial vom unteren Rande des Stigmas ein Bügel ab, der der Körperober- fläche ziemlich parallel verläuft, so daß auch der Muskel, der sich an diesen Bügel anheftet, in dieselbe Ebene hineingelangt. — Im übrigen haben wir bei Leptocorisa dieselben Verhältnisse wie bei Syromastes. 5. Camptopus sp. Das 1. Stigma unterscheidet sich dadurch von dem aller anderen Coreiden, dab der ganze Stigmenrand mit einer Anzahl von Haaren besetzt ist. Medial buchtet sich der obere Stigmenrand zu einer kegelartigen Falte aus, an die der Muskel angreift. — Sonst wie bei Arenocoris. 6. Neides sp. Zum Schluß zog ich noch einen Vertreter der Gattung Neides zum Vergleich heran. Ich fand hier dieselben Ver- hältnisse vor wie bei Leptocorisa. 140 Heino MAnnen, Wir sehen also, daß die Stigmen bei den Coreiden im wesent- lichen gleich gebaut sind; es finden sich ja einige Abweichungen, wie besonders bei Stigma 1 und beim Reusenapparat des 2. Stigmas, aber im Prinzip des Verschlusses stimmen alle überein, indem die Thoracalstigmen Visierstigmen sind, während die Abdominalstigmen, wie die abdominalen Pentatomidenstigmen gebaut sind. III. Lygaeidae. 1. Pyrrhocoris apterus (Taf. 7 Fig. 11—12 u. Taf. 8 Fig. 13). Wie bei den beiden vorhergehenden Familien, so liegt auch bei den Lygaeiden das 1. Stigma (Taf. 7 Fig. 11) in der Pro- und Meso- thorax verbindenden Intersegmentalmembran (Jsm). Es rückt jedoch lange nicht so weit unter das Prosternum wie z. B. bei den Coreiden; denn bei den Lygaeiden wird das Mesosternum kaum vom Pro- ‘sternum überragt (Fig. F). Innerhalb der Membran hebt sich die nähere Umgebung des Stigmas wieder durch härteres Chitin ab. Jedoch finden wir bei Pyrrhocoris das Stigma in einer Ebene liegend, die zur Oberfläche des Thorax parallel liegt, im Gegensatz zu Syro- mastes. Pauz MAYER widmet in seiner „Anatomie von Pyrrhocoris apterus L.“ (1875) auch den thoracalen Stigmen ein besonderes Kapitel. Er beschreibt hier auch einen Verschlußmuskel. Nach MAYER inseriert dieser an einer Hervorragung der vorderen Stigmenfalte, legt sich quer über die mediale Seite des Stigmas, um dann mit einem Bügel in Verbindung zu treten. Das ist nun nicht ganz richtig. Wie bei Syromastes so verbreitert sich der hintere, härtere Stigmenrand zu einer Platte (vgl. Taf. 7 Fig. 11), an deren Umwallung sich der Muskel ansetzt. Allerdings besitzt die Um- rahmung hier eine bügelartige, geschwungene Gestalt. Andrerseits ist der vordere Stigmenrand medial, wo der Muskel sich anheftet, etwas ausgebuchtet. Ein Verschluß kommt demnach zustande, indem der vordere Stigmenrand durch den Muskel straff gespannt wird. Die übrigen wenigen Angaben, die wir bei Mayer finden, sind richtig, jedoch beziehen sich diese scheinbar nur auf das 1. Stigma, obgleich er allgemein über die thoracalen Stigmen spricht. Als Schutz dienen dem Stigma einige Haare (Fig. F Ha), die am hinteren Stigmen- rande angebracht sind. Das 2. thoracale Stigma (Taf. 7 Fig. 12) liegt unter dem Hinter- rande des Mesothorax. Es war aus dem kompakten Chitin sehr schwer herauszupräparieren, da es außerdem bedeutend kleiner ist als das erste. Es liegt sowohl medial wie lateral in einem Chitin- Heteropteren- und Homopterenstigmen. 141 winkel, da sich der eingebogene Hinterrand des Mesothorax zu beiden Seiten des Stigmas gabelt, um vorn und hinten einen Wulst um das Stigma herum zu bilden. Haare fehlen am Hinterrande des Stigmas, dafür haben wir aber am Mesothorax über dem Stigma einen Reusen- apparat, der aus einer Reihe von Borsten besteht. Der Verschluß wird bei diesem Stigma entsprechend herbeigeführt wie bei dem ersten. Nur ist hier natürlich keine mediale Chitinplatte nötig, da der Muskel im medialen Chitinwinkel (Taf. 7 Fig. 12 Ch) einen vorzüg- lichen Ansatzpunkt vorfindet. P. Mayer untersuchte bei Pyrrhocoris auch die thoracalen Stigmen der Larve, die mir leider nicht zur Verfügung stand. Er fand bei jungen beide Stigmenfalten in gleicher Weise zellig skulpturiert, während bei der Imago dies nur an der hinteren zu beobachten ist. Weitere Angaben finden wir bei Mayer über diese Stigmen auch nicht, ich darf deshalb wohl annehmen, daß sie ähnlich gebaut sind wie bei der Imago. Fig. F. Fig. G. Fig. F. Pyrrhocoris apterus. Schematischer Schnitt durch Stigma 1. Pst Pro- sternum. Mst Mesosternum. Jsm Intersegmentalmembran. O Offnung. Ha Haare. Fig. G. Pyrrhocoris apterus. Schematischer Schnitt durch ein Abdominal- stigma. (Bezeichnungen wie bei Fig. B, S. 131.) Wenden wir uns jetzt den abdominalen Stigmen zu, die bei Pyrrhocoris einen von den Pentatomiden und den Coreiden ab- weichenden Bau zeigen. Was zunächst das erste, dorsale anlangt, so ist es ebenfalls in der Reduktion begriffen. Mit diesem Stigma hat sich Mayer etwas mehr beschäftigt, er sagt darüber (p. 312): „Es ist linsenförmig, besitzt keinen Verschlussapparat und kann nahezu als rudimentär betrachtet werden. Damit harmoniert der Umstand, dass es bedeutenden Variationen in der Grösse unterliegt, während die Ausdehnung aller anderen Stigmen innerhalb viel engerer Grenzen schwankt.“ Die übrigen Abdominalstigmen sind folgender- maßen gebaut (Taf. 8 Fig. 13 u. Fig. G). Das Integument senkt 142 Heino Mammen, sich zunächst trichterförmig zu einer ziemlich tiefen Grube ein, die an ihrem Boden ein kreisrundes Loch, die eigentliche Stigmenöffnung (O), besitzt. In der Nähe der Öffnung stülpt sich die Grube zu einem ansehnlichen schlanken Kegel (X) aus, an dessen Spitze wieder der Muskel (Me) ansetzt. Ein Verschluß wird ähnlich wie bei Tropicoris, herbeigeführt. Von der Stigmenöffnung erweitert sich die Trachee (Tr) sehr rasch, um bald einen weniger starken Ast abzugeben. Ein Reusenapparat ist bei diesen Stigmen nicht angebracht. Das letzte Abdominalstigma ist mit dem 1. Genitalsegment fernrohrartig ein- gezogen; es ist etwas kleiner als die übrigen. 2. Lygaeus equestris. Als zweiten Vertreter der Lygaeiden untersuchte ich Lygaeus equestris, bei dem ich jedoch kaum Ab- weichungen von Pyrrhocoris feststellen konnte. Das 2. Stigma rückt mehr in eine schräge Lage, da der hintere Rand des Mesothorax sehr weit vorspringt. — Die abdominalen Stigmen zeigen einen plumperen Verschlußkegel. 3. Phydadicus sp. Auch Phydadicus zeigte keine wesentlich anderen Verhältnisse als Pyrrhocoris. Bei Stigma 2 fiel mir die Kürze des Verschlußmuskels auf. Besonders mächtig ist der am Integument das Stigma umrahmende Wulst. 4. Oxycarenus sp. Beim 1. Stigma ist der eigentliche Stigmen- spalt im Verhältnis zu den übrigen Lygaeidenstigmen viel kürzer, sonst ist es diesem gleich. Ein anderes Bild dagegen bietet das 2. thoracale Stigma. Der hintere Rand des Mesothorax ragt medial und lateral vom Stigma über den vorderen Teil des Metathorax hinüber, während er über dem Stigma selbst ausgeschweift ist, so daß dieses in eine freiere Lage kommt. Nach meiner Ansicht steht dies 2. Stigma dem entsprechenden Pentatomidenstigma viel näher als den obigen Lygaeidenstigmen. Ähnlich wie z. B. bei den Penta- tomiden (vgl. Taf. 7 Fig. 1) setzt sich der Verschlußmuskel in einem Chitinwinkel an, der von beiden Segmenten in gleicher Weise ge- bildet wird. An das Stigma setzt er wie bei Zropicoris an. Der hintere Rand des Stigmas zeigt infolge seiner freien Lage eine An- zahl von Haaren, die wie bei Stigma 1 angeordnet sind. Ein Reusenapparat findet sich dagegen am Mesothorax nicht vor. 5. Cymus sp. Während die Ränder des 1. Stigmas der übrigen Lygaeiden ziemlich gleichartig sind, ‚ist der hintere Rand des 1. Stigmas bei Cymus zu einer schmalen Leiste zurückgebildet. Der vordere häutige dagegen ragt stärker vor, so dab ein Gebilde ent- steht, das an das 1. Stigma der Pentatomiden erinnert. Als Deckel- Heteropteren- und Homopterenstig men. 143 stigma wollen wir jedoch dieses Stigma nicht bezeichnen, da medial wie lateral keine Einschnürung besteht. Allerdings ist dieses Stigma wohl als Vorstadium der Deckelbildung anzusehen. — Das 2. Stigma ist ähnlich gebaut wie das seinerzeit bei Aspongopus näher be- schriebene. Man kann es somit etwa zwischen Tropicoriden- und Pyrrhocoridenstigma stellen. Die Ergebnisse der Untersuchung der beiden letzten Lygaeiden zeigen, dab es verfehlt wäre, sich auf einen Vertreter einer Familie zu beschränken, um dann von diesem einen gleich seine Schlüsse für die ganze Familie zu ziehen, wie das z. B. VERHOEFF tut. IV. Capsidae. 1. Capsus capillaris. a) Imago. Wegen ihrer geringen Größe waren die Capsiden verhältnismäßig ungünstige Objekte. Dieser Nachteil wurde aber dadurch ausgeglichen, daß ihr Chitin sich durch große Weichheit auszeichnet, so dab es sich ausgezeichnet für Schnitte eignete. — Bei beiden thoracalen Stigmen haben wir eine typische Deckelbildung, und zwar besitzt der Verschlußdeckel die Gestalt einer Ellipse (vel. Fig. V 2, S. 166), die sich bei dem ersten mehr einem Kreise nähert, während sie bei dem zweiten mehr länglich ist. Bei Stigma 1 verbreitert sich der hintere Rand medial nicht zu einer Platte, wie wir das sonst bei ähnlichen Stigmen fanden, sondern er verlängert sich zu einem Bügel, an dessen Biegung sich der Verschlußmuskel ansetzt. Prinzipiell bietet dieses Stigma nichts Neues. Ganz ähnlich ist das zweite, das unter dem Hinderrande des Mesothorax liegt, und zwar ist es ganz an die Seite gerückt. Der Verschlußmuskel setzt an dem hinteren Rand des Mesothorax an, der sich medial vom Stigma aber nicht gabelt. Die abdominalen Stigmen weichen nicht von denen bei Pyrrho- coris ab. Sie liegen am Integument innerhalb eines hellen Kreises, der sich von dem umgebenden dunkel pigmentierten Chitin deutlich abhebt. b) Larve. Ich untersuchte von Capsus ebenfalls die Larve, fand aber bei ihr genau dieselben Verhältnisse wie bei der Imago, so daß ich mir ein weiteres Eingehen auf sie schenken kann. Auber Capsus standen mir noch folgende deutsche Vertreter der Capsidae zur Verfügung: 2. Lygus bipunctatus und 3. Miris laevigatus. Bei Miris schnürt sich lateral der Deckel besonders tief ein, so dab er hier eine, allerdings nur sehr kurze, Strecke voll- 144 Hero Mammen, kommen abgesetzt ist (vgl. Fig. V 4, S. 166). Im übrigen weichen diese beiden Vertreter von Capsus in keiner Weise ab. 4. Sahlburgella singilaris (Larve). Von Sahlburgella standen mir leider nur Larven zur Verfügung, deren thoracale Stigmen (Taf. 8 Fig. 14) jedoch von den Larvenstigmen der einheimischen Capsiden abweichen. Die Stigmen liegen am Hinterrand des 1. und 2. Brust- segments frei. da, weil kein Segment fernrohrartig in dem anderen steckt. Äußerlich werden sie von einem Peritrem (P) umgeben, das aus einem ovalen Chitinstück besteht. Wäre dieses Peritrem nicht vorhanden, so würden die Stigmen bei der äußerst weichen Be- schaffenheit des Chitins sehr leicht zusammengepreßt werden. Unter der Chitinplatte befindet sich zunächst noch eine Grube, die an ihrem Grunde den eigentlichen sehr feinen Stigmenspalt trägt. Die Stigmenfalten bestehen beide aus ziemlich gleich starkem Chitin. Der Verschlußmuskel (in Fig. 14 nicht zu sehen), der im Verhältnis zu dem kleinen Stigma sehr lang ist, setzt sich genau medial vom Spalt an die Grube an, so daß bei seiner Kontraktion beide Ränder einander in gleicher Weise genähert werden. Andrerseits heftet er sich bei beiden Stigmen an den Hinterrand des betreffenden Seg- ments an. Wir hätten bei diesen Stigmen also den interessanten Fall, dab Verschlußbügel und Verschlußband beide gleichwertig sind. Vom 1. Stigma geht nur ein Tracheenstamm aus, während wir beim 2. eine Tracheenblase finden, von der sich eine solche Menge von Ästen abzweigt, wie ich sie bei keinem anderen Hemipterenstigma wieder gefunden habe. Die abdominalen Stigmen sind nach dem Muster der Lygaeiden- stigmen gebaut, doch gabelt sich die Trachee ganz in der Nähe ihrer Ansatzstelle in eine große Zahl von Zweigen. Das 1. ab- dominale Stigma ist wie bei allen Capsiden rudimentär. Leider war ich nicht im Besitz von Imagines, die ich sehr gerne mit den interessanten Larven verglichen hätte. V. Membranacei. Acanthia lectularia. Die einzige Landwanze, die bis jetzt hinsichtlich ihrer Stigmen genauer untersucht wurde, ist Acanthia lectularia. Sowohl H. Laxpors u. THELEN wie auch KRANCHER wählen sie in ihren Arbeiten über den Bau der Insectenstigmen als Ver- treter der Heteropteren. Aber gerade Acanthia ist am ungeeignetsten, uns in das Studium der Hemipterenstigmen einzuführen, da ihre Thoracalstigmen vollständig aus dem Rahmen der übrigen heraus- Heteropteren- und Homopterenstigmen. 145 fallen; sie sind nämlich ähnlich gebaut wie die abdominalen. Ich habe einen derartigen Fall weder bei den Heteropteren noch bei den Homopteren wiedergefunden. So kann ich mir allerdings auch erklären, dab H. Lanpors u. W. THezex bei Pentatoma baccarum, die sie auber Acanthia noch behandeln, gleich allgemein von den Stigmen reden, nachdem sie die Abdominalstigmen ähnlich gebaut finden wie die bei Acanthia. In der Annahme, daß auch die Thoracal- stigmen keine neuen Verhältnisse darbieten würden, hielten sie es für überflüssig, diese in ihre Untersuchungen hineinzuziehen. Obgleich Scmiöpre (1870) bei allen Heteropteren 10 Paar Stigmen nachgewiesen hat, führt doch KrAncHER (1880) bei Acanthia nur 7 Paar an und zwar 1 Paar thoracale und 6 Paar abdominale. Offenbar kannte er die Arbeit Schröpre’s nicht. Ich fand auch bei Acanthia alle 10 Paar auf. Was zunächst die Abdominalstigmen anlangt, so sind diese von den Forschern richtig beschrieben worden. Sie sind ähnlich denen der Feuerwanze (vgl. Taf. 8 Fig. 13 u. Fig. G, S. 141). Nur unterscheidet sich der Verschlußkegel seiner Gestalt nach von ihnen. Während er sich bei Pyrrhocoris allmählich ver- Jüngt, verbreitert er sich bei Acanthia vielmehr nach seinem Ende zu. Den abdominalen Stigmen ähnlich sind die thoracalen Stigmen, auf die die Forscher, wie gesagt, nicht näher eingehen. Sie liegen unter den betreffenden Segmenten. Innerhalb der Pro- und Mesothorax verbindenden Inter- segmentalmembran haben wir bei Acanthia noch eine besondere Chitinplatte ausgebildet, die wir vielleicht Intersegmentalplatte nennen können. In ihr liegt das 1. Stigma (Fig. H). Mir scheint die Bildung dieser Platte deshalb vorteilhaft zu sein, weil Pro- und Mesothorax A her sich an ihrer Grenze sehr weit einschnüren, gehnitt durch Stigma 1. so daß ersterer mit dem Mesothorax nur durch Pt Prothorax. Ms Meso- eine sehr schmale Brücke zusammenhängt. orax OOffnung. K Kegel. - : ; sm Intersegmentalmem- Während Pro- und Mesothorax ziemlich be- bran. Tr Trachee. weglich gegeneinander sind, ist die Verbin- dung der beiden letzten Thoracalsegmente eine ziemlich kompakte. Stigma 2 liegt an ihrer Grenze. Bei allen bis jetzt behandelten Thoracalstigmen war die eigentliche‘ Stigmenöffnung ein länglicher Spalt. Bei Acanthia jedoch finden wir eine runde, mit einigen Zacken versehene Öffnung (0). Im übrigen, auch was den Ver- Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 10 Bie, 146 Heino Mammen, schlußapparat anlangt, sind diese Stigmen den abdominalen Penta- tomiden- und Coreidenstigmen an die Seite zu stellen. VI. Reduviidae. 1. Estrichodia crux. Von den Reduviiden untersuchte ich zunächst einen afrikanischen Vertreter, der wegen seiner Größe ein sehr günstiges Objekt war. Das 1. Stigma erinnert sehr an die Coreidenstigmen, und zwar ähnelt es dem bei Leptocorisa beschriebenen. Es unterscheidet sich dadurch von ihm, daß sich der ventrale Rand des , Visiers“ (vel. Taf. 7 Fig. 10) medial zu einem Kegel ausbuchtet, an dem sich der Verschlußmuskel ansetzt. Das 2. Stigma, das unter dem Hinterrand des Mesothorax liegt, ist ein typisches Deckel- stigma. Medial vom Stigma gabelt sich der eingewinkelte meso- thoracale Segmentrand und bildet so um das Stigma herum einen mächtigen Wall. Der Deckel, dessen freies Ende wulstig verdickt ist, legt sich über eine Tracheenblase, deren Rand ebenfalls eine Versteifung aufweist. Der Verschlußmuskel findet eine günstige Ansatzstelle in dem medial vom Stigma liegenden Chitinwinkel. Ein Reusenapparat besteht aus einer Anzahl von stacheligen Borsten, die in mehreren Reihen am Hinterrand des Mesothorax stehen. Das 1. abdominale Stigma ist wie bei allen bis jetzt besprochenen Heteropteren rudimentär. Die übrigen 7, ventral liegenden, Stigmen stellen äußerlich einen länglichen Spalt im Integument dar, das bei Estrichodia äußerst dick ist. Die ganze Öffnung ist mit nach außen gebogenen borstenartigen Vorsprüngen ausgekleidet. Wir erhalten so einen ziemlich komplizierten Reusenapparat. Er trat auf Schnitten, die durch das lederartige Chitin ganz gut gelangen, sehr schön hervor. Unmittelbar unter dem Integument setzt der verhältnis- mäßig kurze, aber sehr massive Verschlußkegel an. Die eigentliche Öffnung ist ein länglicher Spalt. Der Muskel setzt sich ungefähr in einem Winkel von 45° an den Kegel an. Zieht er sich zusammen, so preßt damit der hintere Rand des Kegels die Trachee zu. 2. Nabis ferus. Als zweiten Vertreter der Reduviiden be- handelte ich Nabis, wo mir sowohl die Imago als auch die Larve zur Verfügung stand. Allerdings fand ich bei letzterer nicht die geringste Abweichung von der Imago. — Bei Stigma 1 haben wir wieder die Visierform (vgl. Taf. 7 Fig. 10). Auffallend ist bei dem ventralen Stigmenrande die polygonale Felderung. Eine kegelartige Ausstülpung ist bei Nabis ebenfalls vorhanden. Das 2. Stigma ent- spricht ganz dem bei Estrichodia beschriebenen. Die abdominalen Heteropteren- und Homopterenstigmen. 147 Stigmen haben äußerlich die Gestalt einer Ellipse. Im übrigen zeigen sie den Bau der Lygaeidenstigmen. Zum Schluß behandelte ich noch 3 fremde Reduviiden: 3. Collio- coris sp., 4. Harpactor sp. und 5. Pygolampis sp. Das 1. thoracale Stigma ist bei allen ganz Ähnlich ausgebildet wie bei Estrichodia. Beim 2. Stigma fehlt bei Harpactor und Pygolampis der um das Stigma herumlaufende Wulst. Der Verschlußmuskel setzt sich demnach an den hinteren Segmentrand an wie die Intersegmental- muskulatur. — Die abdominalen Stigmen bieten auch kaum Neues dar. Sie sind bei allen drei Vertretern kreisrund. Bei Pygolampis fand ich einen ähnlichen Reusenapparat wie bei Estrichodia. VII. Hydrodromici. 1. Hydrometra paludum. Bei Stigma 1 haben wir einen Deckel ausgebildet, der seiner Gestalt nach mit dem bei Tropicoris zu vergleichen ist. Andrerseits ergeben sich doch einige Unter- schiede, besonders in der Befestigung des Verschlußmuskels. Das Stigma liegt bei Hydrometra unmittelbar vor dem Mesothorax, so daß sein hinterer Rand nicht mehr von diesem durch eine Membran getrennt ist, vielmehr bildet der vordere mesothoracale Rand selbst den Stigmenrand. In diesem Fall braucht sich in der Intersegmental- membran medial vom Stigma natürlich keine Chitinplatte mehr zu bilden, an deren Umwallung der Muskel ansetzen Könnte, sondern dieser befestigt sich an einem Zapfen, den der vordere Rand des Mesothorax aussendet. Im übrigen pabt auf dieses Stigma das seiner- zeit bei Tropicoris über Stigma 1 Gesagte. Anders dagegen ist es mit Stigma 2. Zunächst sehr auffällig ist seine Lage (Fig. J, S. 148 St2): es liegt nämlich nicht an der Grenze von Meso- und Metathorax, sondern es ist frei in das Integument des Mesothorax in der Nähe des hinteren Randes als ein länglicher Spalt eingelassen, der sich ungefähr in frontaler Richtung erstreckt. Dieser Spalt führt zu- nächst in eine Grube, an deren Boden die eigentliche Stigmenöffnung liegt. Der äußere Zugang zur Grube ist mit nach außen gerichteten Haaren ausgekleidet. Da nun dieser Spalt ziemlich eng ist, so greifen die Haare des einen Randes in entsprechende Lücken des anderen ein, so daß auf diese Weise ein ausgezeichnetes Filter ent- steht, das sehr wohl imstande ist, die Inspirationsluft von jedem Fremdkörper zu säubern. Der Verschlußmuskel setzt sich einerseits an die vordere Grubenwand an, andrerseits zieht er sich schräg nach dem hinteren Rande des Mesothorax hin. 10* 148 Hrıno MAMMEN, Yon den 8 abdominalen Stigmen liegt das 1. wie bei allen Heteropteren dorsal, und zwar befindet es sich am vorderen Rande der Rückenplatte des 1. Abdominalsegments, dessen Bauchplatte rudimentär ist (Fig. J St3). Von allen echten Landwanzen unter- scheidet sich Hydrometra dadurch, dab bei ihr dieses Stigma nicht reduziert ist. Vielmehr ist es mächtiger ausgebildet als die übrigen abdominalen Stigmen. Wie diese besitzt es auch einen Verschlub- apparat, der dem der Reduviiden gleicht. Einen Reusenapparat finden wir ebenfalls ausgebildet. Wenn man von außen auf das Stigma sieht, gewahrt man eine ganze Zahl von Haaren, diedem kreisförmigen Peritrem aufsitzen und alle radiär gerichtet sind. Dieser Apparat fehlt den übrigen Abdominalstigmen, die sonst dem ersten vollkommen gleichen. 2. Limnobates stagnorum. Ein sehr schwieriges Objekt für die Untersuchung der Stigmen war Limnobates. Nachdem ich zunächst die pfeilartigen, äußerst schmalen Tiere durch einen Seifen- Fig. a: Fig. K. Fig. J. Hydrometra paludum. Lage der thoracalen und der beiden ersten abdominalen Stigmen. St1, 2 Thoracalstigmen. St3, 4 Abdominalstigmen. Fig. K. Velia currens. Lage der Thoracalstigmen. Stl, 2 Stigmen. J, II, III Thoracalsegmente. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 149 schnitt der Länge nach in zwei Hälften geteilt hatte, war es noch nötig, das schwarze Chitin zu bleichen, bevor ich an die genauere Untersuchung gehen konnte. — Verglichen mit Hydrometra ergeben sich jedoch bei Limnobates keine prinzipiellen Unterschiede. Während die thoracalen Stigmen bei Hydrometra gleich groß sind, ist bei Limnobates das zweite viel kleiner als das erste. Ein Reusenapparat fehlt bei Stigma 2. Wie bei Hydrometra, so liegt das 1. Abdominal- stigma dorsal in der Rückenplatte des 1. Segments; es zeichnet sich aber nicht durch eine besondere Größe den anderen gegenüber aus. Wie diese besitzt es keinen Reusenapparat. 3. Velia currens (Taf. 8 Fig. 15—17). Als letzten Vertreter der Hydrodromici untersuchte ich Velia currens. Ich fand bei den thoracalen Stigmen sehr interessante, von Hydrometra und Limnobates abweichende Verhältnisse. Die Stigmen liegen wieder an der Grenze der betreffenden Segmente (Fig. K, S. 148), und zwar wird das 1. vom Pro-, das 2. vom Mesothorax überdeckt. Die schematische Abbildung Fig. K zeigt uns die allgemeine Lage der beiden Stigmen im Gegen- satz zu Hydrometra (Fig. J). Bei beiden thoracalen Stigmen haben wir einen Deckel ausgebildet, doch unterscheidet sich dieser wesent- lich von dem aller bis jetzt behandelten Stigmen. Bei allen Deckel- stigmen, die wir bis jetzt kennen lernten, hob sich der Deckel immer nur nach hinten zu ab. Allerdings schnürte er sich bei Miris laevigatus lateral besonders tief ein, so daß er sich hier schon eine kurze Strecke ganz von der unter ihm liegenden Tracheenblase abhob. Die Abschnürung schreitet bei Velia nun noch weiter, so daß der Deckel bei Stigma 1 nur noch medial befestigt ist (vgl. Taf. 8 Fig. 15 u. Fig. V6, S. 166). Bei dem 2. Stigma hebt sich der Deckel nicht ganz so weit ab (vgl. Fig. V5, S. 166). Bei beiden thoracalen Stigmen zeigt der Deckel eine ovale Form, seine freien Ränder sind wulstig verdickt. Um genaueren Aufschluß über Bau und Funktion dieser äußerst interessanten Stigmen zu erhalten, führte ich bei beiden sowohl Längs- wie Querschnitte durch den Thorax aus (Taf. 8 Fig. 16 u. 17). Zum Verschluß dient auch bei diesen Stigmen eine besondere Muskulatur (Taf. 8 Fig. 15 Me). Diese setzt sich an der medialen Seite des Stigmas etwas unterhalb des Deckels an. Andrerseits heftet sie sich bei Stigma 1 am vorderen, bei Stigma 2 am hinteren Rand des Mesothorax an. Zieht sich der Verschlußmuskel zusammen, so wird damit ein Zug in medialer Richtung auf den Deckel ausgeübt, wobei dieser auf seine Unterlage gepreßt wird. Hierdurch wird das Stigma geschlossen. 150 Hero Mammen, Bei Stigma 2 von Tropicoris habe ich näher ausgeführt, daß die Intersegmentalmuskulatur beim Wiederöffnen des Stigmas von einiger Wichtigkeit ist. Ähnliche Verhältnisse finden sich nun bei Velia beim 1. Stigma. Der vordere Rand des Mesothorax senkt sich weit in das Innere des Tieres ein, nachdem er zunächst ungefähr in der Ebene der Körperoberfläche eine Falte (Taf. 8 Fig. 16 Fm) gebildet hat, in die der hintere Rand des Prothorax eingreift. Er biegt sich schließlich um, um dann dort, wo die Trachee sich anheftet, mit dem Deckel in lose Verbindung zu treten. An dieser Stelle besitzt er eine Anzahl von Zacken. Im Grunde der Einsenkung heftet sich die Intersegmentalmuskulatur (Mi) an, die ziemlich beträchtlich aus- gebildet ist. Der hintere Rand des Prothorax senkt sich ebenfalls ein, sendet nach dem Deckel zu eine spitze Kante aus, die in eine Falte des an dieser Stelle weichhäutigen Deckels eingreift, und geht dann in die Trachee über. Es ist einzusehen, daß sich das elastische Chitin der mesothoracalen Einsenkung krümmen muß, wenn sich die Intersegmentalmuskulatur kontrahiert. Damit wird aber die hintere Lippe des Stigmas, die von dem vorderen Rande des Mesothorax gebildet wird, etwas zurückgezogen und das Stigma somit weiter geöffnet. Man darf nun aber nicht die Wirkung der Intersegmentalmuskulatur überschätzen. Selbstredend wird das Wiederöffnen in erster Linie durch die Elastizität des Verschluß- deckels bewerkstelligt. Ein Eindringen von Fremdkörpern in das Stiema wird zum Teil dadurch verhindert, daß die Ränder der Thoraxsegmente außer- ordentlich genähert sind; ferner sind sie auch noch mit feinen Härchen besetzt. Über die abdominalen Stigmen ist bei Velia wenig zu sagen, da sie im Vergleich mit Limnobates wenig Neues bieten. Auch bei Velia zeichnet sich das erste nicht durch besondere Größe gegenüber den anderen aus. Die Hydrodromici bieten unter allen Geocores das einzige Bei- spiel dar, wo das 1. Abdominalstigma nicht rudimentär ist. Daß es nun in diesem Fall genau so gebaut ist wie die übrigen abdo- minalen Stigmen, ist mir ein neuer Beweis für die Anschauung von Hansen, Hanpuirsch und Heymons, die dieses Stigma als 1. ab- dominales bezeichnen, im Gegensatz zu SCHIÖDTE und VERHOEFF die es als metathoracales ansehen. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 151 Homoptera. I. Stridulantia. 1. Cicada gigantea (Larve). Wie HanprirscH so wählte auch ich eine Larvenhaut, um die Stigmen zunächst aufzufinden, und zwar stand mir eine solche zur Verfiigung von Cicada gigantea. Ich brachte diese zunächst in Kalilauge und führte sie dann all- mählich in Kreosot über. Die Stigmen mit ihren mächtigen Tracheen- ästen waren dann sehr leicht zu sehen. Was die Lage der Stigmen (Fig. L) bei der Larve anlangt, so ist diese von HanpuirscH richtig beschrieben, ebenso die Zahl, die er auf 10 Paar angibt. Im Gegen- satz zu den thoracalen Heteropterenstigmen, die ventral liegen, sind die thoracalen Homopterenstigmen pleural an der Grenze der Brust- segmente gelegen. Das 1. Stigma liegt unter dem Prothorax, während das 2. von den Flügelscheiden überdeckt wird. Das 1. abdominale Stigma liegt ebenfalls pleural an der Grenze von Thorax und Ab- domen, ungefähr da, wo Tergit und Sternit des 1. Abdominalsegments zusammenstoBen. Die übrigen 7 abdominalen Stigmen liegen an der Grenze der Sternite und der Parasternite, die wir bei den Homopteren allgemein ausgebildet finden. Da nun die Parasternite bei der Larve weit über die Sternite herüberragen, so kommen die Stigmen auf diese Art in komplizierte Falten zu liegen. Nähere Fig. L. Nymphenhaut einer Singeicade von innen gesehen. Lage der Stigmen. (Aus HANDLIRSCH.) Fig. M. Platypleura. Schematischer Querschnitt durch den vorderen Teil des Meso- und den hinteren Teil des Prothorax. Prpl Propleuren. Mspl Meso- pleuren. Prst Prosternum. Msst Mesosternum. Prn Pronotum. Msn Mesonotum. M Membran. Jr Luftraum vor dem Stigma. 152 Heino Mammen, Angaben über den Bau der Stigmen finden wir nirgends in der Literatur, auch nicht bei HANDLIRSCH. Soweit mir dies möglich ist, will ich auf den genaueren Bau der larvalen Stigmen bei Cicada gigantea, von der ich leider nur eine einzige Larvenhaut besaß, eingehen. Im wesentlichen scheint mir aber der Verschlußapparat ähnlich zu sein wie bei den nächsten Cicaden. Abweichend allerdings ist Stigma 1. Wie bei dem 2. Stigma, so haben wir auch bei ihm einen Verschlußdeckel ausgebildet. Während dieser sich aber bei Stigma 2 nur nach hinten zu abhebt, so daß er nach der mesothoracalen Seite hin befestigt ist, ist er bei Stiema 1 nur medial in ganz ähnlicher Weise wie bei dem 1. Stigma von Velia (vel. Taf. 8 Fig. 15) angebracht. Ich darf wohl annehmen, daß der Verschluß dieses Stigmas auch ähnlich stattfindet wie bei Velia. Die übrigen Stigmen von Cicada zeigen denselben Bau wie die Stigmen von Platypleura und Huëchys, wo ich sie genauer be- sprechen werde. 2. Platypleura sp. Von der Gattung Platypleura untersuchte ich einen Vertreter, der aus Kiautschou stammte. — Die Lage der Stigmen ist dieselbe wie bei der Larve von Cicada gigantea. Sehr interessant ist besonders das 1. Stigma. Mehr wegen seiner äuberst geschützten Lage als wegen seines Verschlußapparats, der im Prinzip derselbe ist wie bei den Coreidenstigmen, wir haben hier auch näm- lich eine Art Visierstigma (vgl. Taf. 7 Fig 10) vor uns. Aber ver- glichen mit den Coreidenstigmen ergibt dies Stigma trotzdem noch eine ganze Reihe sehr interessanter Einzelheiten. Der vordere Teil des Mesothorax erstreckt sich eine beträchtliche Strecke in den Pro- thorax hinein (vel. Fig. M, S. 151), und zwar legen sich die Bauch- und Rückenplatten der beiden Segmente (Prst, Mst und Prn, Msn) eng aneinander an. An jeder Seite dagegen lassen Pro- und Mesothorax einen Luftraum (Zr) frei, der dachförmig überdeckt wird von dem sich nach hinten zu erweiternden seitlichen Teil des Pronotums (Prn) und der Propleuren (Prpl). Nach innen zu wird er abgegrenzt durch eine dreieckig auslaufende Membran (M), die zwischen dem Meso- notum (Msn) und den Mesopleuren (Mspl), so weit diese vom Pro- thorax überdeckt werden, ausgespannt ist. Vorn legt sich nun vor diesen Hohlraum das Stigma, das visierartig hinter einer Tracheen- blase angebracht ist. Der hintere Rand des Stigmas wird gebildet von einer Chitinleiste, welche die Membran nach der prothoracalen Seite zu abgrenzt, während der ihm gegenüber liegende Rand sich von der Intersegmentalmembran absondert. Der Verschlußmuskel Heteropteren- und Homopterenstigmen. 153 setzt sich nun medial an die ,,Visierklappe“ an, wie wir das z. B. auch bei Syromastes fanden. Da nun der hintere Stigmenrand vom vorderen Rand des Mesothorax gebildet wird, so ist die Ausbildung einer besonderen medialen Platte wie bei Syromastes (vel. Taf. 7 Fig. 10), wo das Stigma ringsum von der Intersegmentalmembran umgeben ist, überflüssig. Es liegt in unserem Falle viel näher, daß der Verschlußmuskel sich andrerseits an dem vorderen Rande des Mesothorax inseriert. Da das Stigma eine ziemliche Größe besitzt, so könnten sehr leicht Fremdkörper hineingelangen, wenn nicht besondere Schutzvor- richtungen angebracht wären. Es findet sich gerade bei diesem Stigma ein äußerst komplizierter Reusenapparat. Zunächst stehen am Ausgang des oben beschriebenen Luftkanals nach außen gerichtete lange Borsten, die außerordentlich zahlreich am hinteren Rande des Pronotums und der Propleuren sitzen. Ferner sind die Innenwände des Luftraumes, mit Ausnahme der Membran, dicht mit Haaren be- setzt. Zum weiteren Schutze befinden sich vor dem unteren Stigmen- rande, der selbst übrigens auch noch stark behaart ist, kräftige, nach oben gerichtete Borsten. Der obere Stigmenrand ist wimper- förmig mit Haaren versehen, die sich gitterartig vor das Stigma legen, sobald dieses geöffnet wird. Aber damit ist die Zahl der Schutzapparate noch nicht erschöpft. Von oben her legt sich über das Stigma noch eine Falte der Intersegmentalmembran, die an ihrem unteren verdickten Ende auch noch wieder eine Reihe von Haaren trägt. Wir sehen also, die Gefahr, daß Fremdkörper mit dem Luft- strom in die Tracheen gelangen, ist sehr gering. Das 2. Stigma (Taf. 8 Fig. 18 u. 19) liegt an der Grenze von Meso- und Metathorax. Die beiden Segmente senken sich hier gleich- mäßig ein und verschmelzen erst weiter im Innern. Das Stigma selbst steilt ein typisches Deckstigma dar. Der Deckel (vgl. auch Fig. V 1, S. 166), der aus wenig elastischem Chitin besteht, hebt sich nach hinten zu und lateral ab. Medial dagegen geht die Einschnürung nicht so weit vor sich. Hier haben wir unmittelbar an der Grenze von Deckel und Tracheenblase einen mächtigen Kegel (Taf.8 Fig.18 X) ausgebildet, dessen Spitze dem mächtigen Verschlußmuskel als Ansatz- fläche dient. Andrerseits zieht sich das Muskelbündel nach dem hinteren Rande des Mesothorax hin, so daß dieser Ansatzpunkt viel tiefer zu. liegen kommt als der erste. Es liegt nun auf der Hand, wie der Verschluß zustande kommt. Kontrahiert sich nämlich der Muskel, so wird damit ein seitlicher Zug auf den Deckel ausgeübt. 154 Hrıno MAMMEN, Andrerseits wird dieser infolge der ungleichen Lage der Ansatz- punkte des Muskels zugleich nach dem Innern zu gezogen, so dab sein freies Ende fest auf die ihm gegenüberliegende scharfe Kante geprebt wird. Da das Stigma senkrecht unter dem äußeren Segmentspalt liegt, so läge die Gefahr nahe, daß Fremdkörper mit der Inspirationsluft eingezogen würden, falls nicht auch bei ihm Schutzvorrichtungen angebracht wären. Zunächst gliedert sich vom vorderen Rande des Metathorax eine schildförmige Chitinplatte ab (Fig. N), die das Stigma vollkommen überdeckt. Der freie Rand dieser Platte ist mit langen Haaren versehen. Außerdem legen sich die Flügel des Tieres in der Ruhelage über das Stigma. Dann ist der vordere unter der Platte liegende Rand des Metathorax unmittelbar vor der Stigmenöffnung äußerst stark behaart. Besonders dicht stehen die Haare lateral von der Öffnung, wo sich die Platte nicht mehr ganz über sie legt. In ähnlicher Weise wie bei Stigma 1 ist auch hier der vordere Rand des Stigma, also der freie Deckelrand, mit Borsten besetzt. Ste A . Ÿh ‘ ey ’ Fig. N. Fig. O. Fig. N. Platypleura. Metathoracale Chitinplatte über Stigma 2. Fig. O. Platypleura. Schematischer Längsschnitt durch die Sternite zweier Abdominalsegmente (Stigma quer). Si1 Sternit des vorderen, St2 Sternit des hinteren Segments. A Reusenapparat. Jsm Intersegmentalmembran. O Öffnung. Tr Trachee. Wenden wir uns jetzt den Abdominalstigmen zu (Taf. 8 Fig. 20). Das erste, das wie bei Cicada gigantea liegt, weicht weder seinem Bau noch seiner Größe nach von den übrigen ab. Interessant ist zunächst die Lage der Stigmen, die eine gänzlich andere ist wie bei den Geocores. Bei jenen stoßen die Abdominalsegmente frei aneinander, so daß die Stigmen frei an der Bauchseite daliegen. Bei Platypleura (Fig. O) dagegen wird der vordere Teil eines jeden Heteropteren- und Homopterenstigmen. 155 Segments von dem hinteren des vorhergehenden überragt. Eine Intersegmentalmembran, die sich unter das vordere Segment ein- faltet, verbindet beide. Die Stigmen eines jeden Segments liegen nun an dem vorderen lateralen Rande der Sternite (Fig. P Sti), so daß jedes von dem Hinterrande des vorangehenden Segments über- deckt wird (vgl. Fig. O). Entsprechend liegt das 1. Abdominalstigma unter dem Hinterrande des Metathorax in einer komplizierten Falte. Die Stigmen stellen äußerlich eine Ellipse dar, deren Peripherie mit radial gerichteten langen Borsten besetzt ist. Vom Peritrem aus senkt sich das Integument zunächst zu einer Grube ein, an deren Boden die Stigmenöffnung liegt (Taf. 8 Fig. 20 u. Fig. B, S. 131); ihre Längs- ausdehnung kommt etwa der Länge der Hauptachse der Ellipse gleich. Die hintere Grubenwand stülpt sich nun medial zu einem kurzen, plumpen Kegel (X) aus, an dessen vordere Seitenlinie der Verschlußmuskel ansetzt. Dieser zieht sich nach dem vorderen Rande des Sternits hin, wo er an einem besonderen halbmond- förmig gebogenen Wulst inseriert. Zieht der Muskel sich zusammen, so wird damit der von der hinteren Grubenwand gebildete Stigmen- rand, der somit als Bügel aufzufassen wäre, gegen den vorderen, das Verschlußband, gedrückt und das Stigma auf diese Weise ge- schlossen. 3. Huechys germari. Die Lage des 1. thoracalen Stigmas stimmt vollständig mit dem bei Platypleura überein. Das Stigma selbst jedoch weicht ziemlich ab, da wir auch bei ihm, wie bei Stigma 2, ein Deckelstigma vor uns haben. Von dem 1. thoracalen Stigma bei Cicada gigantea unterscheidet es sich aber dadurch, dab sich der Deckel nur nach hinten zu abhebt. Die mediale Ausbildung eines Kegels unterbleibt ebenfalls. Ein Reusenapparat ist ähnlich ausgebildet wie bei Platypleura. — Das 2. thoracale Stigma sowie auch die Abdominalstigmen zeigen keine wesentlichen Abweichungen von den vorhergehenden Stridulantiern. Sw Sr = ‘ ‘ tl Fig. P. Fig. Q. Fig. P. Platyplewra. Abdominalsegment von der Bauchseite mit den Stigmen. Si Sternit. Sti Stigmen. Fig. Q. Pseudophana. Lage der beiden ersten Abdominalstigmen. III Meta- thorax. 1, 2. 3 Dorsalplatten der 3 ersten Abdominalsegmente. Stil, 2 Stigma des 1. und 2. Segments. Intersegmentalmembran ist schraffiert. (Aus Hanprirscy; die Figur bezieht sich bei H. auf Cixius.) 156 Heıno MAMMEN, II. Fulgoridae. 1. Pseudophana sp. a) Imago. Das 1. Stigma liegt vor dem Mesothorax, der nur wenig vom hinteren Rande des Prothorax über- ragt wird. Es ähnelt sehr dem ersten von Pyrrhocoris (Taf. 8 Fig. 11), da bei ihm beide Stigmenfalten ziemlich gleich ausgebildet sind. Es unterscheidet sich von ihm durch das Fehlen der Haare am hinteren Rande. Auffällig ist seine in die Länge gezogene Gestalt. Der Ver- schluß entspricht ganz dem bei Pyrrhocoris. — Stigma 2, das unter dem Mesothorax liegt, zeigt auch nichts wesentlich Neues im Ver- gleich mit dem ersten. Ein Reusenapparat fehlt am Hinterrande des Mesothorax. — Bei den abdominalen Stigmen finden wir, was ihre Lage angeht, eine Abweichung von den Stridulantierstigmen. Während bei jenen das erste pleural liegt, nehmen bei Pseudophana die beiden ersten (Fig. Q, S. 155) eine Ausnahmestellung gegenüber den 6 übrigen ein; sie liegen beide dorsal, und zwar liegt das erste dem Rande näher als das zweite. Ihrem Bau nach zeigen sie keine Unter- schiede von den anderen, die ventral an der Grenze der Sternite und Parasternite gelegen sind. Von den Cicadenstigmen weichen sie nur durch den Mangel eines Reusenapparats ab. b) Larve. Von der Gattung Pseudophana standen mir auch Larven zur Verfügung; sie waren allerdings von einer anderen und zwar größeren Species. Bei der Larve werden die Stigmen des Thorax nicht von Seementrändern überragt. Im Prinzip weichen sie jedoch nicht von den imaginalen ab. Dasselbe gilt von den Abdominalstigmen. 2. Issus sp. Auber Pseudophana zog ich noch zum Vergleich einen Vertreter der Gattung Jssus heran. Ich fand jedoch bei ihm die gleichen Verhältnisse vor wie bei Pseudophana. III. Membracidae. Centrotus sp. Von den Membraciden untersuchte ich ver- schiedene Vertreter der Gattung Centrotus. Im wesentlichen zeigten die Stigmen jedoch denselben Bau wie die der Fulgoriden. Ab- weichend ist die Lage der letzten 6 Abdominalstigmen. Während das letzte dieser Stigmen in der Mitte des betreffenden Parasternits liegt, sind die übrigen 5 am vorderen medialen Rande dieser Platten eingelassen. Merkwürdigerweise ist das letzte Stigma größer als die übrigen. Der Verschlußmuskel setzt sich an dem vorderen Rande der Parasternite an. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 157 LV. Cicadellidae. 1. Jassus atomarius. In dem 1. Stigma von Jassus haben wir ein sehr primitives Deckelstigma vor uns; denn nur medial schnürt sich der vordere Stigmenrand etwas ein. Im übrigen kann man das Stigma dem 1. Tropicoridenstigma (vgl. Taf. 7 Fig. 7) an die Seite stellen. Abweichungen zeigt dagegen das 2. Stigma. Die betreffenden Ränder der beiden letzten Brustsegmente winkeln sich ein und bilden im Innern eine zur Körperoberfläche parallel ver- laufende Platte (Taf. 8 Fig. 21). Innerhalb dieser Platte haben wir nun bei Jassus eine ovale, weichhäutige Partie, die sich in frontaler Richtung hinzieht. Die Ränder dieser Ellipse senken sich nun zu einer flachen Grube ein. Das eigentliche Stigma am Grunde dieser Grube beträgt etwa "/, von der Hauptachse der äuberen Ellipse. Die Trachee erweitert sich kurz hinter der Stigmenöffnung, um bald darauf einige dünnere Stämme abzugeben. Von dem inneren Winkel der Öffnung zum medialen Teile der Ellipse zieht sich eine Versteifung hin, an die der Verschlußmuskel ansetzt. Andrerseits verläuft dieser nach dem hinteren Rande der Intersegmentalplatte hin, wo er sich wie die Intersegmentalmuskulatur inseriert. Da beide Stigmenränder aus gleichartigem Chitin bestehen und die An- heftungsstelle des Muskels in bezug auf beide gleich liegt, so haben wir in diesem Stigma ein sehr primitives vor uns. Kontrahiert sich der Verschlußmuskel, so werden beide Stigmenränder einander in gleicher Weise genähert, indem sie dadurch die Trachee gewisser- maßen zuschnüren. Verschlußbügel und Verschlußband unterscheiden sich bei diesem Stigma also nicht. Irgendwelche Schutzapparate, wie Haare, Borsten oder eine metathoracale Chitinplatte wie bei Platypleura und Huechys, haben wir bei Jassus nicht. Die Abdominalstigmen (Fig. R, S. 158) differieren ebenfalls von denen der übrigen Homopteren. Die beiden ersten liegen dorsal ähn- lich wie bei Pseudophana (vgl. Fig. Q, S. 155), nur liegt das zweite dem Rande näher als das erste. Sie sind beide stark reduziert. Inter- essant ist die Lage der nächsten 5 Paar Stigmen (Taf. 8 Fig. 22 u. 23), da sie in besonderen dreieckigen Chitinplatten (Stpl) liegen, die mit den Sterniten sowie mit den Parasterniten durch Chitin- membranen verbunden sind. Letztere sind ihrerseits wieder unter die betreffenden Chitinstücke eingefaltet. Man kann diese Platten vielleicht kurz als „Stigmenplatten“ (Stpl) bezeichnen. Durch den äußeren Stigmenspalt, der zunächst wieder in eine Stigmengrube 158 Hero Mammen, führt, werden die Platten in 2 Hälften geteilt und zwar in der Weise, daß sich der Spalt von der einen Dreiecksspitze zur Mitte der gegenüberliegenden Seite hinzieht. Um das Eindringen von Fremd- körpern zu verhindern, sind die äußeren Stigmenränder mit dorn- artigen Chitinvorspriingen be- setzt. Die eigentliche Öffnung des Stigmas beträgt nur etwa 1/,—1/, des äußeren Spaltes. Der Verschlußapparat ist ähnlich wie bei den abdominalen Cicaden- stigmen. Die hintere Wandung der Stigmengrube besitzt medial eine kegelartige Ausstülpung, die dem Verschlußmuskel als Ansatz- fläche dient. Andrerseits dagegen setzt dieser sich an die Umwallung der Stigmenplatte an. Diesen Stigmen ähnlich ist das letzte Fig. R. Jassus atomarius. Lage der abdominale (vel. Fig. R); nur ise 6letzten Abdominalstigmen. StiStigmen die Platte mit dem Parasternit in ihren Stigmenplatten. St Sternite. des betreffenden Segments ver- Pst Parasternite. schmolzen. 2. Aphrophora spumaria. Ich untersuchte von Aphrophora sowohl die Imago als auch die Larve. Bei der Imago konnte ich keine Unterschiede von Jassus feststellen. Die Larve benutzt nur die letzten Abdominalstigmen zum Atmen, wie GRuNER feststellte; die übrigen sind geschlossen. Dem Bau nach weichen diese offenen Stigmen nicht von den imaginalen Abdominalstigmen ab. Hydrocores. Während die Landwanzen betreffs ihrer Stigmen bis jetzt fast gar nicht behandelt sind, haben die Wasserwanzen wegen ihrer interessanten biologischen Verhältnisse von jeher die Forscher mehr angezogen. So sind wir auch über die Stigmen bei ihnen besser orientiert als bei den Landwanzen, obgleich auch hier noch mancherlei Unklarheit herrscht. Vor allem sind da die Arbeiten von W. Dogs, „Metamorphose der Respirationsorgane bei Nepa cinerea“, und HAGE- MANN, „Beiträge zur Kenntnis von Corixa“, zu nennen. I. Nepa cinerea. Wegen eines historischen Überblickes ver- weise ich auf Docs (p. 6—7). Ich fand bei allen Wasserwanzen Heteropteren- und Homopterenstigmen. 159 die Stigmen nach demselben Prinzip gebaut; so fehlte bei allen der Verschlußapparat. Im besonderen finden sich nun allerdings manche Unterschiede. Es sei mir gestattet, zunächst noch etwas genauer auf die Stigmen bei Nepa einzugehen, besonders auch, da ich an den Doas’schen Ergebnissen noch Verschiedenes auszusetzen habe. — Was die Lage der Stigmen anlangt, so kann ich auf Docs ver- weisen. Wenden wir uns deshalb sogleich ihrem Bau zu. Da die Abdominalstigmen primitivere Verhältnisse zeigen als die thoracalen, so wollen wir uns bei der Betrachtung zunächst ihnen widmen. Does schreibt über diese Stigmen (p. 19): „Es besteht aus einer fast kreisrunden Oeffnung mit M einem Durchmesser von 0,036 mm, die ich als das eigentliche Stigma bezeichne. Ausgekleidet ist die a Offnung von einem dicken Chitinring. Auf diesem M erhebt sich ein etwa 0,05 mm hoher Hohlkegel, AE dessen Wandung von einer Membran gebildet wird. 6 Diesen von dem Hohlkegel umschlossenen Raum nenne ich den Vorraum des Stigmas. Die Membran = ist durch Chitinleisten verdickt, die von dem Grunde des Hohlkegels nach seiner offenen Spitze zu ver- Fig.S. Schematische laufen, sich auch reich verzweigen, und an der Oeff- ere eee nung zu einem dickeren Chitinring verschmelzen.“... stigmen. a) Typus „Die Oeffnung des Vorraumes zeigt nur einen Durch- der Abdominal- : ., Stigmen nach Docs messer von ea. 0,009 mm. Das ganze Stigma mit- fig, 7a. b) und c) samt dem Vorraum liegt in einer etwa 0,07 mm Do nen tiefen zylindrischen Einsenkung des Integuments, MAGES ignited bran die zum Schutze gegen das Eindringen fester Körper Ki Narr ne mit steifen, auswärts gerichteten Haaren besetzt ist.“ HAGEMANX.) Die thoracalen sowie das 1. abdominale Stigma leitet Docs nun dadurch von den übrigen abdominalen ab, daß er die eine Seite der Membran sich stark verlängert denkt, während die gegenüberliegende reduziert wird. Auf diese Art kommt die Öffnung seitlich zu liegen (Fig. S a—c). Ich halte es nicht für richtig, die Basis des Hohlkegels als das eigentliche Stigma und den Raum zwischen seinen Wandungen als Stigmenvorraum anzusprechen, vielmehr möchte ich die Does’sche „Öffnung des Vorraumes“ an der Spitze des Kegels als eigentliche Stigmenöffnung bezeichnen, während ich den „Vorraum“ selbst schon der Trachee zurechne. Das scheint mir auch deshalb richtiger zu sein, weil die Tracheenstruktur bis zur Spitze des Kegels zu ver- 160 Hero Mammen, folgen ist. Der eigentliche Vorraum oder die Stigmengrube ware dann der Raum vor dem Stigma, der von der zylindrischen Ein- senkung des Integuments gebildet wird. Bei den thoracalen Stigmen dürfen wir dann auch nicht den Raum unter der Stigmenmembran als Vorraum bezeichnen, vielmehr gehört dieser bereits zur Trachee. Das Stigma selbst ist dann die seitlich verlagerte Öffnung, während ein Vorraum oder eine Stigmengrube überhaupt fehlt, da der Raum über der Stigmenmembran der Intersegmentalraum ist. Ich will mich an) noch etwas näher mit dem Bau des 1. thora- calen Stigmas (Taf..8 Fig. 24) beschäftigen, das an der Grenze der beiden ersten Segmente gelegen ist. Von ihm finden wir bei Docs eine Abbildung (vgl. Docs, tab. 1 fig. 8), die das Stigma in Flächen- ansicht darstellt. Ich führte durch dieses Stigma Schnitte in sagit- taler Richtung aus, die Does infolge der Sprédigkeit des prothora- calen Chitins nicht gelangen, wie er auf p. 21 erwähnt. Taf. 8 Fig. 24 gibt einen solchen Schnitt wieder, und zwar sehen wir an ihm, daß die eigentliche Stigmenöffnung (0) nicht in der Ebene der Stigmenmembran liegt, wie Docs angibt, sondern daß sie weiter nach vorn rückt, so dab sich die Membran flach auf den hinteren eingebogenen Rand des Prothorax legt, der so den vorderen Stigmen- rand bildet. — Was Stigma 2 anlangt, so kam ich hier zu den- selben Ergebnissen wie Docs; anders dagegen bei Stigma 3, dem 1. abdominalen. Auch hier gibt Doss eine Öffnung an, die in der Ebene der Membran liegt, während sie in Wirklichkeit wie bei Stigma 1 auch weiter nach vorn rückt. Von jeher haben die mit dem 4., 5. und 6. Abdominalsegment in Verbindung stehenden siebähnlichen Gebilde das Interesse der Forscher erregt, die sich vergebens bemühten, ihre Bedeutung auf- zuklären. Der Vollständigkeit halber will ich an dieser Stelle er- wähnen, daß W. BaunackE in ihnen neuerdings statische Organe erkannte. Il. Naucoris cimicoides. Während Durour bei Nepa und Ranatra die Anwesenheit von thoracalen Stigmen leugnet, bat doch das 2. bei Naucoris bereits aufgefunden. Er sagt darüber (p. 375): „Le stigmate thoracique des Naucores est place dans l'articulation linéaire du mésothorax avec le métathorax. Cette fente ne présente exterieurement rien qui ressemble à un de ces orifices respiratoires; mais en desarticulant les deux segmens du thorax qui la constituent, il m’a sembl& reconnaitre l’existence d’une sorte de soupape membraneuse blanchätre, dont chaque moitié, ou Heteropteren- und Homopterenstigmen. 161 panneau, serait fixée au bord qui lui correspond.“ Nach Durour ist Naucoris nur wenig behandelt worden; so habe ich über den Bau der Stigmen auch nichts in der Literatur entdecken können. Aller- dings ergeben sich bei Naucoris, verglichen mit den übrigen Wasser- wanzen, keine wesentlichen Abweichungen. Überhaupt zeigen ja die Stigmen der Hydrocores, so sehr sie auch von den außerordent- lich modifikationsfähigen Landwanzenstigmen abweichen, unter sich doch keine allzu großen Unterschiede. — Auf die Lage der Stigmen bei Naucoris brauche ich nicht mehr einzugehen, da sie im wesent- lichen dieselbe ist wie bei Nepa. Die Membran von Stigma 1 (Taf. 9 Fig. 25) zeigt eine ovale Gestalt. An ihrem vorderen Rande befindet sich die längliche Öffnung. Die Chitinbäumchen verlaufen in der Richtung von der Peripherie der Membran nach dem Stigmen- spalt zu. Bei Stigma 2 (Taf. 9 Fig. 26) besitzt die Membran eine dreieckige Form, in der die Faltungen nach der einen Spitze zu sich erstrecken; an dieser Stelle liegt auch die Stigmenöffnung (0). Das 3. Stigma, das 1. abdominale, unterscheidet sich dadurch von den beiden ersten, dab es eine rundliche Gestalt aufweist. Die Membran zeichnet sich bei ihm durch eine mächtige Wölbung aus, im übrigen gleicht es ziemlich dem 2. Die übrigen abdominalen Stigmen sind denen bei Nepa gleich gebaut. Sie unterscheiden sich bei der Imago dadurch von denen bei Nepa, daß sie auch hier sämt- lich offen sind, während das bei Nepa nur bei der Larve der Fall ist. Von Naucoris untersuchte ich auch Larven. Ich fand bei ihnen aber bereits denselben Bau vor wie bei der Imago, nur waren die Stigmen bedeutend kleiner, ähnlich wie bei Nepa, wo sie auch schon denselben Bau wie die Imago zeigen (vgl. Docs). III. Notonecta glauca. Stigma 1 weicht kaum von dem bei Naucoris ab (Taf. 9 Fig. 25); auch hier haben wir eine längliche Öffnung. Die Faltungen sind äußerst fein und zart, sie verzweigen sich nur wenig. Sehr interessant ist das 2. Stigma (Taf. 9 Fig. 27 u. 28). Auf seine Lage brauche ich nicht näher einzugehen, da dieselbe hinlänglich von Hoppe (p. 9) beschrieben wurde. Zur Hälfte wird das Stigma überdeckt von dem Mesonotum, zur anderen Hälfte legen sich die Flügel in der Ruhelage über den Hohlraum, an dessen Boden das Stigma liegt. Die Membran zeigt eine läng- liche Gestalt (Taf. 9 Fig. 27). Vom hinteren Rande setzt sich eine nierenförmige Einschnürung ab, der auf der entgegengesetzten Seite noch eine andere entgegenkommt. Die Chitinbäumchen verlaufen nach dem vorderen Rande der hinteren Einschnürung hin, wo sich Zool. Jahrb. XXXIV. Abt, f. Anat. 11 162 Heino Mammen, auch die eigentliche Öffnung (O) befindet. Taf. 9 Fig. 28 zeigt einen Schnitt durch dieses Stigma und zwar durch die Region, wo es unter dem Mesothorax liegt. An ihm ist zu sehen, wie sich die Membran nach hinten zu verdickt, so daß eine Stigmenöffnung zu- stande kommt, die an die entsprechende von Corixa erinnert (vgl. HAGEMANN, tab. 25 fig. 18 O0). — Bei den abdominalen Stigmen ist nicht viel zu bemerken. Das 1. Stigma (Taf. 9 Fig. 29) zeigt eine langgestreckte Gestalt. Da seine Öffnung ziemlich in der Mitte liegt, so können wir dieses Stigma wohl als Übergang der abdomi- nalen Stigmen zu den thoracalen ansehen. Die 7 letzten Stigmen gleichen ihrem Bau nach denen der übrigen Hydrocores. IV. Lethocerus uhleri (Belostomidae). Einen sehr auf- fälligen Bau zeigt das 1. Stigma von Lethocerus uhleri, dessen Mem- bran ellipsenförmig ist (Taf. 9 Fig. 30). Durch eine Brücke wird nun diese in zwei Hälften geteilt, so daß dann in jedem Abschnitt die Bäumchen nach der Mitte zu verlaufen. Die eigentliche Stig- menöffnung liegt ungefähr vor der Chitinbrücke; ihre geringe Größe steht in gar keinem Verhältnis zu der mächtigen Stigmenmembran. Wie ich mir diese Chitinbrücke entstanden denke, darauf komme ich weiter unten noch zu sprechen. — Auf die übrigen Stigmen noch einzugehen, lohnt sich kaum, da sie nur wenig von denen bei Nepa abweichen. V. Corixa geofjroyi. Mit Coriza brauche ich mich nicht zu beschäftigen, da die Stigmen keine wesentlichen Abweichungen zeigen. Auberdem berücksichtigt sie HAGEMaNN (vgl. HAGEMANN, p. 392— 394). Kurzer Überblick über die Wasserwanzenstigmen. Bei den thoracalen Stigmen sowie bei den ersten abdominalen fällt bei allen Wasserwanzen die mächtig entwickelte Membran auf, die in gar keinem Verhältnis zu der äußerst kleinen Stigmenöffnung steht. Welche Bedeutung sie hat, ist sehr schwer zu sagen. Die bäumchenförmige Struktur haben wir bei allen Stigmen auf Faltungen zurückzuführen. Daß sich die Membran in Falten legen muß, wenn wir sie nach der Doss’schen Theorie entstanden denken, ist leicht einzusehen, wenn wir z. B. diesen Vorgang mechanisch mit einer Gummimembran wiederholen. Ebenso natürlich ist es, daß sich die Faltungen immer nach der am höchsten gelegenen Stelle hinziehen müssen; ich konnte das auch in jedem einzelnen Falle nachweisen. Die Chitinbrücke, die wir bei dem 1. Stigma von Lethocerus (vgl. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 163 Taf. 9 Fig. 30 Chb) finden, kann ich auch nur als eine besonders mächtige Falte ansehen. Wenn wir hier die außerordentliche Größe der sich vorwölbenden Membran bedenken, so ist es schon zu ver- stehen, daß sich diese in der Mitte zu einer besonders tiefen Falte zusammenlegt. Physiologische Versuche. Wir haben oben gesehen, dab die Abdominal- und Thoracal- stigmen auffällige Unterschiede in ihrem Bau zeigen. Um nun fest- zustellen, ob alle Stigmen physiologisch gleichwertig sind oder ob einige bei der Atmung eine bevorzugte Rolle spielen, stellte ich mit Land- und Wasserwanzen verschiedene Versuche an. Als Ver- treter der Landwanzen wählte ich Tropicoris rufipes. Ich verklebte zunächst bei dieser Wanze sämtliche Abdominalstigmen, und zwar bewerkstelligte ich dies auf folgende Weise. Ich befestigte die Tiere auf einem Objektträger mittels eines herumgeschlungenen Gummifadens. Darauf befeuchtete ich die Stigmenregion vorsichtig mit Hilfe eines feinen Pinsels mit wenig absolutem Alkohol, jedoch mußte man sich hierbei davor hüten, daß kein Alkohol in die Tracheen eindrang. Nun brachte ich einen feinen Lackstrich über der Stigmenreihe an; der Eisenlack, der infolge des Alkohols sehr gut haftete, wurde bald trocken. Um ein Abspringen zu verhindern, versah ich jetzt die erste Schicht noch mit einer dünnen Schicht von Maskenlack, der lange Zeit elastisch blieb. Der Erfolg dieses Versuches war, dab die Tiere unbeschadet weiterlebten; dasselbe Resultat erhielt ich, wenn ich die thoracalen Stigmen außer Funktion setzte. Somit gelang es mir nachzuweisen, dab die abdominalen wie die thoracalen Stigmen sowohl der Inspiration wie auch der Exspiration dienen können. — Ich ging mit meinen Versuchen noch weiter. Die Tiere lebten ruhig weiter, wenn ich z. B. die abdominalen und 2 thoracale Stigmen verklebte oder wenn nur ein Teil der abdomi- nalen offen war; ja es schadete ihnen nichts, wenn ich sämtliche Stigmen bis auf ein einziges, thoracales oder abdominales, außer Dienst setzte. So lebte 1 Exemplar z. B. mit einem einzigen Abdominal- stigma 11 Tage. Verklebte ich zur Kontrolle auch das letzte Stigma, so gingen die Tiere innerhalb '/; Stunde zugrunde, ein Zeichen, daß der Verschluß dicht war. Ähnlich wie mit Zropicoris experimentierte ich mit Wasser- wanzen (Naucoris und Notonecta). Ein Verschluß der Thoracal- stigmen war wegen ihrer versteckten Lage bei den Wasserwanzen 11* 164 Hino Mammen, nicht möglich. Ich verklebte bei einer Imago von Naucoris sämtliche Abdominalstigmen und setzte das Tier darauf wieder ins Aquarium, in dem sich reichlich Wasserpflanzen befanden. Ich nahm nun wahr wie es aufgeregt umherschwamm, sehr häufig an die Wasseroberfläche kam und sehr gerne an den Pflanzen herauskroch, wobei es die Flügel weit vom Abdomen abhob, alles Zeichen einer großen Atemnot. Allmählich wurden seine Bewegungen langsamer, bis es schließlich nach 1 Stunde unter Wasser sank. !/, Stunde darauf war es ge- storben. Ich brachte nun ein Tier, ebenfalls mit geschlossenen Abdominalstigmen, in eine Glasschale mit feuchtem Fließpapier und deckte darüber eine andere Schale, um es beständig in feuchter Luft zu halten. Es gelang mir, die Tiere auf diese Weise noch längere Zeit am Leben zu erhalten, ein Zeichen, daß die Thoracal- stigmen sowohl exspiratorisch als auch inspiratorisch wirken können. Daß die Tiere im Wasser eingingen, ist darauf zurückzuführen, dab die Luftleitung zu den Thoracalstigmen durch den Lack unter- brochen wurde. Auch mit der Larve von Naucoris stellte ich Ver- suche an, ebenfalls mit Notonecta (Imago und Larve). Ich kam aber in allen Fällen zu dem Resultat, zu dem auch Hoppe auf Grund anderer Versuche kommt, daß nämlich die Thoracalstigmen auch der Inspiration dienen können. Die Versuche gestatten keinerlei Schluß auf eine verschiedene Funktion der verschiedenen Stigmen, thoracale und abdominale, womit natürlich nicht bewiesen ist, dab sie unter normalen Verhältnissen nicht doch verschieden funktionieren. Vergleich der Landwanzenstigmen. Wir wollen zunächst versuchen, uns an der Hand der be- schriebenen Formen eine Vorstellung davon zu bilden, wie die ver- . schiedenen Stigmen phyletisch miteinander zu verknüpfen sind. Als primitivstes Thoracalstigma kann man vielleicht folgendes ansehen. Die beiden Segmente, die am Aufbau des Stigmas beteiligt sind, senken sich an ihrer Grenze zu einer Intersegmentalmembran ein, innerhalb welcher genau unter dem äußeren Segmentspalt das Stigma als ein feiner länglicher Schlitz liegt. Ein Öffnen und Schließen dieses Spaltes können wir uns durch die Intersegmental- muskulatur bewerkstelligt denken, durch die die Membran bald straff gespannt, bald gelockert wird. Ersteres käme dann einem Öffnen, letzteres einem Schließen gleich. Die Intersegmentalmembran kann nun durch hartes Chitin ersetzt werden, so dab wir eine festere Verbindung der beiden Segmente erhalten, wie das bei Meso- und Heteropteren- und Homopterenstigmen. 165 Metathorax bei manchen Arten geschieht, oder sie kann erhalten bleiben. Im letzteren Fall kann ein Segment fernrohrartig im vor- hergehenden stecken, wie wir das in den meisten Fällen bei den beiden ersten thoracalen Segmenten finden. Im ersten Fall wird eine Beweglichkeit der Segmente gegeneinander dadurch erzielt, daß sich die betreffenden Ränder einwinkeln, um dann weiter im Innern zu verschmelzen. In der Nähe des Stigmas ist diese Verbindung natürlich unmöglich, vielmehr schrägen sich die Einsenkungen hier lateralwärts allmählich ab, um zwischen sich eineGrube einzuschließen, die ebenfalls von den beiden Segmenten in gleicher Weise gebildet wird. Es ist nun wohl einzusehen, daß das Öffnen und Schließen nur ziemlich unvollkommen von der Intersegmentalmuskulatur allein bewerkstelligt wird, deshalb hat sich ein Teil von ihr zu einer be- sonderen Verschlußmuskulatur umgebildet, die dann an das Stigma genau medial ansetzt, und zwar sind die Ränder des Stigmas ursprünglich vollkommen gleichwertig. Dieses Stadium wird re- präsentiert durch Fig. TS. 166. Ein Verschluß wird jetzt dadurch her- beigeführt, daß beide Stigmenränder durch den Zug des Muskels (Me) einander gleichmäßig genähert werden, um so die Trachee zu schließen. Sehr nahe kommt diesem Stadium das 2. Stigma von Tropicoris rufipes; nur hat sich hier die Ansatzstelle des Muskels an das Stigma mehr nach vorn verschoben. Der hintere Stigmenrand be- steht aus sehr hartem Chitin, während der vordere häutig bleibt. Der Verschluß wird dann dadurch herbeigeführt, daß der elastische vordere Rand straff gespannt und gegen den hinteren geprebt wird. Wir erhalten so also bei Tropicoris eine Differenzierung der Stigmenfalten in Verschlußband und Verschlußbügel. Aber die Umbildung eines Teiles der Intersegmentalmuskulatur zum Verschlub- muskel geht nicht nur vor sich beim Verschwinden der Membran, dieser Vorgang tritt auch ein, wenn die Intersegmentalmembran bestehen bleibt. In diesem Falle bildet sich dann eine medial vom Stigma gelegene Platte aus (z. B. bei Tropicoris, Stigma 1, vgl. Taf. 7 Fig. 7), an deren Umwallung sich der Verschlußmuskel ansetzt. Die Partie in der Membran, die unmittelbar um das Stigma herum liegt, wird allmählich auch kompakter, und zwar ursprünglich zu beiden Seiten der Öffnung in gleicher Weise, Der Muskel setzt sich dann auch genau medial vom Spalt an. Aber auch dieses Stadium finden wir nicht vor, wohl aber eins, was ihm sehr nahe kommt, wo nämlich auch bereits eine Differenzierung in Bügel und Band eingetreten ist, nämlich bei Stigma 1 von Pyrrhocoris (Taf. 7 166 Hemo Mammen, F 2 3 5 6 a D: Big TT. Fig. U. 7 2 7 2 | PE ments —— | u Fig. V. Fig. W. Fig. T. Primitives Stigma an der Grenze von Meso- und Metathorax (von innen gesehen). Msr Rand des Mesothorax. Mtr Rand des Metathorax. Jsf Inter- segmentalfalte. O Stigmenöffnung. Mc Verschlußmuskel. Mi Intersegmental- muskulatur. Zr Trachee. Fig. U. Bildung des Deckel- und Visierstigmas. SZ vorderes, S2 hinteres Segment. (Stadium 2 aus 1, 3 aus 1, 4 aus 2, 5 aus 4, 6 aus 2.) Fig. V. Entwicklung des Verschlußdeckels. (Stadium 2 u. 3 aus 1, 4 aus 3, 5 u. 6 aus 1.) Basis des Deckels ist punktiert. Fig. W. Entwicklung der Landwanzenstigmen. (Stad. 1>2—3 u. 4.) Heteropteren- und Homopterenstigmen. 167 Fig. 11). Die Larve von Sahlburgella zeigt allerdings eine Gleich- heit von Bügel und Band, ferner eine medial vom Stigmenspalt liegende Ansatzstelle des Muskels, jedoch haben wir bei ihr keine Platte ausgebildet, sondern der Muskel setzt sich an dem Hinter- rande des betreffenden Segments an. Andere Veränderungen führen zur Bildung des sogenannten Deckelstigmas. Im einfachsten Fall ist das Stigma ein langgestreckter gerader Schlitz genau unter der äußeren Segmentgrenze (Fig. U1). Bei weitaus den meisten Stiemen finden wir nun eine solche Form nicht vor, vielmehr kann sich die Öffnung lateral umbiegen, so daß die vordere Stigmenfalte Deckelform annimmt (Fig. V1). Dadurch, daß der vordere Stigmenrand sich etwas über den hinteren legt, wächst die Analogie mit einem Deckel noch mehr (vgl. auch Fig. U3 u. 4). Wir finden ein solches Stigma bei Tropicoris (Stigma 1). Wenn sich das Stigma nun auch medial krümmt, so erhalten wir die Deckelformen, die in Fig. V2 u. 3 wiedergegeben sind (Fig. V2 z. B. bei Capsus). Aber auch auf diesem Punkte bleibt die Entwicklung des Deckels nicht stehen. Wie die Figg. V4—6 zeigen, kann die Stigmenöffnung fast Oform annehmen, so daß der Deckel schließlich nur noch medial an einer schmalen Basis befestigt ist. Stadium 4 findet sich bei Miris, während Stadium 5 und 6 bei Velia und Cicada (Larve) ver- treten sind (5 bei Velia, Stigma 2; 6 bei Velia, Stigma 1 und Cicada, Stigma 1). Fig. U5 zeigt einen Schnitt durch die Stadien 5 und 6 (Fig. V). Die Ausbildung des Verschlußdeckels kann auch vor sich gehen, wenn das Stigma nicht mehr genau unter dem äußeren Seg- mentspalt liegt, wie wir das in Fig. U2 sehen. Hier ist das Stigma unter den Hinterrand des betreffenden vorderen Segments gerückt. Die Veränderungen, die zu der Bildung führen, die ich als Visier- stigma bezeichne, vollziehen sich in Wirklichkeit nicht am Stigma, sondern an den umgebenden Segmenträndern. Indem sich der hintere Rand des vorderen Segments weit über die Intersegmentalhaut und über das Stigma hinwegwölbt, wobei das Stigma in der Weise seine Lage verändert, wie es Fig. U6 vorführt, entsteht das Visier- stigma. Wir finden es z. B. bei Syromastes marginatus und noch vielen anderen Vertretern. Wenn wir sehen, wie sich das komplizierteste Deckelstigma sowie auch das Visierstigma aus den primitivsten Urformen herleiten lassen, so könnte man sehr leicht in Versuchung kommen, daraus etwa phylogenetische Schlüsse in bezug auf die einzelnen Familien oder Gattungen zu ziehen. Ich muß aber gestehen, daß ein solches 168 Hero Mammen, Verfahren vollkommen verfehlt wäre; denn bevor man solche Schlüsse zieht, ist es vor allen Dingen nötig, die gesamte Anatomie sowie auch die Biologie der Tiere zu berücksichtigen. Es genügt 7. B. auch nicht allein das Studium der Abdominalsegmente, noch dazu der weiblichen Heteropteren und Homopteren, auf Grund dessen VERHOEFF ein natürliches System der Hemipteren aufstellt. Die Stigmen, die wir bis jetzt Kennen gelernt haben, stellen alle einen Schlitz im Integument dar. Ob dieser Spalt nun gerade oder gebogen ist, das ändert prinzipiell nichts. Alle Stigmen liegen geschützt in der Intersegmentalfalte, die von den äußeren Seg- menträndern überragt wird. Andere Verhältnisse erhalten wir nun, wenn der Intersegmentalraum frei daliegt, wie das bei den meisten Larven der Fall ist (vel. Taf. 8 Fig. 14). Das Stigma senkt sich dann tiefer ein (Fig. W2), so dab es am Boden einer besonderen Einsenkung zu liegen kommt (Larve von Tropicoris, Sahlburgella etc.). Wir wollen diese als Stigmengrube bezeichnen. Vom Intersegmental- raum ist sie wohl zu unterscheiden. Mit dem Stigma senkt sich dann auch der zugehörige Verschlußmuskel ein. Ein solches Stigma ist auch das zweite thoracale von Hydrometra und Limnobates, das nicht in einer Intersegmentalfalte liegt. Allgemein finden wir bei den Abdominalstigmen eine vollkommenere Gestaltung des Verschluf- apparats. Stets haben wir einen besonderen Schließmuskel, der sich an einem besonderen Fortsatz ansetzt (vgl. Fig. W3 u. 4). Der Fort- satz erscheint als Einstülpung der Stigmengrube. Entsprechend ihrer Einsenkung hat er sich auch von der Körperoberfläche entfernt. Stets bildet er mit dem Stigmenschlitz einen spitzen Winkel im Gegensatz zu den Thoracalstigmen, bei denen er entweder in der Verlängerung des Spaltes liegt oder mit dem Spalt einen stumpfen Winkel bildet. Es wird dadurch die Hebelwirkung des Zuges ver- stärkt, da der Fortsatz als Hebel wirkt. Die Abdominalstigmen würden danach eine viel höhere Stufe der Entwicklung darstellen als die thoracalen. Die wesentlichste Ursache für die Unterschiede im Bau der thoracalen und abdominalen Stigmen sehe ich im größeren Schutzbedürfnis der letzteren. Vergleich zwischen den Land- und Wasserwanzenstigmen. Als ich nach dem Studium der Landwanzenstigmen mich zum erstenmal mit denen der Wasserwanzen beschäftigte, stand ich vor einem Rätsel. Zeigten die Stigmen der Geocores und der Homo- pteren schon unter sich eine sehr große Mannigfaltigkeit, so lieben Heteropteren- und Homopterenstigmen. 169 sie sich doch alle aus einem Grundtypus ableiten. Die Stigmen der Wasserwanzen fallen nun vollständig aus diesem Rahmen heraus. Zeigten jene sämtlich einen Verschlußapparat, der im primitivsten Fall einen „Schlitzverschluß* darstellte, so fehlte dieser den Hydro- cores vollkommen; weder Verschlußmuskel noch Verschlußkegel waren zu entdecken. Auch waren sie für einen Verschluß ganz ungeeignet. Weichen die Stiemen der Wasserwanzen im höchsten Grade von denen der Landwanzen ab, so zeigen sie unter sich eine große Über- einstimmung. Diese Übereinstimmung im Bau muß um so mehr auf- fallen, wenn wir mit Kirkazpy annehmen, daß die Wasserwanzen polyphyletisch sind. Man könnte ja sagen, die Stigmen sind infolge der nahezu gleichen biologischen Verhältnisse gleich ausgebildet worden. Es ist aber schwer einzusehen, welchen Einfluß der Über- gang zum Wasserleben auf die Stigmenform haben soll, da ja die Stigmen selbst nicht direkt mit dem Wasser in Berührung kommen, da sie in Lufträumen münden. Sie sind so besser geschützt als die Stigmen der Landwanzen. Es ist auch ganz unmöglich, die Stigmen der Wasserwanzen aus einem Stigma der Landwanzen abzuleiten. Wohl können wir sie auf das Stigma zurückführen, das ich meinen vergleichend- morphologischen Betrachtungen zugrunde legte, das nämlich nur eine Spalte im Integument darstellte; aber dieses Stigma können wir als Ausgangsform für alle Insectenstigmen ansehen. Betrachten wir die Wasserläufer und deren Verwandten als ver- mittelnde Formen zwischen Land- und Wasserwanzen, eine Auf- fassung, die mit Rücksicht auf die Lebensweise berechtigt, phyle- tisch allerdings fraglich ist, so ist zu bemerken. daß die Wasser- läufer sich im Bau ihrer Stigmen eng an die Landwanzen angliedern und keinerlei Beziehungen zu den Wasserwanzen zeigen. Am Schluß unserer vergleichenden Betrachtung über die Stigmen der Land- und Wasserwanzen können wir also den Satz aussprechen: die Stigmen der Wasserwanzen entfernen sich so weit wie irgend möglich von denen der Landwanzen. Vergleich der Heteropteren- und Homopterenstigmen mit denen anderer Insecten. Wie ich in einem der vorhergehenden Abschnitte näher aus- einandergesetzt habe, finden sich bei den Abdominalstigmen der Wanzen Stigmengruben, während solche den Thoracalstigmen fehlen. Nur wenn letztere nicht in einer Intersegmentalfalte lagen, fanden sich auch bei ihnen Anfänge einer Einsenkung. Genau dieselben 170 Heino Mammen, Verhältnisse finden wir nun bei anderen Insecten. Auch bei ihnen haben die Abdominalstigmen zum Schutz eine Grube. Diese Gruben, die weit verbreitet sind, sind bisher immer als ein integrierender Bestandteil des Stigmas betrachtet worden. Nach der hier vor- getragenen Auffassung würde das eigentliche Stigma durch den Stigmenspalt repräsentiert; die Trachee würde genau so weit reichen wie die Tracheenstruktur reicht. Was vor dem Stigmenspalt liegt, ist eine Einsenkung der äußeren Haut. Ich halte diese morpho- logische Auffassung für unanfechtbar, deskriptiv erscheint sie aller- dings schwer durchführbar. Die Thoracalstigmen besitzen auch nur dann Gruben, wenn sie frei daliegen, wie das z. B. bei den Libellen und Heuschrecken der Fall ist. Einsenkungen der Körperhaut, die den Stigmengruben der In- secten homolog sind, finden sich noch bei den Myriapoden. Für sie hat Voces (1878) zuerst den Ausdruck Tracheentaschen gebraucht, den seine Nachfolger auf dem Gebiet der Myriapodenforschung auch beibehalten haben. Die meisten Forscher bezeichnen nun die Öffnung im Integument, die die Grube mit der umgebenden Luft verbindet, als das Stigma, obgleich sie der Grube selbst jede respiratorische Funktion absprechen; nur Bopr und VERHOEFF bezeichnen die am Boden der Tracheentasche gelegene Öffnung als das Stigma. Ich kann mich der Ansicht dieser beiden Forscher anschließen; aller- dings ergibt sich bei den Myriapoden gegenüber den Insecten darin ein Unterschied, daß sich bei ihnen am Boden der Stigmengrube eine ganze Reihe von Löchern befindet, die in die Trachee einleiten, so daß der Boden selbst auf diese Weise zu einer ,Siebplatte“ wird. Ein weiteres sehr interessantes Vergleichsmoment mit den Stigmen der übrigen Insecten ist der Verschlußapparat. H. Lanpots u. THELEN und später KRANCHER unterscheiden an einem vollkommen ausgebildeten Stigmenverschlußapparat folgende 4 Teile: 1. den Verschlußbügel, 2. den Verschlußhebel oder -kegel, 3. das Verschlußband, 4. den Verschlußmuskel. Auch bei den Stigmen der Geocores und der Homopteren finden sich diese 4 Teile, allerdings fehlt häufig der Kegel. Das Verschlub- band ist der häutige Rand des Stigmas, der bei der Kontraktion des Verschlußmuskels gegen den harten Verschlußbügel gepreßt wird. Soweit findet sich eine Übereinstimmung der Landwanzenstigmen mit denen der anderen Insecten. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 171 Auffällige Unterschiede ergeben sich dagegen in der Befestigungs- weise des Verschlußmuskels. Bei den Stigmen der Wanzen zieht sich ein Verschlußmuskel vom Stigma zum Integument. Verhält sich der Muskel anderer Insecten nun noch ähnlich? Ich kann hier das 2. Thoracalstigma von Dytiscus marginalis (vgl. Aur, p. 796) und von Donacia und Macroplea (vel. DEIBEL, p. 144) erwähnen. Stigmen dieser Art finden sich außerdem bei den Libellen (Taf. 9 Fig. 31), den Heuschrecken, den Ephemeriden und den Trichopteren (2. Thoracal- stigma); außerdem beschreibt KRANCHER bei Musca domestica ein ganz ähnliches (p. 535). An diese Art von Stigmen können wir solche angliedern, die auch nur einen Verschlußmuskel (Taf. 9 Fig. 32) besitzen, der sich aber nicht zum Integument hinzieht, sondern der vielmehr den einen Stigmenwinkel mit dem anderen verbindet. Ich fand solche Stigmen bei den Trichopteren. Bei den jetzt besprochenen Stigmen, die nur einen einzigen Muskel besitzen, wird ein Wiederöffnen durch die Elastizität des Verschlußbügels bewirkt. Wir haben von ihnen solche Stigmen zu unterscheiden, bei denen ein zweiter Muskel das Wiederöffnen über- nimmt. Beide Muskeln können sich nun vom Stigma zum Integument hinziehen (Taf. 9 Fig. 33). Diese Form zeigt das 1. Thoracalstigma von Chrysopa. Allerdings ist es mir gerade bei Chrysopa zweifelhaft, ob dieser zweite sich vom Stigma zum Integument hinziehende Muskel das Wiederöffnen übernimmt. Andrerseits kann der eine Muskel von einem Winkel des Stigmas zum anderen verlaufen, während nur der zweite sich zum Integument hinzieht. Ein solches Stigma beschreiben Laxpois u. THELEN bei Periplaneta (Taf. 9 Fig. 34). Ich fand ein ähnliches Stigma in den Abdominalstigmen von Chrysopa (Taf. 9 His 35): Als letzten Fall hätten wir schließlich die Stigmen mit 3 Muskeln (Taf. 9 Fig. 36) zu erwähnen, die DEIBEL bei Donacia und Macroplea beschreibt. Auch hier zieht sich der Verschlußmuskel vom Stigmen- winkel zum Stiemenwinkel, während die beiden Wiederöffner sich am Integument inserieren. Die Muskeln können sich nun am Stigma direkt oder durch Vermittlung von Fortsätzen ansetzen. Ein Fortsatz findet sich bei vielen Thoracalstigmen der Geocores und Homopteren, ferner bei Lucanus cervus (Taf. 9 Fig. 37) und Dytiscus marginalis sowie bei den Abdominalstigmen der Chrysopiden. Zwei Fortsätze (Taf. 9 Fig. 38) sind meistens dann vorhanden, wenn sich der Verschluß- IN Hero MAMMEN, muskel von einem Stigmenwinkel zum anderen hinzieht, z. B. bei Sirex gigas, Bombus, Donacia und Macroplea. Fassen wir unsere Ergebnisse noch einmal kurz zusammen, so erhalten wir folgende Übersicht: I. Stigmen mit 1 Muskel vom Stigma zum Integument. a) Stigmen ohne Kegel. (Die meisten Thoracalstigmen der Wanzen; Stigmen der Libellen, Heuschrecken und Ephemeriden; 2. Thoracalstigma der Trichopteren, der Chrysopiden, von Dytiscus, Donacia und Macroplea.) b) Stigmen mit Kegel. (Die Abdominalstigmen sowie eine An- zahl von Thoracalstigmen der Geocores und Homopteren, z. B. Platy- pleura und Huechys.) II. Stigmen mit 1 Muskel vom Stigmenwinkel zum Stigmen- winkel. a) Kein kegelartiger Fortsatz. (Trichopteren mit Ausnahme des 2. Thoracalstigmas.) b) 1 kegelartiger Fortsatz. (Lucanus cervus; Dytiscus mit Aus- nahme von Stigma 2.) c) 2 kegelartige Fortsätze. (Lamia textor: Hymenopteren.) III. Stigmen mit 2 Muskeln. a) Beide Muskeln vom Stigma zum Integument. (1. Thoracal- stigma von Chrysopa.) b) 1 Muskel vom Stigmenwinkel zum Stigmenwinkel, ein 2. vom Stigma zum Integument. (Abdominalstigmen von Chrysopa; Peri- planeta orientalis.) IV. Stigmen mit 3 Muskeln. 1 Muskel vom Stigmenwinkel zum Stigmenwinkel, ein 2. und 3. Muskel vom Stigma zum Integument. (Abdominalstigmen von Donacia und Macroplea.) Zum Schluß sei es mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geheimrat G. W. MÜLLER meinen herzlichsten Dank auszu- sprechen für das Interesse, das er obiger Arbeit entgegenbrachte, sowie auch dem Assistenten Herrn W. BAaunacke, der mir manchen wertvollen Rat erteilte. Einen großen Teil des Materials, besonders des ausländischen, überließ mir in liebenswürdiger Weise Herr Prof. Dr. Braver (Berlin). Ihm sowie Herrn Dr. Auumann (Berlin) spreche ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus. Heteropteren- und Homopterenstigmen. 173 Literaturverzeichnis. 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Bd Verschlußband Bg Verschlußbügel Bo Chitinborsten Ch Chitinwinkel Chb Chitinbrücke D Verschlußdeckel Fm Falte des Mesothorax Ha Haare Ism Intersegmentalmembran K, K,, K, Verschlußkegel M Stigmenmembran Me Verschlußmuskel Mi Intersegmentalmuskulatur Fig. 1. Tropicoris rufipes. 2. Thoracalstigma von innen gesehen. 29 : 1. Schematischer Schnitt Fig. 2. Tropicoris rufipes. in der Richtung AB (Fig. 1). Fig. 3. Tropicoris rufipes. tuns CD (Big. 1). ‚51:7. Fig. 4. Tropicoris rufipes. tung EF (Fig. 1). 51:1. Fig. 5. Tropicoris rufipes. Stigmenöffnung. 290: 1. Fig. 6. Tropicoris rufipes. Fig. 7. Tropicoris rufipes. 2. Thoracalstigma. 2. Thoracalstigma. 2. Thoracalstigma. 2. Thoracalstigma. Reusenapparat vom 2. Stigma. 1. Thoracalstigma. 29:1. Mr, Mr,, Mr, Offoungsmuskel Ms Mesothorax Mt Metathorax O Stigmenöffnung P Peritrem Pr Prothorax Pst Parasternit I? Reusenapparat St Sternit Stg Stigmengrube Sti Stigma Tr Trachee Trbl Tracheenblase Tafel 7. Schnitt in der Rich- Schnitt in der Rich- Schnitt durch die 290 : 1. Heteropteren- und Homopterenstigmen. Wan Fig. 8. Tropicoris rufipes. Lage des 1. Abdominalstigmas. 29:1. Fig. 9. Tropicoris rufipes. Abdominalstigma von innen gesehen. 91:1. Fig. 10. Syromastes marginatus. 1. Thoracalstigma von außen ge- sehen. 51:1. Fig. 11. Pyrrhocoris apterus. Stigma 1 von außen gesehen. 91:1. Fig. 12. Pyrrhocoris apterus. Stigma 2 von innen gesehen. 109:1. Tateles: Fig. 13. Pyrrhocoris apterus. Abdominalstigma von innen ge- sehen. 167:1. Fig. 14. Sahlburgella singilaris. Larve. Stigma 1 von außen ge- sehen. 109:1. Fig. 15. Velia currens. 1. Thoracalstigma. 91:1. Fig. 16. Velia currens. Sagittalschnitt durch Stigma 1. 91:1. Fig. 17. Velia currens. Sagittalschnitt durch Stigma 2. 91:1. Fig. 18. Platypleura sp. Stigma 2 von innen gesehen. 51: | Fig. 19. Platypleura sp. Sagittalschnitt durch Stigma 2 in der Richtung AB (Fig. 18). 51:1. Fig. 20. Platypleura sp. Abdominalstigma von innen gesehen. 91:1. Fig. 21. Jassus atomarius. Stigma 2 von innen gesehen. 51:1. Fig. 22. Jassus atomarius. Lage des 7. Abdominalstigmas. 51:1. Fig. 23. Jassus atomarius. iments durch ein Abdominal- stigma in der Richtung AB (Fig. 22). 91: Fig. 24. Nepa cinerea. em durch das 1. Thoracal- stigma. 29:1. Tafel 9. Fig. 25. Naucoris cimicoides. Stigma 1 von außen gesehen. 35:1. Fig. 26. Naucoris cimicoides. Stigma 2 von außen gesehen. 91:1. Fig. 27. Notonecta glauca. Stigma 2 von außen gesehen. 35 : 1. Fig. 28. Notonecta glauca. Sagittalschnitt durch Stigma 2 in der Richtung AB (Fig. 27). 29:1. Fig. 29. Notonecta glauca. Larve. 1. Abdominalstigma von außen gesehen. 91:1 Fig. 30. Lethocerus uhleri. Stigma 1 von außen gesehen. 16:1. Fig. 31. Aeschna grandis. 2. Thoracalstigma von innen gesehen (schematisiert). 29:1. Fig. 32. 1.thoracales Trichopterenstigma von außen gesehen. 91:1. Fig. 33. Chrysopa. 1. Thoracalstigma von außen gesehen. 62:1. 178 Heino Mammen, Heteropteren- und Homopterenstigmen. Fig. 34. Tracheenverschlu von Periplaneta orientalis (aus H. LANDOIS u. THELEN). 58:1. Fig. 35. Chrysopa. Abdominalstigma von innen gesehen. 167:1. Fig. 36. Donacia. 1. Abdominalstigma (schematisiert nach DEIBEL). Fig. 37. TracheenverschluB von Lucanus cervus (schematisiert nach H. LanpoIs u. THELEN). Fig. 38. Tracheenverschluß von Lamia lextor (schematisiert nach H. LANDOIS u. THELEN). G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G.m. b. H., Naumburg a. d. 8. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. Von Walther Baunacke. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Greifswald.) Mit Tafel 10—13 und 12 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. I. Literarischer Überblick. II. Technik. III. Larve. A. Nepa einerea (L.). a) Morphologie des Abdomens. b) Die abdominalen Sinnesorgane. Lage und Außeres. — Histologie. B. Die Sinnesorgane bei verwandten Gattungen. C. Physiologie der Organe. IV. Ontogenie. A. Vor der letzten Häutungsperiode. a) Erstes Auftreten und Entwicklung der Organe. b) Wachstumseinstellung des vorderen Organpaares und ihre Ursache. B. Während der letzten Häutungsperiode, AA. Nepa cinerea (L.). a) Ursachen der Umformung des Abdomens. Geschlechtsreife. — Begattung. b) Die Umbildung des Abdomens. Das Integument im allgemeinen. — Einebnung von Paratergitfalte und Atemrinne. — Neubildung der Primärnähte. — Auftreten sekundärer Nähte. — Um- wandlung des Borstenbesatzes. Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 12 180 Warner BAUNACKE, c) Die Umbildung der Sinnesorgane. Lage und Ausdehnung der Neuanlage. — Umgestaltung derselben (die äußere Form — der feinere Aufbau). d) Das Schwinden des vorderen Organpaares. BB) Die Umgestaltung der Sinnesorgane bei verwandten Gattungen. V. Imago. A. Nepa einerea (L.). a) Morphologie des Abdomens. b) Die abdominalen Sinnesorgane. Lage und Außeres. — Histologie. B. Die Sinnesorgane bei verwandten Gattungen. C. Physiologie der Organe. VI. Biologie und Versuche. VII. Phylogenie der Organe. VIII. Allgemeine Betrachtungen über die Bedeutung statischer Organe und deren Vorkommen bei den Insecten. A. Die Erhaltung des Gleichgewichts. B. Die Bedeutung statischer Organe. C. Vorkommen statischer Organe bei anderen Insecten. IX. Schlußreferat. I. Literarischer Überblick. Die sogenannten siebförmigen Stigmen der Nepiden haben begreiflicherweise schon vielfach das Interesse der Entomologen er- regt. So oft aber auch das auffallende Äußere dieser Gebilde die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, ihr komplizierter Bau setzte der Untersuchung mit den primitiven Hilfsmitteln der älteren Forscher starken Widerstand entgegen und gab diesen zu mancherlei irrtüm- lichen Auffassungen Anlaß. Schon Durour (1833), der sich von allen Entomologen zuerst eingehender mit ihnen beschäftigte, charak- terisiert sie p. 374ff. mit den Worten: „Les stigmates abdominaux de la Nèpe sont les plus grands de ceux, que j'aie encore eu occasion d'observer dans les insectes, et malgré cette condition avantageuse pour l’anatomiste, ce sont ceux, dont la structure m'a paru la plus difficile à bien déterminer.“ Ja, er gesteht sogar ein, dab er das mikroskopische Bild, das sie ihm bei stärkerer Vergrößerung boten, nicht zu entwirren vermochte. Deshalb begnügt er sich mit einer ausführlichen Beschreibung ihres Äußeren und spricht schließlich die Vermutung aus, daß diese Stigmen wohl geschlossen und in Rückbildung begriffen seien. Nicht viel weiter in der Ergründung des anatomischen Baues dieser Organe als Durour kommt Bur- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 181 MEISTER (1839), der sie jedoch hinsichtlich ihrer Funktion als Kiemen betrachtet. Dieser Auffassung BurMmEıster's schließen sich später AMYOT u. SERVILLE (1843), GERSTÄCKER (1863) und Locy (1884) an, während ScHiöptE (1870) sich jeden eigenen Urteils enthält und nur betont, dab der äußerst merkwürdige Bau dieser großen Stigmen eine neue eingehende Untersuchung erfordert. Fror (1860) und v. SIEBOLD (1848) kommen über die Ergebnisse Durour’s nicht hinaus. Erst in neuerer Zeit erkannte man die wahre Natur jener Organe. So sagt in einer Anmerkung zu seiner Arbeit: „Die Lippentaster bei den Rhynchoten und die systematische Beziehung der Nepiden und Belostomiden“, (1891) Scumipr (Schwedt), daß die siebartigen Felder der Nepiden die Bezeichnung Durour’s als rudimentäre Stigmen nicht verdienen, da das wirkliche Stigma nur einen kleinen Teil des Randes dieser Felder einnähme. Über den anatomischen Bau und ihre Funktion sagt er jedoch nichts. Erst Joanny MARTIN (1895) unternahm es, Bau und Entwicklung dieser Organe einer er- neuten eingehenderen Untersuchung zu unterziehen. Bis auf die ersten Larvenstadien zurückgreifend suchte und fand er die onto- genetischen Vorläufer der Imaginalorgane in den von ihm als halb- mondförmig bezeichneten, mit hellen Punkten besetzten flachen Gruben, die in der Zahl von 4 Paaren innerhalb der larvalen Atem- rinne liegen. Auch erkannte er, daß die siebartigen Felder der Imago sich unabhängig vom Stigma entwickeln, das er bei der Imago für fest geschlossen hält. Was nun aber den Zweck der Organe betrifft, so ist Marrın der Ansicht, daß diese einmal eine gewisse Bedeutung gehabt haben, daß sie aber gegenwärtig in Rückbildung begriffen sind. Und zwar schließt er dies daraus, daß von den 4 larvalen Grubenpaaren während der Metamorphose nur 3 Paare zu siebartigen Feldern umgebildet werden, während das vorderste Paar im Laufe der letzten Häutung verloren geht. Diese vorgefaßte Meinung mag wohl auch der Grund gewesen sein, weshalb MARTIN die Untersuchung des feineren Baues der Organe so ganz außer acht ließ. Immerhin bedeuten die Resultate, zu denen er durch das Studium der Ontogenie gelangte, verglichen mit den Erfolgen der älteren Autoren, einen großen Schritt vorwärts auf dem Wege der Erforschung dieser interessanten Gebilde. Noch wäre hier die An- sicht BrocHer’s (1908) zu erwähnen, der, wohl ohne diese Gebilde näher untersucht zu haben, sich in seiner interessanten Untersuchung über die Atmung von Nepa cinerea, über deren Bedeutung p. 187 wie folgt äußert: „Chez l'adulte on ne constate plus, à la face ventrale 12* 182 WALTHER BAUNACKE, que des stigmates faux, imperforés. Les auteurs les considéraient comme des restes ataviques, ou servant de trachéo-branchies (?). La vérité est bien moins compliquée. Ce sont les restes des stigmates de la larve, tout simplement.“ Erst Docs (1908), der gelegentlich seiner Untersuchungen über die Metamorphose der Respirations- organe bei Nepa cinerea auch den Bau und die Bedeutung der sieb- förmigen Stigmen einer näheren Betrachtung unterwarf, zog auch den inneren Aufbau mit in den Bereich der Beobachtung. Doch sind ihm die Erfolge der Arbeiten MArrın’s wohl unbekannt ge- blieben, denn nur so ist es verständlich, daß Docs wieder in die irrtümliche Auffassung der älteren Autoren zurückverfiel und die Imaginalorgane als modifizierte Stigmen ansieht. Wohl infolge dieser falschen Annahme glaubt er auch, die von Martin bei der Larve entdeckten Gebilde, für die Hrymons (1899) wohl in richtiger Ver- mutung, aber ohne Begründung die Bezeichnung „Sinnesgruben“ ein- führte, lediglich für Wandverstärkungen der Atemrinne ansprechen zu müssen, und läßt die Frage offen, ob und inwiefern sie in Zu- sammenhang stehen mit den siebförmigen Stigmen der Imago. Blieben diesem Autor aber auch der ontogenetische Ursprung und der feinere histologische Aufbau der Organe unbekannt, so erkannte er doch als erster aus der reichen Innervierung die Bedeutung dieser Ge- bilde als Sinnesorgane. Zweck und Wirkungsweise derselben er- kannte aber auch Does nicht, denn er hielt sie, wohl getäuscht durch die ihnen eigene Membran, für Tympanalorgane und suchte vergeblich nach dem typischen tympanalen Nervenendapparat. So verliefen auch alle Versuche, die von ihm nach jener Richtung hin unternommen und von mir fortgesetzt wurden, resultatlos. War aber das Arbeitsgebiet der älteren Forscher begrenzt durch die technischen Schwierigkeiten, welche die Untersuchung der Organe mit sich bringt, so ist es doch bemerkenswert, daß die Mehrzahl der neueren Autoren meist schon nach oberflächlicher Untersuchung der Gebilde Vermutungen über deren Bedeutung aussprechen, deren Haltlosigkeit ihnen die Berücksichtigung der Lebensweise dieser Tiere ohne weiteres hätte zeigen können. Dies muß um so mehr befremden, als die Beobachtung der Nepiden im Freien wie im Aquarium leicht durchzuführen und somit der bequemste Weg ist, die besonderen Lebensbedürfnisse derselben kennen zu lernen. Was nun meine eigenen Untersuchungen über diesen Gegen- stand betrifft, so gelangte ich, ausgehend von der Erkenntnis, dab doch schließlich Bau und Funktion eines jeden tierischen Organs Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 183 bestimmt werden durch die Lebensbedingungen seines Trägers, gerade durch ein genaues Studium der biologischen Verhältnisse dieser Tiere zu der Überzeugung, daß die falschen Stigmen der Imago und die Sinnesgruben der Larve der Vermittlung des statischen Empfindens dienen. Auch gelang mir der Nachweis, daß eben diese Funktion der Organe in vollem Einklang steht mit den weiterhin beschriebenen anatomischen Befunden und den Resultaten zahlreicher Versuche. Dem freundlichen Entgegenkommen meines hochverehrten Chefs und Lehrers, des Herrn Geh. Regierungsrats Prof. G. W. MÜLLER, ver- danke ich es, daß ich meine Untersuchungen, die sich anfänglich nur auf unsere überall häufige Nepa cinerea erstreckten, ausdehnen konnte auch auf einige exotische Arten der Nepiden-Gruppe. Da mir diese, wie auch die in der Umgebung Greifswalds äußerst seltne Ranatra linearis, nur in beschränkter Zahl und meist trocken kon- serviert zur Verfügung standen, konnte sich die Untersuchung der- selben nur auf die Hartgebilde erstrecken. Immerhin gab mir der Vergleich der an den einzelnen Arten gewonnenen Befunde über mancherlei anatomische und biologische Verhältnisse wertvollen Auf- schluß. Gleich hier will ich noch darauf hinweisen, dab ich im weiteren Verlaufe meiner Untersuchungen durch Anwendung neuerer, namentlich für die Darstellung der Innervierung besser geeigneter Methoden, die mir früher nicht zur Verfügung standen, zu Resultaten gelangte, die zum Teil in Widerspruch stehen zu meinen früher (in: Zool. Anz., Vol. 35, 1910, p. 484—489) mitgeteilten Befunden. Be- sonders aber zwingen mich auch die Ergebnisse, die mir ein ein- gehendes Studium der betreffenden Gebilde bei jenen fremdländischen Vertretern der Nepiden-Gruppe brachte, vor allem was die ana- tomischen Verhältnisse anbelangt, in mancher Hinsicht zur Richtig- stellung meiner früheren Auffassung. II. Technik. Zur Untersuchung der morphologischen Verhältnisse des Ab- domens im allgemeinen wie auch speziell der Hartgebilde der be- treffenden Organe benutzte ich Material, das nach vorangegangener Maceration durch Kalilauge mit Chlor gebleicht worden war. Die. so vom Gewebe und Pigment befreiten Häute wurden dann in toto. mit Herpenain's Eisenhämatoxylin gefärbt und zu diesem Zwecke nach 10—12stiindigem Beizen ca. 2 Stunden in der Farbe gelassen. Die Differenzierung geschah in bekannter Weise unter steter Be- obachtung. Diese Art der Färbung läßt die Nähte und Grenzen der 184 WALTHER BAUNACKE, einzelnen Skeletteile sowie die feinere Oberflächenstruktur und die verschiedenartigen Anhangsgebilde des Integuments so gut hervor- treten, daß sie mir gerade für morphologische Arbeiten besonders geeignet erscheint. Die Präparation der zu den Organen führenden Nerven und Tracheen wurde am frischen Material unter Wasser ausgeführt. Erst nach der Fertigstellung wurden diese Totalpräparate in 96 °/, Alkohol fixiert und hierauf mit Alaun- oder Boraxkarmin gefärbt. An so behandelten Objekten ließ sich der Verlauf der stärkeren Nerven und Tracheen gut verfolgen. Weit bessere Resultate er- zielte ich jedoch, auch an Larven, mit Hilfe der Methylenblau- methode, die ich in der von MaxGozp (1905, p. 145 ff.) angegebenen Weise anwandte. Der Einstich hierbei geschah seitlich am Thorax in der Richtung nach dem Abdomen hin, und die Injektion wurde in Zeiträumen von 3—4 Stunden wiederholt. So konnte ich die Tiere ca. 8— 12 Stunden, oft auch länger am Leben erhalten, worauf sie abgetötet und in der 10°/,igen Ammoniummolybdatlösung fixiert wurden. Nach der in der üblichen Weise vollzogenen Wässerung und Überführung der Objekte in 96%, Alkohol brachte ich sie zu- nächst in Glycerin, wo sie ohne Schaden für die oft prächtige Färbung der Nerven längere Zeit aufbewahrt werden konnten. Auf diese Weise aufgehellt ließen sich dieselben leicht unter stärkerer Vergrößerung präparieren. Nach ihrer Fertigstellung wurden die so behandelten Präparate in Xylol übergeführt und in Canadabalsam unter Deckglas eingeschlossen, wo sie sich gut hielten. Besonders schwierig gestaltete sich die Herstellung brauchbarer Totalpräparate von den Larvalorganen wegen deren versteckter Lage innerhalb der ventral gelegenen Atemrinne Bei gewöhnlicher Isolierung durch Zupfpräparation wurden diese in ihrer Form meist so verändert, daß aus solchen Präparaten keine sicheren Schlüsse zu ziehen waren. Erst als ich dazu überging, von dem in Transparentseife ein- gebetteten Tier mit Hilfe des Rasiermessers dicht am Organ vorbei- führende Längs- und Querschnitte herzustellen, gewann ich eine genauere Vorstellung vom Bau und von der Lage dieser Gebilde. Eine Methode, welche die Präparation außerordentlich erleichtert hätte, fand ich leider erst, als ich zum Studium der Innervierung Injektionen ausführte. Durch übermäßig reichliche Injektion einer rasch erstarrenden Masse erreichte ich nämlich eine dermaßen starke Auftreibung des ganzen Körpers, daß alle Falten des Integuments sich glätteten und diese Form beibehielten, nachdem die Injektions- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 185 masse (heiße Gelatine oder Gipsbrei) erstarrt war. Auf die An- wendung dieser Methode bei Nepa werde ich später näher eingehen. Über die histologischen und vielfach auch morphologischen Ver- hältnisse, namentlich aber auch über den Verlauf der Metamorphose orientierte ich mich an Schnitten von 2—20 mw Stärke. Das zum Schneiden bestimmte Material wurde fixiert je nach dem verfolgten Zweck mit 96°, Alkohol, Chromosmiumessigsäure nach FLEMMING oder Formolchromessigsäure in der von Mayer u. Le, p. 53 (zit. nach ScHwABE, 1906, p. 4) angegebenen Zusammensetzung. Gefärbt wurden die Schnitte fast ausschließlich mit Eisenhämatoxylin, teil- weise auch mit Boraxkarmin. Um das lästige Ablösen des Chitins in den Farblösungen zu vermeiden, behandelte ich die Objektträger mit den aufgeklebten und geglätteten Schnitten in der von Hesse (1901, p. 349) beschriebenen und von SCHwABE (1906, p. 4) empfohlenen Weise, indem ich sie mit Photoxylin überzog. So erhielt ich sehr brauchbare Serien von Schnitten und hatte weniger unter dem Ab- schwimmen des Chitins zu leiden als vielmehr unter dem Zersplittern desseiben beim Schneiden. Die unzweideutige Darstellung der Nervenendapparate auf Schnitten indessen gelang mir erst nach Anwendung der ausgezeich- neten Fixationsmethode, die Vom Ratu (1894, p. 10—11) zur Kon- trolle der an Methylenblau- und Chromsilberpräparaten eruierten Befunde empfiehlt. Die Objekte wurden hierbei gehärtet in einem Gemisch von 60 cem konzentrierter wässeriger Pikrinsäurelösung, 0,3 ccm Eisessig, 0,2 g krystallisierter Osmiumsäure und 0,5 g Platin- chlorid gelöst in 0,5 ccm destillierten Wassers, welches vor Gebrauch noch mit der gleichen Menge konzentrierter Pikrinsäurelösung ver- dünnt wurde. Die Objekte wurden dann nach den Angaben jenes Autors weiter behandelt, so dünn wie möglich geschnitten und mit Karmin oder Eisenhämatoxylin gefärbt. Die so erhaltenen Präparate zeigten die peripheren Ganglien mit ihren Fortsätzen außerordentlich deutlich. Alle notwendigen Operationen am lebenden Tier wurden in der Weise vorgenommen, daß dasselbe mit Hilfe eines dünnen, mehrfach um eine Glasplatte gespannten Gummifadens festgehalten wurde, so daß die einzelnen Fäden auch die Beine an der Bewegung hinderten. So auf der Platte befestigt, konnten mit Hilfe der Präparierlupe alle erforderlichen Operationen, wie Blendung und Zerstörung der Sinnesorgane, die ich später beschreiben will, je nach Bedarf auch unter Wasser, leicht ausgeführt werden. Die Art und Weise, wie 186 WALTHER BAUNACKE, die Tiere auch sonst noch für Versuche vorbereitet wurden, sowie die Anwendung dabei gebrauchter Hilfsmittel werde ich im weiteren Verlaufe dieser Arbeit noch ausführlicher darlegen. Die zu besprechenden Sinnesorgane vermochte ich festzustellen bei allen Vertretern der Hemipteren-Familie Nepidae (StÄu), welche mir in den Museen zu Berlin und Greifswald zu Gesicht kamen. Zur genaueren mikroskopischen Untersuchung standen mir zur Verfügung verschiedene Vertreter der Gattungen Nepa, Ranatra und Laccotrephes. Eine genauere Bestimmung der einzelnen Arten war mir indessen unmöglich, einerseits wegen der oft schlechten Er- haltung der trockenen Exemplare, andrerseits infolge Mangels an Vergleichsmaterial. Ich gebe daher Namen, Fundort usw. der von mir näher untersuchten Individuen so an, wie ich sie auf den zuge- hörigen Etiketten vorfand. Familie Nepidae (STÄL). Gattung Nepa (STÄL). N. cinerea (LINNE), &, 9, Larve. N. apiculata (det. MONTANDON 1908), &, 9, Larve. Gattung Laccotrephes (STÄL). L. fabricii (STÂL) (det. Montanpon 1908), G': Goldküste, Larve: Tanganjikasee. . annulipes (LaP.), d', 2: Quilimane. . ater(?) (STÂL), Larve: Portug. Ost-Afrika. . robustus (?) (STAL), Larve, Imago aus der Larve: Sumatra. . grossus (FABR.), &, ©: Abo, Koll. BUCHHOLZ. . ruber (LINNE, STÄL, F'ABR.), Q: Ceylon, g, Larve: Formosa. . ellipticus (GERST.), &: Kikenga. . Sp.(?)1), Q: Buloa bei Tanga, Ost-Afrika. Gattung Ranatra (FABR.). . linearis, &, 9, Larve: Berlin. . nodiceps (GERST.): Quilimane. . longipes (STÄL) (det. MONTANDON 1908), Imago, Larve. sp.(?), Imago, Larve: Abo, Koll. BUCHHOLZ. sp.(?), Theresopolis, Koll. FRUHSTORFER. sp.(?), Tacoma, Washington VIII., Imago, Larve. BIS Se by bu by By By Be War auch die Zugehörigkeit aller dieser genannten Vertreter der Nepiden-Familie zu einer bestimmten Art nicht mit Sicherheit zu ermitteln, so konnten doch die Merkmale, welche den einzelnen 1) Diese Art sandte ich zur Bestimmung an L. MONTANDON, Buka- rest, der sie mir als Lace. très voisin de L. oculatus MONTANDON 1898 et aussi de L. brachialis GERSTÄCKER 1873 bestimmte. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 187 Gattungen zukommen, unzweifelhaft bei allen nachgewiesen werden. Und gerade das ist für unsere Untersuchungen von besonderer Be- deutung deshalb, weil die Unterschiede im Bau der zu beschreibenden Sinnesorgane bei Larve und Imago innerhalb der Gattungen unbe- deutend sind im Vergleich zu denen innerhalb der ganzen Familie. Meine anatomischen und histologischen wie auch alle physio- logischen und biologischen Untersuchungen führte ich in erster Linie an Nepa cinerea (L.) aus, von der mir Material in beliebigen Mengen aus Tümpeln und Bächen der Umgebung Greifswalds zur Verfügung stand. Erst in zweiter Linie konnte ich auch unsere einheimische Ranatra linearis (FABr.) bei der Untersuchung berücksichtigen, da diese in der Umgebung Greifswalds gänzlich zu fehlen scheint *) und mir nur in ungenügender Anzahl zur Verfügung stand. Von den Vertretern der exotischen Gattung Laccotrephes und den aus- ländischen Verwandten der beiden bei uns heimischen Nepiden erhielt ich nur einzelne, trocken oder in Alkohol konservierte Exemplare, welche nur zum Studium der Hartgebilde zu verwenden waren. Trotzdem aber gab mir gerade der Vergleich der an allen diesen Arten erhaltenen Befunde wichtige Aufschlüsse über Phylogenie und Physiologie der allen diesen Formen eigenen abdominalen Sinnes- organe. Dem Gange meiner Untersuchungen folgend, will ich daher die einschlägigen Verhältnisse immer erst an unserer einheimischen Nepa einerea L. ausführlich schildern und, nachdem dies geschehen, die an den übrigen Vertretern der ganzen Familie gewonnenen Befunde soweit vergleichsweise heranziehen, als sie interessante Beziehungen zeigen oder zur Aufklärung beitragen. III. Larve. A. Nepa cinerea (LINNÉ). a) Morphologie des Abdomens. Das Verständnis der Lage und Entwicklungsgeschichte, ins- besondere aber der Wirkungsweise der zu besprechenden Organe, 1) G. W. MÜLLER gelang es allerdings, auch diese Species in früheren Jahren zu verschiedenen Malen in der Umgebung Greifswalds festzustellen. Doch ist auch er der Ansicht, daß diese Tiere nur äußerst selten hier anzutreffen sind. WALTHER BAUNACKE, 188 Fig. A. Morphologie des larvalen Abdomens. 1. Ranatra (Ventralseite). 2. Nepa (do.). 3. Laccotrephes (do.). 4. Nepa (Dorsalseite). (1—3 zeigen die Paratergitfalte links in der Normallage, rechts dagegen zurückgeklappt, sichtbar werden.) (Verzeichnis der Abkürzungen am Schlusse der Arbeit!) so daß Sinnesgruben und Stigmen Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 189 setzt eine genauere Kenntnis der morphologischen Verhältnisse des Abdomens bei Larve und Imago voraus. Deshalb erscheint mir ein Eingehen auch auf die ziemlich komplizierte Zusammensetzung des Abdomens dieser Tiere, namentlich aber der für die Lage der Organe in Betracht kommenden Segmente unumgänglich, zumal da ich mich der Auffassung, wie sie einerseits Hrymons (1899) und Docs (1908), andrerseits aber VERHOEFF (1893) in bezug auf die abdominale Gliederung vertreten, nicht in allen Punkten anzu- schließen vermag. Was mich zu abweichender Anschauung bewog, war der Vergleich der Lage jener Sinnesorgane vor und nach der letzten Häutung, die von allen den genannten Autoren bei der Deutung der morphologischen Verhältnisse zu wenig berücksichtigt wurde, da ihnen jene Gebilde in ihrem ontogenetischen Zusammen- hange unbekannt waren. Gerade dieser aber vermag Aufschluß zu geben über die Zusammengehörigkeit und morphologische Gleich- wertigkeit der Skeletstücke des larvalen und imaginalen Integuments. Heymons hat durch embryologische Untersuchungen festgestellt, daß bei der Larve die Dorsalplatten ventralwärts umgeklappt sind. Er sagt darüber folgendes: „Die ventralwärts umgeklappten Seiten- teile der Tergite (Tergitwülste) sind vom zweiten bis sechsten Abdo- minalsegment bei der Nepa-Larve gut entwickelt, medial enden sie mit breitem umgebogenem Rand, in dessen Mitte vom dritten bis sechsten Segment je eine weite mit Haaren ausgekleidete Grube (Sinnesgrube) liegt. Lateral reichen sie bis zum Kürperrand und gehen dort ohne Grenze in das zugehörige Tergit über. Die Stigmen befinden sich dicht am lateralen Rande der Bauchplatten.“ Nähere Angaben über den Verlauf der Naht, welche Rücken- und Bauch- platten verbindet, namentlich auch in bezug auf die Lage der Stigmen, macht dieser Autor nicht. Deutlich sichtbar verläuft diese Naht (vel. Fig. A2, S. 188 u. Fig. B2, S.201) im Grunde der Atemrinne dort, wo das Integument der Ventralseite medialwärts sich umbiegt zur Bildung der „Tergitwülste“, welche die Rinne als Falten teil- weise überdecken, in paralleler Richtung zum Körperrande so, dab die Stigmen medialwärts von ihr liegen. Und zwar liegen das 4. 5. und 6. abdominale Stigma medialwärts dicht neben, ja fast inner- halb der Naht. Bezüglich der Lage der übrigen abdominalen Stigmen bei der Larve verweise ich auf Docs (1908), da mich eine Erörterung derselben hier zu weit führen würde. Ich will nur erwähnen, daß diese alle mehr oder weniger weit in medialer Richtung von der Naht entfernt liegen. Diese Naht wäre also die Grenze der Bauch- und 190 Warner BAUNACKE, Rückenplatten. Während nun die Ventralseite eingenommen wird lediglich von breiten, in der Mediane flach kielartig gewölbten Sterniten, sieht man auf der Dorsalseite (vgl. Fig. A4, S.188 u. Fig. B2, S. 201) die Lateralteile der Rückenplatten in einer parallel zum Körperrande verlaufenden Linie als schmale Randfelder abgesetzt. Diese unterscheiden sich von den mittleren Teilen der Tergite hier dadurch, daß sie fast borstenlos, jene aber dicht mit schildförmigen Borsten (vgl. Taf. 11 Fig. 15) bedeckt sind. Die Grenze beider Teile erscheint namentlich bei älteren Larven oft sogar etwas eingesenkt, während sie sich vom 7. Segment ab analwärts in Gestalt einer deutlichen Naht fortsetzt. Diese Naht aber ist meines Erachtens als die in den vorderen Abdominalsegmenten zwar nur angedeutete, in den analwärts gelegenen aber deutlich ausgebildete Grenze zwischen den Tergiten und ihren Seitenteilen, den Paratergiten, zu betrachten, welche Hrymons bei der Larve an den scharfen Körper- rand verlegt. Er sagt allerdings selbst, daß dort die Seitenteile ohne Grenze in die zugehörigen Tergite übergehen. Auch ich habe daselbst nirgends eine Naht finden können. Namentlich das Studium der einzelnen Stadien der Metamorphose sowie der Vergleich der Larve mit der Imago und ihrer physiologischen Bedürfnisse hat mich in meiner Ansicht bestärkt, daß die larvalen Paratergite am Abdomen von der dorsalen Seitennaht bis zum Grunde der Atem- rinne reichen und daß diese beiden Paare von Grenzlinien als pri- märe zu betrachten sind. Für meine Annahme spricht auch die Tatsache, daß gerade an diesen Linien das Integument sich leicht einreißen läßt, während eine glatte Trennung von Bauch- und Rückendecke, entlang des scharfen Körperrandes, schwierig ist. Auch verbleiben diese Nähte während der Metamorphose an fast den gleichen Körperstellen. Was uns nun an der morphologischen Gliederung des larvalen Abdomens am meisten interessiert, sind diejenigen Platten des Integu- ments, die sich an der Bildung der schon oben erwähnten Atemrinne beteiligen. Es sind dies die ventral gelegenen Partien der Para- tergite und die Sternite. Die Gestaltung dieser Atemrinne hat Docs in so klarer, ausführlicher Weise beschrieben, daß ich hier nur der Vollständigkeit wegen dieselbe nochmals kurz besprechen will. Wie schon der Name sagt, dient diese Atemrinne der Respi- ration und zwar ist es ihre Aufgabe, den in ihr gelegenen Stigmen atmosphärische Luft zuzuführen, die bekanntlich mit Hilfe der so- genannten Abdominalschaufel (vgl. Hrymons, 1899, p. 383) aufge- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 191 nommen wird. Diese Rinne verläuft beiderseits auf der Ventralseite des Abdomens parallel zum scharfen Körperrande und wird vor- wiegend gebildet durch seitliche Einsenkung der Sternite. Bis zu einem Viertel ihrer gesamten Breite, die etwa dem vierten Teil der- jenigen des ganzen Abdomens entspricht, wird sie von medialwärts gerichteten Falten des Integuments überdeckt, die nichts anderes sind als jene Wülste der Paratergite. Und zwar sind diese Falten nach den Segmentgrenzen hin so abgerundet, daß sie als Lappen des Integuments erscheinen (vgl. Fig. A2 S. 188 u. Taf. 10 Fig. 1). Während ihr medialwärts gerichteter Saum sonst nahezu geradlinig verläuft, ist er im 3.—6. Segment flach eingebuchtet, so daß die Tergitfalten hier in einen vorderen kleineren und einen hinteren größeren Lappen geteilt werden. Alle diese an der Bildung und Bedeckung der lar- valen Atemrinne beteiligten Skeletteile sind stark mit Borsten be- setzt. von denen die einen der Luftleitung, andere hingegen dem Abschlusse der Atemrinne nach außen hin dienen. Betrachten wir nun die Art dieser Beborstung etwas genauer, so werden wir sehen, daß auch in dieser Hinsicht das 3.—6. Segment vor den übrigen ausgezeichnet ist. Während die Atemrinne selbst mit feinen Härchen, die sich in analer Richtung dem Integument anlegen, gleichmäßig besetzt ist, zeigen fast alle Borsten, welche an den Tergitlappen inserieren, eine Stellung, die ihre Aufgabe, die Rinne zu überdecken, ohne weiteres erkennen läßt. Dementsprechend sind diese medialwärts gerichtet. Angenommen, die Larve liegt mit der Ventralseite nach oben vor uns, so erkennen wir bei mikro- skopischer Betrachtung jener Paratergitlappen deutlich, dab deren Rand von einer dichten, aber regellosen Reihe tütenförmig Krauser Borsten von nur geringer Länge gesäumt wird (vgl. Taf. 10 Fig. 1 u. 5). Diese Borstenreihe, die sich, gleichmäßig dem Faltenrande folgend, über alle Segmente erstreckt, hat augenscheinlich den Zweck, die unter ihr inserierenden eigentlichen Deckborsten der Atemrinne beim Abschluß derselben zu unterstützen, indem sie das Austreten von Atemluft aus der Rinne zwischen den Ursprungsstellen jener hindurch verhütet. Die eben erwähnten Deckborsten der Atemrinne sind gewöhnliche, aber sehr lange Rundborsten. In mehreren Lagen nehmen sie ihren Ursprung an den der Rinne zugekehrten Flächen der Paratergitwülste und sind am Rande derselben am längsten, während sie nach dem Grunde der Rinne hin kürzer werden. Sie stehen so dicht und reichen medialwärts so weit über die Atemrinne hinüber, daß nur etwa das der Medianen zunächst gelegene Drittel 192 WALTHER BAUNACKE, derselben unbedeckt bleibt. Erst durch eine den Sterniten auf- sitzende Reihe jenen ähnlicher, aber entgegengesetzt, gerichteter Borsten wird die Uberdeckung der Atemrinne vervollständigt. Auch die Stellung und Form dieser Deckborsten ist im ganzen Verlaufe der Atemrinne die gleiche, bis auf jene Stellen im 3.—6. Segment, an denen der Rand der Paratergitfalte sich nicht nur, wie schon oben erwähnt, lateralwärts einbuchtet, sondern auch nach außen hin aufgeworfen erscheint. Hier sehen wir dicht hinter jenen den Rand der Falte säumenden Tütenborsten, steil ins Innere der Atemrinne hineinragend, Borsten inserieren, die sich zu einem halbhohlkegel- förmigen Schutzdach fest aneinander legen (vgl. Taf. 10 Fig. 4 u. 14). Ihre absonderliche Stellung verursacht in der Bedeckung der Atem- rinne eine Lücke, die aber von den der Ausbuchtung benachbarten echten Deckborsten bis zu gewissem Grade mit ausgefüllt wird. Von letzteren unterscheiden sich jene eigenartigen Borsten besonders dadurch, daß sie am Grunde verdickt und gefiedert sind. An Länge hingegen stehen sie jenen bedeutend nach. Die äußerst kleinen Fiederchen sitzen ringsum am Schaft der Borste und reichen vom Grunde derselben bis zur Spitze (vgl. Taf. 10 Fig. 4. Ihre Länge entspricht etwa der Stärke des Schaftes. Die Art und Weise der Insertion dieser Fiederborsten unterscheidet sich nicht von derjenigen der gewöhnlichen Deckborsten. Wie die letzteren stehen sie außer- ordentlich dicht in mehreren Lagen hintereinander, sind am Aufen- rande der Einbuchtung am längsten, während ihre Größe in der Richtung nach dem Grunde der Falte rasch abnimmt, so daß die kleinsten von ihnen nur noch als rudimentäre Borstenstummel er- scheinen (vgl. Taf. 10 Fig. 14). b) Die abdominalen Sinnesorgane. Lage und Äußeres. Was aber hat das von solchen Fieder- borsten gebildete Schutzdach nun eigentlich zu schützen? Schlagen wir die Paratergitlappen der auf dem Rücken vor uns liegenden Larve lateralwärts zurück, um auch die Innenseite jener einer ge- naueren Untersuchung zu unterziehen !), so sehen wir unterhalb jeder der im 3.—6. Segment gelegenen Einbuchtungen, dicht hinter der hier inserierenden Gruppe gefiederter Schutzborsten, die ich im weiteren Verlaufe meiner Ausführungen als Filter bezeichnen will, 1) Vgl. S. 206 dieser Arbeit. Daselbst Methode zur Öffnung der Atemrinne. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 193 im Integument eine ovale Einsenkung. Diese Einsenkungen, die sich also paarweise auf 4 Segmente verteilen, sind aber nichts anderes als die von Joanny Marri (1895) als halbmondförmige Flecken beschriebenen Gebilde der Larven von Nepa cinerea wie auch derjenigen von Ranatra linearis, für die Hrymons (1899) die Bezeichnung „Sinnesgruben“ wählte. Nachdem wir uns so über die Lage dieser Gebilde orientiert haben, mag uns ein Querschnitt, durch das in Transparentseife ein- gebettete Tier, dicht an einer dieser Sinnesgruben vorbeigeführt, deren Bau und normale Stellung innerhalb der Atemrinne zeigen (vgl. Taf. 10 Fig. 14). Und zwar möge, im Gegensatze zu unserer bisherigen Betrachtungsweise, die Dorsalseite des Querschnitts nach oben gekehrt sein. Hier sehen wir die Sinnesgrube, ausgekleidet mit einer ganz glatten, eigenartig glänzenden Cuticula, nach außen hin begrenzt von jenem aufgeworfenen Teile des Paratergitwulstes, der das schon oben erwähnte Borstenfilter trägt. Den von letzterem versperrten Zugang zur Grube will ich forthin kurz als Mündung bezeichnen. Die Höhlung der Grube ist medialwärts ge- richtet und bis zu ihrem dem Grunde der Rinne zugewandten Rande hin anscheinend frei von Borsten. Es sind nämlich die jener glatten glänzenden Innenfläche der Grubenhöhlung inserierenden Anhangs- gebilde so weit unterdrückt, daß ihre Porenkanäle nicht mehr bis zur Oberfläche des Integuments durchdringen. Während diese unter- drückten Borstenanlagen bei stärkster Vergrößerung an der dem Körperinnern zugekehrten Seite der Cuticula die spaltförmig zu- sammengepreßten Mündungen ihrer Kanäle noch deutlich erkennen lassen (vgl. Taf. 10 Fig. 7), erscheinen sie von der Außenseite gesehen im durchfallenden Lichte als äußerst kleine, stark lichtbrechende Punkte. Solche reduzierte Anlagen cuticulärer Anhangsgebilde sind über die ganze Fläche der Höhlung verstreut, aber meist nur bei älteren Larven leicht zu beobachten. Der Grubenrand ist wallartig erhöht, verflacht sich aber nach der Vorder- und Hinterseite der Grubenhöhlung hin allmählich und verläuft hier schließlich im Rand- saume der Paratergitlappen. In seinem erhöhten Teile zeigt er, in regelloser Reihe angeordnet, die schon von Martin erwähnten großen, hellen Punkte, die sich bei näherer Betrachtung als Insertionsstellen von Borsten erweisen. Auf die Insertionsweise und den Bau dieser Borsten werde ich gelegentlich der Erörterung der histologischen Verhältnisse näher eingehen. Schon hier aber will ich bemerken, dab sie die percipierenden Organe der Sinnesgrube sind, die der Beobach- 194 WALTHER BAUNACKE, tung Marrr’s sowohl wie auch Does’ völlig entgingen. Diese Borsten, die wir somit als Sinnesborsten bezeichnen müssen, sitzen dem Grubenrande so auf, daß ihre Spitzen in horizontaler Richtung medialwärts zeigen. Ihre Beobachtung wird besonders erschwert durch ihre geringe Größe und ihre Durchsichtigkeit. Aber der mit diesen Sinnesborsten besetzte Rand bildet noch nicht die eigentliche Grenze des Larvalorgans nach dem Innern der Atemrinne hin. Wir sahen oben, daß die Deckborsten der Atemrinne dort, wo sich der Rand der Paratergitfalte lateralwärts ausbuchtet, verdrängt wurden von den Borsten des Filters, die an ihre Stelle traten. Dies ge- schah jedoch nur mit denjenigen von ihnen, welche dem Randsaume oder dessen näherer Umgebung, soweit diese eben von der Sinnes- grube eingenommen wurde, inserierten. Die kürzeren indessen, die mehr nach dem Grunde der Rinne hin der Innenseite der Tergit- falte aufsitzen. sind auch hier erhalten geblieben und sperren die Sinneserube vom Raume der Atemrinne bis zu einem gewissen Grade ab, so daß jene wohl hinter der schützenden Falte, aber außerhalb des Luftraumes der larvalen Atemrinne liegt. Doch ist der durch diese Borsten bewirkte Abschluß keineswegs vollkommen. Es bleibt vielmehr eine „Pforte“ in Gestalt einer dreieckigen Öffnung, be- erenzt einerseits von den Sinnesborsten, andrerseits von den Deck- borsten der Atemrinne, so daß hier eine direkte Kommunikation der Grubenhöhlung mit dem Hohlraum der Atemrinne stattfindet. So reihen sich die Mündung mit dem Filter, die Grubenhöhlung und der mit Sinnesborsten besetzte Grubenrand aneinander und bilden zusammen ein Organ, das seinem Aufbau nach als ein zu- sammengesetztes Hautsinnesorgan zu betrachten ist. Sämtliche acht Larvalorgane stimmen in bezug auf ihre Form im wesentlichen überein und sind entsprechend der Gestalt der Segmente des Tieres wenig schräg nach hinten gerichtet. Nur die Sinnesgruben des 3. Ab- dominalsegments unterscheiden sich von den anderen bei älteren Larven nicht nur durch geringere Größe, sondern auch durch ihre größere Entfernung vom Stigma (vgl. Fig. A2, S. 188). Histologie. Wenden wir uns nunmehr der Betrachtung der histologischen Verhältnisse zu, so müssen wir uns einen Schnitt vor- nehmen, der die konkave Wandung der Sinnesgrube in radialer Richtung trifft. Solcher Querschnitte gibt es jedoch innerhalb jeder Schnittserie nur ganz wenige, und doch können uns nur diese die epithelialen Elemente in ihrem Zusammenhange mit den oben be- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 195 schriebenen cuticulären Teilen des Organs zeigen. Ist die Her- stellung solcher zur Beobachtung feinster histologischer Einzelheiten genügend dünner Schnitte bei Arthropoden schon an sich nicht leicht, so stellen sich der Anfertigung hierfür geeigneter Präparate noch weitere Schwierigkeiten dadurch entgegen, daß nur solche Larven hierfür verwendbar sind, welche in einem gewissen Alter zwischen zwei aufeinander folgenden Häutungen stehen. Nur bei solchen Indi- viduen ist es möglich, die verschiedenen Arten der Gewebe von- einander zu unterscheiden, deren Zellen in der Zeit vor und nach den einzelnen Häutungen dünn fadenförmig ausgezogen erscheinen und ihrer Art und Zugehörigkeit nach äußerst schwer bestimmbar sind. Auch muß ich hier gleich darauf hinweisen, daß ich nur selten Larven unserer heimischen Nepa c. fand, bei denen das Gewebe der Hypodermis, welches normalerweise dem Integument jener Paratergit- lappen doch anliegen muß, auch wirklich im Zusammenhange mit jenem stand. Es weicht vielmehr meist nach innen so zurück, dab ein Teil der Paratergitfalte als leer erscheint. Ob diese Erscheinung auf Schrumpfung infolge der Einwirkungen des Fixierens und Färbens zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu sagen, doch versagten selbst jene Fixationsmethoden, welche eine Schrumpfung der Gewebe sonst nicht im Gefolge haben und die bei der Imago stets zu guten Resul- taten führten, vielfach bei der Larve. Und zwar eigneten sich Präparate, bei denen Chitin und Hypodermis fest aneinander lagen, niemals für histologische Studien, da hier das Gewebe wie aufgelöst erschien. Umgekehrt aber fand ich eine in ihren Einzelheiten be- sonders gut ausgebildete Hypodermis niemals im Zusammenhang mit . dem zugehörigen Integument. Erst die Anwendung der Methylen- blaumethode brachte mir die für die Deutung der an solchen Schnitt- präparaten gewonnenen Befunde erforderliche Sicherheit. Diese Tatsachen stehen wohl im engsten Zusammenhange mit der Bildung der neuen Cuticula unter der alten und legen die Ver- mutung nahe, daß ein großer Teil der Paratergitfalte mit ihren An- hangsgebilden, unter ihnen auch die Borsten des Filters, nur während eines gewissen Zeitraumes nach vollzogener Häutung in Verbindung mit der Hypodermis steht, sonst aber von derselben losgelöst und somit vollständig hohl erscheint. Die mechanische Wirkung der Falte und ihrer Anhangsgebilde wird indessen hierdurch in keiner Weise gestört. Schon bei der Besprechung der Hartgebilde der Sinnesgrube hatte ich betont, daß das deren Höhlung auskleidende Chitin glatt, Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 13 196 WALTHER BAUNACKE, ja fast glänzend erscheint (vgl. Taf. 10 Fig. 14). Diese eigenartige Auskleidung tritt auch auf Schnitten von 2—5 u Stärke deutlich in die Erscheinung. Ganz gleichgültig, ob dieselben mit Karmin oder Hämatoxylin behandelt wurden, zeigt sie sich stets außerordentlich dunkel, ja fast schwarz gefärbt und sowohl nach dem Filter wie auch nach dem Grubenrande hin scharf begrenzt. Ob sie dem, wie gewöhnlich so auch hier, aus einer stark färbbaren harten Außen- schicht und einer meist leicht differenzierbaren weicheren Innen- schicht zusammengesetzten Integument etwa als sehr dünne äußerste Schicht aufliegt oder aber nur als besondere Oberflächenmodifikation der Cuticula zu betrachten ist, läßt sich, da ja alle Schichten inein- ander übergehen, nicht mit Bestimmtheit sagen. Auch ihre feinere Struktur entzieht sich infolge der starken Färbbarkeit gänzlich der Beobachtung, während sich die übrigen Teile des Integuments deut- lich aus einzelnen Lamellen zusammensetzen. Abgesehen von dieser merkwürdigen Auskleidung erscheint die Wandung des Larvalorgans im Gegensatz zum übrigen Integument an sich schon stark verdickt, eine Eigenschaft der Cuticula, die wir sehr häufig da wiederfinden, wo die Nervenendigungen von Hautsinnesorganen im Chitin eingebettet sind. Durch diese Tatsache hat sich wohl auch Does zu der falschen Ansicht verleiten lassen, daß die Hrymons’schen „Sinnesgruben“ lediglich Nischen der Paratergitfalte darstellen, die zu deren Festigung und Stütze dienen. Von den dem Integument des Organs inserierenden Anhangsgebilden sind an so dünnen Schnitt- präparaten naturgemäß immer nur wenige sichtbar. Um so klarer aber erkennen wir hier ihre Form, wie besonders auch die Art und Weise ihrer Einfügung in der Cuticula. Die Borsten des Filters (vel. Taf. 10 Fig. 4 u. 14) zeigen sich auch bei stärkster Vergröße- rung nur einfach gefiedert und sitzen mit kurzem Fuß einem engen Porenkanal auf, der das Integument durchsetzt und sich nach auben hin kaum merklich erweitert. Diese Art der Insertion läßt diese Borsten starr und unbeweglich erscheinen. Ganz anders die dem auch hier in Gestalt einer Kante scharf vorragenden Grubenrande entspringenden Sinnesborsten (vgl. Taf. 10 Fig. 6 u. 14)! Waren deren Ursprungsstellen schon am Totalpräparat deutlich erkennbar als kreisrunde helle Flecken, in deren Mitte die Borste sitzt, so zeigt namentlich ein Querschnitt derselben, daß sie auch in ihrem inneren Bau von denen gewöhnlicher Borsten sich wesentlich unter- scheiden. Neben LeypiG, KRAEPELIN, RULAND, NAGEL, HAUSER und anderen Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. _ 197 verdienstvollen Forschern haben namentlich CLaus, Rerzıus und O. Vom Ratu durch eingehende Untersuchungen unsere Kenntnis vom inneren Bau der Hautsinnesorgane bei den Arthropoden ge- fördert. Vor allem die vom letztgenannten Autor empfohlenen Methoden brachten mir Resultate, die mit denen jenes Forschers in völligem Einklang stehen. Ist auch der Bau der Borstenwurzel jener percipierenden Anhangs- gebilde des Grubenrandes im Prinzip der gleiche, wie wir ihn auch sonst von den Sinnesborsten der Arthropoden kennen, so sind ein- zelne Teile desselben bei den Sinnesborsten des Larvalorgans doch mehr oder weniger stark in bestimmter Richtung modifiziert. An jenen Stellen, wo sich am Totalpräparat die „hellen Punkte“ Joanny Martin’s befanden, sehen wir hier am Querschnitt Porenkanäle das Chitin durchsetzen, die sich durch bedeutend erweitertes Lumen vor jenen, die zu den Borsten des Filters führten, auszeichnen (vgl. Taf. 10 Fig. 4 u. 6). Als typische Sinnesborstenkanäle zeigen sie sich in ihrem vor der äußeren Mündung gelegenen Teile zu einer topfartigen Höhlung, der Borstengrube, erweitert. Diese Grube wird von der äußeren Schicht des Integuments derart überwölbt, daß nur eine enge Öffnung in der Mitte frei bleibt und die „hellen Punkte“ Marrw’s, denn als solehe erscheinen diese Porenkanäle von außen her betrachtet, sich als kleine Hügel darstellen, die das um- liegende Integument überragen und auf ihrem höchsten Punkte den Eingang zum Porenkanal erkennen lassen. Durch diese Öffnung ragt nun das Sinneshaar aus der Borstengrube hervor, das hier, wo es deren Mündung passiert, etwas eingeschnürt erscheint. Unter- halb dieser Einschnürung erweitert sich die Borste jedoch wieder und bildet innerhalb der Grube die glockenförmige Borstenwurzel oder den Borstenfuß, dessen Ränder in eine feine Membran über- gehen, die sich ringsum an der weitesten Stelle des Kanals am Inte- gument ansetzt. Diese Membran wird von Krarreuın als Kuppel- membran, von O. Vom Rarn aber als Papille bezeichnet. Sie ist chitinös und gestattet infolge ihrer hier ganz auffallend starken Ausbildung der Borste eine besonders große passive Beweglichkeit, die aber durch die enge Grubenmündung und die Einschnürung der Borste selbst reguliert wird. Ihrem ganzen Bau nach ähnelt diese Borstenwurzel fast einem Kugelgelenk. Distalwärts setzt sich die Borste fort in einen kurzen Schaft, der nur wenig gekrümmt und schwert- förmig verbreitert ist. Alle diese Sinnesborsten des Larvalorgans sind von gleicher Größe. Ihr Chitin ist völlig farblos, so dab sie fast 13* 198 WALTHER BAUNACKE, durchsichtig erscheinen und wohl gerade dadurch der Beobachtung Joanny Marrın’s völlig entgangen sind. Schon oben hatte ich darauf hingewiesen, daß ich nur wenige Präparate erhielt, die den Zusammenhang jener Hartgebilde der Sinnesgrube mit der Hypodermis zeigten. Wo dieser wirklich zu beobachten war, befand sich die Hypodermis in einem Zustande, der nur die Kerne, nie aber auch die Zellkonturen erkennen ließ. Doch schon solche Präparate zeigen die Hypodermis unterhalb des Integuments unseres Organs außerordentlich stark verdickt, so dab die Zellkerne hier vier- bis fünffach hintereinander liegen. Dem Grunde dieser Erscheinung nachgehend, erkennen wir an einem hier- zu geeigneten Schnitt unschwer, dab sich die Hypodermis hier aus sehr zahlreichen langgestreckten Zellen zusammensetzt. Diese drängen sich so eng aneinander, dab ihre Kerne nebeneinander nicht Platz finden können und, sich gegenseitig ausweichend, hintereinander gruppiert liegen. Meist ist im Bau dieser Zellen ein Unterschied nicht zu bemerken, haben wir aber einen Schnitt vor uns, der die Sinnesgrube radial trifft und die Wurzeln jener Sinnesborsten schneidet, so fallen uns Zellen auf, die sich in vieler Hinsicht von denen ihrer Umgebung unterscheiden (vgl. Taf. 10 Fig. 8). Wir sehen deren stets nur 2—3 dicht nebeneinander dort in der Hypo- dermis eingebettet, wo außen am Integument die Sinnesborsten inse- rieren. Während das Plasma der umliegenden Zellen sich mit Eisen- hämatoxylin färbt und ihr kleiner ovaler Kern ziemlich ungleich- mäbig von Chromatin durchsetzt wird, zeichnen sich jene aus einmal durch die gleichmäßige Verteilung des Chromatingerüstes innerhalb ihres großen Kernes, dann aber namentlich durch den hellen Plasma- hof, welcher diesen umgibt. Ganz sicher charakterisiert als Nerven- zellen werden sie aber dadurch, daß sie distalwärts wie proximal- wärts Fortsätze entsenden. Diese Zellen, die nichts anderes sind als bipolare Sinneszellen, werden von den benachbarten Hypodermis- zellen weit in die Tiefe gedrängt. Während aber sonst sich meist mehrere solcher Sinneszellen zu einem peripheren Ganglion ver- einigen, haben wir hier den seltneren Fall vor uns, daß jede einzelne dieser Zellen für sich allein schon ein Ganglion bildet und von Neu- rilemmzellen , an den so typisch plattgedrückten ovalen Kernen kenntlich, umhüllt wird. Mit ihrem proximalen Fortsatz stehen diese Ganglien in Verbindung mit den Ausläufern eines dicken Nerven- stranges, der direkt vom Zentralorgan herkommt und caudalwärts dicht am Stigma vorüberlaufend in fast unverminderter Stärke der Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 199 Sinnesgrube zustrebt. Der periphere Fortsatz aber zieht hin zum Porenkanal einer Sinnesborste, die er so mit dem Zentralnerven- system verbindet. Diesen das Lumen der Sinnesborste erfüllenden Zellfortsatz müssen wir in unserem Falle mit CLaus als Achsenfaden bezeichnen, da die von Vom Ratu gebrauchte Bezeichnung „Terminal- strang“ wegen der Einzelligkeit der peripheren Ganglien hier nicht das Richtige treffen würde. Dieser Achsenfaden zerreißt leider nur zu leicht beim Schneiden, zeigt sich in seinen Bruchstücken aber meist so gut erhalten, daß deren Zusammengehörigkeit sicher er- kennbar ist. Dicht am peripheren Fortsatz dieser Ganglien finden sich stets auch einige Borstenzellen, die, sich eng an jenen an- schmiegend, besonders durch die starke Färbbarkeit ihrer Kerne und die auffallende Größe ihrer Nucleoli stark hervortreten vor allen übrigen Zellen der Hypodermis. Sie sind als Matrixzellen der Sinnesborsten aufzufassen. Nicht leicht ist die Verbindung des zentripetalen Fortsatzes der Ganglienzellen mit dem Nerven nachzu- weisen. Ist sie auch auf Schnitten hier und dort sichtbar, so trat sie doch viel deutlicher hervor auf Totalpräparaten von Tieren, die mit Methylenblau injiziert worden waren (vgl. Taf. 10 Fig. 9). Die Präparation der Verzweigung des die Sinnesgrube mit dem Zentral- organ verbindenden Nervenstranges unterhalb der Sinnesborsten- reihe gelang mir wegen deren so versteckter Lage zwischen den Wänden der Paratergitfalte nie. Wohl aber war das Herantreten des Nerven und seiner Verzweigungen an die analog den Sinnes- borsten in Reihen angeordneten peripheren Ganglien sehr gut sicht- bar durch die Cuticula der Ventralseite hindurch. Nerv und Gan- glien zeigten sich hier bei entsprechend tiefer Einstellung des Mikro- skops tiefblau gefärbt und deutlich miteinander verbunden. Die Terminalstränge jedoch wurden an solchen Präparaten verdeckt durch die dunkle Auskleidung der Sinnesgrube Was nun die In- sertionsweise derjenigen Borsten anbetrifft, welche die Sinnesgrube vom Raume der Atemrinne abschließen, so ist diese nicht verschie- den von derjenigen aller übrigen in der Umgebung des Larval- organs inserierenden Borstengebilde. Wie die schon oben erwähnten Deckborsten der Atemrinne, ebenso wie die Filterborsten und die tütenförmigen Borsten des Randsaumes, sitzen sie unscheinbaren Papillen auf, die sich in kaum merkbarer Vertiefung des Integuments erheben und mit den Matrixzellen durch einen engen Porenkanal verbunden sind. Sie stehen nicht mit peripheren Ganglien in Ver- bindung. 200 WALTHER BAUNACKE, Besondere Veränderungen, die sich namentlich in vorgeschritteneren Entwicklungsstadien am histologischen Aufbau des Organs bemerkbar machen, will ich gelegentlich der Beschreibung der Metamorphose eingehender behandeln. Hier will ich, um irrtümlichen Auffassungen der einzelnen Elemente der oben beschriebenen Hypodermis zu be- geonen, schon darauf hinweisen, daß wir bei älteren Larven außer den schon beobachteten Zellformen noch solche finden, die sich durch auffallende Größe und starke Färbbarkeit ihrer Nucleoli auszeichnen. Zu zweien oder mehreren dicht beieinanderliegend, sind sie mit den viel tiefer gelegenen Zellen der Ganglien nicht zu verwechseln. Ihre Bedeutung wird uns noch weiterhin beschäftigen. B. Die Sinnesorgane bei verwandten Gattungen. Nachdem wir uns so einen genauen Überblick über Lage und Bau der larvalen Sinnesorgane bei Nepa cinerea verschafft haben, wollen wir noch einige andere Vertreter der Nepiden-Gruppe in bezug auf Existenz und Bau ähnlicher Bildungen betrachten. Wie schon oben erwähnt, konnte ich dieselben Organe in mehr oder minder abweichender Form feststellen bei allen mir zu Gesicht gekommenen Species der Gattungen Nepa, Laccotrephes und Ranatra. Unter diesen dreien zeigt Ranatra die ursprünglichsten, Laccotrephes aber die kompliziertesten Verhältnisse. Weit davon entfernt, die Befunde, die ich an den mir verfüg- baren Vertretern jener Gattungen feststellen konnte, zu verallge- meinern, will ich in Folgendem zur Vermeidung von Wiederholungen nur auf die Besonderheiten hinweisen, welche die Gattungen als solche unterscheiden. Nur wo einzelne Species innerhalb der gleichen Gattung ihrem Bau nach von der allgemeinen Regel abweichen, soll dies besonders hervorgehoben werden. Was zunächst die Zahl und Art der Chitinplatten anbetrifft, aus denen sich die Segmente, denen die Sinnesgruben eingelagert sind, zusammensetzen, so sind diese für alle drei Gattungen gleich. Wir finden Tergite, Paratergite und Sternite, die an den gleichen Stellen durch Nähte verbunden sind, wie wir dies bei der Larve unserer einheimischen Nepa cinerea sahen. Nur die Art ihrer Aus- bildung bedingt Verschiedenheiten, welche auch den Bau jener Sinnesorgane nicht unbeeinflußt lassen. Vor allem interessiert uns wiederum die Paratergitfalte, die ja der eigentliche Träger jener Organe war. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 201 Eine Larve von Nepa apiculata (det. Monranpon, 1908) unter- schied sich hinsichtlich der morphologischen Verhältnisse des Ab- domens nicht wesentlich von unserer einheimischen Form. Ein weiterer Vertreter dieser Gattung stand mir nicht zur Verfügung, ir u‘ Fig. B. Schematische Querschnitte des larvalen Abdomens. Die linke Hälfte jedes Schnittes führt durch eine Sinnesgrube, die rechte durch einen Paratergitlappen. 1. Laccotrephes. 2. Nepa. 3. Ranatra. ‚Bezeichnungen siehe am Schluß der Arbeit.) 202 WALTHER BAUNACKE, doch scheint, soweit nach den an diesen beiden Species gewonnenen Befunden ein Urteil überhaupt möglich ist, die Gattung Nepa in bezug auf die Ausbildung der Paratergitfalte in der Mitte zu stehen zwischen Ranatra und Laccotrephes. Sahen wir bei N. cinerea, wie auch bei ihrer exotischen Ver- wandten, diese Falte in den einzelnen Segmenten durch eine tiefe Einbuchtung geteilt in zwei allseitig abgerundete Lappen, so ver- missen wir diese letzteren vollständig bei den schon früher ge- nannten Species der Gattung Ranatra (vgl. Fig. Al, S. 188 u. Taf. 10 Fig. 2). Hier fehlen die Paratergitlappen fast gänzlich, so daß der Randsaum der Falte ziemlich geradlinig verläuft. Nur eine kaum merkbare Einkerbung zeigt an, wo die Tergitsäume benachbarter Segmente aneinander stoßen. Dieser eigenartigen Form des Para- tergitwulstes entspricht auch der Bau der Larvalorgane (vgl. Taf. 10 Fig. 2 u. 11), die sich hier oralwärts weit ab von der Mitte der einzelnen Segmente als äußerst flache Einbuchtungen des Falten- randes zeigen. Dieser ist im Verlaufe der Einbuchtung abgestumpft und kaum merklich nach außen aufgeworfen. Eine Grubenhöhlung existiert nicht, ebenso sind Mündung und Filter so weit rückgebildet oder aber noch so wenig: ausgebildet, daß sie nur durch wenige kleine gefiederte Borsten, die dem Rande hier aufsitzen, angedeutet erscheinen. Infolge des Fehlens der Paratergitlappen sind hier die dem Faltenrande inserierten Deckborsten der Atemrinne bedeutend verlängert. Ihre Zahl ist im Vergleich zu der bei Nepa gering, doch wird dieser Mangel durch starke Fiederung zum Ausgleich gebracht. Die dem Sternit entspringenden kürzeren Deckborsten besitzen gleiche Form, doch die an der Basis dieser Reihen bei Nepa bemerkbaren tütenförmigen Grundborsten vermissen wir hier gänzlich. Die Sinnesborsten stehen infolge des Fehlens der Höhlung dicht hinter jenen wenigen Filterborsten und sind im übrigen genau so geformt und angeordnet wie bei Nepa, auch ihre Insertionsweise ist die gleiche. Das Integument des Organs zeigt auch bei Ranatra die eigenartige Oberflächenschicht, die wir schon bei Nepa beobachten konnten. Das ganze Organ nimmt hier also lediglich den abge- stumpften Teil des Faltenrandes im Bereiche seiner Einbuchtung in Anspruch, so daß hier die Sinnesborsten ungefähr in der Reihe stehen mit allen übrigen Anhangsgebilden des Randsaumes der Para- tergite. Infolge dieser freien Stellung der percipierenden Organe fehlt auch eine Abgrenzung des ganzen Gebildes nach dem Innen- raume der Atemrinne hin und somit auch die Öffnung, die ich bei Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 203 Nepa als Pforte bezeichnete. Ihre Existenz ist hier vollkommen un- nötig, denn sie wird ersetzt durch die Lücke, die in der Bedeckung der Atemrinne dadurch entsteht, daß die dem Rande der Einbuchtung aufsitzenden Filter- und Sinnesborsten den eigentlichen Deckborsten an Länge weit nachstehen (vgl. Taf. 10 Fig. 2 u. 11). Die spätere Betrachtung der physiologischen Verhältnisse wird uns zeigen, daß die Funktion dieser Lücke gerade infolge der freien Stellung der Sinnesborsten genau die gleiche ist wie derjenige der uns bei den Vertretern der vorigen Gattung begegnenden Pforte. Wir finden also bei Ranatra im Bau unserer Sinnesorgane wesentliche Verein- fachungen. Abgesehen von den Nebenerscheinungen, welche sich als natürliche Folge des langgestreckten, stabförmigen Körperbaues der Vertreter dieser Gattung ergeben, bemerken wir sonst keine Besonderheiten, auch die Lage der betreffenden Stigmen ist die gleiche wie bei Nepa. Die einzelnen Species aber unterscheiden sich in bezug auf den Bau ihrer Sinnesorgane nur insofern von- einander, als die Zahl und Größe aller jener Borstengebilde schwankt und deren typische Form bald mehr bald weniger stark ausgeprägt erscheint. Sonst weisen alle die gleichen Verhältnisse auf wie unsere einheimische Ranatra linearis. Die Vertreter der 3. Gattung, Laccotrephes, zeigen uns in der Form ihrer Paratergite wie auch der larvalen Sinnesorgane das andere Extrem (vgl. Fig. A3, S. 188 u. B1, S. 201, Taf. 10 Fig. 3). Hier finden wir die Paratergitwiilste der einzelnen Segmente so stark ausgebildet, dab sie medialwärts fast bis zum Innenrande der Atem- rinne reichen. So bleibt nur ein schmaler Spalt in der Bedeckung der letzteren offen, der durch entsprechend verkiirzte, kaum merkbar gefiederte Deckborsten geschlossen wird, welche einerseits dem Faltenrande, andrerseits aber den Sterniten inserieren. Hier wie dort werden sie in ihrer Funktion unterstützt von außerordentlich dicht stehenden, sehr krausen Tütenborsten. In gleicher Weise werden auch die Lücken geschlossen, welche dadurch entstehen, dab die medialwärts so stark verlängerten Paratergitfalten dort, wo be- nachbarte Segmente aneinander stoßen, nicht mit ihren Rändern verwachsen. Sie ragen vielmehr von ihren Ursprungsstellen an völlig selbständig und von den Falten der angrenzenden Segmente isoliert medialwärts frei über den Raum der Atemrinne An den Ecken nur wenig abgerundet, zeigt jeder dieser lappenartigen Wülste an seinem dem Sternit zugekehrten Rande, oralwärts weit ab von dessen Mitte gelegen, die hier kaum wahrnehmbare Einbuchtung (vel. 204 WALTHER BAUNACKE, Taf. 10 Fig. 3). Von dieser Einbuchtung aus führt an der inneren dorsalen Wandung der Falte eine lange schmale Rinne lateralwärts zu der auch den Vertretern dieser Gattung eigenen Sinnesgrube. Diese liegt an der gleichen Stelle, wo wir sie auch bei Ranatra fanden, nur daß eben hier diese Einbuchtung des Randes medial- wärts weit von ihr abgerückt ist. Die beide verbindende Rinne ist aber nichts anderes als die entsprechend der Verlängerung ihres Trägers, nämlich des Paratergitlappens, lang ausgezogene Gruben- mündung. Mit ihr hat sich auch das Filter dermaßen ausgebreitet, daß seine auch bei dieser Gattung gefiederten Borsten den ganzen Mündungskanal von der Höhlung der Sinnesgrube bis hin zum Rand- saume auskleiden. Auch dieser zeigt sich im Verlaufe seiner Ein- buchtung wenig nach außen hin aufgeworfen und ist hier nur mit tütenförmigen Grundborsten besetzt. Mündungskanal und Sinnes- grube sind bei dieser Gattung vom Innenraum der Atemrinne ge- schieden durch gewöhnliche Rundborsten, welche an den angrenzenden Teilen des Integuments inserieren und jene überdecken. Doch bleibt auch hier dorsal von der Sinnesgrube eine Pforte frei, welche deren Verbindung mit dem Luftraum der Atemrinne herstellt. Die Aus- kleidung der Sinnesgrubenhöhlung ist genau die gleiche wie bei den schon oben besprochenen Gattungen. Auffällig erscheint die große Zahl von Sinnesborsten, die hier dicht aneinander gereiht dem Grubenrande aufsitzen, sonst aber keine Besonderheiten aufweisen. Auch bei den einzelnen Vertretern dieser Gattung finden wir Unter- schiede im Bau der Organe nur in bezug auf die Zahl und Form der Borsten. So sind beispielsweise die Deckborsten der Atemrinne bei den einzelnen Arten mehr oder minder stark gefiedert, wie auch die charakteristische Schwertform der Sinnesborsten sich nicht überall in der gleichen Weise ausgeprägt findet. Abgesehen von der Eigenart der Paratergite stimmen auch hier die Skeletteile der einzelnen Segmente ihrer Zahl und Lage nach völlig überein mit denen, die uns bei Nepa und Ranatra begegneten (vgl. Fig. A1—4, S. 188 u. B1-3, S. 201). Auch was die Lage der Stigmen und die chitinöse Auskleidung der Grubenhöhlung anbetrifft, so zeigt Laccotrephes die gleichen Verhältnisse wie jene. Nur an der Außenseite der Para- tergitlappen fällt uns noch ein eigenartiger Wulst auf, der sich von der am Rande befindlichen Einbuchtung lateralwärts bis dahin er- streckt, wo sich die Sinnesgrube im Innenraume der von der Falte überdeckten Rinne ins Integument einsenkt. Bei genauerem Zu- sehen bemerken wir, daß sich der Mündungskanal vom Paratergit- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 205 rande aus in der Richtung nach unserem Sinnesorgan hin allmählich so stark vertieft, daß auch die äußere Wandung des so flachen Paratergitlappens genötigt wird, nach außen hin auszuweichen. So entstehen die ianggestreckten Wülste an der Außenseite, welche schon äußerlich die Lage der Sinnesorgane am Integument verraten (vel. Taf. 10 Fig. 3). Entsprechend der Zahl dieser treffen wir auch jene Wülste auf beiden Seiten des 3.—6. Abdominalsegments an. Die Sinnesgrube selbst aber wird durch diese tiefe Einsenkung in die Innenwand in eine Lage gebracht, vermöge deren ihre Sinnes- borstenreihe in die gleiche Ebene mit dem Faltenrande des Para- tergitlappens zu liegen kommt, ganz ebenso, wie dies beim Gruben- rande der Nepa-Larve durch starke Emporwölbung des die Mündung bildenden Randteiles geschah. So zeigen uns die Species dieser Gattung Komplikationen im Bau ihrer Sinnesorgane, welche diejenigen von Nepa als ein- fach, die von Ranatra indessen geradezu als primitiv erscheinen lassen. Und doch können wir diese Komplikationen keineswegs etwa als besondere Verfeinerungen der Organe betrachten. Sie sind lediglich aufzufassen als Modifikationen unwesentlicher Bestand- teile, bedingt einzig und allein durch die mehr oder minder starke Ausbildung der Paratergitlappen bei den einzelnen Gattungen. Die Ursachen der Veränderungen aber, welche diese Nebenbestandteile erleiden, wird uns das Studium der physiologischen Verhältnisse, denen diese Larvalorgane unterliegen, erkennen lassen. ©. Physiologie der Organe. Der Vergleich des Baues der Organe bei den eben besprochenen drei Gattungen lehrt uns, daß alle im Prinzip ihrer Anlage und ihres Mechanismus völlig übereinstimmen. Den wesentlichen Be- standteil des Organs, nämlich die Sinnesborstenreihe, fanden wir bei allen in der gleichen Weise wieder. Insertionsweise, Stellung und Form dieser Sinnesborsten waren bei allen bisher betrachteten Ver- tretern der Nepiden-Familie im allgemeinen dieselben. Begegneten uns aber diese Gebilde bei Ranatra frei am wenig eingebuchteten Faltenrande stehend, so wurden sie, selbst in ihrer ursprünglichen Lage verharrend, schon bei Nepa und noch viel mehr bei Lacco- trephes überwuchert von den sich stark verlängernden Paratergit- lappen. Und da zeigte sich die überraschende Tatsache, daß eben diese Lappen keineswegs die Sinnesborsten vom Außenraum ab- 206 WALTHER BAUNACKE, schließen, sondern daß neue Mittel und Wege gefunden werden, um ihre Verbindune mit dem das Tier umgebenden Medium zu erhalten. Dieses Medium ist aber kein anderes als Wasser. Und in der Tat weist die ganze Anlage der Organe bis in ihre kleinsten Teile darauf hin, daß diese in vita mit Wasser gefüllt sind. Bei Ranatra, wo die Sinnesborsten frei zugänglich am Randsaume stehen, können dieselben leicht mit Hilfe der Füße einer Reinigung unterzogen werden. Dort aber, wo dies infolge der abgeschlossenen Lage un- möglich ist, werden die percipierenden Organe sauber gehalten durch ein Filter, welches alle Schmutzteilchen, die das aus- und einströmende Wasser mit sich führt, von den Sinnesborsten fernhält. Diese er- scheinen darum ebenso wie die Grubenhöhlung stets äußerst rein, während die Borsten des Filters immer stark verschmutzt sind, bis eine neue Häutung ihnen ihre Bürde abnimmt. Aber die Nervenend- apparate des Organs stehen nicht nur in Beziehung zum umgebenden Wasser, sondern auch zum Luftraume der Atemrinne. Bei Ranatra prägt sich dieses Verhältnis der Sinnesborsten zu beiden Medien darin aus, daß sie in gleicher Reihe mit den Deckborsten der Atem- rinne, d. h. dort, wo Wasser und Luft aneinandergrenzen, stehen. Bei Nepa und Laccothrephes indessen sehen wir ihre Verbindung mit dem Luftraume der Atemrinne ermöglicht durch eine Pforte (vgl. S. 194), während alle übrigen Teile des Organs durch Borsten scharf von diesem Raume geschieden sind. Den Zutritt des Wassers er- möglichten hier Mündung resp. Mündungskanal. Auch hier aber finden wir, ganz so wie bei Ranatra, die Sinnesborsten an der Grenze zwischen Luft und Wasser inseriert, eine Tatsache, die uns besonders deutlich der folgende Versuch beweist. Gelegentlich der Anwendung des Methylenblauverfahrens machte ich die Wahrneh- mung, daß dieser Farbstoff äußerlich gut am Integument haftete. Ich brachte nun Larven von Nepa cinerea lebend in eine wässrige Methylenblaulösung, so daß sie mit ihren Abdominalschaufeln zum Zwecke des Atmens die Oberfläche erreichen konnten, und lieb sie stundenlang in dieser Flüssigkeit. Dann setzte ich die Tiere zum Trocknen auf Filtrierpapier. Die Larven sahen jetzt äußerlich tief schwarzblau aus. Um mir nun einen Einblick in die Atemrinne zu verschaffen, injizierte ich die Tiere mit kochend heißer Glycerin- gelatine oder dünnem Gipsbrei dermaßen stark, daß sie nicht nur sofort getötet wurden, sondern der Körper kugelrund aufgetrieben wurde. Hierdurch legten sich die Paratergitfalten an beiden Seiten des Abdomens lateralwärts so um, daß nicht nur die ganze Atem- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 207 rinne, sondern auch sämtliche Sinnesgruben von der Innenseite aus sichtbar wurden. Und da zeigte die ganze Fläche der Atemrinne noch ihre natürliche Farbe, war also von der Lösung nicht benetzt worden. Anders die Sinnesgruben! Diese erschienen bei genauer Untersuchung stets von ihrer Mündung bis hin zum Grubenrande gleich dem äußeren Integument tiefblau gefärbt. Hier mußte also in vita das Wasser, welches den Farbstoff enthielt, gestanden haben. Und zwar reichte es bis hin zum Grubenrande, wo die Sinnesborsten stehen. Wir finden sie also auch hier wieder, trotz ihrer versteckten Lage, an der Grenze zwischen Luft und Wasser stehend. Der ex- perimentelle Nachweis der gleichen Tatsache bei Laccothrephes war mir unmöglich, und doch halte ich mich auf Grund der an sämt- lichen Gattungen im wesentlichen gleichen anatomischen Befunde zu der Annahme berechtigt, daß auch bei Laccothrephes die Sinnes- borsten an der Grenze beider Medien stehen. Diese Annahme wird auch ferner gestützt dadurch, daß wir bei Nepa, besonders aber bei Laccothrephes, das Bestreben beobachten konnten, die Sinnesborsten in die gleiche Ebene zu bringen mit den Deckborsten des Falten- randes, als deren unmittelbare Nachbarn wir sie bei Ranatra kennen lernten. Fragen wir uns nun nach der Wirkungsweise und der Art der Reize, welche diese eigenartigen Organe aufzunehmen bestimmt sind, so gibt uns die beste Antwort die Untersuchung der physikalischen Verhältnisse, unter denen das Tier lebt. Betrachten wir zu diesem Zwecke eine Ranatra-Larve, bei der ja der Mechanismus des ganzen Organs am einfachsten war, und zwar in der Horizontallage! Wir finden in der Atemrinne Luft eingeschlossen, die ventralwärts durch die starren Deckborsten der Atemrinne am Entweichen gehindert wird. Nur dort, wo am Randsaume die beweglichen Sinnesborsten stehen, findet sich, durch deren geringe Länge verursacht, eine Lücke in dieser Bedeckung (vel. Fig. C2 u. 3, S.208). Aber diese wird von den benach- barten Deckborsten so weit ausgeglichen, daß ein Entweichen der Luft auch hier undenkbar ist, selbst dann, wenn das Tier zufällige auf dem Rücken läge. Immerhin ist dieser Ausgleich kein so vollkommener, daß nicht eine dreieckige Stelle bliebe, die, lateralwärts von der Reihe der Sinnesborsten, oral- und analwärts aber von den an- grenzenden Deckborsten begrenzt, eine freie Berührung der beiden verschiedenen Medien, nämlich des umgebenden Wassers mit der Luft der Atemrinne, gestattet, ohne dab Wasser in die Atemrinne einzudringen resp. Luft aus derselben zu entweichen vermag. Ver- 208 WALTHER BAUNACKE, Fig. ©. Zur Physiologie der Larvalorgane. 1. Nepa-Larve mit den angenommenen Drehungsachsen L, Q, C, D. 2. Sinnesgrube von Ranatra mit Angabe der Schnittlinie S—S. 3. Durch die Sinnesgrube in der Schnittlinie S—S geführte Querschnitte. a Die Sinnesgrube liegt hoch: Kontaktfläche e konvex. b Die Sinnesgrube liegt tief: Kontaktfläche c konkav. (Bezeichnungen siehe am Schluß der Arbeit!) Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 209 möge ganz ähnlicher physikalischer Verhältnisse gelingt es bekannt- lich auch, in einem verhältnismäßig weitmaschigen Netze große Luftmengen mit unter das Wasser zu ziehen, ohne daß sie ent- weichen. Was geschieht nun aber, wenn das Tier sich bewegt und seine Lage dabei ändert? Nun, vermöge ihres Auftriebes wird die ein- geschlossene Luft nach der höchstgelegenen Stelle der Atemrinne hindrängen und nicht nur auf die Wandung der Rinne, sondern auf die ganze Deckborstenreihe einen Druck ausüben, dem diese jedoch standzuhalten vermögen. Nur die leicht beweglichen Sinnesborsten sind gezwungen, dort, wo dieser Druck ausgeübt wird, nachzugeben, und werden sich sämtlich nach auswärts biegen. Anders die Sinnes- borsten derjenigen Organe, die zu gleicher Zeit am weitesten unten liegen. Dort wird der Andrang der Atemluft nachlassen, so dab das umgebende Wasser die Sinnesborsten nach innen drückt. So adhärieren die letzteren gewissermaßen am Wasserspiegel, machen jede durch die Bewegung des Tieres verursachte Schwankung des- selben mit und empfangen so Reize, die, der augenblicklichen Stellung des Tieres entsprechend, verschiedene sind (vgl. Fig. C2, 3, S. 208). Gerade aber durch die soeben beschriebene Lücke in der Borsten- decke der Atemrinne, welche die gänzlich freie Berührung beider Medien in unmittelbarer Nähe der Sinnesborsten ermöglicht, werden diese Schwankungen des Wasserspiegels in gewisser Weise geregelt. Und zwar geschieht diese Regelung derart, daß bei schräger Lage des Tieres die freien Berührungsflächen beider Medien in den hoch- gelegenen Sinnesorganen sich konvex nach außen (vgl. Fig. C3a, S. 208), in den untenliegenden aber konkav nach innen (vgl. Fig. C3b, S. 208) wölben, wodurch eine regelmäßige dorsoventrale Bewegung der am lateralen Rande dieser Kontaktfläche stehenden Sinnesborsten ge- sichert erscheint. Diese Wölbung aber wird mit zunehmender Gröbe des Neigungswinkels sowohl in konkaver wie konvexer Richtung verstärkt. Je stärker aber die Wölbung dieser Fläche wird, um so mehr werden auch die Sinnesborsten aus ihrer Normallage verdrängt. Da wir aber nun diese Organe über vier Segmente des Tieres ver- teilt finden, wird dieses in den Stand gesetzt, seine jeweilige Lage im Raum zu erkennen an der Verschiedenheit und Stärke der Reize, die es in den einzelnen Sinnesgruben empfängt. Wir haben hier also ein System von Sinnesorganen vor uns, dessen Zweck kein anderer ist, als das statische Empfinden zu vermitteln. Um nun aber eine klare Vorstellung von der Art und Weise, 210 WALTHER BAUNAUKE, wie das statische Empfinden vermittels dieses Organsystems vor sich geht, zu gewinnen, wollen wir das Verhalten der einzelnen Organe, so wie es den Gesetzen des Auftriebes entspricht, bei jeder möglichen Lage des Tieres betrachten. Ob nun das Tier einen Reiz etwa nur dann empfindet, wenn die Sinnesborsten nach innen, oder aber dann, wenn sie nach außen gedrängt werden, oder ob beiderlei Reize gleichzeitig wahrgenommen werden, das will ich dahingestellt sein lassen. Die Hauptsache ist jedenfalls, daß bei jeder von der Horizontalen abweichenden Lage beiderlei Reize, die das Tier an verschiedenen Stellen des Körpers empfängt, verschieden geartet sind und daß somit gerade der Unterschied dieser Reize es ist, der ihm die Art seiner Lage im Raum zu erkennen gibt. Denken wir uns vier Achsen durch das Tier gelegt, die alle in der gleichen horizontalen Ebene liegen und deren zwei mit Längs- und Querachse identisch sind, während die beiden anderen diagonal verlaufen, wie dies Fig. C1 S. 208 zeigt, und betrachten die Vorgänge in den einzelnen Organen während der Drehung um diese Achsen, so ergeben sich folgende Möglichkeiten: I. Das Tier dreht sich um die Längsachse. a) Die linke Seite des Körpers liegt höher als die rechte: Die Sinnesborsten aller links gelegenen Organe werden nach außen, die der rechten nach innen gedrängt. b) Die rechte Seite liegt höher als die linke: Das Umgekehrte tritt ein. Bei einer Drehung um die Längsachse werden also je vier Organe derselben Körperseite in genau gleicher Weise gereizt. Für alle Segmente ist der Reizunterschied zwischen den beiderseitigen Organen der gleiche. II. Das Tier dreht sich um die Querachse. a) Das Kopfende liegt höher als das Analende: Die Sinnesborsten des vordersten Organpaares werden am weitesten nach auben, die des hintersten am stärksten nach innen gedrängt. Die Sinnesborsten der übrigen Grubenpaare nehmen Zwischenstellungen ein. b) Das Kopfende liegt tiefer als das Analende: Das Umgekehrte tritt ein. Bei der Wendung um die Querachse erleiden die Organe nur paarweise im gleichen Segment denselben Reiz. Der Reizunterschied ist am stärksten zwischen dem ersten und letzten Grubenpaar, Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 211 während die beiden mittleren Paare in bezug auf die Stellung ihrer Sinnesborsten stets den Übergang herstellen. III. Das Tier dreht sich um die Diagonale C—C. a) Der rechte vordere Körperabschnitt liegt höher als der hintere linke: In der rechten vordersten Grube werden die Sinnesborsten am stärksten nach außen, in der hintersten linken Grube indessen am stärksten nach innen gedrängt. Die Sinnesborsten aller übrigen Organe nehmen entsprechende Zwischenstellungen ein. b) Der rechte vordere Körperabschnitt liegt tiefer als der hintere linke: Das Gegenteil tritt ein. Der Reizunterschied bei einer Drehung des Tieres um die Diagonale C—C ist am größten zwischen dem vordersten rechten und dem hintersten linken Sinnesorgan. Er macht sich in jedem Segment für die einzelnen Paare der Organe geltend. IV. Das Tier dreht sich um die Diagonale D—D. a) Der linke vordere Körperabschnitt liegt höher als der rechte hintere: In der linken vordersten Grube werden die Sinnesborsten am weitesten nach außen, in der hintersten rechten aber am stärksten nach innen gedrängt. b) Der linke vordere Körperabschnitt liegt tiefer als der rechte hintere: Das Umgekehrte tritt ein. Der Reizunterschied bei einer Drehung des Tieres um die Achse D—D ist am größten zwischen der linken vordersten und der rechten hintersten Sinnesgrube; er besteht für alle Organe der ein- zelnen Segmente. In der horizontalen Lage des Tieres würden natürlich alle Organe den gleichen Reiz erleiden, d. h. ihre Sinnesborsten würden die Normallage einnehmen, das ganze Organsystem würde also im Gleichgewicht sein. Werden nun auch die Lageänderungen des Tieres in natura nicht immer nur um die von mir willkürlich angenommenen Achsen ausgeführt, wie es sich ja natürlich um jede beliebige Achse, ja auch um deren zwei gleichzeitig drehen kann, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß das Tier bei jeder beliebigen von der Horizontalen abweichenden Körperlage einander vollkommen ent- gegengesetzte Reize in stets anderen Organen empfindet. Die da- Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 14 212 WALTHER BAUNACKE, durch bedingte mit der Lageänderung wechselnde Empfindung also orientiert das Tier genau über seine Lage im Raume. Merkwürdig erscheint nur die Tatsache, daß das Tier so viele Organe besitzt. Könnte es nicht vielleicht schon mit einem einzigen, einem Paare oder vielleicht mit vieren gut auskommen? Nun, die Existenz einer einzigen Sinnesgrube wäre schon darum völlig un- denkbar, weil diese Organe durchaus einseitig angelegt sind und in ihrer Funktion somit auf die Mitwirkung mindestens noch einer gleich gebauten und entgegengesetzt gerichteten Sinnesgrube an- gewiesen sind. Das Vorhandensein nur zweier solcher Sinnesorgane, etwa im gleichen Segmente gelegen, würde dem Tiere lediglich die Drehung um eine Achse anzeigen. Wie steht es nun aber, wenn das Tier beispielsweise das vorderste und das hinterste Organpaar besäße und ihm alle dazwischen gelegenen fehlten? Dann könnte es sich tatsächlich über jede Lageänderung seines Körpers orientieren. Warum finden sich dann aber in jedem Segment, das nur irgend Raum bietet, derartige Organe? Ist auch die Möglichkeit nicht aus- geschlossen, daß die Existenz derselben in einzelnen Segmenten lediglich auf homonomer Anlage beruht, so ist es doch andrerseits sicher, dab die große Anzahl solcher Sinnesgruben und ihre so gleich- mäßige Verteilung über fast das ganze Abdomen eine Vergrößerung der Reizintensität und somit eine wesentliche Verfeinerung des statischen Empfindens mit sich bringt. Wie verhält sich aber nun das dem Tiere eigene Organsystem in verschiedenen Wassertiefen? Befähigt es etwa auch das Tier, im freien Wasser die Entfernung von der Oberfläche nach dem Grunde hin wahrzunehmen? Nein, denn die Differenz der in den Einzelorganen wirkenden Reize ist in jeder beliebigen Wassertiefe die gleiche, und die so überaus geringe Volumenänderung der ein- geschlossenen Luftmenge infolge des mit der Tiefe zunehmenden Wasserdruckes übt sicher keinerlei Einfluß auf ihre Funktion aus. So kommt es auch nicht auf die Menge der eingeschlossenen Luft an. Einen sehr wesentlichen Einfluß auf die Funktionsfähigkeit des ganzen Systems aber übt die Entfernung der einzelnen Organe untereinander aus, wie wir ja schon oben beispielsweise feststellen konnten, daß der Reizunterschied stets für diejenigen Sinnesgruben am bedeutendsten ist, welche am weitesten voneinander entfernt liegen. Wir werden späterhin noch sehen, wie gerade dieser Einflub in vieler Hinsicht auf die Ausbildung und Anordnung der Organe Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 213 bei der Larve wie auch bei der Imago aller 3 Gattungen be- stimmend einwirkt. So beruht also die Funktion dieses eigenartigen Orientierungs- systems im Grunde nur darauf, daß ein unter Wasser befindliches Volumen von Luft unter dem Einflusse seines Auftriebes seine Form mit jeder Lageänderung wechselt und die an bestimmten Stellen, d. h. den Sinnesgruben, nachgiebige Umhüllung in Mitleidenschaft zieht. Trotz des anscheinend komplizierten Baues der einzelnen Organe bei Nepa und Laccotrephes ist deren Wirkungsweise die gleiche. Denn auch der bei diesen Formen die Sinnesborsten tragende Gruben- rand ist keineswegs als Neubildung zu betrachten. Er ist homolog und analog dem Teil des Faltenrandes, der uns bei Ranatra die percipierenden Organe zeigte. Bei Nepa und Laccotrephes indessen wurde er, in seiner ursprünglichen Lage verharrend, von den sich medialwärts verlängernden Paratergitwülsten überwuchert und da- durch vom Randsaume derselben isoliert. Mündung, respektive Mündungskanal, Filter, Grubenhöhlung und -pforte indessen sind Neubildungen, die als Folgeerscheinungen dieser Modifikation der Paratergite lediglich den Zweck haben, dem so isolierten Organ die gleichen physikalischen Bedingungen, denen es am Randsaume unterlag, zu erhalten. Nur dann konnte dieses funktionsfähig bleiben. So sehen wir bei Nepa den Grubenrand beiderseits in den Rand- saum übergehen und beobachten ein gleiches Verhalten am Rande des Mündungskanals bei Laccotrephes. Hier wie dort erkannten wir, daß der Grubenrand in der gleichen Ebene mit dem Rande der Paratergitfalte liegt, und fanden ferner die Fläche der Gruben- höhlung frei von Borsten und ausgekleidet mit glattem Chitin, damit das bis hierher reichende Wasser ungehindert bis zum Grubenrande mit der Sinnesborstenreihe vordringen kann. In der bei diesen Gattungen neu auftretenden Pforte aber haben wir nichts anderes vor uns als ein Gebilde, welches analog jener in der Bedeckung der Atemrinne bei Ranatra frei bleibenden Lücke nur den Zweck hat, auch hier zwischen den beiden Medien Luft und Wasser eine freie Kontakt- fläche zu schaffen und deren Formveränderungen auf die Sinnes- borsten einwirken zu lassen. So weisen diese und noch manche andere Umstände darauf hin, daß die Funktion dieser Organe bei allen Gattungen tatsächlich die gleiche ist. Nur dann wird es auch verständlich, warum die Sinnesborsten bei Nepa und Laccotrephes der Verschiebung des Randsaumes nicht folgten, sondern ihre ur- 14* 214 WALTHER BAUNACKE, sprüngliche Lage beibehielten. Durch eine Verlagerung entsprechend dem medialwärts gerichteten Vordringen des Faltensaumes würde ihre Funktionsfähigkeit insofern beeinträchtigt, als dann gleichzeitig mit der Entfernung auch der Unterschied der Reize der im gleichen Segment gelegenen Sinnesorgane sich verringerte. Wozu brauchen aber nun diese bekanntlich so trägen Tiere derartige Sinnesorgane ? Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir schreiten, nachdem wir die Umwandlungen der Organe während der Metamorphose und ihre Anlage und Wirkungsweise auch bei der Imago kennen gelernt haben. Dann soll uns auch das Experiment zeigen, wie gut bei Larve und Imago diese abdominalen Sinnesorgane ihre Aufgabe erfüllen. IV. Ontogenie. A. Vor der letzten Häutungsperiode. a) Erstes Auftreten und Entwicklung der Organe. Wenn wir nunmehr übergehen zur Betrachtung derjenigen Vor- gänge, welche die Larvalorgane umformen zu den Gebilden, wie sie uns bei der Imago begegnen, müssen wir die ganze ontogenetische Entwicklung der Tiere berücksichtigen. Denn eine Anzahl der Ver- änderungen, denen die Larvalorgane unterliegen, setzen schon lange vor jener Zeit ein, in der sich das Tier zur letzten Häutung vor- bereitet. Joanny Martin (1895) sah die Organe nach der zweiten oder dritten Häutung erscheinen und schreibt darüber p. 110 folgendes: „Un peu plus tard, après la deuxième ou troisième mue on voit apparaître, à trois ou quatre des segments abdominaux, sur le bord externe du sillon stigmatifère et près des stigmates eux mêmes une dépression du tégument, très faible, en forme de croissant, un onglet, qui contient déjà sept ou huit ponctuations plus claires, disposées en file, donnant ainsi l’image très reduite d’une membrane en écumoire“, und weiterhin: „Mais au fur et à mesure de la croissance de la larve, la tache perd sa forme de croissant, s’arrondit et, en S’agrandissant, donne alors une plaque criblée, sorte d’ecusson sculpté qui est, en petit, ce que les faux stigmates sont chez l'adulte.“ So denkt sich dieser Autor die ganze ontogenetische Entwicklung der Organe lediglich als eine Vergrößerung, die Hand in Hand geht mit einer Vermehrung der „hellen Punkte“, welche wir als die Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 215 percipierenden Sinnesborsten kennen lernten. Doch die Vorgänge, welche die Larvalorgane zu den sogenannten siebförmigen Stigmen der Imago umbilden, sind keineswegs so einfach, wie sich MARTIN dies denkt. Zunächst treten die Organe sowohl bei Ranatra wie auch bei Nepa nicht erst nach der zweiten oder gar nach der dritten Häutung auf, wie Marrıy mitteilt, sondern sind bereits im ersten Stadium vorhanden. Sie zeigen hier nur ganz wenige Sinnesborsten, die bei Ranatra auffallend lang erscheinen und dem in dieser Zeit kaum wahrnehmbar eingebuchteten Faltenrande in einer Reihe mit den Deckborsten aufsitzen (vgl. Taf. 10 Fig. 10). Schon das zweite Stadium der Vertreter dieser zuletzt genannten Gattung, deren Zucht durch mehrere Häutungsperioden hindurch mir gelang, zeigt den Faltenrand dort, wo er die Sinnesborsten trägt, deutlich eingebuchtet, diese selbst aber auf diejenige Länge verkürzt, in der wir sie bei älteren Larven vorfinden (vgl. Taf. 10 Fig. 11). Mit jeder neuen Häutung, die natürlich auch eine Vergrößerung der Larvalorgane mit sich bringt, erfolgt bei Nepa sowohl wie auch bei Ranatra eine Vermehrung der Sinnesborsten, aber nicht durch Neubildung, sondern durch Modifikation einiger dem Grubenrande benachbarter Borsten des angrenzenden Integuments. So wird die Reihe der Sinnesborsten mit zunehmendem Alter der Larve immer länger, aber auch regel- loser. Gleichzeitig mit diesen Veränderungen vollzieht sich im Laufe der larvalen Entwicklung auch, wie Martin ganz richtig beobachtete, eine Annäherung der Sinnesgrube an das im gleichen Segment medial- wärts schräg vor ihr gelegene Stigma. Und zwar rückt bei jeder Häutung das Sinnesorgan am Faltenrande ein kleines Stück weiter oralwärts, so daß dadurch auch die beiden Teile des betreffenden Tergitlappens immer ungleicher werden (vgl. Taf. 10 Fig. 12 u. 13). Doch kommt das Organ auch im letzten Stadium nicht in direkte Berührung mit dem Stigma, wie dies Marri angibt, sondern liegt immer noch um etwa zwei Stigmenbreiten von diesem entfernt (vgl. Taf. 10 Fig: 13). b) Wachstumseinstellung des vorderen Organpaares und deren Ursache. Diesen Veränderungen unterliegen alle Organe, nur diejenigen des 3. Abdominalsegments, das von Martin fälschlich als 2. bezeichnet wird, machen eine Ausnahme insofern, als sie ihr Wachstum nur eine gewisse Zeitlang fortsetzen, dann aber auf diesem Standpunkte 216 WALTHER BAUNACKE, stehen bleiben. So erscheinen diese letzteren bei älteren Larven stets bedeutend kleiner als die übrigen. Aber nicht allein durch die Einstellung ihrer Größenzunahme, sondern schon vom ersten larvalen Stadium ab sind diese vordersten Organe besonders gekenn- zeichnet. Während im 4.—6. Segment nämlich das Stigma von An- fang an fast mitten in der Grenznaht von Paratergit und Sternit lag, finden wir es hier medialwärts weitab von derselben im Sternit und somit von der Sinnesgrube weit entfernt (vgl. Fig. A2 S. 188). Eine spätere Annäherung beider erfolgt nicht. Im Laufe der letzten Häutung geht dann dieses Grubenpaar verloren, d. h. es wird voll- ständig rückgebildet, wie auch die zugehörigen Stigmen atrophieren (vgl. Docs, 1908, p. 28). Martin hat aus der schon im larvalen Alter beginnenden Rück- bildung dieses vordersten Grubenpaares in Unkenntnis des physio- logischen Wertes, den die Sinnesorgane für ihre Träger besitzen, den Schluß gezogen, dab diese überhaupt in Rückbildung begriffen seien und ihre Bedeutung verloren hätten. Da erscheint es nur sehr merkwürdig, daß gerade das vordere Grubenpaar den übrigen auf diesem Wege der phylogenetischen Entwicklung soweit voran- schreitet. Jener Vorgang zeigt uns doch lediglich das eine, daß nämlich das erste Grubenpaar nach einem gewissen Zeitraume seines Bestehens für die Larve entbehrlich wird und somit als bedeutungs- los der Rückbildung anheimfallt. Wir müssen uns vielmehr fragen, warum überhaupt diese Organe des 3. Segments dann von vorn- herein noch angelegt werden. Das aber hat seinen guten Grund. Wir haben schon oben gesehen, daß zur Funktionsfähigkeit des ganzen Organsystems ein gewisser Abstand der einzelnen Organe vonein- ander nötig ist. Und so leistet dieses vorderste Grubenpaar der Jungen Larve gute Dienste zu einer Zeit, wo diese noch nicht jene Körperlänge erreicht hat, welche einen Abstand zwischen den übrigen Organen gewährleistet, wie er zur Erzielung genügend großer Reiz- unterschiede benötigt wird. Sobald indessen das Tier jenes Stadium erreicht hat, in dem der Abstand zwischen dem 2. und 4. Gruben- paar allein schon für jenen Zweck genügt, wird das 1. Organpaar überflüssig. Die Sinnesgruben des 3. Segments sind demnach vor- wiegend Hilfsorgane, welche das Tier in seiner Jugend gebraucht. Diesen Tatsachen indessen scheinen die Verhältnisse, wie wir sie bei den Larven von Ranatra finden, zu widersprechen, denn eine verhältnismäßig junge Larve dieser Gattung übertrifft an Körper- länge selbst eine ältere Larve von Nepa oder Laccotrephes ganz be- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 217 deutend. Da wir jedoch annehmen müssen, daß die Reizintensität nicht nur mit dem Abstande der Sinnesorgane voneinander, sondern auch mit der Zahl der den Reiz empfindenden Elemente wächst, er- gibt sich die Erklärung jenes scheinbaren Widerspruches ohne weiteres. Alle Species der Gattung Ranatra zeigen nämlich in ihren Sinnesorganen bedeutend weniger Sinnesborsten als die Vertreter der ihr verwandten beiden Gattungen Nepa und Laccotrephes. B. Während der letzten Häutungsperiode. AA. Nepa cinerea. a) Ursachen der Umformung des Abdomens. Alle übrigen Sinnesorgane werden in der Zeit, in. der sich die Umwandlung der Larve zur Imago vollzieht, einer derart um- fassenden Veränderung in bezug auf ihre Anlage und ihren Mecha- nismus unterworfen, daß sie ohne weiteres nicht als die ehemaligen Sinnesgruben wieder zu erkennen sind. Erst wenn wir die Meta- morphose während der letzten Häutung in allen ihren Stadien ver- folgen, erkennen wir den ontogenetischen Zusammenhang der Imagi- nalorgane mit denen der Larve. Die Umbildung, die sich an den Larvalorganen während dieser Zeit vollzieht und sie zu den kom- plizierten Gebilden macht, als die wir sie bei der Imago wieder- finden, steht im engsten Zusammenhange mit der Metamorphose des gesamten larvalen Abdomens. Die Art und Weise, wie jene vor sich geht, wie auch ihr Zweck werden uns ohne weiteres verständlich, wenn wir zuvor einen Blick werfen auf die Ursachen der Meta- morphose des Abdomens in ihrer Gesamtheit und die morphologischen Veränderungen, welche sie bedingen. Beim Übertritt der Larve zum imaginalen Leben tritt zu den bis dahin schon vorhandenen eine neue Lebensfunktion, nämlich die Fortpflanzung. Die Ausübung der Fortpflanzung aber stellt an den Körper des Tieres Anforderungen, welche dieser in der Form, wie ihn uns die Larve zeigte, unmöglich erfüllen kann. Und gerade darum machen sich alle jene Veränderungen nötig, die sich in der Zeit der letzten Häutung am larvalen Hinterleib vollziehen und diesen fähig machen, jenen Anforderungen zu genügen. Von allen diesen Vorgängen aber interessieren uns besonders die Rückbildung der Atemrinne wie der sie bedeckenden Paratergitfalte und als 218 WALTHER BAUNACKE, deren Folge die Umbildung der larvalen Sinnesorgane. Gleich jenen ist auch die vollkommene Rückbildung des vorderen Grubenpaares zu betrachten als eine Vorbereitung auf den Eintritt der geschlecht- lichen Reife. (seschlechtsreife Die Ausübung der Fortpflanzung er- scheint an sich schon, im Vergleich mit anderen Formen, bei diesen Tieren bedeutend erschwert durch deren so absonderliche Körper- gestalt. Werden ohnehin schon am Körper der Imago, wie wir später sehen werden, besondere Vorkehrungen getroffen, um das An- schwellen des Abdomens während der Zeit der geschlechtlichen Reife zu ermöglichen, um wieviel schwieriger würde dieses vor sich gehen bei gleichzeitigem Gebrauch der Atemrinne! Ja, die Funktion der- selben würde unmöglich werden, weil sie sich infolge der Schwellung der Geschlechtsorgane Öffnen würde in ganz ähnlicher Weise, wie wir dies oben bei unserem Experiment S. 206 sahen. Begattung. Aber ihr Fortbestehen wird auch weiterhin zur Unmöglichkeit gemacht durch die unter so eigenartigen Umständen erfolgende Begattung dieser Tiere. Infolge der namentlich bei Nepa zu beobachtenden, fast unmöglich erscheinenden Körperverdrehungen, unter denen diese vor sich geht, würde die Paratergitfalte dermaßen in Unordnung gebracht, daß sie ihren Zweck, die Atemrinne zu decken, wohl kaum mehr erfüllen könnte. Aber auch für das end- gültige Schwinden des vorderen Grubenpaares sind die Verrenkungen, welche der Körper bei der Ausübung der Copulation erleidet, neben anderen schon erwähnten Ursachen mit verantwortlich zu machen. Verhältnismäßig gering sind die Schwierigkeiten, welche sich der Annäherung der männlichen und weiblichen Genitalien zum Zwecke der Begattung in den Weg stellen, bei der so langgestreckten Ranatra linearis. Hier setzt sich das männliche Tier so neben das weibliche, daß es dieses mit den überaus langen, dünnen Beinen der einen Seite zu umfassen vermag, während es sich mit den übrigen Beinen gleich dem Weibchen an Pflanzen oder am Boden festhält. Dann biegt es das Abdomen wenig abwärts und soweit seitwärts, dass dessen hinteres Ende nahe genug an die Genitalöffnung des Weibchens herankommt, um die Einführung des Penis zu ermög- lichen. Das weibliche Tier behauptet während der ganzen Dauer dieses Aktes seine normale Körperlage. Nicht so einfach gestaltet sich die Ausübung der Begattung bei Nepa. Da hier das Männchen während des Copulationsaktes auf dem Rücken des weiblichen Tieres sitzt, ist es gezwungen, um zu Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 219 dessen Genitalien zu gelangen, das breite Abdomen in einer Weise zu verdrehen, die man in Anbetracht seiner flachgedrückten Form kaum für möglich hält. Gerade aber diese merkwürdige Biegung des männlichen Abdomens berücksichtigt Hewirr (1906) in seiner sonst so ausführlichen Beschreibung der Paarung dieser Tiere viel zu wenig. Er richtet sein Augenmerk hauptsächlich auf die diesen Akt begleitenden Nebenumstände, wie die Lage der Atemröhren und anderes, die er p. 89 wie folgt beschreibt: “The male bends down the end of its abdomen underneath that of the female so that the coitus can take place. This awkward position causes the proximal ends of the setae forming the respiratory siphon to separate some- what, but they are brought in as close juxtaposition as possible; the distal end communicates with the air as in the female, the siphons of both male and female are in close proximity.” Auch seine Abbildung zeigt gerade von der so sonderbaren Knickung des männ- lichen Abdomens nichts, da sie die Tiere von der Dorsalseite ge- sehen zur Darstellung bringt. Ich selbst hatte während der Monate März bis Mai fast täglich Gelegenheit, die Paarung dieser Tiere, welche zu jeder Tageszeit und mit Vorliebe auch im hellen Sonnen- schein ausgeübt wird, im Aquarium zu beobachten, und wandte mein Interesse dabei vorwiegend der Haltung des männlichen Abdomens zu (vgl. Taf. 11 Fig. 19 u. 20). Das Männchen sitzt seitlich so auf dem Rücken des Weibchens, daß nur die eine Körperseite auf diesem ruht und der hintere Teil des männlichen Abdomens über dem des Weibchens weit nach hinten zu hinausragt. Es umfaßt das letztere in der Gegend das Metathorax fest mit den Raubbeinen, um dann sein Abdomen zunächst wenig abwärts, dann aber direkt seitwärts so zu biegen, daß die Dorsalseite seiner Genitalsegmente auf die Ventralseite derjenigen des weiblichen Tieres zu liegen kommt. Dann spreizt. es die beiden Hälften seiner Atemröhre weit ausein- ander und biegt den Penis zwischen diesen hindurch dorsalwärts so um, daß er die weiblichen Genitalien erreicht. Nicht also die „awkward position“, wie Hewrrr meint, veranlaßt die Öffnung der Atemröhre. Diese hat lediglich den Zweck, dem Penis den Weg frei zu machen zu den Genitalien des Weibchens. Das Abdomen selbst wird bei dieser Verbiegung in seiner Längsachse einfach seitwärts, sein äußerer, dem Weibchen zunächst gelegener Teil um eine nur dem Männchen eigene besondere Schrägnaht aber so ventralwärts nach innen umgeklappt, daß in den vorderen Segmenten der Körper- rand die Mediane der Ventralseite berührt. Dadurch, daß dann die 220 WALTHER BAUNACKE, hinteren Segmente unter Benutzung ebenfalls nur beim männlichen Tier vorhandener sekundärer Quernähte, die ich weiterhin noch genauer besprechen will, lateralwärts nach dem Weibchen zugewandt werden; bildet sich zwischen der Dorsalseite des so eingeknickten männlichen Körperrandes und den Flügeln eine tütenartige Falte, die während der Begattung das hintere Abdomen des Weibchens aufnimmt. Das Weibchen selbst behält seine normale Körperhaltung bei, auch seine Atemröhre bleibt geschlossen und wird mitunter nur wenig seitwärts gelegt, während diejenige des männlichen Tieres nach vollzogener Einführung des Penis in die weiblichen Genitalien sich ebenfalls wieder schließt, soweit dies möglich ist. Findet die Paarung im tieferen Wasser statt, dann kommt das Weibchen mit seiner lebendigen Bürde auf dem Rücken ab und zu nach oben, um durch die Atemröhre sich von neuem mit Luft zu versehen. Dann benutzt auch immer das Männchen diese Gelegenheit. um in gleicher Weise zu atmen. So sitzen die Tiere viele Stunden fest aneinander geklammert, unterbrechen aber den Koitus von Zeit zu Zeit. Die Männchen vermögen diesen Akt von beiden Seiten her genau in der gleichen Weise auszuüben, indem sie eben das Abdomen entweder nach links oder nach rechts seitwärts biegen, so, wie es die Lage des Weibchens erfordert. Die völlige Übereinstimmung der Metamorphose des larvalen Abdomens sowie vor allem die Existenz der gleichen sekundären Geschlechtsmerkmale beim männlichen Tiere, die wir noch kennen lernen werden, lassen es als sicher erscheinen, daß auch bei den Laccotrephes-Arten die Paarung sich in derselben Weise vollzieht. So zeigen uns die Beobachtung des Geschlechtslebens dieser Tiere und die Untersuchung ihrer damit in Zusammenhang stehen- den physiologischen Bedürfnisse deutlich, wie wichtig für sie die Rückbildung der Atemrinne und des vorderen Grubenpaares ist. Denn gerade die am Rande des dritten Segments gelegenen Platten, auf denen wir bei der Imago die umgebildeten Sinnesgruben zu suchen hätten, werden sowohl bei Ranatra wie auch namentlich bei Nepa und Laccotrephes bei den oben geschilderten Verbiegungen des Abdomens am meisten in Mitleidenschaft gezogen. Ja, sie werden bei den Vertretern der zuletzt genannten Gattungen sogar so stark geknickt, daß es, wie wir weiterhin sehen werden, zur Aus- bildung einer besonderen Naht kommt, welche die Platten so teilt, daß sie die eigentlich hierher gehörigen Sinnesorgane einfach halbieren würde. Ss Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 221 vil NS wur: Ni so Ni Npv Fig. D. Zur Einebnung von Paratergitfalte und Atemrinne. 1. Querschnitt, durch das Abdomen im Larvenstadium. 2. Querschnitt durch das Abdomen im Ubergangsstadium: Das Sinnesorgan wird während der Streckung der Paratergitfalte aus seiner ursprünglichen Lage gebracht. 3. Querschnitt durch das imaginale Abdomen: Einebnung erence Sinnesorgan auf die freie Ventralfläche verlagert. Fig. EE Querschnitt durch das larvale Abdomen kurz vor der letzten Häutung. Im Inneren die Anlage des jungen imaginalen Integuments. (Bezeichnungen siehe am Schluß der Arbeit!) 222 WALTHER BAUNACKE, b) Die Umbildung des Abdomens. Wie aber geht nun der durch den Eintritt der geschlechtlichen Reife verursachte Umbildungsprozeß am Abdomen vor sich? Außer der Größe zeigt uns fast nichts als die beginnende Schwärzung der kurzen Flügelscheiden am Äußeren der Larve an, daß diese dem Eintritt in das Imaginalstadium entgegengeht. Doch lange schon ehe dieses Zeichen sichtbar wird, setzen im Inneren des Tieres die Umwandlungen ein, welche zur Bildung des neuen Gewandes er- forderlich sind. Wie auch sonst vor jeder Häutung, so machen sich auch vor dem Abwerfen der letzten Larvenhaut die Vorbereitungen des Tieres hierzu auf dem Querschnitt (Fig. E, S. 221) dadurch be- merkbar, daß sich die Hypodermis, deren Zellen zu dieser Zeit gut differenziert erscheinen, von der alten Cuticula loslöst und unter vielfacher Faltung teilweise nach dem Körperinnern hin zurückzieht. So geht auch die Bildung des neuen Integuments in gleicher Weise wie bei allen vorhergehenden Häutungen vor sich; während aber sonst die neue Cuticula, abgesehen von der Größenzunahme, im wesentlichen als eine getreue Nachbildung der abgeworfenen Haut erschien, machen sich vor der letzten Häutung an verschiedenen Stellen des Abdomens sonderbare Verschiebungen, Umbildungen und vor allem auch starke Kontraktionen bemerkbar. Das Integument im allgemeinen. In ihrer Eigenschaft als Matrix des neu zu bildenden Integuments zeigt uns die Hypo- dermis selbst am besten die Wirkungsweise aller jener umbildenden Einflüsse. Betrachten wir zunächst die Änderungen, denen sie in ihrer Gesamtheit unterworfen ist, an einem Querschnitt (vgl. Fig. E, S. 221), so fällt uns ohne weiteres auf, daß die Haut der Bauchseite viel stärker in Mitleidenschaft gezogen wird, als die der Rückendecke. Wir sehen nämlich die neugebildete Haut auf der Ventrallseite weit tiefer und unregelmäßiger eingefaltet und infolgedessen hier und dasehr viel mehr von der alten Haut entfernt als auf der Rückenseite des Abdomens. Auf letztgenannter faltet sich die Matrix mitsamt der jungen Cuticula ziemlich gleichmäßig und doch nur soweit, wie dies ihre Größenzunahme und der daraus resultierende Raummangel erfordern. Und zwar nimmt die Stärke dieser Fältelung zu, je näher der Zeitpunkt der Häutung rückt. In gleicher Weise erstreckt sich jene Faltung rings um das ganze Abdomen herum auch über die Matrix der Ventral- seite, die indessen außerdem noch an bestimmten Stellen zu groben, besonders tiefen Falten zusammengeschoben erscheint. Gerade diese Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 223 letzteren aber interersieren uns vorwiegend, denn sie ermöglichen trotz der so notwendigen Einebnung der Paratergitwülste und der Atemrinne die Anlegung des ventralen Integuments in einer Breite, welche die der Rückendecke beinahe um die Hälfte übertrifft und deren hohe physiologische Bedeutung für das Tier uns noch weiter- hin beschäftigen wird. Dann werden wir auch sehen, dab gewisse Teile des Integuments, die infolge des Schwindens der Paratergit- falte und der Atemrinne scheinbar überflüssig werden, in diesen großen Falten gewissermaßen aufgespart und bei der späteren Er- härtung der jungen imaginalen Cuticula durch Kontraktion zu Neu- bildungen umgeformt werden, die wir uns bei der Imago selbst näher ansehen wollen. So schiebt sich beispielsweise zu beiden Seiten ein Teil der in Bildung begriffenen imaginalen Bauchdecke nach der Dorsalseite hinauf, wo er die Rückendecke an ihren late- ralen Rändern in Gestalt einer scharfen Falte begrenzt (vgl. Fig. D3, S. 221). Schon hier will ich erwähnen, daß diese Falte nichts anderes ist als die Anlage einer Verschlußleiste für die Hemielytren der künftigen Imago. Sie tritt besonders im 6. Hinterleibsegment deutlich hervor, wo sie zu einem scharf abgegrenzten Verschlub- apparat wird. Die Lage der primären wie auch der neu auftretenden sekun- dären Nähte ist in diesem Stadium der Entwicklung auf dem Quer- schnitt schwer zu ermitteln, da die junge Cuticula noch kaum eine Spur von irgendwelcher Differenzierung in bezug auf ihre Struktur zeigt. Gerade aber durch seinen abweichenden Bau unterscheidet sich ja bekanntlich das Chitin der Nähte von dem des übrigen Inte- guments nach der Erhärtung auf Querschnitten so überaus deutlich. Nur ab und zu begegnen uns immer wieder an den gleichen Stellen der neuen Cuticula, und zwar dort, wo man jene Nähte vermuten darf, leichte Einfaltungen, die wohl auch als deren Vorläufer zu betrachten sind. Besonders tiefe Falten, die sich sonst noch in dieser Zeit am künftigen imaginalen Integument auf Querschnitten bemerkbar machen, sind die Furchen, welche die einzelnen Segmente vonein- ander trennen. Ihre Lage auf dem Präparat (vgl. Fig. E, S. 221) ändert sich natürlich entsprechend ihrem Verlauf am Körper des Tieres, so daß sie schon hierdurch ohne weiteres als die Einfaltungen der Intersegmentalhäute zu erkennen sind. Die Neuordnung der Chitinplatten aber, welche die einzelnen Segmente zusammensetzen, ist wegen der Unmöglichkeit einer genauen Feststellung der sie be- orenzenden Nähte in diesem Zustande des Tieres auf dem Quer- 294 WALTHER BAUNACKE, schnitte nicht mit Sicherheit zu beobachten. Deshalb untersuchen wir diese besser auf dem Totalpräparat, das wir uns weiterhin ansehen werden. | Nur dort, wo sich auf der Ventralseite der alten Larven- haut die Paratergitwülste medialwärts vorwölben, ermöglichen die konstante Lage der Bauchmediane einerseits wie auch die Lage des Stigmas oder der Sinnesgrube (vgl. Fig. D1—3, S. 221) vor, während und nach der letzten Häutung auch auf dem Querschnitt eine in jeder Hinsicht genaue Orientierung. Hier ist es somit leicht, die Umbildung, welche die Paratergitfalte und die Atemrinne erleiden, in ihrem ganzen Verlaufe genau zu verfolgen. Die Hypodermis, welche sonst nach jeder Häutung die Paratergit- lappen ganz auskleidete, beginnt auch innerhalb dieser sich vom Chitin abzulösen und zieht sich allmählich so weit zurück, daß das Innere der Paratergitwülste vollständig leer erscheint. Das in der Entwicklung begriffene Integument ebnet sich also unter- halb der larvalen Paratergitlappen, wie auch unterhalb der Atemrinne, allmählich unter gleichzeitiger starker Kontraktion völlig ein (vgl. Fig. D3, S. 221). Die sich so vollziehende Glättung der ventralen Bauchdecke wird indessen beschleunigt durch Ver- zerrungen, die das junge, neugebildete Integument erleidet. Deut- licher als Querschnitte zeigt uns alle Phasen dieser ontogenetischen Umgestaltung das Totalpräparat. Dadurch, daß ich von Tieren, die inmitten der Vorbereitung zur letzten Häutung standen, zahlreiche Macerationspräparate anfertigte und die junge in Bildung begriffene Imaginalhaut aus der alten larvalen herauslöste und färbte, oder aber darin stecken ließ und beide Häute stark aufhellte, konnte ich die Art der Umbildung des ganzen Integuments in allen möglichen Stadien sehr gut ver- folgen (vgl. Taf. 11 Fig. 24 u. 25). Einebnung von Paratergitfalte und Atemrinne. Uns interessiert besonders die Einebnung des Integuments der Ventralseite in jenen Segmenten, welche wir als Träger unserer Sinnesorgane kennen gelernt hatten. Diese kommt so zustande, daß der lateral gelegene Teil des auf der Bauchseite vom scharfen Körperrande bis hin zum Randsaume der Falte reichenden Ab- schnittes der Paratergite, wie wir ja bereits am Querschnitt (vgl. Fig. D1—3, S. 221) konstatierten, sich dorsalwärts zu einem Falz zu- sammenschiebt und somit auch den vom Faltenrande sich bis zum Grunde der Atemrinne erstreckenden medialen Teil in lateraler Richtung gewissermaßen nachzieht. Unter gleichzeitiger teilweiser Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 295 Rückbildung beider Abschnitte der Paratergite, d. h. Verringerung ihrer Breite, wird auf diese Weise die Falte allmählich straff ge- zogen und schließlich ganz eingeebnet. Die Linie des Randsaumes kommt somit in die gleiche Ebene mit den Faltenwänden und zwar ungefähr in die Mitte zwischen den scharfen Körperrand und die ventrale Primärnaht, d. h. die Naht im Grunde der Atemrinne, zu liegen. Die erwähnte Rückbildung aber betrifft vorwiegend die- jenigen Teile der Paratergitfalte, welche bei der Larve die zu beiden Seiten der Sinnesgrube gelegenen schon früher beschriebenen Lappen bildeten. Darum wohl löst sich auch innerhalb dieser die Hypo- dermis eher vom Integument als hinter der Sinnesgrube, die infolge- dessen möglicherweise länger funktionsfähig bleibt. Von allen diesen Einflüssen, welche die Rückbildung der Para- tergitfalte mit sich bringen, bleibt aber auch die Atemrinne selbst nicht unberührt. Sie wird durch den gleichen lateralwärts ge- richteten Zug, dem jene unterlag, gestreckt und eingeebnet. Welche weiteren Veränderungen außer diesem Ausgleich von Atemrinne und Paratergitfalte machen sich aber sonst noch an den die Sinnesorgane tragenden Abdominalsegmenten bemerkbar? Da sind es vor allem die Neuanlage der primären Nähte, ferner aber die Ausbildung zahlreicher neuer, sogenannter Sekundärnähte und die auffallende Umwandlung, welche der Borstenbesatz des In- teguments erfährt, die uns interessieren. Neubildung der Primärnähte Was zunächst die pri- mären Nähte anlangt, so werden diese, wie zu erwarten, auf Bauch- und Rückenseite wiederum an den gleichen Stellen angelegt wie bei der Larve. Die Entwicklung der dorsalen Primärnaht vollzieht sich in völlig normaler Weise fast wie bei jeder der larvalen Häutungen, nur daß sie jetzt gegen die umgrenzenden Platten des Integuments dermaßen scharf abgesetzt erscheint, daß ihr Verlauf ohne weiteres zu erkennen ist. Anders die ventrale Primärnaht! Wir erinnern uns noch, daß diese Naht identisch war mit der Naht im Grunde der Atemrinne oder der Grenznaht zwischen Paratergiten und Sterniten. Wir wissen ferner schon, daß die Stigmen des 4., 5. und 6. Segments medialwärts dicht neben, ja fast innerhalb dieser Naht lagen. Sie wird nun bei Beginn der Umbildung des larvalen Abdomens zum imaginalen auf Kosten der Sternite in einer Breite angelegt, daß die Lage der oben genannten Stigmen zu ihrem Ver- lauf sich gänzlich verändert. Durch die Verbreiterung der ventralen Primärnaht in medialer Richtung kommen diese Stigmen, ohne selbst 226 WALTHER BAUNACKE. irgendwie ihre Lage zu wechseln, in den lateralen Teil derselben zu liegen. Wie uns die Betrachtung der Umgestaltung der Sinnes- organe noch zeigen wird, ist jedoch auch diese Lage der Stigmen inmitten der Naht nur eine vorübergehende, die sich im weiteren Verlaufe der abdominalen Entwicklung noch bedeutend ändert. Auftreten sekundärer Nähte. Wie schon mehrfach er- wähnt, ist auch das Auftreten sekundärer Nähte während der Zeit vor dem Übertritt der Larve zum imaginalen Leben verursacht durch die Bedürfnisse der Fortpflanzung. An dem noch in der Entwick- lung befindlichen Integument der jungen Imago erkennen wir die Anlagen von Nähten dieser Art als schmale, faltige Streifen, die sich durch stärkere Färbbarkeit in diesem Stadium mehr oder weniger scharf konturiert vom angrenzenden Chitin abheben. Sie sind zu betrachten lediglich als schmale Streifen des Integuments, die im Gegensatz zur allgemeinen, fortschreitenden Erhärtung der neugebildeten Chitinplatten ihre Elastizität bewahren und sich auch sonst durch den Mangel der Pigmentierung und spärlichen Borsten- besatz auszeichnen. Da die allmähliche Ausbildung der meisten von ihnen keine Besonderheiten irgendwelcher Art zeigt, will ich ihren Verlauf und ihre physiologische Bedeutung für das Tier später bei der Erörterung der morphologischen Verhältnisse des geschlechts- reifen Tieres einer eingehenderen Betrachtung unterwerfen, zumal sie dort leichter zu beobachten sind, andrerseits aber auch beiden Geschlechtern nicht in gleicher Weise zukommen. Nur will ich schon hier darauf hinweisen, daß ihrem Ursprung nach auch die- jenigen Nähte als sekundäre Bildungen aufzufassen sind, welche sich rings um die ganze Anlage des künftigen Imaginalorgans herum- ziehen und diese so völlig vom abgrenzenden Integument isolieren. Die Art ihrer Entwicklung aber steht in so engem Zusammenhange mit derjenigen der Imaginalorgane, daß nur die gleichzeitige Be- trachtung beider ein klares Verständnis derselben ermöglicht. Daher wollen wir uns die Entstehung, den Verlauf und die physiologische Bedeutung dieser zuletzt angeführten Nähte weiterhin gleichzeitig mit der Entwicklung der Sinnesorgane näher ansehen. Umwandlung des Borstenbesatzes. Wie aber verhält sich nun der Borstenbesatz des Abdomens, der doch am Aufbau der larvalen Atemwege so hervorragenden Anteil nahm, zu allen diesen Umwandlungen des Integuments? Ein Vergleich der Oberfläche des larvalen Abdomens mit derjenigen des imaginalen zeigt nach ge- eigneter Färbung des Chitins auf das deutlichste den Wandel, der Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 227 sich auch in bezug auf die Art der cuticulären Anhangsgebilde während der Zeit des Übertritts der Larve zum imaginalen Leben vollzieht. Wir sahen bei der Larve das Integument des Abdomens bedeckt von zahlreichen dicht beieinander stehenden schildförmigen Borsten (vgl. Taf. 11 Fig. 15), die sich der Cuticula, Dachziegeln vergleichbar, dicht auflagern. Nur an allen besonders exponierten Stellen, wie beispielsweise am scharfen Körperrand, richten sie sich auf, da sie hier so gedrängt stehen, daß sie beim Verharren in der früheren Lage keinen Platz nebeneinander finden würden. Daher nehmen sie hier auch eine mehr schuppenförmige Gestalt (vgl. Taf. 11 Fig. 16 u. 17) an, d. h. ihr Fuß rückt mehr an die vordere Kante des flachgedrückten, ovalen Borstenschildes, während er sich bei jenen auf glatter Fläche inserierenden nahe der Mitte desselben ansetzt. Auch zeigen die schuppenförmigen Borsten wohl des not- wendigen Schutzes halber einen solideren Bau als jene schildförmigen. Zwischen allen jenen Borsten verstreut finden sich einzelne Tast- haare und andere Hautsinnesorgane komplizierteren Baues, die uns aber nicht weiter beschäftigen sollen. Diese Art der Beborstung erstreckt sich über alle Teile des Körpers, welche während des Larvenlebens mit der Außenwelt in direkte Berührung kommen, und somit auch auf die noch des Schutzes der Hemielytren ent- behrende Dorsalseite. Nur alle jene Abschnitte des Integuments, die in Beziehung stehen zur Atemrinne, zeigen, wie wir schon früher bemerkten, Besonderheiten in der Art ihres Borstenbesatzes. Wir sahen die Rinne selbst ausgekleidet mit dicht stehenden feinen Haaren und überdeckt von langen, starken Rundborsten, welche, eng aneinander gereiht, sowohl dem Faltenrande wie auch den Sterniten inserierten und an ihrem Grunde von den so eigenartig tütenförmigen Borsten (vgl. Taf. 10 Fig. 5), die leicht als besondere Modifikation jener schildartigen zu erkennen sind, überlagert wurden. Wir lernten aber namentlich auch an verschiedenen Teilen der larvalen Sinnesorgane Borsten von besonderer Form kennen, deren nochmalige Aufzählung sich hier erübrigt. Mit Ausnahme der am Aufbau dieser Sinnesorgane beteiligten Borsten, deren Umgestaltung uns noch weiterhin beschäftigen wird, nehmen fast alle cutieulären Anhangsgebilde der Larve bei deren Übertritt zum imaginalen Leben die schon beschriebene Schild- oder Schuppenform an. Aber nicht nur dort, wo sie schon bei der Larve dicht nebeneinander standen, sondern auch an denjenigen Stellen des Abdomens, die bei dessen Umbildung besonders stark in Mit- Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 15 298 WALTHER BAUNACKE, leidenschaft gezogen wurden und die bei der Larve den normalen Borstenbesatz zeigten, sehen wir sie in Gestalt von Schuppen das Integument bedecken. Durch die starke Kontraktion der sie tragenden Cuticula dichter zusammengedrängt, wurden sie auch hier zur An- nahme einer mehr aufrechten Stellung genötigt. Daher kommt es, daß der Borstenbesatz aller beispielsweise bei der Einebnung der Paratergitfalte und der Atemrinne einer teilweisen Verschmälerung unterworfenen Skeletteile im Gegensatz zu demjenigen der Sternite ganz besonders dicht und kraus erscheint. Gerade aber dieser Ein- fiuß der Kontraktion gewisser Platten des Integuments zum Zwecke ihrer Umbildung auf die Form und Verteilung der ihnen inserierenden Borsten macht sich auch, wie wir später noch sehen werden, in hervorragendem Maße geltend bei der Umgestaltung der Sinnes- organe. Andrerseits aber ermöglichen uns gerade diese engen Be- ziehungen des imaginalen Borstenbesatzes zu dem der Larve auch am Integument der ihrer Körperform nach schon vollendeten Imago noch beispielsweise diejenige Linie aufzufinden, welche dem so dicht mit Borsten besetzten Faltenrande der larvalen Paratergite ent- spricht. So zeigen sich also bei der Imago nicht nur die besonders stark hervorspringenden Kanten und Ränder, sondern auch die Teile des Integuments, welche früher bei der Larve solche bildeten, in bezug auf die Form und Anordnung ihrer Borsten wohl unter- schieden von der übrigen Fläche des Integuments, wo die cuticulären Anhangsgebilde ihrer Form und Zahl nach nur geringen Verände- rungen unterliegen. In gleicher Weise zeigt uns also auch das imaginale Integument, schon rein äußerlich betrachtet, an der Art seiner Beborstung in gewisser Hinsicht die Art der Umgestaltung, der es während der Vorbereitung der Larve auf die letzte Häutung unterworfen wurde. Und zwar sind die Spuren, welche die Vor- gänge des letzten Häutungsintervalls am imaginalen Körper zurück- lassen, um so deutlicher, je jünger die Imago ist, d. h. sie ver- wischen sich mit dem zunehmenden Alter derselben mehr und mehr. Zwischen allen jenen sich in der eben beschriebenen Weise über das Abdomen verteilenden Borsten finden sich natürlich, wie schon bei der Larve so auch hier, über das ganze Integument ver- streut auch Tastborsten und andere Hautsinnesorgane. Dieser Borstenbesatz fehlt indessen bis auf wenige Sinneshaare der Dorsal- seite des imaginalen Abdomens überall da, wo diese von den Hemielytren gewöhnlich überdeckt wird. Er bildete sich während der allgemeinen Umgestaltung des Körpers vollständig zurück, da Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 299 sein Fortbestehen infolge der Ausbildung der schützenden Flügel- decken sich eriibrigte. An die Stelle der Beborstung tritt hier jene bekannte sammetartige Oberflächenstruktur der Cuticula (vgl. Taf. 11 Fig. 18), die wir bei den Wasserinsecten ja vielfach dort, wo am Integument Atemluft festgehalten werden soll, finden und die auch, wie z. B. innerhalb der larvalen Atemrinne, durch äußerst feine und dichte Behaarung oder anders geartete rauhe Oberflächenstruktur ersetzt oder aber in ihrer Wirkung unterstützt werden kann. So sehen wir also, daß das larvale Abdomen während der letzten Häutung in fast allen seinen Teilen Veränderungen erleidet, die das Fortbestehen der abdominalen Sinnesorgane in der larvalen Form unmöglich erscheinen lassen. Diese müssen vielmehr einer tiefgreifenden Umgestaltung unterzogen werden, deren einzelne Phasen wir nunmehr betrachten wollen. c) Die Umbildung der Sinnesorgane. Die Umbildung der larvalen Sinnesgrube zum Imaginalorgan wird bewirkt durch die gleichen Faktoren, denen auch die Para- tergitfalte und die Atemrinne ihre Einebnung verdanken, d. h. durch teilweise Rück- oder Umbildung, durch Kontraktion und vor allem auch durch Verzerrung in lateraler Richtung. Wie die allmähliche Umgestaltung des Sinnesorgans in jeder Hinsicht der Formänderung dessen Trägers, d. h. der Paratergitfalte, folgt, so hält sie auch in bezug auf die histologischen Verhältnisse vollkommen gleichen Sehritt mit der Entwicklung des übrigen Integuments. Wenn wir nunmehr übergehen zur Betrachtung aller Entwicklungsphasen, die ein solches Sinnesorgan innerhalb der letzten Häutungsperiode durch- läuft, wollen wir uns zunächst nur diejenigen Veränderungen an- sehen, welche die gesamte Neuanlage des Organs in bezug auf Lage, Ausdehnung und Form erfährt. Die Umgestaltung des feineren Aufbaues soll uns später beschäftigen. Lage und Ausdehnung der Neuanlage. Die Oberfläche der unterhalb der larvalen Sinnesgrube gelegenen Hypodermis zeigt sich im Querschnitt während der Zeit bald nach ihrer Ablösung vom larvalen Integument konkav, nimmt aber infolge der später noch zu beschreibenden Verzerrungen und Kontraktionen bald eine konvexe Oberfläche an. Die Anlage des imaginalen Sinnesorgans erscheint somit auf dem Querschnitt eines kurz vor der letzten Häutung stehenden Tieres zumeist als konvexe Vorwölbung des neuen Integuments (vgl. Taf. 11 Fig. 22), die nahe der Stelle unter- 15* 230 WALTHER BAUNACKE, halb der alten Larvenhaut liegt, wo der verüdete Paratergitlappen noch deutlich alle Hartgebilde der larvalen Sinnesgrube zeigt (vgl. Taf. 11 Fig. 24). Sie besitzt ungefähr die gleiche Breite, wie dieser an seiner Basis und wird zu beiden Seiten begrenzt von je einer scharfen Einfaltung des Integuments, die, wie wir weiterhin sehen werden, als die Anlage einer besonderen sekundären Naht, die das künftige Imaginalorgan vom umliegenden Integument isoliert, zu betrachten ist. Schon gelegentlich der Untersuchung der larvalen Häutungen konnten wir beobachten, daß das Sinnesorgan, vom vordersten Paare abgesehen, bei jeder derselben sich vergrößert und außerdem, am Faltenrande oralwärts wenig vorrückend, dem Stigma nähert (vel. Taf.11 Fig. 24). Wurde aber, wie wir ja gleichfalls bereits an der letzten Larvenhaut feststellen konnten, eine völlige Annäherung an dasselbe im Laufe der bisherigen Entwicklung nicht erreicht, so sehen wir die Anlage des Organs sich nunmehr so weit oralwärts und medialwärts ausdehnen, daß das Stigma selbst in diese mit einbezogen wird. Wie dies geschieht, das soll uns weiterhin das Totalpräparat zeigen. Ein Querschnitt, so durch das Tier geführt, daß er das Stigma trifft (vgl. Taf. 11 Fig. 22), läßt uns erkennen, daß sich die konvexe Anlage des künftigen Imaginalorgans medialwärts in die sogenannte Stigmengrube hineinsenkt. Ein Längsschnitt hingegen zeigt deutlich (vgl. Taf. 11 Fig. 21), daß das ın Umbildung begriffene Organ die alte Sinnesgrube oralwärts ganz beträchtlich an Ausdehnung über- trifft. Haben wir aber einen Schnitt vor uns, der den Grubenrand des alten Larvalorgans trifft, so zeigt es sich, daß die hintere Hälfte der Organanlage sich dicht an jenen anlegt, während der oralwärts sich ausbreitende Teil, weit vom larvalen Integument entfernt, inner- halb des vorderen Lappens der Paratergitfalte liegt (vgl. Taf. 11 Fig. 21). Der unterhalb des Grubenrandes befindliche Teil der Hypodermis bleibt also, wie es scheint, bis kurz vor Beginn der Bildung neuen Chitins mit der larvalen Cuticula in enger Verbindung, während der übrige Teil der Anlage sich schon vom Integument der Paratergitfalte abgelöst hat und sich nach dem Innern hin zurückzieht. Wie der Längsschnitt, so zeigt aber auch das Total- präparat eines in diesem Häutungsstadium befindlichen Tieres, dab das unterhalb der Sinnesgrube liegende in Entwicklung begriffene Imaginalorgan das der Larve an Größe bedeutend übertrifft (vel. ANT Pig. 24). Umgestaltung der Anlage. Nachdem wir so die Lage und Ausdehnung der Neuanlage eines dieser Organe unterhalb der 4 Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 231 alten Sinnesgrube kennen gelernt haben, sollen uns Totalpräparate junger, in verschiedenen Entwicklungsphasen befindlicher Imaginal- häute zeigen, wie auch die Form der Anlage allmählich sich ändert. An solchen Präparaten sehen wir, dab die Umbildung der Organe tatsächlich Hand in Hand geht mit dem Ausgleich der Paratergit- falte und der Atemrinne. Inwieweit wird nun aber die Neuanlage eines solchen Organs von diesem Vorgang berührt? Wir sahen oben, daß bei der Einebnung der Paratergitfalte deren dem Grunde der Atemrinne zugekehrter Teil insofern in Mitleidenschaft gezogen wurde, als er dem lateralwärts gerichteten Zuge des äußeren Ab- schnitts Folge leisten mußte. Die Lageänderung, die er infolgedessen erfährt, entspricht somit in gewissem Grade einer lateralwärts ge- richteten Umklappung um die ventrale Primärnaht als Drehungs- achse, so daß die Oberfläche seines Integuments nach vollendeter Umwandlung gleich derjenigen des übrigen Integuments der Bauch- decke ventralwärts zeigt (vgl. Fig. D1—3, S. 221). Da er aber der Träger der larvalen Sinnesgrube ist, so wird auch diese mit ihm der gleichen Lageänderung unterworfen. Sie behauptet also ihren Platz bis auf die geringe oralwärts gerichtete Verschiebung auch während dieser umfassenden Änderung der Körperform des Tieres vollkommen und würde, wenn sie ihre alte larvale Gestalt beibe- hielte, nach vollendeter Häutung vollständig frei im Integument der Bauchdecke liegend, ihre Höhlung ventralwärts nach unten richten. Gerade aber diese ihrer Funktion so ungünstige Verlagerung be- dingt ja, wie schon erwähnt, ihre vollständige Umbildung. Schon oben hatte ich darauf hingewiesen, dab wir als eigent- liches Sinnesorgan nur den Teil des Integuments zu betrachten haben, der die Sinnesborsten trägt, d.h. also den Grubenrand, und daß alle übrigen Teile des Larvalorgans nur Nebenbestandteile sind, die ihre Existenz lediglich der medialwärts gerichteten Ver- längerung der Paratergitfalte verdanken. Ebenso konnten wir bereits im Laufe der bisherigen ontogenetischen Entwicklung bei jeder Häutung eine geringe Vermehrung der hellen Punkte Marrm’s, die wir als Insertionsstellen der Sinnesborsten erkannten, beobachten, so daß deren Reihe mit dem zunehmenden Alter der Larve immer regelloser wurde. Diese regellose Borstenreihe aber, die ja dem Grubenrande aufsitzt, bildet nunmehr den Ausgangspunkt der Neu- anlage des Organs, während alle die ehemaligen Nebenbestandteile der larvalen Sinnesgrube entweder in völlig veränderter Form als solche fortbestehen oder gemeinsam mit benachbarten Teilen des 232 WALTHER BAUNACKE, Integuments nach vorhergehender Um- oder Rückbildung zur Ver- erdberung und Neugestaltung der Anlage des künftigen Imaginal- organs beitragen. Wenn wir eine derartige Neuanlage an dem noch in Bildung begriffenen Integument der jungen Imago betrachten (vgl. Taf. 11 Fig. 23), so erinnert uns diese, abgesehen von ihrer veränderten Lage und der bedeutenden Größenzunahme, in vieler Hinsicht sogleich an das Bild, das uns die larvale Sinnesgrube bot. Wir erhalten ohne weiteres den Eindruck, daß wir in ihr nichts anderes vor uns haben als ein solches, um die ventrale Primärnaht lateralwärts umge- klapptes Larvalorgan. Und in der Tat erkennen wir in allen ihren Einzelelementen modifizierte Bestandteile der ehemaligen Sinnes- erube und ihrer nächsten Umgebung. Schon rein äußerlich be- trachtet, zeigt diese Anlage in ihrem frühesten Entwicklungsstadium noch fast ganz die Form jener. Wir finden sie in dieser Zeit, noch vor der Änderung ihrer Lage, fast noch in der gleichen konkaven Form und erkennen in ihrer Nachbarschaft noch deutlich die Para- tergitlappen, deren Rückbildung aber bereits begonnen hat. Ein Vergleich der in diesem Entwicklungsstadium stehenden Neuanlage mit der uns in allen ihren Einzelheiten bekannten alten larvalen Sinneserube müßte also, wenn wir die infolge der lateralwärts ge- richteten Umklappung erfolgende Lageänderung berücksichtigen, sehr wohl erkennen lassen, mit welchen Bestandteilen des ehe- maligen Larvalorgans die einzelnen Teile der Neuanlage zu iden- tifizieren sind. Wie uns die ganze Anlage in ihrer frühesten Ent- wicklungsphase noch deutlich die konkave Form des Larvalorgans zeigt, so sind natürlich, scharf ausgeprägt im jugendlichen Integu- ment, auch noch die Grubenhöhlung, der Grubenrand nnd die mehr oder weniger scharfe Kante der Grubenmündung in diesem Stadium an ihr wohl zu unterscheiden. Und so gehen wir nicht fehl, wenn wir auch nach erfolgter Umklappung des ganzen Gebildes dessen lateral gelegenen Rand mit der sich allmählich umbildenden Gruben- mündung, d. h. dem Teile des larvalen Integuments, der das Borsten- filter trug, identifizieren. Auf diesen Teil würde dann in medialer Richtung die Grubenhöhlung und hiernach in der gleichen Richtung der Grubenrand folgen, welche, wie jener, einer umfassenden Um- formung unterzogen und in völlig veränderter Gestalt zum Aufbau des neuzubildenden Organs der Imago verwandt werden. Wir werden weiterhin sehen, daß im Laufe der Entwicklung der Neu- anlage zum Imaginalorgan die Grenzen zwischen diesen Einzelheiten Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 233 immer mehr sich verwischen und die Bestandteile der ehemaligen Sinnesgrube am vollendeten Imaginalorgan ihrer Ausdehnung nach überhaupt kaum mehr nachzuweisen sind. Wenn wir nunmehr übergehen zur spezielleren Betrachtung der Änderungen, wie sie sich im Verlaufe der Umbildung der ganzen Anlage vollziehen, s so wollen wir zunächst alle diejenigen Vorgänge verfolgen, welche schon am Totalpräparat der Beobachtung zugäng- lich sind. Die Veränderungen, welche sich am feineren Aufbau des Ganzen geltend machen, sollen uns späterhin Schnittpräparate zeigen. Die Beobachtung und das Verständnis der Umgestaltung des larvalen zum imaginalen Organ wird in hohem Grade erschwert einmal durch den steten Wechsel in der Wirkungsweise der um- bildenden Faktoren, dann aber besonders durch das gleichzeitige Nebeneinanderherlaufen vieler besonderer Einzelvorgänge. In ihrem Hergang sich scharf voneinander scheidend, bewirken diese letzteren die Modifikation jener ehemaligen larvalen Teile, die sie allmählich zum Bau des Imaginalorgans zusammenfügen. Nach der Wirkungs- weise der umbildenden Faktoren können wir die ganze Entwicklung der Anlage einteilen in drei Phasen, die durch wichtige Verände- rungen deutlich charakterisiert sind, sich aber keineswegs scharf voneinander abgrenzen lassen. Und zwar ermöglichen uns die Vor- gänge, welche innerhalb jeder dieser Phasen dominieren und die Neuanlage in ihrer Gesamtheit beeinflussen, die Unterscheidung einer Periode der Abrundung, einer ebensolchen der Einebnung und schließlich der Kontraktion. Die erste dieser drei Perioden beginnt mit der Ablösung des jungen neugebildeten Integuments von der alten Larvenhaut und währt bis zur vollendeten Vereinigung der Neuanlage mit dem Stigma. Die Vorgänge, die sich von diesem Zeitpunkte bis zur Abstreifung der alten Larvenhaut an der Neu- anlage geltend machen, kennzeichnen die zweite Periode, während die dritte Phase, d. h. die der Kontraktion, mit vollzogener Häutung beginnt und mit der Erhärtung des Integuments endet. Durch alle diese Phasen hindurch ziehen sich jene Einzelprozesse der Modifika- tion, die, in ihren frühesten Anfängen der Beobachtung kaum zu- giinglich, nach den Teilen, welche ihrem Einflusse unterliegen, in folgender Weise unterschieden werden können: 1. Umgestaltung des ursprünglichen larvalen Integuments der Sinnesgrube zum imaginalen Sinnesfeld. 2. Anlage der diese Teile umgrenzenden Naht. 234 WALTHER BAUNACKE, 3. Übertritt des Stigmas in das Paratergit und seine Vereini- gung mit der Organanlage. 4. Modifikation des Borstenbesatzes. Die äußere Form. Diese Einzelvorgänge wollen wir nun- mehr, zunächst nur soweit dies am Totalpräparat möglich ist, in ihrem Verlauf durch alle jene Entwicklungsphasen hindurch genauer verfolgen. Wir haben bereits oben die erste dieser drei Phasen teilweise kennen gelernt, die uns die Verlagerung des Sinnesorgans aus dem Innern der ehemaligen Atemrinne auf die freie Fläche der Ventral- seite zeigte und damit erkennen ließ, dass wir es bei der Bildung des Imaginalorgans tatsächlich nur mit einer Umgestaltung seines larvalen Vorläufers zu tun haben. Welche Änderungen machen sich nun an den einzelnen Teilen der Neuanlage, die wir mit den ent- sprechenden Teilen des Larvalorgans identifiziert hatten, in dem Zeitraume von der Loslösung der Hypodermis mit der jungen Cuti- cula vom larvalen Integument bis zum Hinzutritt des Stigmas bemerkbar? Die larvale Sinnesgrube sahen wir umgrenzt nach außen hin von dem lateralwärts eingebuchteten Faltenrande. In diesen verlief oral- wie analwärts der wenig vorspringende Grubenrand, welcher den Abschluß des Larvalorgans nach der Atemrinne hin bewirkte: Diese Grenzen finden wir auch unmittelbar nach der Ablösung der neuen Cuticula zunächst noch deutlich erhalten (vgl. Taf. 11 Fig. 25). Innerhalb dieser Umgrenzung sind, wie wir schon oben sahen, die- selben Teile, die uns schon vom Larvalorgane her bekannt sind, noch gut zu erkennen, zumal wenn wir die Verteilung der natürlich schon gleich nach der Ablösung bemerkbaren, zahlreichen, ver- schiedenartigen Borstengebilde, mit denen die Neuanlage gleichsam übersät ist, zur Orientierung heranziehen. Die Betrachtung der Verteilung dieser Borstenanlagen, von denen wir größere und kleine bemerken, auf deren Verschiedenheit in Bau und Funktion wir später zurückkommen werden, zeigt uns folgendes: vom lateralen Rande der Organanlage ausgehend, sehen wir, daß sich in dem Teile derselben, der dem Integument der alten, das Filter tragenden Grubenmündung entspricht und sich in diesem Stadium noch mehr oder weniger stark emporwölbt, jene Borsteninsertionen, zumeist kleinere, außerordentlich dicht aneinanderdrängen. Auf diesem Teil folgt in medialer Richtung die in dieser Entwicklungsphase noch flach konkave ehemalige Grubenhöhlung, deren Cuticularanhänge Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 935 geringe Zwischenräume frei lassen. Der an die ehemalige Höhlung angrenzende Abschnitt indessen, der dem früheren Grubenrande mit den Sinnesborsten entspricht, zeigt wiederum eine deutliche Annäherung der Insertionsstellen, die sich jenseits von ihm in medialer Richtung nach dem Stigma hin noch weiter verdichten. Wir gehen in Anbetracht dieser Tatsachen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daß die cuti- culären Anhangsgebilde der ganzen Organanlage nichts anderes sind als Modifikationen derjenigen Borsten, die wir beim Larvalorgan kennen lernten. Das wären die schon am Larvalorgan so dicht stehenden Filterborsten an der Mündung, zu denen sich noch unter- drückte, verstreute Borstenanlagen der Grubenhöhlung und schlief- lich die ja ohnehin schon in späteren Larvenstadien regelloser ge- wordene Reihe der Sinnesborsten hinzugesellten. Der im medialwärts gelegenen Teile der Gesamtanlage dichter werdende Borstenbesatz aber verdankt seinen Ursprung der Be- haarung, welche das dem Grubenrande medialwärts benachbarte Integument der Atemrinne schon bei der Larve zeigte. Diese An- nahme gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn wir in Betracht ziehen, daß ja schon während der larvalen Entwicklung die Reihe der Sinnesborsten bei jeder Häutung vervollständigt wurde durch Um- bildung benachbarter Borsten des angrenzenden Integuments. Sie wird aber noch weiterhin gestützt durch die Art der Modifikationen aller dieser Borsten, auf die wir später zurückkommen werden. Gleich hier will ich bemerken, daß wir in der Tat in der ehemaligen lar- valen Sinnesborstenreihe das Entwicklungszentrum vor uns haben, von dem die Vergrößerung der Anlage nach allen Seiten, besonders aber in medialer Richtung, ausgeht. Diese erfolgt nämlich durch das Hinzutreten des an den Grubenrand beiderseits anstobenden Integuments, so daß sich die eigentliche Anlage des Sinnesorgans zusammensetzt aus denjenigen Teilen der Cuticula, die wir bei der Larve als Grubenrand, Grubenhöhlung und Grubenmündung bezeich- neten, und dem vom erstgenannten bis zum Stigma reichenden Ab- schnitt des Integuments. Nur die alle die genannten Teile um- fassende Fläche wollen wir forthin als eigentliche Anlage des ima- ginalen Sinnesorgans bezeichnen. Wir haben also in dieser Neuanlage nichts anderes als die in allen ihren Teilen noch wohl erkennbare larvale Sinnesgrube vor uns, die lateralwärts vom übrigen Integument abgegrenzt wird durch den ehemaligen noch ebenso deutlich erkenn- baren Faltenrand, der als hochgewölbte Falte das eben erst abgelöste 236 WALTHER BAUNACKE, junge Integument durchzieht und der Anlage selbst in lateralwärts gerichtetem Bogen ausweicht (vgl. Taf. 11 Fig. 25). In dieser Form also zeigt sich uns die Anlage sogleich nach ihrer Ablösung vom larvalen Integument. Wie diese Form aber allmählich zustande kam, das entzieht sich einer direkten Beobach- tung am Totalpräparat vollständig, und nur die Betrachtung aller ihrer Einzelheiten erlaubte uns Rückschlüsse auf die Herkunft der in ihr vereinten Teile. Welche Vorgänge machen sich nun aber weiterhin an dieser Anlage bemerkbar? Ich bezeichnete oben diese erste Phase der Entwicklung als die Periode der Abrundung, die in der Tat das Charakteristikum derselben ist. Wir sehen, daß der die laterale Grenze bildende Faltenrand, Schritt haltend mit der allmählich er- folgenden Rückbildung der Paratergitlappen, sich mehr und mehr verflacht und schließlich dort, wo er im Bogen das in Bildung be- griffene Imaginalorgan umzieht, sich ganz einebnet. Immerhin bleibt sein Verlauf deutlich erkennbar an der Art seines Borstenbesatzes, der im Gegensatz zu dem des umliegenden Integuments mehr oder weniger kraus erscheint. Alle die Organanlage zusammensetzenden Teile indessen verlieren während dieser Zeit alle die Merkmale, welche ihren Ursprung erkennen ließen. Die ganze von ihnen ein- senommene Fläche nimmt, veranlaßt durch die Verschiebungen und Verzerrungen, welche sich in dieser Phase am jungen Integument bemerkbar machen, statt der ursprünglich konkaven eine stark konvexe Oberfläche an, der sich alle ihre Teile anpassen (vel. Taf. 12 Fig. 26). Wohl infolge dieser Formänderung sehen wir am Rande der Anlage, nach dem Körperinnern hin einspringend, eine Falte auftreten, die sich nicht nur am lateralen, sondern auch am Vorder- und Hinterrande jener Fläche zwischen diese und den ehemaligen Faltenrand einschiebt. Sie umzieht zunächst also das ganze in Ent- wicklung begriffene Organ in der Form eines an der medialwärts gelegenen Seite offenen C und begegnete uns bereits am Querschnitt gelegentlich der Feststellung von Lage und Ausdehnung der auch dort konvex erscheinenden Neuanlage. War aber bei der Larve das Organ bisher vom nahegelegenen Stigma völlig geschieden, so sehen wir, daß an dem medialwärts dem Stigma zugewandten Rande der Anlage die Ausbildung jener Grenzfalte unterbleibt, wodurch eben die Öffnung der C-Form zustande kommt. Das in Entwicklung begriffene Organ tritt hier nun in die engste Beziehung zum Stigma, indem nämlich das letztere, wie uns schon der Querschnitt durch Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 937 das in diesem Stadium befindliche Tier gezeigt hat, in die Neu- anlage des Sinnesorgans einbezogen wird. Wie ist aber eine der- artige Verbindung von Sinnesorgan und Stigma möglich, da doch die Anlage des Organs noch immer dem Paratergit angehört, während wir das Stigma bei der Larve doch außerhalb dieser Platte, nämlich am lateralen Rande des Sternits, allerdings fast innerhalb der Grenznaht beider Skeletstücke fanden ? Schon bei der Betrachtung der Umwandlungen, welche in dieser Zeit auch an den Nähten sich geltend machen, hatten wir die sonderbare Tatsache konstatiert, daß die ventrale Primärnaht bei Beginn der Entwicklung auf Kosten der Sternite in einer solchen Breite angelegt wird, daß die Stigmen des 4. 5. und 6. Segments nicht mehr dem medialen, sondern dem lateralen Rande der Naht eenähert erscheinen. Bei der gleichen Gelegenheit hatte ich aber auch bereits vorausgeschickt, daß auch diese Lage der Stigmen noch nicht die endgültige sei. Wir sehen nämlich, daß die Stigmen der betreffenden Abdominalsegmente tatsächlich aus den Sterniten lateral- wärts hinüber in die Paratergite verlagert werden (vgl. Taf. 11 Fig. 25). Dies geschieht indessen, ohne daß die Stigmen selbst ihre Lage wechseln, und zwar auf folgende Weise: im Laufe der fort- schreitenden Erhärtung und Verstärkung des neugebildeten imagi- nalen Chitins beginnt der lateral gelegene Teil der so breit an- gelegten das Stigma bergenden ventralen Primärnaht zugunsten der Paratergite mehr und mehr, in medialer Richtung fortschreitend, zu verhärten. So wachsen also die Paratergite an ihrem medial gelegenen Rande auf Kosten jener Naht in die Breite und zwar so weit, daß das Stigma von erhärtetem Chitin völlig umschlossen wird und jene Naht sehr viel von ihrer Breite einbüßt. Immerhin aber ist sie auch später nach vollendeter Entwicklung der Imago noch breit genug, um sich stark einzufalten. Während dieser die Auf- nahme des Stigmas in die ventralen Teile der Paratergitplatten bewirkenden Vorgänge, welche, neben der Entwicklung der Organ- anlage herlaufend, sich vollziehen, machen sich indessen, wie wir schon mehrfach erkannten, starke Verzerrungen am ganzen Integument geltend, welche bereits in dieser ersten Phase der Umbildung die Formänderung der ganzen Anlage bewirkten. Unter ihrem Einflusse beginnt nun auch die Einverleibung des bereits in diesem Stadium in das Paratergit übertretenden Stigmas durch die Verlängerung ‚der die Anlage umziehenden Falte in medialer Richtung. Und zwar nimmt diese Grenzfalte ihren Verlauf nunmehr so, dab sie, im Bogen 238 WALTHER BAUNACKE, um das Stigma herumführend, sich medialwärts von diesem verflacht. Sie läßt somit schon äußerlich erkennen, daß Stigma und Organ- anlage nunmehr einer engeren Verbindung entgegengehen. Die Entfernung aber, welche trotz dieser Vereinigung noch immer zwischen beiden besteht, findet ihren Ausdruck darin, daß der Teil der Grenz- falte, welcher das Stigma umzieht, in weitem medialwärts gerichteten Bogen von der sonst fast ovalen Umgrenzung der eigentlichen Organanlage abweicht. Unter dem Einflusse der die Umbildung bewirkenden Faktoren aber erfährt die Entfernung zwischen der eigentlichen Anlage und dem Stigma schon innerhalb dieser ersten Entwicklungsphase eine wesentliche Verringerung. So zeigt sich die ganze Anlage mitsamt dem Stigma schon am Ende dieser Phase scharf abgegrenzt gegen das umliegende Integu- ment. Umrahmt von der beide, das Stigma und das in Bildung begriffene Organ, umziehenden Falte, erweckt so das Imaginalorgan schon den Eindruck eines einheitlichen Ganzen, eines Gebildes, dessen Konturen auf allen Seiten deutlich hervortreten (vgl. Taf. 12 Fig. 26). Werfen wir noch einen Blick auf das Verhalten der zahlreichen Borsteninsertionen während dieser ersten Entwicklungsperiode, so sehen wir, daß diese infolge der in diesem Stadium noch sehr geringen Stärke des Chitins zunächst noch ziemlich schwach kon- turiert hervortreten. Ihrer Form und Größe nach können wir sie in drei Arten scheiden. Wir sehen größere, welche, in mehr oder minder regelmäßigen Abständen über die freie Fläche der Anlage verstreut, in Form konzentrischer Kreise erscheinen, die einen dunklen Punkt als Zentrum haben. Sie sind gegenüber den übrigen Arten bei Nepa in der Minderzahl. Ringsum mehr am Rande der Anlage finden wir solche, welche jenen an Größe bedeutend nach- stehen. In Gestalt von Kreisen mit gleichfalls dunklem Zentrum bilden sie, in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen alternierend angeordnet, eine Reihe, welche um die von den Insertionsstellen der erstgenannten Art besetzte Innenfläche der Anlage herumzieht. Nur jener medialwärts gelegene Teil der Anlage, an dem sich die Ein- verleibung des Stigmas vollzieht, bleibt frei von ihnen. Die Inser- tionen der dritten Art endlich stehen in bezug auf ihre Größe hinter allen jenen bereits genannten zurück, übertreffen sie aber ihrer Zahl nach ganz bedeutend. Sie verteilen sich in Form äußerst kleiner Kreise über die ganze von den zuerst genannten Insertions- ! stellen eingenommene Innenfläche in unregelmäßigen Abständen. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 239 Die alternierende Reihe der randstiindigen Insertionsstellen bleibt von ihnen unberührt. Vom lateralen Rande bis hin zum Stigma verstreut, stehen sie einmal besonders dicht da, wo wir die ehe- maligen Filterborsten zu suchen hätten, ferner aber auch auf dem zwischen Stigma und ehemaligen Grubenrand gelegenen Teil der Anlage. Drängen sie sich namentlich an der zuerst genannten Stelle eng aneinander, so sehen wir sie am spärlichsten dort zwischen jenen großen Insertionsstellen verteilt, wo schon im Laufe der larvalen Entwicklung die dem Grubenrande benachbarten cuticulären Anhangsgebilde zur Ergänzung der Sinnesborstenreihe zu Sinnes- borsten umgebildet wurden. Mit der fortschreitenden Verstärkung der jungen Cuticula heben sich alle die oben beschriebenen Insertions- stellen immer deutlicher als helle Punkte vom Integument ab, lassen aber von den zugehörigen cuticulären Anhangsgebilden, die in diesem Stadium noch sehr zart und völlig durchsichtig sind, am Totalpräparat fast nichts erkennen. Die zweite Phase der Entwicklung, zu der wir uns nun wenden wollen, bringt, wie schon oben erwähnt, die Einebnung der ganzen Anlage mit sich. Und zwar verliert die ganze Fläche der letzteren ihre konvexe Wölbung im Verlaufe dieser Periode vollständig, eine Formänderung, welche, wiederum bedingt durch die Wirkung der umbildenden Kräfte, die Umgestaltung anderer Teile im Gefolge hat. Die Fläche der Anlage gestaltet sich innerhalb dieser Periode um zu einer ebenen, völlig selbständigen Platte des Integuments. Die Grenzfalte, die sich um Stigma und Anlage herumzog, ebnet sich gleichfalls mehr und mehr ein und nimmt schließlich die Gestalt eines fein gefälteten bandförmigen Chitinstreifens an. Dieser läßt schon in dieser Phase seiner Entwicklung in vieler Hinsicht seine Natur als sekundäre Naht erkennen, denn er zeigt sich fast frei von jeglichen Anhangsgebilden. Die starke Durchsichtigkeit dieses Streifens weist zudem noch deutlich darauf hin, daß hier das Chitin im Gegensatz zu dem der Anlage und dem des angrenzenden In- teguments nicht oder doch nur in weit geringerem Maße erhärtet. Aber die Abgrenzung des ganzen Gebildes gegen seine Umgebung tritt im Laufe der Entwicklung innerhalb dieser zweiten Periode noch schärfer hervor dadurch, daß die Randzone der eigentlichen Organanlage, welche von jener alternierenden Reihe von Borsten- insertionen besetzt war, sich immer dunkler gegen die Innenfläche sowohl wie auch gegen jene sekundäre Grenznaht abhebt. Diese Erscheinung ist, wie wir an Schnittpräparaten noch erkennen werden, 240 WALTHER BAUNACKE, auf verstärkte Anlagerung von Chitin an dieser Stelle zurückzuführen. Und zwar vollzieht sich die Verstärkung dieser Randzone nur an der dem Körperinnern zugewandten Seite des Integuments, während dessen Außenseite völlig glatt bleibt. Dort aber, wo das Stigma in nähere Beziehung zur Organanlage trat, unterbleibt die Ver- dickung der Cuticula. Hier, am medialwärts gelegenen Rande der Anlage, gestaltet sich nunmehr die Verbindung mit dem Stigma immer inniger. Das letztere rückt nämlich im Verlaufe dieser Periode so nahe an die Anlage heran, daß wir als Endresultat dieser Annäherung das in der Entwicklung begriffene Imaginalorgan eine Gestalt annehmen sehen, die wohl am besten nierenförmig genannt wird. Diese feste Verbindung der beiden Körperteile während dieser Phase vollzieht sich in folgender Weise: als un- mittelbare Folge der Einebnung des Integuments, besonders des- jenigen der Organanlage, wird ein Zug ausgeübt auf denjenigen Teil des in diesem Stadium noch immer sehr bildsamen Chitins, welcher medialwärts die Stigmengrube begrenzt. Dieser Teil aber wird infolgedessen so stark lateralwärts verzerrt, daß er allmählich als cuticuläre Falte die Stigmengrube mit dem am Grunde derselben gelegenen Stigma gänzlich überdeckt, so daß dieses von der Ober- fläche des Integuments, wo es erst lag, mitsamt der Stigmengrube tief unter jene Falte gerät und dem Auge bald ganz entschwindet. Gerade infolge der nunmehr so versteckten Lage in der Tiefe unter jener Falte, die wir im weiteren Verlaufe unserer Ausführungen als ,Deckfalte“ bezeichnen wollen, entging wohl das eigentliche Stigma zumeist der Beobachtung der früheren Autoren. Diese schlossen indessen größtenteils schon aus der Lage des Tracheen- ansatzes auf die Existenz des Stigmas an dieser Stelle. Die im weiteren Verlaufe der Umbildung die Stigmengrube immer fester verschließende Deckfalte füllt nunmehr das bis dahin freie Stück des Medialrandes der Anlage aus und verläuft oral- wie analwärts an der Oberfläche der sich verstärkenden Randzone. Der Teil des Innenfeldes der Anlage aber, der seinen Ursprung in dem bei der Larve zwischen Grubenrand und Stigma gelegenen Integument hatte und hier einen dichten Besatz von Borsteninsertionen zeigte, ver- schwindet in gleicher Weise an seinem medialen Rande unter jener Deckfalte (vgl. Taf. 12 Fig. 26). Er biegt sich unter dem Einflusse dieser „Überfaltung“ in der Richtung nach dem Körperinnern hin um und verläuft im Integument der Stigmengrube. Diesen Veränderungen tragen aber auch die in medialer Richtung auf die Deckfalte Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 241 folgenden Chitinteile Rechnung. Der Bogen, den die um das Stigma herumziehende sekundäre Grenznaht bisher beschrieb, gleicht sich, der Verschiebung des Stigmas folgend, mehr und mehr aus und trägt somit bei zur Abrundung des ganzen Gebildes. Das medialwärts von ihr bis zur ventralen Primärnaht reichende Integument der Paratergite indessen erleidet durch die Ausbildung der Deckfalte keine Veränderung. Es erhärtet vielmehr allmählich in ziemlich normaler Weise, so dab auch der regelmäßige Verlauf der breiten Primärnaht keine Störung erleidet. Alle durch jene Verzerrungen verursachten Störungen werden vielmehr ausgeglichen. So finden wir am Ende dieser Periode das junge Imaginalorgan mitsamt dem Stigma inmitten des ventral gelegenen, allerdings stark reduzierten Teils des Paratergits, dessen Faltenrand auch jetzt noch deutlich in Form einer Linie krausen Borstenbesatzes zu erkennen ist. Was nun aber die über die Anlage verstreuten Borsteninser- tionen anbelangt, so ist von den in ihnen wurzelnden Anhangs- gebilden auch in diesem Entwicklungsstadium noch nicht viel mehr zu beobachten als am Ende der ersten Phase. Wir erkennen bei günstiger Beleuchtung innerhalb der großen mehrfach konturierten Anlagestellen nur hin und wieder kurze dunkle Stummel, welche, von dem dunklen Zentrum der Anlage ausgehend, an ihrem distalen Ende bald völlig verschwimmen. Ganz ähnliche Anhangsgebilde inserieren den Anlagestellen der Randzone. Aber auch ihre Form ist nicht erkennbar. Jene zahlreichen kleineren Insertionsstellen des Innenfeldes indessen nehmen im Verlaufe dieser Periode einen starken Glanz an. Auch ihre Form bleibt in diesem Stadium der direkten Beobachtung unzugänglich. Alle diese Insertionsstellen treten aber auch innerhalb dieser Phase der Entwicklung allmählich immer schärfer hervor. In solcher Gestalt also zeigt sich uns das Imaginalorgan zu dem Zeitpunkte, wo die junge, aber ihrem Äußeren nach noch immer unvollendete Imago die Exuvie verläßt. Alle Vorgänge, die sich an den Organen in der Zeit nach der Abstreifung der letzten Larvenhaut noch bemerkbar machen, sind nichts anderes als die Folgen der die nunmehr im Verlaufe weniger Stunden sich vollziehende gänzliche Erhärtung des Chitins be- gleitenden Kontraktion. Gleichzeitig mit der Härte erhält das In- tegument auch seine Farbe, so daß schon dadurch alle Einzelheiten des Organs deutlicher in die Erscheinung treten. Was nun das ganze Gebilde in allen seinen Teilen anbetrifft, so sehen wir, dab 242 WALTHER BAUNACKE, sich die Anlage desselben in der Zeit von der Häutung bis zur endgültigen Erhärtung, d. h. also im Laufe der letzten Entwick- lungsperiode, stark zusammenzieht und auf diese Weise in sich selbst verfestigt wird. Alle ihre Teile, mit Ausnahme der cuticulären An- hangsgebilde und der sekundären Grenznaht, erhärten mehr und mehr und nehmen, wie schon erwähnt, eine dunkelgraubraune Färbung an. Außer diesen leicht zu beobachtenden Vorgängen, die sich nicht auf die Anlage beschränken, sondern die gesamte Cuticula, soweit sie nicht an der Bildung primärer wie sekundärer Nähte oder von Intersegmentalhäuten beteiligt ist, betreffen, sehen wir mit Beginn dieser letzten Phase mancherlei Veränderungen der Anlage vor sich gehen. Gleich nach dem Abwerfen der Exuvie unter Wasser gebracht, sehen wir die Innenfläche der Anlage in eigentümlichem Silberglanz erstrahlen, der sich mit zunehmender Färbung des Chitins all- mählich in Goldglanz verwandelt. Es ist nichts anderes als eine über die ganze Fläche ausgebreitete Luftschicht, welche diesen Silberglanz verursacht. Wie kommt es aber, daß dieser Glanz mit dem Chitin seine Farbe wechselt? Betrachten wir das Innenfeld der Anlage genauer, so sehen wir dessen Oberfläche nicht spiegel- artig glatt, sondern wellig hügelig gestaltet. Bald erkennen wir auch, daß die Fläche, welche jenen Glanz verursacht, nicht identisch ist mit der Oberfläche des Innenfeldes, welche die Insertionsstellen der Borstengebilde trägt, die aber auch jetzt nicht viel mehr von ihrer Form erkennen lassen als vor der Häutung. Wir haben es also mit einer dünnen, glasartig durchsichtigen Chitindecke zu tun, die in gewissem Abstande über der Oberfläche des Innenfeldes liegt. Ihr Glanz aber ist zurückzuführen auf totale Reflexion der Licht- strahlen, welche mit der zunehmenden Braunfärbung des Chitins dieser hügeligen Decke, durch die hindurch sie von der Oberfläche der Luftschicht ausstrahlen, allmählich Goldglanz annehmen. Woher aber diese Luftschicht kommt und wie diese zweite Chitindecke zu- stande kommt, das wollen wir uns weiterhin noch näher ansehen. Hier will ich nur erwähnen, daß diese Luft schon innerhalb der Larvenhülle, aber ganz kurz vor dem Abstreifen derselben, am Organ zu beobachten ist. Sie dehnt sich über die ganze Anlage bis hinein in die Versenkung des Stigmas als dünne Schicht aus und tritt am Rande derselben dicht an die Insertionsstellen der Randborsten heran. Mit der fortschreitenden Erhärtung und Färbung tritt nun auch die stark verdickte Randzone der Anlage schon bei Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 243 obertlächlicher Beobachtung scharf hervor und umrahmt als dunkler, ovaler Ring den goldglänzenden Innenraum. In starkem Kontrast zu diesem Rahmen, wie wir jene verdickte Zone nunmehr bezeichnen wollen, und zu dem jetzt gleichfalls stark pigmentierten umliegenden Integument, tritt nunmehr die beide voneinander trennende Grenz- naht außerordentlich deutlich in die Erscheinung (vgl. Taf. 12 Fig. 35). Gerade dadurch, daß ihr Chitin im Gegensatz zu dem sie begrenzenden elastisch weich und fast farblos durchscheinend bleibt, isoliert sie, schon rein äußerlich betrachtet, das fertige Organ scharf vom In- tegument des Paratergits. Der ehemalige Faltenrand, der auch in diesem Stadium noch wohl erkennbar ist, verwischt sich immer mehr, bleibt in Spuren aber auch nach der völligen Erhärtung des In- teguments noch erhalten. Was nun die Veränderungen anbetrifft, die sich in dieser letzten Phase an der das Stigma überwölbenden Deckfalte bemerkbar machen, so sehen wir, daß diese sich allmählich so fest auf den medialwärts unter ihr verschwindenden Teil des Innenfeldes der Anlage legt, daß zwischen beiden nur ein enger Spalt frei bleibt. Dieser Spalt (vgl. Taf. 12 Fig. 35) der, wie uns ein Querschnitt noch zeigen wird, hinabführt zur Stigmengrube, bildet an dieser Stelle gleichzeitig die äußerlich sichtbare Grenze des Luftbelages und der diesen be- deckenden membranösen Chitindecke, welche beide hier unter jener Deckfalte verschwinden. So findet auch der eigenartige Goldglanz an diesem Spalt seine medialwärts liegende Begrenzung. Wie am Totalpräparat überhaupt, so ist auch in diesem Stadium vom Borsten- besatz des Organs nicht viel zu beobachten. Nur will ich aufmerksam machen auf eine feine, nicht immer gut sichtbare Linie, welche wenig außerhalb der alternierenden Reihe der Randborsteninsertions- stellen sich auf dem verdickten Rahmen der Anlage hinzieht und dessen Verlauf bis dahin folgt, wo am medialen Rande die Deck- falte in jenem verläuft. Auch sie aber verschwindet hier in dem von dieser frei gelassenen Spalt, den wir weiterhin als „Stigmen- grubenspalt“ bezeichnen wollen. Außerhalb dieser Linie sehen wir in diesem Entwicklungsstadium vereinzelte lange haarförmige Borsten auf dem äußeren Rande des Rahmens verstreut, welche im Gegen- satz zu allen übrigen Anhangsgebilden des Organs von der Wurzel bis zur Spitze deutlich zu verfolgen sind. Bei genauester Betrach- tung indessen können wir auch schon am Totalpräparat beobachten, daß sich von allen den großen und kleinen Ursprungsstellen cuti- eulärer Anhangsgebilde, die wir in drei Arten geschieden hatten, Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 16 244 WALTHER BAUNACKE, feine Kanäle quer durch das Integument nach dem Körperinnern ziehen. So beweist schon die äußere Entwicklung des Imaginalorgans während der letzten Häutungsperiode zur Genüge, daß dieses in der Tat durch Umbildung und Vergrößerung des Larvalorgans unter Hinzutritt des benachbarten Stigmas entsteht. Um aber auch die Modifikationen kennen zu lernen, welche der feinere Bau der An- lage während aller dieser Entwicklungsphasen erfährt, müssen wir möglichst dünne Schnittpräparate zu Hilfe nehmen. Der feinere Aufbau. Betrachten wir in der Zeit kurz vor der Ablösung des jungen Chitins von der Larvenhaut an einem solchen Querschnitt die Stelle, an der die Ausbildung des Imaginal- organs beginnt, so sehen wir die Hypodermis, wie schon vor jeder larvalen Häutung, stark verdickt und gut differenziert. Während sie sonst der Larvenhaut noch fest anliegt, hat sie sich innerhalb des Paratergitlappens bereits stark zurückgezogen. An der in diesem Stadium äußerst zarten, kaum wahrnehmbaren jungen Cuticula ist von den verschiedenartigen Borstengebilden, die uns das Total- präparat zeigte, noch kaum etwas zu beobachten. Nur direkt unter- halb der alten larvalen Sinnesborsten erkennen wir schon Borsten- wurzeln, deren Anhangsgebilde in ihrem unteren Teile wenigstens gut sichtbar sind, während ihr distales Ende noch in dem zur larvalen Sinnesborste gehörigen Porenkanal zu stecken scheint. Sie eilen also scheinbar in ihrer Entwicklung allen übrigen Borsten der Anlage voraus, und dies ist leicht erklärlich, wenn wir bedenken, daß sie die direkten Nachfolger der larvalen Sinnesborsten sind. Auch die zu ihnen gehörigen peripheren Ganglienzellen treten inner- halb der Hypodermis stark hervor. Sehr bald nach der Ablösung aber erlangt das künftige imagi- nale Integument eine Stärke, die schon zahlreiche Einzelheiten am Querschnitt erkennen läßt. Fanden wir eben noch die Hypodermis mit der jungen Cuticula dem alten larvalen Chitin dicht angelegt, so sehen wir nunmehr, daß sie sich so weit aus dem alten Para- tergitwulst zurückzieht, daß die ganze Anlage des Imaginalorgans jene konvexe Wölbung annimmt, die wir, wie schon am Totalpräparat, nun auch am Querschnitt im Profil konstatieren können. Auch hier erkennen wir sowohl an ihrem medialen wie auch am lateralen Rande, tief nach innen vorspringend, die uns schon bekannte Grenz- falte. Haben wir aber einen Schnitt vor uns, der auch das Stigma Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 245 trifft, so sehen wir unterhalb der Stelle, wo sich in der Larvenhaut der medialwärts gelegene Rand der Stigmengrube findet, das junge Integument bereits etwas gefältelt (vgl. Taf. 11 Fig. 22) vorspringen. Dieser Vorsprung aber ist nichts anderes, als die im Anfangsstadium ihrer Entwicklung stehende Deckfalte. Die ihr in medialer Richtung benachbarten Teile der jungen Cuticula zeigen starke Faltung, eine Erscheinung, die mit der bereits beschriebenen Verschiebung des Stigmas eng zusammenhängt. Lateralwärts von der Anlage der Deckfalte aber zieht sich ein in diesem Stadium noch weit geöffneter Kanal ins Körperinnere, der, noch erfüllt von der alten larvalen Trachee, den künftigen Verlauf des zum imaginalen Stigma führenden Tracheenastes andeutet. Über seiner Ausmündung sehen wir in der alten Larvenhaut noch deutlich alle Einzelteile des Larvenstigmas erhalten, von denen sich aber die Hypodermis mit dem neu ge- bildeten Integument bereits zurückzieht. Von einer Neubildung des Stigmas ist während dieser Phase der Entwicklung noch nichts zu bemerken. Die in lateraler Richtung an diesem Stigmenkanal an- grenzende eigentliche Organanlage läßt, obwohl das neugebildete Integument noch immer ziemlich schwach und gänzlich strukturlos, d. h. glasartig durchsichtig, erscheint, bei geeigneter Färbung doch schon dentlich zahlreiche Borsteninsertionen erkennen. Die zu diesen letzteren gehörigen Anhangsgebilde lassen sich in diesem Stadium ihrer Entwicklung schon in jene drei verschiedenen Arten scheiden, die wir am Totalpräparat erkannten. Sahen wir sie dort aber hauptsächlich der Art und Größe ihrer Ansatzstellen nach in solche mit großen, mittleren und kleineren Papillen zerfallen, so zeigen sie sich auf Schnittpräparaten auch ihrer Form und Stellung nach voneinander sehr verschieden. Ihre eigenartige Anordnung, die gerade in diesem Stadium gut zu beobachten ist und uns be- sonders interessiert, zeigt sich auf Querschnitten meist ziemlich wirr. Nehmen wir uns indessen einen Längsschnitt vor (vgl. Taf. 11 Fig. 21), so fällt uns sogleich ihre regelmäßige eigenartige Anord- nung auf. Ehe wir aber diese näher betrachten, wollen wir einen Blick werfen auf die Beziehungen dieser euticulären Anhangsgebilde sowohl zum Integument der Anlage wie auch zu der unter diesen liegenden Hypodermis. Das noch immer äußerst dünne Integument zeigt im ganzen Verlaufe der äußeren Kontur des in Bildung begriffenen Imaginal- organs ziemlich regelmäßig verteilte tiefe Einsenkungen, die durch hügelartige Emporwölbungen voneinander getrennt werden. Während 16* 246 WALTHER BAUNACKE, sich die in diesem Entwicklungsstadium im Querschnitt stark licht- brechende Cuticula nach der Hypodermis hin scharf absetzt, gelingt es uns selbst bei stärkster Vergrößerung und genauester Einstellung des Mikroskops nie, auch die Außenkontur in absoluter Schärfe wahr- zunehmen. Diese erscheint vielmehr stets verschwommen, eine Tat- sache, die uns weiterhin noch näher beschäftigen soll. Bei Häma- toxylinfärbung aber zeigt sich die Cutieula äußerlich schwach ge- färbt. Schon bei oberflächlicher Betrachtung indessen erkennen wir auf den hügelartigen Erhebungen derselben äußerst kleine kegel- formige Gebilde, die im Gegensatz zum Integument der Anlage scharf konturiert und oberflächlich stark gefärbt erscheinen (vgl. Taf. 12 Fig. 28). Sie ragen in diesem Stadium ihrer Entwicklung sehr deutlich über das benachbarte Chitin empor und verteilen sich, einzeln oder zu mehreren auf der Höhe jener Hügel sitzend, über die ganze Anlage. Ein jeder dieser Kegel, die nichts anderes sind als rückgebildete oder wohl auch zu bestimmtem Zwecke umge- bildete Borsten des ehemaligen Larvalorgans, erhebt sich vom Grunde einer flachen, kaum merkbaren Vertiefung und sendet einen Plasma- fortsatz nach dem Körperinnern, der mit einer unscheinbaren Zelle in Verbindung steht. Diese Zelle ist die zugehörige Borstenzelle, die Insertionsstellen dieser kegelförmigen Gebilde aber sind identisch mit denen, die wir am Totalpräparat als die Kleinsten Insertionsstellen bezeichnet hatten. Auch bezüglich ihrer Verteilung auf dem Quer- schnitt zeigt es sich, daß sie am dichtesten beieinander stets auf denjenigen Hügeln der Cuticula stehen, welche den Rändern der Anlage am nächsten liegen. Zwischen jenen Hügeln indessen senkt sich das Integument, wie wir schon oben sahen, ein. Die so ent- stehenden kesselartigen Vertiefungen sind ziemlich regelmäßig über die Fläche der Anlage verstreut und zeigen an ihrem Grunde eine Öffnung, deren Rand ringförmig verdickt erscheint. Durch diese Öffnung tritt eine Borste nach außen, die in einem unter jener Öffnung sichtbaren Hohlraume inseriert und, wie jene Kegel, einen Plasmafortsatz nach dem Körperinnern sendet. Die Form der An- satzstellen solcher Borsten (vgl. Taf. 12 Fig. 27) erinnert schon in diesem Stadium lebhaft an die Insertionsweise der larvalen Sinnes- borsten. Und wir haben in ihnen tatsächlich die imaginalen Nach- folger dieser letzteren vor uns. Wo sie inserieren, da finden wir am Totalpräparat jene konzentrischen Kreise, als welche die Kon- turen der Borstenwurzel und deren am Grunde jener Einsenkung liegenden Öffnung, von außen her betrachtet, erscheinen. Was nun Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 247 den Bau dieser Borsten anbetrifft, so erkennen wir gerade an ihnen in dieser Phase der Entwicklung recht deutlich den Charakter cuti- culärer Anhangsgebilde als Ausstülpungen des Integuments. Wir sehen, wie die junge Cuticula übergeht in die schon gut sichtbare, dünne Kuppelmembran, die sich distalwärts allmählich verdickt zum glockenförmigen Fuß der Borste, welche dann ihrerseits durch die Offnung im Grunde der integumentalen Einsenkung nach auben her- vorragt. Nach dem Körperinnern hin stehen die Borsten dieser Art in Verbindung mit einem in diesem Stadium sehr umfangreichen Zellenkomplex, dessen einzelne Elemente gerade zu dieser Zeit der Beobachtung am leichtesten zugänglich sind. Bei oberflächlicher Betrachtung erhalten wir den Eindruck, als ob unterhalb jeder dieser Borsten je zwei riesengroße Zellen lägen, deren eine der Insertionsstelle dicht anliegt, während die andere sich in der Rich- tung nach dem Körperinnern hin an jene anschließt. Im Gegen- satz zu jener aber entsendet diese mehr proximal gelegene an ihrer dem Körperinnern zugekehrten Seite einen starken Fort- satz. Schon wenn wir diese vermeintlichen Riesenzellen durch mehrere Schnitte hindurch verfolgen, erkennen wir sogleich, dab es sich nicht um einzelne große Zellen, sondern um zwei hinter- einanderliegende Zellengruppen handelt. Ein besonders günstiger Schnitt zeigt uns sogar, daß die proximale Gruppe ein einzelliges peripheres Ganglion, umhüllt von zahlreichen Neurilemmzellen, darstellt und daß hingegen der distal gelegene Zellenkomplex aus mehreren in diesem Stadium sehr plasmareichen Borstenzellen besteht. Im Gegen- satz zu jenem Ganglion fehlt diesen natürlich ein proximaler Fortsatz. Das Ganglion indessen entsendet auch hier, ganz so wie bei der Larve, seinen peripheren vom Neurilemm umhüllten Fortsatz durch die Gruppe der bei der Imago viel größeren und, wie es scheint, auch zahlreicheren Borstenzellen hindurch nach dem Lumen der Borste. Da aber dieser Fortsatz nur einer einzigen Sinneszelle entspringt, müssen ‚wir ihn mit CLaus auch hier als „Achsenfaden“ bezeichnen. Um ihn herum drängen sich zwischen Ganglion und Integument die Borstenzellen, die, auch hier wieder an der auffallenden Größe ihrer Nucleoli leicht erkennbar, ihre Fortsätze distalwärts nach der noch sehr dünnwandigen Borste senden. Der Inhalt des Borstenlumens zeigt sich in dieser Phase noch gänzlich hyalin, läßt also Einzel- heiten nicht erkennen. Bezüglich der äußeren Form der mit diesen Zellen in Verbindung stehenden Borsten fällt uns am Längsschnitt der Anlage sogleich deren grobe Ähnlichkeit mit denen auf, die wir 248 WALTHER BAUNACKE, bei der Larve und zum Teil auch bei der jungen Imago als schild- förmige, schuppen- und tütenförmige kennen gelernt hatten. Obwohl sie nämlich als direkte Nachkommen der doch schwertförmigen lar- valen Sinnesborsten aufzufassen sind, nehmen sie jetzt ihrer Form nach eine Mittelstellung ein zwischen den schildförmigen und den tütenförmigen Borsten der Larve. Während die Ansatzstelle ihres Schaftes am Schilde die gleiche geblieben ist, wie sie uns die ersteren zeigten, hat sich ihr Schild in seiner ganzen Ausdehnung, namentlich aber nach den Rändern hin zu einer äußerst dünnen Lamelle verflacht. Dort aber, wo sich auf seiner proximalen Fläche der Borstenschaft ansetzt, zeigt dieser auf seiner distalen Fläche, d. h. mit anderen Worten, seiner Außenseite, eine flache, trichter- ähnliche Vertiefung. Diese ist zurückzuführen auf die lamellenartige Verflachung des ganzen Gebildes, welche sich einfach so vollzieht, daß die distale Wandung des Schildes an die proximale sich so dicht anlegt, wie es das zwischen beiden gelegene Plasma nur irgend ge- stattet. Alle Borsten dieser Art sind aber in ähnlicher Weise an- geordnet, wie wir dies auch bei den fast die ganze Ventralseite des Abdomens besetzenden schildförmigen Borsten finden, d. h. sie reihen sich, den Ziegeln eines Daches vergleichbar, in analer Richtung so aneinander, daß der längere Teil des Schildes der vorhergehenden den kürzeren Teil desjenigen der folgenden überdeckt. Weiter am Rande der Organanlage finden wir auf beiden Seiten der Anlage noch Borsten, die unter allen Borstenarten, welche uns bisher begegneten, die bei weitem sonderbarste Form zeigen. Gleichfalls ihrer Gestalt nach zwischen den schild- und tütenförmigen stehend, hat sich ihr Schild auffallend stark lamellös ausgebreitet, aber nur nach einer Richtung hin, nämlich stets nach der Mitte der Organanlage zu, während der übrige Teil des Schildes stark verkürzt erscheint, ja fast gänzlich fehlt (vgl. Taf. 12 Fig. 29). Ihr äußerst kurzer, aber starker Schaft setzt sich also fast unmittelbar am Rande des Schildes an, so daß die Borsten dieser Art vielleicht am besten vergleichbar sind mit solchen, die wir oben als tütenförmige bezeichnet hatten und die, sich flach aufrollend, ihrer Tütenform verlustig gegangen sind. Die Art ihrer Einfügung im Integument unterscheidet sie wesentlich von den übrigen Anhangsgebilden der Anlage. Nur der im Gegen- satz zur Innenfläche der Organanlage äußerlich völlig ebenen Rand- zone aufsitzend, liegen ihre gleichfalls’glockenförmigen, aber stärkeren Wurzeln in weit engeren Höhlungen als diejenigen der Sinnesborsten. Sie stehen nur mit großen Borstenzellen, nicht mit Ganglien in Ver- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 249 bindung und inserieren, dicht nebeneinander stehend, dem Integument so, daß ihre nach dem Zentrum der Organanlage gerichteten lamel- lösen Schilde diejenigen der über die ganze Innenfläche der Anlage verteilten Sinnesborsten weit überdecken. Alle cuticulären Anhangs- gebilde aber überragen in diesem Stadium völlig frei und vonein- ander isoliert das Integument der Anlage, während die unter diesem gelegene zur selben Zeit wohldiffenzierte Hypodermis neben den schon erwähnten Borsten-, Sinnes- und Neurilemmzellen noch zahlreiche langgestreckte sogenannte Stützzellen zeigt, die sich sämtlich eng aneinanderdrängen. Alle diese Zellen zeichnen sich in dieser Häutungsphase vor den nun folgenden Stadien besonders durch die Aufspeicherung großer Plasmamengen aus, die indessen mit der fort- schreitenden Verstärkung des Integuments und seiner Anhangsgebilde eine starke Verminderung erfahren. So zeigt uns gerade diese Phase der Entwicklung des in Bildung begriffenen Imaginalorgans am deutlichsten die Modifikationen, welche sowohl die feineren Elemente der Hypodermis wie auch diejenigen des Integuments bisher er- fuhren. Namentlich aus der Art der Umbildung der letzteren er- kennen wir mit Sicherheit, daß ein und dieselbe Borsteninsertions- stelle im Verlaufe der verschiedenen Stadien der ontogenetischen Entwicklung verschieden geartete cuticuläre Anhangsgebilde her- vorbringt. Nachdem uns so der Längsschnitt die Umbildung der Anlage innerhalb der von mir oben als Periode der Abrundung bezeichneten Entwicklungsphase auch in bezug auf ihre Einzelheiten gezeigt hat, mag uns nunmehr die Betrachtung eines Querschnittes beschäftigen, der, durch den Stigmengang führend, uns die Vorgänge der nun folgenden Periode verständlich machen soll. Die Entwicklung der Organanlage in der nun folgenden Zeit der Einebnung bringt auch im feineren Bau äußerst charakteristische Ver- änderungen mit sich. Die Zellen der Hypodermis gehen, infolge der fortschreitenden Verstärkung des jungen Integuments, ihres Reich- tums an Plasma mehr und mehr verlustig. Ihre im vorigen Stadium noch runde, volle und wohl erkennbare Form weicht infolgedessen einer langgestreckten, spindelförmigen. Die Unterscheidung der ein- zelnen Elemente der auch an Stärke einbüßenden Hypodermis ge- staltet sich somit immer schwieriger. Die Borstenzellen sind inner- halb der Stütz- und Neurilemmzellen wie auch der Nervenzellen kaum mehr aufzufinden, und nur die Berücksichtigung der Chromatin- struktur der zu den einzelnen Zellen gehörigen Kerne gibt uns 250 WALTHER BAUNACKE, Anhaltspunkte für die Unterscheidung der Formen, wie wir sie be- reits kennen lernten. Wenn wir nunmehr übergehen zur Betrachtung des Profils, welches uns der das Stigma treffende Querschnitt vom Integument der Anlage zeigt, so beginnen wir am besten wiederum am medial- wärts gelegenen Rande, d. h. bei der in Entwicklung begriffenen Deckfalte des Stigmas. Diese schiebt sich nunmehr weit in der Richtung nach der Innenfläche der Anlage vor (vgl. Taf. 11 Fig. 22). Sie läßt aber den Stigmengang noch weit genug offen, so daß die Häutung der im proximalen Teile des Kanals sichtbaren Trachee ohne Schwierigkeit vor sich gehen kann, zumal da von einer Neubildung des eigentlichen Stigmas in diesem Entwicklungs- stadium noch nichts zu beobachten ist. Diese vollzieht sich, wie es scheint, vielmehr erst dann, wenn der Stigmenkanal völlig frei ist von der alten larvalen Tracheenwand, die mit der Exuvie ab- geworfen wird. Die Häutung des Stigmenastes würde indessen wesentlich erschwert werden, wenn die Ausbildung des imaginalen Stigmas schon in diesem Stadium ihren Anfang nähme, denn die nachträgliche Entfernung der alten Larventrachee durch die gerade bei den Nepiden so überaus enge Stigmenöffnung erscheint fast un- möglich. Auf unserem Querschnitt sehen wir die alte Trachee schon weit aus dem Kanal hervorgezogen, der bereits die Wandung des imaginalen Stigmenastes erkennen läßt. Gerade dieses Präparat aber zeigt uns auch in der alten Larvenhaut deutlich den Ansatz der abgeworfenen Trachee an das in allen seinen Teilen noch wohl- erhaltene Stigma der Larve. Wir werden bei der Besprechung des Baues des imaginalen Stigmas gerade auch auf das Bild, welches uns jenes larvale bietet, noch einmal zurückkommen. Schon in diesem Stadium aber fällt es uns auf, daß auf beiden Seiten des Stigmenganges das Integument der Deckfalte, wie auch das der eigentlichen Organanlage, weit in denselben hineinreicht, ehe es in die an ihrer Struktur kenntliche typische Tracheenwand übergeht. Diese Übergangsstelle aber bezeichnet die Lage des ehe- maligen larvalen und des künftigen imaginalen Stigmas und läßt somit deutlich erkennen, wie weit sich die Deckfalte schon in diesem Stadium in lateraler Richtung vorgeschoben hat. Der Teil des Stigmenkanals, welcher ausgekleidet ist vom äußeren Integument, würde also als Neuanlage der Stigmengrube zu betrachten sein, deren noch immer weit geöffnete Ausmündung im weiteren Verlaufe der Entwicklung durch jene Deckfalte bis auf einen engen Spalt ge- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 951 schlossen wird. Diesen Spalt haben wir schon oben als Stigmen- grubenspalt bezeichnet. Jenseits der in Bildung begriffenen Stigmen- grube sehen wir das Integument der Organanlage im Begriffe sich einzuebnen. Unterhalb der auf der lateralwärts gelegenen Seite sichtbaren Randzone setzt eine verstärkte Anlagerung von Chitin ein, durch die hier das Integument allmählich zu einem Rahmen verstärkt wird. Aber auch die ganze Innenfläche zeigt eine be- deutende Verstärkung ihres Chitins. Schon in meiner vorläufigen Mitteilung bezeichnete ich den jener entsprechenden Teil des Imaginalorgans kurz als „Siebfeld“, weil gerade die von so zahl- reichen Porenkanälen durchbohrte Innenfläche es war, welche die von Durour für unsere Sinnesorgane in gänzlicher Verkennung ihres wahren Charakters gewählte falsche Bezeichnung als „siebförmige Stigmen“ verursacht hat. Um aber falschen Vorstellungen von vorn- herein auch für die Zukunft zu begegnen, ziehe ich es vor, diese Chitinplatte nunmehr besser „Sinnesfeld“ zu nennen, da gerade sie ja der eigentliche Träger der percipierenden Sinnesborsten ist. Die Anlage dieses Sinnesfeldes zeigt auch in diesem Stadium, noch deut- licher als zuvor ausgeprägt, jene hügelartigen Erhebungen, die mit kesselförmigen Einsenkungen wechseln. Die äußere Kontur des In- teguments aber läßt auch in diesem Stadium im ganzen Verlaufe des Profils des Sinnesfeldes jede Schärfe vermissen. An den Stellen jedoch, wo sich das Chitin infolge der Einsenkung seiner Oberfläche auch auf sehr dünnem Schnittpräparat von der Fläche her beob- achten läßt, zeigt es bei stärkster Vergrößerung eine völlig gleich- mäßige, aber äußerst feine Punktierung. Nur an ganz besonders günstigen Stellen aber ist es uns möglich, im Profil bei geeigneter Beleuchtung die Ursache jener Erscheinung mit Sicherheit zu er- kennen. Es zeigt sich dann, dab diese Punktierung nichts anderes ist als eine sehr feine plüschartige Oberflächenstruktur der Auben- seite des Integuments. Die feinen sehr kurzen haarartigen Fort- sätze, welche dicht beieinander stehen und nicht mit cuticulären Anhangsgebilden verwechselt werden dürfen, erscheinen, von der Fläche her betrachtet, eben in Gestalt winziger Pünktchen. Ihr starkes Lichtbrechungsvermögen aber ist die Ursache dafür, dab sie so schwer zu erkennen sind und die Randkontur des Integuments stets verschwommen erscheinen lassen. Diese Oberflächenmodifikation des Chitins erstreckt sich über das ganze Sinnesfeld bis hinein in die Stigmengrube und ringsum bis an die Insertionsstellen der Rand- borsten. Das Innere des Integuments läßt indessen in diesem Ent- 952 WALTHER BAUNACKE, wicklungsstadium noch jede Differenzierung in bezug auf seine Struktur vermissen. Durch die fortschreitende Ablagerung neuen Chitins immer weiter entfernt von den in der Hypodermis gelegenen Matrixzellen sehen wir die Verbindung aller cuticulären Anhangsgebilde mit jenen gewahrt durch die allmähliche Ausbildung von Porenkanälen. Diese sind je nach der Borstenart, der sie angehören, verschieden gestaltet und vor allem von verschiedener Weite. Auch in dieser Hinsicht zeichnen sich die Sinnesborsten vor allen übrigen Anhangs- gebilden besonders aus. Während die zu den letzteren führenden Kanäle nämlich ziemlich eng erscheinen, besitzen die Porenkanäle der Sinnesborsten ein sehr weites Lumen. Infolge der Verdickung, welche die Cuticula noch immer erfährt, ändert sich auch vieles an den Insertionsstellen der Borsten. Diese Veränderungen aber sind gerade auf unserem Querschnitt recht deutlich zu erkennen. Wir sahen schon bei der Betrachtung der Insertionsweise aller dieser verschiedenen Borsten der Organanlage während der Periode, die wir als diejenige der Abrundung bezeichnet haben, daß sie alle in mehr oder weniger deutlich ausgeprägten Vertiefungen des Integu- ments sitzen. Wir bemerkten aber auch zur gleichen Zeit schon, daß die Vertiefungen oder, besser gesagt, Höhlungen, welche die Borstenwurzeln der Sinnesborsten bargen, sehr geräumig waren im Vergleich zu denen der übrigen Borstenarten. Während die Wurzeln dieser letzteren, d. h. der Randborsten und der Borstenkegel, nun- mehr aber fest vom Chitin ihrer Höhlung umfaßt werden, so daß nur ein kaum sichtbarer Zwischenraum zwischen Wurzel und Wan- dung des Hohlraumes bleibt, geschieht dies bei den Insertionsstellen der Sinnesborsten nur dort, wo sie der Rand der am Grunde der integumentalen äußeren Einsenkung gelegenen Öffnung ring- förmig umzieht. Es bleibt jedoch zwischen Borste und Rand in diesem letzteren Falle noch ein gewisser Zwischenraum bestehen, der bei den übrigen Borstenarten fast fehlt. Der die Wurzel der Sinnesborste bergende Hohlraum aber erfährt gerade in diesem Stadium eine bedeutende Erweiterung gegenüber denen, welche alle die zu anderen Borstenarten gehörigen Wurzeln umschließen. So zeigen sich die Ansatzstellen aller dieser Borsten der Anlage schon bei oberflächlicher Betrachtung wesentlich voneinander verschieden. Da aber bezüglich der Insertionsweise wie auch der Form der ver- schiedenen Borstenarten gerade in dem uns vorliegenden Stadium noch manche Einzelheiten zu erkennen sind, deren Nachweis inner- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 253 halb der nächstfolgenden Entwicklungsphase mit mancherlei Schwierig- keiten verknüpft ist, wollen wir uns bereits hier etwas eingehender mit ihnen beschäftigen. So sehen wir, daß die weiten, aber zurzeit noch kurzen zu den Sinnesborsten führenden Kanäle (vgl. Taf. 12 Fig. 30) an ihrem distalen Ende sich trichterartig erweitern und inmitten der in diesem Stadium fast ebenen, kreisförmigen Grundfläche des die Wurzel bergenden Hohlraumes münden. Der Rand dieser ihrer ebenfalls kreisrunden Mündung setzt sich fort in die stark entwickelte äußerst dünne Kuppelmembran, welche, sich distalwärts verstärkend, allmäh- lich in die Borstenwurzel übergeht. Das Lumen der sich an- schließenden Sinnesborste zeigt sich in dieser Entwicklungsphase stark gefärbt und gegen das schon ziemlich dicke aber noch glas- helle Chitin scharf abgesetzt. Dort, wo der über der Borsten- membran sich ausbreitende Hohlraum, der sich in seiner Form der Borstenwurzel anpaßt, ihr aber weiten Spielraum läßt, sich an seiner äußeren Öffnung einschnürt, erscheint der Schaft der Borste bereits etwas verjüngt. Auch das Lumen desselben verengt sich an dieser Stelle, d.h. also unmittelbar über der glockenförmigen Wurzel, um sich in distaler Richtung in den trichterförmigen, membranösen Schild der Borste fortzusetzen. Gerade dadurch, daß dieses Lumen von dem stark färbbaren Plasma erfüllt ist, erscheint die Borste in fast allen ihren Teilen, soweit nicht durch die Verdickung des glashellen Chitins jenes Lumen eingeschnürt wird, gut gefärbt. Diese Tat- sache aber zeigt uns auch, daß auch der Schild der Borste bis zu seinem so außerordentlich dünnen Rande hin vom Plasma er- füllt ist, das mit der Hypodermis durch den Porenkanal in Ver- bindung steht. Was nun den feineren Bau jener kegelfürmigen Borstengebilde, die wir auf den hügelförmigen Erhebungen fanden, anbetrifft, so er- weitert sich der zu ihnen führende feine Porenkanal unterhalb der gleichfalls kreisförmigen Bodenfläche der diese Kegel bergenden in- tegumentalen Einsenkung gleichfalls zu einer allerdings wesentlich kleineren trichterförmigen Mündung (vgl. Taf. 12 Fig. 32) fast ganz so, wie wir diese unterhalb der Sinnesborsten sahen. Ohne eine besondere Kuppelmembran zu bilden, setzt sich hier das Chitin des Mündungsrandes unmittelbar fort in die Wandung des Kegels. Dieser macht hinsichtlich seiner Form ganz den Eindruck einer rudimen- tären schildförmigen Borste, von der fast nichts als der Schaft mit der Wurzel übrig geblieben ist. An der Stelle aber, wo sich dieser 254 WALTHER BAUNACKE, Schaft eigentlich ansetzen sollte an den Schild, erblicken wir, wohl als dessen kümmerlichen Rest, nur noch eine geringe, knopfartige Verdickung. Weit besser, als die Form der chitinösen Teile dieser Gebilde es gestattet, läßt uns die Gestalt ihres ebenfalls stark ge- färbten Lumens die einzelnen rückgebildeten Teile einer nicht völlig oder vielmehr in ganz besonderer Form zur Ausbildung gelangten normalen Borste erkennen. Wir sehen, daß sich dieses Lumen dort, wo wir die hier kaum als solche zu erkennende Wurzel der Borste zu suchen haben, in proximaler Richtung glockenförmig erweitert, von hier aus den kurzen, stummelähnlichen Schaft durchzieht und am distalen Ende desselben einen fast kugelförmigen Hohlraum bildet. Auch das Lumen dieser Kegel ist natürlich mit Plasma erfüllt. Die dritte Art der Anhangsgebilde der Anlage waren die Borsten der Randzone, welche letztere wir schon oben als Rahmen des Sinnesfeldes bezeichneten. Auch zur Wurzel dieser dem Rahmen aufsitzenden Randborsten, die uns ihrer Gestalt nach schon bekannt sind, führten, wie wir sahen, Kanäle. Diese erweitern sich unter- halb der Borstenwurzeln kaum merkbar (vgl. Taf. 12 Fig. 31) und münden gleichfalls an der Grundfläche des engen, die starke Wurzel ziemlich fest umschließenden Hohlraumes, den das Integument bildet. Auch der Rand ihrer Mündung setzt sich, fast ganz so wie bei den Kegeln, ohne zuvor eine besonders ausgeprägte Kuppelmembran zu bilden, in den Fuß der Borste fort, deren kurzer starker Schaft sich kaum über die Außenfläche der Cuticula erhebt. Der sich am distalen Ende des Schaftes ansetzende lamellöse Schild dehnt sich in der Richtung nach dem Sinnesfelde so weit aus, daß er über den Mittel- punkt dieser Fläche weit hinausragt. Das kürzere Ende des Schildes aber legt sich stets dicht an die Fläche des Integuments des Rahmens an und ist, vom Zentrum des Sinnesfeldes aus be- trachtet, nach außen gerichtet. Trotz der noch viel ausgeprägteren lamellösen Form der Schilde dieser Randborsten setzt sich auch bei ihnen das vom Porenkanal aus den Borstenfuß wie auch den kurzen Schaft durchziehende Lumen bis zum dünnsten Rande des Schildes fort. Auch hier aber ist ebendieses Lumen innerhalb dieser Ent- wicklungsphase noch in allen seinen Teilen von stark färbbarem Plasma erfüllt, das uns auch diese Borsten ihrer Form nach auf dem Querschnitt — seltner auch auf Totalpräparaten — deutlich er- kennen läßt. Unterziehen wir nun aber die Stelle des Sinnesfeldes, wo sich dessen Integument an dem uns vorliegenden Querschnitt Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 259 hinabsenkt in die Stigmengrube, einer genaueren Betrachtung, so er- kennen wir, daß auch hier Borsten inserieren, die uns infolge ihrer versteckten Lage an den bisher betrachteten Präparaten völlig ent- gangen sind. Es sind die Borsten der lateralwärts gelegenen Wan- dung der Stigmengrube, die in genau gleicher Weise modifiziert wie die an unserem das Stigma treffenden Querschnitte ihnen gegen- über am Rahmen inserierenden Randborsten, ihre gleichfalls lamel- lösen aber kürzeren Schilde jenen entgegensenden. Im Gegensatze zu den eigentlichen Randborsten aber überragt ihr kurzer, starker Schaft das Integument um ein beträchtliches, ehe er in den Schild übergeht. Auch der hier nach dem Grunde der Stigmengrube zu gerichtete kürzere Teil des Schildes ist gleich dem jener Randborsten lamellös, legt sich aber dem Integument nicht an (vgl. Taf. 12 Fig. 33). Die eigentümliche Art ihrer Einfügung im Integument soll uns später noch eingehender beschäftigen. Die bei der Larve auch den medial- wärts gelegenen Teil der Wandung der Stigmengrube besetzenden Borsten aber sind verschwunden. Der interessanteste Vorgang, welcher sich gerade im Laufe dieser Entwicklungsperiode am Borstenbesatz des ganzen Organs abspielt, ist der, daß alle die beschriebenen Borstenarten in engste Beziehung zueinander treten. Wir sahen, daß sich bereits im Laufe der vorhergehenden Periode die Sinnesborsten, wie auch die Rand- borten, in bestimmter Weise anordneten, sonst aber völlig unabhängig und isoliert voneinander das Integument überragten. Und zwar ordneten die Sinnesborsten ihre ovalen Schilde ziegelartig über- einander an, während dieses „Dach“ noch von den langgestreckten Schilden der Randborsten, zu denen sich im Stigmengang noch gleichgebaute hinzugesellen, die wir forthin „Deckborsten“ nennen wollen, überragt. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung nun legen sich die lamellösen Schilde sowohl der Sinnesborsten wie auch der Deckborsten so dicht übereinander, daß ihre Grenzen von diesem Zeitpunkte ab kaum mehr zu ermitteln sind, wenn diese Anordnung nicht etwa mechanisch gestört wird, wie dies vielfach beim Schneiden nicht zu umgehen ist. Unser Querschnitt (vgl. Taf. 11 Fig. 22) zeigt diese von den lamellösen Schilden aller dieser Borsten zu- sammengesetzte Borstenlage, welche identisch ist mit der Chitin- decke, die wir am Totalpräparat noch über der Fläche des Integu- ments ausgebreitet fanden, fast unversehrt. Nur vereinzelt sehen wir Borstengebilde, die sich noch nicht ihrer ganzen Fläche nach dieser membranartigen Decke angeschmiegt haben. Diese „Borsten- 256 WALTHER BAUNACKE, membran“, so will ich diese Decke im weiteren Verlaufe meiner Ausfiihrungen bezeichnen, zeigt indessen vor ihrer Erhärtung und der vülligen Einebnung des ganzen Organs ein immerhin noch ziemlich lockeres Gefiige. Sie zeigt sich, da sie sich ja aus den Borsten zusammensetzt, welche noch immer viel Plasma enthalten, weil ihr Chitin auch weiterhin noch verstärkt wird, in diesem Stadium stets stark gefärbt. Gleichsam gestützt durch die über das Sinnesfeld verstreuten Schäfte der Sinnesborsten läßt sie über dem Integument einen Raum frei, in den von den hügelartigen Er- hebungen aus die Borstenkegel hineinragen, ohne daß sie jedoch mit der Membran in Berührung kommen. Der Raum selbst aber füllt sich, wie wir schon sahen, kurz vor dem Abwerfen der Larven- haut mit Luft, welche, durch die während dieser Entwicklungsphase im natürlichen Zustande noch vollkommen farblose Membran hin- durch gesehen, silberglänzend erschien. Wie aber gelangt diese Luftschicht unter die Borstenmembran? Verfolgen wir die Membran an unserem Querschnitt in medialer Richtung, so sehen wir sie eine Strecke weit in die Stigmengrube hineinreichen, deren modifizierte Borsten sich ja an ihrer Bildung mit beteiligten. Dadurch aber, da sich diese dem Integument nicht anlegen, lassen sie den unter der Membran gelegenen Raum frei in die Stigmengrube münden (vgl. Taf. 12 Fig. 33). Von den am Rahmen inserierenden Deckborsten aber, welche die kürzeren Lappen ihrer lamellösen Schilde an die Oberfläche des Rahmens dicht anlegen, wird dieser Raum im Verlaufe jener am Totalpräparate sicht- baren feinen Linie ringsum abgeschlossen (vgl. Taf. 12 Fig. 31). Wir bemerkten aber gleichfalls schon am Totalpräparat, daß sich mit fortschreitender Einebnung des Integuments die Deckfalte allmählich so fest über die Stigmengrube legt, daß zwischen ihr und dem Integument schließlich nur noch ein schmaler Spalt bleibt, den wir als Stigmengrubenspalt bezeichneten. Schien aber jene feine Linie sowohl wie auch der Silberglanz am Totalpräparat gerade durch den Stigmengrubenspalt in medialer Richtung begrenzt, so zeigt uns ein Querschnitt durch diese in ihrer Entwicklung so weit vor- geschrittene Organanlage, daß Membran und Luftraum durch den in diesem Stadium noch immer ziemlich weit geöffneten Spalt hinab- reichen in die versenkte Stigmengrube. Beide verschwinden hier, wie am Totalpräparat, also unter der Deckfalte. Somit liegt auch die Annahme sehr nahe, daß die den Raum zwischen Sinnesfeld und Borstenmembran so plötzlich erfüllende Luft vom Stigmenkanal her in diesen eindringt. Wir werden späterhin sehen, daß dies Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 257 tatsächlich der Fall ist, ja es wird sich zeigen, daß die Beziehungen zwischen dem Sinnesfeld und dem Respirationssystem noch weit engere sind und als solche während der ganzen Lebensdauer des Tieres fortbestehen. In diesem Zustande der Entwicklung zeigt sich uns das künftige Imaginalorgan mit allen seinen Einzelheiten zu der Zeit, wo das Tier im Begriffe steht, sich der Larvenhaut zu entledigen und das Gewand der Imago anzulegen. Mit dem Abwerfen der letzten Exuvie aber erreicht die Ent- wicklung des Tieres noch keineswegs ihren Abschluß. Dieses tritt vielmehr in die Phase ein, die wir als diejenige der Kontraktion gekennzeichnet hatten und die vom Momente der letzten Häutung bis zur völligen Erhärtung des Integuments währt. Auch innerhalb dieser Zeit setzt sich die Verstärkung der Cuticula durch Anlagerung von neuem Chitin an der proximalen Seite fort, was an Querschnitten verschiedener Altersstadien deutlich zu erkennen ist. Infolgedessen gehen die Hypodermiszellen wie auch die Borstenzellen ihres Plasmas so weit verlustig, daß bald nur noch die Zellkonturen mit dem stark reduzierten Kern ihre ehemalige Lage erkennen lassen. Ihre Rudi- mente drängen sich zwischen die noch wohlerhaltenen Sinneszellen und gestalten so die Deutung der einzelnen Elemente der immer schwächer werdenden Hypodermis noch schwieriger. Mit der Ver- dickung des Integuments, die sich namentlich auch am Rahmen bemerkbar macht, geht Hand in Hand eine weitere Verlängerung aller Porenkanäle in proximaler Richtung. Infolge der Erhärtung des Chitins und der damit verbundenen Kontraktion wird nunmehr auch eine deutliche Schichtung des Integuments an allen Teilen des Organs am Querschnitt sichtbar. Gerade die Ausbildung der Chitinstruktur läßt nunmehr die Isoliernaht auch im Querschnitt stark hervortreten, während die allgemeine Kontraktion das Organ so stark zusammenzieht, daß dieses nun auch seinem Profil nach als ein vollkommen einheitliches Ganzes erscheint. Unmittelbar nach der Häutung aber zeigt uns ein Querschnitt durch den Stigmen- kanal auch endlich das am Grunde der Stigmengrube liegende Stigma, welches wir bisher an dieser Stelle stets vergebens suchten (vgl. Taf. 12 Fig. 34). Es scheint also, dab es tatsächlich erst nach vollzogener Entfernung der alten Larventrachee aus dem Stigmen- kanal zur Ausbildung gelangt. Beobachten konnte ich die Ent- wicklung des Stigmas leider nicht; wie ich mir sie denke, das will ich bei Besprechung des Imaginalorgans noch eingehender darlegen 258 WALTHER BAUNACKE, und durch Tatsachen zu stützen suchen. Dort werde ich auch auf den Bau dieses Stigmas noch näher zurückkommen. Was nun aber die cuticulären Anhangsgebilde des Organs an- betrifft, so weicht infolge der auch bei ihnen noch fortschreitenden Verstärkung der chitinösen Wandung das Plasma aus ihrem Lumen mehr und mehr zurück. So zeigen alle zur Organanlage gehörenden Borsten auch auf gefärbten Schnitten in ihren äußeren Teilen ein mehr hyalines Aussehen. Gleichzeitig mit der Erhärtung nimmt aber das Integument nunmehr auch seine endgültige Färbung an. Unmittelbar nach der Häutung noch zart und durchsichtig, zeigt es sich am Schlusse dieser letzten Phase lederartig hart und von graubrauner Färbung. Nur das Chitin der Isoliernaht bleibt weich und farblos durchsichtig. Die im medial gelegenen Teil des Quer- schnittes sichtbare Deckfalte aber legt sich endlich so fest auf die Membran, daß die Stigmengrube und der Raum zwischen Membran und Sinnesfeld zu kommunizieren und nach außen völlig abgeschlossen zu sein scheinen. So haben wir die Entwicklung des künftigen Imaginalorgans auch auf dem Querschnitt bis zu dem Zustande verfolgt, in dem wir es bei der geschlechtsreifen Imago finden. Gerade aber die Kenntnis der ontogenetischen Entwicklung dieser Organe, welche wir am Totalpräparat wie an jenen Schnitten in allen ihren Phasen beobachten konnten, wird uns das Verständnis ihres Baues und ihrer Wirkungsweise bei der Imago wesentlich erleichtern. Der Umbildung aber, welche diese Entwicklung mit sich bringt, unter- liegen die Organe des 4, 5. und 6. Abdominalsegments in genau gleicher Weise; nur das ohnehin schon im Wachstum zurückgebliebene vorderste Grubenpaar, welches wir bei der Larve im 3. Abdominal- segment bis zum letzten Larvenstadium noch erhalten fanden, ver- hält sich vollkommen abweichend. d) Das Schwinden des vorderen Organpaares. Dieses vordere Grubenpaar erfährt bei der Umbildung der Larve zur Imago in bezug auf seine Lage den gleichen Wechsel, dem auch die übrigen Sinnesorgane unterlagen. Während diese aber nicht nur den das Integument im allgemeinen betreffenden Vorgängen unter- worfen waren, sondern außerdem noch in besonderer Weise modi- fiziert wurden, unterbleibt diese Modifikation an den Organen des 3. Abdominalsegments vollständig. Sie erfahren Veränderungen nur insoweit, als dies ihre: ginzliche Rückbildung erfordert. Auch ihre Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 259 Höhlung ebnet sich ein, aber nur, um dem umliegenden Integument völlig gleich zu werden. Die ehemaligen Sinnesborsten werden rückgebildet oder umgebildet, aber nicht vermehrt; alle übrigen Borsten des Larvalorgans aber wandeln sich um in gewöhnliche schildförmige. Nur hin und wieder sehen wir bei weiblichen Imagines an der Stelle, welche dem Platze des ehemaligen Organs entspricht, noch vereinzelte weite Porenkanäle als kümmerliche Überbleibsel des Larvalorgans erhalten. Entsprechend dieser Rückbildung unter- bleibt hier auch jegliche Annäherung des Stigmas an die Anlage des Organs. Beide bleiben vielmehr voneinander dauernd getrennt durch die ventrale Primärnaht, so daß also in diesem Segment das Stigma seine ursprüngliche Lage im Sternit auch bei der Imago bei- behält. So reduziert sich die Zahl der Sinnesorgane bei der Imago auf 6, während wir bei der Larve deren 8 zählten. BB. Die Umgestaltung der Sinnesorgane bei verwandten Gattungen. Was nun die ontogenetische Entwicklung der Organe bei den ‘ übrigen von mir untersuchten Arten der Familie Nepidae (STÄL) an- betrifft, so konnte ich zu eingehender Untersuchung nur unsere ein- heimische Ranatra linearis heranziehen, da mir nur diese in ver- schiedenen Entwicklungsstadien zur Verfügung stand. Nur von einer einzigen Laccotrophes-Art (L. robustus ? StÄt) erhielt ich eine große Larve, welche unmittelbar vor der letzten Häutung stand und in ihrem Innern die bereits gut entwickelte junge Imago bare. Die Präparation und Untersuchung dieser Formen ergab die gleichen Bilder, welche uns im entsprechenden Entwicklungsstadium bei unserer einheimischen Nepa begegneten. Unterschiede ergaben sich nur insofern, als bei Ranatra das Fehlen der Paratergitlappen die ganze Umbildung einfacher erscheinen läßt, während zur Ein- ebnung der breiten Paratergitwülste bei den Laccotrephes-Arten eine besonders starke Rückbildung nötig ist. Wie bei Nepa, so hinter- lassen auch bei diesen Formen jene Vorgänge am Integument ihre Spuren, welche sichere Rückschlüsse gestatten. Auch bei den Ver- tretern dieser beiden Gattungen aber’ wird im Laufe der gesamten ontogenetischen Entwicklung das gleiche Ziel erreicht wie bei Nepa: Das vordere Grubenpaar wird vollkommen rückgebildet, Paratereit- falte und Atemrinne werden eingeebnet und die ehemaligen larvalen Sinnesorgane auf die freie Fläche des Abdomens verlagert und zu Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 17 260 WALTHER BAUNACKE, Imaginalorganen, ganz so wie bei Nepa, umgebildet. Verhielten sich aber die Vertreter aller 3 von uns besprochenen Gattungen schon in bezug auf den Bau der wesentlichen Bestandteile und vor allem die Wirkungsweise der Larvalorgane im großen und ganzen völlig gleich, so läßt der Vergleich der zum Teil allerdings unzureichen- den Befunde an den in der Entwicklung begriffenen jungen Imagines, vor allem aber derjenige der Imaginalorgane mit Recht darauf schließen, daß auch die ontogenetische Entwicklung bei allen im Prinzip dieselbe ist. Wir können somit das Ergebnis unserer ontogenetischen Unter- suchung dahin zusammenfassen, dab das Imaginalorgan nichts anderes ist, als es die Sinnesgrube bei der Larve war, und daß diese, den neuen Verhältnissen des umgebildeten Integuments Rechnung tragend, eine Form annahm, welche ihre Funktion auch weiterhin gewähr- leistet. Alles, was beim Larvalorgan vorhanden war, wurde je nach Bedarf umgebildet und zum Aufbau der Neuanlage benutzt oder aber dort, wo es überflüssig war, zurückgebildet. So konnten wir im frühesten Stadium der Neuanlage deren einzelne Teile gut identifizieren mit denjenigen Teilen des Integuments, welche das Larvalorgan zusammensetzten. Aber auch die Verteilung der über die ganze Anlage hin verstreuten, verschieden gestalteten Borsten- insertionen ließ uns die ehemaligen integumentalen Teile des Larval- organs wiedererkennen. Wir können aber die verschiedenen Arten der Anhangsgebilde des Imaginalorgans keineswegs ansprechen als die direkten Nachfolger bestimmter Borstenarten des Larvalorgans. Nur das können wir behaupten, daß wir nämlich die meisten Borsten- gebilde stets da finden, wo sie schon am Larvalorgan besonders dicht standen. Dies bezieht sich aber nicht nur auf die einzelnen Organe, sondern auch auf die verschiedenen Species und vor allem auf die Gattungen. So müssen sich also bei den Laccotrephes-Arten bei weitem die meisten, bei den Vertretern der Gattung Ranatra indessen bedeutend weniger Borsten am Aufbau des Organs be- teiligen, während die Gattung Nepa zwischen beiden auch in dieser Hinsicht die Mitte halten müßte. Die Betrachtung der Imaginal- organe aller dieser Gattungen wird uns zeigen, daß dies tatsächlich der Fall ist. Der Vergleich der Organe zwischen den einzelnen Arten und Gattungen aber wird uns gleichzeitig erkennen lassen, daß zu ihrem Aufbau die vorhandenen Anhangsgebilde in mehr oder minder verschiedener Weise Verwendung finden. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 261 V. Imago. A. Nepa cinerea (LinxE). a) Morphologie des Abdomens. Wenn wir uns nunmehr zur Betrachtung der Verhältnisse wenden, wie sie uns das geschlechtsreife Tier von Nepa cinerea in bezug auf die Anordnung und den Bau seiner abdominalen Sinnesorgane zeigt, so wollen wir auch hier bei der Imago erst wieder einen kurzen Blick werfen auf den morphologischen Aufbau des Abdomens, insbesondere aber der Segmente, welche die abdominalen Sinnesorgane tragen. Die Gliederung des Abdomens der geschlechtsreifen Tiere ist eine dreifache. Wir finden nämlich bei beiden Geschlechtern neben der ursprünglichen larvalen noch eine besondere sekundäre Gliederung des Integuments. Als dritte Art dieser morphologischen Gliederung aber wollen wir diejenige betrachten, welche nur dem männlichen Tiere zukommt, dem Weibchen aber gänzlich fehlt. Bezüglich der ursprünglichen, primären Zusammensetzung des Integuments konnten wir schon gelegentlich unserer ontogenetischen Betrachtungen feststellen, daß der integumentale Aufbau des lar- valen Abdomens während der letzten Häutungsperiode eine wesent- liche Änderung nur insofern erfährt, als die ventral gelegenen zur Paratergitfalte ausgebuchteten Teile der umgeklappten Para- tergite eingeebnet wurden. Sonst aber bleibt im großen ganzen alles beim alten. Wie schon bei der Larve, so erkennen wir auch bei erwachsenen Tieren beiderlei Geschlechts mitten auf der Rücken- seite des Abdomens breite Tergite, die durch die dorsalen Primär- nähte beiderseits mit den ventralwärts umgeklappten Paratergiten verbunden sind (vgl. Fig. F1, S. 264 u. G2, S. 265). Dadurch, daß auch bei der Imago diese Paratergite den scharfen Körperrand bilden, ver- mögen wir an ihnen einen dorsalen und ventralen Abschnitt zu unter- scheiden. Zwischen den zuletzt genannten Teilen der Paratergite breiten sich an der Bauchseite (vgl. Fig. F2, S. 264 u. G2, S. 265) ganz ebenso wie bei der Larve die Sternitplatten aus, die mit den beiderseits an- srenzenden Paratergitplatten durch die bei der Imago besonders stark ausgebildeten, für gewöhnlich sogar eingefalteten ventralen Primärnähte in Verbindung stehen. Diese Gliederung des Abdomens ist bei beiden Geschlechtern die gleiche und entspricht, von der Form der einzelnen Platten abgesehen, noch so vollständig dem 17* 262 WALTHER BAUNACKE, Aufbau des larvalen Abdomens, daß wir sie als die primäre be- zeichnen können. Diese ursprüngliche Zusammensetzung zeigt sich noch am deutlichsten im 2.—6. Abdominalsegment, in den übrigen Segmenten erscheint sie mehr oder weniger stark verwischt, infolge der sekundären Modifikationen, welche diese Teile des Körpers er- fuhren. Im Laufe der Umbildung der Larve zur Imago treten jedoch bei beiden Geschlechtern innerhalb jener primären Platten des Ab- domens noch sekundäre Nähte auf, welche die Gliederung des imaginalen Abdomens äuberst kompliziert erscheinen lassen. Gerade diese sekundäre Gliederung erschwert die Identifizierung der ein- zelnen Skeletteile des Abdomens beim geschlechtsreifen Tier außer- ordentlich, und nur die genaue Kenntnis der physiologischen Be- dürfnisse der Imago sowie der allmählichen Umbildung, welche die Veränderung der morphologischen Gliederung bei der Larve be- wirkte, vermag uns sicheren Aufschluß über die Zugehörigkeit der einzelnen Platten des imaginalen Abdomens zu geben. Von diesen sekundären Modifikationen bleiben nur die Tergit- platten unberührt. Sonst aber werden alle Teile des abdominalen Integuments von ihnen betroffen. Hrymons (1899) sagt über die Umwandlungen, welche die letzte Häutungsperiode mit sich bringt p. 384: „Bei der Umbildung der Larve zur Imago vollzieht sich so- wohl eine Veränderung der Bauchplatten, wie der Rückenplatten. Im 2.—6. Abdominalsegment setzen sich die Stigmen tragenden Lateralteile der ersteren ab, so dass damit Parasternite entstehen. Mit Ausnahme des 6. Abdominalsegments reichen dieselben jetzt bis zum Körperrand, indem bei der Umbildung zur Imago die bisher ventralwärts umgeklappten Seitenteile der Tergite grösstenteils rückgebildet worden sind. Dorsal treten Paratergite auf, die sich deutlich gegen das Tergit abgrenzen, sie reichen aber im 2.—5. Seg- ment nur noch bis zum scharfen Körperrand hin.“ Demgegenüber konnten wir feststellen, daß die dorsalen Teile der Paratergite sich nicht erst bei der letzten Häutung von den Tergiten abgrenzen, sondern schon bei der Larve allerdings viel weniger auffällig als bei der Imago abgesetzt erscheinen. Ferner aber sahen wir auch, daß die ventralwärts umgeklappten Teile dieser Paratergite eine Rückbildung nur insoweit erfuhren, als dies zur Einebnung der Paratergitfalte nötig war. Sonst aber blieben sie nach wie vor als ventrale Apschnitte der Paratergite erhalten. Schon Docs sprach bezüglich jener oben zitierten Annahme Hrymons, Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 263 die Vermutung aus, daß die von diesem Autor als Parasternite be- zeichneten ventralen Randplatten der Imago wohl in der Haupt- sache noch als Paratergite aufzufassen wären. Er begründet diese Vermutung damit, daß auf Schnitten, die er von einer noch in der Larvenhaut befindlichen jungen Imago erhielt, der Körperrand der Imago mit dem der Larve genau zusammenfiel und daß ferner in- mitten der betreffenden Platten sich parallel dem Körperrande eine Linie hinzieht, die wohl dem Rande des larvalen Faltensaumes entspricht. Wir sahen indessen schon beim Studium der einzelnen Phasen der Umbildung der Larve zur Imago, daß die Körperränder beider nicht zusammenfallen. Wir konnten vielmehr feststellen, dab ein Teil des Integuments der Ventralseite am Abdomen der jungen Imago noch vor der letzten Häutung zu beiden Seiten dorsalwärts verschoben wurde und dort eine falzähnliche Leiste bildete. Wohl aber macht Docs mit Recht auf jene Linie aufmerksam, die nament- lich bei noch jungen Imagines inmitten der ventral gelegenen Teile der Paratergite deutlich sichtbar ist (vgl. Fig. F2, S. 264). Schon bei unserer Betrachtung der ontogenetischen Vorgänge hatten wir sie als die letzte Andeutung der hier eingeebneten Paratergitwülste er- kannt. Die Lage der Stigmen, welche Docs weiterhin noch als Be- weis für die Richtigkeit seiner Vermutung anführt, spricht eher dagegen als dafür. Gerade der sekundäre Übertritt der Stigmen des 4.—6. Segments aus den Sterniten in die Ventralteile der Paratergite zum Zwecke ihrer Vereinigung mit den diesen Platten eingelagerten Sinnesorganen vermag leicht über die Zugehörigkeit jener Randplatten zu täuschen. Alle übrigen Stigmen aber, mit Ausnahme derjenigen des 1. Abdominalsegments, welche nach der Dorsalseite verlagert werden, behalten ihre ursprüngliche Lage innerhalb der Sternite bei. Das sicherste Kriterium für die Iden- tität der ventralen Abschnitte der Paratergite bei Larve und Imago aber bilden die abdominalen Sinnesorgane, die auch während der ontogenetischen Umbildung des Abdomens ihren Platz am Integument behaupten. Hrymons macht aber weiter darauf aufmerksam, daß bei diesen Tieren die Bauch- und Rückenplatten die Neigung zu einer weiteren sekundären Gliederung besitzen. Er begründet die Absonderung der Lateralteile dieser Platten damit, daß sie wohl den Zweck ver- folgen dürfte, dem Körper die namentlich für die Imago während der Reifung der Geschlechtsprodukte notwendige Ausdehnungsfähig- keit zu gewähren. Auch VERHOEFF (1893) nennt unsere einheimischen 264 WALTHER BAUNACKE, _ Nepiden als diejenigen unter den Rhynchoten, bei denen es zur stärksten Pleurenbildung kommt. Dieser Autor unterscheidet näm- lich die Platten der Abdominalsegmente in Tergite und Sternite, zwischen denen nicht nur obere und untere Pleuren, sondern auch noch ein Paar „akzessorischer Pleuren“ sich einschieben. Über die physiologische Bedeutung dieser Eigentümlichkeit spricht er sich jedoch nicht aus. Wenn wir die Platten des imaginalen Abdomens näher be- trachten, fällt es uns bei männlichen wie auch bei weiblichen Tieren sogleich auf, daß die Ventralseite von jener sekundären Gliederung am stärksten betroffen wird. Ganz besonders aber tritt diese Modi- fikation an den Paratergiten hervor. Dort nämlich, wo deren ven- trale Abschnitte, den scharfen Körperrand des Abdomens bildend, Fig. F. Zur Morphologie des imaginalen Abdomens von Nepa cinerea L. 1. Dorsalseite. 2. Ventralseite. 3. Randfalz (Querschnitt). 4. Flügelverschlußleiste im 6. Segment (Querschnitt). (Verzeichnis der Abkürzungen am Schluß der Arbeit.) Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 265 sich dorsalwärts umbiegen, erfolgt bei der ontogenetischen Umbildung eine sekundäre Trennung der Paratergite in ihre ventralen und dorsalen Teile (vgl. Fig. G2, S. 265). Die beide Teile verbindende sekun- däre Naht aber zieht sich, dieht am medial gelegenen Rande des von den Ventralteilen gebildeten Falzes verlaufend, vom 2. Abdominal- segment bis hin in das 6. Dieser Falz, der nichts anderes ist als eine Verschlußleiste für Hemielytren, wird im 6. Segment sogar zu Md T Fig. G. Schematische Querschnitte des imaginalen Abdomens. Die rechte Hälfte jedes Schnittes führt durch ein Sinnesorgan, die andere berührt ein solches nicht. 1. Laccotrephes. 2. Nepa. 3. Ranatra. (Verzeichnis der Abkürzungen am Schluß der Arbeit.) 266 WALTHER BAUNACKE, einem besonderen, federnden Verschlußapparat. Hier ist er infolge- dessen auch vom ventralen Abschnitt des Paratergits isoliert durch eine Naht, deren sekundärer Ursprung uuverkennbar ist. Er er- scheint somit hier als vollkommen isolierte Abschnürung der Paratergite (vgl. Fig, F1—4, S. 264). Während aber der im 2.—5. Segment verlaufenden Verschlußleiste eine Rinne am lateralen Rande der Deckflügel entspricht, zeigen diese dort, wo sie in der Ruhelage jener Abschnürung im 6. Segment aufliegen, eine besondere Höhlung, in welche jener federnde Verschlußapparat eingreift. Gerade diese sekundäre Trennung der Paratergite in ihre dorsalen und ventralen Teile hat wohl Heymons und VERHOEFF dazu bewogen, die einzelnen Abschnitte derselben als besondere selbständige Skeletteile zu be- zeichnen. Denn die von Hrymons als Paratergite, von VERHOEFF aber als obere Pleuren betrachteten Dorsalplatten sind in der Tat nichts anderes als die dorsal gelegenen Abschnitte der Paratergite, während wir die von Hrymons als Stigmen tragende Parasternite, von VERHOEFF aber als untere Pleuren bezeichneten Skeletteile als die ventralen Abschnitte jener zu betrachten haben. Die sekundäre Randnaht, welche beide Teile verbindet, vermittelt aber gleich- zeitig eine gewisse Beweglichkeit der ventralen gegen die dorsalen Platten. Bei den die Bauchseite einnehmenden Sternitplatten tritt eine sekundäre Gliederung in der Weise ein, daß sich beiderseits Parasternite von ihnen abgrenzen, die den „akzessorischen Pleuren“ VERHOEFF’'s entsprechen. Im Verlaufe der die Sternite und Para- sternite verbindenden ventralen Sekundärnaht zeigt sich bei beiden Geschlechtern die Bauchdecke gewöhnlich nach dem Körperinnern hin eingesenkt, während die Mediane der Sternite scharf kielartig vorspringt (vgl. Fig. G2, S. 265). Wie in der Mittellinie der Sternite, so verläuft auch an der gleichen Stelle der Tergite eine Naht, die namentlich auf dem Querschnitt deutlich hervortritt. Wie kommt es nun aber, daß gerade die Bauchdecke in so be- sonders hohem Grade von dieser sekundären Gliederung, und zwar beim männlichen und weiblichen Individuum in gleicher Weise, in so zahlreiche Platten zerstückelt wird? Wie kommt es ferner, dab alle die beschriebenen sekundären Nähte jene Platten des Abdomens in der Richtung der Längsachse des Körpers durchziehen? Auf diese Fragen erhalten wir die beste Antwort, wenn wir das Ab- domen der Tiere außerhalb der Fortpflanzungszeit und während der- selben einer genaueren Betrachtung unterziehen. Ich hatte schon gelegentlich unserer ontogenetischen Betrachtungen darauf aufmerk- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 267 sam gemacht, dab das Integument der Ventralseite des Abdomens sowohl beim männlichen wie auch beim weiblichen Tier in auffallend großer Breite angelegt wird. Ja, die Bauchdecke eines geschlechts- reifen Tieres übertrifft die Rückendecke des Abdomens an Breite um beinahe die Hälfte. Wir sehen infolgedessen das Integument der Ventralseite des Abdomens bei Tieren beiderlei Geschlechts ge- wöhnlich im Verlaufe der die Parasternite von den Sterniten ab- grenzenden Sekundärnähte (vgl. Fig. G2, S. 265) beiderseits im stumpfen Winkel nach dem Körperinnern hin eingeknickt. Im Verlaufe der Bauchmediane aber springt das Integument scharf kielartig vor. Zur gleichen Zeit ist auch die jederseits die Paratergite mit den Parasterniten verbindende ventrale Primärnaht noch, wie sonst, stark eingefaltet. Sobald indessen die Zeit der Fortpflanzung naht, beginnen im Innern des Abdomens beim Männchen und Weibchen die Geschlechtsorgane zu schwellen, die Bauchdecke gibt ihrem Drucke nach und rundet sich schließlich völlig ab. Alle die durch die sekundäre Teilung so beweglich gewordenen Platten der Ven- tralseite aber fügen sich harmonisch in die allgemeine Rundung des Integuments ein, alle Einknickungen schwinden, und die vorher ein- gefalteten Primärnähte erscheinen zu dieser Zeit straff gespannt. So zeigt sich die Ventraldecke des sonst so flachgedrückten Ab- domens vermöge der Breite und starken sekundären Gliederung der sie zusammensetzenden Chitinplatten befähigt, dem Drucke der schwellenden Geschlechtsorgane Rechnung zu tragen. Von allen diesen Vorgängen aber bleibt die Rückendecke des Abdomens völlig unberührt. Und das hat seinen guten Grund. Ich habe schon früher erwähnt, daß die Dorsalseite des Abdomens bei der Imago, soweit sie gewöhnlich von den Hemielytren bedeckt wird, fast borstenlos ist. Statt des Borstenbesatzes aber zeigt sie einen feinen plüschähnlichen Überzug, den wir als Oberflächenmodifikation der Cuticula erst bei der Umbildung der Larve zur Imago auftreten sahen. Dieser Plüsch schützt die unter den Deckflügeln verborgene Rückenfläche des imaginalen Abdomens gegen die Benetzung durch das Wasser, denn der nach beiden Seiten durch die Randfalte und Flügelverschlußapparate so vortrefflich abgeschlossene Raum zwischen Rückendecke und Hemiélytren dient, wie Docs (1908) und BROCHER (1908) gezeigt haben, zur Aufbewahrung von Atemluft. Diese haftet aber an jener plüschähnlichen Oberfläche außerordentlich fest und ist somit nur sehr schwer von etwa eingringendem Wasser zu ver- drängen. Die Rolle, welche dieser Luftraum bei der Atmung des 268 WALTHER BAUNACKE, Tieres spielt, ist von Docs (1908, p. 51) ausführlich beschrieben worden. Wir werden gelegentlich unserer biologischen Betrach- tungen noch darauf zurückkommen. Hier will ich nur erwähnen, dab dieses Luftreservoir unter den Flügeln sehr wichtig ist für die Atmung der Tiere unter Wasser. Voraussetzung für diese Funktion ist aber, daß die ganze abdominale Rückendecke zur Zeit der Fort- pflanzung durch die Schwellung der Geschlechtsorgane in keinerlei Weise in Mitleidenschaft gezogen wird. Darum unterbleibt auch eine besondere sekundäre Gliederung der sie zusammensetzenden Platten. Die dem scharfen Körperrande beiderseits parallel laufende Sekundärnaht, welche die dorsalen mit den ventralen Teilen der Paratergite verbindet, sichert eine gewisse Beweglichkeit der Bauch- decke gegen die Rückendecke, wirkt also gleichsam als Scharnier. So zeigt uns die Betrachtung des imaginalen Abdomens während und außerhalb der Fortpflanzungszeit zur Genüge, welche große Be- deutung die sekundäre Gliederung des abdominalen Integuments für diese Tiere besitzt. Gleichzeitig aber erkennen wir auch, weshalb gerade nur die Bauchdecke von ihr in so hohem Grade betroffen wird, während die Rückendecke fast unberührt bleibt. Die letztere würde in Anbetracht des geringen Raumes, welchen die eigenartige Form des Abdomens den inneren Organen gewährt, unter dem Drucke der Geschlechtsorgane zur Paarungszeit sicherlich eine beträchtliche Verbiegung erfahren, wenn eben nicht schon die Bauchdecke aus- dehnungsfähig genug wäre, um den erforderlichen Platz im Körper- innern zu schaffen. Jede Formveränderung der Dorsalseite des Ab- domens würde aber die Hemielytren zum Klaffen bringen und damit die Festhaltung des Luftvorrates beeinträchtigen, wenn nicht gar unmöglich machen. So sehen wir, daß die Sekundärnähte, welche beiden Geschlechtern in gleicher Weise zukommen, bei beiden zu- rückzuführen sind auf die Bedürfnisse der geschlechtlichen Reife und somit auch bei beiden dem gleichen Zwecke dienen. Wie ich indessen schon zu Anfang dieser Betrachtungen er- wähnte, geht diese sekundäre Gliederung des Abdomens beim männ- lichen Tier noch einen Schritt weiter, denn dieses besitzt am Ab- domen Nähte, welche dem Weibchen fehlen. Auf die physiologische Bedeutung dieser Nähte habe ich schon früher hingewiesen, und auch die Art und Weise, wie sie bei den merkwürdigen Verdrehungen des männlichen Abdomens bei der Begattung benutzt werden, haben wir bereits näher kennen gelernt. So bleibt es uns nur noch übrig, die Lage jener Nähte zu ermitteln. Schon v. FERRARI (1888) führt Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 269 am Abdomen des männlichen Tieres Nähte an, welche nur diesem Geschlechte eigen sind und deshalb von ihm zur Unterscheidung der Geschlechter benutzt werden. Und zwar zweigen sich die von diesem Autor beobachteten Nähte beiderseits im 5. Abdominal- segment von der Parasternit und Sternit verbindenden Sekundär- naht so ab, dab sie, in lateraler Richtung schräg vorwärts ver- laufend, die Parasternite des 4. und die Paratergite des 3. Segments fast in deren Diagonale halbieren (vgl. Fig. F2, S. 264). Sie enden beiderseits an der vorderen lateralen Ecke des ventralen Abschnitts der Paratergite und kreuzen innerhalb dieser Platten jene Stelle, wo das hier noch bei der Larve vorhandene vorderste abdominale Sinnesorgan im Laufe der letzten Häutungsperiode zur Rückbildung gelangte. Außer diesen Nähten, welche die seitliche Knickung des männlichen Abdomens bei der Begattung ermöglichen, finden wir aber innerhalb der Sternite des 4. und 5. Abdominalseements noch weitere, welche v. Ferrarı nicht erwähnt. Diese letzteren ver- laufen parallel den Grenzen jener beiden Segmente, und zwar un- mittelbar hinter ihnen. Da sie indessen lateralwärts nicht bis zur sekundären Grenznaht der Sternite reichen, sondern frei im In- tegument endigen, bewirken sie eine weitere sekundäre Zergliederung dieser Platten nicht. Sie zeigen sich am stärksten ausgeprägt in der Nähe der Bauchmediane Was ihre physiologische Bedeutung für das männliche Individuum anbelangt, so haben sie keine andere Aufgabe, als die Beweglichkeit des Abdomens in seitlicher Richtung zu erhöhen. Die Art und Weise, wie diese Nähte des männlichen Tieres im Verein mit allen übrigen Nähten bei der so merkwürdigen Verdrehung des Abdomens während der Begattung benützt werden, läßt uns unsere Abbildung (Taf. 11 Fig. 19—20) unschwer erkennen. Es würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen, wollte ich noch die morphologischen Verhältnisse, wie wir sie im 1. und 2. Abdominalsegment und in den Genitalsegmenten finden, ausführ- lich darlegen. Gerade die Morphologie der letzteren ist besonders von Hrymons (1899, p. 384—385) und VERHOEFF (1893, p. 336— 338) so ausführlich beschrieben worden, dab sich eine nochmalige Be- handlung derselben erübrigt, zumal sie für den Bau und die Funk- tionsweise der abdominalen Sinnesorgane ohne besonderes Interesse sind. Ich will nur noch darauf hinweisen, daß auch die Abweichungen, welche alle diese Segmente in bezug auf ihre morphologische Gliede- rung, verglichen mit den übrigen Abdominalsegmenten, aufweisen, 270 WALTHER BAUNACKE, zurückzuführen sind auf sekundäre Modifikationen, welche vor- wiegend die Bedürfnisse der Fortpflanzung bedingten. b) Die abdominalen Sinnesorgane. Den Entwicklungsgang der imaginalen Sinnesorgane, zu deren genauerer Betrachtung wir uns nun wenden wollen, hatten wir schon gelegentlich unserer ontogenetischen Betrachtung kennen gelernt. Wir sahen, daß sie ihrem Ursprung nach nichts anderes sind als die umgebildeten Organe der Larve, und stellten fest, daß diese Um- bildung bedingt wird durch die allgemeine Formveränderung des Abdomens, als deren Ursache wir den Eintritt der geschlechtlichen Reife erkannten. Unsere früheren Beobachtungen zeigten uns auch, daß die larvalen Sinnesorgane des 3. Abdominalsegments schon früh- zeitig überflüssig wurden, ihr Wachstum einstellten und im Laufe der letzten Häutungsperiode gänzlich verschwanden, so dab wir bei der geschlechtsreifen Imago nur noch die Organe des 4., 5. und 6. Segments erhalten finden. Den Aufbau dieser Organe hatten wir schon bis zu dem Zeitpunkt verfolgt, wo das Integument des der Exuvie entschlüpften geschlechtsreifen Tieres erhärtet und seine end- gültige Form und Farbe annimmt. Es bleibt uns also nur noch übrig, die Sinnesorgane so, wie sie uns die erwachsene Imago zeigt, in bezug auf ihre Lage innerhalb des Integuments und im Ver- gleich zueinander, namentlich aber auf das Verhältnis, in dem ihre einzelnen Teile untereinander stehen und sich zum Mechanismus des Ganzen zusammenfügen, genauer zu untersuchen. Lageund AuBeres. Auch betreffs der Lage der abdominalen Sinnesorgane im Integument der Imago haben unsere entwicklungs- seschichtlichen Befunde schon zur Genüge dargetan, daß dieselben innerhalb der nunmehr völlig eingeebneten ventral gelegenen Ab- schnitte der Paratergite verbleiben (vgl. Fig. F2, S. 264 u. G2, S. 265). Hier liegen sie fast in der Mitte, nur wenig oralwärts und medialwärts von dieser entfernt, im Chitin jener Platten eingebettet. Ihrer Gestalt nach nierenförmig, beträgt ihre größte Breite ungefähr 0,3 mm, ihre Länge hingegen 0,6 mm, doch schwankt ihre Größe innerhalb ge- wisser Grenzen. So sind die Organe der kleineren Männchen ent- sprechend kleiner als die der Weibchen, und auch die in den hinteren Segmenten gelegenen stehen denen der vorderen Segmente an Größe stets etwas nach. Inmitten der sonst ungegliederten Chitinplatten eingelagert, werden sie von diesen gewissermaßen isoliert durch die sekundäre Isoliernaht, die wir ihrer Entstehung nach schon kennen Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 271 gelernt hatten. Diese zieht sich in ungefähr gleicher Breite rings um das ganze Organ herum und steht bei Nepa cinerea mit keiner anderen Naht in Verbindung. Das Auftreten dieser Naht erklärt sich ohne weiteres dadurch, daß sie das Organ von den Verbiegungen, welche dessen Träger, d.h. der ventrale Abschnitt des betreffenden Paratergits, bei der Anschwellung des Abdomens zur Zeit der Fort- pflanzung wie auch besonders bei der Copulation erfährt, völlig unabhängig macht. Die gleiche Bedeutung für das Organ hat wohl auch die starke Verfestigung, welche es durch die Bildung des dicken Chitinrahmens, der, wie wir bereits sahen, das Sinnesfeld umzieht, erfährt. Dadurch, daß ich mir nach einer fast lückenlosen Schnitt- serie eine Rekonstruktion eines solchen Imaginalorgans anfertigte, erhielt ich ein sehr klares Bild von dem chitinösen Aufbau desselben. Von außen her betrachtet, liegt das ganze Organ (vgl. Taf. 12 Fig. 35) in der gleichen Ebene mit dem umgebenden Integument Auch seine Oberfläche ist, im groben betrachtet, völlig eben. Erst bei genauerem Zusehen bemerken wir, daß sich der Rahmen rings um das Sinnesfeld herum von seinem Außenrande her in der Rich- tung nach seiner dem Sinnesfeld zugekehrten Kontur wenig einsenkt. In seinem ganzen Verlaufe hebt sich der Rahmen bei der Betrach- tung des Organs im durchfallenden Lichte sehr dunkel gegen das viel durchsichtigere Sinnesfeld ab. Den Grund dieser Erscheinung werden wir noch kennen lernen, wenn wir unser Organ von seiner Innenseite betrachten. Nur dort, wo wir im Laufe der Entwicklung das medialwärts vom Stigma gelegene Integument sich zusammen- schieben sahen zur Deckfalte, bleibt in jener Umrahmung eine durch- sichtiger erscheinende Lücke. Sie wird nur zum Teil ausgefüllt durch ein dunkelfarbig erscheinendes, knäuelartig faltiges Gebilde, das nichts anderes ist als die sich hier im Innern dem Integument an- heftende Stigmengrube. An der Außenseite des Integuments aber erkennen wir, direkt über jener liegend, die Deckfalte, welche sich über die Stigmengrube hinweglegt. Innerhalb dieser stark hervor- tretenden Grenzen dehnt sich die Fläche des Sinnesfeldes aus, die nach außen hin von der Borstenmembran überdeckt wird. Nament- lich bei durchfallendem Licht betrachtet, erscheint dieses Sinnesfeld mit seinen zahlreichen, verschiedenartigen Borsteninsertionsstellen, seinen kesselförmigen Einsenkungen und den hügelartigen Er- hebungen als ein zunächst fast unentwirrbares Chaos von allerlei chitinösen Einzelgebilden. Zu alledem aber kommt beim lebenden Tier noch der starke Goldglanz, den die hinter der durchsichtigen 272 WALTHER BAUNACKE, Borstenmembran eingeschlossene Luft verursacht und der die Unter- suchung eines solchen Gebildes in frischem Zustande fast unmög- lich macht. Welche Schwierigkeit die Erkenntnis des Aufbaues gerade dieser Sinnesfläche den früheren Autoren bereitete, geht am deutlichsten daraus hervor, wie sie das Aussehen dieser Fläche beschreiben. So bezeichnete Durour (1833), der im übrigen die äußere Form der Organe schon recht gut erkannte, die Sinnesfläche als „un dia- phragme de consistance cornee avec des points plus brillants“. BurmEIsTER (1839) nennt die Organe „von einer feinen punktierten Membran geschlossene Felder“ und sagt weiter, daß die Punkte in der Haut keine Poren, sondern Vertiefungen seien, in welchen ein kleines kegelförmiges Wärzchen sitzt. Amyor u. SERVILLE (1843) vertreten indessen die Ansicht, daß die „Punkte“ des Sinnesfeldes als Löcher und Poren zu betrachten sind. Die Bezeichnungen „sieb- artige Membran“ (GERSTÄCKER, 1863), „siebartiges Feld oder Platte“ (SCHIÖDTE, 1870, SCHMIDT-Schwedt, 1891) oder auch „siebförmige oder falsche Stigmen“, die wir bei anderen Autoren finden, zeigen nur zu deutlich, daß ihnen das Wesen dieser sonderbaren Gebilde un- bekannt blieb. Uns hat die Untersuchung der Entwicklungsgeschichte dieser imaginalen Sinnesorgane gezeigt, daß sie eine eigentümliche Ver- einigung verschiedenartiger cuticulärer Anhangsgebilde darstellen, die unter gleichzeitiger Modifikation des sie tragenden Integuments und dem Hinzutreten des Stigmas sich zum Aufbau des Organs und, wie wir noch sehen werden, zu gemeinsamem Wirken verbanden. Gerade diese enge Verbindung, welche alle jene Borstenformen mit- einander eingehen, und ihre große Anzahl, außerdem aber besonders auch die merkwürdige Oberflächenstruktur des Sinnesfeldes lassen dessen Bau so außerordentlich kompliziert erscheinen. Nun aber, da wir diesen Bau in seinen Einzelheiten schon kennen, fällt es uns leicht, auch alle Einzelheiten der den früheren Autoren so rätselhaft erscheinenden Sinnesfläche ihrem Wesen nach schon am Totalpräparat zu bestimmen. Ein solches mit Eisenhämatoxylin ge- färbtes Präparat zeigt uns, durch die beim erwachsenen Tier völlig durchsichtige Borstenmembran hindurch gesehen, den feineren Bau der Oberfläche des Sinnesfeldes sehr deutlich (vgl. Taf. 12 Fig. 38). Wenn wir, die ovale Innenfläche des Organs betrachtend, von der Hocheinstellung des Mikroskops allmählich zu tieferer übergehen, so erkennen wir deutlich, in welcher Weise das Sinnesfeld von der Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 273 Borstenmembran überdeckt wird. Gebildet von den randständigen Deckborsten und den der Fläche des Sinnesfeldes inserierenden Sinnesborsten dehnt sich diese über dem Sinnesfelde so aus, daß sie, wie wir schon sahen, in einer feinen Linie, die ringsum auf der Mitte des Rahmens auch jetzt noch sichtbar ist, ihre Grenze findet und medialwärts unter der Deckfalte verschwindet. Sie ist keineswegs straff gespannt, sondern wölbt sich vom Rahmen aus so über das in seiner ganzen Ausdehnung im allgemeinen ebene Sinnesfeld, daß sie in einem gewissen Abstande parallel zur Fläche desselben liegt. Der Abstand beider wird gewahrt durch die kurzen Schäfte der Sinnesborsten, die ich aus diesem Grunde auch, ehe ich noch mit Hilfe der Methylenblaumethode deren percipierende Funktion erkannt hatte, als Stützborsten bezeichnete (vgl. in: Zool. Anz., Vol. 35, 1910). Dort aber, wo sich dieser Membran die Sinnesborsten an- legen, senkt sie sich, der Form der lamellösen Schilde dieser Borsten folgend, an ihrer Oberfläche etwas ein. Wenn wir nun, diesen Ein- senkungen folgend, tiefer einstellen, erhalten wir zunächst das Bild eines stark lichtbrechenden Punktes, der nichts anderes ist als der Schaft, der sich hier an den dünnen Schild der Sinnesborste ansetzt. Fast gleichzeitig taucht aber auch die Oberfläche des Sinnesfeldes im mikroskopischen Bilde auf, und wir erkennen die Insertionsstellen der zahlreichen Borsten, welche ihm inserieren. Dort, wo die Sinnes- borsten wurzeln, senkt es sich ein zu jenen kesselförmigen Ver- tiefungen, die uns schon bekannt sind. Zwischen jenen Einsenkungen aber sehen wir auch am Totalpräparat die hügelartigen Erhebungen. So gestaltet, erstreckt sich die Fläche des Sinnesfeldes ringsum bis dorthin, wo die Membran sich dem Integument fest anlegt. Mit dieser verschwindet auch sie unterhalb der medial gelegenen Deck- falte. Bei stärkerer Vergrößerung betrachtet, erkennen wir auf der Fläche ihres Integuments fast überall sehr deutlich in Form von sehr feinen Pünktchen die äußerst zarten Chitinspitzen, welche in ihrer Gesamtheit betrachtet einen dichten plüschartigen Überzug der ganzen Sinnesfläche bilden und sowohl die Hügel wie auch die Einsenkungen bedecken. Außerdem aber zeigt das Integument des Sinnesfeldes eine eigenartige Musterung, welche dadurch entsteht, dab dicht gedrängt nebeneinander verlaufende kleine Schwielen die ganze Oberfläche überziehen und sich um die Einsenkungen des Sinnesfeldes herum zu konzentrischen Kreisen anordnen. Diese eigenartige Struktur erstreckt sich überall bis zum Rande des Sinnesfeldes und begleitet dessen Fläche auch unter der Deckfalte 974 WALTHER BAUNACKE, hindurch bis hinein in die Stigmengrube. Dort, wo jene Schwielen die zwischen den Einsenkungen sich erhebenden Hügel bedecken, verlaufen sie mehr parallel zueinander, alle aber zeigen jenen feinen Plüschbesatz. Sie folgen auch den Einsenkungen des Sinnesfeldes, welche die Insertionsstellen der Sinnesborsten an ihrem Grunde bergen, und stufen sich hier nach der Tiefe hin so ab, daß sie an der Peripherie der Einsenkung am höchsten, an deren Grunde aber am niedrigsten sind. Betrachten wir nun die Insertionsstellen der zahlreichen ver- schieden gearteten Borsten, so wie sie uns das gefärbte Totalpräparat zeigt, so sehen wir, daß alle zu ihnen gehörenden Porenkanäle sehr eng sind. Sie haben nach der Erhärtung viel von der ursprüng- lichen Weite ihres Lumens eingebüßt. Diese Erscheinung aber ist zurückzuführen auf die neben der Erhärtung einhergehende Kon- traktion des Chitins. Namentlich diejenigen Porenkanäle, welche zu den randständigen Deckborsten und den auf der Höhe der schwieligen Hügel des Sinnesfeldes durch ihr bedeutendes Licht- brechungsvermögen stark hervortretenden Borstenkegeln führen, werden von dieser Kontraktion in Mitleidenschaft gezogen. Sie machen in ihrer endgültigen Form nämlich den Eindruck, als ob sie seitlich zusammengedrückt worden wären. Ihre Mündungen an der Oberfläche des Sinnesfeldes mit den Insertionsstellen der zugehörigen Anhangsgebilde gewähren indessen auf dem Totalpräparat auch nach der Kontraktion im wesentlichen noch das gleiche Bild, welches wir schon früher beobachten konnten. Unterziehen wir aber die Insertionsstellen der Sinnesborsten einer genaueren Betrachtung, so erkennen wir deutlich, daß auch das Lumen der zu ihnen führenden Porenkanäle bei der Kontraktion verengert wurde. Trotzdem über- treffen ihre Insertionsstellen diejenigen der Kegel- und Randborsten auch in ihrer endgültigen Gestalt an Größe noch bedeutend. Ver- gleichen wir jene aber in bezug auf ihre Größe untereinander, so finden wir hier und da, bald in größerer, bald in geringerer Anzahl unter den übrigen verstreut, solche, die im Vergleich zu den anderen viel kleiner, ja fast wie verkümmert erscheinen. Die Insertions- stellen dieser Art gehören Borsten an, die, in ihrer Form den Sinnes- borsten völlig gleichend, sich wie diese am Aufbau der Borsten- membran beteiligen, aber nicht innerviert sind. Infolgedessen erscheint auch das Lumen der zu ihnen führenden Porenkanäle im Vergleich zu denen der percipierenden Sinnesborsten sehr viel enger, weil eben ihre Kanäle nicht wie jene die peripheren Fortsätze von Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 275 Sinneszellen bergen. Diese Borsten, welche wohl hauptsächlich der Vervollständigung der Membran dienen, will ich hinfort mit dem Namen „Stützborsten“ belegen, den ich früher (vgl. 8. 273) auch auf die Sinnesborsten anwenden zu können glaubte. Was nun die Verteilung aller dieser Borsteninsertionen am fertigen Organ betrifft, so ist sie noch ganz dieselbe, wie wir sie schon kennen lernten, nur sind sie alle infolge der Zusammenziehung, welche das Integument des Organs bei seiner Erhärtung erfuhr, viel dichter aneinander gerückt. Die Zahl, in welcher die einzelnen Borstenarten sich am Aufbau der einzelnen Organe beteiligen, wechselt mit deren Größe, so dab beispielsweise die Organe des männlichen Tieres weniger Sinnesborsten aufweisen als die größeren des Weibchens. Aber auch an ein und demselben Tier zeigen die kleineren Organe des 6. Abdominalsegments stets etwas weniger Sinnesborsten als die größeren des 4. Die Zahl der zu einem Organ gehörigen percipierenden Borsten schwankt etwa zwischen 50 und 70, ist aber für Organe desselben Segments annähernd die gleiche. Ganz ebenso wechseln auch die Borsten der übrigen Arten in der Zahl, in der sie zum Aufbau der Organe beitragen. Außerhalb jener feinen Linie, in der sich die Membran dem Rahmen dicht an- legt, zeigt sich dieser, wie wir schon früher bemerkten, spärlich mit langen haarartigen Rundborsten besetzt, zwischen denen hier und dort noch Borsten anderer Form Platz finden. Diese werden wir gelegentlich unserer phylogenetischen Betrachtungen noch näher ins Auge fassen. Alle diese Einzelheiten zeigt uns schon das Totalpräparat bei eenauester Betrachtung von seiner Außenseite her sehr gut. Um uns aber ein richtiges Bild vom integumentalen Aufbau eines solchen abdominalen Sinnesorgans der Imago zu machen, wollen wir uns auch die dem Körperinnern zugekehrte Seite desselben am Mace- rationspräparat noch etwas näher ansehen. Hier fällt es uns sogleich auf, daß der Rahmen die Fläche des umeebenden Integuments außerordentlich stark überragt (vgl. Taf. 12 Fig. 36), und wir erkennen darin zugleich auch den Grund dafür, dab er, im durchfallenden Licht von der Außenseite her betrachtet, sich so dunkel und scharf begrenzt vom Integument des Sinnes- feldes absetzte. Stark verdickt und nach dem Innern der Sinnes- fläche hin überhängend, grenzt er diese, dem Walle einer Schanze vergleichbar, auf allen Seiten nach außen hin ab. Nur jene Stelle am medial gelegenen Rande, die wir schon von der Außenseite her Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 15 216 WALTHER BAUNACKE, als Lücke in der sonst dunklen Umrandung erkannten, bleibt von dieser Umwallung frei. So bildet sich unterhalb des Sinnesfeldes ein nach außen hin wohl abgeschlossener Hohlraum, in dem, wie wir weiterhin noch sehen werden, die unterhalb des Sinnesfeldes gelegenen zahlreichen Nervenendapparate einen wohlgeschützten Platz finden. Aber auch die am medialen Rande der Innenseite des Organs frei bleibende Lücke wird in ihrer oralwärts gelegenen Hälfte geschlossen dadurch, daß sich hier die in die Tiefe versenkte Stigmengrube unterhalb des Stigmengrubenspaltes dem Integument anheftet. Diese erscheint als blasen- oder sackartige Einstülpung des Integuments, an die sich nach dem Innern des Körpers hin der Stigmenast des Tracheensystems anreiht. Gerade dort aber, wo der Ringwall des Rahmens jene Lücke begrenzt, erscheint er ganz besonders stark verdickt. Den Teil dieser Lücke, welchen die Stigmengrube noch frei läßt, wollen wir von jetzt ab als „Zugang“ bezeichnen, denn er ist es, welcher den Nerven und eine Trachee durch die Umwallung zum Sinnesfeld hindurchtreten läßt. Dieses zeigt uns bei näherer Betrachtung die Durchbruchsstellen der zu den an der Außenseite inserierenden cuticulären Anhangsgebilden führenden Porenkanäle auch an der Innenseite der Weite und Form ihres Lumens nach ebenso deutlich unterschieden wie bei der Be- trachtung von außen her. Wir sehen aber gleichzeitig auch, dab alle Kanäle, die im Bereiche des Sinnesfeldes liegen, das Integument in senkrechter Richtung durchsetzen, ganz so, wie es auch die Poren- kanäle der übrigen Borsten des Körpers tun. Nur die langen dünnen Kanäle, welche zu den Insertionsstellen der randständigen Deck- borsten führen und zum Teil den dicken Rahmen durchziehen, weichen mehr oder weniger von dieser Richtung ab, d. h. sie er- scheinen am ungefärbten, stark aufgehellten Präparat gekrümmt und verbogen. Während aber die Kanäle der Sinnes- und Stützborsten mit weiter respektive engerer Öffnung frei an der Innenseite des Sinnesfeldes münden, erscheinen die Kanäle der Randborsten und Borstenkegel seitlich zusammengedrückt und an ihrer Mündung fast geschlossen. Auch bei der Betrachtung von der Innenseite her läbt das Organ viele Einzelheiten erkennen, die uns die Außenseite so deutlich zeigte. Wir sehen auch von dieser Seite aus bei der Durch- sicht die eigentümliche Anordnung jener Schwielen, welche die Ober- fläche des Sinnesfeldes bedecken, recht gut, während dessen dem Körperinnern zugekehrte Fläche vollkommen eben und glatt er- scheint. Noch deutlicher aber als auf der Außenseite hebt sich Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 977 hier im Innern das ganze Organ vom umgebenden Integument ab durch seine stark hervortretende Umrahmung. Auch hier er- kennen wir leicht jene sekundäre Isoliernaht, welche das Ganze um- zieht. Ein Längsschnitt (vgl. Taf. 13 Fig. 41) sowohl wie auch ein die Stigmengrube treffender Querschnitt (vgl. Taf. 12 Fig. 34) zeigen uns deutlich alle Einzelheiten des chitinösen Aufbaues eines solchen Sinnesorgans. Hier wie dort erscheint das Sinnesfeld, von seiner feineren Struktur abgesehen, eben. Während es aber im Längs- schnitt an seinem oralen wie analen Ende von dem proximalwärts stark vorspringenden, nach der Mitte des Sinnesfeldes hin über- geneigten Rahmen eingefabt wird, läßt der Querschnitt diese Be- grenzung am medial gelegenen Rande vermissen. An dieser Stelle senkt sich vielmehr das Sinnesfeld, proximalwärts umgebogen, hinein in die Stigmengrube und geht allmählich in deren Integument über. Fast im ganzen Verlaufe dieser Krümmung wird es nach außen hin von der entsprechend gebogenen Deckfalte so überdeckt, daß nur ein sehr schmaler Spalt zwischen beiden bleibt, den ich schon früher als Stigmengrubenspalt bezeichnete. Auch das Chitin der Deckfalte setzt sich proximalwärts fort in das Integument der Stigmengrube, die sich somit als Einsenkung der Cuticula darstellt. An ihrem Grunde liegt das eigentliche Stigma, welches mit einem vom Körper- innern herkommenden starken offenen Tracheenast in Verbindung steht. Stigmengrubenspalt und Stigmengrube bilden zusammen den Stigmengang, der, am Querschnitt betrachtet, in Sförmiger Krüm- mung von außen her zum Stigma führt. Dieser Stigmengang zeigt sich, auf einer Serie durch diesen Teil des Organs geführter Längs- schnitte verfolgt, so gestaltet, daß seine Längsausdehnung von der Stelle aus, wo das Sinnesfeld unter der Deckfalte verschwindet, auf dem Wege bis hin zur Stigmengrube sich ständig verringert. Dabei bleibt aber der Abstand zwischen seinen Wänden, d. h. der Zwischen- raum zwischen Sinnesfeld und Deckfalte, überall annähernd der gleiche. Von dieser seiner engsten Stelle aus erweitert er sich dann zu der in der Tiefe versenkten Stigmengrube, die gerade Platz genug bietet zur Bergung des Stigmas. Dieses nimmt in dem sack- ähnlichen Hohlraum eine so schiefe Lage ein, daß weder der Quer- schnitt noch der Längsschnitt ein gutes Bild von ihm bietet. Nur die Kombination der an verschiedenen Schnittreihen gewonnenen Befunde vermag eine einigermaßen klare Vorstellung von seiner Form zu geben. Seinem Bau nach gleicht es ganz und gar noch dem Stigma der Larve. Wie jenes (vgl. Taf. 11 Fig. 22) erscheint 18* 278 WALTHER BAUNACKE, es als eine trichterförmige Ausstülpung der Cuticula. Die an der nach außen gerichteten Spitze des Trichters gelegene spaltförmige Öffnung wird von einem wenig verdickten, ovalen Chitinring ein- gefaßt, dessen Innenränder so geformt sind, daß er sehr wohl als StigmenverschluBapparat wirken kann (vgl. Taf. 13 Fig. 42). Die Wandung des Trichters stellt sich dar als Duplikatur des Integu- ments. Sie erscheint, wie Docs auch bei den übrigen abdominalen Stigmen beobachtete, membranös und „durch Chitinleisten verdickt, die vom Grunde des Hohlkegels nach seiner offenen Spitze zu ver- laufen, sich auch reich verzweigen und an der Oeffnung zu einem dickeren Chitinring verschmelzen“ (p. 19). Diese Duplikatur kommt in folgender Weise zustande: Das Chitin der Stigmengrube setzt sich in die äußere Wandung des Hohlkegels fort und bildet an dessen Spitze den schon erwähnten Ring. Am inneren unteren Rande des- selben geht das Chitin der Außenwand über in dasjenige der Trachee, welche die Innenwand des Hohlkegels bildet. Während der Ring in seinem Innern ein verhältnismäßig weites Lumen zeigt, legen sich dicht hinter ihm die Innenwand und die Außenwand so eng aneinander, daß sie zusammen den Anschein einer einfachen Membran erwecken. Wie Docs richtig beobachtete, wird diese membranöse Wand des Stigmenkegels von zahlreichen radiär verlaufenden Leisten durchzogen, die sich unregelmäßig verzweigen. Diese Leisten sind aber nichts anderes als Falten der den Kegel aufbauenden Chitin- lamellen, in denen sich das zwischen Innen- und Außenwand noch bleibende enge Lumen erweitert und so dem zwischen beiden Wänden sich ausbreitenden Plasma der Matrix genügend Raum gewährt. Nicht selten treffen wir in den stärksten dieser Radiärfalten ebenso wie im Innern des Ringes auch vereinzelte Zellkerne an, während an Macerationspräparaten der Raum zwischen Innen- und Auben- wand des Stigmenkegels stets leer erscheint. Vom unteren Rande des Kegels setzt sich die weit geöffnete Trachee als Stigmenast ins Körperinnere fort. Sie läuft direkt zu dem nächstgelegenen der beiden das Abdomen seiner ganzen Länge nach durchziehenden starken Tracheenstimme (Hauptstämme), in den sie mündet. Alle weiteren Beziehungen, in welche das Sinnesorgan durch Vermittlung des unter der Deckfalte in der eben geschilderten Form noch wohl- erhalten gebliebenen Stigmas zum Tracheensystem des Abdomens tritt, wollen wir uns später noch genauer ansehen. Während so also das Sinnesfeld an seinem medialen Rande keine deutliche Begrenzung findet, sondern vielmehr in das Integu- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 279 ment des Stiemenganges übergeht, erscheint sowohl im Längsschnitt wie auch im Querschnitt die ganze Anlage des Organs vom um- liegenden Integument völlig isoliert durch die das ganze Gebilde umziehende Isoliernaht. Diese ist auf Schnitten ohne weiteres zu erkennen, wenn wir die Struktur des Chitins einer genaueren Be- trachtung unterziehen. Während sonst das Integument des Körpers auf Schnittpräparaten überall aus zwei fast gleichstarken Chitin- schichten, nämlich einer äußeren, härteren und meist pigmentierten und einer weicheren, fast immer durchsichtigeren Innenschicht zu- sammengesetzt erscheint, tritt die harte AuBenschicht gegenüber der weichen Innenschicht überall da stark zurück, wo eine erhöhte Bieg- samkeit des Integuments erforderlich ist. Dies ist z. B. der Fall am Integument der Rückendecke, besonders aber an den das Chitin- skelet durchziehenden Nähten. So zeigt auch jene Isoliernaht von der harten Außenschicht nur eine geringe Andeutung und setzt sich gerade dadurch scharf gegen das Integument des Paratergits und gegen das des Sinnesorgans ab, so dab dieses letztere auch im Querschnitt sogleich als einheitliches Gebilde stark hervortritt. Außenschicht wie Innenschicht, die beide lamellösen Aufbau zeigen, setzen sich fort durch alle integumentalen Teile des Imaginalorgans. Ihr Verhältnis zueinander gestaltet sich so, dab im Bereiche des Rahmens die äußere härtere, in dem der Stigmengrube und des Stigmas die innere weichere Schicht besonders hervortritt, während das Integument des Sinnesfeldes von beiden in etwa gleicher Stärke gebildet wird. Wenn wir indessen den chitinösen Aufbau des Sinnesfeldes näher betrachten, gewahren wir namentlich am gefärbten Präparat (vel. Taf. 12 Fig. 37), der Außenschicht aufgelagert, noch eine dritte Schicht, die in bezug auf ihre Struktur von jenen gänzlich abweicht. Sie erscheint zusammengesetzt aus zahlreichen, dicht aneinander ge- reihten Säulchen, die, von verschiedener Länge, an ihrem äußeren Ende abgerundet und so angeordnet sind, daß sie Hügel bilden, die durch tiefe Einsenkungen voneinander getrennt werden. So erhält das Sinnesfeld eine höckerige Außenkontur, welche dem Profil der von uns schon am Totalpräparat beobachteten eigenartigen Ober- fläche desselben entspricht. Die Schwielen aber, welche diese Flächen überzogen, erscheinen im Querschnitt als Säulchen. Ob- wohl das in dieser Art zusammengesetzte Chitin der Oberfläche des Sinnesfeldes sich in deren Bereich scharf gegen die unter ihr liegende Außenschicht absetzt, scheint diese Struktur doch nur eine be- 280 WALTHER BAUNACKE, sondere Oberflächenmodifikation der letzteren zu sein. Sie geht nämlich ringsum am äußeren Rande des Rahmens ziemlich deutlich in die äußersten Lamellen der Außenschicht über, indem sie all- mählich eine glatte Oberfläche annimmt. Medialwärts begleitet diese Oberflächenstruktur das Sinnesfeld bis hinein in den Stigmengang, wo sie allmählich verschwindet. Wenn wir die so gestaltete Oberfläche des Sinnesfeldes bei stärkster Vergrößerung betrachten, wird auch im Querschnitt jener feine chitinöse Plüschbesatz erkennbar, der sowohl die Einsenkungen wie auch die Erhebungen des Sinnesfeldes überzieht und gleichfalls als Oberflächenstruktur des Chitins zu betrachten ist. Dieser Über- zug erscheint als ein rasenartig dichter Besatz, von feinsten stark lichtbrechenden Chitinspitzen gebildet, und ist nicht nur auf die schwielige Sinnesfläche beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf das Integument des Stigmenganges und der Stigmengrube. Ja, er bedeckt sogar die AuBenwandung des Stigmenkegels bis hin zu der von dem Ring umschlossenen Stigmenöffnung (vgl. Taf. 13 Fig. 42). Kurz, wir finden alle die Teile des Integuments am Imaginalorgan mit solchem Plüsch überzogen, welche von der Außenwelt abge- schlossen sind, sei es durch die Deckfalte oder die das Sinnesfeld überziehende Borstenmembran, deren Zusammensetzung wir uns nun auch am Querschnitt näher ansehen wollen. Wie wir schon oben sahen, setzt sich diese Membran aus ver- schieden gestalteten Borsten zusammen, die sich durch ihre Inser- tionsweise und die Form ihrer Schilde in drei verschiedene Arten scheiden. Die Membran, als Ganzes betrachtet, erscheint am Ima- ginalorgan auch auf Schnitten glashell durchsichtig und gut ver- festigt. Nur den Einwirkungen technischer Hilfsmittel ist es zuzu- schreiben, wenn ihre einzelnen Bestandteile ihre feste Verbindung aufgeben, wie dies häufig beim Schneiden geschieht. Da eine nach- trägliche Verschmelzung der sie zusammensetzenden Borsten ausge- schlossen erscheint, liegt die Annahme nahe, daß die Zusammen- fügung der lamellösen Schilde aller jener Borsten auf kapillarer Adhäsion beruht. Auch die leichte Auflockerung ihrer Bestandteile infolge mechanischer Einflüsse, wie eben beim Schneiden und sogar schon beim Trocknen, scheint für diese Annahme zu sprechen. Vor allem aber die Tatsache, daß die bei getrockneten Tieren aus ihrem Zusammenhange gelösten und in Unordnung geratenen Einzelborsten sich beim Macerieren von selbst wieder zur Membran anordnen, Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 281 zeigt, dab die Verbindung, welche sie alle miteinander eingehen, eine rein mechanische ist. Als erste der drei am Aufbau der Membran beteiligten Arten eutieulärer Anhangsgebilde wollen wir die Sinnesborsten nach ihrer Vollendung einer genaueren Betrachtung unterziehen. Wie uns schon ein früheres Entwicklungsstadium des Organs zeigte, setzt sich der einer glockenförmigen Wurzel oder Papille aufsitzende Schaft einer solchen Sinnesborste distalwärts fort in den lamellen- artig verbreiterten Borstenschild. Das Lumen eines zu einer solchen Sinnesborste gehörigen Porenkanals zeigt im Querschnitt eine Form, wie sie uns Taf. 13 Fig. 44 zeigt. Der Kanal führt von seiner an der Innenseite des Sinnesfeldes gelegenen Mündung senkrecht durch das Integument hindurch nach außen. Auf diesem Wege verengt sich sein Lumen zunächst und erweitert sich dann plötzlich zu einem annähernd kugelförmigen Hohlraum, der mit stark eingeengter Off- nung am Grunde einer jener kesselférmigen Einsenkungen der Sinnesfläche nach außen mündet. Dort nun, wo der Hohlraum des Kanals seine weiteste Stelle zeigt, tritt seine Wandung ein wenig nach innen hervor und bildet eine schwach vorspringende Chitin- leiste. An diese Leiste setzt sich die bei diesen Sinnesborsten be- sonders stark ausgeprigte Kuppelmembran an und geht in ganz ähnlicher Weise, wie es bei den Sinnesborsten der Larve beschrieben wurde, in die glockenförmige Wurzel der Borste über. Dort, wo die Borste den Hohlraum verläßt, ist ihr Schaft am dünnsten. Die hier stark eingeengte Mündung des Hohlraumes aber läßt dem infolge der starken Ausbildung der Kuppelmembran allseitig frei beweg- lichen Borstenschaft so wenig Spielraum, daß eine bestimmt geregelte Bewegung desselben gesichert wird. So erhält der Schaft durch das ihn ringförmig umgebende Chitin der Kanalmündung eine Art von Führung, die ihm nur eine Bewegung in der Richtung seiner Längs- achse oder doch wenigstens vorwiegend in dieser Richtung gestattet. Von seiner dünnsten Stelle aus verdickt sich der Borstenschaft dann allmählich und geht in den senkrecht zu seiner Längsachse sich ausbreitenden lamellösen Schild der Sinnesborste über. Dieser Schild zeigt an seiner Außenseite dort, wo sich an der Unterseite der Schaft ansetzt, eine flache, trichterartige Einsenkung. In solcher Gestalt finden sich diese Sinnesborsten über die ganze Fläche des Sinnesfeldes in annähernd regelmäßigen Abständen verstreut. Die schon oben erwähnten Stützborsten gleichen jenen sowohl in der Form wie auch in der Art ihrer Insertion vollkommen. Sie 282 WALTHER BAUNACKE, sind nur an der weniger vollkommenen, ja fast rudimentär erschei- nenden Ausbildung aller ihrer einzelnen Teile von jenen zu unter- scheiden. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden nur diejenigen von ihnen, welche die Membran an der Stelle stützen, wo sie mit dem Sinnesfelde proximalwärts umbiegt und in den Stigmengang hineinreicht. Schild und Schaft der Stützborsten werden hier be- trächtlich verstärkt, der letztere außerdem auch etwas verkürzt. Auch die Kuppelmembran schwindet fast ganz, und die Wandung des Borstenkanals legt sich der Borste so dicht an, daß zwischen beiden kaum noch ein Zwischenraum zu bemerken ist. Die auf- fallendste Veränderung zeigt hier aber die äußere Mündung des Borstenkanals (vgl. Taf. 12 Fig. 33, Taf. 13 Fig. 45). Hier, wo wir bei den Sinnesborsten das Chitin der Mündung zu einem Führungs- ringe vorspringen sahen, legt sich dasselbe dem Schaft der Stütz- borste so fest an und springt in distaler Richtung so stark vor, dab der ganze Borstenschaft gleichsam in einer ihn fest umschließenden dieken Chitinhülse sitzt. Dadurch, daß diese Hülse bis an den Schild der Borste am Schafte hinaufreicht, wird jede Bewegung der Borste, auch die in der Längsrichtung des Schaftes, unmöglich gemacht. So erscheinen diese im Stigmenkanal gelegenen Stützborsten als starre, unbewegliche Säulen, welche jede Bewegung der Membran ausschließen. Auf ihre eroße Bedeutung für die Funktion des Sinnesorgans werden wir weiterhin noch näher eingehen. Ebenso unbeweglich, aber in anderer Weise im Integument be- festigt sind am Imaginalorgan die im Verlaufe der von uns schon am Totalpräparat beobachteten feinen Grenzlinien der Membran inserierenden Rand- oder Deckborsten. Längs- und Querschnitte in verschiedenen Gegenden durch das Organ geführt zeigten uns, dab sie ringsum am Rahmen die Membran befestigen (vgl. Taf. 12 Fig. 31). Ja, ein Längsschnitt durch den Stigmenkanal (vgl. Taf. 13 Fig. 43) läßt -uns erkennen, daß sie auch hier die Befestigung der Membran, die hier ja von jenen „Säulen“ gestützt wird, an deren Rändern über- nehmen. Auch bei diesen Randborsten vermissen wir eine wohl- ausgebildete Kuppelmembran. In Größe und Form schwankend, haben sie alle doch das gemeinsam, daß ihr Schaft verkürzt und meist sehr dick erscheint, während ihr Schild nach der Seite des Sinnesfeldes hin außerordentlich stark verlängert ist. Der dem Sinnesfelde abgewandte Teil hingegen erscheint im Verhältnis zu jenem verkürzt, ja er fehlt bei manchen ganz. Die Insertions- stellen dieser Randborsten, die sonst denen der im Stigmenspalt Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 283 inserierenden Stützborsten ähneln, sind dermaßen in die Tiefe des Integuments verlagert, daß der Schaft der Borste seiner ganzen Länge nach im Porenkanal steckt, dessen Wandung sich ihm eng anschmiegt. Der flache Schild der Borste wird dadurch aber der Außenfläche des Integuments so nahe gebracht, daß er sich ihr im Umkreise des Schaftes platt auflagert und in der Richtung nach dem Sinnesfelde hin, wo er sich über die dort inserierenden Stütz- borsten ausbreitet, entfernt er sich allmählich von ihr. So bewirken diese Rand- oder Deckborsten überall am Rande der Membran einen diehten Abschluß und eine gute Befestigung derselben. Wie sich alle diese Borsten zur Membran zusammenlegen, das haben wir schon kennen gelernt. Bezüglich der Ausdehnung der letztgenannten aber zeigt uns der durch die Stigmengrube führende Querschnitt deutlich, daß sie dem Sinnesfelde durch den Stigmen- gang hindurch bis dorthin folgt, wo dieser sich zum Hohlraum der Stigmengrube erweitert. Hier endet sie frei, d. h. sie ist nicht wie sonst an ihrem Rande durch Deckborsten am Integument befestigt. Die hier inserierenden letzten säulenähnlichen Stützborsten (vgl. Taf. 12 Fig. 33 u. 34) sorgen im Gegenteil dafür, daß sie sich dem Inte- gument nicht anlegt, wie sie das ringsum am Rahmen und an den Rändern des Stigmenganges tut. So entsteht zwischen dem Sinnes- feld und der Membran ein nach außen hin völlig abgeschlossener Raum, der durch die Vermittlung jener Membranöffnung auch mit der Stigmengrube und, wie wir noch sehen werden, auch mit dem Stigma und überhaupt dem ganzen Respirationssystem kommuniziert. Die Deckfalte aber, welche die medialwärts gelegene Wandung des Stigmenganges bildet, legt sich so dicht an die Membran heran, daß eine Verbindung der Stigmengrube und des Stigmas mit der Atmosphäre ausgeschlossen erscheint. Ein etwaiges Anpressen der zwischen Sinnesfläche und Deckfalte hindurch laufenden Membran an das Integument jener infolge des Druckes, den die Deckfalte auf sie ausübt, wird verhütet durch jene starken Säulen, welche wir in den hier inserierenden Stützborsten kennen lernten. Am Totalpräparat traten uns indessen noch Borsten anderer Art entgegen, die an der Bildung der Membran nicht beteiligt, in großer Zahl dem Integument des Sinnesfeldes aufsaßen und von uns als Borstenkegel bezeichnet wurden. Diese finden wir auch an unserem Querschnitt wieder. Sie sitzen hier, unregelmäßig verteilt, auf den schwieligen Erhebungen, welche die tief eingesenkten In- sertionsstellen der Sinnesborsten voneinander trennen. Die zu den 284 WALTHER BAUNACKE, Kegeln führenden Porenkanäle sind am Querschnitt nur selten noch durch alle Schichten des Integuments hindurch zu verfolgen. Nur im Bereiche der aus jenen Schwielen zusammengesetzten äußersten Schicht des Sinnesfeldes bleiben sie auch nach der Erhärtung des Integuments noch erkennbar. Innerhalb dieser Schicht erweitern sie sich nämlich trichterartig unterhalb der Basis der kleinen Borstenkegel, während sie im Bereiche der übrigen Schichten des Integuments wie kollabiert erscheinen und nur schwer sichtbar zu machen sind. An der weitesten Stelle des trichterartigen Hohlraumes inserieren diese Kegel, welche jetzt völlig hyalin erscheinen, ohne jede Kuppelmembran, indem ihre Wandung einfach ins Integument des Sinnesfeldes übergeht. Ihrem Ursprung nach nichts anderes als rückgebildete und in besonderer Weise umgebildete Borsten, zeigen sie nunmehr eine Form, an der wir weder Wurzel, Schaft noch Schild einer solchen zu unterscheiden vermögen. Kurz, sie stellen sich in ihrer endgültigen Form dar als kurze, dicke, an ihrem distalen Ende abgerundete Chitinkegel, welche zur Hälfte ihrer Länge in einer flachen Einsenkung der schwieligen Oberfläche sitzen, zur anderen Hälfte aber über ihre Umgebung hinausragen. Ihre hervorragende Lage bringt es mit sich, daß sie mit ihrem Scheitel der dem Sinnesfelde zugewandten Seite der Membran sehr nahe kommen, so daß eine Berührung derselben wohl möglich ist. Ehe wir nun dazu übergehen, die unter dem Organ sich aus- breitende Hypodermis und deren Beziehungen zu den Hartgebilden genauerer Betrachtung zu unterziehen, wollen wir noch einen Blick werfen auf den Bau des abdominalen Teiles des Tracheensystems (vel. Fig. H, S. 285). Wir sahen bereits, daß der Raum unterhalb der Borstenmembran nicht nur mit der Stigmengrube, sondern durch Vermittlung des Stigmas auch mit dem ganzen Tracheensystem des Abdomens in Verbindung steht. Auf seinem Wege vom Stigma zum Längsstamm der betreffenden Körperseite gibt der Stigmenast mehrere feine Seitenzweige ab, deren erster sich unterhalb des Sinnesorgans ausbreitet, während die übrigen sich nach benachbarten Körperteilen wenden. Außer diesen feinen Seitenzweigen aber ent- sendet der Stigmenast einen Seitenzweig von bedeutender Stärke, der der Bauchdecke dicht anliegend in oralwärts gerichtetem Bogen nach der Mitte des betreffenden Segments läuft, wo er mit einem ihm entsprechenden ebensolchen Tracheenast der anderen Seite anastomosiert. So stehen die beiderseitigen Stigmenäste des be- treffenden Segments durch die Vermittlung dieser Anastomose in Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 285 unmittelbarer Verbindung und zwar unter Umgehung der Längs- stämme und Ausschaltung aller übrigen Verzweigungen. In dieser Weise sehen wir in fast allen Segmenten des Abdomens die Stigmen- äste miteinander durch Tracheenbogen verbunden, die fast überall in der gleichen Stärke den Körper durchziehen. Durour hat zuerst auf diese eigenartigen Verhältnisse im Respirationssystem von Nepa cinerea hingewiesen (die sich übrigens auch bei anderen Wasser- wanzen finden). Ihm ver- danken wir auch eine Ab- bildung des ganzen Re- spirationssystems unserer Wanze, die zwar nicht in allen ihren Einzelheiten naturgetreu ist, immerhin aber einen ganz brauch- baren schematischen Über- blick über die Verhältnisse, auf die es hier ankommt, bietet. UnsereAbbildung,die nach einem Totalpräparat entworfen wurde, zeigt deut- lich, daß die Kommunikation der Sinnesorgane mit dem Tracheensystem gleichbe- deutend ist mit einer all- seitigen Verbindung der Organe untereinander. Histologie. Alle Einzelheiten des feineren Aufbaues der unterhalb der Hartgebilde eines solchen Sinnesorgans gelegenen Zellenschicht betrachten wir see besten an einem as Fig. H. Abdominales Tracheensystem lichst dünnen Querschnitt. der Imago von Nepa cinerea L. (Nur die Nur zu leicht löst sich bei Hauptäste sind dargestellt, die zu den inneren B Organen führenden Äste aber kurz hinter ihrer der Behandlung der Objekte Abzweigung von den Stigmenästen abgeschnitten.) mit den Fixierungs- und (Abkürzungen siehe am Schluß der Arbeit.) Färbmitteln der Zusammenhang der Hypodermis mit dem Integument. Aber auch an solchen Präparaten, welche beide im natürlichen Ver- 286 WALTHER BAUNACKE, hältnis wohlerhalten zeigen, finden wir auf einem Schnitte nur sehr selten alle der Reizleitung dienenden Elemente in ihrem Zusammen- hange getroffen. Das ist aber nicht verwunderlich, wenn wir die Art der Innervation des ganzen Organs kennen. Gerade aber die Kenntnis des Zusammenhanges der percipierenden Einzelelemente des Sinnesfeldes mit dem zum Organ führenden Nerven und dessen Verbindung mit dem Zentralorgan wird uns die Auffindung aller reizleitenden Elemente auf dem Querschnitt außerordentlich er- leichtern. Darum wollen wir uns zunächst die Innervation des Organs an einem Totalpräparat ansehen. Innervation. Eine wohlgelungene Injektion des Tieres mit Methylenblau ergibt das folgende Bild (vgl. Taf. 13 Fig. 39): Die beiden, dem hinteren Brustganglion entspringenden Hauptnerven- stämme, welche in der Mitte des Abdomens an der Ventralseite desselben analwärts ziehen, geben in jedem Abdominalsegment je einen starken Seitenstrang ab, der zum Rande ‘des betreffenden Segments führt, wo er sich verzweigt. In denjenigen Segmenten, welche mit abdominalen Sinnesorganen ausgerüstet sind, sehen wir diese segmentalen Nervenäste ohne nennenswerte vorherige Ver- zweigung in nahezu unverminderter Stärke direkt zu jenen Organen verlaufen. Dort, wo in der Umwallung des Organs jener Zugang frei blieb, tritt der Nerv der betreffenden Körperseite an das Sinnes- feld heran und gabelt sich, kurz nachdem er die Umwallung über- schritten hat, in zwei Hauptäste. Der schwächere Ast wendet sich vom Teilungspunkte analwärts und löst sich bald in ca. 5 Einzel- stränge auf, die über das Sinnesfeld hinaus nach verschiedenen Körperstellen führen. Der andere Ast, etwa doppelt so stark wie jener, breitet seine Ausläufer bald nach jener Gabelung über die sanze Hypodermis unterhalb des Sinnesfeldes nach allen Seiten hin aus und teilt sich in außerordentlich feine Stränge, welche an die deutlich erkennbaren, bipolaren Sinneszellen herantreten. Nur zwei schwache Ausläufer gibt er an andere Teile des Körpers ab. In ganz ähnlicher Weise breitet sich auch jener schwache Tracheen- stamm, den wir schon oben kennen lernten und der sich schon dicht hinter der Sinnesgrube vom Stigmenaste abzweigt, über der inner- halb des vorspringenden Rahmens gelegenen Zellenschicht aus. Seine Verästelungen laufen den Nervensträngen vielfach parallel. So ent- steht an der Basis der zum Sinnesfelde gehörigen, mit bipolaren Ganglienzellen reich durchsetzten dicken Hypodermisschicht, die in dem vom Rahmen wohlumschlossenen Hohlraume eingelagert ist, Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 987 ein dichtes Gewirr von stärkeren und feinsten Nerven- und Tracheen- ästen. An gut aufgehellten Präparaten aber sehen wir deutlich die distalen Fortsätze der bipolaren Sinneszellen in die durch Integument und Hypodermis hindurchschimmernden Sinnesborstenkanäle eintreten und erkennen hier und dort an den Nervensträngen auch die stark gefärbten Kerne der Neurilemmzellen. Alle diese der Verbindung des Organs mit dem Zentralnerven- system dienenden Elemente können wir leicht auch an vollständigen Schnittserien guter Osmium- oder auch Alkoholpräparate, die mit Karmin oder Eisenhämatoxylin gefärbt wurden, nachweisen. So fallen uns an dem in Taf. 13 Fig. 40 zur Darstellung gebrachten Schnitt ohne weiteres die innerhalb der Hypodermis eingeschlossenen peripheren Ganglienzellen auf, die schon durch ihre Lage die Zu- gehörigkeit zu den betreffenden Sinnesborsten verraten. Wir sehen die durch ihr helles Plasma und den großen stark lichtbrechenden Kern, besonders aber den zentripetalen und den peripheren Fortsatz charakterisierten Sinneszellen umhüllt von dem an der flach ge- drückten Form seiner Kerne kenntlichen Neurilemm. Dieses umhüllt auch den peripheren Fortsatz, der als Achsenfaden den Sinnes- borstenkanal durchzieht und sich bis hinein in das Lumen der Borste erstreckt. Überall zwischen jenen Sinneszellen verstreut sehen wir Zellkerne, welche den sogenannten Stützzellen oder Hypodermiszellen und den Matrixzellen der übrigen cuticulären Anhangsgebilde des Sinnesorgans, welche nicht mit Sinneszellen in Verbindung stehen, angehören. Alle diese zuletzt angeführten Zellen erscheinen mehr oder weniger rückgebildet. Sie haben ihr Plasma bei der Bildung des imaginalen Integuments und seiner Anhangs- gebilde zum größten Teil verbraucht und nicht, wie sie dies nach jeder larvalen Häutung taten, ergänzt, weil eine neue Häutung nicht mehr stattfindet. Infolgedessen sind auch die Grenzen der einzelnen Zellen nicht mehr so deutlich zu erkennen, wie dies beispielsweise in bestimmten Stadien während der ontogenetischen Entwicklung des Tieres der Fall war. Und so ist es wohl nur diesem Umstande zuzuschreiben, wenn uns der Nachweis der den Porenkanal und das Lumen der Sinnesborste durchziehenden Fortsätze der zu jener gehörigen Matrixzellen in diesem Stadium der Entwicklung des Tieres nicht gelingt. An ihrem Vorhandensein ist jedoch nicht zu zweifeln, denn wir sehen mitunter an Schnittpräparaten, bei denen die Hypodermis durch starke Schrumpfung sich vom Integument losgelöst hat, von denjenigen Zellen, welche unmittelbar hinter den 288 WALTHER BAUNACKE, zu den Borstenkegeln und den Randborsten führenden Porenkanälen liegen, lange, dünne Plasmastränge in der Richtung nach den letzteren hin auslaufen. Diese feinen Stränge sind aber nichts anderes als die Fortsätze der Matrixzellen der betreffenden Borstengebilde, welche, sonst die engen Porenkanäle erfüllend, durch die Loslösung der Hypodermis vom Integument und gleichzeitige Schrumpfung ihres Plasmas aus dem Lumen jener herausgezogen wurden. Proximal- wärts von allen den Zellen. die wir bisher kennen lernten, treffen wir auf unserem Schnitt noch vereinzelte in die Tiefe verlagerte Stützzellen, die sich überall, wo Raum für sie frei bleibt, zwischen die zentripetalen Fortsätze der Sinneszellen einlagern. Hinter diesen aber erkennen wir ein mannigfaches Gewirr von quer- und längs- geschnittenen Nerven- und Tracheenästen und Können mitunter auch den Zusammenhang der ersteren mit den Sinneszellen beobachten, welchen uns jedoch schon das Totalpräparat zur Genüge gezeigt hat. Über allen diesen zu den verschiedenartigen Hartgebilden des Imaginalorgansinengster Beziehungstehenden Gewebselementen breitet sich schließlich der Fettkörper so aus, daß er alle zum Organ gehörigen Teile in proximaler Richtung gegen die Leibeshöhle hin abgrenzt. Nachdem wir so den Bau der abdominalen Sinnesorgane der Imago und ihre Beziehungen zueinander bei unserer einheimischen Nepa cinerea kennen gelernt haben, wollen wir noch kurz die Ver- hältnisse, wie sie uns jene von mir eingangs erwähnten geschlechts- reifen Vertreter verschiedener einheimischer wie exotischer Species der Gattungen Nepa, Ranatra und Laccotrephes zeigten, welche mir zu genauerer Untersuchung verfügbar waren, betrachten. B. Die Sinnesorgane bei verwandten Gattungen. Wenn wir uns erinnern, wie stark sich die Larven aller jener Gattungen sowohl durch die Morphologie des Abdomens wie auch durch den Bau ihrer abdominalen Sinnesorgane voneinander unter- schieden, muß es uns verwunderlich erscheinen, daß wir sowohl im Bau des abdominalen Integuments wie auch der Sinnesorgane nach dem Eintritt der Geschlechtsreife bei den Vertretern aller jener Formen nur geringfügige Unterschiede finden. Alle zeigen uns die im wesentlichen gleiche primäre Gliederung der uns interessierenden Segmente des Abdomens. Und bei allen finden wir die abdominalen Sinnesorgane nicht nur in den gleichen Segmenten, gleichgelegenen Paratergitplatten, in der gleichen Zahl, sondern auch in annähernd gleicher Form wiederkehren. Und doch ist diese Tatsache keines- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 289 wegs merkwürdig, wenn wir daran denken, daß ja die Unterschiede im Bau der larvalen Sinnesgruben nur in der der jeweiligen Länge der Paratergitlappen bei den verschiedenen Gattungen entsprechen- den Ausbildung sekundärer Nebenbestandteile begründet waren. Den Vertretern aller jener Gattungen ging ja mit der letzten Larvenhaut die Atemrinne und damit der Tergitlappen verloren, und bei allen erfuhren die Sinnesorgane die gleiche Verlagerung auf die freie Fläche der ventralen Körperdecke. Somit erscheint es nicht nur nicht ver- wunderlich, sondern sogar selbstverständlich, daß alle schon bei den Larvalorganen im wesentlichen übereinstimmenden Hauptbestand- teile, im gleichen Sinne umgebildet, bei allen Vertretern jener drei Gattungen wiederkehren. Unterschiede bezüglich der morphologischen Verhältnisse zeigen sich bei allen jenen Formen nur insofern, als die sekundäre Gliede- rung bald mehr bald weniger stark ausgeprägt erscheint. Sie tritt am stärksten und auffallendsten in die Erscheinung am Abdomen der männlichen Individuen der Species Nepa apiculata (det. MONTANDON), bei denen sie sich nicht nur auf das Integument der Ventralseite beschränkt (vgl. Taf. 13 Fig. 45 u. 46), sondern auch die Rücken- decke in Mitleidenschaft zieht. Was nun aber den Bau der abdominalen Sinnesorgane anbetrifft, so lassen dieselben an der Zahl der sie zusammensetzenden cuticu- lären Anhangsgebilde und deren Verteilung zwar noch sehr gut ihre Entwicklung aus mehr oder minder komplizierten Larvalorganen er- kennen, prinzipielle Unterschiede aber, welche eine Trennung nach den Gattungen ermöglichen könnten, zeigen sie nicht. Nur das können wir behaupten, dab die Organe bei verschiedenen Arten der gleichen Gattung sich bezüglich ihres feineren Baues näher stehen als diejenigen von Vertretern verschiedener Gattungen. Aber selbst das gilt, wie wir gleich sehen werden, nicht immer. Wie schon bei den Sinnesorganen unserer einheimischen Nepa cinerea, so durchbohren auch bei denen der schon erwähnten N. api- culata alle Borstenkanäle das Integument in senkrechter Richtung. An Stelle der uns bekannten Schwielen erscheint hier die Fläche des Sinnesfeldes bedeckt mit körnigen, brombeerähnlichen Buckeln, die sich mosaikähnlich um die zahlreichen Sinnesborsteninsertionsstellen anordnen und den gleichen Plüschbesatz aufweisen, wie ihn jene Schwielen bei N. cinerea zeigen. Die Zahl der dem Sinnesfeld auf- sitzenden Borstenkegel ist weit geringer als bei unserer heimischen Species, und nur sehr wenig Stützborsten dienen hier der Vervoll- 290 WALTHER BAUNACKE, ständigung der Membran. Sonst aber finden sich bei den Organen dieser Species nur unbedeutende Abweichungen vom Bau derjenigen bei N. cinerea. Bei den Vertretern der von mir näher untersuchten Species der Gattung Ranatra fällt uns bei der Betrachtung der Abdominalorgane sogleich auf, daß sich, im Verhältnis zu Nepa und ihrer exotischen Verwandten, nur eine relativ geringe Zahl cuticulärer Anhangs- gebilde an ihrem Aufbau beteiligen. Das erscheint indessen sehr natürlich, wenn wir bedenken, daß auch die Larvalorgane der Ver- treter dieser Gattung verhältnismäßig wenig Borstenanlagen auf- wiesen. Gerade aber die Befunde bei verschiedenen Species lassen hier aufs deutlichste erkennen, dab alle vorhandenen Borstenanlagen des Larvalorgans, soweit sie durch ihre Lage nur irgend dazu ge- eignet erscheinen, nach entsprechender Umbildung zum Aufbau des Imaginalorgans herangezogen werden. Weil aber gerade die Larval- organe bei den Vertretern der Gattung Ranatra wenig zur Umbil- dung verfügbare Borstenanlagen zeigen, treffen wir am vollendeten Imaginalorgan die große Mehrzahl von ihnen als Sinnesborsten und Deckborsten, d. h. zu wesentlichen Bestandteilen umgeformt, wieder. Nur wenige von ihnen zeigen sich als überflüssig oder doch neben- sächlich zu Stützborsten und Borstenkegeln modifiziert. Aber nicht das allein charakterisiert die den Vertretern dieser Gruppe eigenen Sinnesorgane. Schon ihre Lage innerhalb der ventralen Abschnitte der Paratergite, ihre äußere Form, die Struktur ihrer Sinnesflächen und nicht zuletzt die eigenartige Stellung ihrer Sinnesborsten wie überhaupt der an ihrem Aufbau beteiligten Chitingebilde verleihen ihnen ein überaus typisches Gepräge. Sind alle diese Merkmale auch innerhalb der Gattung bei den einzelnen Species bald mehr bald weniger deutlich ausgebildet, so ergeben sie in ihrer Gesamtheit doch ein Bild, das sich von demjenigen, welches uns die Imaginal- organe bei der vorigen Gattung darboten, immerhin, wenn auch nur rein äußerlich betrachtet, wohl unterscheiden läßt. Die von mir untersuchten Vertreter der Gattung Ranatra haben bezüglich ihrer Sinnesorgane das folgende miteinander gemeinsam: Die imaginalen Sinnesorgane liegen innerhalb der ventralen Ab- schnitte der Paratergite weit oralwärts verschoben. Ihre äußere Form ist, entsprechend der langgestreckten Gestalt ihrer Träger, ein schön abgerundetes, langgezogenes Oval. Die Fläche ihres Sinnesfeldes ist bedeckt mit mehr schuppenförmigen, schräg nach hinten gelehnten stark pigmentierten Hügeln (vel. Tat. 13 Fig. 49 Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 291 u. 50), welche, wie die Schwielen bei Nepa, einen feinen Plüschbesatz zeigen. Auch sie gruppieren sich konzentrisch um die Insertions- stellen der Sinnesborsten, deren Schäfte, entsprechend der im Be- reiche der Schwielenschicht erfolgenden analwärts gerichteten Ver- biegung ihrer Porenkanäle, schräg nach hinten gerichtet sind, so daß sie sich unter spitzem Winkel den Schilden anfügen. Dieselbe Lage nehmen auch die bald relativ zahlreich bald nur in wenigen Exemplaren vorhandenen Borstenkegel, die auch ganz fehlen können ein. Die Größe derselben wechselt bei den verschiedenen Species. Während wir bei unserer einheimischen R. linearis überhaupt nichts von ihnen zu entdecken vermögen, zeigen À. longipes, R. nodiceps und verschiedene andere Species nur wenige, wieder andere hingegen eine größere Anzahl von ihnen. Ganz ebenso schwankt auch die Zahl der Stiitzborsten.. Von Sinnesborsten zeigt uns À. nodiceps am wenigsten, d. h. nur etwa 25 Stück. Diese Species weicht auch inso- fern von ihren Verwandten ab, als die Anhangsgebilde der Organe bei ihren Vertretern eine mehr senkrechte Stellung einnehmen. Sonst stimmen die Organe der dieser Gattung angehörenden Nepiden mit denjenigen unserer N. cinerea im Prinzip völlig überein. Wir finden auch bei ihnen das ganze Organ vom umgebenden Integument isoliert durch jene Sekundärnaht, die der Außenseite des dicken Rahmens parallel läuft. Auch hier zeigt sich das Integument aus 2, im Bereiche des Sinnesfeldes aus 3 Chitinschichten zusammen- gesetzt. Die Insertionsweise aller cuticulären Anhangsgebilde, die ich nur bei À. linearis im Quer- und Längsschnitt untersuchte, ist ebenfalls durchaus die gleiche, wie wir sie bei N. cinerea fanden. Wie dort, so erscheint auch hier die das Sinnesfeld überdeckende Membran aus Sinnes- und Stützborsten, die von den randständigen Deckborsten überlagert werden, zusammengesetzt. Auch der zwischen ihr und der schuppigen Sinnesfläche liegende Raum kommuniziert durch die Vermittlung von Stigmenkanal und Stigmengrube mit dem Respirationssystem, das hier die 6 Organe in derselben Weise ver- bindet wie bei Nepa. Wie bei den Vertretern der Gattung Ranatra, so erklären sich auch die Besonderheiten, welche uns an den Organen der geschlechts- reifen Individuen aller eingangs erwähnten Species der Gattung Laccotrephes begegnen, zum größten Teil aus der Ontogenese. Der starke Borstenbesatz des zum Larvalorgan führenden langen Mündungs- kanals und ebenso die große Zahl larvaler Sinnesborsten lassen er- warten, daß hier viel Überflüssiges zur Rückbildung resp. Umbildung Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 19 299 WALTHER BAUNACKE, gelangte. Und das ist in der Tat der Fall, allerdings nur da, wo es die beträchtlichere Größe der Imaginalorgane, welche eine be- sonders starke Verfestigung der Borstenmembran bedingt, ohne Schaden für die Funktionsfähigkeit derselben gestattet. So können wir als Charakteristika für die Organe der Imagines dieser Gattung folgende Merkmale feststellen, welche bei den einzelnen Species bald mehr bald weniger stark hervortreten: Wir finden hier die Organe in Form eines Ovals von wechseln- der Breite, umgeben von einem außerordentlich stark ausgebildeten Rahmen. Wie bei den Nepa- und Ranatra-Arten, so legt sich auch hier dem Integument des Sinnesfeldes eine dritte Chitinschicht auf, deren Schwielen schief analwärts gerichtet in Form von Zotten sich konzentrisch um die Kanäle der außerordentlich zahlreichen Sinnes- borsten gruppieren (vgl. Taf. 13 Fig. 47 u. 48). Auch diese „Zotten“ zeigen wiederum den charakteristischen Plüschbesatz. Wie schon bei Ranatra, so durchbohren auch bei den Laccotrephes-Arten alle zu Sinnes- und Stützborsten wie auch zu den Borstenkegeln führenden Porenkanäle das Integument des Sinnesfeldes im Bereiche der meist stark pigmentierten Schwielenschicht in schräger Richtung analwärts umbiegend. Infolgedessen sehen wir auch alle cuticulären Anhangs- gebilde in der gleichen Lage dem Integument des Sinnesfeldes in- serieren. Die Zahl der am Aufbau der Borstenmembran beteiligten Borsten ist hier außerordentlich groß. Zwischen den zahlreichen Sinnesborsten inserieren zahlreiche Stützborsten der Sinnesfläche. Am Rahmen aber sehen wir die Membran befestigt durch dicht bei- einander stehende Deckborsten, deren Insertionsstellen auch hier die äußere Grenzlinie der Membran gut hervortreten lassen. Jenseits von dieser Grenzlinie aber sehen wir namentlich am lateralwärts gelegenen Rande des Organs das Chitin des Rahmens durchzogen von zahlreichen rudimentären Porenkanälen, die aber nicht bis zur Oberfläche durchzudringen scheinen. Außer diesen sitzen hier dem Rahmen zahlreiche Borsten auf, welche, rings um das Sinnesfeld gruppiert, so dicht beieinander stehen, daß sie allem Anscheine nach als Schutzborsten aufzufassen sind. Ihre Form werden wir uns späterhin noch genauer anzusehen haben. Zusammen mit jenen rückgebildeten Borstenanlagen bezeichnen sie am Außenrande des Rahmens deutlich noch die Stelle, welche aus der Rückbildung des ehemaligen so stark mit Borsten besetzten Filterkanals hervor- gegangen ist. Was nun die dem Sinnesfelde inserierenden Borsten- kegel anbetrifft, die wir bei Nepa sowohl wie bei Ranatra als rück- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 293 gebildete Borsten, die am Aufbau der Membran unbeteiligt sind, er- kannten, so schwankt ihre Zahl bei den verschiedenen Species in ziemlich weiten Grenzen. Bei Z. ellipticus in großer Menge vor- handen, finden wir bei LZ. fabricii und annulipes ihrer nur wenige. Immer aber sind diese Kegel bei den Organen der Vertreter dieser Gattung sehr groß, liegen stark eingesenkt im Chitin der Sinnes- fläche und zeigen sehr starkes Lichtbrechungsvermögen. Sie ver- teilen sich in ganz ähnlicher Weise über das Sinnesfeld, wie wir dies auch bei N. cinerea beobachten konnten. Auch bei den Lacco trephes-Arten erscheint jedes Organ vom Integument des Paratergits wohl isoliert durch jene Naht, die uns schon bei den Vertretern der beiden vorigen Gattungen begegnete. Aber nicht allein in dieser Beziehung, sondern auch hinsichtlich ihrer Kommunikation mit dem Tracheensystem und ihrer Verbindung untereinander gleichen die Organe geschlechtsreifer Vertreter der Gattung Laccotrephes in jeder Hinsicht denjenigen der vorher besprochenen Formen. : Wir kénnen also die Ergebnisse der vergleichenden Betrach- tungen der Imaginalorgane wohl dahin zusammenfassen, dab alle drei Gattungen in bezug auf den Bau derselben im wesentlichen übereinstimmen. Wir fanden bei allen den Raum über dem vom dicken Rahmen eingefaßten rauhen Sinnesfeld nach außen hin dicht abgeschlossen von einer sich aus Sinnes-, Stütz- und Deckborsten aufbauenden Membran. Dieser Raum, der in vita mit Luft gefüllt ist, kommuniziert bei allen mit dem Tracheensystem durch direkte Vermittlung des Stigmas. Durch die Längsstämme und die Quer- anastomosen des Tracheensystems treten die Einzelorgane bei allen jenen Formen in engste Beziehung zueinander und bilden so ein Organsystem, dessen Mechanismus bei allen im Prinzip durchaus gleich ist. Und so gehen wir wohl in Anbetracht aller dieser Tat- sachen nicht fehl, wenn wir aus der Gleichheit des Aufbaues jener Organe den Schluß ziehen, daß auch deren Wirkungsweise und Zweck für alle drei Gattungen genau der gleiche ist, ganz ebenso, wie dies schon bei den Larven der Fall war. C. Physiologie der Organe. Was die Wirkungsweise des imaginalen Organsystems anbetrifft, so ist auch diese im Prinzip derjenigen der Larvalorgane noch voll- kommen gleich. Alle Veränderungen, die wir im Laufe der onto- genetischen Umformung am Einzelorgan wahrgenommen haben, 19* 294 WALTHER BAUNACKE, dienen zunächst ja nur dem Zweck, auch nach der Verlagerung des- selben die alten physikalischen Verhältnisse, welche die frühere Lage in der Atemrinne bot, wieder herzustellen. Und diese sehen wir, als die Vorbedingungen der Funktionsfähigkeit der Organe, auch beim Sinnesorgan der Imago so gut gewahrt, ja, in vieler Hinsicht sogar vorteilhafter gestaltet, dab wir das Endresultat der ganzen Umbildung nicht nur als eine Wiederherstellung, sondern sogar als eine Verbesserung derselben zu betrachten haben. Die Wirkungsweise der Larvalorgane beruhte im wesentlichen auf den Veränderungen, welche eine innerhalb der die Atemrinne bedeckenden Borstenreihe frei bleibende Kontaktfläche zwischen Luft und dem umgebenden Wasser durch die mit jeder Veränderung der Körperlage wechselnde Wirkung des Auftriebes erlitt. Die Ver- änderungen der Wölbung dieser freien Kontaktfläche waren es, welche einen jeweilig wechselnden Reiz auf die an der Grenze dieser Fläche inserierenden Sinnesborsten ausübten. Die in der weiten Atemrinnne zu beiden Seiten des Abdomens hier aufgespeicherte Luftmenge war eroß genug, um die Wirkungsweise aller Sinnes- oruben bei jeder Lage des Körpers zu gewährleisten, so daß eine besondere Verbindung der beiderseitigen Lufträume durch Vermitt- lung des Tracheensystems, d. h. durch Queranastomosen, wohl unter- bleiben konnte. Während der letzten Häutungsperiode indessen kamen diese äußeren zum Respirationssystem gehörenden Lufträume zur völligen Rückbildung, und wir sahen das umgebildete Organ in direkte Beziehung treten zum Tracheensystem durch die Einver- leibung des Stigmas. Gerade diese sekundär auftretende Verbindung zwischen dem Stigma und der in ihrer Form und Lage veränderten ehemaligen Sinnesgrube zeigte mir auf das deutlichste, daß die gleichzeitige Anwesenheit von Luft und Wasser die Grundbedingung für die Wirkungsweise der Organe wie bei der Larve so auch bei der Imago bildet. Und in der Tat sehen wir, daß auch nach der Umbildung im Prinzip alles beim alten geblieben und der Mechanis- mus der Organe bei Larve und Imago der gleiche ist. Sinnesborsten und Deckborsten des Imaginalorgans sahen wir sich vereinigen zu einer Membran, welche den über dem Sinnesfeld celesenen Luftraum nach außen hin fest abschloß. Die Lufträume aller 6 Organe sahen wir aber miteinander kommunizieren durch ihre Verbindung mit dem Tracheensystem. Daß diese Verbindung tatsächlich besteht, lehrt der folgende Versuch, der gleichzeitig den festen Abschluß der Membran beweist: Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 295 Legt man ein auf einer Glasplatte mittels Gummifadens be- festigtes frisches Exemplar von Nepa cinerea unter absoluten Alkohol und beobachtet die luftgefüllten Imaginalorgane mit dem Präparier- mikroskop, so zeigt es sich, daß der Alkohol selbst nach Verlauf einer Stunde noch keineswegs durch die Membran hindurch in den Luftraum der Organe einzudringen vermochte. Nimmt man indessen zu diesem Versuche eine solche Imago, bei der infolge geringer Pigmentierung sowohl die starken Längsstämme des Tracheensystems als auch die Stigmenäste deutlich als silberweibe Streifen durchs Integument hindurchschimmern, und sticht mit einer sehr feinen Präpariernadel nach einstündigem Verweilen des Tieres im Alkohol, oder auch eher, die Membran eines dieser Organe an ihrem äußersten Rande nur wenig an, so verschwindet die Luftschicht im Organ und mit ihr der Silberglanz derselben momentan. Gleichzeitig sieht man deutlich, daß der Alkohol rasch in den Stigmenast und endlich auch in den sich anschließenden Längsstamm eindringt, welche beide infolgedessen unsichtbar werden. Zur Kontrolle benutzte ich zum gleichen Versuch Alkohol, in welchem Anilinschwarz gelöst war, und fand bei der nachfolgenden Öffnung der wie oben behandelten Imago die Hauptstämme des Tracheensystems tatsächlich erfüllt von tiefschwarzem Alkohol. Macht man hingegen den gleichen Versuch unter Wasser, so zeigt es sich, daß dieses die Luftschicht im Organ nur so weit ersetzt, als man die Membran stückweise mit Hilfe der Nadel abreißt. Die mit Luftbläschen beladenen Fetzen der Membran steigen dann zur Oberfläche des Wassers empor. Bringt man nun ein Tier, dem man unter Wasser die Membran eines oder aller Organe nur eben angestochen hat, so daß diese selbst nach stunden- langem Verweilen in diesem Zustande ihre Luftschicht noch wie vorher völlig unvermindert erhalten zeigen, unter abloluten Alkohol, so verdrängt derselbe wohl blitzschnell die Luft über dem Sinnes- felde, vermag hingegen niemals durch das Stigma hindurch in den Stigmenast vorzudringen. Ob diese eigenartige Tatsache zurück- zuführen ist auf einen etwaigen Verschluß des Stigmas infolge der vorhergegangenen Verletzung der Membran, vermag ich nicht mit Sicherheit zu behaupten. Doch scheint mir die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dab das Tier unter Wasser ein lädiertes Organ durch reflektorisches Schließen des Stigmas einfach ausschaltet, wozu ihm anscheinend nicht die Zeit bleibt, wenn es die gleiche Verletzung unter Alkohol erleidet. Mit Sicherheit aber zeigen uns diese Ver- suche, daß einmal der Luftraum nach außen hin überall absolut 296 WALTHER BAUNACKE, abgeschlossen ist, so daß eine Verbindung des Stigmas, außer mit dem Luftraum des Organs, nach außen hin nicht besteht und dab ferner sämtliche Organe, wie schon erwähnt, mit dem Tracheen- system kommunizieren. Wie bei der Larve, wo die eingeschlossene Luftmenge überall bei ihren durch den Auftrieb und die wechselnde Lage des Körpers bedingten Formveränderungen in der starren Borstendecke der Atem- rinne Widerstand fand und nur an den mit passiv beweglichen Sinnesborsten besetzten Lücken frei wirken konnte, so haben wir es auch bei der Imago zu tun mit einem im Tracheensystem und den Lufträumen der Sinnesorgane fest eingeschlossenen beliebigen Luftvolumen, das seinen Auftrieb nur an den dafür bestimmten Stellen geltend machen kann. Diese Stellen aber sind nichts anderes als die das Sinnesfeld der einzelnen Organe überziehenden Borsten- membranen. die vermöge der uns bekannten eigenartigen Insertions- weise der Sinnesborsten äußerst nachgiebig sind. Diese Membranen werden sich in den momentan am höchsten liegenden Organen konvex nach außen aufblähen, in den gleichzeitig tief liegenden aber konkav gestalten, je nach der Lage, welche das Tier gerade einnimmt. Durch diese, wenn auch geringfügigen Bewegungen, welche diese Membranen bei jeder Lageänderung des Tieres ausführen, werden natürlich stets auch die Sinnesborsten, welche ja am Aufbau der Membran beteiligt sind, in Mitleidenschaft gezogen. Sie werden, je nachdem ob das betreffende Organ momentan am höchsten oder am tiefsten liegt, entweder gehoben oder gesenkt, d. h. ihre Schäfte er- leiden einen Zug oder einen Druck und empfangen dadurch Reize, welche vermittels der Sinneszellen percipiert und nach dem Zentral- organ fortgeleitet werden. Die Verschiedenheit dieser Reize aber, die das Tier in den verschiedenen Organen des ganzen Systems empfängt, ermöglicht ihm jederzeit eine genaue Orientierung über die jeweilige Lage seines Körpers im Raum. Wir sehen also, dab die Imago in ihren Abdominalorganen ein System statischer Organe besitzt, deren Wirkungsweise ganz ebenso zustande kommt wie bei denen der Larve, nämlich durch den stets senkrecht nach oben ge- richteten Auftrieb eines beliebig großen nach außen hin abge- schlossenen Luftvolumens. Während dort aber nur der Rand der Kontaktfläche den orientierenden Reiz auf die Sinnesborsten ausübte, kommt hier die ganze Fläche zur Geltung dadurch, daß sich zwischen den beiden Medien, Luft und Wasser, in der ganzen Ausdehnung Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 297 jener die Borstenmembran einschiebt, an die sich eben die Sinnes- borsten anheften. So bedeutet die Ausbildung der Membran also eine wesentliche Verfeinerung der Organe, indem sie eine außerordentlich starke Ver- mehrung der percipierenden Elemente ermöglichte. Aber auch andere Bedürfnisse waren es, welche die Umbildung der Deck- und Sinnes- borsten in der uns bekannten Weise und ihre Vereinigung zur Membran bedingten. Während bei der Larve die Schäfte der Sinnesborsten in der Ebene der Kontaktfläche lagen, sind sie bei denen der Imaginal- organe senkrecht oder mehr oder weniger schräg zu jener gerichtet. Wohl gerade aus diesem Grunde auch änderten die Sinnesborsten bei der Verlagerung der Organe auf die freie Ventralfläche ihre Form. Um überhaupt die in der Richtung der Längsachse ihrer Schäfte erfolgenden Bewegungen der neuen Kontaktfläche als orien- tierende Reize auffangen zu können, mußten sie eine Form annehmen, die ihnen ein Adhärieren am Wasserspiegel jener gestattete. Und das geschah, indem sie die Schildform annahmen und ihre Schilde so richteten, dab sie ihrer Fläche nach in der Ebene der Kontakt- fläche lagen, während die Schäfte ihre Lage beibehielten. Jede Reizperception wäre auf die Dauer aber dennoch für die so ge- formten imaginalen Sinnesborsten unmöglich, wenn ihre Insertions- stellen nicht auch vor der bei der Lebensweise ihrer Träger ganz unvermeidlichen Verschmutzung und die zarten Schilde vor Zer- störung geschützt wären. Das aber geschah dadurch, daß die Rand- borsten ihre Schilde außerordentlich vergrößerten und über diejenigen der Sinnesborsten legten. So vereinigten sich die Schilde aller dieser Borsten zu einer dichten Membran, die nicht nur elastisch genug war, um den Bewegungen der Kontaktfläche zu folgen, sondern auch die genügende Festigkeit besaß, um das Sinnesfeld vor äußeren Ein- flüssen zu schützen und ein Entweichen der unter ihr befindlichen Luft zu verhüten. Aber auch die Membran selbst bedarf dringend des Schutzes. So verhindern nicht nur die das Organ umziehende Isoliernaht, sondern auch der starke Chitinrahmen jede Verbiegung des Organs und damit gleichzeitig eine Überspannung der Membran, welche das Zerreißen derselben zur Folge haben würde. Dem Schutze gegen äußere Einflüsse indessen dienen wohl die langen Rundborsten, welche in bald größerer bald geringerer Zahl dem äußeren Rande des Rahmens aufsitzen und sich meist über die Membran hinüber- neigen. Aber auch die eigenartige Struktur der Sinnesfläche hat 298 WALTER BAUNACKE, ihre besondere Bedeutung. So dient der das ganze Sinnesfeld, den Stiemenkanal und selbst den Stigmenkegel bekleidende Chitinplüsch demselben Zweck, den die gleiche Chitinstruktur auch sonst an äußeren Luftwegen, wie beispielsweise an der Rückendecke, erfüllt, nämlich der Festhaltung der Luft und somit als, trefflicher Schutz gegen Benetzung durch das Wasser. Dies hat uns der oben (S. 295) erläuterte Versuch zur Genüge bewiesen. Einen besonderen Schutz gegen jedweden Druck von außen her genießen die Insertionsstellen der Sinnesborsten dadurch, daß sie am Grunde jener tiefen, kessel- förmigen Einsenkungen liegen, zwischen denen die schwielige resp. höckerige oder mit Chitinbuckeln besetzte Sinnesfläche sich zu hohen Hügeln erhebt. Dadurch kommen die Schäfte der Sinnesborsten inmitten der trichterförmigen Einsenkungen in eine so geschützte Lage, daß jede Knickung oder Verbiegung durch äußeren Druck auf die Membran fast ausgeschlossen erscheint. Denn die Membran lagert so dicht über der elastischen nachgiebigen Oberfläche der hügelartigen Erhebungen, daß sie infolge solchen Druckes unmittelbar auf jene Hügel gepreßt werden muß, die dann der störenden Kraft einen entsprechenden Widerstand bieten. Bei schräger Lage sind die Sinnesborsten vermöge ihrer eigenen Nachgiebigkeit gegen der- artige äußere Einflüsse noch weit besser geschützt. Was endlich die so merkwürdigen Borstenkegel anbetrifft, welche in bald größerer bald geringerer Anzahl dem Sinnesfelde aufsitzen, so möchte ich sie am ersten noch für überflüssige cuticuläre Anhangsgebilde halten, welche eine der allgemeinen Oberflächenstruktur angepaßte Form annahmen. Sie würden dann wohl keine andere Funktion haben als die Schwielen, Buckel oder Schuppen, welche die Sinnesfläche des Organs bedecken. So erklärt sich ihre große Anzahl bei Nepa cinerea vielleicht gerade daraus, daß bei dieser Species die das Sinnesfeld bedeckenden Schwielen verhältnismäßig schwach entwickelt sind, während die senkrecht dem Integument entspringenden Sinnes- borsten wohl gerade eines erhöhten Schutzes bedürfen. Dort aber, wo das Bedürfnis des Schutzes gegen Druck von außen her über- wiegt und eine Beweglichkeit des Borstenschaftes unnötig ist, Ja, sogar verhindert werden soll, d. h. an der Stelle, wo die Membran einmündet in die Stigmengrube und dem Drucke der Deckfalte widerstehen soll, dort sahen wir sie durch Borsten gestützt, die, umgeben von einer festen Chitinhülse, geradezu als Säulen er- schienen. So dienen alle diese einzelnen Teile, welche das Imaginalorgan Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 299 zusammensetzen, in jeder Hinsicht nur dem einen Zwecke, die Wirkungsweise desselben zu gewährleisten und auch auf die Dauer zu erhalten. Alle unsere bisherigen Betrachtungen aber zeigen uns aufs deutlichste, daß die durch die Rückbildung der larvalen Para- tergitfalte veranlaßte ontogenetische Umbildung der Organe und die Wiederherstellung der für ihre Wirkungsweise unentbehrlichen physikalischen und physiologischen Vorbedingungen herbeigeführt werden durch einen Entwicklungsgang, dessen Zielstrebigkeit man fast als raffiniert bezeichnen möchte. Die mehr oder minder starke Verschiedenartigkeit der Ausbildung der Einzelbestandteile bei den Imaginalorganen der verschiedensten Nepidengattungen und -species aber zeigt deutlich, wie durch diese Entwicklung das erstrebte Ziel erreicht wurde auf einem Wege, der, im allgemeinen für alle Formen der gleiche, Unterschiede nur insofern aufwies, als sie bedingt wurden durch die Verschiedenheit der Ausgangspunkte. VI. Biologie und Versuche. A. Biologie. Schon zu Beginn meiner Ausführungen (S. 182 dieser Arbeit) er- wähnte ich, daß auch mir, noch ehe ich den Bau der Sinnesorgane bei der Imago von Nepa, geschweige denn bei der Larve genauer kannte, die von Docs (1908, p. 38) ausgesprochene Vermutung, es könne sich um Gehörorgane handeln, viel Wahrscheinlichkeit zu be- sitzen schien. Namentlich wenn man bedenkt, daß die Vertreter der Gattung Nepa sich fast stets dicht am Ufer oder aber nahe dem Wasserspiegel aufhalten, wo sie doch immerhin einer größeren Ge- fahr von außen her ausgesetzt sind als in der Mitte des Gewässers, erscheint jene Vermutung nicht unberechtigt. Doch alle meine in dieser Richtung unternommenen Experimente zeigten nichts, was die Annahme Docs’ zu bestätigen vermocht hätte. Bei heftigem, kurzem Anschlagen der Glasgefäße, in denen die Tiere (Nepa cinerea) ruhig auf den Wasserpflanzen nahe der Oberfläche saßen, mit einem eisernen Gegenstand flohen indessen die Tiere hastig nach dem Grunde hin, eine Tatsache, die ich, da mir ein gleiches Verhalten von vielen anderen Wassertieren bekannt war und die lediglich auf die Einwirkung der plötzlichen Erschütterung des Wassers auf die über den ganzen Körper verbreiteten feinen Tastorgane zurück- zuführen ist, nicht als Beweis für die Gehörfunktion unserer Sinnes- 300 WALTHER BAUNACKE, organe gelten lassen mochte. Schon bei der Beobachtung der Wir- kung dieser Versuche aber fiel es mir auf, daß Nepa während der Flucht nach der Tiefe ihrer Atemröhre, oder, wie sie v. FERRARI (1888) nennt, der Tuba respiratoria, zahlreiche Luftblasen in rascher Folge entströmen ließ. Ich erkannte aber damals die Bedeutung dieses Verhaltens der Tiere nicht und wandte mich vielmehr einem eingehenden Studium der Lebensverhältnisse derselben zu in der Hoffnung, daß mir diese vielleicht eher Aufschluß geben würden über die Bedeutung jener eigenartigen Organe. Und zwar machte ich meine Beobachtungen über Aufenthalt und Lebensweise sowohl an gefangenen wie auch namentlich an freilebenden Imagines und Larven unseres gemeinen „Wasserscorpions“. Ich fand diese in der Umgebung Greifswalds außerordentlich häufigen Tiere sowohl in rasch fließenden Bächen wie auch in Teichen, in ersteren namentlich mit Gammarus zusammen, die ihnen als Nahrung sehr willkommen sind. Nur selten fing ich Nepen in Torfgräben und Moorlöchern, welche von vielen Autoren als be- sonders bevorzugte Aufenthaltsorte angegeben werden, fand sie viel- mehr am häufigsten in solchen Gewässern, deren Grund, aus Lehm oder sehr feinem Sand gebildet, mit geringer Neigung strandartig zum Ufer ansteigt und einen dichten Pflanzenwuchs aufweist, der bis hinauf zum Wasserspiegel reicht. Hier sitzen die Tiere, Ima- gines wie Larven, mit fangbereit ausgestreckten Vorderbeinen, einer lebenden Falle vergleichbar, entweder so dicht am Ufer auf dem Boden, daß die Spitze der Atemröhre (resp. der Abdominalschaufel) gerade den Wasserspiegel an der Grenze zwischen Land und Wasser berührt, oder aber unweit des Ufers im Dickicht der Wasserpflanzen unmittelbar unter dem Wasserspiegel, den sie auch hier mit ihrem Atemrohr nur eben berühren. Und wie gut paßt sich ihre Körper- form dieser Umgebung an! Wenn wir irgendwo bei heimischen In- secten von Mimikry reden können, so gilt dies hier. Wer jemals junge Nepa-Larven zwischen Lemna trisulca und anderen Arten dieser Gatttung, in deren dichter Decke sie sich so gern verborgen halten, aufgesucht hat, der weiß, wie leicht sie zu übersehen sind, wenn anders sie nicht etwa durch eine zufällige Bewegung ihre Gegen- wart verraten. Und wie lange muß der Laie suchen, ehe er die so täuschend einem faulenden Blatte ähnliche Imago, oder gar eine Ranatra, die, SCHMIDT (Schwedt) (in: Zacwarias, Tier- und Pflanzen- welt, 1891, p.115) so treffend als „Strohhalmwanze“ bezeichnet, in einem Gewirr modernder Blätter und Halme entdeckt, zumal dann, wenn Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 301 diese Tiere sich, wie sie es fast bei jeder nahenden Gefahr tun, „tot stellen“. Gerade auch dieses eben erwähnte Verhalten, das besonders oft die Larven zeigen, ist zu betrachten als eine An- passung für das Leben in der Seichtwasserzone. Schon wenn man sich über das Ufer des Gewässers beugt, sieht man, wie die am Rande sitzenden Tiere erschreckt ihre charakteristische, fälschlich als „Totstellung“ bezeichnete Schutzstellung einnehmen und lange Zeit regungslos in derselben verharren. Während Nepa alle ihre Beine dabei einfach fest an den Körper anzieht, streckt Ranatra die Fangbeine in oraler Richtung gerade vorwärts und legt sie eng an- einander, während die Gangbeine entweder lang nach hinten ge- streckt dem Abdomen angepreßt, oder links und rechts gerade seit- wärts, oder aber sämtlich senkrecht nach unten ausgestreckt, immer aber dicht aneinandergelegt werden. Und dieser mannig- fache Schutz wird, wie ich beobachten konnte, bei Nepa noch dadurch vermehrt, daß sich, solange sie am Strande des Ge- wässers sitzt, auf ihrem Rücken eine oft ziemlich dicke Schicht des umgebenden Bodenbelages anhäuft, so dab vom ganzen Tier nicht mehr als die Atemröhre, der Kopf mit den Augen und die Fangbeine sichtbar sind. Doch vermochte ich noch keine Gewißheit darüber zu erlangen, ob die Tiere diese schützende Schmutzschicht sich etwa selbst auflegen oder nur den Bedingungen ihres Aufenthaltsortes verdanken. Ganz saubere Tiere, die ich in eine weiße Porzellanschale mit nur sehr dünnem Bodenbelag aus feiner Erde brachte, trugen am anderen Morgen einen Schmutzbelag auf dem Rücken, der sie fast unkenntlich machte. Auch zeigten Tiere, die zwischen Pflanzengewirr gefangen worden waren, ihre dunkel braungrau gefärbte Dorsalseite fast immer vollkommen rein. Sind auch diese Beobachtungen keineswegs beweiskräftig genug für meine Vermutung, so ist doch so viel sicher, dab die Tiere die Schmutzdecke, deren Entfernung für sie ein leichtes wäre, gern dulden und nur die Augen und die Fangbeine, d. h. die Organe, deren sie auch in der Ruhelage bedürfen, von solchem Belag frei- zuhalten bestrebt sind. Wie aber kommt es, daß gerade die Ver- treter der Nepiden-Familie sich eines so vielseitigen Schutzes durch Anpassung an die Umgebung erfreuen, während wir denselben bei verwandten Arten, wie Notonecta, Corixa, Naucoris u. a. vermissen oder doch bei weitem nicht so stark hervortreten sehen? Was ins- besondere unterscheidet die Nepiden in ihrer Lebensweise denn so wesentlich von diesen ihren Verwandten ? 302 WALTHER BAUNACKE, Auch auf diese Frage werden wir die beste Antwort erhalten durch die Beobachtung der biologischen Verhältnisse. Weitaus die Mehrzahl der Autoren, welche sich mit der Biologie der Nepiden beschäftigten, stimmen darin überein, daß sie die Ver- treter dieser Gruppe schlechte Schwimmer nennen. So bezeichnet auch Hurser (1905, p. 4) mit Recht „die schlanken Mittel- und Hinter- beine der Nepiden als zum Gehen unter Wasser, allenfalls noch zum Rudern (weniger fürs Schwimmen) geeignete Gangbeine“ und Berue’s (1894) schöne Versuche über die Erhaltung des Gleichgewichts, auf die ich später noch einmal zurückkommen werde, verliefen allem Anscheine nach bei Ranatra und Nepa resultatlos, denn er sagt p. 104 selbst, dab er diese Tiere deshalb nicht weiter untersucht habe, weil sie „ganz miserable Schwimmer“ seien. Gerade aber durch diesen scheinbaren Mißerfolg BETHEsS wurde ich zu neuen Versuchen angeregt, die ich in der Absicht unternahm, verschiedene Wanzenspecies auf ihr Schwimmvermögen hin zu prüfen. Zu diesem Zwecke nahm ich einen ca. 75 cm hohen Stand- zylinder von 1 dem? Bodenfläche und füllte ihn mit Wasser, das ich so lange stehen ließ, bis alle am Glase haftenden Luftbläschen ent- wichen waren. Als Versuchstiere benutzte ich zum Vergleich mit Nepa und Ranatra die verwandten heimischen Arten Naucoris, Noto- necta, Corixa und Plea, die ich einzeln in den Zylinder einwarf und, nachdem sie sich an der Oberfläche des Wassers mit Atemluft ge- nügend versehen hatten, durch Scheuchen veranlaßte, nach dem Grunde des Gefäßes zu flüchten. Und da zeigten unsere Nepiden in ihrem Verhalten einen ganz auffallenden Unterschied von den zum Vergleich herangezogenen schon genannten Wasserwanzen anderer Gattungen. Während diese ihren Weg zum Grunde mit kräftigen Ruderschlägen teils auf spiraligem Umwege, teils auch in schnurgerader Richtung, aber ohne auch nur eine Spur von Luft abzugeben, in kürzester Zeit zurücklegten, gelang dies den Imagines von Nepa nie. Diese ließen vielmehr, in schwerfälliger Weise nach dem Grunde hin rudernd, kurz (etwa 10 cm) unterhalb des Wasser- spiegels eine Menge von Luftbläschen aus der Atemröhre austreten und legten, nachdem dies geschehen, unter sichtlich verringerten Anstrengungen den Weg bis zum Boden des Zylinders mehr sinkend als schwimmend zurück. Während nun aber ihre Verwandten, unter Wasser allmählich in Atemnot geratend, ohne ein Glied zu rühren, d.h. sich einfach dem Auftriebe überlassend, mühelos zum Luft- schöpfen die Oberfläche jederzeit wieder erreichten, kam Nepa trotz Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 303 höchster Anstrengung im Zylinder immer nur höchstens 10 cm hoch nach oben, sank dann erschöpft zurück und vermochte, einmal auf dem Grunde angelangt, nie wieder den Wasserspiegel zu erreichen. Sie verendete schließlich dort, wenn sie nicht rechtzeitig aus ihrer Lage befreit wurde. Alle in derselben Weise angestellten Versuche führten zum gleichen Resultat. Zur Kontrolle derselben bestrich ich den Rücken einer Imago an einer wenig empfindlichen Stelle mit einem in Wasser löslichen Leim, streute auf die Leimflecken feinen Seesand und ließ diesen antrocknen. Das so beschwerte Tier sank, in den Zylinder gebracht, wie erwartet, ohne jedes Zutun und ohne Luft abzugeben auf den Boden, von dem aus es mit Leichtig- keit den Wasserspiegel halb schwimmend, halb treibend wieder er- reichte, nachdem der Leim sich aufgelöst hatte und die Sandbürde somit verloren gegangen war. Eine ebenso behandelte Naucoris hin- gegen beschleunigte das Untersinken durch Schwimmbewegungen und ruderte nach kurzem Verharren auf dem Grunde bereits nach nur teilweiser Entlastung mit einiger Anstrengung dem Wasser- spiegel zu, den sie auch wieder erreichte. Was zeigen uns nun aber diese Versuche? Nun, wir ersehen daraus, dab Nepa ein so schlechter Schwimmer ist, daß sie, mit Atem- luft beladen, aus eigener Kraft den Widerstand des Auftriebes, dem doch ihre Verwandten in gleicher, ja wohl sogar verstärkter Weise unterliegen, nicht zu überwinden vermag, während diese ihn ver- möge ihrer hervorragenden Schwimmkraft mit Leichtigkeit zu über- wältigen wissen und sich beim Emporsteigen seiner Wirkung ganz überlassen können. Ja, die Schwimmkraft von Nepa reicht nicht einmal so weit, dab sie mit ihrer Hilfe wieder nach oben zu ge- langen vermag. Wie verhalten sich aber nun die Larven von Nepa und wie verhält sich unsere Ranatra bei dieser „Schwimmprobe*? Bringen wir eine Nepa-Larve in den Zylinder, so können wir oft stunden- lang warten, ehe sie sich bequemt, den Weg nach unten anzutreten. Tut sie es aber doch einmal, so verhält sie sich genau wie die Imago, wenn sie es nicht vorzieht, noch ehe sie zur Luftabgabe ge- notigt ist, nach oben zurückzukehren. Auch mit Sand beschwerte Larven gleichen in ihrem Verhalten vollkommen der Imago. Nur scheint es, dab die Larve von Nepa überhaupt nur notgedrungen sich ins freie Wasser begibt und dann viel lieber noch an der Ober- fläche als unter Wasser schwimmt. Sie hält sich vielmehr vorzugs- weise auf festem Boden oder im Pflanzengewirr auf. 304 WALTHER BAUNACKE, Von Ranatra standen mir für die gleichen Versuche leider nur wenige Imagines lebend zur Verfügung. Eine Imago, in den Stand- zylinder gebracht, ruderte unter Abgabe einer einzigen Luftblase in ca. 30 cm Tiefe mit Hilfe ihrer langen dünnen Beine ruckweise und ungeschickt dem Grunde zu, kam dann aber unter sichtlichen An- strengungen wieder empor zum Wasserspiegel. Andere Imagines dieser Gattung verhielten sich ganz ähnlich, alle aber gaben Luft ab, allerdings im Vergleich zu Nepa sehr wenig. Schlägt man indessen ein Gefäß, in dem sich Ranatren, ruhig auf Pflanzen sitzend, nahe der Oberfläche befinden, in der schon oben beschriebenen Weise mit einem metallenen Gegenstand scharf an, so flüchten auch sie unter spontaner reichlicher Luftabgabe nach dem Grunde. Nach diesen Beobachtungen scheint also Ranatra ebenso wie Nepa den Wider- stand des Auftriebes durch Luftabgabe zu bewältigen, doch nötigt sie eine Wassertiefe von 75 cm noch keineswegs zur Abgabe von so viel Luft, daß sie nicht zum Wasserspiegel zurückzuschwimmen vermöchte. Sie scheint mir aus diesem Grunde auch wohl befähigt, in größere Tiefen vorzudringen, eine Vermutung, die ich durch die von HUEBER (1905, p. 10—11) zitierten Beobachtungen verschiedener Forscher bestätigt fand. Ich glaube auch nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, daß sie beim Vordringen in größere Tiefen sich be- züglich der Luftabgabe und der Unfähigkeit, wieder emporzurudern, ähnlich verhält wie die ihr so nahe verwandte Nepa, eine Annahme, die ich indessen wegen Mangels an genügendem Material durch Ver- suche nicht zu beweisen vermag. Mit Rücksicht darauf, daß die Verhältnisse im Freien doch wesentlich andere sind als in jenem engen Standzylinder, wieder- holte ich die Versuche mit Imagines von Nepa in einem großen Zinkbottich wie auch in einem Fasse und erhielt im wesentlichen dasselbe Resultat, nur daß hier die Tiere, in schräger Richtung abwärts schwimmend, ihren Luftvorrat später abgaben und beim Versuche, die Oberfläche auf gleichem Wege wieder zu erreichen, derselben bedeutend näher kamen als im Zylinder. So schwamm auch im Freien eine Imago von Nepa, die ich nahe dem Ufer eines Teiches ins Wasser warf und mit einem Stocke zur Flucht ver- anlaßte, Luft ausstoßend in schräger Richtung nach dem Grunde, wo sie lange Zeit sitzen blieb und endlich auf dem Boden hin- kriechend das Ufer aufsuchte. Sie zog also scheinbar das Kriechen dem Schwimmen vor. So oft ich auch Nepen, Larven wie Imagines, im Freien beobachtete, nicht ein einziges Mal bemerkte ich, daß Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 305 etwa eines dieser Tiere aus der Tiefe des Wassers zur Oberfläche aufgetaucht wäre und mit neuem Luftvorrat sich wieder nach unten begeben hätte. Überhaupt sah ich nur selten diese Tiere frei im Wasser umherschwimmen. Auch das Verhalten der Larven dieser Gattung sowohl bei den Schwimmversuchen wie auch im Aquarium und im Freien zeigt deutlich, daß sie sich nur ungern weiter vom Wasserspiegel entfernen, als dies die notwendigsten Lebensbedürf- nisse erfordern. Ein gleiches Verhalten konnte ich auch bei aller- dings noch verhältnismäßig jungen Ranatra-Larven im Aquarium beobachten. Alle diese Tatsachen aber beweisen wohl zur Genüge, daß sowohl die Imagines wie auch die Larven von Nepa cinerea mehr einer kriechenden als schwimmenden Lebensweise angepaßt sind, und sprechen stark für die Annahme, daß auch Ranatra unter gleichen Bedingungen lebt. Sie lassen fernerhin erkennen, daß die- jenigen Autoren recht haben, welche die Nepiden als Wasserinsecten schildern, welche vorwiegend auf das Gehen unter Wasser ange- wiesen sind. Das ist aber gerade das Unterscheidende in der Lebensweise der Nepiden und ihrer Verwandten, daß erstere als Be- wohner der Seichtwasserzone in ihren Schwimmleistungen weit zurückstehen hinter jenen, die, mehr entfernt vom Ufer, das freiere tiefere Wasser bevülkern. Während diese nur so lange am Wasser- spiegel verweilen, bis sie ihre Atemluft erneuert haben und dann rasch wieder nach dem Grunde hinabeilen, bleiben die Nepiden an der Oberfläche, solange sie nicht durch plötzliche Gefahr oder die notwendige Befriedigung ihrer übrigen Lebensbedürfnisse veranlaßt werden, in die Tiefe hinabzusteigen. Im Gegensatz zu ihren Ver- wandten, welche fast stets frei am Wasserspiegel hängend Luft schöpfen, tut dies Nepa immer nur sitzend. In der dabei ein- genommenen Körperlage aber werden alle fixiert durch den Auf- trieb, denn sie alle sind infolge der an ihrem Körper haftenden Luft spezifisch leichter als Wasser. Während aber Nepa, wie schon gesagt, ihr spezifisches Gewicht durch Luftabgabe willkürlich ändert, konnte ich bei jenen Formen ein solches Verhalten nie beobachten. Von dieser Fähigkeit, die wohl allen Nepiden zukommt, macht unsere einheimische Nepa cinerea indessen, wie man sich bei längerer Beobachtung der Tiere leicht überzeugen kann, nicht nur beim Schwimmen, sondern auch beim Laufen und Klettern nach der Tiefe häufig Gebrauch, wohl um ohne Anstrengung das verfolgte Ziel be- quemer und rascher zu erreichen. Ob aber nun die Luft, welche die Tiere durch die Tuba re- 306 WALTHER BAUNACKE, spiratoria entweichen lassen, aus dem Luftraum unter den Flügeln, aus den Tracheen oder gar aus dem nach MARSHALL u. SEVERIN (1903, p. 490) luftgefüllten Cäcum des Rectums stammt, das zu entscheiden, würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Ich will nur erwähnen, daß dieser merkwürdige Darmblindsack, den v. FERRARI als „Schwimmblase“ bezeichnet, durch seine Lage ganz geeignet wäre, die eigentümliche Stellung seines Trägers im Ruhe- zustande zu fixieren, und daß ein plötzliches Auspressen der darin eingeschlossenen Luft sehr wohl zur spontanen Erhöhung des spe- zifischen Gewichts des Tieres dienen könnte. Diese Vermutung ge- winnt auch dadurch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß wir doch wohl annehmen müssen, daß das Tier verbrauchte und nicht frische Atemluft abgeben wird. Andrerseits aber vermag ich nicht recht einzusehen, auf welchem Wege diese Luft in den Blindsack ge- langen soll, wenn anders es sich nicht etwa gar um Gase handelt, die, bei der Verdauung des Tieres frei werdend, in diesem Cäcum aufgespeichert sind. Für den mit dieser Arbeit verfolgten Zweck genügt die Feststellung der willkürlichen Veränderung des spe- zifischen Gewichts bei den Nepiden, so daß ich jene Frage beiseite lassen kann. Nach allen unseren Beobachtungen zu urteilen, scheinen also die Nepiden ihren Verwandten gegenüber arg im Nachteil zu sein, denn wir sahen, dab das mangelhafte Schwimmvermögen ihnen die rasche Flucht nach dem Grunde unmöglich macht, lernten aber auch in der ausgezeichneten Anpassung der Tiere an ıhre Umgebung, der Fähigkeit, sich „tot“ zu stellen und das Untertauchen durch rasche Luftabgabe zu beschleunigen, Äquivalente für jenen Nachteil kennen. Gerade aber die Abgabe der Luft ist es, welche das Tier, wenn es einmal nach unten gelangt ist, an den Grund fesselt und in die sefährlichste Lage bringen würde, wenn es nicht auch befähigt wäre, längere Zeit dort zu verweilen. Doch diese Fähigkeit ist den Larven und Imagines der Nepiden nicht im gleichen Maße eigen. Does (1908, p. 48) hat die interessante Tatsache festgestellt, dab die Imagines von Nepa eine besondere Art der Atmung unter Wasser besitzen. In gut durchlüftetem, also sauerstoffreichem Wasser vermochten sie, von der Oberfläche fern gehalten, tagelang unter Wasser zu leben, während die gleichen Versuche mit Larven das entgegengesetzte Ergebnis zeitigten, daß diese nämlich schon nach 2—3 Stunden dem Erstickungstode erlagen. Auch BrocHEr (1908, p. 182) stellte gleichzeitig mit Docs fest, daß die Larven, unter Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 307 Wasser gebracht, bald verenden. Sie besitzen also keine Möglich- keit, sich längere Zeit unter Wasser aufzuhalten. Gerade aber dieser so überaus auffällige Unterschied, den die Larve der Imago gegenüber in bezug auf die Atmungsweise zeiet, macht es uns ver- ständlich, weshalb die Larve das freie Wasser so ängstlich meidet und so schwer zum Untertauchen zu bewegen ist, den freien Wasser- spiegel dem schützenden Grunde vorziehend. Nun erkennen wir auch die Gründe, aus denen sie die Schutzstellung der Flucht bei weitem vorzieht und sich nur nahe der Wassergrenze oder innerhalb dichten Pflanzenwuchses kriechend von der Oberfläche zu entfernen wagt, eben deshalb, weil für sie die Möglichkeit, sich längere Zeit unter Wasser zu halten, eine sehr beschränkte ist. Was veranlaßt nun aber die Tiere überhaupt, sich nach der Tiefe zu begeben? Nun, wohl vor allen Dingen die Nahrungssuche, da sie in Anbetracht ihrer großen Gefräßigkeit die Befriedigung dieses Bedürfnisses doch wohl kaum dem bloßen Zufall überlassen können. Bei der Imago indessen sind es auch die Bedürfnisse der Fortpflanzung und der Überwinterung, die eine größere Bewegungs- freiheit auch unter Wasser auf dem Grunde und im Pflanzengewirr erfordern. Alle diese wichtigen Lebensbedürfnisse würden sie aber nicht befriedigen können, wenn sie eben nicht in der Lage wären, eine Zeitlang wenigstens ohne Gefahr für ihr Leben die Verbindung mit der Atmosphäre aufzugeben, d. h. sich unter Wasser zu begeben. Damit hätten wir aber auch die Antwort auf die von Docs (p. 53) aufgestellte Frage, die er selbst nur teilweise beantwortet, denn wir haben aus unseren Beobachtungen die Notwendigkeit einer solchen Unterwasseratmung kennen gelernt. Doch lassen die weiteren Versuche dieses Autors noch manches für uns Interessante erkennen. In einem Glase mit Confervaceen vermochte eine Larve nur eine, eine Imago indessen über 4 Stunden lang sich am Leben zu er- halten. Da mir der Versuch in stark durchlüftetem Wasser nicht den natürlichen Verhältnissen zu entsprechen schien, wiederholte ich die Docs’schen Versuche mit Larven und Imagines in einem out mit Elodea bepflanzten größeren Aquarium und fand die ein- gesetzten Larven, wie Docs, nach zweistündiger, die Imagines je- doch nach sieben bis achtstündiger Gefangenschaft verendet vor. (Diese Versuche wurden bei mittlerer Temperatur angestellt, bei niedrigerer Wassertemperatur dürften es die Tiere, wie aus den Doss’schen Versuchen hervorgeht, länger aushalten.)') Das heißt 1) WESENBERG-LUND erhielt eine Imago wenigstens 3 Wochen hindurch in einem fast völlig ausgefrorenen Aquarium lebend (1910, p. 477). Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 20 308 WALTER BAUNACKE, also, daß auch die Dauer dieses Unterwasserlebens der Imagines wie auch der Larven eine beschränkte ist und die Tiere keineswegs der Notwendigkeit, den Wasserspiegel immer wieder aufsuchen zu müssen, überhebt. Sie müssen also doch immer wieder zur Ober- fläche zurückkehren, um neue Luft zu schöpfen. Die Fähigkeit, be- erenzte Zeit unter Wasser verweilen zu können, bietet dem Tiere also in der Tat kein vollwertiges Äquivalent für die Nachteile, welche die geringe Ausbildung des Schwimmvermögens mit sich brachte. Wie wir bereits oben sahen, scheidet für die Nepiden zur Er- reichung des Wasserspiegels der Weg durch das freie Wasser, den die ihnen verwandten Formen als den für sie bequemsten benutzen, aus, und es bleibt ihnen nichts weiter übrig, als den Weg über den Boden des Gewässers zu nehmen oder im Pflanzengewirr emporzu- kriechen. Welche Mittel aber stehen ihnen nun zur Verfügung, um unter allen Umständen den richtigen Weg zu finden? Da käme zunächst lediglich das von oben, also von der Seite des Wasser- spiegels her, einfallende Licht als richtender Faktor für die Orien- tierung in Frage. Aber was nützt ihnen dieser Faktor beispiels- weise bei Nacht, wo sie doch mit Vorliebe auf ihre Raubzüge aus- gehen? Was nützt er ihnen ferner, wenn sie sich abseits von Wasserpflanzen auf freiem sanft ansteigendem Grunde unweit vom rettenden Ufer befinden, ohne die Möglichkeit zu besitzen, dem Lichte direkt, also senkrecht nach oben schwimmend, zusteuern zu können? Gerade eine solche Situation würde sie eher dazu veran- lassen, planlos auf dem Boden umherirrend, ihre durch Atemnot bereits verminderte Kraft durch nutzlose Schwimmversuche noch mehr zu schwächen. Ebensowenig würde wohl dem Tiere in dieser Lage beispielsweise auch der Tastsinn zur Orientierung dienen können, da er einerseits durch den verhältnismäßig geringen Unterschied der spezifischen Gewichte des Körpers und des um- eebenden Wassers stark reduziert erscheint und andrerseits die Neigung des Bodens zu gering wäre, um mit seiner Hilfe die Rich- tung nach oben fühlen zu können. Während also alle die genannten Arten verwandter Familien in ihrem eigenen Auftriebe sowohl wie in dem von oben her einfallenden Lichte absolut sichere Wegweiser nach der Wasseroberfläche besitzen, sind diese für die Nepiden wohl oft sehr unzuverlässig, ja irreführend. Sie müssen deshalb ein anderes Orientierungsmittel besitzen, das sie befähigt, einmal unter- getaucht, am Boden oder an Pflanzen hinkriechend, auch bei Nacht, Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 309 wo das Licht als richtender Faktor ausscheidet, die Richtung nach dem Wasserspiegel hin zu erkennen. Diese Überlegungen brachten mich zur Überzeugung, daß wohl gerade diese eigenartigen abdominalen Sinnesorgane bei Larve und Imago dieser Orientierung dienen könnten, welche sonst bei anderen Tieren durch Statocysten besorgt wird. Besitzt auch der Bau der besprochenen Organe nicht die geringste Ähnlichkeit mit solchen, so haben sie doch eines mit jenen gemeinsam: Auch sie sichern dem Tiere, wie der innerhalb der Statocyste frei bewegliche Statolith, eine Richtungskonstante, welche unter allen Umständen die gleiche bleibt. Wie beim Statolithen, so dient auch hier die Schwerkraft dazu, bei jeder Lageänderung des Tieres innerhalb des Wassers neue Reize zu verursachen. Ist es dort aber ein spezifisch schwererer Körper im leichteren Medium, der durch den Druck auf seine jeweilig wechselnde Unterlage den orientierenden Reiz hervorbringt, so haben wir hier den umgekehrten Fall vor uns: Ein spezifisch leichterer Körper (Luft) im spezifisch schwereren Medium (Wasser) erzeugt durch seinen aus diesem Gewichtsunterschied resultierenden Auftrieb Reize, welche, wie dort, mit jeder Änderung der Körper- lage wechseln. Wirkt aber der Statolith in der Richtung nach unten, so zeigt hier die eingeschlossene Luft, der Libelle einer Wasserwage vergleichbar, die Richtung nach oben an. Beide aber sichern dem Tiere die gleiche Richtungskonstante, nämlich die Lot- rechte. Weisen aber schon der anatomische Bau wie auch besonders der den physikalischen Verhältnissen des Aufenthaltsortes angepabte Mechanismus dieser abdominalen Sinnesorgane auf eine statische Funktion hin, so wurde mir diese Annahme zur Gewißheit durch den Verlauf zahlreicher Versuche, die ich in jener Richtung an- stellte. Diese zeigten mir tatsächlich, daß es bei den Nepiden diese Organe sind, welche ihren Trägern in jeder Lage mit absoluter Sicherheit die Richtung nach oben anzeigen. Um das Experiment unter den denkbar natürlichsten Verhält- nissen auszuführen, richtete ich ein großes Aquarium derart her, daß der aus Sand bestehende Bodenbelag nach der einen Schmal- seite hin vom Grunde aus bis zum Wasserspiegel sanft anstieg. An der tiefsten Stelle des Wassers versenkte ich, nachdem dieses lange Zeit gestanden und frei von allen Luftbläschen war, nun ca. ein Dutzend völlig heiler Imagines, die indessen zuvor durch langes Ver- weilen unter Wasser im Standzylinder in Atemnot versetzt worden 20* 310 WALTER BAUNACKE, waren, und zwar so, daß sie bei der Überführung nicht mit der Atmosphäre in Berührung kamen. Anstatt dab nun alle, wie er- wartet, schnurstracks auf der schiefen Ebene des Bodenbelags nach oben eilten, um von neuem Luft schöpfen zu können, liefen sie auf dem Grunde hin, wie man den Behälter auch drehen mochte, stets in der Richtung nach dem Fenster bis an die Glaswand des Aqua- riums, wo sie sich vergeblich bemühten vorwärts zu kommen. Ich deutete diesen Miberfole mit dem Bestreben der Tiere, der immer- hin vielleicht ungewohnten Umgebung so rasch wie möglich zu ent- fliehen. Da die Flucht aber immer in der Richtung nach dem Lichte hin erfolgte, brachte ich, um den einseitigen Einfall des Lichtes auszuschalten, den Behälter ins Freie, um bei diffusem Lichte die Versuche fortzusetzen. Und zwar füllte ich den Behälter wiederum mit abgestandenem Wasser, anstatt des schief aufgeschichteten Bodenbelages aber benutzte ich jetzt ein ca. 40 cm langes schmales Brett, das, in seiner Mitte um eine metallene Querachse drehbar, so im Aquarium angebracht wurde, daß es, ohne die Glaswände und den Wasserspiegel zu berühren, schaukelartig auf und nieder be- weet werden konnte. So vermochte ich nicht nur den Neigungs- winkel, sondern auch die Richtung des Anstieges der schiefen Ebene beliebig zu ändern. Um aber den Tieren auf dem Brette sicheren Halt zu gewähren, überspannte ich dasselbe mit Drahtgaze. Mehrere Imagines, die ich nun, nachdem sie zuvor wiederum künstlich in Atemnot versetzt worden waren, einzeln auf die momentan am tiefsten gelegene Stelle der Schaukel setzte, versuchten auch hier wieder in der Richtung nach dem Lichte zu entkommen. Trotz der sröbten Anstrengungen, den Wasserspiegel schwimmend zu erreichen, sanken sie bald auf den Boden, wo sie dicht an den Glaswänden des Behälters entlang hin und her krochen, um sich schließlich in den Ecken desselben zu sammeln. Also selbst das zerstreute Licht beeinträchtigte die Versuche noch, so daß ich nunmehr dazu über- ging, das Tageslicht überhaupt auszuschalten, indem ich den Tieren für die Dauer der Versuche das Augenlicht raubte. Aber zeigen denn jene erfolelosen Versuche nicht auf das deut- lichste, daß sich die Tiere nach dem Lichte orientieren, und macht dieser Orientierungsfaktor jene Organe, wenn sie wirklich statische sind, nicht völlig überflüssig? Nachdem DELAGE (1887) als erster die statische Funktion der von den älteren Autoren für Gehörorgane angesprochenen „Otocysten“ bei Cephalopoden und Crustaceen experimentell bewiesen und Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 311 ENGELMANN (1887) diese neue Anschauung über die physiologische Bedeutung solcher Organe verallgemeinert hatte, setzten andere Forscher die Versuche DELAGES auch an anderen Tieren fort und gelangten zu gleichen Ergebnissen. So bewies Verworn (1891) die statische Funktion dieser ,Otocysten“ bei Ctenophoren und führte für diese Organe den Namen ,Statocysten“ ein, während er den „Hörstein“ der früheren Forscher als „Statolith“ bezeichnete. Aber die Experimente vieler Autoren haben auch gezeigt, daß nicht diese Statocysten allein die Orientierung ihrer Träger bewirken. So ließen, um nur einige Beispiele anzuführen, die von Beer (1899) und von Prentiss (1901) an Crustaceen angestellten Versuche deutlich er- kennen, daß sowohl die Augen wie auch die Organe des Tastsinnes eine orientierende Wirkung ausüben können. Ja, Hesse (1908) hat in neuester Zeit wohl nicht mit Unrecht die Vermutung ausgesprochen (p. 13), daß sich bei Hydromedusen Sehorgane und Statocysten gegenseitig vertreten können, eine Annahme, die er damit recht- fertigt, daß wir bei jenen Tieren beiderlei Sinnesorgane nebeneinander nur in ganz seltenen Fällen antreffen und daß, wie bei den Stato- eysten die Schwerkraft, bei den Pigmentbecherocellen wahrscheinlich die Richtung des Lichtes, das stets von der Oberfläche her ins Wasser eindringt, als Norm für die Orientierung des Körpers wirkt. Er sagt aber (p. 13) selbst: „Allerdings werden die Sehorgane bei dunkler Nacht oder in grösserer Meerestiefe aus Mangel an Licht diesen Dienst versagen. Aber ihre Leistung wird damit auch nicht völlig erschöpft sein.“ Andrerseits geht aus den grundlegenden Versuchen Derage’s hervor, daß Gesichts- und auch Tastsinn in gewisser Hinsicht wohl als Orientierungsmittel in Betracht kommen, aber die gleichzeitige Anwesenheit statischer Organe bei höher organisierten Tieren keineswegs auszuschließen brauchen. DELAGE sagt nach Jourpan (1891) selbst, daß die Zerstörung der Otocysten eine disorientierte Bewegung ihrer Träger verursacht, daß indessen Gesicht und Gefühl bis zu einem gewissen Grade für die zerstörten Otocysten funktionierend eintreten können und die Disorientierung in der Bewegung abzuschwächen vermögen. Alle die von den ge- nannten Autoren ausgeführten Untersuchungen zeigen uns also deut- lich, daß Gesichts- sowohl wie Tastsinn bei Otocysten tragenden Tieren zwar als sekundäre Orientierungsmittel in Betracht kommen, aber doch nicht, wie diese Organe es tun, dem Tiere in jeder Lebens- lage die Orientierung sichern. Andrerseits aber lassen die Unter- suchungen neuerer Forscher, und auch die Vermutung Hesse’s weist 312 WALTHER BAUNACKE, darauf hin, es als sicher erscheinen, daß bei niederen Tieren das Licht sehr wohl, und zwar allein, als orientierender Faktor in Frage kommt. Wir müssen also, wenn wir überhaupt das Vorhandensein besonderer Orientierungsorgane experimentell nachweisen wollen, jenen Faktor unbedingt ausschalten. Und das geschieht eben am sichersten und am einfachsten dadurch, daß wir, wie ja auch DELAGE es tat, die Tiere blenden. Diese Operation wurde unter dem Präpariermikroskop an Larven und Imagines in folgender Weise vorgenommen: Kopf- und Brust- region des sicher mit Hilfe eines Gummifadens (vgl. Technik) fest- gespannten Tieres wurden zunächst mit Fließpapier völlig getrocknet- Sodann aber wurden nur die stark hervorragenden Augen und die ihnen benachbarte Region des Kopfes mit Hilfe eines sehr feinen, nur eben schwach mit Alkohol absolutus angefeuchteten Pinsels so bestrichen, daß der Alkohol empfindlichere Teile des Körpers nicht benetzte. Die so völlig abgetrockneten Augen wurden nunmehr in gleicher Weise mit Eisenlack bestrichen, der nicht nur sehr rasch trocknet, sondern auch jeden Zutritt des Lichtes vollkommen ver- hindert und am Integument gut haftet. Da dieser beim Erstarren sehr spröde wurde und schon sehr rasch nach der Befreiung von den Tieren durch Kratzen entfernt wurde, überstrich ich die so ge- blendeten Augen noch mit verdünntem, in Xylol gelöstem Masken- lack, der durch seine Zähigkeit und sein langsames Trocknen den Tieren jene ,Demaskierung“ auf die Dauer von einigen Tagen wenigstens verbot. Nachdem auch er völlig erhärtet war, verständen es die Tiere sehr wohl, sich durch Kratzen und Putzen von dieser „Maske“ zu befreien. Die auf solche Weise vorgenommene Blendung übte absolut keinen dauernden Einfluß auf das Befinden der Tiere aus und konnte sogar wiederholt bei ein und demselben Tiere ohne nachteilige Folgen ausgeführt werden. Mit so vorbereiteten Tieren setzte ich nun meine Versuche auf der Schaukel fort. Larven und Imagines verhielten sich jetzt nach der Blendung, die am Tage vor dem Versuche vorgenommen wurde, auf der Schaukel viel ruhiger als zuvor. Sie zeigten nichts mehr von dem Bestreben, das Licht zu erreichen, und marschierten träge, so wie sie es auch sonst tun, auf dem Brette umher. Ich experi- mentierte zuerst mit Imagines. Geblendet und in Atemnot versetzt, brachte ich diese auf das zunächst wagerecht gestellte Brett der Schaukel, wo sie bald ruhig umherkrochen. Je nachdem, wie ich nun das Brett drehte, und ganz gleichgültig, in welchem Punkte sie Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 313 sich befanden, immer schlugen sie den Weg nach oben ein. Waren sie gerade im Begriffe aufwärts zu kriechen, so drehte ich das Brett um, so dab die Tiere umkehren mußten, wenn sie zum Wasserspiegel gelangen wollten. Und da zeigte sich in der Tat, daß alle Drehungen der Schaukel, sofern sie die Richtung des Anstieges zum Wasser- spiegel änderten, vom Versuchstier mit sofortiger Umkehr beant- wortet wurden. Nur ganz selten kam es vor, daß ein Tier noch ein Stück in der Richtung des alten Weges weiter lief. Um aber ganz sicher zu gehen, ob diese Reaktion nicht etwa nur der natür- liche Reflex auf die Erschütterung des Brettes oder des umgebenden Wassers infolge der Drehungen sei, erschütterte ich die Schaukel, wenn sich das Tier auf dem Marsche nach oben befand, oder ich drehte sie nur so weit, daß sich wohl der Winkel, nicht aber die Richtung des Anstieges änderte. Wie erwartet, blieb jene Reaktion aus, nur ganz selten stutzte das Tier einen Augenblick, um dann sogleich seine alte Richtung weiter zu verfolgen. Auch wenn ich das Tier kopfunter auf die Schaukel setzte, machte es kehrt und lief schnurstracks nach oben. Ebenso reagierte es sogar dann, wenn es sich bei der Drehung des Brettes gerade auf dessen Achse be- fand, durch sofortige Umkehr. Gerade diese zuletzt angeführte Tatsache aber zeigt deutlich, daß nur die Änderung der Anstieg- richtung der schiefen Ebene, nicht aber der Wechsel der Wasser- tiefe, in welche das Tier bei jeder Schaukeldrehung gelangt, jenen Reflex verursacht. Ganz ebenso vorbereitete Larven reagieren unter denselben Bedingungen in gleicher Weise. Auch im Laufe der an ihnen aus- geführten Versuche kam es gelegentlich einmal vor, daß das Ver- suchstier einer Wendung des Schaukelbrettes gegenüber eine Zeit- lang indifferent blieb und seinen Weg eine kurze Strecke in der alten Richtung fortsetzte, ehe es sich zur Umkehr bequemte. Solche Indifferenz war indessen gerade bei den Larven viel seltner zu beobachten als bei den Imagines. Sie verliert an Bedeutung, wenn wir bedenken, dab der in falscher Richtung fortgesetzte Weg ent- sprechend der geringen Länge des Brettes ja immer nur wenige Längen des Versuchstieres betrug und daß dann stets noch die Umkehr erfolgte. Andrerseits aber müssen wir auch die Unbeholfen- heit, welche diese trägen Tiere beim Umkehren an den Tag legen, berücksichtigen. (serade der Umstand, daß doch hin und wieder einmal trotz völlig unversehrter Blendung von Tieren mit funktionsfähigen Organen 314 WALTHER BAUNACRE, eine Drehung der Schaukel nicht oder doch nicht gleich richtig durch Umkehr beantwortet wurde, zeigte mir die Notwendigkeit, die Zahl der richtig erfolgten Reaktionen im Verhältnis zu der- jenigen aller vorgenommenen Wendungen des Brettes festzustellen. Leider kam mir der Gedanke, die Marschrouten, welche die Tiere auf der Schaukel zurücklegten, graphisch darzustellen, erst, nachdem ich schon sehr viele solcher Versuche, die infolge der Trägheit der Versuchstiere sehr zeitraubend waren, an Larven und Imagines aus- geführt hatte. Ließen schon die bis dahin angestellten Experimente keinen Zweifel an der Richtigkeit meiner Vermutung, so brachte mir gerade die genaue graphische Aufzeichnung der in der Folge- zeit fortgesetzten Versuche vermöge ihrer Übersichtlichkeit die volle Überzeugung, daß sich die Tiere auch ohne Benutzung ihrer Augen sehr wohl zu orientieren vermögen. Zur graphischen Darstellung dieser Versuche sei das Folgende bemerkt: das Schaukelbrett, in den Abbildungen als Rechteck dargestellt, wurde durch Querlinien, deren mittelste die Achse war, in Viertel geteilt, deren jedes eine Länge von etwa 10 cm besaß. Wendungen der Schaukel wurden hinfort nur dann vorgenommen, wenn das im Marsche befindliche Tier eben im Begriffe stand, eine jener Querlinien zu überschreiten. Der Weg, den es, auf dem Brette hin- und herlaufend, zurücklegte, wurde als Zickzacklinie in das Schema des Schaukelbrettes ein- gezeichnet, so daß jede Wendung dieser Linie einer Umkehr des Versuchstieres entspricht. Die Linie wurde ausgezogen, solange das Tier bergauf, also richtig lief; sie wurde gestrichelt, wenn es falsch, d. h. bergab lief. Die Punkte der Schaukel, in denen sich das Tier im Momente der Wendung des Brettes befand, wurden durch Umkreisung markiert. Je nachdem, ob nun die vorher richtige, also ausgezogene Marschroute in diesen Punkten umkehrt, oder aber, unbeirrt durch die Wendung des Brettes, in falscher Richtung, d. h. über den Drehpunkt hinaus bergab vom Tier beibehalten wurde und deshalb gestrichelt ist, erkennt man aus den auf S. 315, Fig. J dargestellten Marschrouten deutlich den Verlauf einiger der mar- kantesten Versuche. So zeigt uns z. B. der dort im Schema I zur Darstellung gekommene Versuch, der an einer geblendeten und in Atemnot versetzten, sonst aber unversehrten Imago ausgeführt wurde, folgendes: Das Versuchstier, mitten über der Querlinie D über das Brett gebracht, läuft sogleich bergan. Als es auf der Linie C anlangt, erfolgt die erste Wendung (7) des Schaukelbrettes. Das Tier rea- Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 315 Fig. J. Versuche mit geblendeten, sonst aber heilen Imagines auf der Schaukel (Erklärung vgl. Text, S. 314). 316 WALTHER BAUNACKE, siert durch sofortige Umkehr und läuft in entgegengesetzter Rich- tung bergauf. Gerade über der Drehungsachse A angelangt, wird die Anstiegrichtung des Brettes wiederum gewechselt (2). Das Tier macht kehrt und läuft in der neuen Richtung bergauf. Als es wieder die Linie C erreicht hat, erfolgt eine,erneute Drehung der Schaukel (3), die es durch Umkehr beantwortet. Jetzt wird ihm gestattet, seinen Wege bis zur Linie D bergaufwärts fortzusetzen, ehe die neue Wen- dung (4) erfolgt, die eine abermalige Umkehr des Tieres bewirkt. Es kriecht wieder bergan und kehrt über der Linie C um, weil die Anstiegrichtung abermals verändert wird (5). Nach oben laufend beantwortet es in D eine erneute Brettwendung (6) richtig mit Um- kehr. Im Begriffe, die Linie C zu überschreiten, wird es durch Drehung der Schaukel wiederum in falsche Marschrichtung ge- bracht (7). Diesmal aber läßt es die Drehung zunächst unbeachtet, kriecht vielmehr einige Körperlängen weit in falscher Richtung, d. h. bergab (Route gestrichelt!) weiter, bis es endlich stehen bleibt. Nach kurzer Rast indessen kehrt es um und läuft wieder, wie sonst nach jeder Drehung des Brettes, bergauf, bis es über der Achse A anlangt, wo es durch Drehung der Schaukel (8) aufs neue zur Um- kehr veranlaßt wird. Von nun an reagiert es in derselben Weise weiterhin noch richtig durch Umkehr auf die in den Punkten 9, 70, 11, 12 vorgenommenen Wendungen des Brettes, bis es endlich die 13. Drehung unbeachtet läßt. Hier kriecht es noch ein Stück bergab weiter und fällt schließlich ermattet auf den Boden des Wasser- behälters. In der gleichen Weise wurde die letzte Drehung der Schaukel von den Versuchstieren unbeachtet gelassen, wenn die Versuche nicht etwa vorzeitig abgebrochen, sondern bis zur völligen Ermüdung der Tiere fortgesetzt wurden. In Anbetracht der langen Zeit (1), bis 1 Stunde), welche ein solcher bis zum Ende durchgeführter Ver- such infolge der überaus trägen Gangart der durch Mangel an Atemluft ohnehin schon ermatteten Tiere in Anspruch nahm, er- scheint die Nichtbeachtung der letzten Schaukelwendung so selbst- verständlich, daß sie bei der Bewertung der Reaktionen im all- gemeinen nicht ins Gewicht fällt. Die gleichen Versuche wurden auch mit Larven verschiedenen Alters ausgeführt. Hier boten sich erhöhte Schwierigkeiten dadurch, daß die Larven im freien Wasser nur schwer dazu zu bewegen waren, den Grund aufzusuchen und ihre Luftvorräte dabei abzu- geben. Hatten sie dies aber doch getan, so brauchten sie nicht Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 317 erst lange unter Wasser gehalten zu werden, um in Atemnot zu geraten. Ihre Fähigkeit, unter Wasser fortzuleben, ist, wie wir schon oben sahen, so gering, dab sie, auf das Brett der Schaukel gebracht, schon sehr bald das Bestreben zeigten, kriechend den Wasserspiegel zu erreichen. Gerade diese Eigenschaft der Larven ist wohl auch der Grund dafür, daß von ihnen alle Drehungen der Schaukel noch präziser durch Umkehr beantwortet wurden als von den Imagines. Hin und wieder kam es freilich auch bei ihnen vor, daß sie eine Änderung der Anstiegrichtung kurze Zeit unbeachtet ließen. Die in Fig. K I—IV, S. 318 zur Darstellung gebrachten Versuche zeigen in derselben Weise wie der schon oben erklärte bei der Imago die außerordentliche Sicherheit, mit der die Reaktionen auf die Drehungen erfolgten und der Weg nach oben eingehalten wurde. Namentlich die Versuche II—IV bei Larven sowohl wie bei den Imagines zeigen ganz besonders deutlich, wie sicher diese Tiere auch ohne den Besitz ihres Augenlichtes den Weg nach dem Wasserspiegel, d. h. eben nach oben, auf der schiefen Ebene der Schaukel zu finden wissen. Hier wurde ihnen nämlich ein bestimmter Weg vorgeschrieben dadurch, daß die Drehungen des Brettes nur immer dann vorgenommen wurden, wenn das Tier sich in voraus- bestimmten Punkten des Brettes befand. So kamen die teilweise ganz symmetrischen Marschfiguren zustande, wie sie die Schemata Tu IV hig. J; S. 315 von den Imagines7und Lu IV Mies ik S. 318 von den Larven zeigen. In ähnlicher Weise konnten die Tiere gezwungen werden, nur zwischen zwei bestimmten Punkten der Schaukel hin und her zu wandern. Dies zeigen die Schemata II bis IV (Fig. J, S. 315) von der Imago und III (Fig. K) von der Larve ebenfalls sehr deutlich. Gerade aber der Umstand, daß von Larven und Imagines doch mitunter Drehungen der Schaukel ignoriert wurden, zeigte mir die Notwendigkeit, solche Versuche an vielen verschiedenen Individuen wiederholt anzustellen, um einen Überblick zu gewinnen über das Verhältnis, in dem die richtig durch Umkehr beantworteten. Schaukel- wendungen zu jenen ignorierten ständen. Und da ergab sich das Verhältnis, daß die Imagines 80°,, die Larven aber 94°/, aller Schaukeldrehungen richtig mit Umkehr beantworteten. Der Unter- schied aber zwischen Larve und Imago, der sich auch in diesen Zahlen ausspricht, ist, wie wir schon sahen, bedingt durch die ver- schieden große Fähigkeit beider, auch unter Wasser begrenzte Zeit am Leben zu bleiben. WALTHER BAUNACKE, Versuche mit geblendeten, sonst aber heilen Larven auf der Schaukel (Erklärung vgl. Text, S. 314). OOOO © 250, DOG ET Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 319 So beweisen uns also diese Versuche auf das deutlichste, dab Larven wie Imagines, auch ohne im Besitze ihres Augenlichtes zu sein, sich sehr wohl darüber zu informieren vermögen, wohin sie sich zu wenden haben, um Luft schöpfen zu können. Mit anderen Worten: Die Tiere müssen außer dem Gesichtssinn noch ein anderes Mittel zu ihrer Orientierung besitzen. Ob nun aber die von uns beschriebenen abdominalen Sinnes- organe es sind, welche dem Tiere unter jenen Verhältnissen, d. h. also bei dunkler Nacht, die Orientierung im dichten Pflanzengewirr oder auf dem sanft ansteigenden Boden der von ihnen bewohnten Uferzone sichern, das sollen uns weitere Versuche zeigen. Wenn jene Organe tatsächlich das Tier auf seinem Wege nach oben leiteten, so müßten wir dieses völlig disorientiert finden, wenn wir, wie ja auch DELAGE es tat, die orientierenden Organe außer Funktion setzen und gleichzeitig den Gesichtssinn ausschalten. Die Funktion der Organe läßt sich aber nur durch operativen Eingriff verhindern. Ich schließe mich der Ansicht von Gross (1904) an, wenn er die Schwierigkeit des experimentellen Nachweises der von ihm für die Funktion des sogenannten Paumén’schen Organs der Ephemeriden gegebenen Deutung (p. 104) motiviert mit den Worten: „Wir wissen aus der experimentellen Gehirnphysiologie der Vertebraten zur Genüge, in welche schwere Irrtümer man geraten kann, wenn man die Verletzung oder Zerstörung eines Organs oder Organtheils als reinen Versuch betrachtet. Während man aber bei einem Wirbel- tiere wohl warten kann, bis die störenden Nebeneffekte des operativen Eingriffs verschwunden sind, so scheint mir das bei einer ‚Eintags- fliege‘ kaum möglich zu sein.“ Nun liegen aber diese Verhältnisse bei unseren Nepiden glücklicherweise doch wesentlich anders als bei den „Eintagsfliegen“ und ähnlich kurzlebigen und zart gebauten Insecten. Nicht nur was die Lebensdauer, sondern auch die Wider- standsfähigkeit anbetrifft, scheinen gerade sie sich weit besser für solche Versuche zu eignen als viele andere Insecten. Wie bei den Wirbeltieren, so können wir auch bei Nepa einerea warten, bis die störenden Nebeneffekte operativer Eingriffe gänzlich verschwunden sind. Namentlich die freie Lage der abdominalen Sinnesorgane bei der Imago ermöglicht eine operative Zerstörung derselben ohne stärkere Schädigung der Tiere sehr wohl. Diese Operation wurde an der Imago einfach so vollzogen, daß die Borstenmembran mit Hilfe einer Präpariernadel unter dem Präpariermikroskop vom Integument des Sinnesfeldes heruntergeschabt wurde. Schon nach 320 WALTHER BAUNACKE, wenigen Tagen waren die unbedeutenden Verletzungen, welche diese Operation verursachte, völlig geheilt. Wie gut aber gerade die Imagines die Zerstörung ihrer abdominalen Sinnesorgane ertrugen, geht am besten daraus hervor, daß sie mit funktionsunfähigen Organen in geeignet hergerichtetem Behälter noch ebenso lange unverändert am Leben blieben wie die vollkommen unversehrten Tiere, d. h. vom Frühjahr bis ungefähr Mitte September. Mit solchen, schon wochen-, ja monatelang vorher ihrer Sinnes- organe beraubten und tags zuvor geblendeten Imagines stellte ich nun zunächst Gegenversuche an. Und da zeigte sich sogleich schon rein äußerlich betrachtet im Benehmen dieser Tiere ein großer Unterschied gegenüber dem Verhalten unversehrter, geblendeter Imagines auf der Schaukel. Setzte man nämlich Tiere der zuletzt genannten Art auf das schräg gestellte Schaukelbrett und ließ dieses unberührt, so liefen diese schnurstracks bis zum höchsten Punkte des Brettes, wo sie entweder ruhig sitzen blieben oder am obersten Teil des Randes hin- und herkrochen. Brachte man indessen Imagines mit funktionsunfähigen Organen unter den gleichen Be- dingungen auf die Schaukel, so liefen sie, ohne eine bestimmte Richtung einzuhalten, einmal nach unten, einmal nach oben, oder sie krochen an der Unterseite des Brettes umher, so, wie es ihnen der Zufall gerade eingab. Als ich aber dazu überging, Drehungen der Schaukel auszuführen, kümmerten sie sich auch um diese nicht, sondern liefen, durch dieselben unbeirrt, auf dem Brette umher, ganz gleichgültig, ob sie die einmal eingeschlagene Richtung berg- auf oder bergab führte. Gerade aber dadurch, dab solche Tiere nicht wie jene, deren Organe noch funktionierten, eine bestimmte Richtung innehielten, sondern bald kreuz und quer bald auch im Kreise auf der Oberfläche, am Rande oder gar auch an der Unter- seite des Schaukelbrettes umhermarschierten, wurde die graphische Darstellung dieser Gegenversuche sehr erschwert. Nur dann, wenn die Tiere zwischen den beiden Rändern des Brettes regelmäßig hin und her liefen, gewann die graphische Aufzeichnung des zurück- gelegten Weges den erwünschten Grad von Übersichtlichkeit. Die auf S. 321 Fig. L zur Darstellung gebrachten Marschrouten lassen deutlich genug die Gleichgültigkeit erkennen, welche die Imagines den Wendungen des Schaukelbrettes gegenüber bewahrten, nachdem sie der Funktionsfähigkeit ihrer Abdominalorgane wie auch ihrer Augen beraubt worden waren. So wurde beispielsweise das zu dem im Schema I (Fig. L) auf S. 321 zur Darstellung gelangten Gegenversuch Statische Sınnesorgane bei den Nepiden. 321 A > Fig. L. Versuche mit geblendeten Imagines, deren Sinnesorgane außer Funktion gesetzt wurden (Erklärung vgl. Text, S. 314). 322 WALTHER BAUNACKE, benutzte Tier gerade über der Querlinie D so auf die schräg ge- stellte Schaukel gesetzt, daß es vorwärts kriechend den Weg nach oben nehmen mußte. Als es so bergan laufend gerade über der Drehungsachse A angelangt war, wurde die erste Wendung der Schaukel (7) vorgenommen. Vollständig gleichgültig kriecht es in der alten Richtung, die jetzt bergab führt, weiter bis zum Rande des Brettes. Hier kann es nicht weiter, kehrt deshalb um und läuft nunmehr bergaufwärts, bis in C (2) eine neue Drehung erfolgt. Ohne sie zu beachten läuft es jetzt bergab weiter. Wieder über der Achse A angelangt, wird durch eine erneute Schaukelwendung (3) sein Weg in aufsteigende Richtung gebracht. Als es im Begriffe steht, die Linie D zu überschreiten, erfolgt eine neue Drehung (4), wird aber nicht beachtet. Das Tier läuft nach unten bis zum Rande des Brettes, kann nicht weiter, kehrt um und kriecht wieder bergan. Von neuem über der Querlinie D angelangt, verhält es sich gegen- über einer abermaligen Schaukeldrehung (5) indifferent und marschiert ruhig nach unten weiter. So geht es nun fort bis zur 12. Wendung der Schaukel. Auch auf diese Änderungen der Anstiegrichtung erfolgt nicht die geringste Reaktion, und das Tier kehrt jedesmal nur dann um, wenn der Rand des Brettes ihm ein weiteres Vor- dringen in der alten Richtung verbietet. Nach der 12. Drehung, die gerade in dem Moment erfolgt, als das Tier die Achse A über- schreitet, läuft es gleichgültig bergab weiter bis zur tiefst gelegenen Stelle E der Schaukel und wird durch eine erneute Wendung (23) derselben dicht an den Wasserspiegel gebracht. Trotzdem macht es, nachdem es vom Rande des Brettes aus vergeblich tastend ver- sucht hat, weiter zu laufen, kehrt und kriecht nun zum gegenüber- liegenden Ende der Schaukel bergab. Dort angelangt, wird es von neuem durch Drehung (14) dem Wasserspiegel genähert, nimmt aber auch diesmal den Vorteil dieser veränderten Lage nicht wahr. Es begibt sich wieder nach unten, weil der obere Brettrand weiterem Vordringen in der alten Richtung ein Ziel setzt. Nachdem das Tier so 14 Wendungen der Schaukel unbeachtet gelassen hat, wird es aus seiner Lage erlöst und zum Atmen an die Luft gebracht. In derselben Weise illustrieren auch die übrigen Schemata (II—IV, Fig. L) die Indifferenz, welche Imagines den Veränderungen der Anstieg- richtungen des Schaukelbrettes gegenüber zeigen. Nachdem so die an der Imago vorgenommenen Gegenversuche gezeigt hatten, dab für diese der gleichzeitige Verlust des Augenlichts und der Abdominal- organe gleichbedeutend ist mit einer völligen Disorientierung des Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 323 Tieres, wurden auch die Larven in bezug auf ihr Verhalten unter gleichen Bedingungen geprüft. War aber die Zerstörung der Sinnesorgane bei den Imagines mit Leichtigkeit durchzuführen, so gestaltete sie sich bei den Larven dadurch schwieriger, dab deren Sinnesgruben so sehr versteckt liegen und ohne gleichzeitige Beschädigung der Bedeckung der Atemrinne wie auch der benachbarten Stigmen nicht leicht außer Funktion zu setzen sind. Die percipierenden Elemente der Larval- organe konnten mechanisch nicht vernichtet werden. Deshalb wurde hier, nachdem das Tier völlig abgetrocknet war, mit Hilfe eines zu feinster Capillare ausgezogenen Glasrohres das Innere der Organe mit konzentrierter Salpetersäure benetzt, so daß auch die Sinnes- borsteninsertionen mit ihr in Berührung kamen. Nach einiger Zeit wurden die Larven dann wieder ins Wasser gebracht, welches die Säure hinwegspülte. Entsprechend ihrem zarteren Bau wie auch der Schwierigkeit jenes operativen Eingriffs ertrugen auch die Larven die Zerstörung ihrer Sinnesorgane bei weitem nicht so gut wie die Imagines. Sie starben vielmehr zumeist schon 3—4 Tage nach der Operation, durch welche ihre Atemwege stark in Unord- nung gerieten. Nur wenige Larven vermochte ich in diesem Zu- stande länger am Leben zu erhalten. Solche Tiere verhielten sich bei den mit ihnen angestellten Gegenversuchen ganz ebenso wie operierte Imagines. Sie blieben gleichgültig gegen die Drehungen des Schaukelbrettes und verstanden es nicht, sich darüber zu orientieren, in welcher Richtung der Weg zum Wasserspiegel führte. Auch die von ihnen zurückgelegten Marschrouten wurden auf S. 324 Fig. M zur Darstellung gebracht und zeigen ihre Indifferenz gegen jede Wendung der Schaukel sehr deutlich. So geht also aus allen diesen Versuchen unzweideutig das her- vor, dab die Tiere, ohne zu sehen, sich sehr wohl über die Lage ihres Körpers zur Lotrechten zu orientieren vermögen. Wir sehen aber auch, daß dieses Orientierungsvermögen sofort schwindet, wenn wir die abdominalen Sinnesorgane zerstören. Damit wire aber er- wiesen, dab gerade diese Organe es sind, welche dem Tiere in jeder Lebenslage die Orientierung ermöglichen und damit die Möglichkeit sichern, auf dem Wege über den sanft ansteigenden Boden der Uferzone oder durch dichtes Pflanzengewirr kriechend den Wasser- spiegel immer wieder zu gewinnen. Die gleichen Versuche an einigen mir lebend zur Verfügung Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 21 WALTHER BAUNACKE, A ‚ deren Sinnesgruben außer den (Erklärung vgl. Text, S. 314). s Funktion gesetzt wur Versuche mit geblendeten Larven Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 325 stehenden Imagines von Ranatra linearis scheiterten an der Un- möglichkeit, diese Tiere zur Abgabe aller ihrer überschüssigen Luft zu bewegen, so daß sie stets spezifisch leichter blieben als das Wasser. Deshalb gelang es ihnen stets auch, vom Schaukelbrett wegschwimmend, die Oberfläche des Wassers zu erreichen. Wohl aber können wir nach dem .Verlaufe der auch an Æanatra im Zylinder angestellten Versuche annehmen, daß sich diese Tiere, nachdem sie einmal in größere Wassertiefe untergetaucht sind, ganz ebenso verhalten, wie unser gemeiner , Wasserscorpion“. Ganz ähnlich wie Versuchstiere, deren Blendung beschädigt war, zeigten sich auch solche Individuen von Nepa, denen nur einige der 6 (resp. 8) abdominalen Sinnesorgane zerstört worden waren, bei jenen Versuchen gänzlich verwirrt. Gerade dieses Ver- halten aber weist deutlich darauf hin, daß es die Verschieden- artigkeit der in den einzelnen Sinnesorganen wirkenden Reize ist, welche dem Tiere seine jeweilige Lage zur Lotrechten anzeigt. Wir können die Gesamtheit aller dieser Organe also sehr wohl als ein Organsystem bezeichnen, das die Orientierung seines Trägers vermittelt. VII. Phylogenie der Organe. In seiner Arbeit über das Gleichgewicht und Otolithenorgan sagt VERWORN über das Wesen statischer Organe (1891, p. 471) folgendes: „Uebrigens möchte ich gleich der falschen Auffassung begeenen, in dem Statolithenorgan ein Organ für einen neuen Sinn, den Gleichgewichtssinn, zu erblicken. Wenn man die Sinnesorgane nach der Reizqualität, für deren Uebermittelung sie angepasst sind, bestimmt, so ist das Statolithenorgan nichts weiter als ein besonders differenziertes Organ für Uebertragung von Berührungsreizen, ebenso, wie beispielsweise die sämtlichen Endapparate der sensiblen Haut- nerven des menschlichen Körpers, welche tactile Tast- und Druck- empfindungen vermitteln.“ Nun ist zwar weder das larvale noch das imaginale Sinnes- organ, das wir an Vertretern dreier Nepiden-Gattungen vorfanden, nicht eigentlich ein Statolithenorgan im buchstäblichen Sinne des Wortes, immerhin aber läßt es uns auf das deutlichste erkennen, daß es nach der Reizqualität, die es übermittelt, wie jenes nichts weiter ist als „ein besonders differenziertes Organ für Uebertragung von Berührungsreizen“. Wir können nämlich gerade für die statischen Organe der Nepiden, wenn wir, vom biogenetischen 21* 326 WALTHER BAUNACKE, Grundgesetz ausgehend aus der Ontogenese auf die Phylogenese der Organe sichere Rückschlüsse ziehen dürfen, nachweisen, wie sie all- mählich aus vereinzelten Tastborsten der Körperoberfläche hervor- gegangen sind. Wir sahen die statischen Organe der geschlechtsreifen Vertreter aller Nepiden-Gattungen im wesentlichen übereinstimmen, fanden aber doch auch Merkmale, welche deutlich auf die Verschieden- artigkeit der Ausgangspunkte hinwiesen. Diese verschiedenen Aus- gangspunkte waren aber die Larvalorgane. Auch für sie konnten wir bei allen 3 Gattungen einen im Prinzip völlig gleichen Bau feststellen, dessen Variationen, nur durch die verschiedenartige Aus- bildung der larvalen Paratergitlappen bedingt, nebensächlicher Natur waren. Am einfachsten fanden wir den Bau der Larvalorgane bei den Larven der Gattung Ranatra. Hier konnten wir den onto- genetischen Entwicklungsgang zurückverfolgen bis in das erste Larvenstadium. Gerade dieses aber zeigte uns Verhältnisse, welche den Ursprung der so kompliziert gestalteten späteren imaginalen Sinnesorgane mit unzweideutiger Sicherheit erkennen ließen. Wir sahen, daß hier noch die Sinnesborsten des Larvalorgans nicht nur in derselben Reihe stehen mit den Deckborsten der Atemrinne, sondern noch fast dieselbe Länge wie diese aufweisen. Und so kann es wohl kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese percipierenden Sinnesborsten der Larvalorgane nichts anderes sind als Deckborsten, welche der Reizempfindung dienstbar gemacht wurden. Und diese Annahme wird zur Gewißheit, wenn wir uns daran erinnern, daß die im Laufe der Ontogenese stattfindende Vermehrnng der Sinnes- borsten tatsächlich erfolgte einmal auf Kosten gewöhnlicher Deck- borsten, zum Teil aber auch durch Neuentwicklung unterdrückter Anlagen von cuticulären Anhangsgebilden, die ihrem Standorte nach nichts anderes sind als jene. Aber auch noch ein anderer Umstand deutet auf den Ursprung der Organe hin. Wenn wir am Abdomen der Imago irgendeiner der untersuchten Formen jene schon des öfteren erwähnte Linie, welche den ehemaligen Verlauf des larvalen Paratergitfaltenrandes, d. h. des Trägers der die Atemrinne nach außen hin abschließenden Deckborsten, einer genaueren Betrachtung hinsichtlich ihres Borstenbesatzes unterziehen, so erkennen wir bald mehr bald weniger zahlreiche Sinnesborsten, welche hier dem Integu- ment inserieren. Sie bilden bei den meisten Vertretern aller 3 Gattungen eine unregelmäßige Reihe und stehen nahe den imagi- nalen Sinnesorganen stets dichter beisammen als sonst im Verlauf Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 327 jener Linie. Die Gestalt dieser Sinnesborsten ist verschieden, bald haarförmig rund bald flach ruder- resp. löffelähnlich, ihre Zahl aber ist am größten und ihre reihenförmige Anordnung am regelmäßigsten bei den verschiedenen Species der Gattung Ranatra. Wir sehen also, daß an Stelle vieler hier ehemals bei der Larve inserierender Deckborsten, soweit sie nicht zu gewöhnlichen schildförmigen oder schuppenförmigen Borsten umgewandelt wurden, Sinnesborsten treten. So weiss auch diese Tatsache darauf hin, daß die Deckborsten der larvalen Atemrinne prädisponiert sind zur Annahme percipierender Funktion. Gerade diese besondere Neigung der Deckborsten aber zeigt uns im Verein mit unseren ontogenetischen und anatomischen wie auch physiologischen Befunden aufs sicherste den Weg für die Erklärung der phylogenetischen Entwicklung der larvalen und imaginalen statischen Organe aller Vertreter der von uns unter- suchten Gattungen der Nepiden-Familie: Denken wir uns, daß die den Vorfahren der Gattung Ranatra im Larvenstadium eigene luftgefüllte Atemrinne eine noch ganz regelmäßige Borstendeckung zeigte, die noch nirgends zum Zwecke der Ausbildung von Sinnesgruben unterbrochen war, so konnte doch der anhaltende Wechsel des Druckes, den die eingeschlossene Luft- menge bei jeder Lageänderung ihres Trägers auf die Deckborsten ausübte, im Laufe der Phylogenese nicht ohne Wirkung bleiben. Je nach dem an verschiedenen Stellen wirkenden Drucke, den der Auftrieb jener Luftmenge auf die Deckborsten ausübte, erlitten die- selben stets wechselnde, wenn auch nur schwache Reize. Je größer aber die Empfänglichkeit der einzelnen Borsten für solche Reize war, um so besser vermochte das Tier die jeweilige Lage seines Körpers zu erkennen, und so wurde in einzelnen Deckborsten die Empfindung gesteigert, so daß sie ganz allmählich in den Dienst der Reizperception traten. Die hierfür geeignetsten aber waren natur- gemäß die, welche in nächster Nähe des das betreffende Segment durchziehenden Nerven dem Integument inserierten. Sie traten, erst einzeln, dann in größerer Zahl, mit der Reizleitung in Verbindung und wurden so zu einfachen Tastborsten, welche, passiv beweglich, besser befähigt waren, jene oft wechselnden Berührungsreize aufzu- nehmen als die übrigen Deckborsten, welche ihre ursprüngliche Starrheit beibehielten. So entstanden in den einzelnen Segmenten am Faltenrande Perceptionszentren, welche im Laufe der phylogene- tischen Entwicklung ihrer Aufgabe mehr und mehr angepaßt und allmählich vervollkommnet wurden zum statischen Organ, wie wir 328 WALTHER BAUNACKE, es in einfachster Form noch vorfanden bei der eben dem Ei ent- schlüpften Ranatra-Larve. Wie sich aber dieses noch so primitive Gebilde fortentwickelte zu dem so komplizierten Imaginalorgan, und die sekundären Modifikationen, welche es bei den Larven der verschiedenen Gattungen erfuhr, das haben uns bereits unsere onto- genetischen Untersuchungen gelehrt. So zeigt uns der gesamte Entwicklungsgang dieser Organe auf das deutlichste, wie gewöhnliche Tastborsten erst einzeln, dann aber unter besonderer Modifikation und dem Hinzutritt anderer Borsten lose vereint, ja schließlich fest verbunden zu einem einheitlichen Organ, durch die Übertragung einfacher Berührungsreize ihrem Träger das statische Empfinden vermitteln, ganz ebenso, wie es bei anderen Tieren die Statolithenorgane tun. Verschiedene Tat- sachen wiesen aber insbesondere darauf hin, daß eben jene Tast- borsten ursprünglich nichts anderes waren als einfache Deckborsten, die sich dann allmählich an die Perception der wechselnden Wir- kung der nach oben drängenden Luft anpaßten. Wir können also den ganzen Entwicklungsgang dieser Organe auffassen als eine fort- schreitende Umbildung bestimmter Körperteile zu dem Zweck, eine Begleiterscheinung der Befriedigung respiratorischer Bedürfnisse zur Vermittlung des statischen Empfindens ausnutzen zu können. Gerade dieses aber war ja den Nepiden so überaus nützlich. Da ergibt sich gleichzeitig fast ganz von selbst die Frage, ob nicht auch andere Wasserwanzen oder überhaupt Wasserinsecten, welche in ähnlicher Weise wie die Nepidenlarven ihren Körper mit Luft- vorräten beladen, zur Wahrnehmung der bei jeder Änderung der Körperlage wechselnden Wirkung des Auftriebes der anhaftenden Luftmengen befähigt sind. Bekanntlich werden ja auch bei anderen Wanzen, bei Käfern und Spinnen diese für die Atmung unter Wasser bestimmten Luftvorräte an freien Körperflächen festgehalten durch einen meist sehr dichten Borstenbesatz des Integuments. So zeigt Notonecta sehr ähnliche Verhältnisse wie die von uns besprochenen Nepidenlarven, denn auch sie besitzt zu beiden Seiten des Abdomens an der Ventralseite je eine luftgefüllte Atemrinne, die von langen Deckborsten nach außen hin abgeschlossen wird. Die gleiche Stelle des Abdomens sehen wir bei anderen Wasser- wanzen, denen eine Atemrinne nicht zukommt, eingenommen von einem bald breiteren bald schmäleren Streifen eines dichten Borsten- besatzes, der sich, wie beispielsweise bei Borborotrephes, lateralwarts von den Stigmen parallel dem Körperrande hinzieht und zu jedem « Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 329 Stigma einen Ausläufer entsendet oder aber, wie bei Belostomum indicum, die Stigmen in seinen Bereich zieht. Wieder andere aber zeigen die ganze Ventralseite des Abdomens bedeckt von jenen feinen Borsten, die bei allen natürlich der Zuleitung von Atemluft nach den abdominalen Stigmen dienen. Wie aber bei vielen dieser Wasser- wanzen, so finden sich auch bei Wasserkäfern und Spinnen in wechselnder Zahl zwischen jenen Borsten verstreut bewegliche Tast- haare, die wie jene analwärts gerichtet sind und mit ihnen der Kontaktfläche zwischen der anhaftenden Luft und dem umgebenden Wasser anliegen. Je nach dem durch den Auftrieb der Luft be- dingten Formwechsel dieser Kontaktfläche müßten sie, wenn auch nur in geringem Grade, ihre Lage ändern, d.h. sie müßten bald mehr bald weniger stark aufgerichtet werden. Und so könnten wohl auch die so erzeugten Reize in beschränktem Maße als Orientierungs- mittel in Betracht kommen. Immerhin aber wird diese Orientierung sehr unsicher sein, solange die percipierenden Elemente nicht auf bestimmte Körperstellen konzentriert werden, wie wir dies bei den Nepiden sahen. Ob und inwieweit aber ein statisches Empfinden auf diese Weise überhaupt zustande kommt, das müßte noch experimentell nachgewiesen werden. Theoretisch erscheint mir das Zustande- kommen sehr wohl möglich. VIII. Allgemeine Betrachtungen über die Bedeutung statischer Organe und deren Vorkommen bei den Insecten. A. Die Erhaltung des Gleichgewichts. Durch zahlreiche Experimente hat BETHE gezeigt, daß die Er- haltung des Gleichgewichts bei wirbellosen wasserbewohnenden Tieren, und nur von solchen soll hier die Rede sein, auf zweierlei Weise zustande kommt. Nach diesem Autor haben wir zu unterscheiden eine passive und eine aktive Gleichgewichtserhaltung. Die passive Orientierung eines Tieres geschieht rein mechanisch, d.h. ohne daß das Tier selbst irgendwie zur Erhaltung seines Gleichgewichtes bei- trägt. Diese mechanische Erhaltung der Gleichgewichtslage führt Berne (1894) bei wirbellosen Schwimmern zurück auf zwei ver- schiedene Ursachen. Sie beruht bei luftatmenden Schwimmern auf der Anwesenheit zweier Substanzen von verschiedenem spezifischen Gewicht, d. h. Luft und Körpersubstanz. Bei solchen Schwimmern 330 WALTHER BAUNACKE, indessen, welehe nicht atmosphärische Luft atmen, wird sie bedingt durch die Körpergestalt, d. h. durch die Verteilung der Massen. Auf diese Weise erhalten die meisten Wasserinsecten ohne eigenes Zutun dauernd ihre Gleichgewichtslage. Die aktive Orientierung eines Tieres aber geht stets so vor sich, daß ein Sinnesorgan (statisches Organ) das Gleichgewichtsempfinden vermittelt. Bei dieser Orientierungsweise geschieht die Aufrechterhaltung der Gleich- gewichtslage, sei es bewußt oder rein reflektorisch, durch aktive Bewegung. Diese Art der Gleichgewichtserhaltung kommt Tieren zu, „bei denen die Massen so verteilt sind, dass die physiologische Gleichgewichtslage im mechanischen Sinne labil ist“. Und von diesen Formen sagt Bnr#e (p. 90) weiter: „Bei den meisten derartigen Formen sind spezifische Gleichgewichtsorgane bekannt und es er- scheint als ein Postulat unserer Vernunft, dass alle Schwimmer mit labilem Gleichgewicht ein solches Organ besitzen müssen, . . .“ In neuester Zeit aber vermochte dieser Autor die interessante Tatsache zu konstatieren, daß gewisse Tiere (es handelt sich um Fische) in ihrer Jugend so lange mechanisch im Gleichgewicht er- halten bleiben, bis sie gelernt haben, jede Abweichung von der Gleichgewichtslage, deren Empfindung ihnen statische Organe ver- mitteln, mit entsprechenden aktiven Bewegungen ihrer Gliedmaßen zu beantworten. Hier weicht also die passive Gleichgewichtser- haltung allmählich vor der aktiven in dem Maße zurück, wie die Schwimmfertigkeit dieser Tiere mit zunehmendem Alter sich ver- vollkommnet, und räumt dieser schließlich das Feld ganz und gar. Die in späterem Entwicklungsstadium in Funktion tretende aktive macht also scheinbar die vorher passive Orientierung völlig über- flüssig. | Im Gegensatze hierzu kennen wir nun aber auch Tiere, deren Gleichgewichtslage dauernd passiv erhalten wird, die aber trotzdem im Besitze statischer Organe sind. Bei ihnen scheint also die Gleichgewichtslage während der ganzen Lebensdauer gewissermaßen überbestimmt zu sein, wenn diese doppelte Orientierung nicht etwa eine besondere Bedeutung für solche Formen hat. BETHE spricht sich über diese immerhin auffällige Erscheinung (1910) folgender- maßen aus: „Sind Tiere, die mit derartigen Mitteln zur passiven Erhaltung des Gleichgewichts ausgerüstet sind, außerdem auch im Besitze spezifischer Gleichgewichtsorgane, so wird die Lage im Raum von diesen aus noch weiter korrigiert werden und die Bewegungen werden an Exaktheit wesentlich gewinnen.“ Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 331 Das mag für Tiere, die eine vorwiegend schwimmende Lebens- weise führen (und nur von solchen spricht ja Berne), wohl gelten. Andrerseits aber machen es nicht allein die weite Verbreitung statischer Organe bei nicht oder doch nicht nur schwimmenden Wasserbewohnern (wie überhaupt im ganzen Tierreiche), vor allem aber auch die große Verschiedenheit der Lebensbedürfnisse ihrer Träger sehr wahrscheinlich, daß diese Organe bei verschiedenen Tieren ‚sehr verschiedene biologische Bedeutung haben können. B. Bedeutung statischer Organe. Diese verschiedene Bedeutung aber, welche solche spezifische statische Organe für ihre Träger haben können, erkennen wir deut- lich, wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Vorteile und Nach- teile sowohl die aktive wie auch die passive Orientierung einem Tiere bieten. Wohl gibt die zuletzt genannte dem betreffenden Tiere eine stabile Gleichgewichtslage, in die der Körper nach jeder Störung durch die Gravitation zurückgezwungen wird. Aber ob- wohl gerade diese stets mit absoluter Sicherheit erfolgende Wieder- herstellung des Gleichgewichts nach vorangegangener Störung dem Tiere die dauernde Erhaltung seiner Normallage verbürgt, erschwert sie ihm doch jede Abweichung von dieser Lage zum Zwecke der Erreichung eines bestimmten Zieles. Das passiv orientierte Tier muß vielmehr, um eine bestimmte Richtung, soweit diese eine von der normalen abweichende Körperlage bei der Bewegung erfordert, einschlagen und einhalten zu können, der Gravitation entgegen- arbeiten, um ein Zurückfallen in die Normallage zu verhüten. Da- durch aber wird es in seinen Schwimmbewegungen gehemmt, rasche Wendungen und Richtungsänderungen werden erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Und so finden wir gerade bei denjenigen Tieren, die nur passiv orientiert sind, ein oft recht mangelhaftes Schwimm- vermögen. Ihre ruckweisen, fast hüpfenden Schwimmbewegungen, ihre ungeschickten Wendungen und die geringe Ausdauer im Schwimmen zeigen zur Genüge, welche Kraft sie aufwenden müssen, um in bestimmter Richtung vorwärts kommen und der ihren Körper beherrschenden Schwerkraft entgegen wirken zu können. Ganz anders diejenigen Formen, welche, im labilen Gleich- gewicht schwimmend, durch den Besitz statischer Organe aus- gezeichnet sind. Sie erhalten ihre Gleichgewichtslage vermittels der Übertragung der vom betreffenden Organ percipierten Reize reflektorisch. Dabei gestattet ihnen die labile Gleichgewichtslage, 392 WALTHER BAUNACKE, jede beliebige Richtung ohne besonders hohen Kraftaufwand ein- zuschlagen und innezuhalten. Ganz ebenso vermögen solche Tiere mit Leichtigkeit Richtungsänderungen und rasche Wendungen während des Schwimmens auszuführen, sind also zum größten Teil vortreft- liche Schwimmer. Im Gegensatz zu den mechanisch orientierten Formen müssen sie für die Erhaltung ihrer Normallage selbst sorgen, ein Nachteil, der aber dadurch wett gemacht wird, daß sie in ihren statischen Organen Apparate besitzen, die ihnen nicht eben nur die Gleichgewichtslage, sondern vielmehr auch jede Abweichung von der- selben und sogar die Stärke derselben anzeigen. Gerade darin aber unterscheiden sich diese Formen von den passiv orientierten am meisten, denn gerade die Erkenntnis jeder beliebigen Körperlage verleiht ihnen jene Schwimmsicherheit, welche jene völlig vermissen lassen. Wie aber verhalten sich nun jene Tiere, die, mechanisch im Gleichgewicht, dennoch statische Organe besitzen? Was hat diese doppelte Orientierung für einen Sinn, wozu vor allem brauchen solche passiv orientierte Formen außerdem noch statische Organe? Wohl mögen die letzteren dazu dienen, das Schwimmvermögen frei- schwimmender passiv orientierter Formen zu verbessern, aber doch glaube ich nach dem, was mich die bei Nepa cinerea angestellten Versuche lehrten, annehmen zu müssen, daß bei gewissen Formen die statischen Organe mit der Erhaltung des Gleichgewichts nichts zu tun haben, sondern vielmehr ganz bestimmten Zwecken dienende Orientierungsmittel darstellen, die im engsten Zusammenhange mit der Lebensweise ihrer Träger stehen. So ist gerade Nepa cinerea eine jener Formen, welche, obwohl bereits passiv wohl orientiert, dennoch im Besitze statischer Organe sind. Wir können diese Wanze im freien Wasser drehen und wenden, wie wir wollen, und stets nimmt sie ohne eigenes Zutun ihre Normallage sogleich wieder ein. Auch die Exstirpation ihrer Sinnesorgane hindert sie daran nicht. Ganz gleichgültig, ob wir diesen Tieren ihre statischen Organe nehmen oder lassen, ändert dies nicht das geringste an der ohnehin mangelhaften Schwimmfähigkeit. Die aktive Orien- tierung vermittels der statischen Organe hat hier also nichts zu tun mit der Erhaltung der Gleichgewichtslage Ganz ähnlich aber mögen sich noch viele andere doppelt orientierte Formen verhalten. Welchem anderen Zwecke aber dienen bei diesen mechanisch orien- tierten Formen die statischen Organe, wenn nicht der Erhaltung des Gleichgewichts ? Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 333 Während, wie wir oben sahen, die mechanische Erhaltung des Gleichgewichts ohne Wissen und Willen des betreffenden Tieres vor sich geht, ja sogar ein dauerndes Verweilen desselben in anderer als der Normallage erschwert oder gar hindert, vermitteln statische Organe lediglich das Empfinden irgendeiner momentanen Körperlage. Dadurch, daß sie dem Tiere die Lotrechte als Richtungskonstante anzeigen, gestatten sie eben ihrem Träger eine jederzeitige Orien- tierung über jede Lage seiner Körperachse zur Lotrechten. Es wird durch diese aktive Orientierung im Gegensatz zur passiven, rein mechanischen in den Stand gesetzt, diese Lage jederzeit zu verlassen und zur Erreichung eines bestimmten Zieles eine Achsen- einstellung vorzunehmen, welche eine Fortbewegung in der betreffenden Richtung gewährleistet. Umgekehrt vermag ein Tier durch Ver- mittlung solcher Organe aber auch zu unterscheiden, ob die momen- tane, durch äußere Einflüsse bedingte Einstellung seiner Körper- achse der Bewegungsrichtung auf irgendein erstrebtes Ziel hin ent- spricht. Erscheint so eine durch spezifische Sinnnsorgane vermittelte Orientierung in der ersten Form für freischwimmende Tiere un- entbehrlich, so kommt sie als nutzbringend in der zuletzt erwähnten Weise in Betracht namentlich bei Tieren, die sich im Wasser kriechend fortbewegen. Gerade diese letzteren Formen aber interessieren uns hier am meisten. Zumeist Bewohner des flach ansteigenden Ufers und ohne oder doch nur mit mangelhaftem Schwimmvermögen bevölkern sie gewisse Zonen, deren Wassertiefe in bestimmten Grenzen schwankt, oder aber die Brandungszone und leben so gleichsam dauernd auf. der schiefen Ebene. Sei es nun, daß sie ganz ebenso wie Nepa zum Zwecke des Atmens oder zu irgendeinem anderen Zwecke die Wasseroberfläche oder auch nur seichtere oder tiefere Zonen des Wassers aufsuchen müssen, so haben sie in ihren statischen Organen Apparate, welche ihnen nicht nur die Richtung, sondern auch die Stärke jeder Neigung des strandartig ansteigenden Bodens auf das genaueste anzeigen. Und eben diese Organe werden auch dann ihren Dienst versehen, wenn der Gesichtssinn und der Tastsinn infolge der besonderen Bedingungen des Aufenthaltsortes zur Orien- tierung nutzlos werden. So vermögen derartige Tiere wie mit einer Wasserwage die steigende und fallende Richtung ihres Weges zu bestimmen und je nach dem erstrebten Ziele die eine oder andere Richtung einzuschlagen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, ließ sich aber wohl auch 334 WALTHER BAUNACKE, LEA: die Notwendigkeit der Existenz statischer Organe motivieren bei Tieren, bei denen sie bisher als zweifelhaft erschien. In seiner Entgegnung auf eine Arbeit Hensen’s gebraucht BEER (1899, p. 381) unter anderem auch die folgende Redewendung: „Man erklärt doch die Statocyste nicht für einen Kompaß und auch nicht für ein Chronometer.“ Die oben dargelegte Funktion indessen läßt die statischen Organe gewisser Tierformen sehr wohl als eine Art Kompaß erscheinen. Denn wie dieser dem Seemann die Nord- richtung, so zeigen solche Organe ihrem Träger unter allen Um- ständen die Lotrechte als Richtungskonstante, nach der es dann sehr wohl die jeweilige Lage seines Körpers bestimmen kann. Vermag es aber dies, so findet es auch mit Sicherheit seinen Weg nach unten und oben. Ich weiß sehr wohl, daß dem Tiere, wenn es sich durch eben diese Organe leiten läßt, auf seinem Wege auch an einem ihm noch so gut zusagenden Aufenthaltsorte Hindernisse in den Weg treten können, die es irrezuführen vermögen. Aber auch unsere hoch- entwickelten menschlichen Sinnesorgane täuschen uns ja mitunter und können darum doch keineswegs als unnütz bezeichnet werden. Wir haben den Besitz statischer Organe bei jenen Tieren vielmehr aufzufassen als eine besondere Anpassung lediglich an die großen allgemeinen Lebensbedingungen, die ihnen der am meisten zu- sagende Aufenthaltsort bietet. C. Vorkommen statischer Organe bei anderen Insecten. Wenn wir nunmehr noch eine kurze Umschau halten, ob und was überhaupt von der Existenz statischer Organe bei den Insecten bisher bekannt ist, so finden wir, daß dies außerordentlich wenig ist, so wenig, dab W. NaGez noch 1893 zu dem Schlusse kam: „Bei Insekten ist ein inneres Gleichgewichtsorgan nicht zu finden, es scheint ihnen zu fehlen, und nur durch die sehr ausgebildeten Haut- sinne ersetzt zu werden“ (p. 52). Daß aber bereits GRABER auch bei ge- wissen Insecten ,Otocysten“ gefunden hatte, scheint NAGEL unbekannt gewesen zu sein. Allerdings sprach GRABER jene Organe als Ge- hörorgane an, ihre Statocystenfunktion müßte also noch bewiesen werden. Wenn wir von der noch immer mehr oder weniger proble- matischen Bedeutung der am Grunde der den Dipteren eigenen Halteren gelegenen Papillen, die der Vermittlung des statischen Empfindens während des Fluges dienen sollen, absehen, bleiben nur noch das sogenannte Parm£n’sche Organ der Ephemeriden und das Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 339 von STAUFFACHER bei Phylloxera und Chermes entdeckte Sinnesorgan als solche, denen man bisher statische Funktion zugeschrieben hat. Was insbesondere das PaLm&n’sche Organ anbetrifft, so ist es Gross (1904, p. 101) gewesen, der ihm eine ähnliche Funktion zuschrieb wie die der halbzirkelförmigen Kanäle. Allerdings vermochte Gross weder die Endapparate von Nerven aufzufinden noch sonst den Nachweis der Richtigkeit seiner Annahme zu führen. Er gesteht deshalb auch selbst ein, daß er bezüglich der physiologischen Be- deutung des Parmén'schen Organs zu einer sicheren Auffassung nicht kommen konnte. Auch DRENKELFORT (1910) vermochte Posi- tives über die Bedeutung dieses eigenartigen Organs nicht fest- zustellen. Er begnügt sich damit, die Ansicht von Gross zu zitieren. Weit besser als Organe statischer Funktion charakterisiert er- scheinen die eigentümlichen, sogleich an Statocysten erinnernden Sinnesorgane bei Phylloxera und Chermes durch die eingehende Unter- suchung, welche sie durch ihren Entdecker STAUFFACHER erfuhren. Der anatomische Bau dieser „STAUFFACHER’schen Organe“ weist allerdings mit großer Sicherheit auf eine statische Funktion hin, die ihnen ihr Entdecker auch zuschreibt. Den experimentellen Nachweis dieser Bedeutung der Organe vermochte STAUFFACHER jedoch nicht zu führen. Er dürfte jedoch bei so zarten Geschöpfen wohl auch mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft sein. Das ist meines Wissens alles, was bisher seit der Begründung der Lehre vom statischen Empfinden über dieser Funktion dienende Organe bei den Insecten bekannt geworden ist. Es erscheint mir indessen so unwahrscheinlich, daß das statische Empfinden im Leben der Insecten eine so kümmerliche Rolle spielen soll, daß ich nicht daran zweifle, daß die Verbreitung statischer Organe auch bei ihnen viel größer ist, als man bisher annehmen zu müssen glaubte. Wohl nur die geringe Größe und die Schwierig- keiten der Untersuchung gerade dieser Tiere erklären die Lücken, weiche unser Wissen in dieser Hinsicht noch immer zeigt. Schlußreferat. Die sogenannten „siebförmigen Stigmen“, welche wir in drei Paaren am Abdomen der geschlechtsreifen Nepiden vorfinden, sind weder Atmungs- noch Gehörorgane noch rudimentäre Gebilde, als die sie bisher von den Autoren betrachtet wurden. Es sind Organe, welche der Orientierung dieser Tiere beim Kriechen unter Wasser dienen. 336 WALTHER BAUNACKE, Ihre ontogenetischen Vorläufer haben diese sechs Imaginalorgane in den drei hinteren Paaren der uns bei der Larve begegnenden acht „Sinnesgruben“, welche dem gleichen Zwecke dienen wie die Imaginalorgane. Diese Larvalorgane setzen sich zusammen aus einer Reihe von passiv stark beweglichen Sinnesborsten und verschiedenen Neben- bestandteilen, deren Ausbildungsform abhängig ist von dem Grade der Entwicklung, den ihre Träger, d. h. die sogenannten Paratergit- lappen, bei den verschiedenen Gattungen erreichen. Die Wirkungsweise der Larvalorgane beruht auf folgenden Verhältnissen: In der starren Borstenbedeckung der beiderseits an der Ventralseite des larvalen Abdomens sich hinziehenden luft- gefüllten Atemrinne bleiben acht über vier Abdominalsegmente gleich- mäßig verteilte Lücken frei, an denen die eingeschlossene Atemluft und das umgebende Wasser sich frei berühren. Hier entstehen somit Kontaktflächen, die, den Gesetzen des Auftriebes, den die in der Rinne eingeschlossene Luft erleidet, unterliegend, je nachdem, ob sie, der momentanen Lage des Tieres entsprechend, hoch oder tief liegen, sich konvex nach außen oder konkav nach innen wölben. Die am Rande dieser Kontaktflächen inserierenden frei beweglichen Sinnesborsten adhärieren am Wasserspiegel derselben, machen jede Bewegung dieser Flächen mit und erhalten so Reize, die bei jeder Lageänderung des Tieres in den einzelnen Organen des ganzen Systems wechseln und zur Orientierung auf dem Boden des Ge- wässers dienen. Unsere Versuche auf der Schaukel zeigen die Sicherheit, mit welcher diese Orientierung erfolgt, aufs deutlichste. Die Umwandlungen, welche sich im Laufe der letzten Häutungs- periode an jenen Sinnesorganen wie überhaupt am larvalen Abdomen geltend machen, werden bedingt durch den Eintritt der geschlecht- lichen Reife. Die unter so eigenartigen Körperverdrehungen er- folgende Begattung und die Anschwellung des Abdomens zur Paarungszeit machen das Fortbestehen der Atemrinne unmöglich. Diese wird vielmehr vollkommen eingeebnet. Die ehedem an ihrem Rande gelegenen Sinnesgruben werden im Laufe dieser Einebnung auf die freie Fläche des Integuments verlagert. Ihre weitere Funk- tion würde dadurch aber infolge der völlig veränderten physikali- schen Verhältnisse zur Unmöglichkeit, wenn nicht die alten Vor- bedingungen für ihre Wirkungsweise durch außerordentlich raffi- nierte Modifikationen der Organe wiederhergestellt würden. Durch Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 337 Anordnung der Schilde der ihrer Form und Stellung nach gänzlich veränderten, ihrer Zahl nach aber stark vermehrten Sinnesborsten zur Membran und die Verbindung des Organs mit dem gleichfalls modifizierten Tracheensystem durch den Hinzutritt des Stigmas wird für jedes einzelne Organ des Systems wieder ein neuer Luftraum an der Außenfläche des Integuments und damit eine neue Kontakt- fläche geschaffen, deren Bewegungen als orientierende Reize per- cipiert werden. Alle Veränderungen, welche auch die Nebenbestandteile dieser kompliziert gebauten Sinnesorgane in der Zeit während der letzten Häutungsperiode erlitten, dienen vorwiegend dem Schutze der bei der Imago so exponiert gelegenen Sinnesorgane gegen äubere Ein- flüsse oder aber der Verfeinerung ihrer Wirkungsweise. Die vollkommene Rückbildung des vordersten Grubenpaares der Larve, die schon im Laufe der larvalen Häutungen beginnt, weist darauf hin, daß wir dieses Organpaar zu betrachten haben als larvale Hilfsorgane, deren Fortbestehen bei der Imago infolge der Verbiegungen des Abdomens bei der Begattung zur Unmöglichkeit wird. Die Imago zeigt also nur sechs Sinnesorgane, die durch ent- sprechende Modifikation des Tracheensystems wiederum zu einem System statischer Organe sich vereinigen. Die Marschrouten der Imagines auf der Schaukel zeigen, wie auch diese im Besitze ihrer Organe sich wohl über die fallende oder steigende Richtung ihres Weges zu orientieren wissen, eine Fähig- keit, die ihnen nach Zerstörung ihrer Sinnesorgane vollkommen abgeht. Phylogenetisch lassen sich diese Organe leicht zurückführen auf ehemalige gewöhnliche Deckborsten der Atemrinne. Nicht nur die Biologie der Nepiden, sondern auch die Tatsache, daß wir oft passiv, d. h. mechanisch wohlorientierte Tiere, die nicht oder doch nur sehr schlechte Schwimmer sind, im Besitze von Organen finden, welche ihnen die Lotrechte als Richtungskonstante anzeigen, weist darauf hin, daß derartige Organe keineswegs immer nur die Gleichgewichtslage ihrer Träger sichern. Wir können viel- mehr sehr wohl annehmen, daß solche Organe bei den oben er- wähnten Formen eine ganz besondere biologische Bedeutung haben und daß ihre Existenz bedingt wird durch die besonderen Lebens- bedingungen ihrer Träger. Zum Schlusse sei es mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer und Chef Herrn Geh. Regierungsrat Prof. G. W. MÜLLER meinen 338 WALTHER BAUNACKE, herzlichsten Dank auszusprechen einmal für die Anregung zu dieser Arbeit, vor allem aber für das rege Interesse, mit dem er jeder- zeit meine Untersuchungen verfolgte und in liebenswürdigster Weise förderte. Dank schulde ich ferner meinem leider so früh verschiedenen Vorgänger Herrn Dr. STREIFF für manchen nützlichen Rat nament- lich in technischer Hinsicht und allen Herren, die mir bereitwilligst ihre Hilfe liehen. 10. Die 12. 15. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 339 Verzeichnis der zitierten Schriften. AMYOT et SERVILLE, Histoire naturelle des Insectes, Hémiptères, Paris 1843. BAUNACKE, W., Abdominale Sinnesorgane bei Nepa cinerea, in: Zool. Anz., Vol. 35, 1910. BEER, TH., Vergleichend-physiologische Studien zur Statocysten- funktion, I., in: Arch. ges. Physiol., Vol. 73, 1898. —, —, IL, Versuche an Crustaceen, ibid.,, Vol. 74, 1899. BETHE, A., Ueber die Erhaltung des Gleichgewichts, in: Biol. Ctrbl., Vol. 14, 1894. —, Notizen über die Erhaltung des Körpergleichgewichts schwimmender Tiere, in: Festschrift R. HERTWIG, Vol. 3, 1910. BROCHER, FR., Recherches sur la respiration des Insectes aquatiques adultes. 1. La Nepe cendrée, in: Bull. Soc. zool. 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WESENBERG-LUND, Ueber die Respirationsverhältnisse bei unter dem Eise überwinternden, luftatmenden Wasserinsekten, besonders der Wasserkäfer und Wasserwanzen, in: Internat. Revue Hydrobiol. Hydrographie, Vol. 3, 1910—1911. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 343 Erklärung der Abbildungen. a Anlage af Achsenfaden Ar Atemrinne Arö Atemröhre As Abdominalschaufel b Borste bf Borstenfuß bg Borstengrube bi Borsteninsertion bk Borstenkanal bl Borstenlumen bm Borstenmembran bmö Borstenmembranöffnung bp Borstenpapille bsa Borstenschaft bsi Borstenschild bx Borstenzelle C Cuticula ce Kontaktfläche Ca Außenschicht Ci Innenschicht Co Oberflächenschicht db Deckborste dfa Deckfalte Ds Dorsalseite Eb Einbuchtung Eh Erhebung f Filter fa Falte fb Filterborste Fk Fettkörper fr Führungsring gbm Grenzlinie der Borstenmembran h Härchen heh hügelartige Erhebung hx Hypodermiszelle kb Kegelborste keb kesselförmige Einsenkung km Kanalmiindung L Luftraum ! Lücke (Kontaktstelle) Md Rückenmediane Mv Bauchmediane mx Matrixzelle N Naht Nf Nerv Ni Isoliernaht (Grenznaht, -falte) Np Primärnaht Npd dorsale Primärnaht Npv ventrale Primärnaht Ns Secundärnaht nx Neurilemmzelle pl Plüschbesatz Ps Parasternit Pt Paratergit Ptf Paratergitfalte Ptfr Paratergitfaltenrand (-saum) Pil Paratergitlappen Ptw Paratergitwulst R Rahmen 344 WALTHER BAUNACKE, rb reduzierte Borste stgs Stigmengrubenspalt S Sternit stk Stigmenkanal (-gang) sb Sinnesborste stö Stigmenöffnung sch Schwiele (Schuppe, Zotte) stör Ring der Stigmenöffnung - Sf Sinnesfeld (Innenfeld, -fläche) sx Sinneszelle sg Sinnesgrube T Tergit sgh Sinnesgrubenhöhlung ib Tütenborste sgm Sinnesgrubenmündung tr Trachee sgp Sinnesgrubenpforte trl Tracheenlängsstamm sgr Sinnesgrubenrand tra Tracheenanastomose sib Schildborsten vil FliigelverschluBleiste slb Säulenborsten Vs Ventralseite so Sinnesorgan x Pelle soa Sinnesorgananlage af Zellfortsatz st Stigma afd distaler Zellfortsatz sta Stigmenast xfp proximaler Zellfortsatz stb Stützborsten xk Zellkern stg Stigmengrube zu Zugang (Alle Tafelabbildungen sind mit dem ABBE’schen Zeichenapparat bei den angegebenen Vergrößerungen entworfen und dann auf die Hälfte ver- kleinert worden.) Ma tel 10; Fig. 1. Nepa cinerea L., Larve. Atemrinne im 5. und 6. Abdo- minalsegment, im letzteren die Paratergitfalte zurückgeschlagen, so daß Stigma und Sinnesgrube sichtbar sind. 18:1. Fig. 2. Ranatra sp., Tacoma (vgl. S. 186), Larve. Dasselbe. 13:1. Fig. 3. Laccotrephes sp., Buloa (vgl. S. 186), Larve. Dasselbe. 18:1. Fig. 4. Nepa cinerea L., Larve. Eine Filterborste. 1300:1. Fig. 5.. Dsgl. Eine tütenförmige Borste. 1300:1. Fig. 6. Dsgl. Sinnesborste des Grubenrandes. 1300:1. Fig. 7. Dsgl. Rückgebildete Borsteninsertionen im Integument der Grubenhöhlung (Proximalansicht). 550:1. Fig. 8. Dsgl. Periphere Sinneszellen innerhalb der stark verdickten Hypodermis unterhalb des Grubenrandes. 1350:1. Fig. 9. Dsgl. Innervierung einer Sinnesgrube nach einer Methylen- blauinjektion (Proximalansicht). 46:1. Fig. 10. Ranatra linearis F., Larve I. Stadium. Sinnesgrube. Der Rand zeigt noch nichts von einer Einbuchtung. Die wenigen Sinnes- borsten stehen den benachbarten Deckborsten der Atemrinne an Länge nur wenig nach. 175:1. Fig. 11. Dsgl. Sinnesgrube im II. Larvenstadium. Statische Sinnesorgane bei den Nepiden. 345 Fig. 12. Nepa cinerea L., Larve. Abstand zwischen Sinnesgrube und Stigma bei einem sehr jungen Tier. Größenverhältnisse der beiden Paratergitlappen. 73:1. Fig. 13. Dsgl. Dasselbe von einer alten Larve. 31:1. Fig. 14. Dsgl. Blick in eine der acht larvalen Sinnesgruben (nach einem Seifenschnitt). 320:1. Tafel 11. Fig. 15. Nepa cinerea L., Imago. Schildförmige Borste. 1000:1. Fig. 16. Dsgl. Übergangsform von den schild- zu schuppenförmigen Borsten. 1000:1. Fig. 17. Dsgl. Schuppenförmige Borste. 1000:1. Fig. 18. Dsgl. Chitinstruktur (Plüsch) auf der Dorsalseite des imaginalen Abdomens (Querschnitt). 1300 :1. Fig. 19. Dsgl. Copulationsstellung der männlichen (4) und weib- lichen (9) Imago. 7:1. Fig. 20. Dsgl. Idealer Querschnitt durch die Abdomina zweier copulierender Individuen. Fig. 21. Dsgl. Längsschnitt durch eine vor der letzten Häutung stehende Larve: Neuanlage des Imaginalorgans hinter der alten Larven- haut. 175:1. Fig. 22. Dsgl. Querschnitt durch eine kurz vor der letzten Häutung stehende Larve: Neuanlage des Imaginalorgans mit Stigmenkanal und Deckfalte hinter der alten Larvenhaut. 127:1. Fig. 23. Dsgl. Neuanlage eines Imaginalorgans, aus der Larven- haut herauspräpariert (Flächenansicht). 175:1. Fig. 24. Dsgl. Neuanlage eines Imaginalorgans hinter der alten Larvenhaut (Flächenansicht). 46:1. Fig. 25. Dsgl. Neuanlage eines Imaginalorgans aus der Larven- haut herauspräpariert: Das Stigma tritt mit dem Sinnesorgan in engste Verbindung, die Paratergitlappen verschwinden. 50:1. TateleL2: Fig. 26. Nepa cinerea L., Imago, Organanlage im Stadium der Einebnung: Das Stigma verschwindet unter der Deckfalte. 175: 1. Fig. 27. Dsgl. Sinnesborste, in Neubildung begriffen, mit Sinnes- zelle, Borsten- und Stiitzzellen. 1300:1. Fig. 28. Dsgl. Borstenkegel im gleichen Stadium mit Borsten- und Stützzellen. 1300:1. Fig. 29. Dsgl. Deckborsten im selben Stadium mit Borsten- und Stiitzzellen. 1300: 1. Fig. 30. Dsgl. Sinnesborste in vorgeschrittener Entwicklung. 1300:1. Fig. 31. Dsgl. Deckborsten im gleichen Stadium. 1300: 1. 346 WacrHer BAUNACKE, Statische Organe bei den Nepiden. Fig. 32. Dsgl. Borstenkegel im gleichen Stadium. 1300: 1. Fig. 33. Dsgl. Borsten der Membranéffnung im selben Stadium. 1300 : 1. Fig. 34. Dsgl. Querschnitt durch die cuticulären Teile eines Ima- ginalorgans mit Stigmenkanal, Stigmengrube und Stigma, 520:1. Fig. 35. Dsgl. Ein Imaginalorgan. Außenansicht. 175: 1. Fig. 36. Dsgl. Innenansicht eines solchen. 175: 1. Fig. 37. Dsgl. Querschnitt durch das Sinnesfeld. 550: 1. Fig. 38. Dsgl. Sinnesfeld, von außen gesehen. 520: 1. TMatel is: Fig. 39. Nepa cinerea L., Imago. Innervierung eines Imaginal- organs von innen gesehen (nach einem Methylenblaupräparat). 127: 1. Fig. 40. Dsgl. Hypodermis hinter dem Sinnesfeld mit den Sinnes- zellen (Schnitt). 550: 1. Fig. 41. Dsgl. Längsschnitt durch ein Imaginalorgan. 175: 1. Fig. 42. Dsgl. Stigma am Grunde der Stigmengrube (schematisch). 30073 1. Fig. 43. Dsgl. Längsschnitt durch ein Imaginalorgan, dicht am Stigmengrubenspalt geführt, mit den Borsten der Membranöffnung (Säulen- borsten). 550: 1. Fig. 44. Dsgl. Sinnesborste und Borstenkegel (Querschnitt). 1500: 1. Fig. 45. Nepa apiculata, Imago, Gliederung der Ventralseite des weiblichen Abdomens. 15:1. Fig. 46. Dsgl. Gliederung der Ventralseite des männlichen Ab- domens. 15:1. Fig. 47. Laccotrephes sp., Buloa (vgl. S. 186), Imago, Sinnesfeld von außen. 550:1. Fig. 48. Dsgl. Sinnesfeld im Längsschnitt. 550:1. Fig. 49. Ranatra linearis F., Imago, Sinnesfeld von außen. 760:1. Fig. 50. Dsgl. Sinnesfeld im Längsschnitt. 550:1. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S. Nachdruck verboten. Übersetzumgsrecht vorbehalten. Vergleichend-anatomische Untersuchungen über den Stechapparat der Ameisen. Von Emil Foerster. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Freiburg i. B.) Mit Tafel 14—15 und 3 Abbildungen im Text. Einleitung. Der Stachel der Ameisen weist in seiner Ausbildung erhebliche Unterschiede auf. Nicht alle Ameisen besitzen einen gut funktions- fähigen Stachel, sondern bei einer Unterabteilung, den Campo- notinen, ist der Stechapparat vollständig rudimentär geworden; er dient nur noch als Stütze für den Ausführungsgang der Giftblase, die in diesem Fall um so größere Mengen von Gift produziert. Dieses Gift kann von einigen Tieren bekanntlich auf beträchtliche Entfernungen mit großer Kraft ausgespritzt werden. Bei einer anderen Gruppe, den Dolichoderinen, gleicht zwar der Stachel in seiner Form noch ganz dem funktionsfähigen; er kann jedoch in- folge seiner zu schwachen Ausbildung und der Verkümmerung der Stachelspitze nicht mehr zum Stechen verwendet werden. Es lassen sich Übergänge vom typisch ausgebildeten Stachel der Myrmicinen, Ponerinen und Dorylinen zu dem reduzierten Stachel der Dolicho- derinen nachweisen. Ein befriedigendes Verbindungsglied zwischen dem völlig rudimentären Stechapparat der Camponotinen und dem der übrigen Subfamilien ist nicht gefunden worden. Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 23 348 Emit Forrster, Da die Biologie dieser Tiere im Mittelpunkt des Interesses steht, so darf wohl auch die Morphologie dieser biologisch so eigen- artigen Gruppe einem genaueren Studium unterzogen werden. Wenn so auch die Hauptunterschiede im Bau des Stachels der einzelnen Unterabteilungen der Formiciden bekannt sind, so scheint es mir doch der Mühe wert zu sein, da bisher immer nur einzelne Formen oder Typen genauer untersucht worden sind, bei einer größeren Anzahl, gerade auch nahe verwandter Tiere, zu verfolgen, in welcher Weise sich die verschiedenen Teile des Stachels im einzelnen um- gebildet oder zurückgebildet haben. Die Anregung zu einer derartigen Untersuchung gab mir Herr Geheimrat Weismann; ich darf an dieser Stelle meinem hochver- ehrten Lehrer für das ständige gütige Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte, meinen herzlichen Dank aussprechen. Ebenso bin ich den Herren Privatdozenten Dr. Scacerr und Dr. Künn für die zahlreichen Ratschläge und Hinweise, mit denen sie meine Arbeit förderten, zu großem Dank verpflichtet. Material und Methoden. Als Material für meine Untersuchungen verwendete ich zum erößten Teil Ameisen, die ich teils in der Umgebung Freiburgs, teils in der Schweiz und in Savoyen gesammelt hatte. Odontomachus erhielt ich aus der Sammlung des Freiburger Zoologischen Instituts; die Arten Cremastogaster, Atta und Dorylus verdanke ich Herrn Prof. Forez: ich darf Herrn Prof. Forez auch an dieser Stelle für die gütige Überlassung dieser Tiere sowie für die Bestimmung mehrerer der außerdeutschen Ameisen meinen besten Dank ansprechen. Es wurden untersucht: a) Myrmicinen. Myrmica rubida Myrmica rubra Tetramorium caespitum Strongylognathus testaceus Leptothorax acervorum Solenopsis fugax Cremastogaster sordidula Atta columbrica Aphaenogaster subterranea Aphaenogaster gibbosa Stechapparat der Ameisen. 349 Messor barbarus subsp. structor Pheidole pallidula b) Ponerinen. Odontomachus haematoda subsp. insularis c) Dorylinen. Dorylus (Anomma) kohli d) Dolichoderinen. Tapinoma erraticum Dolichoderus quadripunctatus Bothriomyrmex meridionalis e) Camponotinen. Formica rufa, pratensis, truncicola Formica sanguinea Fornuca fusca, cinerea Polyergus rufescens Camponotus herculeanus, ligniperdus, aethiops) Lasius alienus, niger, flavus, fuliginosus Plagiolepis pygmaea ?) Die meisten Tiere wurden mit Sublimat-Eisessig fixiert, andere mit 96°,igem Alkohol. Die Untersuchungen wurden nach Total- präparaten mit Nadel und Pinzette angestellt. Um die Chitinteile deutlich hervortreten zu lassen, kochte ich den herauspräparierten Stachel wenige Minuten, je nach der Größe des betreffenden Objekts, in 10°%,iger Kalilauge. Zur Untersuchung der Muskeln mußten andere Präparate hergestellt werden, die dann mit Eosin oder Pikro- fuchsin gefärbt wurden. Die beigegebenen Abbildungen sind dem- nach kombiniert nach gefärbten Präparaten und solchen, die mit Kalilauge behandelt worden waren. 1) Nach ESCHERICH ist C. aethiops bis jetzt noch nicht in Deutsch- land gefunden worden. Ich konnte diese Art öfters im Kaiserstuhl be- obachten, ferner bei Rufach, am Osthang der Vogesen. 2) ESCHERICH erwähnt unter den in Deutschland vorkommenden Ameisen Plagiolepis nicht. Ich fand sie verschiedene Male, wenn auch nicht häufig, ebenfalls am Kaiserstuhl. 23* 390 Emr Forrster, Literaturiibersicht. Der Giftapparat der Hymenopteren ist schon von vielen Autoren behandelt worden; die ersten genaueren Angaben finden wir dariiber bereits in SwAMMERDAMS „Bibel der Natur“. Es folgten dann mehrere Arbeiten, die nichts wesentlich Neues gebracht haben. Für vorliegende Untersuchungen von Interesse ist eine Abhandlung von Lacaze-Duraiers (1850), die sich mit der Vergleichung der Ab- dominalgebilde sämtlicher Hymenopterengruppen befaßt; er hat einen für alle gültigen Typus des Stachels aufgestellt. Von größerer Be- deutung ist eine Arbeit von Kraprnin (1873), in der er ausführlich die Chitinteile des Stachels sowie die für den Bewegungsmechanis- mus in Frage kommenden Muskeln beschreibt; er beschränkt sich dabei in der Hauptsache auf die Honigbiene. KRÂPEuN hat ferner gezeigt, wie wir uns die Bewegung der Stachelteile beim Stechen vorzustellen haben ; auf seine Erklärung des Stechmechanismus soll später noch eingegangen werden. Auch CHESHIRE hat sich mit dem Bewegungsmechanismus des Bienenstachels beschäftigt, seine Arbeit war mir jedoch nicht zugänglich. Später veröffentlichte H. Dewrrz (1877) eine Abhandlung „über Bau und Entwicklungs- geschichte des Stachels der Ameisen“. Er gibt darin eine genaue Beschreibung des rudimentären Stachels unserer Waldameise (Formica rufa) und auch der Muskulatur und des Mechanismus dieses Rudiments. Des weiteren vergleicht Dewırz den Stechapparat der Formica mit dem einer Doryline (Zyphlopone orianensis), der Myrmica und der Honigbiene, um nachzuweisen, daß die rudimentären Chitinstücke des Formica-Stachels morphologisch den einzelnen Teilen des Stachels der Myrmica, Typhlopone und der Honigbiene gleich- zustellen sind. Am Schluß seiner Ausführungen äußert Dewırz die Ansicht, daß der Formica-Stachel nicht ein zurückgebildetes Organ sei, „sondern ein auf der niedersten Stufe der Entwicklung stehen gebliebenes, aus dem der ausgebildete Stachel hervorging, wir es also nicht mit einem Rückschritt, sondern mit einem primitiven Organ zu thun haben“. Foren (1878) führt die vergleichenden Be- trachtungen von Derwrrz über den Formicidenstachel weiter und stellt endgültig fest, daß alle Camponotinen (das ist seine frühere Familie Formicidae «) ein Formica-ähnliches Stachelrudiment haben. Die Dolichoderinen (Forer’s frühere Formicidae B) „zeigen einen zwar ganz winzigen und zarten, jedoch in seinem Bau voll- kommen mit demjenigen der Myrmiciden und Poneriden Stechapparat der Ameisen. 351 übereinstimmenden Stachel“. Von dem gut ausgebildeten Stachel der Myrmicinen findet er verschiedene Übergänge zu dem ver- kiimmerten Dolichoderinenstachel (z. B. bei Pheidole). Auch er kon- statiert bei den Dorylinen, die früher als stachellos galten, wie Dewitz, einen kurzen festen Stachel. Von dem rudimentiren Stachel der Camponotinen findet er ebensowenig wie Drwırz einen be- friedigenden Übergang zum Stachel der Dolichoderinen und Myrmi- einen. Wie mir Herr Prof. Forez kürzlich mitteilte, hat sich bis heute die scharfe Unterscheidung des Giftapparats der Camponotinen, die ihn 1878 veranlaßte eine eigene Subfamilie daraus zu machen, bei heute fast 6000 beschriebenen verschiedenen Ameisenformen des Erdballs durchweg bewährt. Keine andere Subfamilie ist so scharf abgetrennt, indem sogar zwischen Dolichoderinen und Ponerinen die Gattung Aneuretus Emery mit stärkerem Stachel einen Übergang bildet. Um die oben erwähnte Äußerung von Dewrrz, der Stachel der Formiciden sei kein reduziertes, sondern ein primitives Organ, zu widerlegen, lieferte Beyer (1891) eine Arbeit, betitelt: „Der Giftapparat der Formica rufa, ein reduziertes Organ.“ Er stützt seine Ansicht hauptsächlich auf die Ergebnisse der Entwicklungs- geschichte und beschreibt zu diesem Zweck ausführlich die Entwick- lung des Stachels der Apis mellifica, Vespa vulgaris, Myrmica laevi- nodis und Formica rufa. Beim Vergleich der Stacheln und Stachel- anlagen dieser Tiere findet er, daß bei Formica der Stachel, wie bei der Biene, bis ins einzelne angelegt wird, daß einzelne Teile, wie z. B. die Stechborsten, ganz deutlich ausgebildet werden, aber bei weitem nicht so, daß sie funktionsfähig sind. Die Entwicklungs- geschichte und die vergleichend-anatomische Betrachtung ergibt also, daß der Stachel der Formica ein reduziertes Organ ist. Ferner ist wichtig für vorliegende Untersuchung die Arbeit von JANET (1898): „l’Aiguillon de la Myrmica rubra“, eine sehr ausführliche Beschreibung der Chitinteile des Myrmica-Stachels. Spezieller Teil. (Gehen wir nun zur Beschreibung des Stechapparats der einzelnen Familien über. Ich beginne mit den a) Myrmicini &, den häufigsten bei uns vorkommenden Ameisen mit typisch aus- gebildetem Stachel, und zwar will ich als Ausgangspunkt für die folgende Vergleichung 352 Emm Forrsrer, Myrmica rubida 3 wählen. Fig. 1 stellt den Stachel von der Ventralseite gesehen in eine Ebene ausgebreitet dar. In Wirklichkeit steigen die seitlichen Partien rechts und links von dem eigentlichen stachelförmigen Ge- bilde in der Mitte steil dorsalwärts in die Höhe. Wir können unterscheiden: 1. Chitinteile, 2. dazu gehörige Muskeln. An den Chitinteilen erkennen wir einen Stachel im engeren Sinn und die übrigen Chitingebilde. Der Stachel im engeren Sinn (mit gelber Farbe angegeben) setzt sich aus drei Stücken zusammen. Am stärksten ausgebildet ist die kräftig chitinisierte Schienenrinne (Schr), die etwa die Gestalt einer hohlen Keule hat und eine ventral sich öffnende Rinne trägt. Sie ist an ihrer Basis kolbenförmig ver- dickt. An dieser Stelle nähern sich die Ränder der Schienenrinne sehr, so daß ein Querschnitt fast einen geschlossenen Kreis darstellt. Gegen die Spitze hin verflacht sich die Rinne mehr und mehr. Die Ränder sind mit einer Längsleiste versehen, auf der sich die gleich zu beschreibenden Stechborsten bewegen. Diese Leisten setzen sich über die kolbenförmige Basis der Schienenrinne nach oben und vorn auseinandergehend fort, um mit einer länglichen Chitinplatte, der oblongen Platte, in Verbindung zu treten. Sie heißen die Bogen der Schienenrinne (SchrB). Etwa in der Mitte der Bogen stehen mehrere Borstenhaare (BH). Am kolbenförmigen Teil der Rinne, rechts und links von den Bogen, erheben sich zwei stark chitini- sierte Gebilde, ebenfalls mit Borstenhaaren versehen, die Hörner der Schienenrinne (7). An der Basis der Rinne sieht man ein kleines längliches unpaares Chitinstück (Gbn), mit einem Höckerchen in der Mitte; es heißt, entsprechend dem gleichen Gebilde beim Bienen- stachel, wo der Höcker in einen längeren unpaaren Ast ausgezogen ist, das Gabelbein. Die beiden anderen schon erwähnten Gebilde, die den Stachel im engeren Sinn zusammensetzen, sind die Stech- borsten (St). Es sind dies lange, sehr spitz zulaufende, leicht ge- schweifte Chitinstäbe, die den Rändern der Schienenrinne der ganzen Länge nach aufsitzen und sich ebenfalls nach vorn und oben diver- gierend wie die Rinnenbogen und auch ihnen aufliegend fortsetzen. Auf ihrer Dorsalseite verläuft der ganzen Länge nach eine schmale Rinne, in die sich die Leiste der Schienenrinne hineinpaßt. Diese Art der Befestigung, durch Rinne und Leiste, ermöglicht die Ver- schiebung der Stechborsten auf der Schienenrinne. So kommt eine innige Verbindung dieser 3 Teile zustande. Dadurch, daß sich die Stechapparat der Ameisen. | 353 Stechborsten in der Mitte berühren, bilden sie zusammen mit der Schienenrinne eine geschlossene Röhre. An ihrem proximalen Ende gehen die Stechborsten über in ein starkes Chitinstück von ungefähr dreieckiger Form, den Winkel (W). Im oberen Drittel der Stech- borsten, in die Schienenrinne hineinragend, sehen wir zwei dünne Chitinplättchen, die elastischen Plättchen (e. P). Sie spielen die Rolle eines Ventils, das das Gift, welches von der Giftblase in die Basis der Schienenrinne geleitet worden ist, in das untere Stück der Rinne durchtreten läßt. Sie spritzen dann, wenn die Stech- borsten herausgestoßen werden, als Kolben wirkend, das Gift in die durch den Stich verursachte Wunde (Janet). Das spitze Ende der Stechborsten ist glatt, im Gegensatz zu den Stechborsten der Bienen, bei denen sich mehrere Zähnchen befinden, so dab dort die Stech- borsten nicht mehr aus der Wunde herausgezogen werden können. Vom Ende der Schienenrinnenbogen geht eine breite Chitin- fläche aus, deren äußerer Längsrand, das ist also der obere, stark verdickt ist; dies ist die oblonge Platte (o. P, rot). Der größte Teil der Platte erstreckt sich parallel ihrem verdickten Rand, ein kleiner Teil verläuft in der Richtung auf die Hörner der Schienen- rinne Am vorderen oberen Rand der Platte erkennt man einen kleinen dornartigen Fortsatz, der zur Anheftung eines Muskels dient. An die Hinterenden der oblongen Platten heften sich zwei häutige, mit vielen Borsten versehene Gebilde an, die Stachelscheiden (Sch, ebenfalls rot); sie sind nur schwach an den Seiten chitinisiert. Die oblonge Platte steht in gelenkartiger Verbindung mit der einen Ecke des Winkelstückes. Die andere Ecke des Winkels — die dritte Ecke ist, wie oben erwähnt, mit dem Stechborstenschenkel verwachsen — articuliert mit einer weiteren großen Chitinfläche, der quadratischen Platte (qu. P, mit blauer Farbe angegeben). Ihr oberer äußerer Rand ist ebenfalls stark verdickt. Sie übertrifft die oblonge Platte an Größe und liegt dorsal und etwas lateral von dieser; sie überdeckt deren verdickten Rand ein wenig. Die inneren hinteren Ränder sind durch einen starken Chitinbogen miteinander verbunden. An die Chitinteile des Stechapparats setzen sich verschiedene Muskeln an, die für die Funktion des Stachels von Bedeutung sind. Ein starker Muskel, Protrusor externus(a), verläuft vom hinteren oberen Außenrand der quadratischen Platte zum Ende des Schienenrinnen- bogens, wo sich von diesem der verdickte Rand der oblongen Platte abzweigt; ein zweiter, etwa gleichstarker Muskel, Protrusor internus, 354 Emit Foerster, (0) vom hinteren oberen Innenrand der quadratischen Platte zum oberen Drittel der oblongen; die Abgrenzung dieser beiden Muskeln gegeneinander ist hier nur sehr schwer zu erkennen, besser z. B. bei Tetramorium (Fig. 2). Ein dritter Muskel, Retractor internus (ec), verbindet das hintere Drittel der oblongen Platte mit der Stelle der quadratischen, wo diese mit dem Winkel in Berührung tritt. Etwas oberhalb von dieser Stelle inseriert sich am Winkel der schwächere Muskel, Retractor externus (d); sein zweiter Anheftungs- punkt befindet sich am Rudiment des 11. Rückensegments, das der quadratischen Platte lateral und etwas dorsal aufliegt. Diese Muskeln haben die Stechborstenbewegung auszuführen. Wir müssen dabei die oblongen Platten als fest annehmen. Das ergibt sich schon aus „unmittelbarer Anschauung“, wozu „ein frisch aus dem Ab- domen einer lebenden Biene gezogener Stachel die beste Gelegen- heit bietet“, wie dies Kraprni für den Bienenstachel bereits ge- schildert hat. Kontrahieren sich dann die Muskeln a und 0, die Protrusores, so wird die quadratische Platte einen Druck auf die eine Ecke des Winkels, dessen Stützpunkt an seiner Articulationsstelle mit der oblongen Platte liegt, ausüben. Der Winkel wird sich um seinen Stützpunkt D drehen und so die Stechborsten, mit denen er verwachsen ist, aus der Schienenrinne hervorstoben (Textfig. A). Hören die beiden Muskeln « und 6 auf einzuwirken, so kontrahieren sich die Retractores, ¢ und d. Der Muskel ¢ sucht die quadratische Platte wieder in ihre frühere Lage zurückzubringen. Die Kontrak- tion des Muskels d bewirkt, daß auch der Winkel mit den Stech- borsten seine ursprüngliche Lage wieder einnimmt (Textfig. B). Diese Rückwärtsbewegung des Winkels wird wohl auch schon zum Teil wenigstens durch Muskel c veranlaßt, weil der Winkel mit der quadratischen Platte ziemlich fest zusammenhängt. Von der Arti- culationsstelle von Winkel und oblonger Platte zieht der Musculus transversus e dorsal über die Schienenrinne zu der entsprechenden Stelle auf der anderen Seite. Nach Janet, der sich sonst über den Mechanismus des Stachels nicht ausläßt, dient dieser Muskel zum Hervorstoßen der Stechborsten; als sein Antagonist wäre der Chitin- bogen, der die beiden quadratischen Platten miteinander verbindet und den JANET mit einer gespannten Feder vergleicht, aufzufassen. Die Richtigkeit dieser Anschauung muß ich dahingestellt sein lassen. Der Muskel e ist übrigens beim Bienenstachel nicht nachzuweisen, ebenso hier der die quadratischen Platten miteinander verbindende Chitinbogen nicht ausgebildet. Diese Tatsache scheint zwar für Stechapparat der Ameisen. 355 J Fig. A. ne ee | : Stb Schr 356 Emit Forrster, Janer’s Auffassung zu sprechen, man könnte jedoch auch annehmen, daß durch die Kontraktion dieses Muskels eine Verschiebung des Drehpunktes des Winkels von der Articulationsstelle mit der ob- longen Platte verhindert werden soll, daß also Muskel e die durch die Protrusores « und b auf den Winkel ausgeübte Kraft nur nach einer Richtung hin, nämlich auf die Stechborsten, wirken läßt. Die hiermit gegebene Erklärung des Mechanismus der Stech- borstenbewegung bei Myrmica steht in Widerspruch mit der Er- klärung, die KrÂPEzIN für den Bienenstachel gegeben hat. Nach diesem Autor heftet sich der Muskel a unserer Abbildung (Muskel w bei Krärerın) vom Hinterende der quadratischen Platte zum Ende der Schienenrinnenbogen, nicht an den Rinnenbogen an, sondern an der Verwachsungsstelle von Winkel und Stechborsten- schenkel. Dadurch müßte dieser Muskel genau entgegengesetzt wirken. Der Muskel à allein würde den Druck der quadratischen Platte auf ihre Articulationsstelle mit dem Winkel ausüben und die Stechborsten aus der Schienenrinne herausbewegen. Die Funktion des Muskels ¢ bliebe in diesem Fall unverändert; er hätte die quadratische Platte wieder in ihre frühere Lage zurückzubringen, während jedoch Muskel a, der also nach Krärerın den Winkel mit dem hinteren Rand der quadratischen Platte verbindet, durch seine Kontraktion den Winkel und damit auch die Stechborste zurückzieht (Textfig. ©). Daß Muskel « sich nicht an der Verwachsungsstelle von Winkel und Stechborstenschenkel anheftet, sondern am Endfortsatz des Schienenrinnenbogens, läßt sich am Stachel der Myrmica und noch deutlicher bei Teetramorium (Fig. 2) nachweisen, da hier der Schienen- rinnenbogen einen längeren Fortsatz zeigt. Bei der Biene wurde die Insertionsstelle dieses Muskels gleichfalls deutlich sichtbar an solchen Präparaten, bei denen die Stechborsten im Augenblick der Fixierung aus der Schienenrinne herausgestoßen waren; so wurde das Endstück des Rinnenbogens, dessen Fortsatz bei Apis mellifica besonders klein ist, vom Stechborstenschenkel oder Winkel. nicht mehr überdeckt. Außerdem gelang es mir, den Winkel ohne Ver- letzung des Muskels « abzupräparieren und so die Anheftung des mit Eosin deutlich gefärbten Muskels genau zu erkennen. Dem Muskel d schreibt Krärzuın keine für die Stechborstenbewegung wichtige Funktion zu, er diene nur zur Fixation der quadratischen Platte; sein Insertionspunkt am Rückensegment repräsentiere den Drehpunkt für die Gesamtheit der den Stachel zusammensetzenden Stechapparat der Ameisen. 357 Chitingebilde. Man kann wohl annehmen, dab dieser Muskel (d) allein das Zurückziehen der Stechborsten nicht bedingt, sondern dab diese schon durch die Rückwärtsbewegung der quadratischen Platte (veranlaßt durch Muskel ce), in ihre frühere Lage gebracht werden, besonders weil diese Gebilde zäh zusammenhängen, dab also Muskel d beim Zurückgehen der Stechborsten nur mithilft. Sonst müßte man dem festen Zusammenhang des Winkels mit der quadratischen Platte allein die Rückwärtsbewegung der Stechborsten zuschreiben und also annehmen, daß durch das Zurückgehen der quadratischen Platte in ihre frühere Lage auch die Stechborsten zu derselben Bewegung veranlaßt würden. Viel stärker ist übrigens Muskel d bei der Hummel ausgebildet; dort ist auch seine Anheftungsstelle, etwas mehr gegen die Mitte des Winkels verschoben, sehr deutlich zu er- kennen, was bei Apis melifica nicht der Fall ist. Von den übrigen Muskeln des Stechapparats sind noch folgende zu erwähnen: der Muskel f, Musc. levator, der das Gabelbein mit dem hinteren Drittel der oblongen Platte verbindet und der Muskel 9, Muse. bulbi, von den Bogen der Schienenrinne zu den Hörnern ziehend. Der erste bewirkt nach Krärzerın ein Heben des Kolbens der Schienenrinne; dadurch erhält der Stachel eine Richtung nach unten, die beim „Gebrauch dieser Waffe“ von Vorteil sein dürfte. JANET nennt diesen Muskel „protracteur du gorgeret“, ohne jedoch nähere Angaben über seine Funktion zu machen. Er scheint ihn also für den Vorziehmuskel des Stachels im engeren Sinn zu halten. Ich beobachtete mehrere aus dem Abdomen der lebenden Biene ge- zogene Stachel und konnte feststellen, daß neben der Bewegung der Stechborsten manchmal, aber ziemlich selten, auch der eigentliche Stachel, also die Schienenrinne, eine heftige Bewegung ausführt; es wurde die ganze Rinne hervorgestoßen, so daß ihre Basis, die nor- malerweise bei einer Seitenansicht unter der oblongen P'atte ver- borgen liegt, zum Vorschein kam; dabei senkte sich die Spitze des Stachels. Diese Bewegung konnte nur durch diese am Gabelbein inserierenden Muskeln verursacht sein. Ein Druck der Blutflüssig- keit des ganzen Körpers, dem KrÂPELN die Herausbewegung der Schienenrinne zuschreibt, spielt daher wohl keine so große Rolle beim Stechen, da ja auch der vollständig vom Körper losgerissene Stachel eine größere Bewegung auszuführen vermag. Die Rück- wärtsbewegung des Stachels kann wohl veranlaßt werden durch die Elastizität des ganzen Gebildes, vor allem auch der Bogen der Schienenrinne, die beim Hervorstoßen des Stachels gestreckt worden 358 Emit Foerster, sind. Außerdem scheint noch der ziemlich schwache Muskel g (Muse. bulbi) bei der Krümmung der Bogen und damit auch bei der Rück- wärtsbewegung der Schienenrinne wirksam zu sein. JANET schreibt diesem Muskel offenbar eine derartige Funktion zu, indem er ihn ,retracteur du gorgeret“ nennt. Schließlich finden wir noch den sehr schwachen Muskel (Musc. obliquus), der den hinteren Rand der quadratischen mit dem Hinterende der oblongen Platte verbindet; er ist nicht bei allen Myrmicinen zu erkennen. Es ist anzunehmen, daß er bei der Stechborstenbewegung tätig ist, indem er wohl durch seine Kontraktion verhindert, daß die quadratische Platte beim Hervorstoßen der Stechborsten zu weit nach außen (auf die Seite) rückt. Myrmica rubra >. Der Stechapparat der verschiedenen Rassen der Myrmica rubra unterscheidet sich von dem oben beschriebenen außer in der Größe in keiner Weise. Die M. rubra-Arten sind kleiner als rubida; darauf ist auch die im gleichen Verhältnis geringere Größe ihres Stachels zurückzuführen. Tetramorium caespitum ©. Der Stachel von Tetramorium ist gleichfalls sehr gut ausgebildet; dennoch weicht seine Form in verschiedenen Teilen etwas vom Myrmica-Typus ab. Während dort die Schienenrinne sich an ihrer Basis stark verbreitert zu ungefähr quadratischer Form, spitzt sich hier die kolbenförmige Basis an ihrem Ende etwas zu; sie erscheint weniger breit im Verhältnis zur Länge der Schienenrinne als bei Myrmica (Fig. 2). Das Winkelstück zeigt keine wesentlichen Aus- buchtungen; es ist massiver gebaut. Der untere (innere) Rand der oblongen Platte ist auf ein größeres Stück hin stärker chitinisiert als die Fläche dieses Chitinstückes, was bei keiner anderen unter- suchten Art außer bei Strongylognathus testaceus der Fall ist. Die Stachelscheiden sind erheblich verkürzt. Auch das Gabelbein zeigt eine andere Form; der bei Myrmica nur durch einen Höcker an- gedeutete unpaare Ast wird hier deutlicher sichtbar. Im übrigen, besonders in der Muskulatur, herrscht Übereinstimmung mit Myrmica. Strongylognathus testaceus © zeigt in Form und Ausbildung seines Stachels große Ahnlichkeit mit Tetramorium, von dem er sich auch äußerlich nur wenig unter- Stechapparat der Ameisen. 359 scheidet. Der Stachel ist nur wenig kleiner als bei jenem; das Winkelstück ist hier wieder ausgebreitet wie bei Myrmica. Sonst sind keine erwähnenswerten Unterschiede zu erkennen. Leptothorax acervorum 3. Auch Leptothorax gehört zu den Myrmicinen mit gut ausgebildetem Stachel. Es kommen auch hier, wenn auch nur geringe, Abweichungen vom Myrmica-Typus vor (Fig. 5). Da ist zunächst auffallend die beträchtliche Länge der Schienenrinne; in der Form kommt sie Tetramorium näher als Myrmica. Sie ist außerordentlich lang und schmal; obgleich Tetramorium und Leptothorax in der Größe nicht viel voneinander verschieden sind, übertrifft doch die Schienenrinne von Leptothorax die von Tetramorium an Länge erheblich. Sehr lang und deutlich zu erkennen ist der unpaare Ast des Gabelbeines, sehr im Gegensatz zu dem entsprechenden Teil bei Myrmica. Der Muskel (f), der von hier zur oblongen Platte zieht, heftet sich diesem Ast der ganzen Länge nach an; die ganze Randpartie der oblongen Platte von ihrer Articulationsstelle mit dem Winkel bis zu den Stachelscheiden dient als zweite Insertionsstelle für diesen Muskel. Auffallend kurz ist die oblonge Platte. während dafür die Stachel- scheiden sehr lang sind und schmal. Die Größe der oblongen Platten verhält sich also zu der der Stachelscheiden genau umgekehrt wie bei Tetramorium. Die übrigen Chitinteile und Muskeln zeigen keine wesentlichen Unterschiede von denen der oben beschriebenen Stacheln. Solenopsis fugax >. Diese kleine Diebsameise von kaum 2 mm Lange besitzt einen recht gut ausgebildeten Stachel (Fig. 4), der seiner Form nach dem von Myrmica sehr nahe kommt. Auch hier ist der unpaare Ast des Gabelbeines nur durch ein kleines Hückerchen angedeutet; die Basis der Schienenrinne zeigt die mehr quadratische Form. Die oblongen Platten und die Stachelscheiden stehen etwa im gleichen Gréfen- verhältnis zueinander wie bei Myrmica. Auch in der Muskulatur herrscht volle Übereinstimmung. Natürlich ist der Stachel im ganzen der geringen Größe des Tieres entsprechend sehr klein, so daß die Präparation desselben erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Cremastogaster sordidula 3 gehört zu den Myrmicinen mit typisch entwickeltem Stachel. Man kann aber auch hier einige geringe Abweichungen von den bisher 360 Emit FoERSTER, beschriebenen Stechapparaten feststellen. Der Stachel, im allgemeinen dem der Myrmica ähnlich, ist der geringen Größe des Tieres ent- sprechend erheblich kleiner; besonders auffallend ist die schwache Chitinisierung. Oblonge und quadratische Platten sind zwar deutlich nachweisbar, die Fläche dieser Gebilde ist jedoch sehr durchsichtig und nur ganz wenig chitinisiert. Die Basis der Schienenrinne ist breit, etwa so wie bei den Aphaenogaster-Arten. Am Gabelbein kann man keine Spur mehr von einem unpaaren Ast erkennen. Die Muskeln sind alle ohne Ausnahme gut ausgebildet. Atta columbrica >. Der Stechapparat der Atta scheint am Beginn einer Reduktion zu stehen. Vergleichen wir ihn mit dem Stachel der im allgemeinen kleineren Myrmica rubida, so fallt uns zunächst die geringere Linge des ganzen Apparats auf (Fig. 5). Die Basis der Schienenrinne ist sehr breit; von hier erfolgt ziemlich unvermittelt der Ubergang in das übrige Stiick der Schienenrinne, ähnlich wie bei dem reduzierten Stachel der Aphaenogaster-Arten. Das Gabelbein hat schon eine be- trächtliche Riickbildung erfahren. Nur das rechte und linke Ende, da wo die Muskeln ansetzen, ist noch gut entwickelt; das Mittel- stück besteht aus einem ganz feinen Chitinstäbchen; vom unpaaren Ast ist daher auch nichts mehr zu erkennen. Diese Form des Gabelbeïines leitet uns über zu dem später zu beschreibenden Dorylus kohli. Eigenartig ist die Form der quadratischen Platte; diese sowie auch das hintere Stiick der oblongen Platte besitzt nicht mehr die breite Fläche, die diese Stücke bei Myrmica aufweisen, sie sind beide vielmehr ziemlich schmal geworden, trotzdem sind sie aber recht kraftig chitinisiert, wie überhaupt der ganze Stechapparat dieser Ameise. Die Stachelscheiden zeigen nur an ihrem hinteren Ende stärkere Chitinisierung, an der Ansatzstelle an den oblongen Platten sind sie häutig. Die Muskeln, die wir bei Myrmica fest- stellen konnten, sind auch hier, gut ausgebildet, vorhanden. Wir diirfen also den Stachel der Atta noch zu den gut funktions- fähigen Stacheln zählen, können aber bereits Anzeichen für den Beginn einer Reduktion feststellen, wie sich dies äußert in der Größenabnahme des ganzen Gebildes, in der Form der Schienenrinne und der quadratischen Platten und schließlich deutlich in der Rück- bildung des Gabelbeines. Stechapparat der Ameisen. 361 Aphaenogaster subterranea 3. Bei dieser Art können wir bereits von einer Reduktion des Stachels reden. Aphaenogaster, in Größe und Aussehen der Myrmica rubra ziemlich ähnlich, besitzt einen kaum halb so großen Stech- apparat wie jene Form. Die Verkümmerung beginnt an der stark verkürzten Schienenrinne (Fig. 6), die Basis derselben ist auch hier annähernd quadratisch wie bei Myrmica; während diese noch gut ausgebildet ist, hat sich der übrige Teil der Schienenrinne erheblich zurückgebildet und ist sehr dünn und fein geworden. Der Übergang in den Kolben geschieht ganz unvermittelt. Die Chitinfläche der oblongen Platten ist kleiner als bei den bisher untersuchten Formen. Auch das Gabelbein ist recht schwach chitinisiert und ziemlich dünn; sein unpaarer Höcker ist kaum noch nachzuweisen. Die elastischen Platten sind dagegen noch sehr deutlich zu erkennen. Die Muskeln sind, der Reduktion des Stechapparats im ganzen ent- sprechend, schwächer ausgebildet; es sind aber noch alle in der gleichen Anordnung vorhanden; eine wesentliche Rückbildung einzelner Muskeln ist nicht zu erkennen. Im allgemeinen sehen wir also bei Aphaenogaster subterranea den Beginn einer Reduktion des Stachels, die sich allgemein in einer bedeutenden Größenabnahme aller Chitin- teile und Muskeln zeigt und im besonderen in einer auffallenden Verkümmerung des Hauptteiles der Schienenrinne, wovon jedoch die kolbenförmige Basis ausgeschlossen ist. Der Stachel ist zwar noch funktionsfähig, hat aber an Wirkungskraft erheblich nachgelassen. = Messor barbarus subsp. structor ÿ. Hier ist die Reduktion des Stechapparats noch einen Schritt weiter gegangen (Fig. 7), und zwar ist wieder die Abnahme der Ge- samtgröße auffallend; sie beträgt nur noch etwas mehr als den dritten Teil gegenüber der etwa gleichgroßen Myrmica rubida. Auch in diesem Fall ist der Kolben der Schienenrinne in gleicher Weise ausgebildet, also sehr breit, annähernd quadratisch in der Aufsicht. Um so auffallender ist das sich daran anschließende übrige Stück der Rinne zurückgebildet. Es ist verhältnismäßig noch kürzer und feiner als bei Aphaenogaster subterranea. Der Kolben der Schienen- rinne geht ebenfalls ziemlich unvermittelt in die eigentliche Schienen- rinne über. Stark verkümmert ist wiederum das Gabelbein, dessen unpaarer Ast nur noch ganz schwach angedeutet ist. Die oblonge Platte ist nur noch in ihrem vorderen Teil flächenhaft; nach hinten 362 Emit Forrster, zu besteht sie fast nur noch aus dem verdickten Randstreifen, an den sich als Uberrest der „Platte“ eine ganz schmale Chitinlamelle ansetzt. Die ebenfalls verkiimmerten Stachelscheiden haben eine eigentiimliche schräge Richtung zur Schienenrinne angenommen. Die elastischen Plättchen sind auch hier deutlich zu erkennen, wie auch die quadratische Platte keine Rückbildung zeigt. Ganz im gleichen Verhältnis wie bei Aphaenogaster subterranea haben die Muskeln an Stärke abgenommen, während jedoch wieder von einer Reduktion einzelner Muskeln nicht gesprochen werden kann. Wir konnten also bei dieser Form die oben beschriebene Reduktion des Stech- apparats weiter verfolgen, und wir dürfen wohl vermuten, daß hier die Fähigkeit des Stachels, als Angriffs- und Verteidigungswaffe zu dienen, auf ein Minimum reduziert, wenn nicht ganz verloren ist. Zu erwähnen ist noch, daß sich am Stechapparat der erheblich erößeren und kräftigeren „großköpfigen Arbeiter“ des Messor bar- barus kein Unterschied von dem der übrigen Arbeiter erkennen ließ. Aphaenogaster gibbosa >. Diese Art entspricht in der Ausbildung und Rückbildung des Stechapparats in jeder Beziehung dem soeben beschriebenen Messor barbarus, so daß sich eine eingehendere Besprechung erübrigt. Pheidole pallidula © hat eine weitere Stufe der Rückbildung erreicht. Fig. 8 stellt den Stechapparat in derselben Vergrößerung dar, in der die bisher be- schriebenen Arten abgebildet sind. Vergleichen wir diese Ameise mit dem nicht viel größeren Leptothorax acervorum (Fig. 3), so er- kennen wir ohne weiteres die außerordentliche Abnahme in der Aus- bildung dieses Stachels im allgemeinen. Die Stachel dieser etwa gleichgroßen Myrmicinen weichen also in der Größe ganz beträcht- lich voneinander ab. Zur Veranschaulichung der Rückbildung der einzelnen Teile diene Fig. 9. Wir sehen, daß die Reduktion der Schienenrinne ungefähr der bei den beiden oben beschriebenen Tieren entspricht; es ist also die Basis der Schienenrinne noch recht gut entwickelt, während das untere Stück stark verkürzt und ver- kümmert erscheint. Ganz schwach ausgebildet und als solches kaum noch zu unterscheiden ist das Gabelbein. Es sieht aus, als wäre es mit dem vorderen Rand des Kolbens der Schienenrinne verwachsen. Eine ganz bedeutende Rückbildung hat die oblonge Platte erlitten; sie besteht nur noch aus ihrem verdickten Rand. Von einer chitini- Stechapparat der Ameisen. 363 sierten Fläche ist nichts mehr zu erkennen. Dagegen sind immer noch die elastischen Plättchen nachzuweisen. Auch die quadrati- schen Platten zeigen keine wesentliche Veränderung. Die Musku- latur ist in ähnlichem Maße wie das Chitinskelet schwächer ge- worden; besonders Muskel d und e ist kaum noch aufzufinden, vor allem wohl wegen der Kleinheit des Objekts; die größeren Muskeln sind in ihrer typischen Ausbildung nachzuweisen. Wir dürfen also wohl auch für diesen Fall annehmen, daß der Stachel seine Rolle als Waffe zum größten Teil, wenn nicht ganz, eingebüßt hat. Der Stechapparat der kräftigen hier vorkommenden Soldaten (sie erreichen ungefähr die doppelte Größe der Arbeiter) zeigt in seinem Bau keinerlei Veränderungen den Arbeitern gegenüber. b) Ponerini >. Von den Ponerinen untersuchte ich D Odontomachus haematoda subsp. insularia >. Am Stachel dieser Form (Fig. 10, nur 25fach vergrößert!) fällt zunächt die beträchtliche Länge der Schienenrinne ins Auge; sie erreicht nahezu die doppelte Größe wie die der Myrmica rubida, während beide Tiere nicht viel in der Größe variieren. Die Basis der Schienenrinne ist nicht so stark verbreitert wie bei Myrmica, der Übergang in das übrige Stück der Rinne findet vielmehr ganz allmählich statt. Besonders auffallend ist die große Ähnlichkeit dieses Stachels mit dem Bienenstachel. Vergleichen wir das Ver- hältnis der Länge der Schienenrinne zu der der übrigen Chitinteile, so sehen wir, daß die Spitze der Schienenrinne weit über die anderen Gebilde herausragt, im Gegensatz zu sämtlichen anderen Ameisen- stacheln und in Übereinstimmung mit dem Bienenstachel. Bei genauerer Betrachtung der Stechborsten erkennen wir an ihrem spitzen Ende 5—6 kleine Zähnchen, wie wir sie, wenn auch in stärkerer Ausbildung, auch beim Bienenstachel vorfinden. Im Gegen- satz dazu sind die Stechborstenenden aller übrigen Ameisenfamilien vollständig glatt. Ferner haben wir gesehen, daß bei den Ameisen der Winkel mit den Stechborstenbogen völlig verwachsen ist, so daß man die Verwachsungsstelle kaum noch genau feststellen kann; hier bemerken wir, daß sich der Winkel sehr deutlich vom Stechborsten- schenkel absetzt, daß sich sogar der Bogen noch ein Stück nach der Seite hin, von der Ansatzstelle des Winkels aus, fortsetzt, wiederum Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 24 364 Emi Forrster, eine Ubereinstimmung mit dem Bienenstachel (vgl. auch die Text- fige. A u. B Myrmica, C Apis). Auch die bedeutende Breite der quadratischen . Platten im Verhältnis zu ihrer Länge sowie das voll- ständige Fehlen des ihre Hinterenden verbindenden Chitinbogens erinnern uns auffallend an die Biene. Weiterhin sei erwähnt, dab das Gabelbein eine vollständig abweichende Form besitzt. Es ist hier hufeisenförmig, während wir es bei allen anderen Ameisen mit typisch entwickeltem Stachel als einen auf unseren Abbildungen horizontal liegenden Stab mit einem unpaaren Ast, der auch fehlen kann, erkannt haben. Hier fehlt zwar der unpaare Ast, die huf- eisenförmige Gestalt erinnert uns aber sofort an das wirklich „gabel- formige“ Gabelbein der Biene. Schließlich sei noch als weitere Ähnlichkeit mit dem Bienenstachel das Fehlen der Muskeln trans- versus (e) und obliquus (Ah) erwähnt. ce) Dorylinio. Dorylus kohli. Die Dorylinen werden als Ameisen mit kurzem festem Stachel beschrieben. Bei dieser Art sehen wir denn auch (Fig. 11), wie kurz und breit die Schienenrinne ist; sie besteht in der Hauptsache aus der kolbenförmigen verdickten Basis, an die sich der auffallend kleine, jedoch kräftige eigentliche Stachel ansetzt. Von dem ihm in vielem ähnlichen Tapinoma-Stachel (Fig. 13) unterscheidet er sich vor allem durch seine starke Chitinisierung, während bei jener Form gerade das Stück des Stachels, das zum Verwunden dient, nicht mehr oder nur ganz unbedeutend chitinisiert ist und einer wirksamen harten Spitze entbehrt. Die quadratischen Platten sind ganz ähn- lich zurückgebildet wie die des Tapinoma; sie bestehen nur noch aus der verdickten Randpartie und sind ebenfalls nur durch einen dünnen Chitinstab miteinander verbunden. Besser erhalten sind die oblongen Platten. Von dem nach hinten sich erstreckenden Teil erkennen wir zwar auch nur noch den verdickten Rand, am vorderen Teil findet sich jedoch noch ein plattenförmiges Stück, dessen Chitinisierung an einem schmalen Chitinstreifen, der von der Artieulationsstelle des Winkels mit der Platte zu den Hörnern der Rinne hinüberzieht, besonders klar hervortritt. Auf unserer Ab- bildung sehen wir auch, daß das Ende des Schienenrinnenbogens nicht mehr über den Winkel hinausragt, geradeso wie bei Zapınoma,, Stechapparat der Ameisen. 365 daß der Rinnenbogen also verkürzt ist. Auch das Gabelbein ist nicht mehr zu erkennen; es scheint mit der Schienenrinne ver- wachsen zu sein; als seinen Überrest dürfen wir wohl die beiden verdickten, hornartig hervorragenden Gebilde an der Basis der Rinne betrachten, an denen sich die Muskeln (f) ansetzen. Die Stachelscheiden sind ebenfalls reduziert; auch sie gleichen den ent- sprechenden Gebilden bei Tapinoma in Form und Größe. Endlich können wir auch eine Rückbildung der Muskulatur feststellen; die Muskeln sind schwach entwickelt; es fehlt Muse. obliquus (2); auch den Musc. transversus (e) konnte ich nicht nachweisen. Wir dürfen demnach den Stachel des Dorylus zwar noch zu den funktionsfähigen Ameisenstacheln rechnen, haben jedoch daran deut- liche Rückbildungen bemerkt, wie hauptsächlich in der Größenab- nahme im allgemeinen — Dorylus kohli ist beträchtlich größer als z. B. Tetramorium (Fig. 2) und Leptothorax (Fig. 3), sein Stachel wesentlich kleiner —, dann in der Reduktion des eigentlichen Stachels, der oblongen, quadratischen Platten und des Gabelbeines, so auch in der Muskulatur. d) Dolichoderini &. Tapinoma erraticum &. Der Stachel von Tapinoma schließt sich in der Reihe unserer vergleichenden Untersuchungen an den der Pheidole pallidula an; er ist hier so weit reduziert, daß er seine Fähigkeit zum Stechen voll- ständig eingebüßt hat. Wiederum hat der Stachel im engeren Sinne die stärkste Rückbildung erlitten. Vergleichen wir zunächst die Länge der Schienenrinne mit der des ungefähr gleichgroßen Tetramorium caespitum (Fig. 2), so sehen wir, dab die Schienenrinne dieser Myrmicine etwa 4mal so groß ist wie das entsprechende Stück am Tapinoma-Stachel (Fig. 12). Zur genaueren Beschreibung der einzelnen Teile diene die stärker vergrößerte Fig. 13. Die Schienen- rinne besteht eigentlich nur noch aus der kolbenförmigen Basis. Das übrige Stück der Rinne ist nur sehr schwach chitinisiert; es gleicht eher einem häutigen Gebilde und ist daher auf den Präparaten pur schwer zu sehen. In derselben Weise wie die Schienenrinne sind auch die Stechborsten verkümmert; auch sie sind nur noch ganz schwach chitinisiert; es ist nicht anzunehmen, daß sie noch zur Verwendung dienen können. Die elastischen Plättchen lassen sich 24% 366 Emit Forrster, nicht mehr nachweisen. Das Gabelbein ist als solches nicht mehr zu erkennen; als seinen Überrest müssen wir wohl die kleine Chitin- verdickung am vorderen Ende der Schienenrinne ansehen, weil sich dort auch der Gabelbeinmuskel inseriert. Es hat also den Anschein als ob das Gabelbein mit dem Vorderrand des Kolbens der Schienen- rinne verwachsen wäre. Der Winkel hat sich dagegen recht gut erhalten; er zeigt eine starke Chitinisierung. Die oblonge Platte hat eine weitgehende Reduktion erlitten. Das Ende des Schienen- rinnenbogens und damit auch der Stiel der oblongen Platte ragt nicht mehr über den Winkel hinaus, wie dies bei allen bisher unter- suchten Arten der Fall war. Von der oblongen Platte selbst ist nur noch der stärker chitinisierte Rand erhalten; von einer Chitin- fläche ist nichts mehr zu erkennen. An die übrig gebliebene Randpartie der Platten heften sich die ebenfalls stark reduzierten und äußerst kurzen Stachelscheiden an. Endlich treffen wir hier auch eine erhebliche Reduktion der quadratischen Platte. Von ihr ist nur der verdickte Rand noch gut erhalten. Die „Platte“ besteht aus wenigen, hauptsächlich am Hinterende der Randpartie unregel- mäßig hervorsprossenden Chitinzacken. Das Verbindungsstück der beiden quadratischen Platten besteht noch aus einem dünnen, aber deutlich sichtbaren Chitinstreifen. Die Muskeln sind zwar ziemlich schwach geworden, aber alle sind noch etwa im gleichen Verhältnis zueinander wie bei den Myrmicinen nachzuweisen. Bei einer derartig weitgehenden Reduktion des Stachels er- scheint es ausgeschlossen, daß dieses Gebilde noch als Angriffs- oder Verteidigungswaffe gebraucht werden kann. Diese Rolle haben hier vielmehr die Analdrüsen übernommen, wie Forez schon vor längerer Zeit gezeigt hat. Die Analdrüsen sind vollständig vom Stachel unabhängig; sie finden sich dorsal vom Anus und Rectum; sie sind bei keinen anderen Ameisen als bei den Dolichoderinen ge- funden worden. Dort hat sie Forez (1878) ausführlich beschrieben. In den „Fourmis de la Suisse“ (p. 331—332) gibt Foren eine ge- naue Beschreibung von der Verteidigungsweise des Zapinoma. Wurden diese Ameisen z. B. von Tetramorium (mit gut entwickeltem Stachel, vgl. oben) angegriffen, so ließen sie aus ihrem Abdomen einen schaumigen Flüssigkeitstropfen austreten, ein Secret der Analdrüsen. Dadurch wird der bekannte intensive Zapinoma-Geruch erzeugt. Schon auf diese Weise lassen sich viele Angreifer zurückschrecken. selingt es nun gar dem Tapinoma, das beim Angriff stets das Ab- domen gegen den Feind gerichtet hat, den Secrettropfen mit dem Stechapparat der Ameisen. 307 Kopf ihres Gegners in Berührung zu bringen, so gerät dieses Tier in sonderliche Zuckungen, wälzt sich am Boden umher, kurz, es wird völlig kampfunfähig. Das wird offenbar dadurch bedingt, dab die Flüssigkeit, an der Luft zäh werdend, die Kopforgane ver- klebt. So scheint denn der Stachel des Tapinoma ein ganz neben- sächliches oder wohl überhaupt unbrauchbares Organ geworden zu sein, zumal es seine Funktion nicht gewechselt hat, wie wir es bei den nachher zu beschreibenden Formica-Arten sehen werden. Dort hat sich bekanntlich das Rudiment des Stechapparats zu einer kräftigen Stütze für den Ausführungsgang des Giftkanals umgebildet. Dolichoderus quadripunctatus 3. Der Stechapparat dieser Form ist ebenfalls stark verkümmert; er gleicht dem von Tapinoma fast vollständig. Als einzigen Unter- schied kann ich erwähnen, daß hier die „Flächen“ der oblongen und quadratischen Platten nicht ganz so stark reduziert sind wie bei ersterer. Man sieht noch ein allerdings sehr schwach chitini- siertes Flächenstück sich vom verdickten Rand der betreffenden Teile ausdehnen. In allen übrigen Teilen konnte ich jedoch keinen Unterschied vom Zapinoma-Stachel wahrnehmen. Auch für diesen Fall dürfen wir wohl annehmen, daß der Stachel seinen ursprüng- lichen Zweck nicht mehr zu erfüllen imstande ist. Wahrscheinlich haben auch hier die Analdrüsen seine Funktion übernommen. Nach Forez fehlt jedoch dem Analdrüsensecret des Dolichoderus quadri- punctatus jede „Spur eines für uns wahrnehmbaren Geruches“. Über die Art seines Kampfes fand ich keine Angaben, hatte auch selbst keine Gelegenheit, Beobachtungen in dieser Hinsicht anzustellen. Vermutlich geschieht die Verteidigung und der Angriff in ähnlicher Weise wie bei Zapinoma und dem jetzt zu beschreibenden Bothrio- myrmex meridionalis. Bothriomyrmex meridionalis 5 gleicht in der Ausbildung des Stechapparats so sehr dem Tapinoma, daß eine nähere Beschreibung überflüssig erscheint. Im Gegensatz zu Dolichoderus ist hier keine Spur von der Chitin,fläche“ der quadratischen und oblongen Platten zu erkennen; nur die Rand- partien sind noch erhalten. Nach Forez („Fourmis de la Suisse“) verteidigt sich diese Art ganz wie Tapinomum erraticum, nur etwas nachlässiger, wie er überhaupt Bothriomyrmex für „die friedlichste und am weniesten kampfeslustige Ameise“ hält. Wie bei Dolicho- 368 Emit FoERSTER, derus besitzt auch hier das Analdrüsensecret keinen für uns wahr nehmbaren Geruch. Diese Ameise „verblüfft ihre Feinde wenig oder gar nicht mit der aus ihrer Kloake hervortretenden Flüssigkeit“ e) Camponotini ©. Formica pratensis à. Mit der Besprechung des Stechapparats der Formica gehe ich über zu dem zweiten Stacheltypus, der bei den Ameisen vorkommt. Bei den Camponotinen hat sich die Funktion des Stechapparats geändert; er dient nicht mehr zum Stechen, da er rudimentär ge- worden ist, sondern er bildet nur noch eine Art Stiitze für den Ausführungsgang der Giftblase, die hier um so größere Mengen von Gift produziert, gleichsam um den offenbar durch die Reduktion des Stachels entstandenen Nachteil wieder auszugleichen. Fig. 14 zeigt das Stachelrudiment von Formica pratensis ©, von der Ventral- seite aus gesehen. Der Stachel im engeren Sinn (das sind die Stech- borsten und die Schienenrinne) hat sich so weit zurückgebildet, daß er als solcher nicht mehr zu erkennen ist. Als Überrest der Schienen- rinne ist das dünne, unpaare Chitinstück in der Mitte aufzufassen, auf dessen konkave Seite wir sehen (Schr). Seine Fortsetzung bilden nach beiden Seiten hin eine kurze Strecke und steil aufsteigend, von der Konvexseite gesehen, die Bogen der Schienenrinne An ihnen sind noch einige Borstenhaare zu erkennen, die den gleichen Gebilden am Myrmicinenstachel entsprechen. Weiter nach vorn zu gehen die beiden Bogen über in ein ziemlich breites Chitinstück (V), das entstanden ist durch Verwachsung der Bogen der Schienen- rinne mit der oblongen Platte (oP). So stellen die oblongen Platten hier den Hauptteil des Apparats dar. Am Vorderrand ist das Chitinstück umgeschlagen. Das hintere Drittel der oblongen Platten ist nicht verwachsen mit den Rinnenbogen. Eine „plattenähnliche“ Fläche fehlt jedoch auch hier; die oblonge Platte besteht wie bei dem stark reduzierten Dolichoderinenstachel nur noch aus ihrer stark verdickten Randpartie. Anschließend daran haben wir die stark verkürzten ziemlich breiten Stachelscheiden (Sch). Das an der Basis der Schienenrinne liegende Gabelbein ist nur noch als ein kleines rundliches Chitinstückchen zu erkennen (Gbn). Die Stechborsten (Stb) haben ebenfalls eine erhebliche Veränderung er- litten. Man kann nicht mehr die eigentlichen Stechborsten von den Stechapparat der Ameisen. 369 Stechborstenbogen unterscheiden wie beim Myrmica-Typus, sondern es ziehen diese Teile in ziemlich gleichmäßiger Krümmung vom Winkel zum Rudiment der Schienenrinne herunter; sie liegen den Bogen der Rinne auf. Auf unseren Abbildungen sind sie der Deut- lichkeit wegen, wie dies übrigens auch beim Präparieren sehr häufig vorkommt, von den Bogen entfernt. Ihre Funktion zum Stechen haben sie natürlich vollständig aufgegeben; ihr Ende ist nicht mehr spitz, sondern im Gegenteil leicht keulenförmig angeschwollen. Die elastischen Plättchen fehlen vollständig. Das Winkelstück (W) hat dagegen auch bei diesem total verkümmerten Stachel seine Gestalt vollkommen bewahrt; es ist ganz so ausgebildet wie beim Myrmi- cinen-Typus. Auch hier steht es in Verbindung einerseits mit der oblongen Platte, andrerseits mit der quadratischen. Diese letztere (quP) ist ebenfalls stark reduziert, wie es aus der Abbildung leicht zu erkennen ist. Das die beiden Hinterenden der quadratischen Platten verbindende Chitinstück fehlt. In festem Zusammenhang mit den quadratischen Platten steht das Rudiment des 11. Rücken- segments; es ist ohne Verletzung des ganzen Apparats nicht leicht von ihr zu trennen. Die Chitinteile des Stechapparats dienen wieder verschiedenen Muskeln zur Anheftung. Während bei dem Myrmicinen-Typus die hauptsächlichsten Muskeln den Zweck hatten, die Chitinteile gegeneinander zu bewegen, um so das Stechen zu ermöglichen, haben sie bei den Camponotinen ihre Funktion geändert; ihre Aufgabe ist jetzt, den Giftabfluß zu regeln. Wir müssen demnach eine wesent- liche Änderung in der Ausbildung der Muskulatur erwarten. Der stärkste Muskel, Musc. levator primus (4), verbindet den hinteren Rand der quadratischen mit dem hinteren Rand der oblongen Platte. Ein diesem entsprechender Muskel ist z. B. bei Apis mellifica nicht aufzufinden, wohl aber bei solitären Apiden, so bei Andrena ovina; allerdings ist er hier sehr schwach entwickelt. Wir bemerken ihn auch beim Myrmicinenstachel, wo er Musc. obliquus genannt ist, wenn auch nur wenig deutlich und nicht überall mit Sicherheit nach- zuweisen. Ein zweiter, weit schwächerer Muskel, Musc. levator secundus (b), zieht vom hinteren oberen Rand der quadratischen Platte zum Vorderrand der oblongen, wenig vor ihre Articulations- stelle mit dem Winkel; er dürfte dem Muskel 5 bei Myrmica ent- sprechen. Ein weiterer, ziemlich schwacher Muskel, Musc. levator tertius (ec), verbindet das vordere obere Ende der quadratischen mit dem Hinterende der oblongen Platte und heftet sich neben dem 370 Emit Forrster, Muskel 2 an diese an; er ist wohl homolog dem Muskel e bei Myrmica. Nach Dewırz dient der erste, starke Muskel dazu, den hinteren Teil des Stechapparats, besonders die Stachelscheiden, nach oben zu heben, sobald das Tier Gift von sich gibt. Dabei würde er von den beiden anderen Muskeln unterstützt. Ein schwacher Muskel, Musc. con- clusor (2), zieht vom mittleren Teil der quadratischen Platte zum Rudiment des 11. Rückensegments, der sogenannten Tracheenplatte ; nach Dewirz verschließt er wahrscheinlich das dort befindliche Stigma. Ein anderer gleichschwacher Muskel, Musc. protrusor externus (a), zieht vom mittleren Rand der quadratischen zum Vorder- ende der oblongen Platte, er ist: wohl als das Rudiment des ent- sprechenden Muskels a bei Myrmica aufzufassen. Weiter bemerken wir den Musc. compressor primus (e), der vom Innenrand des Winkels in die Nähe des Gabelbeinrestes ziehend sich mit dem entsprechenden Muskel von der anderen Seite vereinigt, offenbar ein Homologon des Muse. transversus (e) bei Myrmica. Annähernd parallel dazu ver- läuft der Musc. compressor secundus (4) vom vorderen Drittel der verschmolzenen Schienenrinnenbögen und oblongen Platten zum Rudi- ment des Gabelbeines, um sich dort ebenfalls mit dem entsprechenden Muskel von der anderen Seite zu vereinigen. Nach Drwırz bewirkt die Kontraktion dieser beiden Muskeln einen Verschluß des Gift- kanals, indem die hintere Wand der Blasenmündung gegen die vordere gedrückt wird. Der kräftige Musc. levator internus (2) end- lich, vom vorderen Rand desselben Chitinstückes zum vorderen Rand der Blasenmündung ziehend, hebt nach diesem Autor bei seiner Kon- traktion die vordere Wand der Blasenmündung von der hinteren ab und öffnet so den Giftkanal. Hiermit ist eine Schilderung der wesentlichen, an die Chitin- teile sich ansetzenden Muskeln gegeben. Diese Muskulatur läßt uns wohl das Austreten des Giftes verstehen, nicht aber erklärt sie uns, wie das Gift bei diesen Tieren bis auf '/, m Höhe gespritzt werden kann. Forez nimmt an, daß hierbei die Muskulatur des Abdomens im ganzen wirksam ist, daß das Herausspritzen des Giftes auf der- artige Entfernungen durch die „durch die Muskulatur der Segmente bedingte Abdomenpresse“ ermöglicht wird, „denn die Stachel- muskulatur kann ja nur auf den Ausführungsgang wirken und die Mündung desselben nach außen öffnen.“ Die Beschreibung des Stechapparats der Formica pratensis trifft auch für die beiden sehr nahe verwandten Formen: Formica rufa > und Formica truncicola >, vollständig zu, zumal diese durch ver- Stechapparat der Ameisen. 371 schiedene Zwischenformen miteinander verbunden sind. Zwischen den verschiedenen Rassen der „Waldameise“ (Forez) ist also in dieser Beziehung durchaus kein Unterschied zu erkennen. Formica sanguinea 3 gleicht in Form und Ausbildung der einzelnen Chitinteile und Muskeln des Stachelrudiments ebenfalls vollständig den oben beschriebenen Formica-Arten. Von den Formica fusca-Rassen wurden untersucht: er Formica cinerea 5 und fusca ÿ. Sie stehen beide den verschiedenen Rassen der Waldameise an Größe nach. Sie haben nicht wie diese die Gewohnheit, beim An- eriff das Gift auf weite Entfernungen hin zu spritzen, sie suchen vielmehr dem Feind nur mit den Mandibeln eine Bißwunde bei- zubringen, um dann, mit dem Abdomen darüber streichend, das Gift in die Wunde eintreten zu lassen. Trotzdem erkennen wir in der Muskulatur ihres Stachelrudiments den „Waldameisen“ gegenüber keinen Unterschied. Das würde also ebenfalls dafür sprechen, daß das Spritzen des Giftes auf weite Entfernungen nur durch die Abdomenpresse bewirkt wird. Am Chitinskelet des Stachelrudiments ist als einziger Unterschied die schwächere Ausbildung des bei Formica pratensis ziemlich breiten Chitinstückes, das durch Ver- schmelzung der oblongen Platten mit den Rinnenbogen entstanden ist, zu erwähnen. Diese beiden Teile sind hier nur auf eine kürzere Strecke miteinander verwachsen und zeigen auch nicht die außer- ordentlich starke Chitinisierung der ersten Form. Vielleicht hängt die so schwache Ausbildung dieses Chitinstückes mit der erwähnten verschiedenen Kampfesweise zusammen. Im ganzen ist das Stachel- rudiment der fusca-Rassen kleiner, was wohl hauptsächlich seine Ursache in der geringeren Größe dieser Tiere hat. Polyergus rufescens à. Das Stachelrudiment der Amazonenameise (Fig. 15) weist im ganzen eine schwächere Ausbildung auf als das der Formica pratensis. Zunächst ist es kleiner; das verschmolzene Chitinstück (V) ist hier ziemlich kurz und viel schwächer gebaut. Das vordere Ende der oblongen Platten ist stumpf, aber nicht umgeschlagen wie bei Formica. Die quadratischen Platten zeigen eine eigenartige Form. Von der 372 Emit Forster, verdickten Randleiste aus erstreckt sich die breite dreieckige Chitin- fläche der Platte. Sie übertrifft so relativ wenigstens die quadratische Platte der übrigen Camponotinen an Größe Die Muskulatur stimmt im allgemeinen mit der des Formica-Stachels überein. Ob auch die Muskeln 6 und à der Formica, die ich hier auf meinen Präparaten nicht auffinden konnte, ausgebildet sind, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben, da ein durch die Sublimatfixierung ver- ursachter Niederschlag gerade bei dieser Form sehı störend war und mir gut fixierte (in diesem Fall mit Alkohol) Exemplare nicht zur Verfügung standen. N, Camponotus herculeanus >. Beim Stechapparat des Camponotus (Fig. 16) sind ebenfalls kleine Abweichungen vom Formica-Typus festzustellen. Auch hier ist das aus der Verwachsung der oblongen Platten mit den Rinnenschenkeln entstandene Chitinstück (V) nicht so kräftig ausgebildet wie bei der Waldameise. Die oblonge Platte endet nach vorn zu spitz und ist nicht umgeschlagen. Die Muskulatur entspricht nicht ganz der Muskulatur bei den Formica-Arten, macht aber im allgemeinen einen etwas schwächeren Eindruck. Camponotus pflegt im Gegensatz zu den F. rufa-Arten das Gift nicht zu spritzen, er kämpft ähnlich wie Formica fusca. Die schwächere Ausbildung des verwachsenen Chitinstückes und die etwas schwächere Muskulatur ist auch hier möglicherweise auf diese Kampfesweise zurückzuführen. Camponotus ligniperdus und C. aethiops zeigten der soeben be- schriebenen Form gegenüber keinen Unterschied. Lasius alienus ©. Verhältnismäßig am schwächsten entwickelt ist das Stachel- rudiment der Lasius-Arten. Fig. 17 stellt den Stechapparat in der- selben Vergrößerung dar, in der die übrigen Bilder gegeben sind. Das zeigt uns, wie klein hier das Rudiment geworden ist den bisher geschilderten Arten gegenüber. Wir müssen dabei allerdings in Betracht ziehen, daß Lasius alienus kaum die Hälfte der Größe der Formica pratensis erreicht. Zur genaueren Betrachtung diene die stärker vergrößerte Fig. 18. Da fällt zunächst wieder die sehr schwache Ausbildung des verschmolzenen Chitinstückes (V) auf. Die oblonge Platte ist nur noch mit ihrem vorderen Drittel mit den Schienenringbogen verwachsen. Selbst das verwachsene Stück ist nur leicht chitinisiert, wie ja überhaupt das ganze Rudiment des Stechapparat der Ameisen. 373 Lasius-Stachels. Die oblonge Platte endet hier nach vorn gebogen und spitz, nicht umgeschlagen wie bei Formica. Auch das Winkel- stück ist nicht mehr so kräftig entwickelt. Eine wesentliche Ver- änderung hat die quadratische Platte erlitten. Sie besteht aus einem langen, sehr dünnen Chitinstreifen; von einer chitinisierten Fläche ist nicht das geringste mehr zu sehen. Dieser Chitinstreifen scheint mit dem Winkel völlig verwachsen zu sein. In ähnlicher Weise, wie die Chitinisierung des Apparats zurückgegangen ist, haben sich auch die Muskeln reduziert. Muskel à ist nicht mehr nachweisbar. Ganz besonders schwach ist Muskel ce geworden; auch der bei allen bisher untersuchten Camponotinen so kräftig ausgebildete Muskel L hat er- heblich an Stärke verloren; ferner ist Muskel % mit Sicherheit nicht mehr zu erkennen. Das Stachelrudiment der übrigen untersuchten ZLasius-Arten: L. niger, L. flavus und das des größten einheimischen Lasius, L. fuli- ginosus steht mit dem des oben beschriebenen Lasius genau auf der- selben Stufe. Es liegt die Annahme nahe, dab diese namentlich im Gegensatz zu Formica pratensis, rufa und truncicola so schwache Ausbildung des Stachelrudiments mit der sehr geringen Wehrhaftig- keit dieser Ameisen zusammenhängt. Auch die Lasius-Arten spritzen das Gift nicht auf Entfernungen aus, sondern sie suchen ihren Gegner mit den Mandibeln zu beißen, um hierauf das Gift aus dem Abdomen austreten zu lassen, und zwar ohne zu spritzen, und es dann mit der Wunde in Berührung zu bringen. De Plagiolepis pygmaea ©. Das kleinste Stachelrudiment findet sich bei der nur 1'/,—2?/, mm langen Plagiolepis. Fig. 19 gibt das Rudiment in der den übrigen Abbildungen entsprechenden Vergrößerung wieder. An dem stärker vergrößerten Objekt (Fig. 20) lassen sich auch hier die für den Cam- ponotinenstachel typischen Teile nachweisen. Das Gebilde ist im ganzen nur wenig chitinisiert; trotzdem und trotz der Kleinheit dieses Rudiments können wir noch deutlich den Überrest der Schienen- rinne und das verwachsene Chitinstück erkennen. Undeutlich ist allerdings der Übergang des Schienenrinnenrestes in die Bogen ge- worden. Auch die verwachsene Chitinfläche ist auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Die oblonge Platte ist an ihrem vorderen Ende leicht gebogen und spitz, ähnlich wie bei Camponotus. Während die Stachelscheiden noch sehr gut ausgebildet sind, hat der Winkel seine charakteristische Gestalt verloren; an seiner Stelle findet sich 374 Emit FoERSTER, eine kleine Chitinverdickung, die nach hinten zu in einen schmalen Chitinstreifen übergeht, in den Überrest der quadratischen Platte. Die Stechborsten waren an keinem Präparat mehr aufzufinden, ebenso wenig der Gabelbeinrest. Die Muskulatur ist dagegen ver- hältnismäßig kräftig entwickelt. Besonders auffallend ist der Muskel h, der die Hinterenden der quadratischen mit denen der oblongen Platten verbindet, ferner Muskel e und /. Muskel 6 und e sind jedoch nicht mehr zu erkennen. Der Stechapparat der Ameisenköniginnen. Wie KrÄrEuin, BEYER und JANET bereits festgestellt haben, gleicht der Stachel der Bienen- und Ameisenköniginnen im allgemeinen dem der Arbeiter fast vollständig. Er unterscheidet sich meist nur durch seine Größe vom Stachel der Arbeiter, so daß eine nähere Beschreibung überflüssig erscheint. So fand ich es wenigstens bei allen Myr- mieinen-QQ, die ich untersuchte: Myrmica, Tetramorium , Lepto- thorax, Solenopsis. Für die Tapinoma-9Q ist zu erwähnen, dab hier noch im Gegensatz zum à ein größeres Stück der Chitinflache der oblongen Platte erhalten ist; sonst unterscheidet sich der Stech- apparat nur durch seine Größe. Bei den Camponotinen zeigte das Stachelrudiment der Camponotus-Q2 und Lasius-Q2 nicht den ge- ringsten Formunterschied von dem der Arbeiter, wohl aber ließ sich eine eigentümliche Bildung bei den Weibchen der Formica-Arten feststellen. Die Fig. 21 zeigt das Stachelrudiment einer Formica fusca 9. Hier fällt zunächst einmal die beträchtliche Größe des ganzen Gebildes ins Auge. Weiter bemerken wir, dab sich die ob- longe Platte im Gegensatz zu diesem Chitinstück bei den Arbeitern von der Articulationsstelle mit dem Winkel leicht nach vorn und innen zu umbiegt und sich weit in das Innere des Körpers hinein erstreckt, so daß der Ansatzpunkt des Winkels etwa in die Mitte dieses Stückes zu liegen kommt, während wir ihn bei den Arbeitern im vordersten Viertel finden. Bei den letztgenannten sehen wir auf die Konvexseite der verschmolzenen oblongen Platten und Rinnen- bogen. Hier wendet sich das verschmolzene Stück schon vor der Articulationsstelle mit dem Winkel, so daß wir weiter vorn auf die Konkavseite dieses Stückes schauen. Im übrigen herrscht volle Übereinstimmung mit dem Arbeiterstachel, wie in den Chitinteilen so auch in den Muskeln. Die Polyergus-Königin nimmt eine Zwischenstufe zwischen Lasius und Formica ein. Das weibliche Stachelrudiment ist einmal relativ Stechapparat der Ameisen. 375 und absolut kleiner als bei der Formica 2; außerdem hat der eigen- tümliche Fortsatz der oblongen Platte nach vorn und innen zu in das Abdomen keine derartig starke Ausbildung erfahren; er ist viel weniger breit, schwächer chitinisiert und auch erheblich kürzer als bei Formica. Im ganzen aber steht das Stachelrudiment der Polyergus-Q2 doch wohl dem der Formica näher als dem der Lasius- und Camponotus-99. Zusammenfassung. Fassen wir zum Schluß unsere Resultate zusammen: Es hat sich ergeben, daß schon beim gut funktionsfähigen Stachel der Myrmicinen bei jeder Art Abweichungen in der Form und Größe der einzelnen Chitingebilde sich nachweisen lassen, daß die Form der Schienenrinne, des Gabelbeines, der oblongen Platten, der Stachelscheiden, seltner auch des Winkels und der quadratischen Platten bei jeder Art eine gewisse, wenn auch oft nur geringe Ab- weichung zeigt, während die Muskulatur des Stechapparats im all- gemeinen keine Unterschiede aufweist. Bei den Übergängen, die vom gut funktionsfähigen Stachel der Myrmicinen zum unbrauch- baren der Dolichoderinen bekannt sind, zeigt sich die Reduktion einmal in einer relativ starken Größenabnahme des ganzen Chitin- gebildes und dann hauptsächlich in einer Verkümmerung der Stachel- spitze, während die Basis des eigentlichen Stachels noch gut erhalten bleibt; ferner bildet sich die „Fläche“ der oblongen Platten, schließ- lich auch die der quadratischen erheblich zurück (Aphaenogaster subterranea — Messor barbarus — Aph. gibbosa — Pheidole pallidula), um bei den Dolichoderinen Zapinoma und Bothriomyrmex ganz zu verschwinden, so daß die Platten nur noch aus ıhren verdickten Randpartien bestehen. Außerhalb dieser Reihe steht die Ponerine Odontomachus und die Doryline Dorylus. Als charakteristisch für Odontomachus haben wir gefunden die große Übereinstimmung des Stachels mit dem Bienenstachel in bezug auf die Länge des Stachels im engeren Sinn im Verhältnis zu den übrigen Chitingebilden, die Zähnchen an den Stechborstenenden, die Verwachsungsstelle von Winkel und Stech- borstenschenkeln, die Breite der quadratischen Platten, das Fehlen des sie verbindenden Chitinbogens, die Form des Gabelbeines, das Fehlen der Muskeln e und h und endlich die außerordentliche Größe des ganzen Stechapparats. Diese Tiere besitzen den weitaus am besten entwickelten Stachel unter allen hier untersuchten Ameisen. 376 Emit Forrster, Ob der Stachel der übrigen Ponerinen eine entsprechende Aus- bildung zeigt, entzieht sich meiner Kenntnis. Bei der Doryline Dorylus konnten wir eine deutliche Riickbildung feststellen, die diesen Stachel dem der Dolichoderinen in manchem ähnlich gemacht hat; als wesentlichen Unterschied haben wir jedoch zu beachten, daß hier der Stachel im engeren Sinn, gerade auch der zum Ver- wunden dienende Teil, noch stark chitinisiert und daher noch ge- brauchsfähig ist, während in den übrigen Teilen die Rückbildung bereits weit vorgeschritten ist. Auch der vollständig rudimentäre Stechapparat der Campo- notinen ist nicht überall gleichmäßig ausgebildet. Am besten ent- wickelt finden wir ihn bei einigen Formica-Arten (F. rufa, pratensis, truncicola und sanguinea); schwächer wird das Rudiment bei Polyergus und Camponotus, um von da zu den am meisten reduzierten Stacheln der Plagiolepis pygmaea und der Lasius-Arten überzugehen. Die untersuchten Myrmicinen und Dolichoderinen- königinnen gleichen in der Ausbildung ihres Stachels den Arbeiterinnen. Ein auffallender Unterschied zwischen Weibchen und Arbeiterin ist nur bei den Formica-Arten und weniger deutlich bei Polyergus unter den Camponotinen festzustellen. Dort konstatierten wir eine eigen- artige, stark chitinisierte Verlängerung des durch Verwachsung der oblongen Platten mit den Rinnenbogen hervorgegangenen Chitin- stückes in das Innere des Abdomens. Anhang. Außer den Stacheln der Ameisen wurden noch die einiger solitärer und parasitärer Apiden untersucht: Andrena ovina Systropha curvicornis Sphecodes gibbus Colletes cunicularis Nomada ruficornis Coelioxys rufescens Pasites maculatus. Im Prinzip sind die Stechapparate dieser Tiere alle gleich- gebaut; kleinere Abweichungen kommen jedoch auch hier vor. So wechselt oft die Form des Gabelbeines, dessen unpaarer Ast bis- weilen länger ist und umgekehrt. Auch die Schienenrinne zeigt bei den einzelnen Apiden einige Verschiedenheit; so ist die Basis der Rinne manchmal keulenförmig verdickt, um in ein hinteres, Stechapparat der Ameisen. 377 schmäleres Stück überzugehen; diese Verdickung unterbleibt bei anderen; ebenso wechselt die Form der oblongen und der quadra- tischen Platten. Die Anheftung des Muskels d bei Myrmica, des Retractor externus, erfolgt bei einigen nahe bei der Articulations- stelle des Winkels mit der quadratischen Platte, bei anderen inseriert sich dieser weiter vorn, gegen die Verwachsungsstelle mit den Stechborsten hin. Auffallend ist bei allen die starke Behaarung der Stachelscheiden. Deutliche Rückbildungen, so wie wir dies bei den Myrmicinen verfolgen konnten, lassen sich hier nicht er- kennen; nur bei Andrena ovina, die ungefähr die Größe der Honig- biene erreicht ist der Stechapparat im ganzen viel kleiner als bei dieser. Literaturverzeichnis. BEYER, O. W., 1891, Der Giftapparat von Formica rufa, ein reduziertes Organ, in: Jena. Ztschr. Naturw., Vol 25. Dewirz, H., 1877, Uber Bau und Entwickelung des Stachels der Ameisen, in: Z. wiss. Zool., Vol. 28. ESCHERICH, K., 1906, Die Ameise, Braunschweig. Foret, A., 1874, Les fourmis de la Suisse. —, 1878, Der Giftapparat und die Analdriisen der Ameisen, in: Z. wiss. Zool., Suppl. zu Vol. 30. JANET, CH., 1898, Etudes sur les fourmis etc., Note 18: Aiguillon de la Myrmica rubra, appareil de fermeture de la glande à venin. KRAPELIN, R., 1873, Untersuchungen über den Bau, Mechanismus und Entwicklungsgeschichte des Stachels der bienenartigen Tiere, in: Z. wiss. Zool., Vol. 23. LACAZE-DUTHIERS, H., 1850, Recherches sur l’armure génitale des In- sectes, in: Ann. Sc. nat., Vol. 14. PACKARD, A., 1898, Text-Book of Entomology. ZANDER, E., 1899, Beiträge zur Morphologie des Stachelapparates der Hymenopteren, in: Z. wiss. Zool., Vol. 66. 378 Emi Forrster, Erklirung der Abbildungen. Die Abbildungen sind, wenn nichts Näheres angegeben ist, bei 80facher Vergrößerung wiedergegeben und mit dem ABBE’schen Zeichenapparat an- gefertigt. Für die einzelnen Chitinteile wurde durchgängig die gleiche Farbe angewendet und zwar: für die Schienenrinne mit den Stechborsten, “ dem Winkel und Gabelbein gelb, für die oblongen Platten rot und für die quadratischen blau. Die Muskulatur wurde jeweils nur auf der einen Seite eingezeichnet. Die Chitinteile wurden bei sämtlichen untersuchten Tieren folgendermaßen bezeichnet BH Borstenhaare an den Bogen der Schienenrinne D Drehpunkt des Winkels eP elastische Plättchen Gbn Gabelbein H Hörner der Schienenrinne oP oblonge Platte quP quadratische Platte Sch Stachelscheiden Schr Schienenrinne SchrB Schienenrinnenbogen Stb Stechborsten StbB Stechborstenbogen V Verschmolzenes Chitinstück aus Rinnenbogen und oblonger Platte Die Muskeln bei Myrmicinen und Dolichoderinen: a Musc. protrusor externus b Musc. protrusor internus e Muse. d Musc. e Muse, f Muse. g Muse. h Muse. Fig. 1. Myrmica rubida ©. Fig. 2. Tetramoriwm caespitum © Fig. 3. Leplothorax acervorum ©. Fig. 4. Solenopsis fugax 9. Fig. 5. Atla columbrica 9. Fig. 6. Aphaenogaster subterranea 9. Fig. 7. Messor barbarus 3. Fig. 8. Pheidole pallidula ÿ. 80:1. Fig. 9. Pheidole pallidula 5. 200:1. b) Ponerini. Fig. 10. Odontomachus haematoda 5. 25:1. Fig. Fig Zool. J Stechapparat der Ameisen. retractor internus retractor externus transversus levator bulbi obliquus Die Muskeln bei den Camponotinen: . protrusor externus . levator secundus . levator tertius . compressor primus . levator primus . conclusor . compressor secundus . levator internus Martel, 14 a) Myrmicini. c) Dorylini. . 11. Dorylus kohli ÿ. d) Dolichoderini. 12. Tapinoma erraticum . 13. Tapinoma erraticum ahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. Ô “A Q. 8031. 200: 1. 25 379 380 Emit Forrster, Stechapparat der Ameisen. Tafel 15. e) Camponotini. Fig. 14. Formica pratensis >. Fig. 15. Polyergus rufescens 3. Fig. 16. Camponotus herculeanus. Fig. 17. Lasius alienus 5. 80:1. Fig. 18. Lasius alienus 5. 200:1. Fig. 19. Plagiolepis pygmaea 3. 80:1. Fig. 20. Plagiolepis pygmaea 3. 200:1. Fig. 21. Formica fusca 9. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Versuch einer cytologischen Analysis der Entwicklungsvorgänge. Erster Terk Die Geschlechtszellenbildung und die normale Entwicklung von Aricia foetida Clap. Von Julius Schaxel. Mit Tafel 16—28 und 10 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. Seite Einleitung . . He et et hy) RA Ee Be > I. Material und Technik ire Se Manna a Get ea II. Die Eibildung und die Befruchtung. Me ee NES Te 1. Die Oceyte-erster Ordnung . Sr De ee er oS a) Die; Auspangszellen: . ... . |=) a a ES bu" Die: Chromatinemission . - CE nec e). Die Postemissionsstadien: . « 72 Pt @)\yDer- Kerm. .. 00 er 8) Der Zelleib . . Mean! 2. Der Abschluß der De und die Befruchtung fag, thy OO a) Die Einleitung der ersten Richtungskôrperbildung . . 398 b) Die Besamung, die Bildung des ersten und zweiten Rich- tungskörpers und die Befruchtung . . a) iy AOE a) Der Bau der Spermatozoen und die eee fot Oe 8) Die Vereinigung der beiden Vorkerne. . . . . . 402 3. Die Konstitution der ersten Furchungszelle . . 403 4. Die Angaben anderer Autoren über die Fan der Anne- ide... 7; 47 3 404 III. Die Furchung. . ul eo En a AN EN EEE 1. Der erste Hii eee ne no dai a de eer ER RE 25* 382 JULIUS SCHAXEL, Seite 2: Der zweite Teilungsschritt.. VE CE OLIS 3. Der dritte Perlungsschritt.., = - 2. ren. TT 4. Der vierte Nele ae ME rt AU) 5. Weitere Beispiele , von Poeme, a te an DES a) Die primären Trochoblasten . . ee 11057 b) Die Teilungen in der somatischen Platte Fe 424 c) Die Bildung des Mesentoblasten (4d) und der Entoblasten 425 6. Die intracellulären Vorgänge wiihrend der Furchung . . . 426 a) Die Weilunpsstrukturen . . .-. 02. 0 CN b) Die Blastomerenkerne . als) c) Die Substanzen des Bileibes all dee dns « 4430 7. Der cytologische Rahmen der Furchungsvorgänge . . . . 431 8. Die Angaben anderer Autoren über die Intracellularprozesse | der Polychätenfurchung. .. =. 9. =. © . Ne oe IV Die Organbildung ". «424, A240 oo. 6. 8, ee 1. Der Mitteldarm . . of Seley oi Free 42" ae Sei eee a) Die Phase der Caen : en ee op, Gee ene b) Die Phase der chromophilen eye: = he = hen c) Die Phase der histologischen Deren 2 pew Tos ope, eet 2.7 Die Muskelbildung 2 un ae. eee 3. Die larvalen Hautdrüsen . Aol optic, “lest oP AGN a ae 4. Die Bildung der een Bl il ee LE 5, Diet Zellen des Prototrochs® a: ss) € CR 2 ee ee 6. Die präpygidiale Wachstumszone . Be . “ 7. Der cytologische Rahmen der kr SE, ON TRE . 450 V. Über die allgemeinen Ergebnisse der | optomorphologischen Betrachtungsweise . : ee. 2. iss Zur eben Methode ET Ae der ONE 2, Über Entwicklungsfaktoren . . ee 3. Über Vererbungssubstanzen und las Den a 4. Zar sogenannten Zellenlehre . .... . „2. „m. NO Kinleitung. Den intracellulären Prozessen bei der Formbildung der Metazoen zu folgen ist der Zweck dieser Untersuchungen. Die Cell-lineage- Forscher liefern uns genaue Beschreibungen der Zellfolgen in der frühen Ontogenesis, ohne auf die Vorgänge im Zellinnern näher ein- zugehen. Bestimmte Teile unseres Gebietes erfreuen sich besonderer Beachtung, so die die Individualentwicklung vorbereitende Ge- schlechtszellenbildung, die Keimbahn und die histologische Differen- zierung einzelner Gewebe. Ferner werden auf der Suche nach organ- bildenden Substanzen, im Dienste der Theorie von der Individualität der Chromosomen und der von der Kern-Zelleib-Volumen-Relation Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. 1. 383 formbildende Zellgenerationen einer cytologischen Betrachtung unter- zogen. Die Entwicklungsmechanik endlich erörtert vielfach den hier behandelten ähnliche Fragen. | Mit dem Problem, in welchem Umfang die auf bestimmte tech- nische und theoretische Mittel angewiesene cytomorphologische Forschung Einsicht in die Lebenserscheinungen zu geben vermag, beschäftigte ich mich schon in früheren Arbeiten. An der Hand reicheren, der Entwicklungsgeschichte entnommenen Tatsachen- materials beabsichtige ich diese Frage weiter zu ventilieren. Methodo- logisch wird sich die Abgrenzung unseres Unternehmens innerhalb der Morphologie und sein Verhältnis zur Physiologie und Mikro- biochemie ergeben und die Bedeutung des Experiments erkennbar werden. Unsere Resultate werden zur Beurteilung der Zellenlehre, der Faktoren der Ontogenesis und der Frage nach Vererbungssub- stanzen und ihrer Lokalisation heranzuziehen sein. Der vorliegende erste Teil meines Berichtes enthält die normale Ontogenesis von Aricia foetida. Er stellt die Cytologie der Entwick- lung von der Eibildung bis zur Gewebsdifferenzierung im Wurm- körper dar. Das Material gestattet nicht, den Geschehnissen überall- hin nachzugehen. Später wird wenigstens ein Teil dieser Lücken durch Untersuchungen an anderen Objekten ausgefüllt werden. Er- gänzungen liefern ferner das Studium der teratologischen Entwicklung und experimentelle Eingriffe in den Entwicklungsverlauf. Erst nach Mitteilung dieser Untersuchungen soll die theoretische Verwertung vorgenommen werden und mit dieser im Zusammenhang die Besprechung der Literatur. Daher sind in den beschreibenden Abschnitten nur solche Autoren genannt, die Bearbeiter desselben oder verwandten Materials sind. _ f Mater wide Leckie Aricia foetida Cuar. — Ocologie der Fortpflanzung. — Anatomie der Eibildungsstätte. — Technik zur Untersuchung der Oogenesis, der Spermato- zoen, der Ontogenesis. Von Januar bis November 1911 stand mir in der Zoologischen Station zu Neapel ein Laboratorium zur Verfügung. Hier sammelte und verarbeitete ich größtenteils das Material für die vorliegende Untersuchung. Aricia foetida CLAPARÈDE ist ein Ringelwurm aus der Polychäten- familie der Ariciiden. Diese Annelide erwies sich für meine Zwecke 384 JULIUS SCHAXEL, deshalb geeignet, weil geschlechtsreife Tiere und abgelegte be- fruchtete Eier dank der Bemühungen des Herrn Prof. A. CERRUTI in Neapel längere Zeit reichlich zu haben waren, ferner Zwangs- parthenogenesis und künstliche Befruchtung eingeleitet und Zuchten bis zum Alter von mehreren Wochen geführt werden konnten. Im reifen Zustande sind die Geschlechter leicht zu unterscheiden, indem die fertilen Segmente infolge des Durchscheinens der Genital- produkte bei den Männchen eine milchigweiße, bei den Weibchen eine braunrote, braungelbe bis grüngelbe Farbe haben. In dem kühlen und regnerischen Frühling 1911 war Aricia von Anfang Februar an geschlechtsreif. Die Fruchtbarkeit erreichte in der zweiten Märzhälfte ihr Maximum, um etwa Mitte Mai zu erlöschen. Auf die interessanten öcologischen Verhältnisse der nach vierwöchent- licher Pause wiederholten Eiablage mit gleichzeitiger Besamung durch das Männchen, die Bildung der den Laich enthaltenden Gallertwurst usw. kann hier nicht eingegangen werden. Bis zum Auskriechen der der Wurmform schon stark genäherten Trochophora-Larve vergehen je nach der Temperatur 6—12 Tage. Etwa in der Mitte der 2. Woche nach dem Verlassen des Nestes beginnen die Würmchen aus in die Zuchtgläser gebrachtem Schlamm Nahrung aufzunehmen. Die Bildungsstätte der Genitalprodukte findet sich ventral seit- lich im Peritoneum, wo, soviel ich bei der Eibildung sehe, morpho- logisch nicht besonders ausgezeichnete Zellen nach einigen Teilungs- prozessen als Oocyten heranwachsend in die Leibeshöhle proliferieren. Die Oocyten umhüllende Follikel finden sich nicht. Auch keine in bestimmter Zahl’ und Anordnung jeder Oocyte als Nährzellen bei- gegebene abortive Eizellen konnte ich beobachten. Es gelangen jedoch in den gruppenweise zu 8 beisammenliegenden Oocyten nicht alle zur völligen Entwicklung, und die in der Wachstumsphase ihren Geschwistern voraneilenden Zellen scheinen die zurückgebliebenen zu resorbieren. Mit Vollendung der Dotterbildung lösen sich die Oocyten von der Proliferation ab und harren der Entleerung nach auben. Bei künstlicher Entnahme aus der Leibeshöhle wie bei der natürlichen Ablage durch die Segmentalporen wird die Bildung des ersten Richtungskörpers eingeleitet. Bei der Untersuchung der Geschlechtszellen wandte ich hinsicht- lich der Genese nur der Eizelle meine Aufmerksamkeit zu, während ich die Spermatozoen im ausgebildeten Zustand auf ihren Aufbau hin studierte. Mit der Lebendbeobachtung ist für die Eibildung infolge der Kleinheit der jüngeren und der Undurchsichtigkeit der Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 385 älteren Stadien nicht viel auszurichten. Ich hielt mich daher an fixiertes Material. Zur allgemeinen Orientierung genügen Schnitte durch ganze Segmente. Für die feinere Cytologie ist aber der Er- haltungszustand der Eibildungszellen in solchem Material unzu- reichend. Auch können bei diesem Verfahren die Tiere nicht frisch zur Verarbeitung gelangen, sondern müssen erst einige Tage in einem Brei von Filterpapier hungernd gehalten werden, um ihren Darm von Sandpartikelchen zu reinigen. Durch Anschneiden des lebenden Tieres, dessen sonst heftige Kontraktionen in einer trockenen Glasschale (sehr großen, flachen Uhrschale) infolge Haftenbleibens durch klebrige Secrete unmöglich gemacht sind, brachte ich die Ei- bildungszellen in Blut und Leibeshöhlenflüssigkeit zum Ausflieben, um sie sofort mit der Pipette in das Konservierungsgemisch zu über- tragen. Nach vielerlei Versuchen fixierte ich das Aricia-Material immer in 3 Portionen, die zu gegenseitiger Kontrolle miteinander verglichen wurden (im ganzen wurden 450 Fixationen vorgenommen): in 6°/,iger Sublimatlösung in destilliertem Wasser mit einem mini- malen Zusatz von 98°/,iger Essigsäure, in FLEMmMIng’schem Gemisch (10 Teile 7,5°/,ige Chromsäure, 45 Teile destilliertes Wasser, 5 Teile 98%, ige Essigsäure, 40 Teile 1°/,ige Osmiumsäure) und in HERMANN- schem Gemisch (75 Teile 1°/,ige Platinchloridlösung, 5 Teile 98°/,ige Essigsäure, 20 Teile 1°/,ige Osmiumsäure). In der Sublimatlösung verblieben die Objekte 12 Stunden und wurden mit einer Lösung von 10°/, lodkalium und 1°/, Iod in 35°/,igem Alkohol ausgewaschen. Das Fiemmine- und Hermann- Material wurde nach 24stündigem | Aufenthalt im Gemisch etwa 3 Stunden in fließendem Leitungswasser gespült. Ferner wandte ich das BENDA- und Autmann-Verfahren an nach den Angaben in der Enzyklopädie der mikroskopischen Technik (2. Aufl., Berlin u. Wien 1910, p. 196ff. u. 31ff.). Totalpräparate ge- wann ich meist aus dem Sublimatmaterial. Sie wurden mit ver- schiedenen Karminfarben oder P. Maver’schem Hämalaun tingiert und in Nelkenöl untersucht. Wegen des Säuregehalts des Nelkenöls ist ein ‚allmähliches Verblassen unvermeidlich. Für Schnittpräparate wurden die losen und kleinen Objekte unter Vermeidung einer längeren Aufbewahrung in Alkohol in großen Mengen nach Xylol- durchtränkung mit Hilfe der trichterförmig ausgehöhlten Paraffin- scheibe (1911a, p. 547) oder von Gelatinekapseln nach P. Mayer, wobei ich statt Xylol auch Chloroform oder Terpineol gebrauchte, in Paraffin von 52—54° C Schmelzpunkt eingebettet. Der Aufenthalt im Wärmeschrank wurde so kurz wie möglich bemessen. Die Schnitt- 386 Jurıus SCHAXEL, dicke betrug für gewöhnlich 4 x. Ich färbte mit Karmin-, Häma- toxylin- und Anilinfarben und bediente mich meist des progressiven Verfahrens mit oder ohne Gegenfärbung. Auch elektive Färbungen aus Farbgemischen nahm ich vor. Ich gebe hier nur das Allgemeine an. Im Laufe der Darstellung kommen die herangezogenen be- sonderen Fälle von selbst zur Sprache. Die Spermatozoen gewann und fixierte ich auf dieselbe Weise wie das Eimaterial. Zur Untersuchung brachte ich sie, immer in engen Tuben arbeitend, wo sie sich am Boden sammeln, durch absoluten Alkohol und Nelkenöl in Nelkenöl-Kollodium. Von der an Spermato- zoen überreichen Masse übertrug ich einen Tropfen auf einen Objekt- träger, der nach Art eines Ausstrichpräparats an einem anderen abgestrichen wurde. Das Präparat konnte nun unter Vermeidung von absolutem Alkohol beliebig behandelt werden. Durch die Ver- wendung von Terpineol wurde auch das Auflegen eines Deckglases mit Kanadabalsam ermöglicht. Die reifen Eier zum Zwecke der künstlichen Befruchtung und anderer Experimente erhielt ich ebenfalls durch Anschneiden der Tiere wie oben angegeben. Vor Druck und Zerrungen bewahrte Eier aus vollreifen Weibchen, zu denen wenig, aber sehr bewegliches Sperma 15—20 Minuten nach der Entnahme aus der Mutter gegeben wurde, entwickelten sich in hohem Prozentsatz bis zum frei- schwimmenden Stadium, wenn das direkte Licht abgeblendet, täglich frisches (nicht Leitungs-) Seewasser gegeben, mechanische Insulte . abgehalten wurden und die Temperatur 16° C nicht überschritt. Meine etwa 3 Liter fassenden Zuchtgläser standen im März auf einer nach Süden gelegenen Loggia in einer geschlossenen Holzkiste. Dem vorliegenden Bericht über die normale Ontogenesis der Aricia dienten aber nicht diese künstlichen Zuchten, sondern ich entnahm das Material fast täglich gelieferten und weiter gezüchteten, im Freien abgelegten Einestern. Durch Anschneiden wurden die Eier aus den Gallertwürsten zum Ausfall gebracht. Durch gelindes Pipettieren konnte nachgeholfen werden, ohne den Objekten zu schaden. Die zu Würmern heranzuziehenden Tiere beließ ich natür- lich bis zum selbständigen Auskriechen in ihren Hüllen. In flachen Schalen hielt ich sie bei täglichem Wasserwechsel viele Wochen und fütterte sie ungefähr vom 12. Tag des freien Lebens an mit dem an den Glaswänden der Zimmeraquarien der Station sich an- setzenden algenreichen Schlamm. Fixierung, Anfertigung von Total- und Schnittpräparaten und Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 387 Färbung nahm ich für die Untersuchung der Entwicklung in der- selben Weise vor, wie ich sie oben für die Eibildung angab. Für die ersten Furchungs- und späteren Entwicklungsstadien schnitt ich bestimmt orientierte Objekte, die mit Nelkenölkollodium an einem drei- eckig zugeschnittenen Stück Gelatine befestigt waren, das vom Paraffinblock abgelöst wurde. Im allgemeinen aber erwies es sich in Anbetracht der vielen Schnittebenen, die ich durch die Furchungs- stadien zu legen hatte, als zweckmäßiger, eine sehr große Anzahl von Embryonen auf die S. 385 genannte Weise einzubetten. Fast ausnahmslos ließ sich dann an der Hand eines rollbaren Nelkenöl- totalpräparats in den Schnittpräparaten die gewünschte Schnitt- ebene ausgeführt finden. Herrn Prof. H. Erste in Neapel verdankte ich eine vorzüglich erhaltene Serie von Totalpräparaten der Aricia- Entwicklung vom 1. bis zum 108. Tag nach dem Auskriechen, die mir zur ersten Orientierung ‘wertvolle Dienste geleistet hat. Auch sonst war mir in vielen Annelidenfragen sein erfahrener Rat von großem Nutzen. Herrn Prof. P. Mayer in Neapel schulde ich Dank für seine gütigen Belehrungen, die mir über manche technische Schwierigkeit hinweghalfen. { II. Die Eibildung und die Befruchtung. Oocyte erster Ordnung. — Bildung des ersten Richtungskörpers. — Bau der Spermatozoen. — Besamung. — Bildung des zweiten Richtungs- körpers. — Einleitung der Befruchtung. — Zusammensetzung der furchungs- bereiten Eizelle. — Literatur. Die Eibildung ist hier als Vorentwicklung der mit der Be- fruchtung einsetzenden Ontogenesis dargestellt. Ich gehe daher hauptsächlich auf solche Vorgänge näher ein, die sich auf die folgenden Entwicklungsprozesse beziehen. Speziell oogenetische Fragen werden nicht berührt, so die zahlenmäßigen Chromosomen- probleme und die Dotterbildung. Letztere weist morphologisch nichts Besonderes auf, wenn sie auch mikrochemisch ein Desiderat ist, mit dem wir uns hier nicht zu beschäftigen haben. Nur von dem Verhalten der Nucleolen ist mehr die Rede. Ausführlich be- handelt werden dagegen die morphologischen Beziehungen von Kern und Zelleib, die Äußerungen der Aktivität der Kernsubstanzen im Zusammenhang mit den Reaktionen im Zelleib, das Verhalten des älteren Keimbläschens, die Substanzumlagerung bei der Keim- bläschenauflösung, der Substanzimport bei der Besamung und die 388 JULIUS SCHAXEL, Lokalisation der morphologisch unterscheidbaren Substanzen in der ersten Furchungszelle. 1. Die Oocyte erster Ordnung. a) Die Ausgangszellen. In den Eibildungsstätten des Peritoneums finden sich Mitosen, wie sie die Fig. 1 darstellt. Die durch Nachschub von der Ver- mehrungszone und namentlich durch eigenes Wachstum in den Pro- liferationen vorgedrängten Zellen sind Oocyten. Die Kernvorgänge vor Einsetzen des Wachstums sind intrachromatische, namentlich solche der Translokalisation des Chromatins. Die Frage der zahlen- mäßigen Reduktion der Chromosomen berührende Erscheinungen wären hier zu suchen, mit denen wir uns nicht befassen. Weiterhin bereitet sich der Kern zur Chromatinassimilation vor. Schon in dem um das noch fädige Chromatin abgegrenzten Kern erscheint ein wandständiger Nucleolus, zunächst der Kernmembran dicht anliegend und flachgedrückt an einer Stelle, nach der die Chromatinfäden konvergieren (Fig. 2). Bei der folgenden Auflockerung des Chro- matins, die zu einer Verteilung auf dem Kerngerüst führt, bleiben die ursprünglichen Chromosomenbezirke mehr oder weniger erkennbar. Nach der Art wie die Zellen in den Proliferationen liegen, scheint die Seriation der Stadien folgende zu sein. Unter Alveolisation ver- kürzen sich die Fäden, wobei ihre Enden etwas verdickt erscheinen (Fig. 3). Nach der Verteilung im ganzen Kernraum legen sie sich der Innenseite der Kernmembran an (Fig. 4), wo die chromatischen Körperchen in Gruppen anscheinend zu vieren (Tetraden) länger ver- weilen (Fig. 5). Von hier aus beginnt unter zunehmendem Un- schärferwerden der Begrenzung die Chromatinverteilung über das Kerngerüst. Der wenig färbbare Nucleolus rückt währenddessen von der Kernmembran ab ins Kerninnere, wobei er sich abkugelt. Die Chromatinanreicherung setzt jetzt ein (Fig. 6). Der Zelleib der jüngsten Oocyten besteht aus einer dünnen Schicht achromatischen Cytoplasmas, das je nach der angewandten Konservierung die dem undifferenzierten Plasma eigentümlichen Schwankungen im Struktur- bild zeigt, soweit überhaupt die minimale Quantität eine Beobachtung gestattet. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 389 b) Die Chromatinemission. Mit zunehmendem Undeutlichwerden der chromosomalen An- ordnung des Caryochromatins erscheinen zerstreut kleine Chromatin- nucleolen, die jedoch keinen weiteren Bestand haben (Fig. 6). Ihr wechselvolles Vorkommen deutet vielmehr auf rege Prozesse im Kerninnern, deren Endeffekt uns als Chromatinanreicherung im ganzen und als besonderer chromatischer Nucleolus entgegentritt (Fig. 7). Zu dem früher gebildeten achromatischen Nucleolus tritt der neue chromatische vielfach von Anfang an in eine eigenartige Beziehung. Er lagert sich ihm so an, daß er bald in den größeren achromatischen Nucleolus eingedrückt (Fig. 8 u. 9), bald ihm kappen- artig aufzusitzen scheint (Fig. 10). An der Berührungsstelle treten zuweilen Mischfärbungen auf. Diese Aneinanderlagerung der Nu- cleolen ist keine allgemeine. Man findet viele Oocyten entsprechen- der Stadien, wo die Nucleolen nur benachbart ohne Berührung liegen. So sei Fig. 119 mit der entsprechenden Fig. 117 verglichen. Wir werden sehen, daß die Vereinigung der Nucleolen immer nur eine zeitweilige ist. Hat die Chromatinanreicherung einen gewissen Grad erreicht, so treten mit gleichzeitig einsetzendem Zellwachstum auf der ganzen Außenseite des Kernes seiner Membran ein- und dicht aufgelagert zahllose feinste Chromatinpartikel auf, die bald an manchen Stellen in größerer Menge erscheinen, so daß sie auffällige schuppige Massen in unmittelbarer Kernnähe bilden. Dieser Emissionsprozeß dauert ziemlich lange an. Kern und Zelleib gewinnen gleichzeitig an Volumen. Nach dem Zelleib zu ist die Begrenzung der Chromatin- kuppen eine durchaus unscharfe. Zu ihrer Auflockerung und staub- artigen Verwischung auf dieser Seite stimmt die zunehmende Chro- matizität des Zelleibes. Wir nehmen daher eine Verteilung des emittierten Chromatins von den extranucleären Kuppen aus durch den Zelleib an. Auf der Kerninnenseite vermissen wir in der Aricia- Oocyte die anderweitig gefundene Chromatinstauung. Die geringe Konzentration des Chromatins, das auf mehrere gegeneinander nicht abgegrenzte Zentren (wenn man will: die ehemaligen Chromosomen- bezirke) verteilt bleibt, wenngleich ein chromatischer Nucleolus für die Dauer der Emission ebenfalls vorhanden ist, mag damit im Zu- sammenhang stehen. In den einfarbig wiedergegebenen FLEmMmIsG-Eisenhämatoxylin- Lichtgrün-Präparaten (Fig. 8—11) sind die Hauptmomente der Emis- 390 Junius SCHAXEL, sion wiedergegeben. Die Figg. 8 und 9 zeigen den Beginn. Im Kerninnern sind die Chromatinzentren eben noch voneinander trenn- bar, der Doppelnucleolus sehr deutlich. In Fig. 8 sind der Kern- membran Chromatinpartikel eingelagert, und in Fig. 9 finden sich bereits äußere Anlagerungen, von denen aus die Zerstäubung an- fängt, während sonst im Zelleib noch Achromasie herrscht. In Fig. 10 sind die Chromatinzentren des Kernes zu einem Reticulum verflochten. Der chromatische Nucleolus verdeckt den achromati- schen, dem er aufsitzt, zum Teil. Große Chromatinaußenkuppen zeigen den Höhepunkt der Emission an. Die Chromasie des Zell- leibes macht sich bereits geltend. Die Oocyte der Fig. 11 nähert sich dem Ende der Emission. Im Kern erscheinen wieder isoliertere Chromatinbezirke. Die beiden Nucleolen sind getrennt. Dem Zell- leib ist reichlich Chromatin eingelagert. Fig. 107 entstammt einem Präparat, das wie die vorigen in FLemming’schem Gemisch fixiert und progressiv unter Kontrolle mit Safranin gefärbt wurde. Sie stellt ein mittleres Emissionsstadium entsprechend der Fig. 10 dar. Nur der chromatische Nucleolus, die Chromosomenbezirke des Kernes und das extranucleäre Emissum haben den Farbstoff aufgenommen, während das Grundplasma und der achromatische Nucleolus den gelblich durchscheinenden Farbenton aufweisen, der vom Fixier- mittel herrührt. Auch die dieser Konservierungsweise eigentiimliche schaumige Plasmastruktur ist zu sehen. Fig. 119 entstammt der mit Sublimatlösung fixierten Eiportion desselben Tieres wie 107 und stellt eine Oocyte auf demselben Stadium dar. Gefärbt wurde sehr kurz (3 Minuten) mit P. MAyver’schem Hämalaun und dann mit Eosin. Hämalaun haben aufgenommen der Chromatinnucleolus, der diesmal isoliert liegt, das Caryochromatin und das Emissum. Bläu- liche Töne zeigt auch der achromatische (wie ich ihn wegen seiner allgemeinen Tinktion nenne, jedenfalls ist er auch durch seine Größe und sein späteres Verhalten charakterisiert) Nucleolus und stärker die Umgebung des Emissums. Das Grundplasma besitzt eine ge- rinnselige Geflechtsstruktur, und die Chromatinpartikel agglutinieren, so dab die Außenkuppen eigentümlich schuppig erscheinen. c) Die Postemissionsstadien. Die Emission, im Kerne vorbereitet, leitet die charakteristischen Vorgänge der Eibildung in der Wachstumsphase ein. Die dünne Plasmaschicht, die den Kern der jüngsten Oocyten umgibt und in der nur die Bestandteile undifferenzierten Plasmas in unbestimmter Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 391 Anordnung sich nachweisen lassen, wird zu dem mächtigen Eileib ausgebaut, dessen Konstitution sich für die ersten Entwicklungs- vorgänge von. wesentlicher Bedeutung zeigt. Wenn auch die Forschungsmittel der Cytomorphologie nur eine relativ geringe Mannigfaltigkeit von Erscheinungen offenbaren, so reichen sie doch hin, durch die Aufklärung über den groben Verlauf der Vorgänge und deren gegenseitiges zeitliches und räumliches Verhältnis wich- tige Hinweise zum Verständnis der Lebensprozesse zu liefern, die sich im Rahmen der Postemissionsstadien abspielen. Die morphologischen Anzeichen dulden es, die Erscheinungen in Kern und Zelleib getrennt zu behandeln; denn substantielle Be- ziehungen sind nach Abschluß der Emission nicht mehr zu be- obachten bis zur Auflösung des Keimbläschens. Diffusionsvorgänge werden dadurch nicht in Abrede gestellt. Die Volumenzunahme des Kernes ist nur durch Flüssigkeitsaufnahme aus dem Zelleib möglich. Ferner ist die Lokalisation der Substanzen im Kern nicht be- deutungslos für diejenige im Zelleib, denn bei der Keimbläschen- auflösung wird die erstere maßgebend für die Substanzenordnung im Ei. a) Der Kern. Wir haben es zu tun mit den als Chromatinen zusammenge- faßten und den in den Nucleolen lokalisierten Substanzen. Am Ende der Emissionsphase werden die Chromatinzentren, die als Fortsetzung der Chromosomenbezirke betrachtet werden können, wieder deutlicher (Fig. 12). Dieser Zustand hält jedoch nicht an, indem das Chromatin eine feine Verteilung in dem voluminöser werdenden Kernraume erfährt. Die Färbbarkeit erscheint dabei geringer, und kurz vor Erscheinen der an der Richtungskörperbildung teilnehmenden rekonstruierten Chromosomen sind kaum noch Spuren der ehemaligen Chromatincentren wahrzunehmen. Die Figg. 13, 14, 15, 17 illustrieren das Verhalten des Chromatins in Rekonstruktion. Sie zeigen gleichzeitig eine andere merkwürdige Erscheinung der chromatischen Substanz, die am deutlichsten durch FLEemmING- Fixierung dargestellt werden kann, wenngleich sie auch bei anderen Verfahren nicht vermißt wird. Ihr ausnahmsloses Auftreten macht den Verdacht eines Kunstproduktes hinfällig. Im Stadium der Chromasie des Zelleibes verdichtet sich ein Teil des Kerninhaltes in einer einseitigen Randschicht, die eine Kalotte bildet um den übrigen Kern, in dem der Nucleolus liegt und die Chromatinver- 399 JULIUS SCHAXEL, teilung vor sich geht (Fig. 13). Diese Außenschicht gewinnt bald an Masse, und Bilder wie die Fig. 14 sprechen dafür, daß zu- führende Ströme aus dem Kerninnern sie vermehren. Während des ganzen Eiwachstums nimmt die Außenschicht noch zu. In bis auf die Richtungskörperbildung und ihre Begleitphänomene reifen Oocyten sieht das Keimbläschen aus, wie ich es in Fig. 15 abgebildet habe. Chromosomenrekonstruktion, Bildung der Kernaußenschicht und Ei- leibreifung sind Prozesse, die gleichzeitig vor sich gehen. Was die Lage der Außenschicht anbetrifit, so nimmt ihre Hauptmasse den dem exzentrischen Nucleolus opponierten Kernteil ein, während ihre Ausläufer bei maximaler Ausbildung fast unter der ganzen Kern- oberfläche sich ausdehnen. Die bisher besprochenen Figuren stellen Schnitte dar, die so durch die Oocyten geführt sind, daß der Nucleolus im größten Durchmesser und die dickste Partie der Außenschicht getroften ist. So erscheint die Außenschicht halbmondförmig. Es lassen sich natürlich auch Schnitte so anlegen, daß Ringe von gleicher Dicke erscheinen. In den Präparaten ist die Außenschicht deutlich von der Kernmembran umschlossen zu sehen. Daß sie sich im Innern des Kernes befindet, läßt sich, abgesehen davon, daß bei der Verfolgung ihrer Entstehung ein Zweifel wohl nicht aufkommt, auch durch folgenden Versuch erweisen. Durch Druck auf frisch dem Muttertier entnommene Oocyten, die unmittelbar vor dem Reife- abschluß stehen, läßt sich in vielen Fällen das Keimbläschen zum Platzen bringen, noch ehe eine rechte Keimbläschenauflösung erfolgt. Fig. 16 stellt einen Schnitt durch ein so behandeltes Ei dar. Aus dem Kern ist reichlich Kernsaft, den Dotter auflockernd, ausge- treten und hat die in Rekonstruktion befindlichen Chromosomen samt dem Nucleolusrestkérper mit sich geführt. Innerhalb der kollabierten Kernmembran ist nur die Außenschicht in zusammen- geschobenem Zustande zurückgeblieben. Das Erhaltenbleiben der Außenschicht in der Kernmembran kann noch dafür vorgebracht werden, dab auch im Leben eine dichte Substanzansammlung vor- handen ist und nicht eine mit Regelmäßigkeit eintretende Fixations- wirkung vorliegt. Über den feineren Bau des Gebildes mag die Fig. 108 orientieren, die einen Kernquadranten in 4 x dickem Schnitt bei 1500facher Vergrößerung wiedergibt. Es handelt sich um ein FLEMMING-Präparat, das progressiv mit Safranin gefärbt wurde. Die Außenschicht ist maximal ausgebildet. Nach dem Zelleib zu ist sie von der Kernmembran scharf begrenzt. Gegen das Kern- innere geht sie ziemlich unvermittelt in das mit feinsten Chromatin- Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 393 partikeln besetzte Alveolarsystem über, das auch ihr selbst zur Grundlage zu dienen scheint. Nur wo im Binnenteil des Kernes Chromosomenrekonstruenten vom Schnitt getroffen sind, sieht man verbindende Stränge dichterer Substanz von diesen zum Nucleolus und zur Außenschicht verlaufen. Mit Safranin gesättigte Partikel von kugliger Gestalt und verschiedener Größe, die meist zu mehreren gehäuft sind und oft agglutinieren, setzen die Außenschicht zu- sammen. Das übrige Chromatin ist blasser gefärbt. Caryo- und Cytoplasma zeigen nur eine leichte Rötung, gemischt mit dem gelb- lichen Ton, der vom Fixiermittel herrührt. Während der Emission konstatierten wir zwei Nucleolen, von denen der eine und größere schon in den frühen Präemissionsstadien erscheint und wegen seines tinktoriellen Verhaltens als der achro- matische bezeichnet wurde, während der kleinere chromatische erst mit der die Emission vorbereitenden Chromatinanreicherung auftritt. Das Schicksal dieser beiden Kernkörper läßt sich an mit HERMANx- schem Gemisch fixierten und frisch verarbeiteten Material gut ver- folgen. Die Existenz des chromatischen Nucleolus ist von kurzer Dauer. Er bleibt entweder isoliert oder legt sich dem achromatischen Nucleolus in eigenartiger Weise an, wie ich S. 9 schon ausführte. In den Postemissionsstadien verblaßt er, trennt sich wieder von dem größeren Kernkörper und bleibt im Keimbläschen noch eine Zeitlang als winziger Restkörper auffindbar, bis er schließlich gänzlich ver- schwindet. Die Figg. 19—22 zeigen seine Beziehungen und sein Größenverhältnis zum achromatischen Nucleolus. Dieser erscheint zuerst homogen. Schon bei der Chromatinanreicherung beginnt von der Seite her eine alveoläre Umbildung seiner Substanz, die allmäh- lich ins Innere vordringt (Fig. 19). Bald macht sich auf der Gegen- seite eine Auflockerung anderen Aussehens bemerkbar, indem die oberflächliche Schicht blasig ausgehöhlt wird (Fig. 20). Beide Pro- zesse führen schließlich dazu, dab ein alveolisierter Binnenkörper von einer gegitterten Außenschicht umhüllt wird (Fig. 21). Dieses Stadium wird bald nach der Chromasie des Zelleibes erreicht. In der folgenden langen Dotterbildungsphase treiben vielfach ineinander- fließende Vacuolen den Nucleolus zu einem beträchtlichen Umfang auf, ohne daß sich an seiner Zusammensetzung etwas Wesentliches mehr ändert. Fig. 22 stellt den Nucleolus beim Beginn, Fig. 23 etwa in der Mitte der Dotterbildung und Fig. 24 vor der Auflösung des Keimbläschens dar. So gelangt er mit dem abströmenden Kern- saft in den Zelleib, wo er alsbald spurlos verschwindet. Nur selten 394 JULIUS SCHAXEL, begegnet man zur. Zeit der anaphasischen Richtungsspindel noch krümeligen Resten. A). Dien Zeller: Der Emissionsvorgang bringt zu dem Cytoplasma das Chromatin, das sich von den extranucleären Ansammlungen aus im Zelleib ver- teilt. Auch größere Portionen rücken vom Kern ab, um erst nach und nach eine allmähliche Zerstreuung zu erfahren. Der Zustand der Chromasie resultiert aus diesem Prozeß. Die auffällige Färbbar- keit des Zelleibes kann bei hinreichend starker Vergrößerung und bei Vermeidung von Überfärbung leicht auf eine in feinen Partikeln verteilte Substanz zurückgeführt werden, die dem jetzt ebenso wie vorher oder nachher strukturierten Grundplasma eingelagert ist. Die als Nährzellen degenerierenden, d. h. unter fortschreitenden Rückbildungserscheinungen den dotterbildenden Oocyten anliegenden und schließlich verschwindenden Zellen bleiben meist auf dem Stadium der Chromasie stehen. Die Dotterbildung setzt alsbald ein. Sie geht im ganzen Zelleib vor sich, der sich stark ausdehnt und von dessen Chromatin eine dem Dotter proportionale Menge erschöpft wird, während der Rest als intervitelline Verdichtungen erhalten bleibt. Der gebildete Dotter hat nicht überall dasselbe Aussehen. Der morphologische Befund weist nicht in auffälliger Weise auf chemische Verschiedenheiten hin. Trotzdem verhalten sich nicht alle Dotter- bestandteile gleich gegen Osmiumsäure oder Iod und hinsichtlich der Löslichkeit in Alkohol. Für unsere Betrachtung von Wichtigkeit ist die differente Größe der einzelnen Dotterstücke, die Dotterverteilung in konzentrischen Schichten und Unterschiede zwischen den Eiern ihrer Herkunft nach. Die letzte Erscheinung ist interessant als Fall von intracellulärer Variabilität. Auf die Entwicklungsvorgänge ist sie von keinem prinzipiellen Einfluß. Die Kaliberunterschiede der Dotterstücke und die Dotterschichtung stehen in Zusammenhang. An seiner Bildungsstätte verbleibend hat der Dotter in der Oocyte bei vollendeter Vorreife (also vor der Keimbläschenauflüsung) folgende konzentrische Schichtung um den Kern, der nicht genau das Zentrum der Zelle einnimmt: dichter grober Dotter, lichter feiner Dotter, lichter grober Dotter, dotterfreie Oberflächenschicht. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 395 Dabei wird die Zellform durch die Druckverhältnisse ihrer Um- gebung bestimmt, da die Abrundung zur Kugel erst beim Schweben in einem flüssigen Medium stattfinden kann. Trotzdem ist die Ver- teilung des Zelleibinhaltes in der angegebenen Weise in allen Radien gleich, während der Kern gleichzeitig hauptsächlich infolge der exzentrischen Außenschicht eine durchaus asymmetrische Anordnung seiner Substanzen aufweist. Fig. 25 stellt einen bestimmt orien- tierten Schnitt durch die vorreife Oocyte dar, die das Geschilderte erkennen läßt. Wir wenden uns nun noch einigen Detailbildern zu, die Einzel- heiten über die Zusammensetzung des Zelleibes der Oocyte vor Auf- lösung des Keimbläschens erläutern sollen. Die Schichtung tritt dabei nicht so deutlich wie bei den Übersichtsbildern zutage, da in den der Raumersparnis wegen zur Darstellung gebrachten Sektoren von kurzem Radius (bei exzentrischem Keimbläschen) die Übergänge ausgleichender wirken. Dafür haben wir Gelegenheit Differenzen im Strukturbild in Abhängigkeit von verschiedenen zur Verwendung ge- langten technischen Verfahren, die Dotterformen und die Variations- typen der Eier hinsichtlich ihres Dotters kennen zu lernen. Die Zeich- nungen sind nach 4 « dicken Schnitten bei 1500facher Vergrößerung hergestellt. Wir müssen uns hier miteiner Auswahl aus vielen begnügen. Fig. 124 u. 109 entstammen FLEMMING-Präparaten von der im ersten Kapitel angegebenen Behandlungsweise Sie wurden durch Chloroform in Paraffin gebracht und nur 40 Minuten einer Wärme- einwirkung von 54° C ausgesetzt. Das Cytoplasma zeigt eine wabig- schaumige Struktur von ziemlicher Deutlichkeit. Die Chromatin- kondensata folgen dem dichteren Plasmabestandteil (den „Waben- ‚wänden“) in Form granulierter verzweigter Stäbchen. Fig. 124 wurde mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün gefärbt. Gegen diese Hämateinfarbe wird neuerdings der Vorwurf des unterschiedlosen Allesfärbens erhoben. Bei Anwendung einer guten Lösung und Heran- ziehung reichen Vergleichsmaterials tut sie dennoch sehr gute Dienste. Im vorliegenden Fall ist das Cytoplasma graugrün und der Dotter matt schwarz, während das Chromatin schwarzblau erscheint. Die Dotterelemente sind von mittlerem Umfang und liegen in Nestern beisammen. Die progressive kurze Safraninfärbung der Fig. 109 gibt dem Plasma einen zarten gelblich-roten Ton. Der Dotter hat so gut wie keine Farbe aufgenommen und ist im dünnen Schnitt durch- scheinend gelblich-grau. Den Chromatinverdichtungen hat sich viel Safranin ein- und aufgelagert; denn sie erscheinen voluminöser als Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 26 396 JULIUS SCHAXEL, z. B. in Fig. 124. Bei Fig. 115 handelt es sich ebenfalls um Fremmins -Fixierung, doch wurde diesmal 24 Stunden mit destil- liertem Wasser ausgewaschen. Ich ließ P. Mayer'sches Hämalaun 20 Minuten, dann Brunnenwasser ebenso lange einwirken und färbte mit alkoholischem Eosin nach. Alle Farben erscheinen stumpf in einem grauen Ton. Cytoplasma und Dotter haben Eosin auf- genommen, und nur in den Chromatinverdichtungen wird Hämalaun zurückgehalten, das sie blabblau färbt. Der Dotter ist hier be- sonders großkalibrig und spärlich zerstreut, während er in Fig. 109 in kleinen Stücken, aber reichlicher verteilt ist. Die Hermann - Fixierung (Fig. 114) ergibt eine weniger pro- noncierte Plasmastruktur als die FLEMMING- Fixierung. Sie kann als granulär-schaumig bezeichnet werden. Das Chromatin ist in eigentümlicher Weise knorrig verzweigt. Nach Überfärbung mit Gentianaviolett wurde mit absolutem Alkohol differenziert, bis das wiedergegebene Bild zustande kam, das einen Zustand darstellt, von dem aus weiteres Entfärben langsamer als bisher vor sich geht. Der Dotter ist graugrün, eine Wirkung des Platinchlorids. Das Cytoplasma ist blaugrau. Nur das Chromatin ist tief violett und wohl durch Auflagerung massig gefärbt. Der Dottertypus ist der- selbe wie in Fig. 109. Nach Sublimatessigsäure-Fixierung sind die Strukturen intolge Quellung etwas verwischt wie in Fig. 116. Oft scheint das Plasma fädig strukturiert und der Dotter in besonderen Alveolen zu liegen. Die Chromatinmassen sind stark verbacken, so daß sie manchmal fast homogen aussehen. Nach einer Hämalaunfärbung von 3 Minuten und Gegenfärbung mit Eosin tritt das Chromatin auffallend blau zu- tage. Der Dotter und weniger das Cytoplasma sättigen sich mit Eosin. Wegen des besonderen Interesses, das ihm heute entgegen- gebracht wird, sei noch die Wirkung des Brenpa-Verfahrens ge- schildert. Fig. 134 stellt das Resultat eines solchen Versuches dar, der bei den dotterreichen Eiern nicht so regelmäßig gelingt wie in Anwendung auf die Gewebszellen, wenn die Dotterresorption der Hauptsache nach vollzogen ist. Die Grundmasse wird von einer sranulär strukturierten Substanz, die Alizarinfärbung angenommen hat, gebildet. Aus der gelb-rötlichen Masse heben sich bräunliche Verdichtungen hervor, die nicht selten als verzweigte Stäbchen er- kennbar sind und die ich ihrer Lage und ihrem Aussehen nach mit den anderweitig dargestellten Chromatinkondensaten homologisieren möchte. Der Dotter zeigt eine grauviolette Tinktion, wohl eine Zu- Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 397 sammenwirkung des Krystallvioletts und der Osmiumverbindung. Die stark blauvioletten als Körner oder kürnige Fädchen erscheinenden Gebilde halte ich für Chondriosomen. Sie finden sich in allen dotter- freien Partien unregelmäßig zerstreut. In der dotterfreien Ober- flächenschicht bilden sie radiär stehende Fasern. Es sei gleich hier bemerkt, daß bei den im folgenden Abschnitt zu besprechenden, später im Zelleib vor sich gehenden Substanzumlagerungen die Chon- driosomen in den dotterfreien Partien, namentlich da, wo faserige Strukturen zustande kommen, reichlich dargestellt werden können. Auch in gewöhnlichen mit Eisenhämatoxylin gefärbten FLEMMING- Präparaten werden sie oft sichtbar. Die vorstehende kleine Auswahl verschiedener technischer Ver- fahren und Eitypen reicht schon hin, um zu zeigen, daß die an- gewandte Technik hauptsächlich in den Strukturerscheinungen des Plasmas zum Ausdruck kommt; denn hier treten relativ betracht- liche Unterschiede hervor. Die cytomorphologische Betrachtung ist daher nicht ohne weiteres geeignet, Einsicht in den Aufbau des lebenden Plasmas zu geben. In den Objekten selbst gelegene Differenzen betreffen nur geringfügige Besonderheiten in der Aus- stattung mit Pseudoplasma. Größere Dotterschollen sind in kleinerer Anzahl, kleinere in größerer vorhanden und bald diffus, bald mehr in einzelnen Häufchen im Zelleib verteilt. Übereinstimmung, gleich- sinnige Reaktion bei differenter Technik, herrscht dagegen dann, wenn wir an diese keine andere Anforderung stellen, als Substanzen, deren chemisch-physikalische Eigentümlichkeiten wir vorläufig un- berührt lassen, sichtbar zu machen: achromatisches Cytoplasma, intervitelline Chromatinkondensata und Dotter in bestimmtem gegen- seitigen Lageverhältnis (Lokalisation) lassen sich auf mannigfaltige Weise zur Darstellung bringen. 2. Der Abschluß der Reifung samt der Befruchtung. Im Verlauf der Vorreifung werden die an der Ontogenesis teil- nehmenden Substanzen des Eies gebildet. Nach der Chromatin- emission geht die Konstitution des Eileibes ohne weitere nachweis- liche substantielle Beteiligung des Kernes vor sich. Allseitig wie das Emissum an der Außenfläche des kugligen Kernes erscheint, verteilt es sich im Zelleib, und am Schlusse der Vorreifung ist dessen Inhalt zwar in radiärer Richtung geschichtet, doch in allen Radien in derselben Weise. Der Kern hingegen nähert sich durch die Bildung der Außenschicht in seiner äußeren Form mehr dem Ovoid 26* 398 JULIUS SCHAXEL, als der Kugel, und die Substanzverteilung wird zu einer asym- metrischen, indem dem etwa kugligen Innenkern die Außenschicht einseitig aufsitzt. Die nun sich anschließenden Vorgänge gehen von der Außenschicht aus und führen zu einer in ihren Folgen die Ent- wicklung beherrschenden Neulokalisation der Substanzen im Eileib. a) Die Einleitung der ersten Richtungskörperbildung. An der breitesten Stelle der Kernaußenschicht sondert sich ein Plasma von faserigem Bau. Die Kernmembran verschwindet, und die Außenschicht verliert zunehmend an Masse. Ein zuweilen wahr- nehmbares mit Eisenhämatoxylin geschwärztes körniges Gebilde auf der Kernseite des dotterfrei gewordenen Plasmabezirkes wird als Centriol angesprochen werden. Mit dem alsbald abströmenden Kern- saft kommt Bewegung in den ganzen Eileib. Zunächst wird der kernnahe dichte grobe Dotter im Bereich der ersten Membranauf- lösungsstelle gelockert und nach der entgegengesetzten Seite ab- geschoben. Mit Auflösung der ganzen Kernmembran weichen die Zelleib-Einlagerungen allseitig in radiärer Richtung zurück und er- fahren infolge Freiwerdens des bisher vom Kern eingenommenen Zellteils eine weniger dichte Lagerung. Diese Vorgänge finden un- mittelbar nach der künstlichen Entnahme vorreifer Eier aus dem Muttertier und sehr wahrscheinlich während der natürlichen Ablage statt. Gleichzeitig erfolgt die Abkugelung der Zelle und zu- nächst eine Ausdehnung des Zellganzen. Im Bereich des Quadranten. in dem die Membranauflösung begonnen hat (durch die Lage der Außenschicht gekennzeichnet), erscheint die durch riesige Sphären auffallende Teilungsspindel, nähert sich unter Verkürzung der Kern- oberfläche und verharrt auf dem Stadium der Anaphase bis zur Be- samung oder Einleitung der Zwangsparthenogenesis. Mit Ausbildung des Teilungsapparats kontrahiert sich die Zelle wieder. Diese Beobachtungen wurden zunächst in vivo gemacht, dann an etappenweise fixiertem Material in toto studiert und schließlich an Schnittpräparaten die genauere Untersuchung vorgenommen. Die Figg. 25—29 stellen solche gleichsinnig orientierte Schnittbilder dar. Die Fig. 26 zeigt gegen 25 den Beginn der Keimbläschenauflösung an vorbestimmter Stelle. Der ecircumnucleäre Dotter in Fig. 25 ist in Fig. 26 seitlich abgedrängt. In Fig. 27 ist die Kernmembran und Außen- schicht gänzlich verschwunden, und um den die Chromosomen ent- haltenden Kernrest (auch der verschrumpfte Restkörper des Nucleolus ist noch sichtbar) scheinen die Einlagerungen des Cytoplasmas in Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. 1. 399 radiärstrahliger Anordnung zu liegen. Die allgemeine Auflockerung und die einseitige Zusammenschiebung des ehemals kernnahen Dotters sind deutlich. Die Figg. 28 und 29 stellen Schnitte durch die ana- phasische Richtungsspindel aus besonders großen Oocyten, die sich bei einigen Individuen finden, dar. Schnitt 28 ist in derselben Ebene wie die vorhergehenden durch Spindel und Zelle geführt, während Schnitt 29 auf 28 senkrecht steht und ebenfalls die Spindelachse enthält. Auf die exzentrische Situation der Spindel in Fig. 28 und den Dotterreichtum im Gegenoktanten, sowie auf die seitliche Lage der Spindel in Fig. 29 (nach rechts gerückt in der Figur) komme ich noch zurück. Vom Schichtenbau des Zelleibes zeigt sich morpho- logisch durch die Dotterbildung folgendes, ‚wobei noch die Ex- zentrizität zu berücksichtigen ist: von außen her gelangen wir durch die dotterfreie Oberflächenschicht, dichten Dotter in all- mählicher Lockerung, lichten Dotter, wieder dichteren Dotter zum dotterarmen bis dotterfreien, strahligen Teilungsplasma. Wir betrachten noch das Schicksal der Keimbläschenbestand- teile bei der Richtungskörperbildung. Kernmembran und Außen- schicht verschwinden während des Lösungsvorganges. Das S. 392 geschilderte Verhalten der Außenschicht deutet auf eine zähe Kon- sistenz. Für die Kernmembran nehmen wir eine dichte sehr enchy- lemaarme Fügung des Plasmas an. Es handelt sich also wohl um eine Verflüssigung dieser Bestandteile. Der Kernsaft lockert den Zellinhalt auf, der nun auch den ehemaligen Kernbezirk der Zelle einnimmt. Ein Vergleich der Dotterdichte in der Kernnähe in den Figg. 17 oder 18 und 15 zeigt die Lockerung deutlich. Auch in der Fig. 16, wo der Kerninhalt künstlich vorzeitig zum Austritt ge- bracht ist, ist sie zu bemerken. Die Chromosomenintegration geht auf den Schluß zu sehr rasch vor sich. Während unmittelbar nach dem Verschwinden der Kernmembran (Fig. 17) die Chromosomen- rekonstruenten eher weniger deutlich sind als kurz vorher im in- takten Kern (Fig. 15), treten sie bald darauf um so schärfer zutage (Fig. 18, Ausschnitt in der Ebene der späteren Äquatorialplatte). Wie bei allen Kernauflösungen zum Zwecke der Teilung bleibt noch auberchromosomales Chromatin übrig. Es verschwindet in den Zelleib gelangt gleich dem verschrumpfenden Nucleolus alsbald. Was die Teilungsstrukturen betrifft, so habe ich während der Wachs- tumsphase keinerlei Präformationen dazu beobachtet. Sie erscheinen als unmittelbare Fortsetzung der Zellvorgänge nach Aufgabe einer distinkt abgegrenzten Kernregion. Dabei ist ihr Ort durch die 400 Jurrus SCHAXEL, Lokalisation der Substanzen im Kern (Außenschicht) gegeben. Die Außenschicht mag sich bei ihrem Zustandekommen irgendwie sub- stantiell beteiligen. Im ganzen stellen sie jedenfalls eine Umbildung des Grundplasmas zur Teilungsfunktion dar. b) Die Besamung, die Bildung des ersten und zweiten Richtungskörpers und die Befruchtung. Nach dem Eindringen eines Spermatozoons, mit dessen Ver- halten wir uns unten näher befassen werden, hebt sich von der dotterfreien Oberflächenschicht der Zelle eine Membran ab, unter der sich eine dünne Schicht Flüssigkeit ansammelt. Der bisher in der Anaphase verharrende Teilungskern vollzieht nun rasch die Bildung des ersten Richtungskérpers. um sich sogleich zur Bildung des zweiten nochmals zu teilen. Die Richtungskörper, von denen sich der zuerst gebildete meist abermals teilt, kommen unter die abeehobene Membran zu liegen und bleiben lange an derselben Stelle, wo die Eizelle und später der Komplex ihrer Deszendenten eine leichte Delle bildet. Die Spindel der zweiten Teilung ist kleiner und der Zelloberfläche genäherter als die erste. Der zweite Richtungskörper wird an einer bestimmten Stelle und zwar, im Sinne der bei Besprechung der Furchung nach dem späteren Wurmkörper angenommenen Eiorientierung, dorsalwärts von dem ersten abgegeben. Die ganzen Abknospungsvorgänge verlaufen naturgemäß in dem schon in der Oocyte dafür gekennzeichneten Zelloktanten. Die Schichtung des Zelleibinhaltes bleibt dieselbe S. 399 angegebene. Das aktive Plasma enthält der Teilungsbereich, den eine Schicht grüberen Dotters umgibt. Die Hauptmasse des Zelleibes macht der aufgelockerte feinere Dotter aus, während ungefähr im Gegenoktanten der Teilung der ursprünglich kernnahe grobe Dotter eine zunehmende Verdichtung erfährt. Die die zweite Richtungskörperbildung illu- strierenden Figg. 30 u. 31 sind entsprechend Fig. 28 u. 29 orien- tierte Schnitte. In dem (wie sich zeigen wird) Sagittalschnitt der Fig. 30 befindet sich die Teilung bereits in der Telophase. Der zweite Richtungskörper wird hinter die ersten, von denen nur einer im Schnitt liegt, placiert. Die Anaphase des Querschnittes 31 zeigt sesen 29 die geringere Ausdehnung der zweiten Teilungsspindel und dadurch deutlicher die Lage der Spindelachse rechts von der Medianebene. Nach vollzogenen Teilungen sinkt der weibliche Vor- kern in die Tiefe, wo er dem inzwischen dort angelangten männ- lichen begegnet. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 401 a) Der Bau der Spermatozoen und die Besamung. Schneidet man die milchigweißen, fertilen Segmente eines Aricia-Männchens an und überträgt den ausfließenden Brei in See- wasser, so sinken die Körperchen der Cölomflüssigkeit und die un- reifen spermatogenetischen Stadien zu Boden, während die reifen Spermatozoen lebhaft umherschwimmen. Betrachten wir nach dem S. 356 angegebenen Verfahren gewonnene und gefärbte Präparate von reifem Sperma, so zeigen die Samentierchen folgenden Aufbau: die stark tingierte Kernmasse, der Kopf, ist kegelförmig. Der Spitze des Kegels pflegt eine hyaline Plasmakappe aufzusitzen, die sich in bezug auf Farbstoffe acidophil verhält. Da sie sich bei den beweg- lichen und befruchtungsfähigen Spermatozoen nachweisen läßt, scheint sie kein noch abzustreifender Zelleibrest der Spermatide zu sein, sondern als Perforatorium zu dienen. Am stumpfen Ende des Kernkegels finden sich etwa vier hyaline kugelförmige Körper. Sie bilden zusammen das Mittelstück, in dem der Schwanzfaden inseriert. Außer den Spermatozoen mit stark chromatischem Kern finden sich in den Spermapräparaten in geringer Anzahl auch völlig achroma- tische. In den Befruchtungspräparaten, wo zahllose Spermatozoen den Eiern außen angelagert sind, traf ich achromatische aber nie an. Ihre mögliche Bedeutung mag daher hier unerörtert bleiben. Fig. 32 zeigt ein Spermatozoon nach FLemmisc-Fixierung und Eisenhäma- toxylin-Lichtgrün-Färbung, Fig. 33 ein solches nach Sublimat-Essig- säure- Fixierung und Hämalaun-Eosin-Färbung. Das FLemminc- Material hat einen schlanken Kernkegel, und die Plasmaspitze zeigt im Profil eine eigentümliche seitliche Krümmung, während bei dem Sublimatmaterial der Spermakopf wohl infolge von Quellung ver- dickt und das mutmaßliche Perforatorium gerade erscheint. Soll der künstlichen Befruchtung eine normale Entwicklung folgen, so muß frisches Sperma zu der Oocyte im Stadium der anaphasischen Spindel der ersten Richtungskörperbildung gebracht werden. Zu lange außerhalb des Muttertieres liegen gebliebene Eier lassen Polyspermie zu, ebenso solche, die das nur kurz be- messene Besamungsoptimum noch nicht erreicht haben. In der Natur folgt die Besamung sofort auf die Eiablage. Aber mir gelang es nur einmal, ein im Zimmeraquarium gehaltenes Pärchen in diesem Moment zu überraschen. Eine bestimmt fixierte Eintrittsstelle des Spermatozoons habe ich nicht auffinden können. Doch es läßt sich eine Region von gewissem Umfang angeben, in der von den allseitig 402 JULIUS SCHAXEL, herbeieilenden Spermatozoen eines zu reüssieren pflegt. Mit einer nach unserer Orientierung dorsal oben gelegenen Kalotte läßt sich die Gegend des Spermaeintritts angeben. Die nur ungefähre Be- erenzung hängt wohl mit den zu dieser Zeit noch lebhaft in Fluß befindlichen Substanzumlagerungen des weiblichen Zelleibes zusammen. Mit dem Eindringen des Spermatozoons in den dotterfreien Plasmamantel der Eizelle verschwinden Schwanzfaden und Plasma- spitze. Wenig weit unter der Zelloberfläche beginnt die Alveolisation der männlichen Chromatinmasse An Stelle der hyalinen Kugeln des Mittelstückes umgibt eine umfangreichere plasmatische Schicht das hintere Kernende. Ich fand darin keinerlei strukturierte Gebilde. Doch sei damit nicht in Abrede gestellt, daß ein gelungenes BENDA- Präparat in dieser winzigen Plasmamenge wie in anderen Plasmen Mitochondrien nachweisen könnte. Eine Fuchsinrötung des intra- ovalen Spermienmittelstiickes bei dem Aurtmann-Verfahren konnte ich nicht erzielen. Das Eiplasma um den männlichen Vorkern wird dotterfrei. Bei seiner Weiterbewegung bleibt hinter ihm längere Zeit eine Straße sichtbar. Das dotterfreie Ooplasma hat geschichteten Bau vor dem Spermakern und streifigen hinter ihm. Fig. 35 zeigt den männlichen Vorkern auf seinem Weg im Eileib nach einem Schnitt aus FzemminG-Material. Man sieht das Plasma vor dem Kern dichter strukturiert, und hinter ihm in parallelen Streifen, die auf eine Strömung deuten. Dem Spermakopf anliegend ist die von ihm importierte Plasmamasse erkennbar. Durch weitere Flüssigkeits- aufnahme wird aus dem anfänglichen Chromatinklumpen ein alveolärer Kern mit reticulär verteiltem Chromatin, der noch die kegelförmige Gestalt bewahrt. An Stelle der plasmatischen Endschicht entfaltet sich jetzt die riesige Centrosphäre. Um einen wabig gebauten Zentral- teil erscheinen strahlige Fasern, die die chromatoide Tönung (z. B. rötlich-blau durch Hämalaun nach Sublimatfixierung) stark ver- dichteten Plasmas aufweisen. Wir sprechen daher von einer Um- bildung des Ooplasmas, die durch die mit dem männlichen Vorkern importierten Stoffe veranlaßt wird (Fig. 36). 3) Die Vereinigung der beiden Vorkerne. Die Chromosomen der zweiten Richtungsspindel bilden sich durch Alveolisation zu Caryomeren um. Die zunächst agglutinierenden Teil- kerne, die auf einem Wabensystem feinverteiltes Chromatin enthalten (Fig. 34 stellt sie im Schnittbild dar), verschmelzen schließlich mit- einander. Der weibliche Vorkern verharrt in dem dotterarmen Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 403 Oktanten, wo die Richtungskörperbildung vor sich gegangen ist. Der männliche Vorkern samt seiner Sphäre findet sich eben hier ein und ist inzwischen dem weiblichen an Umfang und Form nahezu gleich gekommen. Die genäherten Kerne sind von einer lebhaften Strahlung umgeben (Fig. 38). Sie legen sich nun seitlich aneinander, wobei sich die Berührungsseite abflacht, während die Kernmembranen noch erhalten bleiben. In der Berührungsebene tritt jederseits eine eroße Centrosphäre hervor. Im männlichen Vorkern integrieren sich die Chromosomen aus dem Reticulum, dasselbe geht in den nie ganz verwischten Bezirken der weiblichen Caryomeren vor sich. So gehen die Chromosomen beider Vorkerne gemeinsam, doch noch unvermischt die erste Furchungsteilung ein. Die Fig. 37 stellt einen Schnitt durch die frühe Prophase dieser Teilung dar, dessen Ebene durch die beiden Sphärenmittelpunkte geht und der in bezug auf die Ei- zelle ein tangentialer Anschnitt ist. Was die Entstehung der Sphären betrifft, so ist zunächst zu sagen, daß sie mit denen der Richtungsteilungen sowohl wie mit denen aller späteren Teilungen im Bau übereinstimmen und nur Unterschiede in der Größe bestehen. Nach Abschluß der Richtungs- körperbildung bleibt von deren Sphäre kein besonderer Bestandteil über, der bei der Einleitung der weiteren Teilungen sich wirksam zeigte. Erst am männlichen Vorkern erscheint wieder eine Sphäre, die in eine weniger genau zentralisierte Strahlung um beide Vor- kerne und schließlich in die Sphären der ersten Furchungsteilung übergeht. Autonome Zentralkörper wurden nicht beobachtet. Es scheint mir unserer Betrachtungsweise mehr zu entsprechen, wenn wir von individualisierten Präformationen absehen und nur von Teilungsstrukturen im Sinne funktioneller Strukturen sprechen (siehe auch Plasmastrukturen, 1911c, p. 340 und hier Abschnitt V, 1). Auf die Frage nach den den Spermakern im Eileib bewegenden Kräften soll hier nicht eingegangen werden, da ich auf verwandte Erscheinungen später ausführlich zu sprechen komme. Es sei nur angedeutet, daß es sich wahrscheinlich nicht um Eigenbewegung des Spermiums handelt, das ja beim Eindringen seinen Schwanz- faden verliert, sondern um einen Transport durch Plasmaströmungen, wofür die genannten Erscheinungen des Strukturwechsels sprechen. 3. Die Konstitution der ersten Furchungszelle. Im Kern der jungen Oocyte wird nach Abschluß der intra- chromatischen Prozesse Chromatin angereichert. Darauf folgt eine 404 JULIUS SCHAXEL, Emission in den aus morphologisch einfach gebautem Plasma be- stehenden Zelleib. Außer dem gewöhnlichen Keimfleck tritt in der Emissionsphase ein chromatischer Nucleolus vorübergehend auf. Im Zelleib wird nach der Chromasie Deutoplasma gespeichert, und der Dotter samt den restierenden intervitellinen Chromatinkondensaten findet sich in der vorreifen Oocyte in einer in allen Radien gleich- artigen Schichtung. Das Keimbläschen wird von einer dichten Lage besonders groben Dotters umgeben. Während der Chromosomen- rekonstruktion sondert sich die chromatische Außenschicht einseitig im Kern. Mit dieser asymmetrischen Bildung wird eine Polarität von dauernder Bedeutung sichtbar. In dem durch die Aubenschicht gekennzeichneten Zelloktanten beginnt die Keimbläschenauflösung. Der kernnahe dichte grobe Dotter wird durch den zuerst einseitig abströmenden Kernsaft auf die Gegenseite verlagert. Nach Ein- dringen eines Spermatozoons, von dem nur Kern und Mittelstück ins Eiinnere gelangen, findet die Bildung des ersten Richtungskörpers in dem genannten Zelloktanten statt, der sich die des zweiten un- mittelbar anschließt. Von dem plasmatischen Mittelstück des dem weiblichen genäherten männlichen Vorkernes nimmt die Umbildung des Ooplasmas zur Teilungsstruktur ihren Ausgang, während die Vorkerne sich aneinander lagern und ohne Chromosomenmischung die Teilung gemeinsam eingehen. Dabei ist die Teilungsregion eine zunächst durch die Außenschicht im Kern, dann durch die bei der Keimbläschenauflösung vor sich gehenden Substanzumlagerungen im Zelleib genau vorbestimmte: Das dotterarme aktive Plasma nimmt in seiner Hauptmasse den Richtungskörperoktanten ein. Es be- findet sich in der Orientierung nach dem Wurmkörper ventral rechts oben mit der größten Ausdehnung in der Dorsoventralrichtung, während der dichte grobe, ursprünglich kernnahe Dotter in den Gegenoktanten zu liegen gekommen ist. 4. Die Angaben anderer Autoren über die Eibildung der Anneliden. Da ich bestrebt bin, in dieser Mitteilung literarische Nachweise auf das nötigste zu beschränken, so sei hier nur auf einiges, meine Angaben über die Anneliden-Eibildung unmittelbar Berührendes ein- gegangen. Zur Diskussion meiner Folgerungen sei auf meine früheren Arbeiten und die Hinweise im Schlußkapitel verwiesen. Alle neueren Autoren stimmen darin überein, in den Ausgangs- Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 405 zellen der Eibildung die Endpunkte der im Peritoneum endenden Keimbahn zu sehen, deren Weg in den einzelnen Etappen noch für keine Form völlig bekannt ist. Die Versorgung der wachsenden Oocyte mit Nährzellen zeigt bei den Polychäten alle Stufen der Ausbildung. Die bestehenden Divergenzen in den Anschauungen hierüber wären nur durch eine über ein sehr großes Vergleichsmaterial verfügende Untersuchung zu beseitigen. Zu der von uns konstatierten Chromatinemission als Einleitung der Eiwachstumsvorgänge ist eine Angabe BERGMANN’S (1903, p. 286) von Interesse, der an der Peripherie des jungen Keimbläschens von Onuphis tubicola stark färbbare Brocken findet. Bei Hesione sicula beobachtet er einen aus einer dunkleren und helleren Hälfte be- stehenden Doppelnucleolus (p. 291). Doxs (1909, p. 385 und Fig. 53) spricht bei der Oocyte von Zomopteris helgolandica GREEFF von durch Chromatinausscheidung durch die Kernmembran entstandenen Körnchen, die im Ooplasma zerstreut werden, bevor die Dotter- bildung beginnt. Senna (1911) bemerkt während der Eibildung von Tomopteris elegans Caux ebenfalls in Kern und Zelleib granuli basofili, kann aber über ihren Ursprung und ihr Wesen zu keinem Schluß kommen. Vespovsky’s (1903, namentlich 1907) Untersuchungen und Be- trachtungen, die er über die Eibildung der Enchytraeiden anstellt, streben anderen Zielen als die unserigen nach. Die Verfolgung der Aricia-Oogenesis läßt wohl den Gedanken nicht aufkommen, dab unser extranucleäres Chromatin und mit besonderen Verfahren zur Darstellung gebrachte Plasmabestandteile wie die Chondriosomen mit umgebildeten Centroplasmen zu identifizieren sind. Zu der An- nahme persistierender Centriole und besonderer Schicksale strahlig strukturierten Plasmas finde ich keine Veranlassung, sondern sehe in diesen Begleiterscheinungen der Zellteilungsprozesse lediglich funktionelle Strukturen. ttn Übereinstimmung mit Kosranzckt (1909) finde ich bei Aricia bei der Eiablage die erste Richtungsspindel in der Anaphase. Merk- wiirdigerweise blieb bei ihm die ebenfalls in Neapel von mir wieder- holt vorgenommene kiinstliche Befruchtung erfolglos. Die Situation der Spindel wird nicht ganz richtig angegeben. 406 Junius SCHAXEL, III. Die Furchung. Vorbemerkungen, — Autoren über Cell-lineage der Polychäten. — Orien- tierungsschema für die Aricia-Furchung. — Die vier ersten Teilungsschritte der Furchung nach dem Spiraltypus. — Die primären Trochoblasten. — Die somatische Platte (Übergang zur Bilateralfurchung). — Die Entoblasten. — Intracellularprozesse der Furchungsphase. — Cytologischer Rahmen der Furchungsprozesse. — Literatur. Wir verfolgen die Intracellularprozesse bei den Teilungen, die die befruchtete Eizelle erfährt, zunächst im groben hinsichtlich des Strukturwechsels der Substanzumlagerungen, um erst danach auf die Beziehungen der einzelnen Zellbestandteile zueinander einzugehen. Unsere Betrachtung setzt eine genaue Kenntnis der Zellfolgen und des gegenseitigen Lageverhältnisses der Blastomeren bei der normalen Entwicklung voraus. Das Nôtige ist unten für jeden Teilungsschritt, wie es sich aus Totalpräparaten ergibt, mitgeteilt. Es finden sich nur sehr geringfügige Varianten, da jede stärkere Abweichung von der Norm tiefgreifende Entwicklungsstörungen nach sich zieht. Das Ei furcht sich total und inäqual nach dem Spiral- typus. SALENSKY widmet in seinen Studien zur Entwicklungsgeschichte der Anneliden (1883) Aricia foetida ein Kapitel, in dem er aber auf die Furchung nicht näher eingeht. Sehr genaue Untersuchungen darüber stellten die Erforscher des Cell-lineage der Polychäten an. Zu seinen grundlegenden Feststellungen über Nereis (1892) zog Witson später (1898) einzelne Stadien von Aricia vergleichsweise heran. In Mxav’s (1897) vergleichenden Untersuchungen ist Aricia nicht behandelt. An die Entwicklung der dotterreichen Eier der Capitelliden, mit der sich Erste (1898) befaßte, zeigt Aricia manche wohl gleichbedingte Anklänge. Dasselbe gilt von Arenicola, die Curip (1900) studierte. Der prinzipiellen Übereinstimmung, die in der frühen Entwicklung namentlich hinsichtlich der Blastomerenfolge herrscht, stehen Uneinigkeiten über die spätere Deutung mancher Zellengruppen, so besonders über die Prototrochbildner, gegenüber. Es mag sich hier vielfach um Unterschiede handeln, die mit der Ver- kürzung von Larvenstadien in Zusammenhang stehen. Wir werden uns damit nicht zu befassen haben. Sehr wichtig und zum klaren Verständnis unerläßlich ist das Festhalten an einer bestimmten Orientierung des Eies und der Furchungsstadien, auf die deshalb ausführlicher eingegangen werden Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 407 muß. Wir nehmen sie nach der Trochophora und dem Wurmkörper vor. Vom Scheitel der Trochophora zu ihrem After verläuft die Längsachse, die mit der des Wurmkörpers zusammenfällt. Wir be- zeichnen weiterhin das Scheitelfeld kurz mit oben, das Afterfeld mit unten. Die Mundseite der Trochophora nennen wir die ventrale, ihre Gegenseite die dorsale. Die Flanken ergeben sich dann von selbst als rechte und linke. Die wiederholt geriigten, weil in ver- schiedenem Sinn gebrauchten, Benennungen „vorn“ und „hinten“ verwenden wir also gar nicht. Verbinden wir die idealen Mittel- punkte der genannten Felder durch Linien, so verläuft von oben nach unten die Längsachse ow, von der Dorsal- zur Ventralseite die Dorsoventralachse dv und von rechts nach links die Transversal- achse rl. Die durch die Längs- und Dorsoventralachse gelegte Ebene ist die Medianebene ovud, ihre Parallelen Sagittalebenen. Dorso- ventral- und Transversalachse bestimmen die Transversalebenen vrdl, Längs- und Transversalachse die Frontalebene orul. Diese 3 Ebenen zerlegen die gleich dem Ei kugelig gedachte Trochophora in 8 Teile. Jeder solche Oktant ist durch 3 Buchstaben sicher gekennzeichnet, z. B. mit ovr der obere (apicale) ventrale auf der rechten Seite. In dieses nicht übermäßig komplizierte Schema ordnen wir nun die teilungsbereite Eizelle, deren asymmetrisch gelagerten Inhalt wir kennen lernten, so ein, daß der bereits in der Prophase befindliche, von dotterfreiem Plasma umgebene Kern in den ovr-Oktanten zu liegen kommt, und zwar die Spindel parallel zu der Richtung vd. Lassen wir in dieser Situation der Entwicklung ihren Lauf, so finden wir schließlich die Larvenbestandteile an den ihnen im Schema ent- sprechenden Stellen, die diesem ja zur Grundlage dienten. Es zeigt sich am zweckmäßigsten, das Zellinnere bei den Teilungs- vorgängen an Schnitten in drei Ebenen zu demonstrieren, von denen zwei die Spindelachse enthalten und eine in der Äquatorialplatte senkrecht darauf steht. Um dies für die erste Furchungsteilung gleich zu erläutern, schneiden wir in folgenden Ebenen: 1. sagittal durch die Spindelpole parallel zur und rechts von der Medianebene ovud, 2. transversal durch die Spindelpole parallel zur und über der Ebene vrdl, 3. frontal durch die Äquatorialplatte parallel zur und ventral von der Ebene orul. In ‘diesen Schnitten, die in Fig. 39—41 abgebildet sind, wird also die Zelle, die mit Fortschreiten der Teilung in der Form von 408 JULIUS SCHAXEL, der Kugel zum Ovoid übergeht, nicht im größten Durchmesser ge- troffen. Fügt man die Schnittbilder zu einem Modell zusammen und vergleicht dieses mit dem etwa einer Holzkugel aufgezeichneten Orientierungsschema, so wird man sich leicht in den folgenden An- gaben zurechtfinden. Es wird sich zeigen, daß jede Blastomere wenigstens der ersten sechs Teilungsschritte sich ebenso wie die Eizelle betrachten und also durch gleichsinnige Schnittebenen zerlegen läßt, die wir aber, was ich wohl zu beachten bitte, nicht jedesmal nach einem besonderen, sondern alle nach dem Eischema orientiert angeben werden. Bei der Beobachtung steht dem Schnittbild immer das rollbare Total- präparat zum Vergleich zur Verfügung. Die Darstellung ist auf den für jeden Teilungsschritt beigegebenen Grundriß angewiesen, der eine Projektion der Zellgrenzen in die Transversalebene vrdl, also das betreffende Stadium in der Aufsicht wiedergibt. Bei einiger Übung lassen sich die mit ihre Ebene kennzeichnenden Indizes ver- sehenen Schnittfiguren danach einstellen. Mit der Zunahme der Blastomerenzahl wächst natürlich die Komplikation, die sich begreiflicherweise für die Darstellung schwieriger bewältigen läßt als für die Beobachtung. Ich habe da- her die vorliegende Mitteilung auf vier Teilungsschritte beschränkt und dann nur noch einzelne Fälle weiter geführt. Die Benennung der Zellen ist in der auch in dem Lehrbuch von KorsCHELT U. HEIDER (Jena, 1909, Allgem. Teil, p. 57) durchgeführten Nomenklatur von ConKLIN vorgenommen. 1. Der erste Teilungsschritt. CD > AB: Im Verlauf der zweiten Stunde nach der Besamung senkt sich im Richtungskörperoktanten eine breite Furche ein, deren Ränder zuerst klaffen und sich dann zusammenneigen. Nach der Tiefe zu schreitet die Furche nicht vertikal, sondern ventralwärts abweichend fort. Der ersten Einsenkung nachfolgend pflanzt sich von ihren seitlichen tiefsten Stellen aus in der dotterfreien Oberflächenschicht um den ganzen Eiumfang eine Furche fort, die bei tieferem Ein- schneiden mit der Haupteinsenkung von rechts oben her die Zelle teilt. Die Teilungsfläche ist zuerst leicht gewölbt, wobei ihr unterer Rand mehr ventralwärts als ihr oberer liegt. Die Wölbung gleicht sich zur Ebene aus, wenn die Zellen sich gegeneinander abplatten. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 409 Der beträchtlich größeren dorsalwärts gelegenen Zelle CD liegt die kleinere Zelle AB mit ihrer Ventralseite so auf, daß sie in ihrer Hauptmasse nach unserem Schema den Oktanten ovl ganz und ovr zu zwei Dritteln einnimmt. Nach unten hin überschreitet sie diese Grenzen etwas,nach i rechts überragt CD die Schwesterzelle AB, die im Verhält- nis zur idealen Medianebene nur um weniges nach links gerückt ist, also beinahe von ihr halbiert wird. Textfig. A gibt die Zellumrisse in der Aufsicht wieder. Der äußeren Form nach ist AB ein auf seiner dorsalen r Seite abgeplattetes Fig. A. Ellipsoid mit dem längeren Durchmesser in der Richtung rl. CD ist ein stark verkürztes Ellipsoid mit dem nur wenig längeren Durchmesser in der Richtung rl und auf seiner ventralen Seite abgeplattet. Was die Lagerung der Substanzen im Zellinnern betrifft, so sind uns die der ungeteilten Zelle ABCD schon bekannt. Der obere ventrale rechte Oktant (ovr) enthält das dotterarme den Kern um- gebende Plasma in der ungefähren Form eines Ellipsoids mit der Längsachse in der Richtung dv. Bei den Teilungsvorgängen schreitet stets der Kern voran. Im dotterarmen Plasma zeigen sich damit in unmittelbarem Zusammenhange die Teilungsstrukturen, und die übrigen Zellpartien werden in ganz verschiedenem Maße in den Teilungs- bereich gezogen. Ehe sich noch äußerlich an der Zelle außer einer kaum merklichen Streckung in der Sonderungsrichtung etwas er- kennen läßt, ist die Kernteilung schon in das Stadium der ana- phasischen Spindel getreten. In diesem Stadium sind die instruk- tivsten Schnittbilder zu gewinnen; denn einerseits ist die Teilungs- und Sonderungsrichtung schon erkennbar, und andrerseits herrscht außer in der kernnahen Region noch der unveränderte Zustand der 410 JULIUS SCHAXEL, zu teilenden Zelle. Fig. 39 zeigt den Sagittalschnitt durch die Spindelpole. Die Chromosomen sind eben geteilt und bereits bläschen- förmig. Die Sphären strahlen um wabige Zentralen weit in das dotterarme Plasma aus. Die Spindel hat wie immer eine zylindrische Form. Sie liegt völlig in der oberen Eihälfte und noch zum aller- größten Teil in deren ventraler Partie, nur eben erst durch Streckung die Grenze dorsalwärts überschreitend. Der dorsale oder CD-Pol liegt etwas tiefer als der ventrale oder AB-Pol. In der oberen ventralen Region geht das dotterarme Plasma unmittelbar in den dotterfreien Plasmamantel über. Sonst wird es allseitig von einer verschieden dicken Schicht lockeren Dotters umgeben. Dorsal unten sehen wir einen Halbmond dichteren groben Dotters. Auf diesem Schnitte senkrecht steht der Transversalschnitt der Fig. 40. Die Kernteilung ist hier etwas weiter fortgeschritten als in Fig. 39. Die Chromosomenbläschen sind größer geworden und weiter aus- einandergerückt. Die dorsale Sphäre CD hat eine etwas umfäng- lichere Strahlung als die von AB. Übrigens weicht die Schnittebene von der idealen Parallele zu und über vrdl, infolge des Ansteigens der Spindelachse ventralwärts, ein wenig ab. Sehr deutlich ist die rechtsseitige Lagerung der Spindel. Um den dotterarmen Bezirk findet sich lockerer Dotter, der links dorsal in einen dichteren Halb- mond übergeht. Der Frontalschnitt der Fig. 41 ist senkrecht zur Spindel durch die Chromosomenbläschen des CD-Kernes im Stadium der Fig. 40 gelegt. Die Spindel unmittelbar umgibt eine besonders helle dünne Plasmahiille. Dieser konzentrisch ist die dotterarme Plasmaschicht, die beim Übergang in den lockeren Dotter radiär aussieht infolge der hier schief getroffenen Ausläufer der CD- Sphärenstrahlen. Der ganze Teilungskomplex liegt rechts oben, während nach links unten der Dotter an Dichte gewinnt. Ein Ver- gleich der Fig. 41 mit 39 oder 40 bringt den kurzen Durchmesser des kernnahen Teilungsplasmas in ow und Jr gegen den langen in dv gut zum Ausdruck. Vereinen wir schließlich die besprochenen drei Schnittbilder zu einem Ganzen, so resultiert daraus von der Einleitung der ersten Furchungsteilung folgendes Bild: ventral rechts oben schickt sich der Kern in der in der Dorsoventralachse aus- gedehnten dotterarmen Plasmamasse zur Teilung an, während der dichte grobe Dotter im diametral entgegengesetzten Zellteil (wdl) unbewegt verharrt. In den Figg. 39 u. 40 kommt er in seinen Ausläufern durch die dichten Halbmonde zur Abbildung. In der Telophase der Kernteilung rücken die Sphären samt den Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. 1. 411 Chromosomenkomplexen auseinander, CD in dorsaler, AB in ventraler Richtung und beide nach oben. Die Sphären werden kleiner, ihre Strahlung verliert sich. Die bläschenförmigen Caryomeren schließen sich unter weiterer Alveolisation zu einheitlichen Kernen zusammen. “Gleichzeitig schneidet die Furche ein, d.h. für die Betrachtung des Zellinnern gehen Umlagerungen der Substanzen vor sich, die für uns durch den Transport der Plasmaeinlagerungen, namentlich des Dotters, sichtbar werden. Um die im ovr-Oktanten sich einsenkende Furche findet in dem dotterfreien Plasmamantel ein allseitiges Zu- strömen, etwas tiefer (eben mit dem Einsinken der Furche) ein Zurückweichen der Massen gegen die Sphären statt. So kommt die eigentiimliche Überwölbung der Außenränder über das klaffende Innere der Fur- che zustande. Mit dem Fortschrei- ten der Teilung kommen die zu- führenden Strö- me mehr aus CD dem Zellinnern, um in derselben Weise gegen die Sphären zurück- zuweichen. Bei der Ausdehnung der Ringfurche um den ganzen Fig. B. Zellumfang wie- derholen sich die zuerst genannten Prozesse. In Fig. 42 ist ein Sagittal- schnitt durch die teleophasische Teilungsspindel abgebildet. Die Furche beginnt eben einzuschneiden. Das Schema der Textfig. B, das das Resultat des Vergleiches früherer und späterer Stadien darstellt, erläutert den Verlauf der hauptsächlichen Strömungs- erscheinungen besser, als es sich mit Worten machen läßt. Dabei ist zu beachten, daß sich die Umlagerungen des Zellinhaltes nur auf ‘das schon oben charakterisierte exzentrische Teilungsgebiet be- schränken und die Zellregionen um so weniger davon berührt werden, je weiter sie entfernt liegen. Das Resultat der Teilung und inneren Umlagerung, also die Konstitution der Zellen AB und CD, ist infolgedessen bedingt erstens Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 27 412 JuLıus SCHAXEL, durch das, was ihnen durch die Strömungen zugeführt wird, zweitens durch das, was von der Eikonstitution her einfach an seinem Ort verbleibt, und drittens durch den Einfluß, den die durch die Massen- verkleinerung und gegenseitige Abflachung veränderte äußere Form auf die Anordnung des Inhaltes nimmt. AB fließt aus dem linken ventralen unteren Oktanten lockerer Dotter zu, und sie bleibt nach rechts oben zu ziemlich dotterarm. CD behält vor allem den im udl-Oktanten befindlichen dichten groben Dotter unverändert. Seiner ganzen Ventralseite wird von unten her lockerer Dotter zugeführt. Die gegenseitige Abplattung der Zellen bringt die Verkürzung der Dorsoventralachse mit sich, die in AB nun überhaupt die kürzeste, in CD zwar relativ nur wenig verkürzt ist, ohne daß aber der Zell- inhalt nach ihr zu orientieren wäre. Als allgemeinstes Ergebnis der Teilung erhellt, daß AB und CD: eine mit dem Ei wesentlich übereinstimmende exzentrische Substanz- anordnung aufweisen. In CD ist bei eingetretener Teilungsruhe das Lageverhältnis der Substanzen folgendes: Das den Kern umgebende dotterarme Plasma nimmt die obere rechte Partie der Zelle ein und zwar so, daß seine größte Ausdehnung sich von links dorsal nach rechts ventral erstreckt, einen Winkel von etwa 65° mit der Dorsoventral- achse bildend. Die rechte Seite liegt etwas höher als die linke. Man versteht, wie die Abplattung der Ventralseite und der rechts- seitige Dotternachschub von unten zu dieser Lagerung führen müssen. In «dl liegen die immobilen Dottermassen. Die Zelle AB ist ein verkleinertes, stark verkürztes Gegenstück zu CD. Die Exzentrizität ihres Inhaltes ist viel geringer als in CD. Dichterer Dotter findet sich in den unteren Partien, links höher ansteigend, so daß die dotterarme Kernregion sich oben weiter nach rechts als nach links erstreckt mit der größten Ausdehnung in der Richtung 71. 2. Der zweite Teilungsschritt. DEU Ae Nach kurzer Teilungsruhe finden wir den Kern in CD wieder im prophasischen Stadium, und die Kernteilung ist schon in der Anaphase, wenn sie in AB eben erst eingeleitet wird. Trotzdem verläuft die Teilung A>B so rasch, daß sie noch vor der Trennung D>C vollzogen wird. Die äußeren Erscheinungen der Furchung Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 413 sind dieselben wie bei der ersten Eiteilung. Wir sehen in CD die Furche oben rechts ventral nahe der Berührungsfläche mit AB einschneiden und beim Tiefersinken so nach rechts ventral von der Vertikalen abweichen, daß von D das AB bei der Ansicht von oben nach rechts überragende Stück als C abgeknospt wird. Während C mit D noch durch eine ziemlich breite Plasmabrücke verbunden ist, hat sich B von A bereits getrennt. B sondert sich von A un- sefähr in der Horizontalen und ist nur wenig kleiner als A. Die AB teilende Ebene ist die Medianebene unserer Orientierung. Un- mittelbar nach den Teilungen sind die Zellen A, B und © nahezu kugelförmig, um sich erst dann unter Ab- l plattung der Berüh- rungsflächen aneinan- der zu legen. Die große Zelle D be- herrscht den Komplex. In der ventralen Partie liegen A links, Brechts von der Medianebene, ganz rechts seitlich C undzwar A und C etwa gleich hoch, B tiefer zwischen beiden. A und C berühren sich nicht. Die tiefe Lage von. 6B ist „nicht r durch die Sonderungs- Fig. C. richtung bedingt. B berührt D bereits vor der völligen Abtrennung von C und legt sich mit breiter Fläche an D (siehe den unten zu besprechenden Transversalschnitt der Fig. 46). Sie gerät so seitlich unter C und wird durch die die Zellen zusammendrängenden Kräfte nach ab- wärts gedrückt. Die „Brechungsfurche“ zwischen B und D ist da- durch eine nach unten etwas verschmälerte Fläche. Eine Übersicht über die gegenseitige Lage der vier Blastomeren gibt die Textfig. C. Wir betrachten nun die Schnittbilder der Teilung D>C in einer Reihenfolge, die der für die Teilung CD > AB gebrauchten entspricht. Der Schnitt der Fig. 43 ist durch die Sonderungsebene (von Id nach rv) gelegt, bildet also mit der Medianebene des Kies 27* 414 JULIUS SCHAXEL, einen Winkel von ca. 65° Wir sehen die anaphasische Spindel der Länge nach im dotterarmen Plasma der oberen Zellpartie. Der rechte C-Pol liegt etwas höher als der linke D-Pol. Die untere Zellpartie wird von lockerem Dotter erfüllt, der ganz unten und links neben dem mehr rechtsseitigen Teilungsplasma außen auf- steigend an Dichte zunimmt. Die Fig. 44 stellt einen Schnitt durch die Pole der späteren anaphasischen Spindel dar, der um so viel von einem Eitransversalschnitt abweicht, wie der C-Pol höher über der Ebene vrdl liegt als der D-Pol, und auf Fig. 45 senkrecht steht. Er enthält hauptsächlich das dotterarme Teilungsplasma und trifft vom Dotter links ventral einen größeren, rechts ventral einen sehr kleinen Ausläufer. Legen wir durch die Ruhekerne der Zellen CD und AB eine Ebene senkrecht zur Eitransversalebene, so schneidet sie die Eimediane außerhalb des idealen v-Punktes in einem sehr spitzen Winkel. Diese Schnittebene ist in Fig. 45 abgebildet und ersetzt für D>>C den Schnitt quer zur Spindelachse. In Zelle CD beginnt eben die Prophase der Teilung, deren linksseitige (D-Pol) Strahlung infolge des Ansteigens der Sonderungsrichtung von / nach r unten sichtbar ist. Das dotterarme Plasma im oberen Zellteil präsentiert seinen kurzen Durchmesser, und der Kern nimmt die Mitte ein. Darunter sehen wir sich verdichtenden Dotter, der am dichtesten und grobscholligsten am Dorsalende ist, wo der dichte grobe Dotter des wdl-Oktanten hereinragt. Im ganzen sehen wir der ersten Eiteilung durchaus entsprechende Verhältnisse, die nur solche Modifikationen aufweisen wie sie eben die vorhergehende Teilung in ihren Folgen ergibt. Während der Telophase der Kernteilung schneidet die Furche ein. In der dotterfreien Oberflächenschicht der Zelle zeigen sich nach der Teilungsgegend zu plasmatische Strömungen, dje sich nach den Sphärenzentren umwenden. In der größeren Zelle D machen sich auch Strömungen aus den tieferen Dottermassen bemerkbar, die seitlich um den dadurch einsinkenden Kern abfließen. Der Schnitt der Fig. 46 durch die telophasische Spindel ist ebenso angelegt wie der der Fig. 44. Ein Vergleich beider Figuren zeigt, wie bei der Telophase Bewegung in den Zellinhalt gekommen ist, namentlich die Kerne tiefer eingesunken sind und die durch das Schema der Textfig. D näher gekennzeichneten Plasmaströmungen die Dotter- massen verlagern. In Fig. 46 sieht man auch die Partie der Ventral- seite von D, wo sie mit B zusammenstößt und die beiden Zellen mit großer Fläche („Brechungsfurche“) sich aneinander lagern werden. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 415 Der stark inäqualen Teilung D > C gegenüber teilt sich AB in fast gleiche Teile. Da die Zellen sich in der Richtung rl sondern, so verbleibt in A der größere Teil des links unten gelegenen wenig beweglichen Dotters, und A fällt daher etwas voluminöser aus als B. Die zu betrachtenden Schnittbilder entsprechen wieder den für die Teilung D > C vorgelegten, sind ihnen aber keineswegs parallel, da die Spindelachsen in A>B und D >C windschief zueinander sind. Der Frontalschnitt der Fig. 47 geht durch die Pole der prophasischen Spindel. Er zeigt die geringe Exzentrizität des dotterarmen Plasmas ‘in seiner Ausdehnung von links nach rechts. Die linke und untere Partie nimmt halbmondförmig der Dotter ein. Fig. 48 ist ein Trans- versalschnitt durch die Pole der prophasischen Spindel, der haupt- sächlich das Teilungsplasma enthält. Nur links dorsal zeigt sich Fig. D. Fig. E. der Ausläufer des Dotters tieferer Zellschichten, der in dem tiefer verlaufenden zwar nicht parallelen aber ähnlich gerichteten Schnitt der Fig. 44 mehr zutage tritt (die Spindel ist hier schief durch- schnitten). Es sei noch auf den Vergleich des kreisförmigen Frontal- schnittes der Fig. 47 mit dem elliptischen Transversalschnitt der Fig. 48 hingewiesen, der die nahezu linsenförmige Gestalt der Zelle AB zum Ausdruck bringt. Die nahezu mediale Schnittebene der Fig. 45 ist S. 414 näher angegeben. Das Teilungsplasma von AB erscheint im Querschnitt. Die prophasischen Sphären sind daher nicht sichtbar. Nach unten zu findet sich lockerer, dann dichterer Dotter. Die Ein- leitung der Teilung in AB hat den für CD geltenden Verhältnissen analoge Voraussetzungen in dem adäqualen Charakter der Teilung entsprechend abgeschwächtem Maße. Von den Substanzumlagerungen bei der Telophase und Zell- 416 JULIUS SCHAXEL, trennung ist am auffälligsten das Tiefersinken der Kerne bei gleich- zeitigem Aufströmen des Dotters aus den unteren Partien. Der zu Fig. 48 parallele, aber tiefer liegende Transversalschnitt der Fig. 49 wird durch das Strömungsschema der Textfig. E näher erläutert. Er zeigt auch die kuglige Gestalt der eben geteilten Zellen. Die bei der folgenden Berührung und Abplattung vor sich gehenden Lageverschiebungen der Zellen wurden schon besprochen. Ein Vergleich der Teilungen D >C und A>B lehrt, daß es wenig Wert hat, von einer beide bewirkenden zweiten Furche zu sprechen. Die Vorbedingungen beider Teilungen liegen in der Teilung CD >> AB, und die Zusammenlagerung der vier Zellen be- einflußt ihre Inhaltsverteilung wieder; aber die Teilungen als solche gehen völlig unabhängig voneinander vor sich. So läßt auch das Unterbleiben der einen Teilung die andere zunächst ungestört sich vollziehen. Wir werden bei der Teratologie der Aricia-Entwicklung auf solche Fälle zu sprechen kommen. Die fertige zweite Furche verläuft bei der Betrachtung von oben auf der Ventralseite zwischen A und B dorsalwärts, wird dann stark nach rechts gebrochen (Brechungsfurche B—D) und endet mit einer C umschließenden kon- kaven Linie auf der rechten Seite. Die Inhaltsverteilung in den einzelnen Zellen A, B, C, D werden wir bei den sich unmittelbar anschließenden nächsten Teilungen besprechen, wenngleich sie nach Abschluß des zweiten Teilungsschrittes bereits festgelegt ist. 3. Der dritte Teilungsschritt. 1D> 14,16 > le JAS da 1 B> ih Bei diesen Teilungen tritt der Spiraltypus der Furchung deutlich zutage. Sie erfolgen dexiotrop. Die vier Macromeren 1A, 1B, 1C, 1D geben in vorbestimmter Richtung die vier Micromeren 1a, 1b, 1c, 1d ab. Die Micromeren verhalten sich der Größe nach untereinander ungefähr wie die Macromeren, von denen sie abstammen. Das gilt nament- lich für la, 1b, 1c; 1d übertrifft zwar die anderen Micromeren an Größe, bleibt aber in der Proportion wegen der besonderen Gröbe von 1D zurück. Die Micromeren kommen mit ihrer im Sinne der Spirale rechten Hälfte ungefähr über die Grenzen der Macromeren zu liegen. Für 1d trifft das nicht ganz zu, da es nur wenig bis über 1A heranreicht. 1b liegt wie schon früher B tiefer als la und lc, so daß sich la und le berühren, also eine Brechungsfurche bilden, während 1d trotz seiner Größe von 1b getrennt bleibt. Die Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 417 Micromeren sind zuerst kuglig und liegen dann den Macromeren platt auf. Hinsichtlich der Teilungsreife herrschen unter A, B, C, D regelmäßige Unterschiede: der Kern in D befindet sich schon in der Anaphase, während die übrigen Kerne erst die Prophase einleiten. Die Zellteilung wird aber zuletzt in D, zuerst in B und dann in A und © vollzogen. Die längere Dauer des Teilungsvorganges in D ist wegen der zu bewältigenden größeren Massen verständlich. Der dexiotrope Modus dieses Teilungsschrittes verliert, was er im ganzen betrachtet Überraschendes an sich hat, wenn wir jede Teilung für sich ver- folgen. Wir sehen l sie dann so vor sich gehen, wie sie not- wendig bei der von der vorhergehenden Teilung bewirkten Substanzanordnung erfolgen muß. Die d zur Erläuterung herangezogenen Schnitte enthalten außerhalb des: ge- rade untersuchten Einzelfalles, auf den sie eingestellt sind, ein verwirren- des Chaos durch- r schnittener Tei- Fig. F. lungsstadien. Ich habe daher in den Figuren meist nur die unmittelbar angrenzenden Zellen wiedergegeben, die zusammen mit den Indizes der Ebenen die Orientierung des Schnittes in der Furchungskugel erleichtern mögen. Wir bevorzugen die Blastomere D und ihre Nachkommen in der Darstellung, was durch ihre Größe, Bedeutsamkeit in der Onto- genesis und, weil gerade hier die auffälligsten Substanzumlagerungen vor sich gehen, gerechtfertigt ist. D nimmt von oben gesehen die dorsale Hemisphäre der Furchungskugel ein, während sie unten etwas weiter ventralwärts vorgreift (Textfig. C). Auf der rechten Seite ist ihr oben C abgetrennt, der sie eine konkave Wölbung zu- wendet. Den “wdl-Oktanten nimmt immer noch der dichte grobe 418 Junius SoHAxEL, Dotter ein, dessen Ausläufer sich nach den Verschiebungen der letzten Teilung zusammen mit den unten gelagerten lockeren Dotter- massen in den äußeren Schichten des odl-Oktanten etwas weiter nach oben erstrecken. So bleibt dem dotterarmen kernführenden Plasma nur eine von «dr steil aufwärts nach ovl sich ausdehnende Zellregion. In dieser Richtung stellt sich die Spindel ein. Der Schnitt der Fig. 50 würde mit der Median- (ovwd) und der Frontal- ebene (orul) einen Winkel von 45° bilden, wenn er nicht durch die Pole der anaphasischen Teilungsspindel 1D >1d gelegt und daher nicht um so viel gegen die Transversalebene (vrdl) geneigt wäre, wie der 1d-Pol mehr ventralwärts als der 1D-Pol liegt. Der Schnitt muß so in den Grundriß der Textfig. F eingestellt werden, daß er zwischen / und v einerseits und d und > andrerseits hindurchgeht und nach v geneigt ist. Man sieht dann, daß er A in seinem dorsalen Ausläufer treffen und 1d etwas über A geschoben ab- seknospt werden muß. Links unten liegt dichter Dotter. Unter A und rechts außen ansteigend finden wir, je weiter wir nach oben kommen, desto lockereren Dotter. Das dotterarme Teilungsplasma erstreckt sich von unten rechts nach oben links. Der Schnitt der Fig. 51 steht ungefähr senkrecht auf dem vorigen und geht ebenfalls durch die Spindelpole des gleichen Stadiums. In die Grundrisse ist er zwischen d und / einerseits und > und v andrerseits hindurch- eehend nach v geneigt einzustellen. C wird in seiner Dorsalpartie angeschnitten. Den dichtesten Dotter sehen wir wieder links unten. Er wird beiderseitig nach oben und gegen © hin lockerer. Das Teilungsplasma erreicht links oben die Zelloberfläche und dehnt sich der Länge nach unten rechts hin aus, wo sich lockerer Dotter be- findet. Der Transversalschnitt durch die Furchungskugel (Fig. 52) geht durch die Kerne von A und C, während B tiefer liegt. Die in D aufsteigende anaphasische Spindel ist samt dem umgebenden dotterarmen Plasma quer, aber schief durchschnitten. Deutlich ist die seitliche Lage dieser Zellregion. Der Dotterreichtum ist links am größten, und in die Dorsalpartie erstreckt sich ein Ausläufer. Für die Betrachtung der Teilung im ganzen erhellt, dab das Teilungsresultat schon vor dem Vollzug feststeht. Jd, die nur lockeren Dotter mitbekommt, muß ventralwärts nach links oben von rechts unten her abgegeben werden. In dem dotterreichen 1D führt der Teilungsprozeß zu einem Aufströmen von dem wdl-Oktanten her ventralwärts nach links oben. Die Blastomere C hat eine längliche Form und ist unten etwas Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 419 breiter als oben. Gegen D liegt sie mit konvexer, gegen B mit ebener Fläche. Der bei der Abtrennung von D mitgenommene Dotter bleibt in der unteren Partie der Zelle. Er sammelt sich hauptsächlich in dem ventralwärts etwas ausgezogenen Ende gegen B und steigt in der Telophase D >C an der D zugekehrten Seite aufwärts. In dem schon genannten Transversalschnitt der Fig. 52 ist die Zelle und das dotterarme Plasma mit dem Kern quer ge- troffen. Vom Dotter sind die nach dem Innern der Furchungs- kugel zu gelegenen Ausläufer des Hauptherdes sichtbar. Auf diesem Schnitt steht der der Fig. 53 senkrecht und geht durch die Pole der Prophase. Die Orientierung im Grundriß ist nach den Indizes leicht auszuführen. Die Figur zeigt C mit der Längsseite an D liegend und unten und an der D-Seite den Dotter. Das dotterarme Plasma erstreckt sich von unten ventral nach oben dorsal. So kommt le auf die Grenze zwischen 1D und 1C zu liegen. Der dotterreiche untere Ventralteil in 1C bleibt bei der Abtrennung von 1c ziemlich unberührt liegen, um danach dorsalwärts sich auszubreiten. Die Zelle A liegt D konvex, B eben an. Der reichliche Dotter nimmt die untere dorsale innere Zellpartie so ein, daß das stark exzentrische dotterarme Plasma sich von unten dorsal links nach oben ventral rechts erstreckt. In dem Transversalschnitt der Fig. 52 ist es samt dem Kern schief getroffen. Fig. 54 stellt einen Schnitt in der Sonderungsrichtung durch die Pole der späten Anaphase dar (nach den Indizes zu orientieren). la wird auf die Grenze von A und B abgegeben. Die untere Dottermasse in 1A wird erst beim Ende der Teilung ventralwärts verlagert. Diese nachträgliche Ver- schiebung hängt hier wie in C mit der der Teilung vorübergehend folgenden Zellabrundung zusammen. Der zuerst in Zellfortsätzen bei- seite liegende Dotter wird dadurch in die Bewegungen in der Nähe der Teilungsregion hineingezogen. B ist die dotterärmste Zelle des 4-Stadiums und zwischen die übrigen Zellen eingekeilt. Lockerer Dotter findet sich unten dorsal links und verliert sich von da aus an den angrenzenden Seiten. Die Sonderungsrichtung erstreckt sich von unten ventral links nach oben dorsal rechts. Der Schnitt der Fig. 55 folgt dieser Richtung und geht durch die Pole der prophasischen Spindel. 1b kommt zum kleineren Teil auf 1C, zum größeren auf 1B zu liegen. Um sich die Auflösung der dexiotropen Micromerenbildung in einzelne für sich bedingte Teilungsprozesse vor Augen zu führen, mub man die gleichsinnig für die vier Teilungen angelegten Schnitt- 420 JULIUS SCHAXEL, figuren 54, 55, 53, 51 zusammen in das Schema der Textfig. F ein- stellen. Die exzentrische Lage des dotterarmen kernumgebenden Plasmas gibt dann die Sonderungsrichtung und wegen des Ver- bleibens der abseits liegenden dotterführenden Plasmamassen in den Macromeren auch die Größe der Teilstücke an. 4. Der vierte Teilungsschritt. 2D >24, 20 >26, 2A > 2a, 2B > 2b, ld? >1d?, Ie! > 16" 2a > Zhi 2s Das 16-Zellenstadium ist das letzte, das durch einen noch ein- heitlich zu nennenden Teilungsschritt erreicht wird. Weiterhin kommt die relative Selbständigkeit der einzelnen Teilungsprozesse auch zeitlich deutlich zum Ausdruck, zunächst in einem Vorauseilen der D-Abkömmlinge in den Teilungen. Die Blastomeren des 8-Stadiums teilen sich nach dem läotropen Modus und zwar der obere Zellen- kranz 1a, 1b, 1c, 1d so, daß nach oben und innen die größeren Zellen la 1b de> l 1d? und nach unten und außen die kleineren 1a?, 1b?, 1c?, 1d? abgegeben werden. Die Macro- meren 1A, 1B, 1C, 1D geben ein zweites Quartett kleinerer Zellen 2a, 2b, 2c, 2d sinistral nach oben ab, um immer noch die größten Zellen der Furchungskugel als 2A, 2B, 2C, 2D zu bleiben. In Text- fig. G sind dem 8- Stadium die Sonde- rungsrichtungen des vierten Teilungsschrittes eingezeichnet. Im Hinblick auf die Verteilung der Eisubstanzen in die Blastomeren sei gleich hier ihre spätere Bedeutung bzw. die ihrer Abkömmlinge mitgeteilt. Von den Zellen 1a?, 1b? 1c?, 1d? nehmen die primären F Fig. G. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgiinge. I. 421 Trochoblasten ihren Ausgang. 2a, 2b, 2c führen zu Eısıc’s Osophago- blasten. 2d ist der primäre Somatoblast, der das Material für das Rumpfectoderm samt der Bauchganglienkette, den Parapodien und Borstensäcken enthält. 2A, 2B, 2C liefern der Hauptsache nach Entoblasten. Die große dotterreiche Zelle 2D gibt namentlich Ento- blasten und dem zweiten Somatoblasten oder Mesentoblasten 4d den Ursprung. Die Teilungen im Micromerenquartett zeigen für das Zellinnere den bisher geschilderten analoge Vorgänge. Die verhältnismäßige Dotterarmut der Zellen macht diese aber weniger auffällig. Auf die Trochoblastenteilungen kommen wir noch auf S. 423 zurück. Mit der Betrachtung der Macromeren beginnen wir im D-Qua- dranten. 1D ist die größte Macromere. Während 1A, 1B, 1C zu einem beträchtlichen Teil von ihren Deszendenten verdeckt werden, bleibt von 1D bei der Scheitelansicht namentlich dorsal rechts zwischen 1d und le ziemlich viel sichtbar. 1D wendet allen Zellen konkave Wölbungen zu. Zu seinem Inhalt gehört der dichte grobe Dotter des wdl-Oktanten. Mit der Trennung 1D > 1d steigt wie schon erwähnt auf der linken Seite der Dotter auf und wird durch die Strömungen der Telophase an die Zellgrenze transportiert. Der Kern samt seiner Umgebung wird nach dorsal rechts verlagert, immer in der oberen Zellregion verbleibend. Daher erstreckt sich das dotterarme Plasma jetzt von unten ventral links nach oben dorsal rechts, also unter 1d hervor an die freie Oberfläche zwischen ld und ic. Der Schnitt der Fig. 56 durch die achtzellige Furchungs- kugel ist nahezu ihrer Längsachse parallel und enthält den Ruhe- kern von 1D. Genaueres über seine Lage ergibt die Einstellung in das Schema der Textfig. G, wo er zwischen / und v einerseits und zwischen d und r andrerseits diagonal hindurchgeht. Wir finden unten den dichten groben Dotter und links nach oben zu reichlich lockeren Dotter. Neben 1d tritt das kernführende dotterarme Plasma an die Zelloberfläche. Seine Längsrichtung erstreckt sich hier von unten nach oben. Der Schnitt der Fig. 57 geht transversal durch die gleichaltrige Furchungskugel auf der Höhe des 1D-Kernes. Ventralwärts verläuft der Schnitt etwas zu hoch. Es sind alle Macromeren getroffen und 1b, das besonders tief liegt. Das rechts- seitig gelegene Teilungsplasma ist quer im kurzen Durchmesser ge- schnitten. Sonst findet sich allenthalben lockerer Dotter. Die anaphasische Spindel stellt sich der Länge nach in das dotterarme Plasma ein, ohne Besonderheiten aufzuweisen. Auffällig sind die 422 Junius SCHAXEL, Begleiterscheinungen der Telophase. Der oben gelegene 2d-Pol ver- harrt an seiner Stelle, während der 2D-Pol in die Tiefe sinkend von wenig dotterarmem Plasma umgeben in den Dotter eintritt, der allseitig um ihn emporsteigt. Es werden eben die bisher unbeweg- lichen Dottermassen in den Teilungsbereich einbezogen. Die Furche schneidet derart ein, daß 2d hauptsächlich dotterarmes Plasma erhält, während in 2D der Dotter zwar verbleibt, aber Umlagerungen er- fährt. Durch die Pole der telophasischen Spindel bei einschneidender Furche ist der Schnitt der Fig. 58 gelegt. Seine Ebene ist die der Sonderungsrichtung, also unter 1d. 20 wird in einem dorsalen Ausläufer angeschnitten. Man sieht den 2D-Pol in den Dotter ein- eesunken und die Dotterarmut von 2d. Im Totalpräparat erscheint das dotterarme klare Plasma dieses Stadiums wie eine dickbauchige Flasche (2d), deren Hals (Kernregion von 2D) in den Dotter hin- einragt. Der beherrschenden und stabilen 1D gegenüber erleiden die übrigen Macromeren durch gegenseitigen Druck und Abplattung Deformationen der äußeren Gestalt, die wieder den Zellinhalt beein- flussen. So wird infolge der vorhergehenden Teilung (s. S. 419) in 1A und 1C, weniger deutlich im dotterarmen 1B, der dichte Dotter in lappenartige Bezirke verlagert. In 1A findet sich ein solcher Dotterlappen unten ventralwärts, in 1C unten dorsalwärts. Die übrige Zellpartie teilt sich nahezu äqual. So gibt 2A dorsalwärts nach oben links 2a, 2B ventral nach oben ungefähr in der Mediane 2b und 2C nach oben rechts 2c ab. Führen wir in der Sonderungsrichtung einer solchen Teilung einen Tiefenschnitt durch die Furchungskugel, wie es in Fig. 59 für die Teilung 20 > 2c geschehen ist, so gelangt der Dotterlappen zur Darstellung, der bis zur späten Telophase unbewegt bleibt. In einem tangential gehaltenen oberflächlichen Anschnitt, der für die Teilung 2A >2a in Fig. 60 ausgeführt ist, liegt die Dotterpartie unterhalb der Schnittebene, und man glaubt eine adäquale Teilung vor sich zu haben. Beim vierten Teilungsschritt können wir zusammenfassend wie bei den früheren Teilungen die bedingenden Faktoren in zwei Gruppen teilen: erstens solche, die für jede einzelne Zelle gelten und zu ihrer selbständigen Teilung führen, und zweitens solche, die durch das gegenseitige Lageverhältnis der Blastomeren gegeben sind, also die Zellgestalt verändern und damit auf die Inhaltsanordnung Einfluß gewinnend die erstere Faktorengruppe modifizieren. Als Eigentüm- lichkeit des vierten Teilungsschrittes ist die vermehrte Einbeziehung Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. LI. 423 bisher immobiler dotterführender Zellpartien in die mit den Teilungs- prozessen einhergehenden Substanzumlagerungen zu nennen. 5. Weitere Beispiele von Furchungsteilungen. Eine weitere Darstellung der Intracellularprozesse aller Furchungs- teilungen nach dem Spiraltypus bei demselben Objekt erübrigt sich, da nur stets prinzipiell Übereinstimmendes mitzuteilen ist. Zudem macht die Komplikation des vielzelligen Keimes die Wiedergabe richtig orientierter Schnitte durch die kleiner werdenden Zellen immer schwieriger. Dagegen wäre für den mit der Bildung des ersten und zweiten Somatoblasten und den sich anschließenden Teilungen eingeleiteten Übergang zur Bilateralfurchung ein genaues Verfolgen der Vorgänge im Zellinnern sehr erwünscht. Allein die im Leben undurchsichtigen Aricia-Keime gestatten vor der Dotter- resorption für die Totalpräparate nur eine beschränkte Aufhellung, und wo ein sicher orientierbares Totalpräparat fehlt, führen die Schnittbilder leicht auf Irrwege. Diese Lücke gehört zu den ein- gangs erwähnten (S. 385), deren Ausfüllung später vorgenommen werden soll. Trotzdem läßt sich schon jetzt aus dem immerhin mög- lichen Überblick über die Vorgänge und der genaueren Untersuchung der in der dem Blastoporus entsprechenden Gegend befindlichen Zellen, besonders der großen Entomeren, das Wesentliche des Überganges von der Spiral- zur Bilateralfurchung erkennen. a) Die primären Trochoblasten. Die erste Anlage des auch bei der reduzierten Larve von Aricia zur Ausbildung kommenden Prototrochs bilden die primären Trocho- blasten, deren Teilungen nach dem Spiraltypus wir noch verfolgen, da ihre oberflächliche Lage im Keim sie leicht orientierbar macht. Sie nehmen, wie schon erwähnt, ihren Ausgang bei der läotropen 8—16-Teilung, wo sie als 1a°, 1b°, 1c?, 1d? nach unten außen von la!, 1b!, 1c!, 1d! abgegeben werden. Bei dem nächsten dexiotropen Teilungsschritt entstehen die dem Umfang nach äqualen Blastomeren 1a°!—1a?? etc. so, daß die acht Zellen zu je zweien einen dem Keim- äquator parallelen diskontinuierlichen Ring bilden. Die letzte läotrope Teilung liefert 16 Zellen, die in vier Gruppen von vier gleich großen Zellen liegen und 1la?!1—1a?!?, 1a?21—1a?”? etc. heißen. Betrachten wir nun z. B. die Teilung 1d”!—1d?? auf einem zur Tangente der Furchungskugel senkrechten Schnitt, der durch die Pole der ana- 424 Jurius SCHAXEL, phasischen Spindel geht (Fig. 61), so sehen wir auBer dem dotter- armen Teilungsplasma unten und nach oben rechts einen Halbmond lockeren Dotters. Die Spindel steigt nach oben rechts etwas an. In der Telophase (Fig. 62) kommt der Dotter in beiden Hälften höher zu liegen, also in 1d?! in die linke untere, in 1d?? in die rechte obere Ecke. 1d°! und 1d”? sind sich spiegelbildlich gleich. Die Spindel der nächsten Teilung wird sich dadurch wieder ent- sprechend einstellen. Die dem Volumen nach äqualen Teilungen sind infolge der von früher her übernommenen Exzentrizität der Inhaltsanordnung nach ungleiche. Die folgenden schematischen Text- figuren H, J, K geben die Telophasen der primären Trochoblasten- teilungen im d-Quadranten wieder. b) Die Teilungen in der somatischen Platte. Die Abkömmlinge von 2d (durch läotrope Teilung von 2D ge- trennt, s. S. 421) lassen allmählich die Furchung nach dem Spiral- typus vermissen. Es ist im allgemeinen zu sagen, dab die fort- gesetzten Teilungen selbst zu einem Ausgleich des geteilten Materials führen, also der Äqualität nach Größe und Inhalt sich nähern. Die telophasischen Plasmaströmungen führen bei dem mehr und mehr gleichartigen Inhalt des Zelleibes zu keinerlei neuen Anordnungen der Substanzen. Im Vergleich zu unserer bisherigen Betrachtung, wo die Dotterverteilung uns über die Substanzanordnung überhaupt unterrichtete, bieten sich bei den Nachkommen von 2d, der soge- nannten somatischen Platte, infolge der Dotterarmut Schwierigkeiten. Bei der dexiotropen Teilung 2d1> 2d? finden wir noch Anhalts- Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 425 punkte. Fig. 63 stellt einen Schnitt durch die Spindelpole der frühen Telophase und senkrecht zur Keimtransversalebene vrdl dar. Außer dem 2d-Komplex ist links unten 3D, rechts unten die Teilung 3C > 3c getroffen, und über 2d sieht man Anschnitte von primären Trochoblasten und Intermediärzellen. Von 2d wird nach links dorsal — die größere Zelle 2d! und nach rechts ventral die kleinere 2d? ab- gegeben. In 2d? sind kaum noch Dotterdifferenzen wahrzunehmen, während in 2d! sich der meiste Dotter oben links findet, der bei der nächsten Teilung (2d!!>>2d!?) in die größere obere Zelle 2d11 zu liegen kommt. Auf die Betrachtung der folgenden Teilungen müssen wir aus den angeführten Gründen vorläufig verzichten. c) Die Bildung des Mesentoblasten (4d) und der Entoblasten. Bei den Teilungen 3A>3a, 3B > 3b, 3C > 3c, 3D>3d und 4A >4a, 4B > 4b, 4C > 4c, 4D > 4d treten die für den Spiraltypus angegebenen Erscheinungen auf. Im A-, B- und C-Quadranten macht sich dabei die zur Äqualität führende Abschwächung der exzen- trischen Inhaltsverteiling bemerkbar. Im D-Quadranten ist 4d als zweiter Somatoblast oder besser Mesentoblast von besonderem Inter- esse, mit dessen Mesoderm liefernden Abkömmlingen wir uns später noch ausführlich beschäftigen werden. Die sich an 4d anschließenden Teilungen genauer zu untersuchen, müssen wir uns aus denselben Gründen, die ich für die Abkömmlinge von 2d anführte, versagen. Bei der Mesentoblastbildung liegen sieben Entoblasten vor, nämlich 4A, 4B, 4C, 4D, 4a, 4b, 4c, die alle mehr oder weniger dotterreich sind. Den meisten Dotter enthält immer noch 4D, in dem sich der dichte grobe Dotter des «d/-Oktanten des Kies befindet. Er verharrt aber seit den letzten Teilungen nicht mehr immobil in exzentrischer Lage, sondern die Zellabgrenzungen ziehen ihn in das Teilungsgetriebe. In 4D, das seine größte Fläche (die Ab- plattung gegen die anderen Blastomeren macht sie zum Polyeder) der Außenseite der Furchungskugel zuwendet, liegt die Dottermasse infolge des Aufströmens bei den letzten Telophasen nach dem Innern des Keimes zu, während das spärliche dotterarme Plasma mit dem Kern eine oberflächliche Lage einnimmt. Ein Tiefenschnitt durch die Spindelpole der Prophase der Teilung 5D > 5d (Fig. 64) lehrt, dab die Exzentrizität des Zellinhalts nur mehr eine gering- fügige ist. In der Sonderungsrichtung ist der Teilungsapparat (vom 426 JULIUS SCHAXEL, Beschauer aus nach rechts in der Figur) gegen 5d verschoben, nach welcher Richtung die Zelle auch einen etwas dotterärmeren Aus- läufer besitzt, während der 5D-Teil besonders dotterreich ist. 5D fällt bei der Trennung der Zellen größer aus als 5d. Beide Zellen er- strecken sich nun viel tiefer in das Innere des Keimes, als sie Raum an dessen Oberfläche einnehmen. Durch die Zellvermehrung in der Umgebung der dem Blastoporus entsprechenden Region kommt ein seitlicher Druck auf die Macroentomeren zustande, der sie zu noch weiterer Streckung nach dem Zellinnern veranlaßt. Infolgedessen dehnt sich in 5D das kernumgebende Plasma im Radius der Furchungskugel aus, wie ein Schnitt durch die Prophase der Teilung 6D—6d (Fig. 65) zeigt. Diese und die nächsten Teilungen sind dem Volumen nach äquale, und der dichte grobe Dotter erfährt ebenfalls eine allmähliche Verteilung, so daß uns bei der Behandlung der Differenzierungsvorgänge im Entoderm keine besonders ausge- zeichneten Zellen mehr begegnen werden. Aus den Entomeren- teilungen erhellt, daß der Dotter kein Teilungshindernis darstellt, sobald er in den Teilungsbereich einbezogen wird. 6. Die intracellulären Vorgänge während der Furchung. Wir sahen die Furchung als eine zeitlich, der Sonderungs- richtung und Teilgröße nach bestimmte Reihe von Teilungsprozessen, für deren Ausfall die Lokalisation der Substanzen im Ei und weiter- hin in den Blastomeren sich als maßgebend herausstellte Den Substanzumlagerungen widmeten wir daher besondere Aufmerksam- keit. Nach der Betrachtung des topographischen Verhaltens wenden wir uns den morphologischen Beziehungen im engeren Sinne zu, um zu ermitteln, ob außer den die Teilungsvorgiinge ausmachenden Be- wegungen und dem Strukturwechsel noch andersartige Erscheinungen zu bemerken sind. a) Die Teilungsstrukturen. Da die Lebendbeobachtung des Durchschneidens einer Furche nur die Wahrnehmung der Veränderungen der äußeren Formen des Teilungskomplexes gestattet, so können wir für die inneren Vor- eänge aus fixiertem Material nur Momentbilder gewinnen, deren Seriation uns für den Teilungsverlauf einen beständigen Wechsel der Strukturen lehrt. Wir werden uns demnach vor einer ultra- morphologischen Auffassung des freilich auf morphologischem Wege Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 427 Ermittelten zu hüten haben. Sehen wir von den Chromosomen und den zu verteilenden Zelleib-Einlagerungen ab, so bleibt uns in Sphären und Spindeln der Teilungsapparat, der sich bei jeder Teilung in gleicher Weise entfaltet und wieder rückgebildet wird. Dabei steht seine Ausdehnung in Proportion zur Größe der in Teilung be- griffenen Zelle. Die beiden Centrosphären sind immer gleichgroß, während der Strahlungsbereich mit der Größe der Teilungsprodukte korrespondiert. Die Entfaltung der Sphären wechselt in den Phasen der Teilung. Sie nimmt rasch zu in der Prophase, erhält bis über die Anaphase ihr Maximum, um dann allmählich abzunehmen. Der bei den ersten Teilungsschritten nur sehr kurz bestehende Ruhe- kern erscheint allseitig umstrahlt bis zum Auftreten der gegen- poligen Sphären. Bei länger ruhenden Kernen ist ein allmähliches Umgriffenwerden durch die Strahlungszentren zu bemerken. Die lange keine oder nie mehr eine Teilung eingehenden Kerne der späteren Entwicklungsstadien entbehren jeder Andeutung des Teilungsapparats. Was die Frage nach etwa individualisierten Centrosomen und Centriolen betrifft, so ist zu sagen, daß manchmal im Zentralteil der Sphäre ein färbbares Körnchen, zuweilen auch mehrere wahrnehmbar sind. Wer permanente Teilungsorganelle unter allen Umständen postulieren zu müssen glaubt, wird nur solches zeigende Präparate für ganz gelungene ansehen. Für ge- wöhnlich hat nach FremminG-Fixierung und Färbung mit Eisen- hämatoxylin der Zentralteil der Sphäre einen wabigen Bau. Die von hier auslaufenden Strahlen verlieren sich, sofern sie nicht als Spindelfasern von beiden Polen her ineinandergreifen, im Cyto- plasma. Man gewinnt den Eindruck, daß es sich um lokalisierte Schwankungen des Flüssigkeitsgehaltes im Cytoplasma, also um den Wechsel von Verdichtungen und Ausdehnungen, handelt. Da diese Vorgänge im Verhältnis zum Zellganzen an bestimmten Stellen vor sich gehen, so kommt es in ihrer Umgebung zu den geschilderten Strömungen des Grundplasmas, in dem an sich immobile Einlagerungen transportiert werden. Die Einbeziehung der Zellteile in die Be- wegung ist abhängig von der Entfernung von deren Zentrum. Auf die Vorgänge im Kern während der Teilungsphase kommen wir im nächsten Abschnitt zu sprechen. Ich bin geneigt, bei den Teilungs- strukturen nicht so großen Wert auf korpuskulär persistente Zell- organelle zu legen, in denen zur Zeit ihrer Inaktivität geheimnis- volle Kräfte schlummernd angenommen werden müssen (Centriolen), sondern in den wechselnden Strukturen solche zu sehen, die ich Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 28 428 JULIUS SCHAXEL, als funktionelle gekennzeichnet habe (1911b, p. 340 und hier Ab- schnitt V, 1). b) Die Blastomerenkerne. Während der Furchungsphase zeigen die Kerne lediglich den Wechsel von Teilung und Rekreation. Bei Besprechung der Ge- websbildung werden wir sehen, daß nicht für den ganzen Keim diese Phase auf einmal endet, sondern in den einzelnen Organanlagen zu verschiedenen Zeiten und nach einer verschiedenen Anzahl von Teilungsschritten zum Abschluß kommt. Die periodische und un- unterbrochene Folge von Chromosomen, Teilung und Chromatin- vermehrung zu neuer Chromosomenbildung ist als positiver und das Fehlen alles dessen, was die Kerne produzierender Zellen, z. B. der Oocyte oder der Gewebsbildner, auszeichnet, ist als negativer Charakter der Furchungskerne anzusehen. Die in der Anaphase geteilten Chromosomen werden während der Telophase einzeln alveo- lisiert. Die Caryomeren vereinigen sich dann zu einem saftreichen, wenig färbbaren Gesamtkern, in dem die Bezirke der einzelnen Caryomeren und weiterhin der neuen Chromosomen erkennbar bleiben. Ein Nucleolus tritt nicht auf. Zunehmende Färbbarkeit zeigt die Chromatinanreicherung an. Gegen das Ende der Teilungsruhe er- folgt die Integration der Chromosomen rasch, und bei der Kernauf- lösung strömen mit dem Kernsaft chromatische Partikel, die keinen Eingang in die Chromosomen fanden, in den Zelleib ab, wo sie bald verschwinden. Namentlich bei Sublimatfixierung und Färbung mit Hämalaun läßt sich von der Prophase bis zur Anaphase neben der Spindel das beim Teilungsbeginn abgeworfene Chromatin konsta- tieren. Ich erinnere daran, daß bei der Keimbläschenauflösung die- selbe Erscheinung zu bemerken ist. Sie kommt wohl bei jeder Zell- teilung vor und ist eben nur bei größeren Zellen einigermaßen auf- fällig. Das Restchromatin der Rekreationsphase, dessen sich der Kern auf diese Weise entledigt, teilt wohl das Schicksal der sonst bei gleicher Gelegenheit entfernten Nucleolen. Es verfällt der Re- sorption im Cytoplasma. Die die Furchung illustrierenden Figg. 39 bis 65 geben auch eine Übersicht über die Kernvorgänge Wie schon S. 403 gesagt, gehen die Chromosomen des männlichen und weiblichen Vorkernes die erste Furchungsteilung unvermischt ein (Fig. 37). Die Konstituenten der amphimiktischen Kerne lassen zwar ihre Herkunft nicht mehr erkennen, da aber gerade die ersten Teilungsschritte sehr ausgeprägte Caryomerenbildung aufweisen, liegt Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 429 die Annahme eines längeren Parallelgehens des väterlichen und mütterlichen Kernanteiles bzw. eines erst allmählich sich vollziehen- den Austausches zwischen den bei der Befruchtung zusammen- geführten Substanzen während der Furchungsphase nahe. Fig. 126 stellt einen 2 « dicken Schnitt durch die Region des frühen Ruhe- kernes der Zelle CD aus einem mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün gefärbten Präparat dar. Es sind verschiedene Anschnitte von Caryomeren sichtbar, die bläschenförmig und von einem achromati- schen Gerüst mit schwach färbbaren granulären Einlagerungen er- füllt sind. Sie liegen in sehr saftreichem Cytoplasma, das in ihrer Nähe ein gerinnseliges Aussehen hat und in ihrer Umgebung zu wabigem Bau übergeht. Einen älteren Ruhekern und zwar aus dem Entoblasten 4D zeigt die Fig. 66. Auch hier handelt es sich um ein FLemmixG-Eisenhämatoxylin-Präparat. Der Kern hat die Form eines Ellipscids. Seinem wabigen Grundplasma sind die in Integra- tion begriffenen Chromosomen eingelagert. Sie bestehen aus einem noch alveolären Bau verratenden Axialteil, der von granulärem Chromatin so umgeben wird, daß die bekannte Bürstenform der intranucleären Chromosomen zustande kommt. Was die Beziehungen des Kernes zum Zelleib betrifft, so sind mit morphologischen Mitteln keine substantiellen zu konstatieren. Allerdings entstammen die Materialien, die zur Vermehrung des bei der Furchung an Caryochromatin zunehmenden Bestandes im Keim- ganzen gebraucht werden, den Zelleibern, da die Kerne von diesen aus ernährt werden. Allein der in nicht färbbaren Lösungen vor sich gehende Stoffaustausch ist unserer Betrachtung unzugänglich. Jedenfalls kommen keine der Chromatinemission vergleichbaren Aktivitätsäußerungen der Kerne vor; denn der Chromatinabwurf beim Teilungseingang ist ganz anderer Art und läßt vielleicht an einen intracellulären Exeretionsvorgang denken. Soviel ein allge- meiner Überblick sehen läßt, sind die Ruhekerne dem Volumen nach abhängig von der Zellgröße, die ja eine sehr verschiedene ist. Exakte Messungen sind wegen des starken Abweichens der Zell- gestalt von der Kugel nicht möglich. Die räumliche Lage des Kernes in Ruhe und Teilung ist für jede Blastomere genau bestimmt. Er nimmt als Ruhekern immer das Zentrum des dotterarmen Plasmas ein und macht bei der Teilung dessen Umlagerungen mit. Zum Vollzug einer Teilung ist die auf der beendeten Chromosomenrekrea- tion beruhende Kernreife nötig, während im Zelleib zu einer der Richtung und Größe nach normalen Zelltrennung die Umlagerungen 28* 43 JuLıus ScHAxEL, des vorhergehenden Teilungsschrittes vor sich gegangen sein müssen. Es zeigen sich also am Zustandekommen einer jeden Furchungs- teilung beide Zellkomponenten wesentlich beteiligt. c) DieSubstanzen des Hileibes während der Furehung. Was sich in der befruchteten Eizelle an Substanzen morpho- logisch und topographisch unterscheiden läßt, haben wir S. 394 ff. kennen gelernt, und die Verteilung dieser Substanzen auf die Blasto- meren wurde bei der Darstellung der Furchung (Abschnitt III) mit- geteilt. Wir wenden uns ihrem Verhalten innerhalb einer Blasto- mere zu. Die cytoplasmatische Grundsubstanz zeigt bei den Teilungs- prozessen den geschilderten Strukturwechsel (S. 426). Besonders dar- stellbare Bestandteile des Cytoplasmas, wie Chondriosomen oder ALTMANN’sche Granula, werden überallhin mitgeführt, ohne vor Ein- tritt der Differenzierungsvorgänge Neues zu zeigen. Der Dotter erfährt durch die Furchung eine Aufteilung in viele Zellen, ohne eine merkliche Abnahme oder an seinen Elementen Veränderungen, wie wir sie später als Anzeichen der Resorption kennen lernen werden, bemerken zu lassen. Er gelangt in alle Zellen, doch fällt die Hauptmasse den Meso- und Entoblasten anheim. Der dichte grobe Dotter des wdl-Oktanten kommt durch die D-Generation in das Entoderm. Am auffälligsten verhalten sich die intervitellinen Chromatinkondensata. Sie nehmen mit dem Fortschreiten der Fur- chung ab und sind mit dem Ende der für die einzelnen Organ- anlagen verschieden lange dauernden Aufteilungen verbraucht. Sie stellen oftenbar die Energiequelle jener Entwicklungsphase dar, bei der die Dotterresorption keine Rolle spielt, und entlasten gleich- zeitig die Kerne, die bei der Furchung zu ihren Zelleibern keine substantiellen Beziehungen zeigen, während die Chromatinkondensata dem Oocytenkern entstammtes Material darstellen. Zur Illustration des Zelleib-Inhaltes einer Blastomere sei ein Schnitt durch die Zelle CD parallel zur Achse vd und den Kern sowie den groben dichten Dotter im «dl-Oktanten treffend gewählt. Der in Fig. 125 dargestellte Sektor eines solchen Schnittes erstreckt sich von der Kernregion durch den wdl-Dotter zur Zelloberfläche. Das zugrunde liegende Präparat wurde mit Fremmixéschem Ge- misch fixiert und mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün gefärbt. Wir betrachten die Schichten von außen her. Die nach der Besamung abgehobene Dotterhaut ist im fixierten Zustand strukturlos. Sie um- schließt den Keim bis zum Auskriechen der frei schwimmenden Larve Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. 1. 43 und wird dann abgeworfen. Der dotterfreie Plasmamantel, der zu- erst das Ei und späterhin die Blastomeren oberflächlich umgibt, zeigt im Präparat immer einen faserigen Bau. In ihm gehen bei den Teilungen wichtige Strömungen vor sich. Im Gebiet des dichten grobkörnigen Dotters sind große Dotterstücke dem wabigen Grund- plasma eingelagert. Das intervitelline Chromatin findet sich hier nur spärlich. Es folgt eine breite Schicht lockeren Dotters kleineren Kalibers. Auch hier zeigt das Plasma Wabenbau. Die Chromatin- kondensata sind weniger dicht gefügt als in den inneren Schichten. Die Grenzschicht zwischen dem dotterreichen und dotterarmen Zellgebiet ist durch eine besonders dichte, also eine besonders enchylemaarme, Fügung des Plasmas ausgezeichnet. Dotter sowohl wie Chromatin erscheinen daher zusammengedrängt. Die dotter- arme saftreiche Kernumgebung zeigt in ihren äußeren Teilen noch den gewöhnlichen Wabenbau, um nach innen zu (auch während der Teilungsruhe) in eine mehr radiäre Anordnung des festeren Plasma- bestandteiles überzugehen, also strahlig auszusehen. Die Chromatin- einlagerungen folgen den Wabenwänden. Daher sind sie weiter außen vielfach verzweigt, weiter innen eher fadenförmig. Wir be- finden uns hier in der strukturell sehr labilen Teilungsregion der Zellen. In allen plasmatischen Teilen der Zelle lassen sich chon- driosomenähnliche Gebilde nachweisen. Auf unserem Bilde erscheinen sie als schwach gefärbte Fädchen, die dem Grundplasma angehören. Was den Anteil der mit dem männlichen Vorkern in den Eileib importierten Substanzen an der Furchung betrifft, sei an das S. 22 Gesagte erinnert. Bei der Kernvereinigung und der sich an- schließenden ersten Furchungsteilung nehmen die strahligen Um- bildungen des Ooplasmas von dem plasmatischen Mittelstück des Spermiums ihren Ausgang. Eine fernere Wirksamkeit dieser äußerst minimalen Substanzmenge ist morphologisch nicht zu Konstatieren. 7. Der eytologische Rahmen der Furchungsvorgiinge. Die Blastomerenkerne zeigen lediglich den Wechsel von Teilung und Rekreation. Die Chromosomen der Telophase alveolisieren sich und vereinigen sich zu dem gemeinsamen Ruhekern, der die nächste Teilung vorbereitet. Äußerungen von Kernaktivität sind nicht zu konstatieren. Während der Aufteilung des Eiinhaltes in die Blasto- meren erleiden die Chromatinkondensationen der Zelleiber eine all- mähliche Erschöpfung. Die Blastomeren von verschiedener pro- 432 Junius SCHAXEL, spektiver Bedeutung machen eine verschiedene Anzahl von Teilungen durch, bis die andersartigen Vorgänge der Differenzierung einsetzen. Die genannten Intracellularprozesse kennzeichnen die Furchung als eine Reihe von Teilungen, die sich aber nicht regellos folgen, sondern der Zeit, der Richtung und der Größe nach bestimmt auf- treten. Die Umlagerungen des an sich immobilen Dotters verraten die die Teilungen bewirkenden Plasmabewegungen. Die Teilungen nehmen ihren Ausgang von der durch eine eigentümliche asym- metrische Lokalisation ihres Inhaltes ausgezeichneten Eizelle. Diese Asymmetrie ist während der Oogenesis unter dem Einfluß des Oocytenkernes entstanden. Das Eindringen des Spermiums ändert an ihr nichts. Sie gestattet die Einstellung des Kernes und die Entfaltung des Teilungsapparats nur in einer bestimmten Weise. Die folgenden Blastomeren übernehmen eine gleichsinnige Lokali- sation ihrer Substanzen, die eine sekundäre Modifizierung durch die von der Zellgestalt bedingten inneren Umlagerungen erfährt, indem sich die Blastomeren je nach dem gegenseitigen Lageverhältnis ver- schiedentlich abplatten. Vom zweiten Teilungsschritt an sind also zwei Faktorengruppen von wesentlicher Bedeutung: die von der Ei- zelle her übernommene Inhaltsasymmetrie und die Wirkung der Zell- gestalt auf die Inhaltsanordnung. Die Teilungen selbst führen zu einem allmählichen Ausgleich der Inhaltsdifferenzen unter den Blasto- meren, und so geht die anfänglich starke Inäqualität der Spiral- furchung nach und nach zu äqualen Teilungen über. Die Furchung erscheint als Fortsetzung der Eibildung, die ihre Vorentwicklung darstellt. Die Befruchtung hat außer der auch anderweitig ersetzbaren Entwicklungsauslösung keinen Einflub auf sie. Erst während der Furchung geht die Vermischung der weib- lichen und männlichen Kernanteile vor sich. 8. Die Angaben anderer Autoren über die Intracellularprozesse der Polychätenfurchung. Auf die grundlegenden Arbeiten der cell-lineage-Forscher wurde zu Beginn dieses Kapitels verwiesen. Sie kommen auf die Vorgänge im Zellinnern nur ganz gelegentlich zu sprechen, so dab es wertlos wäre, ihre nebenbei gemachten Bemerkungen hier zusammenzustellen. Manches hierher Gehörige findet sich in experimentellen Unter- suchungen und theoretischen Erörterungen zerstreut, die wir aber, wie gesagt, erst nach Beibringung weiteren eigenen Materials dis- Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. LI. 433 kutieren werden. Daher soll hier auf die neuen Zentrifugierversuche von T. H. MorGax (u. a. an Cerebratulus) nicht eingegangen werden. So können wir uns auch mit A. D. Meap (1897), der ein sehr reiches Vergleichsmaterial von dem äußeren Verlauf der Polychätenfurchung gibt, nicht auseinandersetzen, wenn er am Schlusse an einer ein- heitlichen Auflösbarkeit der bedingenden Faktoren verzweifelt, bevor nicht einige methodologische Voraussetzungen erledigt sind. Ihm und anderen cell-lineage-Forschern muß entgegen gehalten werden, dab das Studium des Zellinhaltes oft die Aufklärung verschafft, die die Betrachtung der Vorgänge im groben verweigert. Von Interesse ist, daß E. B. Wizsox (1892) in seiner klassischen Untersuchung der Entwicklung von Nereis Anklänge an das äußert, was ich für Aricia finde, wo die asymmetrische Lokalisation der Substanzen in den Blastomeren vom Ei an die Furchung nach dem Spiraltypus begleitet und mit dem Ausgleich dieses Verhaltens durch die Teilung selbst die bilaterale Furchung ersetzt. Wırson sagt p. 445: „The bilateral asymmetry of the early stages depends mainly upon the fact that the substance of the somatoblasts is stored in the left posterior macromere. Bilateral symmetry is established upon the reduction of this macromere (D) to the size of its fellow (C) by the separation of the somatoblasts and their transportion to the median line. Immediately upon this event follows the appearance of bilateral cleavages throughout the embryo, except in the cells which give rise to the prototroch, a purely larval organ.“ Im Ei von Nereis ist die Inhaltsasymmetrie wenig sichtbar und auch nicht so ausgeprägt wie im Ei von Aricia. Wırson, der die Eibildung nicht untersuchte und nur Totalpräparate benützte, geht auf die zitierte Angabe nicht näher ein. Unseren Betrachtungen nahe steht Fr. R. Linnie (1906), der die normale und experimentell beeinflußte Entwicklung von Chaetopterus pergamentaceus Cuvier untersuchte. Er findet im Zelleib der Oocyte vor Auflösung des Keimbläschens eine Schichtung der Substanzen und unterscheidet und benennt eine Anzahl granulärer Einlagerungen, von denen er einen Teil als chromatische Microsomen vom Kern her- leitet. Im Keimbläschen spricht er große Bedeutung der nach ihrem Verhalten bei der Auflösung benannten residual substance zu und glaubt, sie spiele als a specific formative stuff namentlich bei der Bildung des ersten Micromerenquartetts eine besondere Rolle. So- viel ich sehe, besteht die residual substance in den bei der Chromo- somenintegration dem saftreichen Caryoplasma eingelagert bleibenden 434 JULIUS SCHAXEL, Chromatinpartikeln, die wir nach ihrem Abströmen mit dem Kernsaft nicht weiter konstatieren konnten. Ebensowenig kann ich Lrzrre’s Deutung des abgeworfenen Restchromatins beistimmen, das bei den Teilungen großer Zellen zu beobachten ist (s. S. 428) und von dem er sagt (p. 212), daß new substances arise from the nuclei and are differentially distributed in some cases at least. Als Polarität der Eizelle wird von Linu schon die während der Eibildung zustande kommende Schichtung des Eileibes angesehen. Allein er gibt zu, daß erst die bei der Auflösung des Keimbläschens vor sich gehenden Substanzumlagerungen den für die Furchung maßgebenden Lokali- sationszustand herbeiführen. Er sagt p. 167: „The rupture of the germinal vesicle initiates a series of movements of the substances by means of which they attain to their definitive positions during the prophases of the first maturation division. This rearrangement of the substances may be called the process of polarization . . .“ Die Befruchtung findet er während der Richtungskörperbildung vor sich gehend. Sie ändert nichts an den bestehenden Verhältnissen im Eileib (p. 168): „Fertilization, which occurs during this period, will be considered only incidently.“ Lacie beschreibt ausführlich den ersten Teilungsschnitt und teilt über die folgenden einiges mit. Der Mangel eines durchgeführten Orientierungsschemas erlaubt nicht, den sich häufenden Komplikationen allzu weit zu folgen. Alle Zellen erhalten Endoplasma, d. h. dotterführendes Plasma, was ich auch für Aricia fand, und das Entoderm wird aus Endoplasma aufgebaut. Letzteres stimmt mit unserem Befund, daß der grobe dichte Dotter in die Entomeren gelangt, überein. Auf LırLır's experimentelle Er- gebnisse kommen wir später zu sprechen. IV. Die Organbildung. Effekt der Furchung. — Mitteldarm. —- Muskelbildung. — Larvale Haut- driisen. — Bildung der Chitinborsten. — Trochzellen. — Präpygidiale Wachstumszone. — Cytologischer Rahmen der Zellproduktionen. Der Effekt der Furchung besteht in der Placierung der amphi- miktischen Kerne in verschiedene Zellengruppen, die insofern Organ- anlagen darstellen, als sie in vielen Fällen noch der Vermehrung der Zellen und immer der histologischen Differenzierung bedürfen, um als Organe funktionsfähig zu sein. Führt man als allgemeines Kennzeichen der Furchung an, daß sie in der gesetzmäßigen Auf- teilung des Eimaterials in Einzelzellen, die nicht zur Größe der Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 435 Mutterzellen heranwachsen, bestehe, so tritt die der histologischen Differenzierung vorangehende Vermehrungsphase dazu in einen ge- wissen Gegensatz; denn in ihr wird die Zellgröße nicht weiter herabgesetzt, sondern bleibt dieselbe. Es findet also vor jeder Teilung ein bestimmtes Wachstum statt. Bei der gegenwärtigen Betrachtung unseres Objekts ist es nicht möglich, zwischen der Furchung im engeren Sinne und der genannten Zellvermehrung eine Grenze zu ziehen. Ganz erübrigt es sich von Keimblättern u. dgl. zu sprechen, die Begriffe einer anderen Betrachtungsweise sind. Für uns ist z. B. Entoderm nur der Name einer Zellengruppe, ab- gesehen von ihrem Differenzierungsgrad. Die Furchung im weiteren Sinne (Formationsphase der Zellen) ist die Vorentwicklung für die histologische Differenzierung der Organanlagen (Produktionsphase der Zellen). Wir behandeln eine Auswahl von Differenzierungsprozessen, um ihre cytologischen Charakteristika zu ermitteln. Es ist für unsere prinzipielle Frage gleichgültig, ob wir es dabei mit Larvenorganen der Trochophora oder mit Organen des Wurmkörpers zu tun haben. Zudem ist die Larvenentwicklung bei Aricia so verkürzt, daß nicht so sehr von einer eigentlichen Metamorphose als vielmehr von einer direkten Entwicklung, bei der einige Larvencharaktere auftreten, zu sprechen ist. 1. Der Mitteldarm. Der Mitteldarm ist jener Teil des Darmtractus, der aus den Entomeren seinen Ursprung nimmt. Diese liegen zum ersten Male nach Bildung des Mesentoblasten 4d als folgende elf Zellen rein vor: 5A, 5B, 5C, 5D, 5a, 5b, 5c, 5d, 4a, 4b, 4c. Die weiteren Teilungen verlaufen auf die gewöhnliche Weise. Für die D-Familie ist auf S. 425 Näheres mitgeteilt. Allmählich wird Äqualität erreicht und zwar in den dotterärmeren A-, B-, C-Gruppen früher als in der D-Gruppe. Alle Teilungen sind mitotische und die Vermehrung eine sehr lebhafte. Fig. 67 zeigt den Entomerenkomplex, in dem die Zellen in verschiedenen Stadien der Ruhe und Teilung an- geschnitten sind. Mit Vollendung der Epibolie hört die Entoblasten- vermehrung im ganzen auf, nur in der dem Blastoporus entsprechenden Region gehen noch Teilungen vor sich. Im Verlauf der Entomeren- furchung gewinnen die Zellen eine solche Anordnung, dab sie all- seitig das Darmlumen umschließen. Damit sollen aber etwaige im einzelnen noch unkontrollierte Zellverschiebungen nicht durchaus in 436 Junius ScHAxEL, Abrede gestellt werden. Jetzt setzen neue intracelluläre Prozesse ein, mit denen wir uns gleich befassen werden. Die Mitteldarmbildung von Aricia weicht erheblich von der ab, die Eısıs (1898) für Capitella darstellt, während anderweitig die Entwicklung in großen Zügen bei diesen Formen übereinstimmt. Ich finde bei Aricia keine so komplizierten Vorgänge, wie sie Eısıg, p. 175 für Capitella resiimiert. Namentlich konnte ich keinen amitotischen Zerfall der Entoblastenkerne, keine vorübergehende Urdarmbildung und keine syncytiale Auflösung des Urdarmepithels vor dem Erscheinen der regulären Darmepithelzellen konstatieren. Dagegen fiel auch mir bei der Darmbildung auf direktem Wege das eigentümliche färberische Verhalten der Kerne auf. Wir wenden uns nun den Intracellularvorgängen zu. a) Die Phase der Zellvermehrune. Im Entoderm ist die oben besprochene Scheidung zwischen Furchung und Zellvermehrung innerhalb der Organanlage in be- sonderem Maße undurchführbar; denn ein Nachwachsen der geteilten Zellen kommt auf lange Zeit hinaus nicht vor, sondern tritt erst mit dem späteren Längenwachstum des Wurmes in der bleibenden Vermehrungsregion des Darmes ein. Solange die Zellen von Teilung zu Teilung eilen, sehen wir Teilungs- und Rekreationskerne. Die letzteren haben immer eine glatte Oberfläche und früher eine mehr elliptische, später eine kugelige Gestalt. Dem Volumen nach sind sie abhängig von der Zellgröße. Sie weisen sehr schwach färbbare Nucleolen auf und zwar entweder einen größeren oder zahlreiche kleine, die dann sehr unauffällig sind. Die Teilungsstrukturen sind nur während der Teilung sichtbar. Bemerkenswert ist, daß sich im Zelleib kein intervitellines Chromatin mehr befindet, während die Dotterschollen anscheinend noch unversehrt erhalten sind. Fig. 69 stellt eine späte Entoblastenteilung mit anaphasischer Spindel dar, Fig. 70 einen Entoblasten mit eben zur Ruhe gekommenem Kern, der die Chromosomenbezirke noch einigermaßen erkennen läßt. b) Die Phase der chromophilen Kerne. Die Fig. 68 stellt den Mitteldarm einer Larve vor dem Ver- lassen der Eihüllen dar. Während in der Gegend des kompakten Zellagers (die der Blastoporusstelle entspricht) noch die Vorgänge der Vermehrungsphase sich abspielen, scheint in den anderen Zellen, Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgiinge. I. 437 die das eben entstehende Darmlumen umschließen, ein günstiges Verhältnis der Massen von Kern und Zelleib erreicht zu sein; denn die Teilungen werden eingestellt, und die die Dotterresorption vor- bereitenden Prozesse beginnen. Zuerst sind Veränderungen am Kern zu beobachten, während deren der Zelleib sein gleiches Aussehen behält. Wir sahen schon, daß sich an die Teilung ein Rundkern, wie ihn die Fig. 70 zeigt, anschließt. In ihm wird die fädige An- ordnung des Chromatins zugunsten der reticulären aufgegeben. Dann tritt ein achromatischer Nucleolus auf, und der Chromatinbestand wird vermehrt (Fig. 71). Bei andauernder Chromatinvermehrung erheben sich an der Kernoberfläche zackige Fortsätze (Fig. 72), die sich nach Art von Pseudopodien weiter ausstrecken und tief in den Zelleib zwischen die Dotterschollen hineingreifen (Fig. 73). Die Chromophilie nimmt immer noch zu bis zu einem Maximum, das sich längere Zeit erhält (Fig. 74). Wir sehen in solchen Kernen einen achromatischen Nucleolus vom Typusder Excretnucleolen beiChromatin- assimilation, dem das Chromatin anliegt, das sich außerdem in dichteren Ansammlungen und auf dem Kernnetz verteilt findet. Die Kernfortsätze verlaufen von breitem Ansatz aus unverzweigt, doch sich verjüngend im Zelleib. Sie enthalten ebenfalls sehr zahlreiche Chromatinpartikel, so daß ihre Endstücke oft wie chromophile Fasern aussehen. Wir haben diese eigentümliche Kernveränderung bisher an mit Eisenhämatoxylin-Lichtgrün gefärbten FLemminG-Präparaten verfolgt und wollen zum Vergleich noch einige Beispiele aus anderen technischen Verfahren beibringen. Fig. 110 zeigt ein FLEMMING- Präparat nach progressiver Färbung mit Safranin. Deutlich ist die Safraninophilie des Kernchromatins und die blasse Tinktion des Nucleolus. Im übrigen herrschen die gelblichen Farbtöne des Fixiermittels vor. Besonders auffällig ist die Chromatizität der Kerne nach Sublimat-Essigsäure-Fixierung und Färbung mit Hämalaun und Eosin. Schon bei eben erst einsetzender Chromatinanreicherung und noch rundem Kern ist die Färbung eine sehr lebhafte, wie die der Fig. 71 entsprechende Fig. 120 zeigt. Zur Zeit des maximalen Chromatinbestandes läßt auch die kürzeste progressive Färbung ein Überfärben nicht vermeiden. Der Zackenkern nimmt eine tiefblaue Tinktion an und ist von flockigen Massen erfüllt, gegen die der hellere Nucleolus kontrastiert. In den Kernausläufern im Zelleib stechen die Chromatinpartikel scharf gegen das eosinfarbene Grund- plasma und den Dotter ab (Fig. 121). Eine im allgemeinen nicht eben gute Fixierung wurde mit Pikrin-Essigsäure erzielt. Die 438 JULIUS SCHAXEL, Strukturen erscheinen gerinnselig, und die Zellgrenzen sind oft ver- wischt. Trotzdem ist in Fig. 128 ein solches Präparat abgebildet, das eine Stunde in einem Gemisch von Methylgrün und Säurefuchsin belassen wurde. Es zeigt ein mißfarbenes bräunlich-gelbes Grund- plasma mit rötlich-gelbem Dotter. Der Kern erscheint durchweg von einer grünen Körnelung erfüllt, die sich auch in die Fortsätze erstreckt, und enthält einen braunroten Nucleolus. Schließlich sei noch eine Entodermzelle aus nach dem Aurtmann-Verfahren (s. S. 385) behandelten Material besprochen (Fig. 127). Das Stadium ist das der beginnenden Chromatinanreicherung. Einer gelbrötlichen Grund- masse sind Dotterkörner eingelagert, die um so dunkler graugelb erscheinen, je kleiner sie sind. Dazwischen und oft den Dotter- stücken angelagert finden sich rote unregelmäßige Körner, die manch- mal in Reihen liegen. Der Kern zeigt nur schattenhafte Strukturen. Was die Chromophilie und die Pseudopodienbildung der Entoderm- kerne betrifft, so scheint es mir zwecklos, nach dem Grade der Vitalität der an fixiertem Material so auffälligen Erscheinung, die bei allen Techniken sich durch eine gleichsinnige Reaktion ausweist, zu fragen; denn es genügt uns die Konstatierung einer lebhaften Kernaktivität, die den folgenden Prozessen im Zelleib vorausgeht. Während der Umbildung der Kerne gehen im Zelleib keinerlei Veränderungen vor sich. Erst wenn die Pseudopodienbildung der chromophilen Kerne ihr Maximum erreicht hat, setzt die Dotter- resorption ein, die noch andauert, wenn die Darmzellen bereits funktionieren. Von allen Geweben erhalten sich in den dotter- reichen Mitteldarmzellen am längsten Dotterschollen. In einzelnen Zellen findet sich viel länger Dotter als in allen übrigen. Manche verspäten sich mit den Differenzierungsprozessen so, daß es fraglich ist, ob sie überhaupt noch zu Darmepithelzellen oder resorbiert werden. Die Art und Weise, wie die Dotterresorption vor sich geht, wird durch die morphologische Betrachtung wenig aufgeklärt. Wir sehen die Schollen im Verlauf des Prozesses vacuolig werden, an Dichte und Umfang abnehmen und verschwinden. Sie werden lang- sam abgebaut und dienen zur Vermehrung der plasmatischen Sub- stanzen, die die Organbildner sind. c) Die Phase der histologischen Differenzierung. Die Dotterresorption dauert während der Differenzierungsvor- sänge noch an. Um funktionsfähig zu werden, muß der Mitteldarm an Osophagus und Proctodäum Anschluß gewinnen. Durch Längen- Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 439 wachstum geht der Darm in den der Aricia über, in deren Wachs- tumszone die Zellen die Charaktere der Vermehrungsphase beibe- halten. Die Anordnung der Entodermzellen um das Darmlumen be- trachten wir als Folge der Entomerenfurchung und etwaiger Zellverschiebungen (S. 435). In dem kompakten Entoblastenkomplex haben die Zellen eine polyedrische Gestalt, die nach der Darmlumen- bildung in eine hocheylindrische übergeht. Durch Streckung des Darmes verkürzen sich die Cylinder. Fortgesetzte Teilungen in der Wachstumszone führen zu einer Faltung des Darmes. Zu erwähnen sind noch seltene eingestreute Teilungen, die darauf hindeuten, daß die Zellen ihre Teilungsfähigkeit nach der Produktion noch be- halten, was nicht in allen Geweben der Fall ist. Sobald die Dotterresorption im Gange ist, nimmt die Chromo- philie der Kerne ab. Die Substanzen, die dem Kern seine eigen- artige Färbbarkeit verliehen haben, werden an den Zelleib abgegeben und sind jetzt in ihm wirksam. Dafür spricht die Chromatin- beschickung der Kernfortsätze. Eine eigentliche Chromasie des Zell- leibes, wie sie sonst durch Chromatinemission hervorgerufen wird. ist nicht zu konstatieren. Fig. 75 zeigt drei Zellen aus dem noch nicht festgeschlossenen Darmepithel einer Wurmlarve vom vierten Tag nach dem Verlassen der Eihüllen. Man bemerkt die Abnahme der Pseudopodien und des Chromatinbestandes. In der achttägigen Larve (Fig. 76) sehen wir bereits wieder sekundäre Rundkerne, und weiterhin (Fig. 77 vom neunten und Fig. 78 vom fünfzehnten Tag) zeigen die kugeligen Kerne eine reticuläre Struktur mit in unter- einander zusammenhängenden Anhäufungen verteiltem Chromatin und einem achromatischen Nucleolus, ein Kernbild, das uns in noch vielen Geweben funktionsfertiger Organe begegnen wird. Die Fig. 131 zeigt den bisherigen FLEMMING-Präparaten gegenüber ein Sublimat- Essigsäure-Präparat, das progressiv mit Broxprs Dreifarbengemisch gefärbt wurde. Die Chromatinbezirke im Kern haben Methylgrün, der Nucleolus Säurefuchsin aufgenommen. Die Darmlumenseite der cylindrischen Zelleiber wird zuerst dotterfrei. Ihr Plasma nimmt dann eine parallelfasrige Struktur an (Fig. 76 vom achten Tag). Ein quergestreifter Saum begrenzt die Zelle nach dem Darmlumen zu (Fig. 77 vom neunten Tag), und als Abschluß der Differenzierung erscheinen zahlreiche lange Cilien (Fig. 78 u. 131). Vom elften bis zwölften Tag an zeigen Nahrungs- partikel im Darm, daß er in Funktion getreten ist. Ein Vergleich der Figg. 75, 76, 77 u. 78 zeigt die Vacuolisation und die all- 440 JULIUS SCHAXEL, mähliche Auflösung der Dotterstiicke. In dem Bronpr-Praparat der Fig. 131 haben sich die Dotterreste mit Orange tingiert. 2. Die Muskelbildung. Unter Verzicht auf die spätere Teilungsgeschichte der Meso- blasten betrachten wir gleich die Differenzierung von Mesoderm- zellen zu Längsfasern der dorsalen Rumpfmuskulatur des Wurmes. Prinzipiell Übereinstimmendes hätten wir auch bei der Bildung der Ringmuskulatur oder der Muskulatur der Borsten finden können. Von der bleibenden Wachstumszone aus nimmt die Differenzierung im Wurmkörper nach vorn zu Die Muskelbildung kann daher vom Ende des embryonalen Lebens an studiert werden. Ich beziehe mich hier auf Tiere vom Verlassen der Eihüllen bis zum zehnten Tag des Freilebens, die besonders reich an verschiedenen Bildungs- stadien sind. Die Ausgangszellen haben eine polyedrische Form und schließen sich an Teilungsstadien. Sie enthalten mäßig viel zerstreuten Dotter, und ihr Zelleib besteht aus achromatischem Plasma. Während die intracellulären Prozesse beginnen, nehmen die Zellen Spindelform von abgerundet prismatischem Querschnitt an. Sie lagern sich mit ihren schmäleren Enden aneinander, und wenn die fibrillären Differen- zierungen die Oberhand gewinnen, verschwinden die Zellgrenzen. Wir betrachten zunächst die intracellulären Prozesse an FLEMMING- Präparaten. Der nicht mehr zu neuer Teilung sich rüstende Ruhe- kern reichert Chromatin an. Fig. 79 zeigt zwei sich folgende Stadien. Der Kern der unteren Zelle enthält ein noch schwach chromatisches Reticulum, während im Kern der oberen Zelle sich mehr Chromatin und ein achromatischer Nucleolus findet. In Fig. 80 haben diese Prozesse weitere Fortschritte gemacht. Die Kerne der Fig. 81 be- sitzen beträchtliche Chromatinansammlungen. Ihrer Membran ist Chromatin eingelagert, und im Zelleib finden sich in Kernnähe chro- matische Partikel. Wir haben eine regelrechte Chromatinemission vor uns, bei der es sich freilich nur um kleine Chromatinmengen handelt. Die Zellen strecken sich jetzt und die kugligen Kerne werden zu elliptischen. Während des Einsetzens der Zelleibvorgänge verstärkt sich die Emission anfangs noch (Fig. 82 u. 83) und hört nach, einigem Andauern (Fig. 84) auf. Schließlich finden wir die Kerne, die an Volumen verloren haben, mit spärlichem Chromatin und einem relativ großen Nucleolus den Fibrillensträngen der aus- gebildeten Muskulatur anliegend (Fig. 85). Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 441 Im Zelleib geht die Dotterresorption neben den Differenzierungs- vorgängen her. Einzelne Dotterstücke persistieren manchmal auf- fällig lange und liegen wie Fremdkörper in der Zelle. Die Plasma- struktur der Ausgangszellen, die sich bis zur Emission erhält. ist eine wabige, die im Aussehen oft einer Geflechtsstruktur sich nähert (Fig. 79, 80, 81). Mit Eintritt der Emission nehmen die Zellen Spindelform an. Fig. 81 zeigt drei solche im Längsschnitt und links oben eine im prismatischen Querschnitt. In den peripheren Zellteilen sondert sich ein dichtes Plasma zu parallelen, in der Längsrichtung der Zelle verlaufenden Fibrillen (Fig. 82). Die sich mehr und mehr ausstreckenden Spindelenden enthalten bald nur mehr fibrillär diffe- renziertes Plasma (Fig. 83). Mit den Spindelenden berühren sich die Zellen innig, und die Fibrillen, die inzwischen auch die zentralen Partien der Zellen durchsetzen, scheinen kontinuierlich von einer zur anderen Zelle überzugehen, indem sie so miteinander verschweiben, daß keine Zellgrenzen mehr wahrnehmbar sind. Die Figg. 83, 84, 85 stellen drei Hauptstadien dieses Prozesses der Zellverbindung bis zu seiner Vollendung dar. Der Fibrillenstrang erscheint nun als das beherrschende Kontinuum, an dem die in sehr spärlichem hellen Plasma liegenden Kerne noch die Zentren ehemaliger Zellindividuen verraten (Fig. 85). Die Hauptmasse des Plasmas und der Dotter werden bei der Fibrillenbildung verbraucht. Zur Illustration des Emissionsvorganges seien noch einige Bei- spiele angeführt. Fig. 112 stellt ein mittleres Stadium der Faser- verschweißung bei noch andauernder Emission nach einem mit Safranin gefärbten FLEMMING-Präparat dar. Die Strukturen sind zwar nicht sehr prononeiert, zeigen aber doch die Übergänge des Plasmas in die fibrilläre Differenzierung. An der von der Dichtig- keit ihres Gefüges abhängigen Farbensättigung ist das Alter der Fibrillen zu erkennen. Einzelne braungelbe Dotterstücke liegen noch in den plasmareichen Zellteilen. Das Chromatin zeigt bei undeutlicher Begrenzung der Kerne tiefes Safraninrot. Dasselbe Stadium zeigt die Fig. 130. Nach Sublimat-Essigsäure-Fixierung wurde mit Bıoxpr’s Dreifarbengemisch gefärbt. Die Strukturen sind grob, und es lassen sich über Fibrille und Plasma wenig Einzelheiten ermitteln. Dagegen ist das Chromatin durch eine lebhaft grüne Farbe ausgezeichnet. Der Nucleolus ist wie das Cytoplasma und seine Produkte fuchsinrot, der Dotter orange. Eine jüngere be- sonders große muskelbildende Zelle nach Sublimatfixierung und Hämalaun-Eosin-Färbung zeigt Fig. 122. Die eosinroten Fibrillen 442 Junius SCHAXEL, sind auf allen Bildungsstadien etwas gequollen. Grundplasma, Dotter und Nucleolus weisen Nuancen von Eosin auf, das Chromatin leb- haftes Blau. Extranucleäre Chromatinpartikel sind deutlich erkennbar. Die Muskelbildung habe ich schließlich noch mit dem Brnpa- Verfahren untersucht, um das Verhalten der Chondriosomen zu er- mitteln. Als allgemeines Ergebnis stellt sich heraus, daß die Kern- prozesse auch hier, wenn ihr Gang schon anderweitig bekannt ist, zu verfolgen sind, wenngleich wenig deutlich und namentlich in den Nucleolarbeziehungen verschleiert. Immerhin ist die Chromatin- anreicherung und die Emission erkennbar. Chondriosomen und fibrilläre Plasmadiiferenzierungen verhalten sich tinktoriell sehr ähnlich. Muskelbildende Mesodermzellen sind in Fig. 135 dar- gestellt (ein Stadium zwischen dem der Fig. 79 u. 80). Das Grund- plasma erscheint nahezu homogen und alizarinfarben. Im Kern hat das Chromatin mehr bräunliche, der Nucleolus mehr rötliche Töne. Der Dotter ist grauviolett. Die Chondriosomen sind violett. Bei starker Essigsäure- und Alkoholdifferenzierung erhält man isolierte Fädchen, die im allgemeinen regellos liegen, in Kern- und Ober- flächennähe Neigung zu paralleler Lagerung zeigen, bei schwacher Differenzierung dagegen Chondriosomengeflechte, wobei freilich auch schon im Kern Violettfärbungen auftreten. Die Chondriosomen er- scheinen mehr oder minder zahlreich und ausgedehnt, je nachdem man ihrem gewundenen Verlauf in den 5 w dicken Schnitten mit der Mikrometerschraube folgt oder nur einen optischen Querschnitt be- trachtet. Während des Fibrillenbildungsprozesses behält das Grund- plasma seinen Farbton. Es verliert nur an Masse. In Fig. 136 (entspricht dem Stadium der Fig. 82) sind nicht nur im Kern bräun- liche Chromatinansammlungen zu bemerken, sondern auch in und außerhalb der Membran. Die Chondriosomen gehen unmittelbar in Fibrillen über, indem sie zu verschmelzen und sich zusammen- zulagern scheinen. Sie verlaufen gestreckter und parallel und sind daher in größerer Ausdehnung auf Längsschnitten durch die Zellen sichtbar. Ein gewisser Unterschied zwischen den fibrillär um- gewandelten und den ursprünglichen Chondriosomen besteht darin, dab erstere ein durchscheinendes, letztere ein mehr opakes Violett aufweisen. In Fig. 137 (entspricht dem Stadium der Fig. 83) ist der Fibrillen-Bildungsprozeß weiter fortgeschritten. Wie wir in Fig. 112 die Fibrillen in den dichteren Bestandteil des wabigen Plasmas übergehen sehen, so konstatieren wir hier einen Übergang der Fibrillen in die noch regellos liegenden Chondriosomen. Die Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. 1. 443 ausgebildeten Fasern der Fig. 138 sind violett gefärbt, während die Kerne und Plasmareste Alizarinfarbe aufgenommen haben. Die Chondriosomen beteiligen sich als Bestandteil des dichteren Plasmas an der Bildung von Myofibrillen. 3. Die larvalen Hautdrüsen. Die einzelligen Drüsen entstehen hauptsächlich aus dem Eeto- derm des Prostomiums und des Pygidiums, sobald diese durch die Ausbildung der Troche abgegrenzt sind, in geringerem Maße auch an manchen Stellen der übrigen Körperoberfläche im letzten Drittel des embryonalen Lebens. Ihre maximale Ausbildung erreichen sie in der ersten Woche des Freilebens, mit deren Ende sie wieder verschwinden. EısıcG (1898, p. 101), der bei den Larven von Capi- tella ähnliche einzellige Drüsen findet, schreibt ihnen eine excretorische Funktion zu. Der lebhafte Stoffwechsel, der mit der Resorption des entodermalen Dotters verbunden ist, koinzidiert mit ihrer Funktion. Wir untersuchen hier die prostomialen Hautdrüsen näher. Ihre Ausgangszellen liegen zwischen Hirnanlage und Epidermis. Wenn sie sich mit Secret füllen, drängen sie die Epidermiszellen beiseite. Im undifferenzierten Zustand polyedrisch, verändern sie ihre Gestalt mit der Secretbildung. Anfangs oft nur mit einem Fortsatz die Körperoberfläche erreichend, werden sie flaschenförmig; sich weiter vordrängend, nehmen sie Becherform an, den Kern in den Becher- grund gedrückt. Als erstes Anzeichen von Aktivität ist die Chromatinanreicherung mit gleichzeitigem Wachstum des achromatischen Nucleolus in dem reticulären Ruhekern zu bemerken. Das Chromatin ist dabei auf verschiedene Verdichtungszentren verteilt (Fig. 86). Es erfolgt eine diffuse Chromatinemission, bei der es zu kleinen, doch immerhin wahrnehmbaren Stauungen in der Kernmembran kommt (Fig. 87 u. 88). Die Menge des emittierten Chromatins ist, wie meist in secretorischen Zellen, angesichts der Kleinheit der Zellen beträchtlich. Die Emission überdauert ein schwach chromatischer Kern mit einem Excretnucleolus (Fig. 90). Der Turgor des Kernes wird zunehmend schwächer, wo- durch der inzwischen auf den Grund der Zelle verlagerte Kern zu- sammengedrückt und infolge der dadurch bedingten Verdichtung seiner Substanzen wieder stärker färbbar wird (Fig. 91). Der Zelleib der ruhenden Zelle enthält achromatisches Plasma mit sehr wenig Dotter (Fig. 86 u. 87). Die Chromatinemission führt Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 29 444 Junius ScHAxEL, zu seiner Chromatisierung (Fig. 88), und wir sehen die chromatischen Partikel wie gewühnlich dem festeren Teil des Plasmagefüges ein- gelagert. Erst mit erreichter Chromasie beginnt zunächst in dem vom Kern entfernten Zellteil die Umbildung des Zellinhaltes in das im Präparat fädig erscheinende Secret (Fig. 89), das nach und nach den ganzen Zelleib erfüllt und auftreibt (Fig. 90). Die Secret- entleerung geht rasch vor sich (Fig. 91). Die Zelle verschrumpft dabei und verschwindet dann überhaupt, indem benachbarte Epi- dermiszellen ihren Platz einnehmen. In den FrEemmınG-Eisenhäma- toxylin-Lichtgrün-Präparaten erscheint das Secret als graugrüne nahezu homogene Masse, vielfältig durchzogen von granulierten dunkleren Fädchen. Fig. 111 zeigt nach einem mit Safranin gefärbten FLEMMING- Präparat den Beginn der Secretproduktion bei noch andauernder Emission. Chromatische Anlagerungen am Nucleolus und Einlage- rungen in die Kernmembran und die Gegensätze der wabigen Plasma- struktur und der eigentümlichen des Secrets sind sehr deutlich. An Sublimat-Essigsäure-Präparaten läßt sich die Wirkung der Chromatin- emission gut demonstrieren. So kontrastiert nach Hämalaun-Eosin- Färbung in Fig. 117 das blaue intra- und extranucleäre Chromatin beim Emissionsbeginn scharf gegen das eosinophile Plasma. Die be- ginnende Secretproduktion, nach demselben Verfahren dargestellt, zeigt die Fig. 118. In der Kernregion sieht man dem roten Plasma blaue Chromatinpartikel eingelagert, während im Bereich des Secrets die Plasmastruktur aufgelöst ist und hämalaungefärbte Fädchen in homogener Eosinmasse liegen. Die Drüsenzelle unmittelbar vor der Secretentleerung nach Sublimatfixierung und Färbung mit Bronprs Dreifarbengemisch (Fig. 132) enthält den degenerierenden Kern mit patzigem grüngefärbtem Inhalt, und das Secretbild erscheint grün- faserig auf rotgelbem Grunde. Bei Anwendung des Bexpa-Verfahrens zeigt sich z. B. im Stadium der fortgeschrittenen Secretbildung folgendes (Fig. 139): im Kern angereichertes Chromatin, Nucleolus und Emissum sind an den Nuancen der Alizarinfärbung unterscheid- bar. Als auffälliger Plasmabestandteil erscheinen die violetten Chon- driosomen, die, soweit die Secretbildung nicht begonnen hat, das sewöhnliche Aussehen haben. Nach deren Einsetzen erfahren die Fädchen eine Auflockerung zu Körnern, die sich feiner verteilen — kurz es wird die chondriosomale Struktur aufgelöst in dem Maße als sich das Plasma in Secret verwandelt, das einen violetten Schimmer im Präparat aufweist. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 445 4. Die Bildung der Chitinborsten. Wir lassen die neuralen, hämalen und muskulären Bestandteile der Parapodien außer Betracht und untersuchen den drüsigen Teil, der dem Ectoderm durch Einstülpung entstammt. Da das epider- male Ectoderm überhaupt Cutieularbildung zeigt, so ist die Borsten- bildung als Chitinsecretion verständlich. Etwa acht Zellen scheiden in einen von ihnen umschlossenen Hohlraum die Borstensubstanz aus. Die Zellgrenzen sind anfangs deutlich wahrnehmbar, verwischen sich aber während der Produktion. Ein secernierendes Syncytium, von den Kernen der Ausgangszellen beherrscht, kommt so zustande. Vom 5. Tag des Freilebens an sind alle Stadien in den Segmenten von hinten nach vorn zu finden. Unsere Bilder sind Querschnitten durch 6—10 Tage alte Tiere entnommen, die die Verhältnisse deut- licher als jüngere zeigen. Die Kerne der Drüsenanlagen sind rund und besitzen einen achromatischen Nucleolus (Fig. 92). Sie vermehren ihr Chromatin sehr beträchtlich (Fig. 93), das sich in Ansammlungen auf dem Kern- netz, um den Nucleolus und auf der Membraninnenseite anhäuft. Die Emission geschieht reichlich und dauert während der produk- tiven Leistungen der Zellen an. Fig. 94 zeigt ihren Beginn. Das Studium der späteren Stadien lehrt, daß nicht alle Kerne gleich- zeitig in gleichem Mabe Chromatin abgeben, sondern daß in jedem Kern Perioden stärkerer Emission mit solchen der Ruhe abwechseln. In den Figg. 95 und 96 verrät der Chromatinreichtum, in welchem Grade der Aktivität die einzelnen Kerne sich befinden. Infolge ver- änderter Druckverhältnisse nehmen die Kerne längliche oder ab- geflachte Formen an. Nicht selten findet man einen Kern den Borstenstumpf kappenartig umgreifend. Die Anlage der Borstendrüse ist ein kleiner Kegel von Zellen mit wabigem, klarem Plasma, in dem sich nur selten einzelne Dotter- stücke finden (Fig.92). Das emittierte Chromatin erfährt im Zelleib sofort eine sehr feine Verteilung. Um die Kerne sieht man eine sich verbreiternde Hülle wolkiger Granula. Die Zellgrenzen sind um diese Zeit noch wohl ausgeprägt (Fig. 93). Die Drüsenanlage gewinnt an Umfang, und in ihrer Nähe sondern sich aus anderem Zellmaterial die übrigen Konstituenten des Borstenapparats. Hat die Verfärbung des Plasmas bei andauernder Emission den ganzen Zelleib bis auf die äußerste Schicht ergriffen, so erscheint inmitten der Zellenmasse als faseriges Gebilde die erste Borste (Fig. 94). Der 29* 446 JULIUS SCHAXEL, chemisch-physikalisch höchst komplizierte Vorgang der Bildung der eeformten Borsten durch das amorphe chromatisierte Plasma voll- zieht sich bei der morphologischen Betrachtung ganz unvermittelt. Im Umkreis der durch Anlagerung neuer Substanz wachsenden Borsten verschwinden allmählich die Zellgrenzen, und da bald mehrere Borsten angelegt werden, wird die Drüse zum Syncytium, das nur noch durch die Anzahl und Position seiner Kerne sowie durch Wölbungen auf der Außenseite seine ehemals celluläre Beschaffen- heit verrät. Indem am Stumpf die Bildung neuer Substanz weiter geht, wächst die Borste über die Drüse hinaus. Fig. 95 zeigt ein solches fortgeschritteneres Stadium. Man sieht, wie die Zellen in ihrer Gesamtheit die Borsten umschließen oder wie vielmehr diese in ihnen steckt. Das Plasma weist reichliche Chromatineinlagerungen auf, die es dunkel färbbar machen. Heller und durchscheinend ist es in der Übergangsregion zu den eigentümlichen geraden Fasern, deren kompakter Zusammenschluß die Borste ergibt. In dem tieferen neugebildeten Teile sind isolierte Fasern erkennbar, die in dem älteren Teile an Deutlichkeit verlieren und an der freien erstarrten Borste nur noch als Streifung einer scheinbar homogenen Masse wahrnehmbar sind. Eine Seite der Borsten nimmt eine hyaline Fahne ein, die auf späteren Stadien gezähnelt erscheint. Es sei hier nur darauf hingewiesen, daß durch einen periodischen Wechsel in der Substanzproduktion der Zeit und der Masse nach schon ein Teil der Mannigfaltigkeit an Formen erzeugt werden kann, die die Borsten der Polychätenparapodien auszeichnet. Fig. 96 zeigt, wie neben einer älteren weiter gediehenen Borste eine zweite angelegt wird. Diese, die vorhergehende und die im Folgenden genannten Figuren illustrieren den Aktivitätszustand und das Lageverhältnis der Kerne zu den von ihnen beherrschten Plasmamassen und ihrem Produkt. Weniger prononcierte Strukturen als die besprochenen Eisen- hämatoxylin-Lichtgrün-Präparate zeigt ebenfalls nach FLEMMING- Fixierung die Safraninfärbung der Fig. 113, deren Emissionskerne Chromatinreichtum und -abgabe gut zeigen. Die beiden noch zu nennenden Bilder sind nach Sublimat-Essigsäure-Präparaten ge- zeichnet. Bei der Hämalaun-Eosin-Färbung der Fig. 123 zeigt die äußerste Plasmaschicht keine chromatischen Einlagerungen, während die weitere Umgebung der Kerne eine eigentümliche diffuse Bläuung aufweist und in unmittelbarer Kernnähe isolierte Chromatinpartikel sichtbar sind. Die Borsten haben eine bläulich-rote Mischfarbe. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 447 Aus Broxprs Dreifarbengemisch haben das Kernchromatin und zer- streute extranucleäre Partikel Methylgrün aufgenommen. Die Nucleolen und das fädig-flockig strukturierte Plasma erweisen sich als fuchsinophil. Die grobfaserigen Borsten sind bräunlich (Fig. 129). Soweit die Tiere daraufhin untersucht wurden (die ersten drei Wochen), befand sich die Borstenbildung im Gang, und die Kerne waren nach Ruhepausen emissionsfähig. 5. Die Zellen des Prototrochs. Außer dem Neurotrochoid kommen bei Aricia zwei Wimper- ringe zur Ausbildung. Prototroch und Paratroch gleichen sich in bezug auf die hier interessierenden Verhältnisse. Einen von Eısıc (1898, p. 108 u. 110) für Capitella angegebenen Unterschied, der sich bei der unten zu besprechenden Einbeziehung der Trochzellen in die Epidermis geltend machen soll, fand ich für Avicia nicht. Wir beschränken uns daher auf die Betrachtung der Prototrochzellen. Ihrer Abstammung, wenigstens soweit sie die primären Trocho- blasten betrifft, gedachten wir schon S. 423. Sie treten in den letzten zwei Tagen des Embryonallebens in Funktion, erreichen am dritten Tag des freien Lebens ihre höchste Ausbildung und bilden sich vom sechsten bis zum zehnten Tag zurück. Doch sind die ehe- maligen Trochzellen noch bis zum zwanzigsten Tag erkennbar. Die Trochzellen haben weniger Teilungsschritte hinter sich als die übrigen Ectodermzellen. Sie sind daher voluminöser als diese. Bei der Wimperbildung und namentlich nach der Rückbildung der Wimpern erleiden sie eine Volumreduktion, die sie im Verein mit Veränderungen im Innern den benachbarten Epidermiszellen an- gleicht. Der Form nach stellen sie ursprünglich einen Zylinder von größerer Breite als Höhe, dann einen hohen Zylinder mit einem unten spitz auslaufenden Fortsatz dar, um sich schließlich in allen Dimensionen zu verkleinern. Was die Trochzelle vor allen übrigen des sich entwickelnden Tieres auszeichnet, ist das Verhalten ihres Kernes. Man könnte er- warten, daß er analog den anderen Gewebskernen vor den plasma- tischen Differenzierungen jene auffälligen Veränderungen eingehe, die der Hauptsache nach in Chromatinanreicherung und Emission bestehen und die wir als Aktivitätsäußerung deuten. Entsprechende Vorgänge spielen sich nun auch ab, nicht aber vor der Bewimperung, sondern erst bei deren Reduktion und der Cuticularbildung der Zelle. Der Kern der funktionierenden Trochzelle bewahrt die Charaktere 448 Junius SCHAXEL, des Trochoblastenkernes, also die der späteren ruhenden Furchungs- kerne Ein Vergleich der Figg. 97—104 u. 133 lehrt, daß un- geachtet der Zelleibvorgänge ein achromatisches Reticulum mit spärlichen Chromatineinlagerungen und einem blassen Nucleolus un- verändert bestehen bleibt. Die großen Trochoblasten haben ein klares Cytoplasma, das in unseren FLEMMING-Präparaten wabig aussieht, und enthalten auf der dem Körper zugewendeten Innenseite einige zerstreute Dotter- stücke (Fig. 97). Die Bewimperung geht rasch vor sich. Vor- bereitet wird sie durch eine eigentümliche Strukturveränderung im äußeren Zellteil. An Stelle des gleichmäßigen Wechsels von Waben- wänden und Alveolen erscheint das etwa folgendermaßen zu be- schreibende Strukturbild: dichtere Stellen sind durch vielfach ver- flochtene Fäden verknüpft. Die Außenseite der Zelle überzieht ein dünner Belag dichteren Plasmas (Fig. 98). Die Zelle streckt sich dabei in die Länge. Die Wimpern erscheinen sehr zahlreich und dicht. Indem die genannte Strukturveränderung bis in die Region des nach unten gedrängten Kernes um sich greift und die Zelle sich weiter streckt, werden auch die Cilien noch länger (Fig. 99 u. 100). Zur Zeit der lebhaftesten Funktion, also vom dritten bis zum fünften Tag des Freilebens, sehen wir die Wimpern auch in fixen Präparaten stets geordnet und die Zelle mit einem nunmehr doppelten Saum begrenzt (Fig. 101). Inzwischen hat sich die Gegen- seite der Zelle zugespitzt und läuft in einen plasmatischen Strang aus, der mit dem Prototrochnerven in Zusammenhang steht. Näheres über den Übergang konnte nicht ermittelt werden. Nicht auf allen wiedergegebenen Schnittbildern ist der den Raumverhältnissen sich anpassend gewunden verlaufende Zellfortsatz getroffen. Die Fig. 101 zeigt ihn, ebenso Fig. 133, die eine Prototrochzelle der viertägigen Larve nach Sublimat-Essigsäure-Fixierung und Färbung mit Bronprs Gemisch darstellt. Die Strukturen sind nicht sehr prononeiert, doch immerhin gegeneinander abgrenzbar. Die Wimpern sind etwas ver- klebt. Methylgrünfärbung weist nur das blasse Kernreticulum auf. Eine Trochzelle aus einem BenvaA-Präparat ist in Fig. 140 ab- gebildet. Grundmasse, Randsaum und Kerninhalt sind alizarin-ge- färbt, die Dotterreste im basalen Zellteil grauviolett. In der Kern- region finden sich im Zelleib Chondriosomen von gewöhnlichem Aus- sehen. Chondriosomenfärbung zeigen ferner die Wimpern und ihre Wurzeln, die mit ihren Verknotungen den eigentümlich strukturierten Außenteil der Zelle ausmachen, ebenso der Nervenfortsatz. Es ist Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 449 damit nicht gesagt, daß es sich um durchaus chondriosomale Gebilde handelt, sondern anzunehmen, daß die dicht gefügten Plasmen den Farbstoff beim Ausziehen zurückhalten. Die Rückbildung der Bewimperung wird dadurch angezeigt, dab die Cilien sich mit dem Einstellen ihrer Bewegungen verwirren und zu verkleben scheinen. In der abgetöteten Larve können sie zu dieser Zeit jedenfalls leicht zum Abfall gebracht werden. Schon vorher beginnt im Kern eine Chromatinanreicherung, indem das Reticulum an Färbbarkeit gewinnt und am Nucleolus und an der Kern- membran Anlagerungen auftreten (Fig. 102). Im Zelleib verwischt sich zunächst der Wurzelapparat der Cilien. Dann kommt auf der Außenseite eine Cuticula zur Abscheidung. Es ist wahrscheinlich, daß die mit den Kernveränderungen eingeleitete Cuticularbildung die Wimpern zur Abschnürung bringt (Fig. 103). Gleichzeitig geht die erwähnte Volumenverminderung der Zelle vor sich, und von ihrer Innervation ist nichts mehr zu bemerken. Fig. 104 zeigt von einem Längsschnitt durch die 17 Tage alte Larve rechts zwei gewöhn- liche Epidermiszellen und links zuerst eine kleinere, dann eine größere ehemalige Trochzelle. In der Kernstruktur und der Cuticula gleichen sich die Zellen, nur durch ein klareres Plasma und ihre Größe sind die Trochzellen noch erkennbar. Das Verhalten der Trochzellen verliert an Auffälligkeit, wenn wir des Umstandes gedenken, daß vielfach im unmittelbaren An- schluß an die Furchung die Zellen früher ontogenetischer Stadien sich bewimpern, ohne daß der in ihnen befindliche Kern Äußerungen von Aktivität erkennen läßt. Ich teilte das schon für die Seeigel- blastula mit (1911a, p. 573). Wir müssen dieser Art der Be- wimperung eine den Eileibkonstituenten innewohnende Fähigkeit zugrunde liegend annehmen und werden später, auch im experi- mentellen Teile dieser Arbeit, noch darauf zurückkommen. Erst zur Cuticularbildung verläßt der Kern der Trochzellen seine „Furchungs- phase“. 6. Die präpygidiale Wachstumszone. Die Neubildung von Segmenten des Annelidenkörpers geht be- kanntlich in der vor dem Aftersegment oder Pygidium liegenden Körperregion vor sich, in dem sogenannten nachwachsenden Schwanz- ende oder, wie Eısıc (1906, p. 10) neuerdings sagt, in der präpygi- dialen Wachstumszone. Ectoderm und Darm beiseite lassend be- trachten wir das, wie wir sahen, von besonderen Teloblasten seinen 450 Jurius ScHAxEL, Ausgang nehmende Mesoderm dieser Zone, das außer den germinalen Anlagen die für muskuläre und hämale Bildungen enthält. Fig. 105 stellt einen Sagittalschnitt durch das linke Lager von Mesodermzellen des präpygidialen Segments eines achttägigen Würmchens dar. Die Kerne haben die Charaktere der späteren Furchungskerne Wir finden das Chromatin auf verschiedenen Stadien der Teilungsvorbereitung und -rekreation und ruhende Kerne mit schwach chromatischem Reticulum und kleinen achroma- tischen Nucleolen. Die Zelleiber enthalten Cytoplasma, das bis auf spärliche Dotterreste frei von Einlagerungen ist. Fig. 106 zeigt die beiderseitigen Mesodermzellenlager des präpygidialen Segments eines fünfzehntägigen Würmchens im Frontalschnitt. Der cytologische Befund ist derselbe wie bei den halb so alten Tieren. Wir finden in der Wachstumszone immer nur reine Vermehrungsstadien. Die Zellen wachsen nach der Teilung zur Ausgangsgröße wieder heran. Inaktivität des Kernes in bezug auf den ihn umgebenden Zelleib und Mangel jeder Produktion sind die negativen Kennzeichen dieser Anlagen, die als solche beharren, während in den Geweben die mannigfaltigen Differenzierungsprozesse vor sich gehen. Erst auf dem Wege weiterer Teilungen geben sie beständig neues die Diffe- renzierung eingehendes Material ab. Dabei ist es im Hinblick auf die große Regenerationsfähigkeit der Polychäten von Bedeutung, daß in alle Gewebe undifferenzierte Zellen mitgeschleppt werden. Stellen doch auch die Keimzellen, die im Peritoneum nach langer Ruhe zur Ausbildung gelangen, nichts anderes dar als von den be- sprochenen Anlagen aus mitgeführte undifferenzierte Zellen. Bei Aricia freilich ist es mir nicht gelungen, die Wege der Keimbahn im einzelnen zu verfolgen. 7. Der eytologische Rahmen der Organbildung. Die mit der Furchung in engem Zusammenhang stehende Zell- vermehrung in den Organanlagen verteilt das amphimiktische Kern- material, das keinerlei Aktivitätsäußerungen erkennen läßt, auf eine größere Anzahl von Zellen. Wir lassen es vorläufig dahingestellt, welche Vorgänge außer den der Zeit, der Richtung und der Größe nach bestimmten Teilungen in dieser letzten Phase der Zellforma- tion noch wirksam sind. Für alle auf der Produktion von Plasma- derivaten beruhende Differenzierungen läßt sich vor allen Prozessen im Zelleib eine im wesentlichen in Chromatinanreicherung bestehende Kernaktivität nachweisen. In vielen günstigen Fällen ist eine Chro- Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 451 matinemission zu beobachten. Der Kernaktion folgen die produk- tiven Leistungen des Cytoplasmas. Einen Plasmabestandteil, der neuerdings infolge von ihn isoliert zur Darstellung bringenden tech- nischen Verfahren die besondere Aufmerksamkeit vieler Forscher auf sich gelenkt hat, die Chondriosomen, sehen wir namentlich bei fibrillären Differenzierungen eine Rolle spielen. Die während der Aricia-Entwicklung auftretenden Hautdrüsen liefern ein Beispiel von nach einmaliger Produktion erschöpften Zellen, indem ihr Kern nach der Chromatinemission der Degeneration verfällt. Die die Borsten- substanz bildenden Zellen der Parapodien sind zu mehrmaliger Pro- duktion fähig. Ihre Kerne wiederholen nach periodischen Ruhe- pausen die Emission. In den Darmzellen, den Muskelbildnern und vielen anderen Geweben nimmt der Kern nach der der Zelleib- produktion vorausgehenden Aktivitätsphase eine Struktur an, die er während der Funktion der von diesen Zellen und ihren Derivaten zusammengesetzten Organen beibehält. Solche Funktionskerne sind in verschiedenen Geweben morphologisch einander sehr ähnlich. Sie sind kleiner als die Produktionskerne und enthalten spärliches, auf einem Reticulum in Anhäufungen verteiltes Chromatin und einen relativ großen Nucleoius. Wir finden sie in denjenigen somatischen Zellen, die physiologisch betrachtet sich auf Betriebsstoffwechsel be- schränken. In den Organanlagen vor der Produktion sehen wir nur wohlindividualisierte Zellen. Erst während der Produktion kommt es, wie in den Borstendrüsen, zu einem von den Kernen der Aus- eangszellen beherrschten Syncytium, oder es treten zugunsten des von vielen Zellen gelieferten Kontinuums die Bildnerinnen zurück, wie es die Muskelbildung zeigt. Die Trochzellen gehören ihrer Be- wimperung nach jenen frühen cilientragenden ontogenetischen Stadien an, in denen noch keine Kernaktivität statthat. Ihre produktive Phase beginnt erst mit der Cuticularbildung, die zum Abwurf der Cilien führt. Wie die Kerne der Furchungsphase, so zeigen die der präpygidialen Wachstumszone und der zerstreuten Regenerations- herde die Charaktere der zunächst zu weiteren Teilungen bereiten inaktiven Kerne. V. Über die allgemeinen Ergebnisse der cytomorphologischen Betrachtungsweise. Die folgenden Ausführungen wollen nicht mehr sein als vor- läufige Notizen. Ich füge sie hier an, weil es mir unbefriedigend 452 JULIUS SCHAXEL, _ erscheint, im Dienste eines Problems ermittelte Tatsachen ohne den Hinweis, wie sie zu seiner Lösung verwertet werden sollen, zu bringen. Wie schon in der Einleitung bemerkt, wird aber die eigentliche Abrechnung erst nach Beibringung weiteren Tatsachen- und experimentellen Materials im Zusammenhang mit den in der Literatur niedergelegten Ergebnissen anderer Autoren vorgenommen werden. Das bitte ich namentlich da nicht zu vergessen, wo diese Zeilen anderweitig in übereinstimmender oder widersprechender Form Dargelegtes berühren. 1. Zur eytomorphologischen Methode. Die Biologie wäre nicht eben prinzipieller, doch immerhin vieler Vorfragen enthoben, wenn sie ihre Beobachtungen immer un- mittelbar am Lebendigen selbst gewänne. Daß es heute vielen müßig erscheint von der Zelle im allgemeinen zu sprechen, da Physiologie und Entwicklungsmechanik (Physiologie der Formbildung) zu einer andersartigen Auffassung des Organischen drängen, hat seinen sachlichen Grund darin, daß die Cytologie immer noch an eine in ihrer Wirkungsweise wenig durchschaute Fixations- und Färbetechnik gebunden und daß das Postulat der direkten Bezug- nahme auf lebendes Material meist unerfüllbar ist. Manchen möchten diese Schwierigkeiten überwunden scheinen, wenn es gelänge, die Cytotechnik auf geradem Wege in eine Physik und Chemie der Plasmen überzuführen. Aber abgesehen davon, daß die praktische Ausführung eines solchen Programms gegenwärtig noch eine Utopie darstellt, bleibt die Frage offen und hier unerörtert, ob eine Summe physikalischer und chemischer Feststellungen Einsicht in die Lebens- vorgänge gibt. Wollen wir uns daher, wie die Dinge nun einmal liegen, nicht Augen und Ohren zuhalten, so tun wir besser, es auf- zugeben Cytologie zu treiben, wenn wir nicht lieber Klarheit darüber gewinnen wollen, was wir bei der Verarbeitung fixen Materials vor- nehmen. Die Cytotechnik unternimmt es, den Zellinhalt in ver- schiedenen Zuständen sichtbar zu machen. Sie liefert uns Reihen von Momentbildern, die in zweierlei Hinsicht der Klärung bedürfen, ehe sie unseren Beobachtungen dienen können. Erstens ruft die Sichtbarmachung Veränderungen im Objekt hervor, zu denen wir Stellung nehmen müssen, und zweitens müssen die Momentbilder in bestimmter Weise geordnet werden, um einen Vorgang zu inter- pretieren. Der ersten Forderung sucht man im allgemeinen durch eine Untersuchung des Wesens der Fixations- und Färbewirkung Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 453 gerecht zu werden, deren Erfolg ein Streit um nicht zweifelsfreie mikrochemische Ergebnisse und cytologische Artefakte zu sein pflegt, während man für die zweite Forderung im Objekt zu suchende Kriterien maßgeblich sein läßt. Beide Versuche würden zum Ziel führen, wenn für den ersteren die oben besprochene Auflösbarkeit der Cytotechnik in Physik und Chemie der Plasmen ausführbar wäre und der letztere eine schärfere Präzisierung gewänne. So- lange wir aber die Wirkungsweise der Cytotechnik nicht kennen, entgehen wir im Prinzip allen Schwierigkeiten dadurch, daß wir die Momentbilder als Indizien betrachten für Zustände, die der direkten Beobachtung entzogen sind. Wir schließen bei verschiedener Reaktion desselben Objekts auf dasselbe Reagens zu verschiedenen Zeiten auf vitale Veränderungen des uns im Leben unzugänglichen Objekts. Für die Seriation der Momentbilder gibt in großen Um- rissen allerdings die Geschichte des Objekts selbst die Anweisung. Allein wenn wir dem fixierten Zellimhalt Leben verleihen wollen, so müssen wir das an der Hand bestimmter Begriffe tun, die eine vergleichende Betrachtung dessen, was wir mit Regelmäßigkeit in solchen Fällen zu sehen bekommen, uns aufdrängt. So kam ich dazu, den morphologischen Substanzbegriff vom topographischen des Lokals zu trennen und die räumlichen und zeitlichen Beziehungen der Substanzen in Ortsveränderung, Vermehrung und Umbildung aufzulösen. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich auf meine Ausführungen in der Echinodermenarbeit (1911a, p. 580 ff.). Die Cytologie ist durch ihre Technik auf die morphologische Methode angewiesen, und da sie mit erschlossenen Bewegungen arbeiten muß, kann sie die physiologische Ausdrucksweise nicht vermeiden. Eben dadurch ist ihre besondere Stellung gekennzeichnet, die in dieser knappen Form paradox klingen mag, und dem, der in der technischen Betätigung selbst Befriedigung findet, wird meine Aus- einandersetzung überflüssig erscheinen. Die Mikrophysik und -chemie der Zelle würde ihre Rolle besser als im Üben vorzeitiger Kritik in der Bemühung um die Aufhellung der Wirkungsweise der Cyto- technik im Einzelfall spielen. Aus dieser Grundlegung ziehen wir einige Folgerungen: Wir haben es in der Cytologie nie mit physikalisch-chemisch fabbaren Stoffen zu tun, sondern die Namen, die wir den er- mittelten Erscheinungen geben, umschreiben lediglich den morpho- logischen Rahmen, innerhalb dessen die physikalisch-chemische Ana- lyse zu erwarten ist. In meiner Hydrozoen-Arbeit (1911b, p. 630) 454 Jucius SCHAXEL, habe ich speziell für das Chromatin diese Konsequenzen näher aus- seführt. Die Extreme der eben abgelehnten Auffassungen bestehen in Lehren, die sich bemühen, nach Analogien mit der vergleichenden Tectologie innerhalb der Zelle Systeme einander zu- oder unter- seordneter individualisierter Einheiten zu errichten. Eine solche metaphysische Cytologie führt meistens dahin, daß der Zellenbegriff selbst, der einer der faßbarsten der Tectologie ist, aufgelöst werden mub. Ultramorphologische Protomeren und physiologistische Ener- eiden scheinen mir weniger Anschauung zu geben als die Dar- stellung von Substanzbeziehungen, die exakt funktionierende topo- graphische Mechanismen („Individualität der Chromosomen“) wohl in sich schließen können. Die vorige Feststellung enthält eigentlich die folgende schon, die sich übrigens fast allgemeiner Anerkennung erfreut. Sie betrifft die Frage der Plasmastruktur. An Stelle einer allgemeinen, durch das Leben schlechthin bedingten Plasmastruktur nehmen wir für jeden speziellen Fall lieber eine Struktur an, die durch die chemische Beschaffenheit der in Frage kommenden Stoffe und deren physikalischen Zustand bedingt ist. Wir sprechen daher von der Aktualität der Plasma- strukturen, um auf ihre Veränderlichkeit, und von funktionellen Strukturen, um auf ihren untrennbaren Zusammenhang mit den gerade ablaufenden Vorgängen hinzuweisen. Dabei sei wieder daran erinnert, daß wir bei der eytomorphologischen Betrachtung nur In- dizien der durch die angewandte Technik nicht unbeeinflußt ge- bliebenen Vorgänge erhalten. Die im Abschnitt II—IV mitgeteilten Strukturerscheinungen bei Teilungs- und Umbildungsprozessen liefern reichlich Beispiele für meine Ausführungen. Ich halte die empfohlene Betrachtungsweise der Cytomorphologie deshalb für eine geeignete, weil sie Einengungen des Beobachteten vermeidet und künftiger Analyse das Feld offen läßt. Damit soll nicht gesagt werden, daß die auf die intracellulären Substanz- beziehungen gerichteten Untersuchungen durchaus haltbare Deu- tungen liefern müssen. So erfährt z. B. die von mir und anderen Autoren vertretene Interpretation der Chromatinemission sicher leb- haften Widerspruch. Es sei daher auf einige Möglichkeiten ein- gegangen, die den von mir Emission genannten Erscheinungen zu- grunde liegen könnten. Ein Blick auf eine Serie von Figuren, z. B. 86—90, zeigt die Tatsachen der Präparate. Dabei kann es sich handeln entweder um aus dem Kern in Form von Partikeln Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 455 ausgetretene Substanz; oder um aus dem Kern ausgetretene Flüssig- keit, die im Präparat granulär ausgefallen ist; oder schließlich um Substanzen des Zelleibes, denen durch aus dem Kern ausgetretene, etwa enzymartige Substanzen, die als solche nicht sichtbar sind, dieselbe Färbbarkeit verliehen wird, die vor dem Übertritt der färbbarmachenden Substanz nur den Kernsubstanzen eigen ist. Wie dem auch sein mag, jedenfalls liefert die zeitlich zuerst im Kern eintretende Chromatizität, die darauf folgende chromatische Färb- barkeit im Zelleib befindlicher Substanzen und die sich erst jetzt anschließende produktive Leistung des Cytoplasmas den Nachweis, dab die Zellproduktionen durch Prozesse eingeleitet werden, die im Kern ihren Anfang nehmen. 2. Über Entwicklungsfaktoren. Von den Faktoren, deren Zusammenwirken die Aricia-Entwick- lung ausmacht, sind als äußere oder ectogene diejenigen leicht ab- zutrennen, die erfüllt sein müssen, damit die in den Entwicklungs- stadien vorkommenden Stoffe physikalisch und chemisch überhaupt existieren können. Die chemische Zusammensetzung, die Dichtigkeit und die Temperatur des Mediums sind auf enge Grenzen genau be- stimmbar. Es bleiben dann als unbekannter Rest die inneren oder endogenen Faktoren. Die cytomorphologische Untersuchung vermag deren Gesamtheit in Gruppen komplexer Faktoren zu zerlegen. Diese sind weiterer Analysis mit derselben Methode zugänglich, wenn wir Eingriffe in den normalen Entwicklungsverlauf vornehmen (ent- wicklungsmechanische Experimente). An den vereinfachten Faktoren- gruppen hat sich dann die physikalisch-chemische Analysis zu ver- suchen. Auf die Frage, wie die Komplexität der vitalen Faktoren zustande kommt, gibt es zwei Arten von Antworten. Man kann sie als das dem Lebendigen eigentümliche, nicht weiter auflösbare Wesen ansehen und proklamiert damit den Vitalismus, der sich füg- lich, einmal zu dieser Einsicht gelangt, weiteres Forschen im ein- zelnen sparen kann. Die andere Antwort verweist auf die historische Entstehung der komplexen Faktoren, in denen sie den gegenwärtigen Stand der phylogenetischen Erwerbe sieht. Inwieweit die Ontogenesis ein celluläres Problem darstellt, wird noch zu besprechen sein. Soweit sie es ist, ermittelte unsere Unter- suchung über Aricia folgendes: Richten wir auf das Zusammen- wirken von Kern und Zelleib unsere Aufmerksamkeit, so sehen wir zwischen die Phasen lebhafter Kernaktivität bei der Geschlechts- 456 JuLIos ScHAXEL, zellenbildung und bei den Zellproduktionen der Organogenesis die Kerninaktivität der Furchungsphase eingeschoben, die sich als eine Reihe von Teilungsprozessen erweist. Alle Teilungen erfolgen in durchaus bestimmter Weise, und die erste wird bedingt durch Ver- hältnisse, die das Ergebnis der Eibildung darstellen. S. 403 ist das Wesentliche der Oogenesis zusammengefaßt und gezeigt, daß das Endstadium auf Vorgänge zurückzuführen ist, die vom Oocytenkern ihren Ausgang nehmen. Die erste Furchungsspindel stellt sich in der Längsachse einer dotterarmen Plasmamasse, die im Richtungs- körperoktanten, also im Verhältnis zum Eiganzen exzentrisch und asymmetrisch, sich befindet und die Gestalt eines Ellipsoids hat, so ein, als würde eben durch diese Zellregion die zu teilende Zelle vorgestellt. Die Teilungskraft nimmt mit der Entfernung von ihren Zentren ab, und die Teilung fällt daher in der bekannten Weise inäqual aus. Bei allen ferneren Teilungen macht sich dieselbe exzentrische Lokalisation des in seiner Wirkungssphäre beschränkten Teilungsvorganges geltend. Die zeitliche Determination ist gegeben durch die Rekreation des Kernes von der vorhergehenden Teilung. Der Kern ist dann jedenfalls teilungsbereit. Doch gerät die Teilung nur normal, wenn im Zelleib gewisse Substanzumlagerungen vor sich gegangen sind. Wir werden später die Folgen verfrühter Kern- teilung und die Schlüsse, die sich daraus ziehen lassen, kennen lernen. Sonderungsrichtung und Teilgröße hängen ab von der Ein- stellung der Spindel in der zu teilenden Zelle, die wir soeben für die erste Teilung näher kennzeichneten. Bei allen folgenden Teilungen sind immer zwei Gruppen komplexer Faktoren wirksam, nämlich erstens die übernommene exzentrisch - asymmetrische Sub- stanzverteilung in der Zelle und zweitens die durch das gegenseitige Lageverhältnis der Blastomeren bedingte Zellgestalt, die ihrerseits wieder die Inhaltsanordnung beeinflußt. So ist jede Teilung die notwendige Folge der vorhergehenden und die Vorbedingung der folgenden. Sie geht selbständig vor sich, indem die übernommene Substanzanordnung sie zu einem bestimmten Teilungseffekt zwingt, und zugleich abhängig vom Ganzen, indem die Wirkungen des Lage- verhältnisses aller Blastomeren die eigene Determination modifizieren. Es steht zu erwarten, daß das analytische Experiment die einzelnen Faktoren allein am Werke zeigt. Die resultierende Gesamtwirkung tritt uns als die im ganzen betrachtet schwer verständliche Spiral- furchung entgegen. Inhaltsasymmetrie und Teilungsinäqualität werden durch die Teilungen selbst nach und nach ausgeglichen. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 457 In den beschreibenden Abschnitten demonstrierten wir die Substanzanordnung an der Dotterverteilung. Es wäre aber verfehlt, im Dotter selbst ein ursächliches Moment von besonderer Gewichtig- keit zu sehen. Wir betrachten den Dotter nur als den Indikator des Plasmaverhaltens. Seine Schichtung verrät die Plasmaschichtung und seine Verlagerung die Plasmabewegung. Je gröberen Kalibers der Dotter ist, desto dichter liegt er auch, da er immer an den Stellen geringster Beweglichkeit abgelagert wird. Richtung und Stärke der Strömungen wird dadurch kenntlich gemacht. Die Dotterstücke liegen als formkonstante, weil relativ festgefügte, und immobile Fremdkörper im lebenden Plasma. Schwerkraftswirkungen sind bei den kleinen Massen in ruhiger Lage nicht bemerkbar. Zur Geltung kommt nur der Reibungswiderstand. Die Teilbarkeit der Dottermassen ist besonders in der D-Familie deutlich. Der udl-Dotter bleibt so lange unverändert liegen, bis die lokalisierten Strömungen der Teilungsvorgänge ihn in ihren Bereich ziehen. Dann wird er portionenweise in die Entomeren aufgeteilt. Die bei allen Teilungen gleichsinnig verlaufenden Plasmabewegungen lassen wir als Faktorenkomplex einstweilen unanalysiert. Die Furchung erscheint als die Ausführung der in der Ei- bildung gegebenen Vorentwicklung. Eine determinative Bedeutung des Spermaweges bei der Besamung und einen substantiellen Beitrag des Spermiums außer dem männlichen Vorkern und den entwick lungserregenden Stoffen finden wir nicht. Weder das reife Ei zeigt morphologisch bereits irgendwie spezifische oder organbildende Substanzen, die einen unerläßlichen Bestandteil von Zellen des späteren Organismus ausmachen, noch geht während der Furchung eine Spezifikation oder Differenzierung des Cytoplasmas vor sich. Nur die dem Oocytenkern entstammten Chromatinkondensationen der Zelleiber erleiden während der Furchung eine allmähliche Er- schöpfung. Immer handelt es sich um Lokalisationsaufgaben. Die furchungsbestimmenden Keimbezirke ergeben sich im Verlaufe der Entwicklung Schritt für Schritt, so daß mit den Schlagworten Prä- formation oder Epigenesis nichts auszurichten ist. Alle Kernteilungen sind äquale. Erst der sich abgrenzende Ruhekern ist in seinem Volumen von der ihn umgebenden Plasma- menge abhängig. Das getrennte Eingehen der männlichen und weiblichen Kernanteile in die erste Teilung deutet auf eine all- mählich im Laufe der Furchung vollzogene Amphimixis. Der Effekt der Furchung besteht darin, daß das Kernmaterial zahlreichen Plasma- 458 JULIUS SCHAXEL, portionen zugeteilt ist. Das Keimganze hat dadurch beträchtlich an Caryochromatin gewonnen. Morphologisch zeigen die Kerne ver- schiedener Organanlagen keine auffälligen Unterschiede, wohl aber mit dem Eintreten der Aktivität und namentlich in deren Folgen. Es liegt daher nahe, der Teilungsgeschichte der Kerne eine Wirkung auf die Kernbeschaffenheit zuzuschreiben. Die Anzahl der zurück- gelegten Teilungsschritte ist vielfach eine verschiedene. Allein dieser Umstand wird kaum von Bedeutung sein; denn die Kerne der prä- pygidialen Wachstumszone der älteren Aricia verhalten sich wie Furchungskerne; nur teilen sie sich ungleich öfter, bis sie in pro- duzierende Zellen gelangen. Eher wäre an einen Einfluß des um- gebenden Plasmas, das ja die Rekreationskerne in der Vermehrungs- phase ernährt, zu denken. Aber unser Objekt, das keinerlei Plasma- differenzierungen zeigt, läßt uns hier im Stich. Die Ausstattung der Gewebeanlagen mit Dotter ist allerdings eine verschiedene; doch beginnt die Dotterresorption erst mit dem Ende der Furchung. Der Gehalt an Chromatinkondensationen schließlich ist vom reifen Ei an in den dotterreichen Partien geringer als in den dotterarmen. Da dieses Chromatin aber ein und demselben Kern entstammt, so können die Furchungskerne nur gleichsinnig von ihm beeinflußt werden, es sei denn, daß hier Quantitätsdifferenzen eine qualitativ verschieden- artige Wirkung hätten. Unsere Untersuchung gibt darauf keine eindeutige Antwort. Die Zellanordnung der Furchungsphase sehen wir durch im Zelleib des Eies bzw. in denen der Blastomeren lokalisierte Faktoren bestimmt. Die Dotterverteilung gibt bei Aricia den morphologischen Indikator dazu. Für die auf Zellproduktion be- ruhenden Differenzierungsprozesse der Organogenese haben wir ebenfalls allgemeine Indizien, die für den gegenwärtigen Fall S. 450 resümiert sind und auf die wir im nächsten Abschnitt noch zu sprechen kommen. Allein mit solcher Zellformation und -produktion sind die morphogenetischen Erscheinungen noch nicht erschöpft. Wir können freilich annehmen, daß die Zellvermehrung in den Gewebsanlagen von ähnlichen Faktoren wie die Furchung bewirkt wird, auch wenn uns mangels auffälliger Zelleib-Einlagerungen die Indikatoren der Plasmabewegungen fehlen. Wachstum und Form- veränderung einzelner Zellen aber sind nur zum Teil im Komplex der Teilungsfaktoren enthalten. Hier also schon und mehr noch bei Zellverschiebungen und anscheinend selbständigen Zellbewegungen sind die Ermittelungen der cytomorphologischen Methode unzureichend. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 459 Endlich erfahren wir auch nichts über die Natur der die Einzel- zellen zur Furchungskugel zusammendrängenden Kräfte. Wir be- finden uns auf Grenzgebieten und bereits im Gebiete der Physiologie. 3. Über Vererbungssubstanzen und ihre Lokalisation. Die moderne Vererbungswissenschaft hat ihre Entwicklung dazu geführt, die Vererbungserscheinungen zu betrachten einerseits hinsichtlich der Regelmäßigkeiten, mit denen die Eigenschaften der Individuen sich in den Generationen wiederholen, und andrerseits hinsichtlich der Vorgänge im vererbenden und erbenden Organismus (sog. Vererbungsmechanismus). Die erstere Forschungsrichtung be- tätigt sich in der Beobachtung von Naturvorgängen und künstlich gesetzten Fällen und bringt ihre Ergebnisse in Regeln, wie z. B. den Mexper’schen, zum Ausdruck. Die Untersuchungen über die Mechanik des Vererbungsvorgangs decken sich praktisch zu einem großen Teil mit entwicklungsgeschichtlichen Forschungen. Und gerade eine cytologische Betrachtung der Ontogenesis kann am Ver- erbungsproblem nicht vorübergehen. So beruht auch die vorliegende Literatur über die substantiellen Grundlagen der Vererbung vor- wiegend auf Untersuchungen über die Geschlechtszellenbildung, die frühe Ontogenesis und die Keimbahn. Wie in der vorliegenden Mitteilung überhaupt, so sehen wir besonders hier von einer eingehenderen Diskussion, die ja von vielen anderen Seiten über den Gegenstand sehr rege geführt wird, ab, bis wir weiteres Material beigebracht haben. Nur das, worauf der beschriebene Fall Aricia unmittelbar hinweist, sei angeführt. Wenn neuere dynamische Hypothesen der Vererbung, die zu der in ihrem Ausbau von Weismann herrührenden Corpuscular- theorie in Gegensatz treten wollen und mit normierenden Potenzen statt mit stofflichen Determinanten operieren, das Vererben gleich dem Entwickeln setzen, so nehmen sie allerdings eine Reduktion der Probleme vor. Es bleibt ihnen das Lebensproblem überhaupt, dessen direkte Lösung erwünscht ist, wenn sie anders als durch eine vitalistische Ausrede vorgenommen wird. Die chemisch- physiologische Betrachtung der Vererbung ist meines Erachtens der Lokalisationsfrage vererbender Substanzen nicht enthoben und kann wie eine Determinantenlehre im Rahmen des cytomorphologisch Ermittelten Platz finden. Wie ich in früheren Arbeiten schon dar- legte, scheinen mir immer noch die Chromatine (als morphologischer Begriff in dem von mir gebrauchten Sinn) den Namen der Ver- Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 30 460 JULIUS SCHAXEL, erbungssubstanz allein zu verdienen. Wir sehen bei dieser Annahme das Zusammenwirken der Zellbestandteile im Schema der Kooperation einer regulativen im Kern und einer effektiven im Zelleib lokali- sierten Substanzgruppe. In der Ontogenesis erweist sich die Ei- bildung als die Vorentwicklung, die in der Furchung zur Ausführung kommt. Erst die die Organbildung einleitenden Prozesse geben den bei der Befruchtung eingeführten Faktoren Wirkungsmöglichkeit. Das Lokalisationsproblem der Vererbungssubstanzen besteht nun in der Frage nach dem topographischen Verhalten des Chromatins. Es handelt sich nicht mehr um den Entscheid: Kernmonopol oder Caryo- und Cytoplasma, schlechthin, sondern wir besitzen eine er- heblich präziser gefaßte Formulierung. Wenn wir bei der Furchung die determinierenden Faktoren im Zelleib lokalisiert finden, so haben wir nur die Folgen der Wirkung des Oocytenkernes vor uns, und die Kernaktivität zu Beginn der Organogenesis geht von der neu konstituierten Erbmasse aus. Die Beherrschung der ersten Entwicklung durch rein mütterliche Faktoren muß uns da zu denken geben, wo sich reziproke Bastarde verschieden verhalten. Bei beiden Kombinationen ist zwar, sofern Amphimixis eintritt, die Kernkonstitution die gleiche, aber der Furchungsverlauf kann sehr wohl ein verschiedener sein. Wenn dann die Kerne zur Aktion kommen, so haben sie in beiden Fällen eine verschiedene Anzahl von Teilungen, vor allem aber eine ver- schiedene Ernährung in der präemissionalen Phase hinter sich und ein verschieden beschaffenes Plasma zur Produktionsanregung zur Verfügung. Es sind also genug Bedingungen gegeben, die zu einer erheblich differenten Entwicklung führen können. Die in den Verlauf der Entwicklung wiederholt eingeschobenen Inaktivitätsphasen der Kerne, in denen Rekreationen, namentlich Stoffaufnahme aus dem umgebenden Plasma, mittelbar aus dem Medium der Zellen, vor sich gehen, sind bedeutsam als sensible Phase für vererbungsändernde Induktionen. Wir haben eine solche Phase während der postemissionalen Chromosomenrekonstruktion in der wachsenden Oocyte, während der Furchung und in den sich unproduktiv verhaltenden Zellen der Wachstumszone und der Re- generationsherde. Während des Eiwachstums mögen Induktionen statthaben, deren Effekt uns als Mutation des aus dem Ei ent- wickelten Individuums entgegentritt. Verschiedenartige Behandlung freilebender Furchungsstadien von Bastarden, in deren Kernen sich die Amphimixis allmählich vollzieht, kann Tiere von patroklinen, Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 461 matroklinen oder Mischcharakteren zur Entwicklung bringen. Die Beeinflussung der schon an sich durch einen Alterskoeffizienten (ver- schiedene Teilungsgeschichte) ausgezeichneten Kerne der Wachstums- und Regenerationsherde, dürfte Mißbildungen mannigfacher Art hervorrufen. Allein wir sind im Begriffe den Boden der Tatsachen zugunsten verlockender Ausblicke zu verlassen. 4. Zur sogenannten Zellenlehre. Die Zellentheorie sagt bekanntlich, daß alle organischen Indi- viduen aus Zellen hervorgehen und nur aus Zellen und Zellderivaten bestehen. Diese Auffassung hat das Gepräge der in morphologischen Vorstellungen denkenden Biologie, wie sie zu Beginn der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die herrschende war. Physiologische Betrachtungen können vielfach des Zellenbegriffs entbehren. Auch von Seiten der Morphologen wurde neuerdings vielfache Kritik an der alten Lehre geübt. Es sei hier nur an zwei Beispiele erinnert. M. Harrmann will auf Grund seiner Studien über die Fortpflanzungs- verhältnisse der Protozoen die einigermaßen modifizierte Sacus’sche Energidenlehre an Stelle der Zellenlehre setzen. Rein morphologische Untersuchungen der Gewebe des Wirbeltierkörpers veranlassen M. HEIDEnHAIN zu seiner kritischen Stellungnahme der bisher auf der Zelle basierenden Organisationslehre. Ich wies schon im metho- dologischen Abschnitt darauf hin (S. 454), daß unsere gegenwärtige Betrachtung nicht geeignet ist jene Spekulationen zu stützen. Wie wir das Verfahren der Cytomorphologie verstehen, hüten wir uns vor morphologischen Einseitigkeiten, ohne da Physiologie zu treiben, wo eigentlich die Mittel zu einer solchen fehlen. Es ist ferner einleuchtend, dab die Zellforschung ein besonderes Recht hat, zur Beurteilung der Zellenlehre herangezogen zu werden. Für uns er- hebt sich also die Frage, inwieweit die betrachteten morphogene- tischen Vorgänge von dem cellulären Prinzip beherrscht sind, d. h. in welchem Maße die für die Vorgänge in den einzelnen Zellen er- mittelten Faktoren das Verhalten des Keimganzen bedingen. Die ermittelten komplexen Entwicklungsfaktoren (s. S. 456) sind durchaus an Zellen gebunden. Geschlechtszellenbildung, Furchung und Organogenesis zeigen prinzipiell gleichartige Erscheinungen, die ihren allgemeinsten Ausdruck finden in den Beziehungen von Kern und Zelleib oder, um statt der topographischen die substantiellen Beziehungen zu nennen, in der Wechselwirkung einer konservativ- regulativen und einer perceptiv-effektiven Substanzgruppe. Ferner 30* 462 JULIUS SCHAXEL, verbietet die Arzcia-Furchung von einem die Entwicklung regelnden Prinzip im Sinne einer Kraft, die den an die Einzelzellen gebundenen Faktorenkomplexen übergeordnet wäre, zu sprechen; denn wir sehen, daß durch die für jede Blastomerenteilung im besonderen gegebene Determination die Furchung nach dem Spiraltypus zustande kommt, wenn sich alle Zellen normal verhalten. Es wird aber noch zu zeigen sein, wie eine an einer beliebigen Zelle bewirkte Störung zunächst eine Veränderung des Lageverhältnisses der Blastomeren und dann eine Verwirrung der weiteren Teilungen hervorruft, bei denen jede Zelle ohne eine geheimnisvolle Rücksicht auf das Ganze ihre eigenen Wege geht. S. 458 machten wir darauf aufmerksam, daß außer den ermittelten Faktorenkomplexen noch andere übrig bleiben, über die unsere Be- trachtung nichts auszusagen imstande ist. Sehen wir von zufälligen Lücken ab, die nur an dem gerade verwandten Untersuchungsmaterial liegen, so bleiben doch solche bestehen, die in unserer Methode be- gründet sind. Über die die Blastomeren zusammendrängenden Kräfte und über die Zellverschiebungen und Bewegungen beim Furchungs- ende ermittelten wir nichts. Fassen wir das celluläre Prinzip nicht einseitig morphologisch, sondern verstehen darunter das Zusammenwirken zweier topographisch geschiedener Substanzen, zu dessen Zustandekommen eine räumlich und quantitativ bestimmte Zuordnung notwendig ist, so hat es für die Ontogenesis einen mit den Mitteln der Cytologie zwar nur in gewissen Grenzen erkennbaren, aber doch sehr weiten Geltungs- -bereich. Jena, Dezember 1911. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 463 Literaturverzeichnis. BERGMANN, W., 1903, Untersuchungen über die Eibildung bei Anneliden und Cephalopoden, in: Z. wiss. Zool., Vol. 73, p. 278—301, tab. 17 —19. Cain, C. M., 1900, The early development of Arenicola and Sternapsis, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 9, p. 587—723, tab. 21—25. Dons, C., 1909, Beitrag zur Entwicklung des Eies von Tomopteris helgo- landica GREEFF, in: Arch. Zellforsch., Vol. 2, p. 371—389, tab. 26—29. 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Morphol., Vol. 6, p. 362— 480, tab. 13—20. —, 1898, Considerations on cell-lineage and ancestral reminiscence, in: Ann. New York Acad. Sc., Vol. 11, p. 1—27, 7 Textfig. Erklärung der Abbildungen. Näheres über die technische Behandlung der den Figuren zugrunde liegenden Präparate ist aus Abschnitt I und aus den Angaben des Textes zu ersehen. Die Figuren sind auf lithographischem Wege in der Original- größe reproduziert. Gezeichnet wurde mit Hilfe ZEiss’scher Instrumente auf der Höhe des Objekttisches. Alle Abbildungen beziehen sich auf Aricia foetida CLAP. Es gelten die Abkürzungen: Ap homogene Apochromat-Immersion n. A. 1,4, 2 mm Ob Objektiv Ok Okular Ko Kompensationsokular Da fe lenliGs Fig. 1—12. Eibildungsstadien. Fixiert in FLEMMING’schem Ge- misch. Schnittdicke 4 u. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 1. Oogonienteilung. Fig. 2. Jüngste Oocyte mit fädigem Chromatin und wandständigem Nucleolus. Achromasie des Zelleibes, die in den folgenden präemissionalen Stadien bestehen bleibt. Fig. 3. Verkürzung der im Kernraum verteilten Chromatinfäden. Fig. 4. Das Chromatin legt sich der Innenseite der Kernmembran an. Alveolisation der Chromosomen. Der Nucleolus rückt ins Kern- innere. Fig. 5. Tetraden. Fig. 6. Reticuläre Verteilung des Chromatins. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 465 Fig. 7. Chromatinanreicherung und Auftreten des chromatischen Nucleolus. Fig. 8. Beginn der Emission und des Zellwachstums. Der chromatische Nucleolus legt sich dem achromatischen an. Chromatin der Kern- membran eingelagert. Fig. 9. Chromatinemission. Außere Stauungskuppen. Fig. 10. Maximum der Emission. Beginn der Chromasie des Zelleibes. Fig. 11. Stadium der nachlassenden Emission. Die Nucleolen sind getrennt. Das Emissum wird im Zelleib verteilt. Fig. 12. Postemissionaler früher Rekonstruktionskern mit dem Rest- körper des chromatischen Nucleolus. Vom Zelleib nur die den Kern um- gebende Cytoplasmaschicht mit chromatischen Einlagerungen gezeichnet. Tafel 17. Fig. 13—18. Keimbläschen (Rekonstruktionkern) mit der anliegenden Schicht der Zelleibsubstanzen. Fixiertt in FLEMMING’schem Gemisch. Schnittdicke 4 u. Fig. 13 u. 14 mit Hämalaun und Eosin, 15—18 mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün gefärbt. Optik Ap, Ok. 2. Fig. 13. Entstehung der Kernaußenschicht. Chromasie des Zelleibes. Fig. 14. Aus dem Kerninnern führen chromatische Straßen zur Außenschicht. Dotterbilaung im Zelleib. Fig. 15. Keimbläschen der vorreifen Oocyte mit maximaler Außen- schicht von grobkörnigem Dotter umgeben. Fig. 16. Durch Druck verfrüht zur Inhaltsentleerung gebrachtes Keimbläschen. Die Masse der Außenschicht bleibt in der Membran. Der abströmende Kernsaft lockert den Dotter auf. Fig. 17. Auflösung der Kernmembran. Chromatin wenig färbbar. Der blasse Nucleolus verschrumpfend. Abströmen des Kernsaftes. Fig. 18. Dem vorigen folgendes Stadium nach einem Schnitt unge- fähr in der späteren Aquatorialplatte der Richtungskörperbildung. Chromo- somenrekonstruenten unmittelbar nach der Membranauflösung. ‚Fig. 19—24. Nucleolen der wachsenden Oocyte. Fixiert in HERMANN’schem Gemisch. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Co. 12. Nähere Beschreibung s. S. 393. Fig. 25. Vorreife Oocyte mit maximaler Außenschicht des Keim- bläschens und geschichtetem Dotter. Der dichte grobe Dotter umgibt den Kern. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Schnittdicke 4 u. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ob. D, Ok. 2. Tafel 18. Fig. 26—31. Stadien der Richtungskôrperbildung. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Schnittdicke 4 u. Gefärbt mit Eisenhäma- toxylin und Lichtgriin. Optik Ob. D, Ok. 2. 466 JuLıus SCHAXEL, Fig. 26. Beginn der Keimbläschenauflösung an der breitesten Stelle der Außenschicht, wodurch der kernumgebende Dotter seitlich abge- drängt wird. Fig. 27. Nach Auflösung der Kernmembran. Allgemeine Auf- lockerung des Zelleibinhaltes und einseitige Zusammenschiebung des ehe- mals kernnahen Dotters. Fig. 28. Anaphasische Spindel der ersten Richtungskörperbildung. Der Schnitt ist im Sinne der für die Ontogenesis gebrauchten Orientierung sagittal geführt. Exzentrische Situation der Spindel. Fig. 29. Anaphasische Spindel der ersten Richtungskörperbildung im Frontalschnitt, also senkrecht auf dem der Fig. 28. Fig. 30. Telophase der zweiten Richtungskörperbildung im Sagittal- schnitt. Fig. 31. Anaphase der zweiten Richtungskörperbildung im Frontal- schnitt. Fig. 32. Spermatozoon. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Ge- färbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Näheres über die Technik 18-716. Optik AD Kes 12. Fig. 33. Spermatozoon. Fixiert in Sublimatessigsäure. Gefärbt mit Hämalaun nach P. MAYER und Eosin. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 34. Weiblicher Vorkern im Anschnitt, agglutinierende durch Alveolisation der Chromosomen entstandene Teilkerne. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Schnittdicke 4 u. Gefärbt mit Eisenhäma- toxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Tafel 19. Fig. 35—36. Männlicher Vorkern im Eileib. Fixiert in FLEMMING- schem Gemisch. Schnittdicke 4 mw. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 35. Beginnende Alveolisation der Kernmasse und Quellung des plasmatischen Mittelstückes. Fig. 36. Entfaltung der Sphäre durch Umbildung des Ooplasmas vom Mittelstück des Speriums aus. Fig. 37. Prophase der ersten Furchungsteilung in bezug auf die Ei- zelle in einem tangentialen Anschnitt getroffen. Die beiden Vorkerne gehen getrennt die erste Teilung ein. Technik wie bei Fig. 35 u. 36. Tafel 20: Fig. 38. Die genäherten beiden Vorkerne auf einem 4 u dicken Sagittalschnitt durch eine ungewöhnlich große Eizelle. Fixiert in Sub- limat-Essigsäure. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ob. D, Ok. 2. Fig. 39—48. Furchungsstadien. Sofern nichts anderes angegeben, handelt es sich um 4 u dicke Schnitte durch FLEMMING-Präparate, die Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 467 mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün gefärbt sind. Optik Ob. D, Ok. 2. Über die Orientierung der Schnitte und die Bedeutung der Indizes s. die Erläuterungen auf S. 407. Ebenso muß wegen der Beschreibung der Figuren auf den Text verwiesen werden. Fig. 39. Sagittalschnitt durch die Pole der anaphasischen Spindel der Teilung CD >> AB. Fig. 40. Transversalschnitt durch die Pole der anaphasischen Spindel der Teilung CD > AB. Fig. 41. Frontalschnitt durch die bläschenförmigen Chromosomen des CD-Kernes aus der späteren Anaphase der Teilung CD > AB. Fig. 42. Sagittalschnitt durch die Pole der telophasischen Spindel der Teilung CD © AB. Fixiert in Sublimat-Essigsäure. Fig. 43. Teilung D => C. Der Schnitt entspricht der Sonderungs- ebene, geht durch die Pole der anaphasischen Spindel und bildet mit der Eimedianebene einen Winkel von ca. 65°. Gefärbt mit Hämalaun und Eosin. Fig. 44. Zwei-Zellen-Stadium. Die Schnittebene enthält die Pole der anaphasischen Spindel der Teilung D>>C, weicht also um so viel von der Transversalebene vrdl ab, als der C-Pol höher darüber liegt als der D-Pol. Gefärbt mit Hämalaun und Eosin. Fig. 45. Zwei-Zellen-Stadium. Schnittebene im spitzen Winkel zur Eimediane durch die Ruhekerne von CD und AB. Gefärbt mit Methyl- grün und Säurefuchsin. Fig. 46. Schnitt in der Ebene der Fig. 44 durch die Pole der telo- phasischen Spindel der Teilung D > C. Fig. 47. Frontalschnitt durch die Pole der prophasischen Spindel der Teilung A > B. Gefärbt mit Gentianaviolett. Fig. 48. Transversalschnitt durch die Pole der prophasischen Spindel der Teilung À > B. Tafel 21. Fig. 49—62. Furchungsstadien. Siehe die oben zu Fig. 39—48 gemachten Bemerkungen. Fig. 49. Transversalschnitt durch die Pole der telophasischen Spindel der Teilung A —>B. Gefärbt mit Gentianaviolett. Fig. 50. Schnitt in der Sonderungsebene von 1D > 1d durch die Spindelpole etwa in der Mitte zwischen den Ebenen ovud und orul (Näheres s. S. 38). Gefärbt mit Gentianaviolett. Fig. 51. Anaphase der Teilung 1D > 1d. Schnitt senkrecht auf dem der Fig. 50. Gefärbt mit Hämalaun. Fig. 52. Transversalschnitt durch die Furchungskugel auf der Höhe der Kerne von A und C. Fig. 53. Teilung 1C > le in Prophase. Der Schnitt steht senk- recht auf dem der Fig. 52. Gefärbt mit Gentianaviolett. 468 JULIUS SCHAXEL, Fig. 51. Teilung 1A la in später Anaphase. Schnitt in der Sonderungsrichtung. Gefärbt mit Gentianaviolett. Fig. 55. Teilung 1B >> 1b in Prophase. Schnitt in der Sonderungs- richtung. Fig. 56. Schnitt durch die achtzellige Furchungskugel nahezu parallel zu ihrer Längsachse und den Ruhekern von 1D enthaltend. Gefärbt mit Methylgrün. Fig. 57. Transversalschnitt durch die achtzellige Furchungskugel auf der Höhe des 1D-Kernes. Ventralwärts verläuft der Schnitt etwas zu hoch. Fig. 58. Schnitt in der Sonderungsebene durch die Pole der telo- phasischen Spindel der Teilung 2D >2d. Gefärbt mit Methylgrün. Fig. 59. Teilung 20 >2c. Tiefenschnitt durch die Furchungskugel der Sonderungsebene. Gefärbt mit Hämalaun und Eosin. Fig. 60. Teilung 2A > 2a. Tangentialschnitt durch die Furchungs- kugel in der Sonderungsebene. Gefärbt mit Hämalaun und Eosin. Fig. 61. Teilung 1d?!—1d?? in der Anaphase. Fixiert in Sublimat- Essigsäure. Gefärbt mit Hämalaun und Kosin. Fig. 62. Teilung 1d°1—1d°? in der Telophase. Technik wie bei Fig. 61. Tafel 22. Fig. 63. Schnitt senkrecht zur Ebene vrdl und durch die Pole der telophasischen Spindel der Teilung 2d! >> 2d?. Fixiert in Sublimat- Essigsäure. Gefärbt mit Hämalaun und Eosin. Optik Ob. D, Ok. 2. Fig. 64. Tiefenschnitt durch die Pole der prophasischen Spindel der Teilung 5D>>Ö5d. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Gefärbt mit Hämalaun und Eosin. Optik Ob. D, Ok. 2. Fig. 65. Tiefenschnitt durch die Pole der prophasischen Spindel der Teilung 6D—6d. Technik wie bei Fig. 64. Fig. 66. Älterer Ruhekern der Entomere 4D. Fixiert in FLEMMING- schem Gemisch. Schnittdicke 4 mw. Gefirbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 67. Schnitt durch den Entomerenkomplex mit verschiedenen Ruhe- und Teilungsstadien vor Vollendung der Epibolie. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ob. D, Ok. 2. Fig. 68. Längsschnitt durch den Mitteldarm der Larve vor dem Ver- lassen der Eihüllen. Fixiert in Sublimat-Essigsäure. Gefärbt mit Häm- alaun und Eosin. Optik Ob. D, Ok. 2. Fig. 69—78. Entodermzellen des Mitteldarmes aus 4 wu dicken Schnitten durch ontogenetische Stadien. Fixiert in FLEMMING’schem Ge- misch. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 69. Späte Entoblastenteilung. Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 469 Fig. 70. Entoblast mit kugeligem Ruhekern. Fig. 71. Beginn der Chromatinanreicherung im Kern und Ersclieinen eines Nucleolus, Fig. 72—74. Andauernde Chromatinanreicherung unter Bildung sich im Zelleib verlierender Kernfortsätze, Chromophilie der Entoblastenkerne. Fig. 75. Darmzellen vom 4. Tag des Freilebens. Die agama NS der Kerne nimmt ab. Die Dotterschollen werden vacuolisiert. Fig. 76. Darmzellen vom 8. Tag des Freilebens. Die Dotterresorption ist fortgeschritten. Sekundäre Rundkerne. Fig. 77. Darmzellen vom 9. Tag des Freilebens. Streifige Plasma- differenzierung des dem Darmlumen zugewandten Zellteiles. Fig. 78. Darmzellen vom 15. Tag des Freilebens. Die dotterfreien Zellen tragen lange Cilien. Reticuläre, runde Funktionskerne. Takeo: Fig. 79—85. Muskelfaserbildende Zellen des dorsalen Mesoderms aus 4 y dicken Schnitten durch ontogenetische Stadien. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Gefirbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 79. An Teilungen sich anschließende Stadien. Der Kern der oberen Zelle enthält bereits einen Nucleolus. Fig. 80. Chromatinanreicherung. Fig. 81. Die Zellen haben Spindelform angenommen und besitzen einen prismatischen Querschnitt (die Zelle links oben). Chromatinemission. Fig. 82. Fibrilläre Differenzierung des Plasmas. Fig. 83. Die fibrillär differenziertes Plasma führenden Zellen wachsen zu langen Ausläufern aus. Fig. 84. Die Fibrillenstränge der einzelnen Zellen verwachsen unter- einander. Fig. 85. Der Fibrillenstrang stellt das beherrschende Kontinuum dar, dem die Kerne in spärlichen Plasmahöfen anliegen. Fig. 86—91. Einzellige Drüsen des prostomialen Ectoderms aus 4 u dicken Schnitten durch Larven vom letzten Drittel des Eihüllenlebens bis zum Ende der 1. Woche des Freilebens. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 86. Chromatinanreicherung im Kern. Fig. 87—88. Chromatinemission. Fig. 89. Secretbildung im chromatisierten Zelleib. Fig. 90. Secreterfüllte Zellen mit postemissionalen chromatinarmen Kernen. Fig. 91. Zelle während der Secretentleerung mit degeneriertem Kern. Fig. 92—96. Drüsiger Teil der parapodialen Borstensäckchen aus 4 u dicken Querschnitten durch 6—10 Tage alte Tiere. Fixiert in 470 JuLıus SCHAXEL, FLEMMING’schem Gemisch. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Co. 12. Fig. 92. Drüsenanlage (Zapfen von Ectodermzellen). Fig. 93. Chromatinvermehrung. Fig. 94. Chromatinemission und Abscheidung von Chitin. Fig. 95. Bildung der ersten Borste durch das secernierende Syn- eytium. Fig. 96. Fortgang der Borstenbildung. Die einen Kerne emittieren Chromatin, andere sind in Ruhe. Tafel 24. Fig. 97—104. Prototrochzellen aus 4 zw dicken Längsschnitten. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgriin. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 97. Trochoblast nach Einstellung der Teilungen. Fig. 98. Bewimperte Zelle vor dem Auskriechen der Larve. Fig. 99—101. Ausbildung des Wimperapparats am 1., 3. und 5. Tag des Freilebens. Inaktivität des Kernes. Fig. 102. Chromatinanreicherung im Kern. Riickbildung des Wimperapparats. Vom 8. Tag. Fig. 103. Cutieularbildung und Abwurf der Wimpern. Vom 10. Tag. Fig. 104. Rechts zwei Epidermiszellen, nach links zu eine kleinere, dann eine größere ehemalige Prototrochzelle. Vom 17. Tag. Fig. 105—106. Zellen der präpygidialen Wachstumszone. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Schnittdicke 4 u. Gefärbt mit Eisenhäma- toxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 105. Sagittalschnitt durch das dicke Lager von Mesodermzellen des präpygidialen Segments eines Stägigen Warnchens: Fig. 106. Frontalschnitt durch das beiderseitige Lager von Meso- dermzellen des präpygidialen Segments eines lôtägigen Wiirmchens. Tafel 25. Fig. 107—113. Nach Präparaten aus FLEMMING-Material. Die 4 y dicken Schnitte sind progressiv mit Safranin gefärbt. Optik Ap, Ko. 12. Alle näheren Angaben sind aus der Beschreibung zu entnehmen, auf die ’eweils verwiesen wird. Fig. 107. Mittleres Emissionsstadium der Oocyte erster Ordnung (s. S. 390). Fig. 108. Sektor aus dem Keimbläschen bei maximaler Ausbildung der Außenschicht (s. S. 392). Fig. 109. Zelleibsekter aus der vorreifen Oocyte (s. S. 395). Fig. 110. Entodermzelle mit chromophilem Kern (s. S. 437). Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. 471 Fig. 111. Prostomiale Hautdrüsenzelle. Beginn der Secretproduktion bei noch andauernder Emission (s. S. 444). Fig. 112. Myofibrillenbildende Zellen. Beginn der Fibrillenver- schweißung (s. S. 441). Fig. 113. Borstendrüse. Chromatinemission während der Chitin- secretion (s. S. 446). Tafel 26. Fig. 114. Zelleibsektor der vorreifen Oocyte. Fixiert in HERMANN- schem Gemisch. Schnittdicke 4 mw. Gefärbt mit Gentianaviolett. Optik Ap, Ko. 12 (s. S. 396). Fig. 115. Zelleibsektor aus der vorreifen Oocyte. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Schnittdicke 4 u. Gefärbt mit P. MAYEr’schem Hämalaun und Eosin. Optik Ap, Ko. 12 (s. S. 396). Fig. 116—123. Nach Präparaten aus Sublimat-Essigsäure-Material. Die 4 x dicken Schnitte sind mit P. MAyEr’schem Hämalaun und Eosin gefärbt. Näheres aus den Angaben im Text. Fig. 116. Zelleibsektor der vorreifen Oocyte (s. S. 396). Fig. 117. Prostomiale Drüsenzelle. Chromatinemission (s. S. 444). Fig. 118. Prostomiale Drüsenzelle. Beginn der Secretproduktion (s. S. 444). Fig. 119. Chromatinemission in der Oocyte (s. S. 390). Fig. 120. Entodermzelle bei beginnender Chromatinanreicherung (s. S. 437). Fig. 121. Entodermzelle mit chromophilem Kern (s. S. 437). Fig. 122. Mesodermzelle mit fibrillären Plasmadifferenzierungen (s. S. 441). Fig. 123. Borstendrüse. Chromatinemission und Chitinsecretion (s. S. 446). Tafel 27. Fig. 124. Zelleibsektor der vorreifen Oocyte. Fixiert in FLEMMING- schem Gemisch. Schnittdicke 4 mw. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgriin. Optik Ap, Ko. 12 (s. S. 395). Fig. 125. Zelleibsektor aus der Blastomere CD von der Kernregion durch den wdl-Dotter zur Oberfläche. Fixiert in FLEMMING’schem Ge- misch. Schnittdicke 4 u. Gefärbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12 (s. S. 430). Fig. 126. Caryomeren (alveolisierte Chromosomen) aus der Blasto- mere CD. Fixiert in FLEMMING’schem Gemisch. Schnittdicke 2 u. Ge- färbt mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün. Optik Ap, Ko. 12 (s. 8. 429), Fig. 127. Entodermzelle im Stadium der beginnenden Chromatin- anreicherung. ALTMANN-Verfahren nach METZNER. Schnittdicke 5 u. Optik Ap, Ko. 12 (s. S. 438). 472 Jurius ScHAxeEL, Cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge. I. Fig. 128. Entodermzelle mit chromophilem Kern. Fixiert mit Pikrin- Essigsäure. Schnittdicke 4 u. Gefirbt in einem Gemisch von Methylgrün und Säurefuchsin. Optik Ap, Ko. 12 (s. S. 438). Fig. 129—133. Nach Präparaten aus Sublimat-Essigsäure-Material. Die 4 u dicken Schnitte sind mit Bionpr's Dreifarbengemisch gefärbt. Optik Ap, Ko. 12. Fig. 129. Borstendrüse. Chromatinemission und Chitinsecretion (s. S. 447). Fig. 130. Myofibrillenbildende Zellen. Fibrillenverschweißung (s. S. 441). Fig. 131. Mitteldarmzellen vom 15. Tag des Freilebens (s. S. 439). Fig. 132. Prostomiale Drüsenzelle unmittelbar vor der Secretentleerung S. 444). Fig. 133. Prototrochzelle der 4tägigen Larve (s. S. 448). Tafel 28. Fig. 134—140. Nach mit dem BENDA-Verfahren behandelten Prä- paraten. Schnittdicke 5 u. Optik Ap, Ko. 12. Näheres aus den An- gaben im Text. Fig. 134. Zelleibsektor aus der vorreifen Oocyte (s. S. 396). Fig. 135. Mesodermzellen mit Chondriosomen (s. S. 442). Fig. 136. Mesodermzelle mit Chondriosomen, die in Fibrillen über- gehen (s. S. 442). Fig. 137. Mesodermzellen mit fibrillären Differenzierungen (s. S. 442). Fig. 138. Muskelfaser mit anliegenden Kernen (s. S. 443). Fig. 139. Prostomiale Drüsenzelle während der Secretbildung (s. S. 444). Fig. 140. Prototrochzelle der 3tiigigen Larve (s. S. 448). G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Cyto-histogenetische Studien, Von Dr. Theodor Moroff in Sofia (Bulgarien). (Mitteilung aus dem Bacteriologischen Institut in Sofia, Bulgarien.) Mit Tafel 29—41 und 16 Abbildungen im Text. Einleitung. Durch die in den letzten 60—70 Jahren vorgenommenen ent- wicklungsgeschichtlichen zoologischen Studien wurde die Art und Weise der Entstehung der einzelnen Organe sowie die Gesetzmäßig- keit, die bei der Entwicklung derselben Organe, wenigstens bei den größeren Gruppen herrscht, festgestellt. Denselben Studien ist die Keimblättertheorie entsprungen, die den kürzesten Ausdruck der eben erwähnten Gesetzmäßigkeit darstellt. Nachdem die Descendenztheorie sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Bahn gebrochen hat, haben alle diese Er- scheinungen von dieser Anschauung aus eine neue Beleuchtung er- fahren und sind für die Beurteilung der verwandtschaftlichen Be- ziehungen der einzelnen Tiere resp. Tiergruppen ein unentbehrliches Mittel geworden. Ja dieser Forschungsrichtung allein haben wir die Erkenntnis der systematischen Stellung mancher Tiere, besonders solcher, die der parasitischen Lebensweise im weitesten Maße an- gepabt sind, zu verdanken. Ins Licht der Descendenz gerückt, hat die Entwicklungsgeschichte ein breites Arbeitsfeld eröffnet, dessen Bearbeitung die Arbeitskraft einer Reihe hervorragender Forscher Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 31 474 Turopor Mororr, in Anspruch genommen hat und welche auch heute als ein noch nicht abgeschlossenes Kapitel der Zoologie betrachtet werden kann. Ja wir können sogar ruhig sagen, dab dieses Arbeitsgebiet noch für viele Jahre dankbar bleiben wird. Wenn wir andrerseits in Betracht ziehen, welche nachhaltige Wirkung diese Theorie auf das menschliche Denken ausgeübt hat, so ist es leicht begreiflich, daß sie die jung aufblühende Disziplin in ihren Bann gezogen, ihr den eignen Stempel aufgedrückt hat und andere Probleme, die mit dieser Forschung verknüpft werden könnten, nicht aufkommen ließ oder mindestens stark beeinflußte. Wie sehr die Entwicklungsgeschichte in dem Banne dieser Theorie gestanden hat, kann man sowohl aus der Keimblättertheorie ersehen als auch aus der Homologisierung, die für eine Reihe mehr oder minder gleich aussehender Organe im Laufe der letzten Dezennien vor- genommen worden war. Erst in allerneuester Zeit kommt man immer mehr zur Einsicht, daß in bezug auf die Entwicklung des tierischen Körpers in der Natur in vieler Hinsicht nicht diejenige Prinzipienfestigkeit herrscht, die ihr von den Verfechtern der De- scendenzlehre zugeschrieben wird. Bei genaueren Forschungen sieht man sich immer mehr veranlaßt, manche Homologisierungen gleich aussehender Organe fallen zu lassen und eine selbständige Ent- stehung derselben anzunehmen. Erst durch das Vererbungsproblem, das ebenfalls den mensch- lichen Geist stark beschäftigte, wurden neue Fragestellungen mit der Entwicklungsgeschichte verknüpft, die der Forschung neue Arbeitsrichtungen eröffneten, und daraus hat sich ein neuer Zweig entwickelt, der als Entwicklungsmechanik sich zu einer selbständigen Disziplin entfaltet hat. Diese Forschungsrichtung hat es auch mit sich gebracht, daß man sich bei den entwicklungsgeschichtlichen Stadien nicht mehr damit begnügen kann, die morphologischen Veränderungen, die sich bei der Entwicklung eines Organs abspielen, zu fixieren, sondern auch die sich an den ein jedes Organ zusammensetzenden Kompo- nenten abspielenden Erscheinungen zu eruieren und mit der auf- geworfenen Frage in Beziehung zu setzen. Ja durch die schärfere Präzisierung der Idioplasmatheorie hat es sich als notwendig herausgestellt, auch die Erscheinungen, die sich zwischen den einzelnen Bestandteilen der Zelle selbst abspielen, in weitgehendem Maße zu berücksichtigen. Dadurch entstand in der Entwicklungs- geschichte die cytologische Richtung, die ihre Operationsbasis vor- Cyto-histogenetische Studien. 475 nehmlich lange Zeit hindurch an den Geschlechtszellen fand. Erst in allerneuester Zeit bat sich diese eytologische Forschung auch den Zellen des sich entwickelnden Organismus zugewendet. Hier erinnere ich einerseits an die Arbeiten Boverrs, GIARDINA’S etc, die bestimmten Fragestellungen entsprungen sind, andrerseits an die Arbeiten von MEeves, DUESBERG und ihrer Schule, die eben- falls bestimmte celluläre Erscheinungen mit dem Vererbungsproblem in Zusammenhang zu bringen versuchen, indem sie alle Zell- differenzierungen von bestimmten Zellbestandteilen ableiten. Durch die letzterwähnten Forschungen ist man also zu einer Cytogenese und Cytologie des sich entwickelnden Organismus auf einem Wege gekommen, der streng genommen nicht der richtige ist. Dadurch haben auch die bei diesen Forschungen zutage geförderten Resultate eine ziemlich einseitige Beleuchtung erfahren. Durch die etwa um die Mitte des verflossenen Jahrhunderts gemachte epochemachende Entdeckung SCHLEIDEN-SCHWANN’S, dab ein jeder Organismus aus vielen einzelnen Zellen zusammengesetzt ist, hat die Biologie einen gewaltigen Schritt nach vorwärts ge- macht. Alle darauf folgenden physiologischen Forschungen, deren Zweck die Aufdeckung der Lebensprozesse des Organismus war, haben zur Erkenntnis geführt, daß die Lebenserscheinungen eines Metazoenorganismus in letzter Instanz eine Harmonie von vielen einzelnen Leben darstellen, deren Sitz in den den Organismus zu- sammensetzenden Zellen zu suchen ist. Die physiologischen Prozesse eines Organismus sind in Wirklichkeit eine Zellphysiologie. Wollten wir also die Lebensprozesse eines Organismus erfassen, so müßten wir zuvor die Physiologie der verschiedenen Zellarten, die einen Organismus zusammensetzen, erforschen. Da die verschiedenen Lebens- prozesse der Zelle äußerlich in einer morphologisch definierbaren Form zum Ausdruck kommen, so ist man bestrebt, die sich während des Lebens einer Zelle abspielenden morphologischen Veränderungen genau zu erforschen und daraus Rückschlüsse auf die physiologischen Prozesse der Zelle selbst zu machen. Als Resultat dieser Be- mühungen ist die Cytologie entstanden. Bei diesen Studien hat sich immer mehr der Gedanke Bahn gebrochen, daß die Leistungen der verschiedenen Gewebe gleichsam als eine Art Secretion aufzufassen sind und die die verschiedenen Gewebe zusammensetzenden Zellen im weitesten Sinne als Secretions- zellen. Die verschiedene Art der Secretion bedingt auch die ver- schiedene Form und die Struktur der Zellen sowie der Organe. Die 31* 476 Tueopor Mororr, secretorische Tätigkeit eines Organismus ist eine unmittelbare Fort- setzung von Secretionserscheinungen des jungen Organismus, die uns in ihrer Entfaltung als Embryonalentwicklung entgegentreten. Wie bekannt nimmt ein jeder Organismus seine Entstehung von einer einzigen Zelle, der Eizelle, welch letztere durch viele auf- einanderfolgende Teilungen eine große Summe von Tochterzellen liefert. Nach und nach erfahren diese Zellen eine entsprechende Spezialisierung, indem sie sich zum Bau der einzelnen Organe gruppieren. Im gleichen Schritt mit der Spezialisierung der Zellen zu verschiedenen Geweben erfolgt daher auch ihre Spezialisierung in bezug auf ihre vegetative Tätigkeit, d. h. in bezug auf ihre Secretion. Gleich mit der organologischen Differenzierung des Embryos erfolgt also die Differenzierung der Zellen in bezug auf ihre secretorische Tätigkeit. Es drängt sich daher von selbst die Frage auf: wie kommt es nun dazu, dab von ursprünglich gleichartigen Zellen die Bildung verschiedener Organe hervorgerufen wird? Zur Lösung dieses Pro- blems müßten wir bei unseren entwicklungsgeschichtlichen Studien die feineren Prozesse, die sich in den Embryonalzellen während der Entwicklung des Organismus abspielen, einer genaueren Unter- suchung unterziehen, die sich in ihnen abspielenden morphologischen Veränderungen festzustellen suchen und aus diesen Veränderungen allgemeinere Schlußfolgerungen auf die secretorische Tätigkeit der Zellen zu ziehen versuchen. Von dem Standpunkte der allgemeinen Zellsecretion aus kommen wir also auf das Studium der Cytologie und der Cytogenese des sich entwickelnden Organismus zurück, zu deren Studium Meves und seine Anhänger durch vererbungstheoretische Überlegungen ge- kommen sind. Von unserem Standpunkte aus müßte man auch die sich in allen Embryonalzellen abspielenden Prozesse zu beleuchten suchen. Freilich werden diese Erscheinungen eine Deutung erfahren, die unter Umständen bedeutend von derjenigen abweicht, die bei Untersuchungen gegeben wurde, welche von einem vererbungs- theoretischen Gesichtspunkt unternommen worden sind. Bei der Ausführung der folgenden Studien ließ ich mich von diesem soeben skizzierten Gesichtspunkt leiten. Daß es mir dabei nicht gelungen ist wenigstens annähernd diesem Ziele nahe zu kommen, dessen bin ich mir wohl bewußt. Infolge der Unzulänglichkeit der uns zurzeit zur Verfügung stehenden Forschungsmittel war ich mir bereits beim Beginn der Untersuchung über die grobe Cyto-histogenetische Studien. 477 Schwierigkeit eines solchen Strebens klar. Zwar ließ ich mich bei meinen Untersuchungen von diesem Gedanken leiten. doch war das Ziel, das ich mir dabei gesteckt habe, viel bescheidener und viel eher als eine Art Vorarbeit gedacht. Durch diese Untersuchung wollte ich zeigen, dab die wechsel- seitigen Beziehungen, die zwischen Kern und Plasma während der secretorischen Tätigkeit der Zelle existieren, und die Bedeutung, welche jedem Komponenten bei diesem Prozeß zukommt, auch bei den Embryonalzellen während der Schaffung der ein Gewebe charak- terisierenden Zelldifferenzierungen ihre Geltung haben. Gerade diese Forschung soll zeigen, daß die Erkenntnis von der physiologischen Bedeutung der einzelnen Zellbestandteile bei der Secretion auch bei den Embryonalzellen ihre Geltung hat. Wollten wir die Bedeutung der einzelnen Bestandteile einer Zelle für die vegetative Tätigkeit der letzteren erfassen, so müßten wir die Verhältnisse in einem Zustande der Zelle untersuchen, der ihrer lebhaftesten Tätigkeit entspricht. Oft erfolgt bei der Embryonal- entwicklung eines Organismus eine beschleunigte Bildung der einzelnen Organe. Diese Erscheinung ist besonders stark gewöhnlich bei solchen Tieren ausgeprägt, die infolge des plötzlichen Wechsels der Lebensbedingungen auch eine rasche Bildung von neuen Organen nötig haben und bei welchen eventuell die Rückbildung von alten Organen erfolgt. Diese Erscheinungen bedingen die mehr oder weniger weit- gehende Metamorphose des betreffenden Tieres. Da die Bildung der ein Organ charakterisierenden Zellsubstanz von uns als Secretion aufeefaßt wird, so stellen die Zellen des betreffenden Organs gleichsam Secretzellen dar, die sich in einer äußerst lebhaften formativen Tätigkeit befinden. Bei der Auswahl unseres Untersuchungsobjekts ließen wir uns von dieser Erwägung leiten. Wir griffen auf Palaemon zurück, weil er zu denjenigen Crustaceen gehört, die den größten Teil ihrer Ent- wicklung im Ei selbst durchmachen und letzteres als ziemlich fertige Tiere verlassen. Innerhalb der Zeit, während der sich das Tier im Ei befindet, müssen eine Reihe von Organen angelegt werden, zu deren Bildung die vegetative Tätigkeit der Embryonalzellen äußerst lebhaft in Anspruch genommen wird. Ferner haben wir dieses Ob- jekt vorgezogen, weil es infolge der schwachen Entwicklung des Chitins sehr zart ist und der Untersuchung keine sehr großen tech- nischen Schwierigkeiten in den Weg legt. Außerdem ist dieser Decapode (in Triest) sehr leicht zu beschaffen. 478 TxEopor Mororr, Mein Bestreben war, die cytologischen Verhältnisse zu durch- forschen, die während der Entwicklung der einzelnen Organe des Tieres zutage treten. Mit folgenden Zeilen übergebe ich die bisher erzielten Resultate über die Entwicklung des zusammengesetzten Auges und über die Entwicklung der Muskeln der Öffentlichkeit. In Anbetracht dessen, daß die über die Entwicklung des Auges bei Palaemon erzielten Resultate nicht in Einklang mit den An- sichten gebracht werden können, die zurzeit über die Phylogenie und Histologie dieses Organs herrschen, habe ich mich veranlaßt gesehen, zur Kontrolle auch bei einem anderen Kruster diesbezüg- liche Untersuchungen anzustellen. Dadurch wollte ich außerdem untersuchen, wie weit die bei Palaemon festgestellten Verhältnisse überhaupt für alle Crustaceen Geltung haben können. Was die Entwicklung der Muskeln anbelangt, so habe ich neben Palaemon noch Copepoden herangezogen, vornehmlich deshalb, weil ich meine ersten Beobachtungen darüber bei den letzt- erwähnten Crustaceen machte und über die erzielten Resultate be- reits einen vorläufigen Bericht erstattet habe. Hiermit entledige ich mich nun der Verpflichtung, die ich durch die Veröffentlichung dieses vorläufigen Berichtes auf mich genommen habe. Entsprechend der Materie, die hier behandelt wird, zerfällt die Arbeit in zwei Teile, welche streng genommen nur insofern etwas Gemeinsames miteinander haben, als die Forschung von der Ent- wicklung der beiden Organe von einem und demselben Gesichts- punkt aus unternommen wurde, und zwar galt es für beide, die Aufdeckung der physiologischen Bedeutung des Zellkernes und des Zellplasmas auf Grund der morphologischen Erscheinungen, die während der Entstehung beider Organe zutage treten, anzubahnen. Die Arbeit wird in zwei Teile zerfallen. Der erste Teil ist dem Auge allein gewidmet; der zweite Teil behandelt die Entwick- lung der Muskeln. In einem Schlußkapitel wird auf die theoretische Bedeutung der cytologischen Erscheinungen eingegangen, wobei, aus- gehend von den durch diese Studie erzielten Resultaten, eine Sich- tung der bisherigen Literaturangaben über ähnliche Fragen vor- genommen wird. Da die angewendete Technik und die Untersuchungsmethoden für beide Arbeiten gleich sind, so mögen sie hier in kurzen Worten ihre Besprechung finden. Cyto-histogenetische Studien. 479 Zuerst will ıch bemerken, das Palaemon im Adriatischen Meere bei Triest, ähnlich wie anderswo, zweimal im Jahre laicht. Im Frühjahr begegnet man von Ende Februar bis Anfang Mai eier- tragenden Weibchen; die zweite Laichperiode dauert von der zweiten Hälfte des Monats Juni bis Mitte August. Je nach den Witterungs- verhältnissen erfahren die Laichzeiten eine mehr oder minder starke Verschiebung. Das Entwicklungsmaterial von Palaemon wurde auf folgende Weise gesammelt. Die an der Brust zwischen den Beinen befind- lichen Eier werden dem Tiere abgenommen und mit verschiedenen Fixierungsflüssigkeiten konserviert. Damit man verschiedene Stadien bekommt, muß man möglichst viele und von verschiedenen Tieren herstammende Eier fixieren. Da nicht alle Weibchen gleichzeitig, sondern zu verschiedenen Zeiten laichen, so kann man auf einmal zu allen wünschenswerten Stadien kommen. Man braucht nur Material von vielen Tieren zu nehmen. Übrigens kann man bei gewisser Übung aus der Farbe der Eier Rückschlüsse auf den Entwicklungs- zustand des Embryos ziehen. Die ganz junge Embryonen ent- haltenden Eier haben eine gelbe Farbe. Bei den vorgeschritteneren, etwa halbentwickelten Embryonen weisen die Eier eine zinnoberrote Farbe auf, welche bei noch älteren Embryonen immer mehr ins Graue übergeht. Eier, in denen die Embryonen unmittelbar vor dem Ausschlüpfen stehen, sind von einer hell durchsichtigen Farbe. Nach dem Pigment der Augen kann man ebenfalls das ungefähre Alter des Embryos erraten. Über die Dauer der Entwicklung des Embryos im Ei selbst kann ich nicht einmal annähernde Angaben machen. Für ältere Stadien muß man die Tiere aus dem Plancton herauslesen; für noch ältere Tiere, die die pelagische Lebensweise bereits auf- gegeben haben, muß man mit einem feinen Netz an den Stellen fischen, wo sich die erwachsenen Tiere aufhalten. Wenn man gegen das Ende der Laichsaison fischt, erlangt man auf diese Weise Palaemon in allen möglichen Größen, von solchen, die soeben die pelagische Lebensweise verlassen haben, bis zu ganz erwachsenen. Die ganz jungen Tiere wurden als ganze Stücke fixiert. Bei den etwas größeren Tieren wurde der vordere Teil mit den Augen fixiert. Bei den halberwachsenen und erwachsenen Tieren wurden die Augen herausgeschnitten und für sich allein in die Fixierungs- flüssigkeit gelegt. Da die Entwicklung des zusammengesetzten Auges bei Artemia 480 Taxopor Mororr, erst beginnt, nachdem das Tier das Ei verlassen hat, so wurden für diese Untersuchungen Tiere vom Naupliusstadium aufwärts fixiert. Artemia ist fast den ganzen Sommer hindurch in den Salinen von Capodistria bei Triest zu haben. Das Material von beiden Tieren wurde in Sublimat-Eisessig, Gırson’s Gemisch, Carnoy und FLEMMING fixiert. Alle Fixierungs- flüssigkeiten haben mir mehr oder minder gute Dienste geleistet. Die besten Resultate erzielte ich mit dem FrLEmming’schen Gemisch. Die Eier wurden zu vielen eingebettet und in Serienschnitte zerlegt. Man bekam auf diese Weise Schnitte, die nach allen mög- lichen Richtungen orientiert sind, woraus man sich dann jenen Schnitt heraussuchen konnte, den man eben braucht. Bei einiger Übung ist die Orientierung nicht schwer. Die von einem Wurf stam- menden Eier weisen immer Entwicklungsstadien vom gleichen Alter auf. Gefärbt wurde mit den gebräuchlichsten Färbemethoden. Was die Copepoden anlangt, so habe ich dafür Präparate, die ich bei meinen oogenetischen Studien benutzt habe, auch für diese Studie verwendet. Diese Präparate wurden auf folgende Weise angefertigt. Die Copepoden wurden in größerer Menge aus dem Plancton herausgefischt und fixiert. Sie wurden in einem Haufen eingebettet. So eingebettet wurden aus diesem Copepodenmaterial Serienschnitte angefertigt. Da meine Präparate fast nur drei er- wachsene Copepoden-Arten enthielten, und zwar Centropages kroyeri, Centropages typicus und Paracalanus parvus, so gehören die Embryonen, die zwischen den erwachsenen Tieren vorkommen und die ich zum Studium der Entwicklung der Muskeln verwendete, zu diesen drei Arten. Die histologischen Bilder, die ich dabei bekam, bestätigen vollkommen meine Erwartung. Auf Grund mancher Anzeichen glaube ich sogar aus den Embryonen die Artzugehörigkeit feststellen zu können. Vorliegende Untersuchungen wurden vornehmlich am bacterio- logischen Institut in Sofia ausgeführt. Für die liebenswürdige Überlassung eines Arbeitsplatzes sowie für die liberalste Unter- stützung, die ich in jeder Hinsicht während meiner Forschungen von seiten des Instituts bekommen habe, fühle ich mich verpflichtet auch an dieser Stelle dem Leiter dieses Instituts, Herrn Dr. MıcHAEL IvAnoFF, bestens zu danken. Zum Sammeln des nötigen Materials sowie zur Fortsetzung meiner Untersuchungen, ferner zur Benützung der Bibliothek habe ich mehrmals die liebenswürdige Gastfreundschaft der K. K. zoologischen Cyto-histogenetische Studien. 481 Station in Anspruch nehmen müssen. Für die Überlassung eines Arbeitsplatzes sowie für die Beschaffung des nötigen Materials und für die liebenswürdige Unterstützung. die mir von seiten des Leiters sowie des übrigen Personals dieses Instituts zuteil geworden ist, bin ich Herrn Prof. Dr. Carn Cort zu ergebenstem Danke verpflichtet. Es gereicht mir außerdem zu einer höchsten Ehre und Freude, diese Abhandlung dem Hohen Beschützer von Wissen- schaft und Kunst, Seiner Majestät König Ferdinand von Bulgarien zu Seinem 25. Regierungs-Jubiläum ehrfurchts- voll widmen zu dürfen. 482 Taksopor Mororr, 1. Entwicklung des Facettenauges bei Crustaceen. Mit Tafel 29—38 und 7 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. Vorbemerkung A. Entwicklungsgeschichte des zusammengesetzten Auges . ee d -1 © Erste Anlage des Auges bei Palaemon . Erste Entwicklung des Ganglion opticum . : Erste Anlage des ae Auges bei Ar femia ean non Differenzierung der Ommatidien im Hacetronauge Be Pi ılaenion a) Bildung des Pigments b) Bildung der Rhabdome . c) Bildung der Linsen . . . d) Bildung der Krystallkegel . i Weitere Entwicklung des Ganglion Salem Differenzierung der Ommatiden bei Artemia . Entwicklung des Ganglion opticum B. = ae des zusammengesetzten Auges Vorbemerkung. Seite 482 485 483 488 489 497 507 509 514 516 517 522 527 533 537 Einleitend will ich hier hervorheben, daß über die Entwicklung des zusammengesetzten Auges bei Crustaceen bis jetzt recht spär- liche Angaben vorliegen. Die bisher vorliegenden Untersuchungen erstrecken sich nur auf die erste Anlage dieses Organs. Die ein- schlägige Literatur wird ihre Besprechung jedoch erst finden, nach- dem ich die Resultate meiner Untersuchungen über die erste Anlage des zusammengesetzten Auges bei Palaemon und Artemia dargestellt Cyto-histogenetische Studien. 483 habe. Hinsichtlich der ferneren Differenzierung der einzelnen Ommatidien mit ihren Bestandteilen aus der die erste Anlage des Auges darstellenden indifferenten Epithelwucherung liegen, soweit mir die Literatur bekannt ist, keine Untersuchungen vor. A. Entwicklungsgeschichte des zusammengesetzten Auges. 1. Erste Anlage des Auges bei Palaemon DeEsm. Die Entwicklung von Palaemon geht, ähnlich wie bei den übrigen Decapoden, lange Zeit hindurch im Ei vor sich, so daß die Larven ziemlich entwickelt als Mysisstadium das letztere verlassen. Dem- entsprechend werden die meisten Organe im Ei angelegt, wo sie auch den größten Teil ihrer Entwicklung durchmachen. Dieselbe Erscheinung konstatieren wir auch bei dem zusammengesetzten Auge dieses Tieres. Die ausschlüpfende Larve zeichnet sich durch ihr mächtig entwickeltes Auge aus, das infolge seiner Größe sowie seiner Pigmentierung bei der Betrachtung der Larve mit bloßem Auge gleich auffällt. Das Auge von Palaemon gehört zu denjenigen Organen des Tieres, die sich durch ihre äußerst frühzeitige Anlage auszeichnen. Wenn nicht gleichzeitig mit der ersten Anlage des Gehirns, wird es doch gleich unmittelbar darauf angelegt. Sein erstes Auftreten erfolgt als eine stärkere Verdickung des Epithels, auf den beiden Seiten des vorderen Körperendes unmittelbar hinter der Gehirnanlage. Da beide Organe in einer engeren Beziehung zueinander stehen, erweist es sich als notwendig, auch die sich am Gehirn abspielenden Veränderungen bei unserer Darstellung zu berücksichtigen. Auf Serienschnitten, die senkrecht zu der Längsachse des Embryos geführt worden sind, sieht man in den ersten (vordersten) Schnitten zuerst nur die Hirnanlage. Etwas weiter nach hinten bekommt man aber auf demselben Schnitt gleichzeitig sowohl die Hirn- als auch die Augenanlage zu sehen. Einen solchen Schnitt stellt Fig. 1 dar. In dieser Figur, die das jüngste mir zur Verfügung stehende Stadium darstellt, tritt uns das Gehirn als zwei stärkere Wucherungen des Epithels entgegen, die in der Medianebene des Körpers zusammen- stoßen. Von der Oberfläche haben sie sich noch nicht abgelöst, so daß man noch keine selbständige Epithelschicht wahrnehmen kann, die die Anlage überzieht. Die Gehirnanlage liegt, wie dies aus der- selben Figur zu entnehmen ist, der Rückseite breit an. Nach 484 Turopor Mororr innen steht sie in unmittelbarer Berührung mit dem Dotter. Auf den beiden Seiten der Hirnanlage wird je ein konusförmiger Aus- wuchs gebildet, der auf dem Querschnitt sich keilförmig zwischen den Dotter und die die junge Augenanlage darstellende Epithel- verdickung einschiebt. In derselben Figur tritt uns die einschichtige Augenanlage als eine stärkere Verdickung des Ectoderms entgegen. Alle Kerne in der- selben sind dicht aneinander gepreßt. Die meisten dieser Kerne sind rund, manche von ihnen sind etwas verlängert, wobei sie mit ihrer Längsachse senkrecht zur Epitheloberfläche stehen. Nicht überall in der Augenanlage sind die Kerne gleichgroß. An der Bauchseite sind sie etwas größer als die Kerne, die sich unmittelbar in der Nähe der Gehirnanlage befinden. Auf der Bauchseite hört die epitheliale Verdickung fast plötzlich auf, wodurch sie wie abgesetzt aussieht. Obwohl die Augenanlage und der Gehirnlappen (Gehirnauswuchs) sich dicht nebeneinander befinden, läßt sich sogar bei schwacher Ver- größerung eine scharfe Grenze feststellen, die beide Gebilde überall deutlich voneinander trennt. Sowohl in der Hirnanlage als auch in dem übrigen Epithel sind viele mitotische Figuren zu sehen, was auf eine lebhafte Kernvermehrung hindeutet. In einem nächstfolgenden Stadium hat die Augenanlage eine stärkere Verdickung erfahren. Alle Kerne sind dicht aneinander gepreBt, außerdem sind sie bedeutend verlängert. Auch in diesem Stadium zeichnen sie sich durch ihre verschiedene Länge aus, die hier stärker hervortritt. Wiederum befinden sich an der Bauchseite die größten Kerne. Den Rücken hinauf werden sie allmählich kleiner. Auf der Bauchseite selbst hört die Verdickung, wie in dem früheren Stadium, plötzlich auf (Fig. 2). Das Gehirn zeichnet sich von dem vorhergehenden Stadium da- durch aus, daß es eine größere Dimension angenommen hat. Der zapfenförmige Auswuchs, der zur Augenanlage hinläuft, ist jetzt länger und stärker geworden. Da sich der Hirnauswuchs später zum Ganglion opticum entfaltet, werde ich ihn von nun an mit dem letzterwähnten Namen bezeichnen. Fig. 3 stellt dieselbe Augenanlage dar, die bei einer weit stärkeren Vergrößerung gezeichnet wurde. Aus derselben ersieht man, daß die Kerne der ganzen Augenanlage sehr nahe aneinander gepreßt sind. Diese Kerne sind von verschiedener Gestalt; meistens sind sie länglich oval; manchmal sind auch kolbenfürmige sowie sanduhrförmige Kerne zu sehen. Die Kerne der Anlage des Ganglion Cyto-histogenetische Studien. 485 opticum sind ebenfalls von derselben Gestalt, nur das sie umgebende Plasma ist in größerer Menge vorhanden. Die meisten Kerne sind von einer bläschenförmigen Gestalt. Ihre Oberfläche färbt sich infolge einer stärkeren Anhäufung des Chromatins ziemlich stark. In einzelnen Kernen ist das Chromatin in Form von größeren Stücken zu sehen, die für gewöhnlich eine unregelmäßige Gestalt aufweisen. Manche von ihnen lassen sich in ihrer Mitte etwas schwächer färben, wodurch sie wie kleine Bläschen aussehen. Ganz runde Chromatinkörper sind selten zu sehen, da die meisten nach verschiedenen Richtungen feinere und stärkere Aus- wüchse aussenden, wodurch sie eine amöboide Gestalt aufweisen. Die meisten Chromatinstücke stellen jedoch krumm verlaufende Stäbe dar. Außerdem weisen sie infolge der vielen stärkeren und schwächeren Auswiichse, die sie in verschiedene Richtungen aussenden, eine knorrige Gestalt auf. Manchmal tritt uns das Chromatin auch in Form ge- schlängelter Bänder entgegen. Die einzelnen Chromatinstücke sind durch feinere achromatische Fäden miteinander verbunden. In manchen Kernen ist das Chromatin nur in einige Stücke konzentriert, die sich durch ihre bedeutendere Größe auszeichnen. Wiederum in anderen Kernen ist das meiste Chromatin in einen einzigen runden oder läng- lichen bis stäbchenförmigen Körper konzentriert, der sich in der Regel in der Mitte des Kernes befindet. Durch die vielen feinen Auswüchse, die von der Oberfläche eines solchen Chromatinkörpers entspringen, bekommt er ein gezacktes Aussehen. Die Auswüchse laufen gewöhnlich in feine farblose Fäden aus, die zur Kernober- fläche hinziehen. Die Hirnanlage besteht ebenfalls aus einer großen Menge dicht aneinander geprefter Kerne, die in ihrer Gesamtheit eine dichte Kernmasse darstellen. Die meisten Kerne befinden sich in einer engeren Berührung miteinander; eine Plasmaschicht zwischen diesen Kernen ist, in den meisten Fällen, nicht zu sehen. Nur manche von ihnen sind von einer dünnen Plasmaschicht überzogen. Die Kerne sind von einer runden bis länglichen Gestalt. In bezug auf ihre Struktur weisen sie die größte Ähnlichkeit mit denjenigen der Augen- anlage auf. An der Stelle, wo die Augenanlage in die Hirnanlage übergeht, ist keine Grenze festzustellen. Die Kerne der einen An- lage gehen unmerklich in die der anderen Anlage über, ohne daß in ihrer Anordnung eine scharfe Differenz festgestellt werden könnte. Aus Fig. 2 sind diese Verhältnisse leicht zu ersetzen. Dies Stadium dürfte wohl dem Naupliusstadium der übrigen 486 THEopor Mororr, Crustaceen vorangehen. Das Naupliusauge ist bereits in der Median- ebene, zwischen den beiden Gehirnlappen, in Form von zwei sym- metrisch liegenden Kernen zu sehen, die von einer dünnen Pigment- schicht überzogen sind. Durch diese Pigmentschicht heben sie sich von ihrer Umgebung ab. Durch die Bildung einer größeren Menge von Pigment erfährt das Naupliusauge in den späteren Stadien eine bedeutende Entfaltung, um nachher wiederum rückgebildet zu werden. Bei etwas älteren Embryonen verlieren die Kerne der Augen- anlage ihre regelmäßige Anordnung, indem einzelne von ihnen sich von dem gemeinsamen Verbande loslösen und ein wenig tiefer rücken, so daß ihre inneren Enden über die übrigen Kerne hervorragen. Offenbar erfahren diese hervorragenden Kerne eine Durchschnürung in ihrer Mitte, wodurch zwei übereinander stehende Reihen zustande kommen. Andrerseits macht es auch den Eindruck, als ob manche Kerne aus ihrem gemeinsamen Verbande in die Tiefe rückten. Man sieht nämlich oft ovale bis spitz ausgezogene Kerne, die mit ihren verdickten Enden über die innere Oberfläche des Kernverbandes hervorragen. Mit den spitz ausgezogenen Enden stecken sie hin- gegen noch zwischen den übrigen Kernen. Dadurch wird der Uber- gang der Augenanlage von Einreihigkeit in Zweireihigkeit bereits angedeutet. Wie aus Fig. 3 zu entnehmen ist, tritt die zweireihige An- ordnung der Kerne zuerst an dem unteren und hinteren Ende der Augenanlage auf. Dadurch sieht es stärker angeschwollen aus. (Gegen den Rücken hin wird es allmählich dünner, wobei es unmerklich einschichtig wird. Fig. 4 stellt einen Querschnitt dar, der durch die Mitte der Augenanlage geht. Wenn man die Schnittserie nach vorn und caudalwärts verfolgt, kann man leicht feststellen, daß die Augenanlage nach beiden Richtungen hin, ähnlich wie zur Rückseite, allmählich dünner wird. Die Augenanlage stellt also einen ver- dickten Epithelialwulst dar, der mit Ausnahme der Bauchseite nach allen Richtungen langsam dünner wird, bis er schließlich unmerklich ins übrige Epithel übergeht. Auf der Bauchseite setzt die Ver- dickung hingegen plötzlich ab. Im Laufe der weiteren Entwicklung behält die Augenanlage dieselbe Form bei, nur wird sie durch Ausdehnung nach allen Richtungen immer größer, wobei sie durch das Auftreten neuer Kernreihen immer stärker wird. In ihrer Mitte weist die Augen- anlage die größte Anzahl von Kernreihen auf, gegen ihre Peripherie Cyto-histogenetische Studien. 487 hin werden die Reihen weniger. Bei unserer weiteren Darstellung werden wir immer die Verhältnisse, die auf dem durch die Mitte der Augenanlage gehenden Querschnitt zum Vorschein kommen, be- schreiben. Die übrigen nach vorn und nach hinten folgenden Schnitte zeigen nur wenig jüngere Stadien. Fig. 5 stellt die Augenanlage in dem Stadium dar, das sich unmittelbar vor dem Beginn der Pigmentbildung befindet. Auf der basalen Seite hat sie 3—5 Reihen von Kernen. Letztere sind dicht aneinander gepreßt, und die ganze Anlage stellt in Wirklichkeit eine kompakte Kernmasse dar. Die Kerne sind eigentlich ziemlich regellos verteilt. Wenn ich angebe, daß die Anlage aus 3—5 Kern- reihen besteht, so ist dies eigentlich eine ziemlich willkürliche Deutung. Von scharfen Kernreihen kann hier nicht die Rede sein, da die oberflächlicher und tiefer liegenden Kerne mit ihren Enden ineinander greifen. Die Reihenzahl habe ich approximativ durch Vergleich mit dem nächstfolgenden Stadium bestimmt, in welchem bereits eine reihenförmige Anordnung der Kerne erfolgt ist. Die Dicke der Augenanlage nimmt, auch nachdem die Pigmentbildung bereits begonnen hat, weiter zu. Doch sind auch die sie zusammen- setzenden Kernreihen auf 5—-7 gestiegen. In diesem und in den folgenden Stadien sind die Kerne besonders reich an Chromatin. Auch in diesem Stadium tritt uns das Chromatin in Form größerer unregelmäßiger Körper entgegen, die infolge der vielen Auswüchse, die von ihnen entspringen, die ver- schiedenste Gestalt annehmen können. Hier werde ich davon Abstand nehmen eine genauere Beschreibung von der Form dieser Körper zu geben. Durch eine genauere Betrachtung von Fig. 6 wird man sich am besten eine Vorstellung darüber bilden können. Es macht den Ein- druck, als ob die meisten Chromatinstücke abgeplattet seien. Sie sind an der Kernperipherie verteilt, und da die einzelnen Chromatin- balken durch Auswüchse miteinander in Verbindung stehen, bildet das Chromatin an der Kernperipherie ein Gitterwerk. In manchen Kernen ist auch in ihrer Mitte Chromatin in Form eines größeren Körpers vorhanden, von dem aus chromatische Auswüchse zur Kern- peripherie ausstrahlen. Durch den Vergleich von Fig. 1 und 6 können wir leicht feststellen, daß neben der enormen Vermehrung der Kerne auch eine äußerst starke Chromatinanreicherung in denselben statt- gefunden hat. Während der ersten Embryonalentwicklung hat sich also eine Transformierung des die Kerne umgebenden Plasmas in chromatische Substanz vollzogen. 488 Taeopor Mororr, Nachdem wir nun die erste Entwicklung der epithelialen Augen anlage dargestellt haben, müssen wir noch mit einigen Worten der 2. Ersten Entwicklung des Ganglion opticum gedenken. Zu Beginn dieses Kapitels haben wir bereits erwähnt, daß uns das Ganglion opticum in dem jüngsten uns zur Verfügung stehenden Stadium als ein kurzer, verhältnismäßig dicker Auswuchs des Gehirns entgegentritt. Dieser Auswuchs stellt eine solide Kernmasse dar, die, in innigster Verbindung mit dem Gehirn stehend, den sicheren Eindruck erweckt, daß er einen wirklichen Bestandteil des letzteren darstellt. Die Spitze dieses Auswuchses geht nicht so weit herab wie die epitheliale Verdickung der Augenanlage, sondern sie hört etwas früher auf. In dem unmittelbar darauffolgenden Stadium (Fig. 4) hat die Anlage des Ganglion opticum, ähnlich wie die Augenanlage selbst, eine entsprechende Verlängerung erfahren, außerdem ist sie auch etwas stärker geworden. Das Ganglion opticum ist jetzt aus Zell- kernen zusammengesetzt, die eine verschiedene Struktur aufweisen; der basale Teil, bis etwa zur Mitte der Augenanlage, besteht aus Kernen, die ähnlich aussehen wie diejenigen der Hirnanlage. Die äußere Hälfte des Zapfens besteht aus zweierlei Kernen. Die äußerste Spitze des Zapfens besteht ebenfalls aus ähnlichen Kernen wie die vorhin erwähnten. Der innere Teil besteht hingegen aus großen Kernen, die zuerst in einer Reihe angeordnet sind. In diesen Kernen tritt das Chromatin in Form kleiner Körnchen auf, die meistens an der Kernperipherie stärker angesammelt sind. Auch in ihrem Innern ind Chromatinkérperchen in wechselnder Menge vorhanden, die durch Lininfäden miteinander in Verbindung stehen. Zur Kern- peripherie gehen ebenfalls Lininfäden hin. Diese Kerne haben ein bläschenförmiges Aussehen; sie sind außerdem von einer breiteren Plasmaschicht umgeben. In dem nächstfolgenden Stadium hat die Ganglienanlage eine weitere Vergrößerung erfahren. Wenn man die Serienschnitte nach hinten verfolgt, sieht man außerdem, daß sich ihre Spitze etwas nach hinten gebogen hat. Außerdem hat sich auch der Beginn einer histologischen Differenzierung in der Anlage des Ganglion opticum bemerkbar zu machen begonnen (Fig. 4). Die sich an der äußersten Spitze des Zapfens befindenden Kerne haben eine stärkere Vermehrung erfahren und sitzen der übrigen Anlage des Ganglions Cyto-histogenetische Studien. 489 kappenförmig auf. Die nächstfolgenden bläschenförmigen Kerne sind jetzt in zwei Reihen angeordnet. Zwischen den beiden Reihen der eroßen bläschenförmigen Kerne hat sich eine ganz schmale Ver- tiefung (Falte) gebildet, die ziemlich tief eindringt und die Ganglion- anlage in zwei ungleiche Partien — eine äußere kleinere und eine innere größere — teilt. Die großen Kerne sehen wie eine epitheliale Auskleidung der Falte aus. Zwischen diesen Kernen sieht man in den meisten Fällen auch die Zellgrenzen. Ich muß allerdings hervor- heben, daß ich diese Verhältnisse an mit Sublimateisessig fixiertem Material gesehen habe. An Fremming-Material ist diese Falte nicht festzustellen, so daß die beiden Kernreihen durch keinen Zwischen- raum getrennt sind. Ich halte sie für eine Folge der unzureichenden Fixierung. Hier erwähne ich sie jedoch ausdrücklich, da sie von REICHENBACH bei Astacus (Potamobius) ausführlich beschrieben wird. Außerdem wird die Retina mit den Rhabdomen von REICHENBACH von der äußeren Wand dieser Falte abgeleitet, was, wie wir später sehen werden, in keiner Hinsicht zutreffend sein kann. Im Zentrum jeder Gehirnhälfte ist bereits die weiße Punktsubstanz als eine hellere kernlose Partie aufgetreten. Von dieser zentralen Partie geht ein Streifen gegen die Anlage des Ganglion opticum hin. Dieser Streifen zieht zur inneren Peripherie der Ganglionanlage hin, dann biegt er etwas nach außen um und dringt wiederum in letztere ein, wo er in der Gruppe der großen bläschenförmigen Kerne (Ganglien- zellkerne?) endet. Die weiße Substanz ist also ungefähr in ihrer Mitte auf ihrer inneren Seite von keinen Kernen überzogen (Fig. 5). Um dieselbe Zeit, wo die Bildung des Pigments an dem hinteren Teil der Epithelwucherung beginnt, weist das Ganglion opticum sowie die Hirnanlage ungefähr dieselbe Struktur auf wie in dem soeben beschriebenen Stadium, daher werde ich nicht länger dabei verweilen. Die weitere Differenzierung des Ganglion opticum werde ich erst darzustellen suchen, nachdem ich die Entwicklung der Ommatidien geschildert habe. 3. Erste Anlage des zusammengesetzten Auges bei Artemia. Von Artemia salina lag mir eine vollständige Entwicklungs- serie vor. Die erste Anlage des Auges erfolgt erst, nachdem die Larve das Ei verlassen hat — in dem Naupliusstadium. Das Frontalauge hingegen wird weit früher, längst bevor das Tier das Ei verläßt, angelegt. Gleichzeitig damit, oder ein wenig Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 32 490 THEODOR Mororr, später, erfolgt auch die Hirnanlage in Form von zwei Epithel- wucherungen, welche rechts und links auf den beiden Seiten des Frontalauges auftreten. Unterhalb des letzteren treten die beiden Epithelwucherungen des Gehirns miteinander in Verbindung, so dab sie kelchartig das erwähnte Auge umgreifen. Die Gehirnanlage zeigt noch keine Abgrenzung vom Epithel, die äußerste, oberfläch- (“73 L 2 © CG LONG ie DISS eo Fig. A. Artemia salina. Schematische Figur, welche den Kopt eines sehr jungen Tieres darstellt. F. A Frontalauge. G.A Gehirnanlage. A.A Epitheliale Verdickung der Augenanlage. lichste Kernreihe ist nicht scharf von den inneren Kernen abgegrenzt. Wie bei Palaemon sind auch hier keine Zellgrenzen festzustellen. Die Kerne liegen regellos im Plasma, das hier in einer beträchtlichen Menge vorhanden ist. Von beiden Seiten des Gehirns gehen zwei starke Commissuren aus, die, den Schlund umgreifend, zum 1. Bauch- ganglion hinziehend, in dasselbe übergehen. Kurz nachdem das Gehirn gebildet wird, erfolgt auch die An- lage der zusammengesetzten Augen. Dieser Prozeß läßt sich sehr gut auch an Totopräparaten verfolgen. Daher werde ich zuerst die Erscheinungen, die man an diesen sieht, darstellen und erst dann die Schnittbilder beschreiben. Cyto-histogenetische Studien. 491 Fig. A stellt den Kopfteil eines jungen Tieres von der Bauch- seite gesehen dar. Von der Rückenseite sind die Bilder durch die bereits angelegten Leberlappen verdeckt. An diesem schema- tischen Bilde ist in der Mitte das Frontalauge gezeichnet; an beiden Seiten sind die Gehirnhälften zu sehen, die auf den beiden Seiten von der Oberfläche beginnend und das Auge umgreifend in der Mitte des Kopfes zusammenstoßen. Auf den beiden Seiten steht die Hirnanlage auf einer sehr breiten Strecke mit der Oberfläche des Rückens in Berührung. Auf der Bauchseite zieht sich das Ge- hirn durch eine scharfe Biegung von der Oberfläche zurück. Die erste Augenanlage tut sich nun auf dem Bilde als eine schwache Epithelverdiekung kund, die mit ihrer dorsalen Hälfte in unmittelbarer Berührung mit dem rückseitigen Teil des Gehirns steht. Die Augenanlage weist eine Reihe von verlängerten Kernen auf, die senkrecht zur Peripherie stehen. Zwischen diesen Kernen und den Kernen des Gehirns ist bereits eine deutliche Grenze aufgetreten. Diese epitheliale Verdickung steht nur mit der dorsalen Hälfte mit dem Gehirn in Berührung. Ihre bauchseitige Hälfte dehnt sich Fig. B. Artemia salina. . Schematische Figur des Kopfes. Die epitheliale Verdickung der Augenanlage ist etwas stärker als in der vorhergehenden Figur. 32* THEODOR Mororr, FA Fig. C. Artemia salina. 1 Diese Figur stellt ein nur etwas älteres Stadium dar. Die epitheliale Verdickung der Augenanlage ist an der Bauchseite dicker geworden. Die Zellkerne sind in Die Augenanlage befindet sich in dichter Berührung mit 2 Reihen angeordnet. der Gehirnanlage. Fig. D. Artemia salina. Diese Figur ist nach einem Tiere gezeichnet, bei welchem die Pigmentbildung in dem Auge ziemlich weit vorgeschritten ist. Es sind auch eine Anzahl von Der pigmentierte Teil des Auges mit den Ommen Ommatidien bereits gebildet. ist durch einen Kreis markiert. Cyto-histogenetische Studien. 493 über die Hirnanlage hinaus. Zwischen dieser bauchseitigen Hälfte der Augenanlage und dem Hirn ist ein freier Raum zu sehen, in welchem, weder an Totopräparaten noch auf Schnitten, Zellen resp. Kerne festzustellen sind. Fig. B ist nach einem Tier entworfen, das etwas älter ist als das im Vorhergehenden dargestellte. Die epitheliale Augenanlage ist hier etwas dicker geworden. Die Kerne sind jedoch in einer ein- fachen Reihe zu sehen. Es ist außerdem eine schmale Kernreihe an der Oberfläche des Gehirns zu sehen, die scharf von ihm ab- gegrenzt ist und die Epithelschicht darstellt. In Fig. C hat die zweite dem Bauch zugekehrte Hälfte der Augenanlage eine bedeutendere Verdickung als die dem Rücken zu- gewandte erfahren, wobei ihre Kerne an dieser Stelle zweireihig geworden sind. Man sieht an dieser verdickten Stelle bereits die erste Bildung des Pigments. Die Epithelverdickung steht auch in diesem Stadium in unmittelbarer Berührung mit dem Gehirn. Fig. D ist nach einem bedeutend älteren Tier. Hier ist nicht allein eine beträchtliche Verdickung des Epithels festzustellen, sondern es hat sich in der unteren Hälfte der Augenanlage bereits eine größere Anzahl von Ommatidien entwickelt. Es ist auch eine beträchtliche Menge von Pigment gebildet worden. Der pigmen- tierte Teil der Augenanlage ist mit einem Kreis bezeichnet. Nach vorn und dem Rücken zu ist das Epithel noch mehrreihig. Aus ihm entstehen noch lange Zeit neue Ommatidien, die zur Entfaltung des Auges beitragen. Die äußere Partie des auf der Figur mit einem Kreis umgrenzten Teils der Augenanlage enthält die bereits angelegten Ommatidien. Nach innen von der darin eingetragenen Grenze, die die Basalmembran darstellt, ist das Pigment resp. sind die Nervenfasern zu sehen, die, wie später ausgeführt wird, dem Gehirn ihre Entstehung zu verdanken haben. An noch älteren Stadien kann man nun verfolgen, wie der äubere, mit dem Auge in Berührung stehende Teil des Gehirns sich vom letzteren durch eine tiefere Einschnürung absetzt und zum Ganglion opticum wird, welches bei dem Auswachsen des Auges zu einem Stab in letzteren eingeht. Durch einen Nervus opticus bleibt das Ganglion opticum mit dem Hirn in Verbindung. Aus der vorhergehenden Darstellung ersehen wir, dab die erste Anlage des Auges als eine epitheliale Verdickung auftritt, die sich in inniger Berührung mit dem Hirn befindet. Im Verlauf der weiteren Entwicklung bleibt das Auge ständig in Berührung mit dem Gehirn. 494 Turopor Mororr, Nachdem wir die Anlage des Auges auf Totalpräparaten ver- folgt haben, wollen wir die Entwicklung dieses Organs auf Schnitten verfoleen. Fig. E stellt einen Querschnitt durch die Augenanlage von einem Tier dar, das dem Alter nach demjenigen in Fig. A ent- spricht. Der Schnitt ist unmittelbar hinter dem Frontalauge ge- führt worden. Es ist nur die eine Hälfte des Schnittes gezeichnet, da die andere Hälfte genau so aussieht. (Die ganze Masse stellt die eine Hälfte des Gehirns, unmittelbar hinter dem Ende des Frontalauges, dar.) Eine vom Gehirn unabhängige (selbständige) als Epithel auftretende Schicht ist noch nicht zu sehen. Die erste H.A A, Fig. E. Artemia salina. Querschnitt durch die Gehirnregion des Kopfes. Die Augenanlage (A. A) ist in Form einer Epithelverdickung zu sehen. Das Gehirn ist noch nicht vom Epithel abgelöst. Dieses Stadium entspricht dem in Fig. A gezeichneten Stadium. 600 : Cyto-histogenetische Studien. 495 Augenanlage ist bereits in Form einer schmalen Epithelverdickung zu sehen, die durch eine scharfe Grenze vom Gehirn abgegrenzt ist Aus der Zeichnung ist ferner zu ersehen, dab die größere rück- seitige Hälfte der Augenanlage in inniger Berührung mit dem Ge- hirn steht. Ein kleiner Teil davon ragt hingegen nach unten über die Hirngrenze vor. Fig. F stellt den nächstfolgenden Schnitt der- selben Serie nach hinten zn dar. Diese Figur sieht fast so aus wie die vorhergehende, nur daß hier die weiße Substanz des Gehirns bereits angeschnitten ist. Außerdem ist die epitheliale Verdickung der Augenanlage hier bedeutend stärker. Auf den beiden Zeich- nungen sind die Querschnitte der Leberlappen durch zwei Kreise angedeutet. Fig. F. Artemia salina. Diese Figur stellt den nächstfolgenden Querschnitt derselben Serie caudalwärts dar. 600 : 1. 496 THEODOR Mororr, Durch diese Zeichnung wird der einwandfreie Beweis erbracht, daß das zusammengesetzte Auge bei Artemia als eine epitheliale Verdickung in unmittelbarer Berührung mit dem Gehirn angelegt wird. Anfänglich sind die Kerne dieser epithelialen Verdickung in einer Reihe geordnet; außerdem sind sie dicht aneinander gepreft. Sie weisen eine bedeutende Länge auf und stehen senkrecht zur Oberfläche des Epithels. Gegen den Rand der Epithelverdickung werden sie immer kürzer, bis sie ganz flach werden. Die Kerne weisen ein feinwabiges Lininwerk auf, in dessen Maschen das Chromatin in Form kleinerer Körnchen suspendiert ist. Darunter sind jedoch einige Körnchen zu sehen, die sich durch ihre besondere Größe auszeichnen und Nucleolen darstellen dürften. In bezug auf ihre Struktur und die Chromatinverteilung weisen die Zellkerne bei Artemia einen äußerst großen Unterschied von denjenigen bei Palae- mon auf. Beim letzterwähnten Tier ist das Chromatin immer nur in Form verschieden gestalteter Stäbe vorhanden. Sogar bei einer oberflächlichen Betrachtung der Bilder sieht man den Unterschied gleich, daher will ich nicht länger dabei verweilen. Durch ihre in der Mitte eingeschnürte Gestalt machen manche Kerne den Eindruck, als ob sie im Begriffe wären sich auf ami- totischem Wege zu teilen (Fig. 34). Doch sind nicht selten auch mitotische Teilungsbilder zu sehen. Die Kerne erfahren offenbar durch eine Durchschnürung in ihrer Mitte eine Teilung. Da- durch entstehen zwei Kernreihen, die dicht aneinander gepreßt sind und in ihrer Gesamtheit eine größere Chromatinmasse hervorrufen. Doch sind die Kerngrenzen in den meisten Fällen gut zu unter- scheiden. Während des weiteren Wachstums des Tieres erfolet nun die Differenzierung der einzelnen Ommatidien und ihrer Bestandteile; darüber werden wir jedoch in einem späteren Kapitel berichten. Hier wollen wir nur noch hervorheben, daß die erste Anlage des Auges bei Artemia in einer ganz Ähnlichen Weise erfolgt wie bei Palaemon. Ein unwesentlicher Unterschied dürfte wohl darin zu er- blicken sein, daß bei Palaemon das Ganglion opticum sich ziemlich frühzeitig vom Hirn absetzt (differenziert. Bei Artemia erfolgt diese Absonderung erst viel später, wie wir aus unserer Darstellung der weiteren Entwicklung des Artemia-Auges ersehen werden, erst nachdem eine größere Anzahl von Ommatidien gebildet worden ist. Cyto-histogenetische Studien. 497 4, Literaturangabe. Mit der Entwicklung des zusammengesetzten Arthropodenauges hat sich eine große Anzahl von Forschern befaßt, deren Unter- suchungsresultate sowie Deutungen des Beobachteten sehr aus- einandergehen. In nachfolgenden Zeilen will ich auf die einzelnen Arbeiten kurz eingehen, wobei ich gleich hervorheben möchte, dab diese Literaturübersicht auf Vollständigkeit keinen Anspruch erhebt. Ich werde hier nur die wichtigeren Arbeiten erwähnen, welche zur Klärung der Frage mehr oder minder beigetragen haben. Ausführlich mit der Entwicklung des Crustaceenauges und zwar bei Palaemon und Astacus hat sich zuerst BOBRETZKY (1873) befabt. Nach ihm hat nur der lichtbrechende und lichtrecipierende Teil des Auges eine epitheliale Entstehung; das Ganglion opticum hat hin- gegen dem Gehirn seine Entstehung zu verdanken. Die erste Augen- anlage beschreibt er als eine epitheliale Wucherung, die 2— 3 Schichten mächtige war; jüngere Stadien haben ihm leider nicht vorgelegen. Nachdem die Augenanlage die entsprechende Dicke erreicht hat, differenzieren sich die einzelnen Bestandteile der Ommatidien. Die äußere Lage der Epidermisschicht liefert die Srmprr’schen Kerne (Zellen) und die Krystallkegelzellen. Die inneren Schichten liefern die Retinulae mit den Rhabdomen. In bezug auf die Entwicklung des Decapodenauges dürfte die Arbeit REICHENBACHS (1886): „Studien zur Entwicklung des Flub- krebses“, nicht nur für die damalige Zeit, sondern noch heute eine der wichtigsten sein. Das zusammengesetzte Auge bei Astacus wird nach diesem Autor als eine Verdickung des sogenannten Kopf- lappenteils angelegt. Ein Teil dieses Epithels erlangt durch eine lebhafte Zellteilung eine beträchtliche Dimension und liefert die Krystallkegelzellen des definitiven Auges. Ein anderer Teil dieses Epithels erfährt eine Einstülpung, indem sich dasselbe zuerst als ein solider Strang unter die Ectodermschicht hineinschiebt. Aus dieser soliden Einstülpung kommt später eine Falte (Augenfalte) dadurch zustande, daß an ihrem Rand zwei Wände hervorwachsen, von denen die eine der äußeren Epithelverdickung zugekehrt ist, die andere mit dem Hirn in Berührung kommt. Das Ganglion opticum geht aus der letzteren hervor. Von der äußeren Wand der Augenfalte bilden sich die Retinulazellen, welche nach innen zu die Stäbchen- schicht und die Rhabdome liefern. REICHENBACH gibt allerdings zu, daß er sich in einem Punkte GG 498 Turopor Mororr, getäuscht haben könnte. Das von ihm als Rhabdomschicht ge- deutete Stratum könnte eine Nervenschicht sein. In einem solchen Falle müßte er annehmen, daß die Stäbchen innerhalb der von ihm als Retinulaschicht bezeichneten Lage später entständen. Dadurch wird aber seine Auffassung im wesentlichen nicht alteriert werden, da die Stäbchen dann nur in einem etwas weiter nach außen ge- legenen Teil der Augenfalte ihren Ursprung nehmen würden. Die Entwicklung des Auges vollzieht sich in dem Naupliustadium und den darauffolgenden Stadien. REICHENBACH Jläßt zwischen der äußeren Hypodermisschicht (Krystallkegelschicht) und der äußeren Wand der Augenfalte eine Mesodermschicht einwandern, von der eine reichliche Menge von Pigment ihre Entstehung nimmt. Darauf werden wir aber erst weiter unten ausführlicher eingehen. Nach ReIcHENBACH wird das Gehirn in Form von 3 Ganglien- knotenpaaren angelegt. Das 1. Ganglienknotenpaar liefert den inneren Teil des Ganglion opticum. Die Darstellung Rercnensacn’s dürfte wohl in den meisten Punkten richtig sein. Seine Bilder stimmen in vielen Fällen ganz genau mit meinen Präparaten überein. Ich glaube jedoch, dab er bei seinen Deutungen des Gesehenen nicht immer das Richtige ge- troffen hat. Obwohl in dem mir zur Verfügung stehenden Material von Palaemon sehr junge Stadien vorlagen, war das Gehirn in denselben bereits angelegt. Aus seiner Lage und Form kann man jedoch er- schließen, daß seine Entstehung unmittelbar zuvor erfolgt sein muß. Eine Dreiteilung an demselben, welche auf eine Anlage aus 3 Knoten hindeuten würde, habe ich nicht feststellen können. Die zapfenförmige Anlage des Ganglion opticum war innig mit dem Hirn verbunden. Was dagegen spricht, daß das 1. Knotenpaar als Anlage des Ganglion opticum zu deuten sei, ist das, daß es (was man eigentlich, falls ReICHENBACH’s Angaben richtig wären, erwarten sollte) nicht von der vordersten Spitze des Gehirns entspringt, sondern seinen Ur- sprung bedeutend tiefer von der Hirnanlage hat. Ebenso kann die Angabe REICHEnBAacH’s von der Einstülpung des Epithels kaum richtig sein. Denn meine jüngsten Stadien entsprachen den Stadien REICHENBACH’s, in denen dieser Einstülpungsprozeß sich abspielen soll. Meine Aufmerksamkeit habe ich speziell darauf gerichtet, ich konnte aber nirgends etwas finden, was im Sinne REICHENBACHS gedeutet werden könnte. Das bereits angelegte Ganglion opticum Cyto-histogenetische Studien. 499 ist als ein kurzer dicker Zapfen zu sehen, der in innigster Beziehung mit dem Hirn steht, und muß nach allen Verhältnissen als ein Teil desselben gedeutet werden. Was die Behauptung REICHENBACH'S anbelangt, daß das sogenannte äußere Blatt der Augenfalte, die ja nach meiner Darstellung ein Teil der cerebralen Anlage des Ganglion opticum ist, die Retinaschicht bilden soll, so ist diese ganz sicher zu bestreiten. Sie läßt sich sogar durch REICHENBACH’S fige. 224, 225 widerlegen. Er hat sich offenbar durch diese schiefen Schnitte irreleiten lassen. Auf diesen Punkt werden wir jedoch bei der Beschreibung der histologischen Differenzierung der Ommatidien noch einmal zurückkommen. BuLner (1878) gibt für Cymothoa an, daß die Augenanlage ur- sprünglich in inniger Verbindung mit der Anlage des Ganglion opticum steht. Beide gehen aus derselben Ectodermverdickung hervor. Die innere Schicht dieser Eetodermverdickung tritt in innige Verbindung mit dem Gehirn und bildet mit ihm das Ganglion : opticum. Die äußere Schicht wird durch die Ausbildung einer stärkeren Basalmembran von der inneren abgesondert. In dieser äußeren Hypodermisverdickung werden nun die einzelnen Omma- tidien gebildet. Nach Nusspaum (1887) wird das Auge bei Mysis als eine polster- artige Verdickung des Epithels am vorderen Kopfteile angelegt. Die inneren Zellenreihen dieser Verdickung trennen sich von den äußeren und geben den Ursprung des Ganglion opticum. In den äußeren Zellenreihen differenzieren sich hingegen die Krystallkegel der Retina und der Rhabdome. Die Cornea jedes Ommatidiums wird von 4 Zellen gebildet. Die Bildung des zusammengesetzten Auges bei Dranchipus und bei Artemia beginnt nach Cuaus (1886) bereits in den allerjüngsten Metanaupliuslarven. Das Auge erscheint seitlich vom Frontalauge als breite Hypodermisverdickung. Diese letztere liefert die Omma- tidien mit ihren lichtbrechenden und lichtrecipierenden Teilen. Das Ganglion opticum hat nach Cuavus hingegen einen zweifachen Ur- sprung: der innere Teil desselben ist als eine Absonderung (Difte- renzierung) des sekundären Hirnlappens zu betrachten, hat also eine cerebrale Herkunft. Der distale Teil des Ganglion opticum kommt hingegen durch die lebhafte Tätigkeit des Ectoderms zustande, Übrigens muß ich gestehen, daß ich mir nicht ganz klar über die Vorstellung von CLaus geworden bin. In seiner Schrift macht er widersprechende Angaben über die Prozesse, die sich bei der Ent- 500 Turopor Mororr, wicklung des Auges abspielen. So hebt er auf p. 309 an einer Stelle hervor, daß das Ganglion opticum als der distale abgeschnürte Teil des dorsalen Gehirnlappens zu deuten sein wird. Einige Zeilen weiter sagt er aber: „die Zellwucherung (d. h. die epitheliale Augen- anlage) verschmälert sich aber in der Tiefe und enthält hier das Material für das vom sekundären Gehirnlappen noch nicht ab- grenzbare Augenganglion“. Nachdem die Anlage des Auges und die Bildung der ersten Krystallkegel stattgefunden hat, hält die Vergrößerung des Auges noch lange Zeit an. Dieses Wachstum ist auf die lebhafte Wucherung (Vermehrung) der Hypodermiszellen zurückzuführen, welche ring- fürmig die Augenanlage umgrenzen und einen ringförmigen Wulst darstellen. Durch die Zellwucherung dieses Ringes wird einerseits die mächtige Breitenentwicklung des seitlichen Stirnabschnitts hervorgerufen, der sich später als Stielauge absetzt; andrerseits wird dadurch das Material zur Vermehrung der Elemente des Auges und des Augenganglions geliefert, welches letztere daher in gleicher Weise wie die Krystallkegel und die Retinulaschicht in breitem sagittalen Gürtel mit dem Hypodermiswulst verbunden bleibt und aus demselben neue Elemente empfängt. Der gürtelförmige Wulst repräsentiert demnach die Knospungszone nicht allein für das Auge, sondern auch für die innere Nervenmasse des Augenstieles, indem die lateralwärts austretenden Zellengruppen die Krystallkegel und die Nervenstäbe (Rhabdome) liefern, die medianwärts in die Tiefe eintretenden Elemente mit den letzteren durch die Faserzüge der Nervenbündelschicht verbunden zu Ganglienzellen des Ganglion opticum werden. An der Stelle, wo das Auge gebildet wird, beschreibt KınssLey bei Crangon eine Einsenkung des Epithels, welche immer tiefer wird, wobei sie sich in eine Einstülpung umwandelt. Gleichzeitig schiebt sich diese letztere unter die oberflächliche Schicht des Ecto- derms ein, wodurch drei Schichten zustande kommen, die sich an der Bildung der einzelnen Bestandteile des Auges beteiligen. Die äußerste Schicht stellt die Hypodermis dar, die inneren zwei hingegen die beiden Wände des eingestülpten Epithelteiles, sind also durch die Invagination desselben ursprünglichen Epithels zu- stande gekommen. Die innerste Schicht, welche dem Dotter anliegt, läßt das Ganglion opticum aus sich entstehen und wird von KINGSLEY daher als Gangliogen bezeichnet. Sie verbindet das Auge mit dem Gehirn. Die mittlere Schicht, d. h. die äußere Wand der Augen- Cyto-histogenetische Studien. 501 einstülpung (Augenblase), bekommt einen engeren Anschluß an die Hypodermis und liefert die Retina mit den Rhabdomen, wird daher von dem Autor als retinogene Schicht bezeichnet. Die äußerste Schicht des Ectoderms liefert die Krystallkegel und die Linsen. Zwischen der Retinogen- und Gangliogenschicht schieben sich Meso- dermzellen ein. Die Augenanlage bei Alpheus tritt nach Herrick (1889) zuerst als eine einschichtige epitheliale Differenzierung des Kopfteiles des Embryos auf. Bald darauf erfährt sie eine beträchtliche Verdickung. Diese letztere erfolgt durch Vermehrung der Ectodermzellen durch Teilung, welche letztere sowohl in zur Oberfläche senkrechter als in zu dieser paralleler Richtung (Emigration und Delimination) vor sich geht. Eine Anlagerung indifferenter Zellen aus dem Dotter trägt wahr- scheinlich zur Verstärkung der Augenanlage bei. Durch das Auf- treten einer strukturlosen Membran, welche parallel zur Oberfläche verläuft, wird die epitheliale Wucherung der Augenanlage in zwei Teile zerlegt, welche vom Autor als Retinogen und Gangliogen be- zeichnet werden. Von der äußeren Schicht (Retinogen) werden die Linsen, die Krystallkörper und die Retina gebildet. Aus der inneren Schicht entwickelt sich hingegen das Ganglion opticum. Die zu jedem Ommatidium zugehörigen Corneazellen sind zwei an der Zahl. Während der Entwicklung dieses Auges konnte weder irgendeine Art von Aushöhlung noch eine Einstülpung beobachtet werden. Das zusammengesetzte Auge bei dem amerikanischen Hummer wird nach Parker (1890) ebenfalls als eine polsterartige Epithel- wucherung angelegt. Durch eine lebhafte Zellenvermehrung wird an der betreffenden Stelle das anfänglich einschichtige Epithel 5—6schichtig. Durch das Auftreten einer Membran in der Mitte dieser Epithelverdickung, die parallel der Oberfläche verläuft, wird letztere, ähnlich wie bei Alpheus, in zwei annähernd gleiche Teile zerlegt. In der äußeren Partie werden Krystallkegel und die Retina ‘mit den Rhabdomen gebildet; die innere Partie wandelt sich hin- gegen in das Ganglion opticum um. Nachdem wir die Literatur über die Entwicklung des Crustaceen- auges angeführt haben, wollen wir noch einige Arbeiten anführen, welche sich mit der Entwicklung des Arachnoiden- und Insecten- auges befassen. Das erste Stadium in der Entwicklung des Auges bei Agelena bestelit nach Locy (1885) in einer lokalen Verdickung der Hypodermis (Eetoderms) in dem frontalen Teil des Kopfes. Der verdickte 502 THEopor Mororr, Hypodermisteil erfährt eine Einsenkung. Dadurch kommt eine Falte zustande, die sich unter die übrige intakt gebliebene Hypodermis einschiebt. Auf diese Weise kommen drei Schichten zustande, von denen die mittlere sich durch ihre bedeutendere Dicke auszeichnet. Durch den Invaginationsprozeß wird diese mittlere Schicht so um- gedreht, daß die ursprünglich innere Oberfläche nach außen zu liegen kommt und die ursprünglich äußere nach innen zugekehrt wird. Die äußerste Hypodermisschicht bildet die Linse; der innersten Schicht dürfte das Auge die Entstehung seiner Kapsel verdanken. Die mittlere stark verdickte Schicht wird zur Bildung der Retina verwendet. Mark (1887) beschreibt die Entstehung des Auges bei demselben Tier ähnlich wie Locy. Die Angaben von PARKER (1887) über die Entwicklung des Scorpionauges stehen im Einklang mit der Beschreibung der soeben erwähnten amerikanischen Forscher. Nach der Darstellung Hexrscxer's (1899) wird die Bildung des Auges bei Scorpionen durch eine Vertiefung der Hypodermis ein- geleitet. Durch die Schließung der Ränder der auf diese Weise gebildeten Grube entsteht eine Blase, die aber im Gegensatz zu den Angaben der vorhergehenden Forscher in dauernder Verbindung mit der Hypodermis bleibt. Die Ocellen bei der Honigbiene werden nach REDIKORZEFF (1900) als eine beträchtliche Verdickung der Hypodermis angelegt, welche anfänglich einschichtig ist; bald darauf differenzieren sich aber zwei Schichten, von denen die äußere als Glaskörper fungiert, die andere sich in die Retinazellen umwandelt. Später tritt eine ober- flächliche Einsenkung oder Einstülpung in der Augenanlage ein. Bald darauf löst sich der Ocellus von der Hypodermis ab, um nach bestimmter Zeit wiederum in Verbindung mit ihm zu treten. Die Bildung einer Blase bleibt also aus. Für die Insecten gibt JoHANSEN (1893) an, daß das zusammen- gesetzte Auge als eine einschichtige Verdickung der Hypodermis am vorderen Kopfteil angelegt wird. Durch eine Verlagerüng und eine An- ordnung der Kerne in 3 Reihen wird in einem späteren Stadium eine Dreischichtigkeit in der Augenanlage vorgetäuscht. Die Zellen, deren Kerne in der Augenanlage eine distale Lage aufweisen, dienen, ähnlich wie die übrigen Hypodermiszellen, zur Ausscheidung der Puppenhülle. Man sollte erwarten, daß diese Zellen weiter bei der Differenzierung des Auges sich als Semper’sche Zellen verhalten werden. In Wirklichkeit rücken sie aber, nach diesem Forscher, in die Mitte ein, und an ihre Stelle kommen andere, aus der Mitte der Cyto-histogenetische Studien. 503 Augenanlage herausgerückte Zellen, welche die wirklichen SEMPER- schen Kerne (Zellen) darstellen sollen. In bezug auf den Verlauf der ein Ommatidium zusammensetzenden Zellen nimmt JoHANSEN eine vermittelnde Stellung zwischen PATTEN und GrENACHER ein. In Übereinstimmung mit Parren gibt er an, daß Pigmentzellen und Semper’sche Zellen die ganze Breite des Auges durchziehen. Hingegen verkümmern die distalen Enden der Retinazellen, so daß sie zwar mit ihren proximalen Enden bis zur inneren Oberfläche des Auges sich erstrecken, nach außen hingegen dehnen sie sich nur etwa bis zur Mitte der Augenanlage aus. Dadurch wird eine Zweischichtigkeit in dem zusammengesetzten Auge von Vanessa vorgetäuscht. Der letzte Untersucher über die Entwicklung des Insectenauges ist KIRCHHOFFER (1910). Nach diesem Autor macht sich die Augen- anlage bei Dermestes vulpinus noch bei den jüngsten Larven durch die etwas längeren Zellen der Hypodermis bemerkbar. Im Laufe der weiteren Entwicklung beginnt eine Vermehrung der Zellen der Augenanlage, wobei erstere an Länge zunehmen. Anfänglich bilden die Hypodermiszellen eine gleichmäßige Schicht. Bald tritt jedoch eine Anordnung einiger Zellen zu bestimmten Gruppen ein, welche wie knospenförmige Gebilde die Augenanlage durchziehen. Auch in der Anordnung der Zellkerne kann man zwei Zonen, eine proximale und eine distale, unterscheiden, die durch eine kernlose Zone getrennt sind. Erstere, d. h. die proximalen Kerne, gehören denjenigen Zellen an, die sich durch ihre Anordnung zu Gruppen von den übrigen Zellen abheben. Die Knospenförmig angeordneten Zellen, welche 8 an der Zahl sind, sind primär gleichartig, sie stellen die Retina dar. Von diesen 8 Zellen wird die eine rückgebildet; es bleibt nur mehr ihr Kern erhalten. An dem distalen Ende jeder Retinazellen- eruppe legen sich je 4 Zellen kappenförmig an, welche die SEMPER- schen Zellen darstellen. Außer diesen Zellen sind zwischen den Retinazellengruppen noch Pigmentzellen vorhanden, die letztere all- seitig umschließen. Durch die starke Verlängerung dieser Zellen während der Differenzierung der Ommatidien verliert die Hypodermis ihre Einschichtigkeit, indem ihre Elemente in den fortgeschrittenen Stadien in drei Lagen angeordnet werden. Wenn wir Umschau über die Resultate der einzelnen Forscher bei Crustaceen halten, so sind sie in zwei Kategorien zu ordnen. Der eine Teil der Forscher, REICHENBACH und Kınsstey, läßt das Epithel sich taschenförmig einbuchten und unter die Hypodermis einschieben. 504 Tueopor Mororr, wodurch drei Blätter (primäre Schichten) zustande kommen, aus denen sich die einzelnen Bestandteile des Auges differenzieren. Auf der anderen Seite stehen BULLER, NUSBAUM, HERRICK, PARKER und teilweise Cuaus, nach deren Darstellung das Material zur Bildung des Auges durch eine lebhafte sowohl der Oberfläche parallel als auch zu ihr senkrecht verlaufende Zellteilung (Delimination und Emi- eration) zustande gebracht wird. Es ist nun klar, daß bei der Einstülpung die ursprünglich äußere Oberfläche des mittleren Blattes nach innen zu liegen kommt und umgekehrt die ursprünglich innere Oberfläche nach außen ge- kehrt wird. Diese Umkehrung müßte eine weitgehende Umwälzung in jeder Sehzelle nach sich ziehen, von der aber entwicklungs- geschichtlich nichts festzustellen ist. Allerdings könnte man dieser Schwierigkeit in der Weise aus dem Wege gehen, dab man einfach annähme, die bläschenförmige Einstülpung habe ursprünglich keine bestimmte Funktion zu verrichten gehabt, wir hätten also in dieser bläschenförmigen Einstülpung kein ursprünglich oberflächlich ge- legenes Organ zu erblicken, das in die Tiefe rückt und eine andere Funktion übernimmt. Diese Einstülpung könnte man als einen Prozeß ansehen, bei dem es sich nur darum handelt, das Rohmaterial ‘schnell in die Tiefe zu schaffen. In einem solchen Falle ist die Einstülpung des Epithels nicht von der Delimination scharf zu trennen, bei der es sich wirklich um den Transport des Rohmaterials in die Tiefe handelt. Eine solche Annahme hat aber nicht viel Wahrscheinliches für sich. Vorausgesetzt, dab die Angaben der verschiedenen Autoren richtig sind, müssen wir die Annahme machen, daß die Entwicklung des zusammengesetzten Auges auf zwei prinzipiell verschiedene Weisen vor sich geht, welche auf einen verschiedenen Ursprung dieses Auges hindeuten. In Anbetracht der großen Über- einstimmung, die sonst in dem Auge der Crustaceen existiert, wäre eine solche Annahme sehr unwahrscheinlich; daher haben wir zu prüfen, ob die Darstellung der verschiedenen Forscher über die Entwicklung des Auges mit den wirklichen Prozessen in Über- einstimmung steht. Einer der ersten Forscher über die Entwicklung des zusammen- gesetzten Auges der Decapoden, Bopretzky, hat angegeben, dab nur der lichtbrechende und lichtpercipierende Teil des Auges seine Entstehung dem Ectoderm zu verdanken hat und dab das Ganglion opticum eine cerebrale Herkunft hat. Da aber Boprerzxy bei seinen Untersuchungen keine so jungen Stadien vorgelegen haben, so hat Cyto-histogenetische Studien. 505 man gegen ihn den Einwand. erhoben, daß die bläschenförmige Ein- stülpung des Ectoderms in Stadien vor sich gegangen sein wird, die ihm nicht vorgelegen haben. Cuaus ist eigentlich, streng genommen, zu denselben Resultaten gekommen wie BOBRETZKY, nur dab er in dem Text seiner Abhandlung merkwürdigerweise zu widersprechenden Behauptungen kommt. Aus seinen Abbildungen, die leider nicht detailliert genug sind, kann man zu keiner abschließenden Meinung kommen. | Durch meine Untersuchungen an Palaemon und Artemia — zwei systematisch weit voneinander stehenden Repräsentanten der Crusta- ceen-Gruppe haben wir festgestellt, dab die erste Anlage des zusammengesetzten Auges im Prinzip auf dieselbe Weise vor sich geht. Bei beiden Tieren wird das Auge als eine polsterartige Ver- dickung des Epithels angelegt, aus welcher nur die lichtbrechenden und lichtpereipierenden Teile der Ommatidien (resp. des Auges) ge- bildet werden. Von einer Spaltung der polsterförmigen Verdickung in zwei Schichten, wie dies für Mysis, Alpheus, Cymothoa, Homarus usw. angegeben wird, ist nichts zu sehen. Um so weniger ist von einer Einstülpung des Epithels wie bei Astacus oder Crangon etwas zu konstatieren. Das Ganglion opticum ist rein eine Differenzierung des Gehirns. Es fragt sich nun, ob neben dieser Entstehungsweise des Auges auch die von den früheren Forschern dargestellte Entwicklung existieren kann. Wenn wir die Sache rein theoretisch betrachten würden, hat sie sehr wenig Wahrscheinliches für sich. Denn wir müßten für ein so wichtiges Organ, wie das Ganglion opticum es ist, für nahe verwandte Tiere einmal eine ectodermale, ein andermal eine cerebrale Entstehung zulassen. Ferner müßten wir annehmen, dab das zusammengesetzte Auge einmal einem Einstülpungsprozeß, ein andermal einem Wucherungsprozeß (Delimination und Emigration) des Ectoderms seine Entstehung zu verdanken habe. Auf Grund der Entwicklungsgeschichte müßten wir also für das Crustaceenauge drei verschiedene Entstehungsmodi annehmen, welche auch auf eine dreifache Phylogenie dieses Organs hindeuteten. In Hinsicht auf die übrigen Verhältnisse hat eine solche Annahme äußerst wenig Wahr- scheinliches für sich, und wir könnten sie erst auf Grund sorgfältiger einwandfreier entwicklungsgeschichtlicher Studien gelten lassen. Wir wollen daher an die Beantwortung der Frage herantreten, ob die bisherigen Untersuchungen die erforderliche Exaktheit auf- weisen und ob die in den einzelnen Arbeiten aufgestellten Be- Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 33 506 TuEoDoR Mororr, hauptungen genügend begründet sind. An allen Arbeiten ist als gemeinsamer Mangel hervorzuheben, daß sie histologisch nicht ge- nügend durchgearbeitet sind. Die meisten Untersuchungen sind mit schwachen oder mittelstarken Vergrößerungen gemacht worden. Die meisten Zeichnungen sind stark schematisiert. Ferner hat man auf die Schnittrichtung nicht genügend achtgegeben; meistens sind schiefe Schnitte benutzt worden, die die Beurteilung der richtigen Verhältnisse sehr beeinträchtigen. Gerade für die Figuren in der Abhandlung REICHENBACHS, welche das von ihm Behauptete beweisen sollen, gilt dieser Einwand in vollem Maße. fig. 148—152, 155 dürften stark schematisiert sein. Bis zu einem gewissen Grade gilt dies auch für fie. 173—175. Bei fig. 224—225 handelt es sich um schiefe Schnitte, welche die wirklichen Verhältnisse sehr verschleiern. Das Ganglion opticum ist auf fig. 224 histologisch äußerst ungenau gezeichnet. Ebenso sind die einzelnen Teile unrichtig gedeutet. Die als Rhabdom bezeichnete Partie ist in Wirklichkeit erster und zweiter Knoten des Ganglion opticum. Die Rhabdome befinden sich hingegen außerhalb der Basalmembran, in der pigmentierten Region, so daß wir, wenn wir die von REICHENBACH dargestellte Einstülpung des Epithels gelten lassen wollten, annehmen müßten, daß letztere (die Einstülpung) allein zur Bildung des Ganglion opticum ver- wendet wird. Wir sind aber der Ansicht, daß die Bilder, welche die Epitheleinstülpung beweisen sollen, aus den vorhin angeführten Gründen an Beweiskraft sehr verlieren. Zu KinGszex’s Arbeit habe ich zu bemerken, daß seine Figuren weit schematischer sind als diejenigen REICHENnBAcH’s und in keiner Hinsicht die im Texte ausgeführte Darstellung beweisen können. Insbesondere gilt dies für die Behauptung dieses Autors, daß die äußere Wand der Augen- einstülpung in innigeren Kontakt mit der Hypodermisschicht tritt und zur Bildung der Krystallkegel und der Retina verwendet wird. Was die Arbeiten von NUSBAUM, CLAUS, HERRICK, PARKER USW. anbelangt, die die Augenanlage als eine Epithelwucherung be- schreiben, so ist zu bemerken, daß, abgesehen von NusBaum, dessen Figuren äußerst genau und nach gut getroffenen Schnitten gezeichnet worden sind, ihre Figuren ebenfalls stark schematisiert sind, auber- dem die Schnittrichtung nicht immer passend gewählt ist; alle Figuren sind nicht genug detailliert. Ich bin überzeugt, daß, wenn NUSBAUM sorgfältiger die histologischen Verhältnisse studiert hätte, er auf Grund seiner offenbar schönen Präparate nicht zu der ge- machten Schlußfolgerung gekommen wäre und das Richtige getroffen Cyto-histogenetische Studien. 507 hätte. Gerade entscheidende Bilder, welche die Spaltung der Epithel- wucherung in 2 Schichten demonstrieren können, hat er nicht ge- geben. Ich bin daher überzeugt, daß sich die Verhältnisse bei Mysis in bezug auf die uns interessierende Frage genau so verhalten werden wie bei Palaemon. Zur Entscheidung dieser Frage braucht man eigentlich keine allzu jungen Embryonen. Denn die Spaltung der Augenanlage in 2 Schichten wird erst erfolgen, nachdem die Epithelwucherung stattgefunden hat. Die Epithelwucherung voll- zieht sich aber in einem ziemlich vorgeschrittenen Stadium. Unsere Ansicht geht dahin, daß wahrscheinlich alle Crustaceen in bezug auf die Entwicklung ihres Auges übereinstimmen und dab der Prozeß sich ähnlich abspielt, wie er von uns bei Palaemon und Artemia dargestellt wurde. Durch die Arbeiten von JoHANSEN und KIRCHHOFFER wissen wir, daß das Auge der Insecten, d. h. die lichtbrechenden und licht- recipierenden Teile desselben, der Hypodermistätigkeit zu verdanken haben. Das Ganglion opticum dürfte hingegen als eine Differen- zierung des Gehirns aufzufassen sein. Auf diese Übereinstimmung wird aber in einem späteren Kapitel eingegangen werden. Was das Auge der Arachnoideen anbelangt, so müßte für seine Entstehung auf Grund der vorhandenen Literatur eine andere Ent- stehungsweise angenommen werden, welche auf keine nähere Ver- wandtschaft mit den übrigen Arthropoden (Crustaceen und Insecten) hindeutet. 5. Differenzierung der Ommatidien im Facettenauge bei Palaemon. Von der polsterförmigen Verdickung des Epithels werden die das ganze Auge zusammensetzenden Ommen gebildet. Ganz ober- flächlich unmittelbar an der Epithelverdickung sind die äußersten Kerne zu sehen; nach außen von ihnen ist kein Plasmaüberzug zu konstatieren. Bald sieht man jedoch auf der ganzen Oberfläche der Epithelverdickung eine lebhafte Ablösung einzelner Chromatinbrocken von den Kernen. Fast überall lösen sich die oberflächlichsten Kerne auf ihrer äußeren Seite auf, indem zuerst ihre äußere Grenze ver- schwindet; gleichzeitig hiermit löst sich ein großer Teil der die Kerne zusammensetzenden Chromatinkörper von den letzteren ab, wobei diese Chromatinkörper gleichzeitig in kleine Körnchen zer- fallen. Letztere verlieren auch an Färbbarkeit, wodurch sie bald 33* bi 08 Taropor Mororr, verschwinden. Manche von ihnen zerfallen in noch kleinere Körn- chen. bis man sie ebenfalls nicht mehr wahrnehmen kann. An Stelle dieses Chromatins entsteht eine Plasmaschicht, welche die Kerne auf der äußeren Seite überzieht. Es wird also zuerst eine Menge von Kernsubstanz in Form von Chromatinbrocken (Chromidien) von den Kernen abgestoßen, welche durch ihre Umwandlung die äußere Plasmaschicht bilden. Fig. 7 stellt ein Stadium dar, an dem man gerade die Chro- matinabstoßung oder, wie man jetzt sagt, die Chromidienbildung sehr gut verfolgen kann. Auf größeren Strecken haben die Kerne nach außen ihren Kontur verloren. Ein Teil der Chromatinkörnchen ist bereits aus denselben ausgetreten, ein anderer Teil ist eben im Begriff auszuwandern. Viele dieser Körnchen befinden sich mit dem einen Ende bereits außerhalb des Kernes. mit dem anderen Ende stecken sie noch in dem Kern, oder sie stehen noch in einer engeren Berührung mit seiner Oberfläche. An manchen Stellen scheint eine Auflösung ganzer Kerne stattgefunden zu haben, da man eine An- zahl Chromatinstücke enger beieinander findet, welche in ihrer Ge- samtheit noch die Umrisse des zerfallenen Kernes erkennen lassen. Auch bei den intakt aussehenden Kernen hat das Chromatin eine eigentiimliche Verteilung, was man am besten aus derselben Figur ersehen kann. Für manche Chromatinstäbchen und -spangen ist man in Verlegenheit, bestimmt festzustellen, zu welchen Kernen sie gehören. Wiederum für andere muß man annehmen, daß sie in zwei benachbarten Kernen verlaufen. Daß sich die Kerne der äußersten Reihe in weit stärker secernierender Tätigkeit befinden als die mehr in der Mitte der Augenanlage verteilten, kann man aus der Struktur der Kerne leicht erschließen. Die meisten der inneren Kerne sind im Gegensatz zu den äußeren Kernen, welche zum Teil in Auflösung. begriffen sind. wohlumschrieben mit einer scharfen Kerngrenze. Nachdem eine beträchtliche Chromatinmenge (Chromidien) ge- bildet worden ist, erfahren die Kerne eine Rekonstruktion. Sie be- kommen wiederum eine wohlumschriebene Form mit einer deut- lichen Grenze nach außen. Außerdem erfahren die im Kerne übrig- gebliebenen Chromatinstücke einen engeren Anschluß aneinander. Gleichzeitig mit der soeben beschriebenen Chromidienausstoßung findet eine regelmäßigere Verteilung der Kerne statt, so daß letztere eine ziemlich deutliche Schichtung aufzuweisen beginnen. Die Schichten verlaufen parallel mit der Oberfläche. In dem dicksten Cyto-histogenetische Studien. 509 Teil der Augenanlage kann man 6—7 Kernschichten unterscheiden ; gegen die Ränder nehmen die Schichten an Zahl ab. Gleichzeitig mit dieser Anordnung der Kerne in Schichten erfolgt auch eine säulenförmige Gruppierung derselben, indem eine bestimmte Anzahl von ihnen sich dichter aneinander legt. Dadurch zerfällt die ganze epitheliale Verdickung (Augenanlage) in säulenförmige Kerngruppen, die senkrecht zur Oberfläche verlaufen. Jede solche Kerngruppe stellt die Grundlage eines Ommatidiums dar. Entsprechend der der Oberfläche parallelen Schichtung der ganzen Augenanlage besteht jede Kerngruppe aus 6--7 Reihen von Kernen. Aus einer jeden Kerngruppe differenzieren sich die einzelnen Bestandteile der Omma- tidien. Im Folgenden wollen wir ihre Bildung im einzelnen ver- folgen, wobei wir ihrem zeitlichen Auftreten gemäß mit der a) Bildung des Pigments beeinnen. Unmittelbar nach der Gruppierung der Kerne in Säulen in dem dicksten Teil der Augenanlage beginnt eine Auflösung der Kerne in den innersten zwei Reihen der Epithelverdickung. Zuerst verschwinden die chromatischen Verbindungen zwischen den ein- zelnen Chromatinbrocken der Kerne, wodurch die einzelnen Chro- matinstücke frei im Plasma zu liegen kommen. Gleichzeitig hiermit zerfällt ein Teil derselben in kleinere Körnchen, die sich direkt in Pigment umwandeln. Die Umwandlung der Chromatinkörnchen in Pigment erfolgt, wie es scheint, sehr schnell, da man oft Chromatin- körnchen sieht, die sich noch nicht von dem Chromatinbrocken ab- gelöst und bereits eine braungelbe Farbe angenommen haben (Fig. 8). Offenbar geht die Kernauflösung sehr schnell vor sich, da man die verschiedenen Übergangsstadien nicht sehr oft findet. Gewöhnlich sieht man an der Stelle, wo früher ein Kern gewesen ist, ein ziem- lich regelmäßig wabig strukturiertes Plasma, in welchem in wech- selnder Menge entweder einzelne Chromatinbrocken oder Pigment- körnchen eingebettet sind. Bei einer sorgfältigen Beobachtung finder man jedoch genügend Übergangsstadien, die an dem Umwandlungs- prozeb keinen Zweifel aufkommen lassen können. Durch eine Chro- midienbildung auch von den benachbarten Kernen wird nun das zur Bildung des Pigments nötige Material geliefert, welches die nötige Umwandlung erfährt und an die definitive Stelle wandert, wo es sich zur Bildung von Pigmentstreifen (Säulen) verdickt. Fig. 8a stellt den hinteren Teil der Augenanlage aus der vorher- sehenden Zeichnung dar. Hier ist er nur weit stärker vergrößert, 510 Taropor Mororr, um die Kernauflösung und die Umbildung des Chromatins in Pigment besser zu demonstrieren. Zuerst sieht man einige in Auflösung be- eriffene Kerne; neben diesen sind noch einzelne an Größe variierende und verschieden gestaltete Stücke vorhanden, welche in dem fein- wabigen Plasma zerstreut sind. Offenbar stellen sie die letzten Überreste der Kerne dar, die zuvor an dieser Stelle gewesen sind. Wahrscheinlich werden sie bald aufgelöst, was man wohl aus ihrer Form erschließen darf. Außerdem sind auch einzelne Pigmentkörn- chen zu sehen. Daß das Pigment durch eine direkte Umwandlung des Chromatins zustande kommt, ersieht man aus der eben ange- führten Figur. In derselben sind einige in Auflösung begriffene Chromatinbrocken vorhanden, welche an ihrer Oberfläche direkte Auswüchse getrieben haben. Die Spitzen der letzteren haben bereits eine gelbe Farbe angenommen und sind offenbar im Begriff, sich von der Hauptmasse abzulösen. Andere Pigmentkörnchen sind in der Nähe dieses Körpers zu sehen und dürften sich kurz zuvor von ihm abgelöst haben. Es ist außerdem ein größerer Pigmentkôrper von einer hantelförmigen Gestalt zu sehen, der den Eindruck er- weckt, als ob er in Teilung begriffen wäre. Offenbar war das Stück in Durchschnürung begriffen, hat sich jedoch in Pigment umge- wandelt, bevor noch die Teilung zu Ende geführt war. In der Pigmentmasse ist ein bereits in voller Auflösung be- griffener Kern zu sehen. Einzelne der ihn zusammensetzenden Chromatinkörper haben sich vollkommen losgelöst, andere stehen durch schwache Auswüchse noch miteinander in Verbindung. Wenn man die Größe dieses Kernes in Betracht zieht, dürfte es sich eigentlich um 2 Kerne handeln, deren Grenzen infolge des Auf- lösungsprozesses sich wiederum verwischt haben. Die Kernauflösung sowie die Pigmentbildung beginnt am cau- dalen stärksten Teil der polsterartigen Epithelverdickung und schreitet langsam nach vorn vor. Daher sieht man in der caudalen Hälfte der Augenanlage bereits eine beträchtliche Anhäufung von Pigment in der vorderen Hälfte, hingegen hat die Kernauflösung noch nicht begonnen (Fig. 8). Die Entstehung des Pigments unter der direkten Beteiligung des Kernes wurde bereits von früheren Forschern mehr oder minder positiv ausgesprochen. Die ersten Forscher, ALTMANN, REINKE, haben allerdings die Pigmentbildung mit den Granulis AuTMANN’s in Zusammenhang ge- bracht. Auch GAarLeorTı und FiscHEez haben die Bildung des Pig- Cyto-histogenetische Stndien. 511 ments ebenfalls in Zusammenhang mit helleren Körnern gebracht, die man als Pigmentbildner ansieht. Diese Pigmentbildner haben aber ihre Entstehung nach diesen Forschern dem Kerne zu verdanken. MEersCHING gibt auf Grund seiner Beobachtungen an Melanosarcomzellen sowie an Querschnitten der Haarrinde an, dab das Pigment zuerst in der Kernmembran auftritt, woraus er seinen nucleären Ursprung erschließt. Ähnliche Angaben haben auch eine eanze Anzahl anderer Forscher gemacht; diese Behauptungen waren jedoch durch nicht ausreichende Belege gestützt, daher haben sie auch nicht die genügende Beachtung gefunden. In neuerer Zeit hat Prowazex die Entstehung des Pigments auf einen bestimmten, dem Kerne dicht anliegenden Pigmentbildner zurückgeführt. Disraso dürfte wohl der Erste sein, der die Bildung des Pigments in dem Mantelrand von Helix nemoralis und hortensis auf den Zerfall der Kerne zurückführte. Er konnte auch die direkte Umwandlung des Chromatins in Pigment verfolgen. Eine direkte Umwandlung des Chromatins in Pigment wurde in der vorläufigen Mitteilung über die Entwicklung des Facettenauges von Mororr (1911) angegeben. Schließlich wurde von Scıry (1911) die Entstehung des Pigments durch die Umwandlung des aus den Kernen ausgetretenen Chromatins im Auge der Wirbeltierembryonen und in Chorioideal- sarcomen ausführlich beschrieben und mit ausreichenden Bildern belegt. Auch für das bei pathologischen Veränderungen auftretende Pigment wurde von vielen Forschern (RÜsSLE, STAFFEL) eine nucleäre Entstehung beschrieben. Schließlich möchten wir auf die Unter- suchungen von Mororr u. Sriasny (1909) über die Entwicklung von Acanthometra aufmerksam machen. Bei der Bildung der tro- phischen Kerne dieses Radiolars nimmt das Chromatin eine gelblich- srüne Farbe an. Die Verfärbung erfolgt ebenfalls sehr plötzlich. Nach den soeben angeführten Forschungen sowie nach den im Vor- stehenden dargestellten Verhältnissen über die Entstehung des Pig- ments unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß dieser Zelleinschluß durch die direkte Umwandlung des aus dem Kerne ausgetretenen Chromatins zustande kommt. Mit der Bildung des Pigments verschwinden bald die Kerne der innersten Reihe spurlos. Ihr Platz wird vom Pigment eingenommen. Die Pigmentkörnchen werden immer dichter angehäuft, wobei sie auch zwischen die Kerne der nächstfolgenden zweiten Reihe ein- dringen, welche jetzt, da die erste Kernreihe aufgelöst wurde, die innerste ist. Dadurch entstehen viele Pigmentstreifen, die in der 512 THEODOR Mororr, Regel mit den soeben erwähnten Kernen alternieren (Fig. 9). In dem Maße, wie die Pigmentstreifen dichter und breiter werden, werden die zwischen ihnen liegenden Kerne schmächtiger und kleiner (Fig. 10). Zwischen dieser Kernreihe und der nächstfolgenden nach außen wird eine beträchtliche Menge von Pigmentkörnchen angehäuft. Dadurch werden die beiden Kernreihen auseinandergedrängt (Fig. 10), wobei ein ununterbrochener Pigmentstreifen zustande kommt, der die einzelnen Pigmentsäulen miteinander verbindet. Mit ihren proximalen Enden stehen die Pigmentsäulen ebenfalls miteinander in Ver- bindung, da auch hier das Pigment sich stark angehäuft hat und einen ununterbrochenen Streifen, wie an den distalen Enden, bildet. Zuerst sind die Pigmentstreifen schmal; in ihrer Mitte weisen sie außerdem einen lichten, von Pigmentkérnchen entblößten Streifen auf. Durch die starke Anhäufung der Pigmentkörnchen bekommen sie jedoch ein kompaktes Aussehen (Fig. 9, 10). Fig. 11 stellt un- gefihr dasselbe Alter wie Fig. 10 dar. Zuvor wurde aber das Pigment mit Chromsäure-Salpetersäure aufgelöst. Außer den mit den Rhabdomen alternierenden Kernreihen sieht man noch eine große Anzahl verschieden geformter sich stärker färbender Körper. Offenbar haben wir es hier mit Chromidien zu tun, die durch den Zerfall von Kernen entstanden sind. Vorgreifend will ich hier auf Fig. 12 aut- merksam machen, aus der man leicht ersieht, daß auch die zweite Kernreihe verschwunden ist, so daß zwischen den einzelnen Rhab- domen keine Kerne mehr vorhanden sind. Es sind nur mehr Chro- midienhaufen zu sehen, die offenbar die letzten Überreste der zer- fallenen Kerne darstellen. In vielen Fällen sind diese färbbaren Körper so angeordnet, daß sie den Kern, dem sie ihre Entstehung zu verdanken haben, noch deutlich erkennen lassen; später lockern sie sich jedoch auf und zerstreuen sich überall. Gleichzeitig zer- stäuben sie in kleinere Stücke, bis sie schließlich vollkommen ver- schwinden. In Fig. 12 ist der größte Teil der aus der vorhergehenden Figur bekannten Chromidien vollkommen verschwunden. Es sind noch Chromidienhaufen zwischen den Rhabdomen zu sehen, die durch den Zerfall der zweiten Kernreihe entstanden sind. Bald nachdem die Pigmentstreifen gebildet worden sind, er- fahren sie eine Veränderung ihrer Gestalt. An ihrem proximalen Ende werden die Säulen verjüngt, ihre distalen Enden werden hin- gegen dicker. Dies erfolgt offenbar durch eine Umlagerung der Pigmentkürnchen. Wie es scheint, wird ein Teil derselben auch chemisch verändert resp. aufgelöst. Gleichzeitig hiermit trennen Cyto-histogenetische Studien. 513 sich die einzelnen Pigmentstreifen (Säulen) voneinander ab. Jetzt weisen sie eine kolbenförmige Gestalt auf. Mit ihren angeschwollenen distalen Enden stehen sie noch miteinander in Berührung. Ihre proximalen Teile stehen hingegen ziemlich weit voneinander ab. Mit dem Beginn der Umformung der Pigmentsäulen erfahren letztere auch eine zweite Veränderung. Zuerst ist ihr Pigment überall gleichmäßig dicht angehäuft. Bald beginnen jedoch die Pigmentkörnchen in der Mitte der Säulen zu verschwinden, wo- durch ein lichter Streifen entsteht, der durch die ganze Säule ver- läuft (Fig. 13). Offenbar lösen sich an dieser Stelle die Kürnchen auf, wobei sie auch eine chemische Veränderung erfahren dürften, da die gelbe Farbe jetzt immer mehr ins Braune übergeht. Fig. 14 stellt einen Querschnitt durch die Mitte mehrerer Säulen ungefähr von dem erwähnten Alter dar. In der Mitte jedes Querschnitts der Säulen sieht man einen lichteren Kreis, in welchem eine Anzahl ganz kleiner Pigmentkörnchen zu sehen sind, die dem Gebilde eine granulierte Struktur verleihen. Diese kleinen Pigmentkörnchen werden wohl durch einen Zerfall von größeren Körnchen zustande gekommen sein. Ein Teil der Pigmentkörnchen dürfte auch eine vollkommene Auflösung erfahren haben und sich auf diese Weise gleichmäßig in der zentralen Partie der Säule verteilt haben, wo- durch auch der gelbliche Ton hervorgerufen wird, der an derselben zu beobachten ist. Nach außen ist diese hellere Partie von größeren Pigmentkürpern umgeben, welche in ihrer Gesamtheit einen ununter- brochenen Ring bilden. Zwischen den einzelnen Ringen sind in einer beträchtlichen Menge Pigmentkörnchen in dem Plasma zer- streut. Auf Schnitten, die mehr distal durch die kolbenförmigen An- schwellungen der Pigmentsäulen geführt worden sind, läßt sich die Mitte der Säulenquerschnitte stärker grau färben. Die Pigment- körperchen sind an dieser Stelle vollkommen verschwunden. Auber- dem sehen wir keinen einheitlichen Ring von Pigmentkörnchen mehr, sondern vier halbkuglige Pigmentanhäufungen, die mit ihren ab- gerundeten Seiten der Mitte zugekehrt sind. Durch schmälere Zwischenräume sind sie voneinander getrennt. Die von ihnen um- stellte zentrale Partie weist nicht mehr eine runde, sondern eine viereckige Gestalt auf. Noch mehr distalwärts, etwa gegen das äußere Ende der Säulen, zerfällt der Pigmentring in 7 Sektoren, wie dies aus Fig. 15 rechts zu ersehen ist. Dieses Bild stellt gerade einen Anschnitt am distalen Ende einer Pigmentsäule dar. 514 THropor Mororr, b) Bildung der Rhabdome. Auf entpigmentierten Schnitten (Fig. 11) sieht man, daß die erste Anlage der Rhabdome in Form verhältnismäßig dünner Stäbe bereits erfolgt ist. Diese Stäbe haben einen geraden oder schwach gebogenen Verlauf; sie weisen außerdem eine eher gestreifte Struktur auf. Ihre distalen Enden sind abgerundet und stehen in einer an- sehnlichen Entfernung von den intakt gebliebenen Kernreihen ab. Nach innen stoßen die jungen Rhabdome an die Basalmembran an, wobei ihr proximales Ende ein wenig breiter und verschwommener aussieht. Die einzelnen Streifen im Rhabdom sind hier lockerer. Die jungen Rhabdome stecken also in einer Pigmenthülle, welche in der proximalen Hälfte eine geschlossene Röhre darstellt. In der distalen Hälfte zerfällt letztere in vier Streifen, und erst gegen das äußere Ende erfährt sie eine weitere Auflösung in 7 Streifen. Auf entpigmentierten Schnitten sind die jungen Rhabdome von einem feinwabigen Plasma umgeben, das in der Mitte zwischen zwei Rhabdomen bedeutend weitmaschiger wird (Fig. 11). Der Querschnitt der Rhabdome stellt ebenfalls eine runde Scheibe dar, die eine äußerst fein granulierte Struktur aufweist (Fig 16). Von dem umgebenden Plasma sind diese Scheiben scharf abgegrenzt. Von der Oberfläche der Rhabdomquerschnitte geht eine größere Anzahl von feinen Plasmastrahlen aus, die mehr durch eine reihen- förmige Anordnung der Plasmawaben hervorgerufen wird. Hervor- heben will ich außerdem noch, daß die Rhabdome auch auf Quer- schnitten einheitlich aussehen; d. h. es sind in den Querschnitten keine Strahlen (Linien) zu konstatieren, die bis zu ihrer Mitte ein- dringen und die Scheibe in einzelne die Querschnitte der Rhab- domeren darstellenden Sektoren einteilen. In einem etwas älteren Stadium sind die helleren Streifen in den Pigmentsäulen, die ich nunmehr als Rhabdome bezeichnen werde, bedeutend breiter geworden (Fig. 17). In ihrer proximalen Hälfte sind sie nur mehr von einer äußerst dünnen Scheide von Pigment- körnchen überzogen, was man am besten auf Querschnitten sehen kann (Fig. 18). In den meisten Fällen weisen die Rhabdome eine deutliche Querstreifung auf, die durch eine reihenförmige Anordnung der in ihnen eingeschlossenen feinen Körnchen hervorgerufen wird. Hier müssen wir noch hervorheben, daß auch in diesem Stadium die die Rhabdome überziehenden Pigmentscheiden in der inneren Rhabdomhalfte einheitlich sind. Cyto-histogenetische Studien. 515 Auf entpigmentierten Schnitten weisen die Rhabdome fast das- selbe Aussehen auf wie in dem vorhergehenden Stadium, was man am besten aus Fig. 19 ersieht. Die Rhabdome sind nur etwas dicker, außerdem zeigt das Plasma die Tendenz, sich um sie in Form selb- ständiger Territorien zu gruppieren. In einem folgenden Stadium weisen die Rhabdome auf Längs- schnitten eine Querstreifung auf. Es alternieren breitere, hellere Streifen mit anderen schmäleren, die sich außerdem etwas dunkler als erstere färben (Fig. 12). Die Rhabdome sind jetzt bedeutend schärfer von dem umgebenden Plasma abgegrenzt. Auf Quer- schnitten stellen sie wiederum einheitliche Scheiben dar, nur dab sie jetzt eine weit dichtere Struktur zeigen. Das sie umgebende Plasma ist von einer gleichmäßig wabigen Struktur, welche durch das Vorkommen vieler Körnchen teilweise ein gekörneltes Aussehen bekommt. Es hat durch deutliche Grenzen, die zwischen den ein- zelnen Rhabdomen auftreten, eine Teilung in selbständige Territorien erfahren, so daß jedes Rhabdom jetzt von einer breiteren oder schmäleren plasmatischen Scheide umhüllt zu sein scheint. Es sind jedoch keine von der Peripherie der Rhabdome ausgehenden Zell- erenzen zu sehen, die auf eine Zusammensetzung des Plasmas aus mehreren Zellen hindeuten könnten. Überall sieht das Plasma um die Rhabdome einheitlich aus (Fig. 20). Diese Plasmastruktur weisen Palaemon-Augen bei Tieren auf, die unmittelbar vor dem Ausschlüpfen aus dem Ei stehen. Nachdem die Larven bereits ausgeschlüpft und längere Zeit herumgeschwommen sind, zeigen die Rhabdome noch immer eine ziemlich ähnliche Struktur. Es haben keine nennens- werten Veränderungen stattgefunden. Zwischen ihnen sind noch immer keine Kerne der Retinazellen zu sehen. Erst viel später ver- liert der Querschnitt der Rhabdome seine runde Gestalt; er wird allmählich oval, bis er schließlich eine viereckige Gestalt bekommt. Außerdem weist der Querschnitt jetzt eine viel dichtere Struktur auf als früher. Es treten zwei dunklere Linien durch die Mitte der Platte (des Querschnitts) auf, die senkrecht zueinander stehen und letztere in vier Teile teilen. Das Pigment um die Rhabdome gruppiert sich in 7 Streifen, die dieselbe Verteilung aufweisen wie beim vollkommen erwachsenen Tiere. Die Retinakerne rücken erst später zwischen die Rhab- dome ein, um ihre definitive Stellung einzunehmen. Zellgrenzen, die senkrecht zu den Rhabdomen verlaufen, treten ebenfalls sehr spät auf, so daß die Einteilung des zuvor einheitlichen Plasmas um die 516 THropor Mororr, Rhabdome in Zellterritorien ebenfalls sehr spät erfolgt. Bei Larven, die längere Zeit herumgeschwommen sind, hat eine verstärkte Pig- mentbildung stattgefunden, so daß die Rhabdome jetzt von einer dicken Pigmenthülle umgrenzt werden. Außerdem ist Pigment auch in dem übrigen Plasma zwischen den Rhabdomen in beträchtlicher Menge vorhanden. Die Pigmentröhre ist nur ganz am proximalen Ende des Rhabdomens einheitlich; nach außen zu zerfällt sie in einzelne Streifen, zuerst vier an der Zahl, weiter nach außen werden es fünf, dann sechs und schließlich erreichen sie in der äußeren, distalen Hälfte des Rhabdoms die Zahl sieben. Die Pigmentkörnchen haben bereits eine mehr braune Farbe angenommen. Als Resümee dieses Kapitels will ich hier noch hervorheben, daß durch eine komplete Auflösung der inneren zwei Kernreihen der epithelialen Augenanlage das Material geliefert wird, durch dessen Umwandlung das Pigment und reichlich Plasma gebildet werden. Aus dem letzteren werden durch Umwandlung die Rhabdome der einzelnen Ommatidien gebildet. Außerdem werden die Rhabdome durch eine stärkere Verdichtung des Plasmas als einheitliche Stäbe angelegt, die sich anfänglich nicht viel von dem umgebenden Plasma unterscheiden. Erst später bekommen sie allmählich eine dichtere Struktur und zerfallen in einzelne Scheiben. Das zwischen den Rhab- domen verteilte Plasma sieht vor der Bildung der ersteren sowie noch lange Zeit nachher einheitlich aus, d. h. es ist nicht aus einzelnen Zellen zusammengesetzt; erst viel später wird es in Territorien ein- geteilt, die beim erwachsenen Tier als Teile der Retinazellen an- gesehen werden. c) Bildung der Linsen. Gleichzeitig mit der Entwicklung der Rhabdome erfolgt die Bildung der Linsen sowie der Krystallkegelzellen der Ommatidien. Wie bereits in einem früheren Kapitel dargelegt wurde, werden von den Kernen der äußeren Reihe der ectodermalen Augenanlage Chromidien in beträchtlicher Menge abgestreift, die den Ursprung der (oberflächlichen) äußeren Plasmaschicht geben. Diese äußere Plasmaschicht erleidet bald eine Umänderung in ihrer Struktur, indem sie zuerst wabig ist, dann homogen wird. Möglicherweise ist diese veränderte äußere Schicht als eine Ausscheidung des Plas- mas anzusehen (Fig. 21). Gleichzeitig hiermit erfahren die Kerne der äußersten Reihe, die ich nunmehr als Corneagenzellkerne be- zeichnen werde, wiederum eine abermalige Auflösung; ihr Chromatin Cyto-bistogenetische Studien. 517 tritt in großer Menge, aus, was man sehr deutlich aus Fig. 21 er- sehen kann. In dieser Figur sind die Kerngrenzen der Corneagen- zellen verschwommen, teilweise vollkommen verschwunden. Einzelne Chromatinstäbchen ragen über die Oberfläche hervor, sind offenbar im Begriff auszuwandern. Man sieht außerdem andere Chromidien, die außerhalb der Kerne sind. Manche von ihnen liegen frei im Plasma, andere stehen durch schwache Auswüchse in Zusammenhang mit den Kernen und bilden eine Art Gitterwerk. Nachdem die Kerne eine bedeutende Menge von Chromatin ausgestoßen haben, erfahren sie eine Rekonstruktion. Jetzt bekommen sie eine mehr wabige Struktur, sie sind verhältnismäßig chromatinarm, daher auch schwach färbbar. Das Chromatin ist mehr auf der inneren Kern- oberfläche angesammelt, von der aus feine einfache oder verzweigte Auswüchse in den Kern eindringen. Diese Chromatinansammlung auf der inneren Kernoberfläche deutet darauf hin, daß noch immer ein Austritt von Chromatin aus dem Kerne stattfindet, nur daß dieser Prozeß nicht mehr so stürmisch vor sich geht und der Übertritt in einer mehr diffusen Form erfolgt (Fig. 22). Man sieht, dab inzwischen die aus den Corneagenkernen aus- getretenen Chromidien sich aufgelöst haben — verschwunden sind — und an ihrer Stelle die Cornealinse aufgetreten ist, die nach auben plan, nach innen konkav ist; außerdem hat sich in der Mitte ein schlanker Konus differenziert, dessen Spitze an die Linse an- stößt und sich an der Berührungsstelle mit ihr stärker färbt. d) Bildung der Krystallkegel. Gleichzeitig mit den Corneagenkernen erfahren die Kerne der übrigen Reihen, insbesondere die Kerne der nächstfolgenden zweiten Reihe, die die Krystallkegelkerne darstellen, weitgehende Verände- rungen. Zuerst erfahren die bis dahin dicht aneinander gepreßten Kerne eine schwache Auflockerung, indem sie etwas auseinander rücken. Sie stoßen ebenfalls Chromidien aus, die zur Bildung des Plasmas oder der Krystallkegel verwendet werden. Bald differen- ziert sich eine sich stärker färbende, granulierte Plasmamasse, die in einer kontinuierlichen Fortsetzung mit dem von den Corneagen- zellen gebildeten Plasmakegel steht. Diese Plasmamasse geht durch die Krystallkegelkerne hindurch, wo sie ihre größte Dicke erreicht, setzt sich nach innen fort und läuft bis zur Pigmentschicht hin, wobei sie sich langsam verjüngt. Die ganze Plasmamasse weist eine spindelförmige Gestalt auf, in ihrer größten Anschwellung sind 518 TuEoDoR Mororr, die Krystallkegelkerne eingebettet. Die innere Hälfte dieser Spindel ist von den Kernen der übrigen Reïhen umstellt und dürfte ihnen ihre Entstehung zu verdanken haben. Die Struktur der Spindel ist fein granuliert (Fig. 22). Anfänglich sieht sie einheitlich aus. In einem nächstfolgenden Stadium erfährt die plasmatische Spindel in ihrer inneren (proximalen) Hälfte eine beträchtliche Ver- längerung. Gleichzeitig hiermit treten in ihrer Mitte zwei Ebenen auf, die senkrecht zueinander stehen und die Spindel, entsprechend den sie zusammensetzenden 4 Krystallkegelkernen, in 4 Sektoren teilen. Die Krystallkegelkerne erfahren ebenfalls eine Struktur- veränderung. Diese Kerne stecken nur etwa bis zu zwei Drittel in der plasmatischen Spindel. Der außerhalb stehende Kernteil ver- liert bald den größten Teil seines Chromatins. Die noch übrig gebliebenen spärlichen Chromatinreste bilden ein feines Netzwerk, nur an der Oberfläche selbst ist das Chromatin etwas stärker an- gesammelt. Der innere Kernteil ist hingegen noch sehr chromatin- reich und weist eine mehr spongiöse Struktur auf. Die Corneagen- kerne weisen ungefähr dieselbe Struktur auf wie in dem vorher- gehenden Stadium, sind jedoch etwas schlanker geworden (Fig. 23). Die übrig gebliebenen, zwischen den Ommen liegenden Kerne sind etwas weiter auseinander gerückt, einzelne sind stark nach außen, etwa in die Lage der Corneagenzellkerne, auseinander gerückt, so daß die Krystallkegel von ihnen fast ganz umhüllt werden. Auf einem oberflächlichen Querschnitt, der gerade die Spitze der Krystallkegel trifft, wie er in Fig. 24 dargestellt ist, bilden die Corneagenzellkerne einen Kranz; offenbar stehen sie innig mitein- ander in Berührung. Das Chromatin ist mehr in ihrer Mitte in Form von Streifen angesammelt, von denen aus feine Fäden zur Kernperipherie hinziehen. Letztere ist ebenfalls durch eine stärkere Chromatinansammlung markiert. An vielen Stellen ist die Kern- erenze kaum festzustellen. Überhaupt heben sich die Kerne vor- nehmlich dadurch von ihrer Umgebung ab, daß sie schwächer gefärbt sind als letztere. Nach innen von diesen Kernen ist das Plasma stärker gefärbt; seine Struktur ist fein granuliert. In der Mitte sieht man außerdem eine stark färbbare Partie, die den An- schnitt der Krystallkegelzellengruppe darstellt. Die Form und die Größe dieser Partie hängt von dem Umstande ab, wie die Krystall- kegel getroffen sind, ob senkrecht oder schief, ferner ob oberfläch- licher oder tiefer. In dieser Figur sind die Krystallkegelzellen des Cyto-histogenetische Studien. 519 mittleren Ommatidiums senkrecht getroffen, daher ist der schwarze Punkt rund, in den übrigen Ommatidien sind die Krystallkegelzellen mehr oder minder schief getroffen. Fig. 25 stellt einen Querschnitt durch ein Ommatidium dar, der durch die Mitte der Krystallkegelzellkerne geht. Alle Kerne sind gleichgroß und stehen in Berührung mit- einander; nur im Zentrum lassen sie einen ganz kleinen Raum frei, der vom Plasma eingenommen ist. Das Chromatin der Kerne ist in Form von größeren Stücken in der Mitte der letzteren angesammelt. Infolge einer stärkeren Ansammlung von Chromatin auch an der Kernoberfläche sind die Kerngrenzen meistens sehr deutlich zu sehen. (sewöhnlich gehen feine sich chromatisch färbende Fasern von der Mitte der Kerne zu ihrer Peripherie hin. An der Oberfläche der Ommen (Krystallkegel) sind die Quer- schnitte von 8 Kernen zu sehen, die kreuzweise zu je 2 verteilt sind. Diese Kerne befinden sich zwischen den Ommen und sind so verteilt, daß an zwei gegenüberliegenden Stellen alle Kerne in der Nachbarschaft des Ommas sich befinden; die übrigen Gruppen sind so gestellt, daß nur je ein Kern in engerem Kontakt mit dem Ommatidium steht, der andere Kern ist von ihm abge- wendet (Fig. 25). Diese Kerne sind die äußersten der Interommal- kerne, die später zu den Retinakernen werden. Über das weitere Schicksal dieser Kerne wird später ausführlicher berichtet. In dem Stadium, in welchem die Larve das Ei verläßt, hat die Krystalikegelzellengruppe des Ommatidiums fast dasselbe Aussehen wie im vorhergehenden Stadium (Fig. 26). Die Linse ist stärker entwickelt, auf den beiden Seiten ist sie jetzt konvex, nach innen etwas stärker vorgewülbt. An der Linse ist keine Struktur fest- zustellen. Die Corneagenkerne sind chromatinarm und weisen eine längliche Gestalt auf, sie erstrecken sich von der Linse bis zu den Kernen der Krystallkegelzellen. Innerhalb derselben ist das Plasma feinwabig bis granuliert. Die Kerne der Krystallkegelzellen sind sehr aufgeblasen und von einer wabigen Struktur. Das Chromatin ist in Form von größeren und kleineren Körnchen in den Waben- maschen suspendiert. Es befindet sich noch immer in dem Kernteil, der in der plasmatischen Spindel steckt; der äußere Kernteil ist wiederum fast chromatinfrei. Der zuerst einheitlich aussehende Krystallkegel ist entsprechend der ihn zusammensetzenden vier Zellen in vier Teile (Conomeren) zerfallen. Die einzelnen Cono- meren sind deutlich voneinander abgegrenzt. Die Spindelspitze weist an der Stelle, wo sie mit der Linse in Berührung steht, zwei 520 Tasopor Mororr dunklere Punkte auf. Offenbar dürfte es sich, entsprechend der Zahl der Conomeren, um vier Punkte handeln, nur daß man auf dem Bilde die oberen zwei zu sehen bekommt. Die Krystallkegelzellen stehen durch ein dichteres Plasma mit dem Rhabdom in Verbindung. An der Ansatzstelle mit dem letzteren ist es bedeutend breiter. Dieser Verbindungsstrang weist eine ge- streifte Struktur auf. Seine Querschnitte stellen runde Ringe dar; die Mitte derselben ist schwächer färbbar. Von dem umgebenden Plasma sind diese Querschnitte durch eine verhältnismäßig breite Zone abgegrenzt, die sich bedeutend heller färbt (Fig. 27). Auf manchen Präparaten macht es den Eindruck, als ob diese Verbindung eine ununterbrochene Fortsetzung der Krystallkegelzellen darstelle. Auf anderen Präparaten ist eine deutliche Grenze zwischen denselben zu konstatieren, die sich in der Höhe der innersten Kernreihe be- findet (Fig. 23). An dieser Stelle ist überhaupt eine scharfe Grenze zu sehen. welche das Plasma um die Krystallkegel ziemlich scharf von dem Plasma trennt, das die Rhabdome umgibt. Diese Grenze deutet darauf hin, daß das Plasma um die Rhabdome sich in keiner Abhängigkeit von den zwischen den Krystallkegeln liegenden Kernen befindet, d. h. in morphologischem Sinne kann es keinen Bestandteil der durch erwähnte Kerne repräsentierten Zellen darstellen. REICHENBACH hat, wie bekannt, angegeben, dab nur der licht- brechende Teil — die Cornea und die Krystallkegel des Auges — dem Ectoderm seine Entstehung zu verdanken hat und daß die Retinulae mit den Rhabdomen aus einer anfänglich soliden Ein- senkung des Epithels ihren Ursprung nehmen. Zwischen die Epithel- verdickung des Auges und die äußere Schicht der Epitheleinsenkung dringt eine Schicht von Mesodermzellen ein, die das Pigment liefern soll. KıngsLey gibt ebenfalls an, daß eine Mesodermschicht zwischen die Eetodermverdickung und die retinogene Schicht eindringt. Im Vorstehenden haben wir Schritt für Schritt die Differenzierung der einzelnen Bestandteile der Ommatidien verfolgt und feststellen können, daß sie ausschließlich aus der einheitlichen Epithelverdickung ihren Ursprung nehmen. Während der ganzen histologischen Diffe- renzierung der einzelnen Ommatidien war nirgends eine Einwanderung von Mesodermzellen in die Epithelverdickung festzustellen. Infolge der lückenlosen Seriierung der einzelnen Stadien glaube ich nicht, daß eine Einwanderung von Mesodermzellen. falls sie tatsächlich vor- kommen würde, meiner Beobachtung entgangen wäre. Viel eher bin ich geneigt anzunehmen, daß REıcHzngacH und KixGsLey durch eine Cyto-histogenetische Studien. 521 unzutreffende Deutung des Beobachteten an ungeeigneten Schnitten zu dieser irrigen Annahme gekommen sind. Die Entwicklung nicht aller Ommatidien findet in der ganzen Anlage gleichzeitig statt. Vielmehr wird zuerst eine kleinere Anzahl von Ommatidien in dem dicksten Teil der Epithelwucherung der sich mehr in der caudalen Hälfte der Augenanlage befindet, ge- bildet; von hier aus werden nach vorn und teilweise auch nach hinten immer neue Ommatidien angelegt, so dab wir auf diese Weise fast alle Entwicklungsstadien nicht nur in einem Auge, sondern sogar auf einem Schnitt zu Gesicht bekommen. Einerseits begegnen wir etwa in der Mitte der Augenanlage einzelnen fast vollkommen entwickelten Ommatidien, andrerseits sehen wir besonders gegen den vorderen Rand des letzteren noch dicht aneinander gepreßte Kerne, die nicht einmal in Schichten und Säulen geordnet sind. An dieser Stelle ist noch hervorzuheben, daß, nachdem das Tier aus dem Ei ausgeschlüpft ist, noch lange Zeit nachher eine Ver- größerung des Auges durch eine ununterbrochene Zellen(Kern-) wucherung am Rande der Augenanlage stattfindet. Die Bedeutung dieser Erscheinung werden wir jedoch in einem anderen Kapitel zu würdigen suchen. Von früheren Forschern hat Craus eine nachträgliche Ver- erößerung des Auges durch Hinzutreten neuer Ommatidien bei Artemia angegeben. Diese Angabe von CLaus wurde später von ‚PARKER für das Auge von Potamobius (Astacus) bestätigt. Nachdem der größte Teil der Ommatidien gebildet worden ist, was ungefähr in dem Alter stattfindet, in welchem das Tier das Ei verläßt, zeigt das Auge ein histologisches Bild, das noch beträcht- lich von demjenigen des erwachsenen Tieres abweicht. Fig. 28 stellt ein Bild (einen Längsschnitt) eines Auges desselben Alters dar. Der auffälligste Unterschied besteht in der Lage der Kerne der sogenannten Retinazellen. Ausnahmslos befinden sie sich alle noch nicht allein außerhalb des Bereichs der Rhabdome, sondern über- haupt außerhalb des Pigments. Alle Kerne befinden sich zwischen ‘den Krystallkegeln, in den sogenannten Interommalräumen. Fig. 29 stellt ein Ommatidium dar, das dem Auge eines Tieres entnommen wurde, welches bereits längere Zeit herumgeschwommen sein wird und sich kurz vor dem Verlassen der pelagischen Lebens- weise befindet. Die Gruppe der Krystallkegelzellen hat die Form einer gedrungenen Spindel angenommen, welche ziemlich breit bis zum Rhabdom läuft; der dicke Stiel ist ebenfalls, wie der übrige Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 34 “ m mn 522 Tuxopor Mororr, Teil der Spindel, viergeteilt. Der ganze Krystallkegel bis zum Rhabdom besteht jetzt also aus vier Conomeren. Die Kerne der Krystallkegelzellen, obwohl bereits kleiner geworden, weisen noch immer eine beträchtliche Größe auf. Die Retinakerne haben, wie es scheint, die Wanderung zu den Rhabdomen bereits begonnen, da sich zwischen den distalen Enden der Krystallkegel keine Kerne mehr befinden. Alle Kerne liegen jetzt zwischen den proximalen Enden der Krystallkegel. An einigen Stellen sind sogar manche von ihnen in das Pigment eingedrungen. Alle diese Kerne sind von einer Plasmaschicht iiberzogen, die nach innen in schmale Stränge ausläuft, welche in die Pigmentregion eindringen. Eine innige Verbindung zwischen diesem und dem die Rhabdome um- gebenden Plasma ist jedoch nicht vorhanden. Letzteres stellt eine mehr einheitliche Masse dar, welche etwa in der Höhe der äußeren Pigmentgrenze in scharfer Linie aufhört, so daß es noch immer nicht unter dem direkten Einflusse der Retinakerne stehen kann. Fig. 27 ist von einem Tiere desselben Alters gezeichnet; fixiert wurde mit Gizsons Flüssigkeit. Die die Rhabdome zusammen- setzenden Platten sehen noch einheitlich aus. Die Wanderung der Kerne der Retinazellen an ihren definitiven Platz erfolgt offenbar viel später, erst nachdem die Tiere die ganze Metamorphose bereits durchgemacht und die pelagische Lebensweise aufgegeben haben. In den vorhin beschriebenen Stadien sind auber- dem noch keine Krystallkörper in den Krystallkegeln ausgeschieden. Ihre Bildung sowie die übrigen Veränderungen in der Struktur der Ommatidienteile erfolgen erst am Ende des Larvenlebens des Tieres. 6. Weitere Entwicklung des Ganglion opticum. In einem früheren Kapitel haben wir die Entwicklung des Ganglion opticum bis zum Stadium verfolgt, in welchem die Bildung des Pigments beginnt. In diesem Stadium war bereits eine Diffe- renzierung in den Kernen des Ganglion opticum eingetreten. In der äußeren Hälfte des letzteren haben die Kerne von zwei Reihen eine bedeutende Größe erreicht; außerdem haben sie eine bläschenförmige Gestalt angenommen. Dadurch treten sie aus ihrer Umgebung sehr hervor. Diese Kerne werde ich der Kürze halber im Veraufe meiner weiteren Darstellung als bläschenförmige Kerne bezeichnen. Die nach außen von ihnen liegenden Kerne werde ich hingegen mit dem Ausdruck chromatinreiche Kerne belegen. Mit dem Beginn der Auflösung der Kerne in der polsterartigen Cyto-histogenetische Studien. 523 Epithelverdickung zur Bildung des Pigments erfolgt auch eine Auf- lösung vieler Kerne des Ganglion opticum, die in unmittelbarer Nachbarschaft der Epithelverdickung liegen. Durch die Auflösung dieser Kerne entsteht eine größere Menge von Chromidien. Fig. 30 stellt die Auflösung der Kerne einer solchen Stelle dar, wo man den Auflösungsprozeß in seinem vollen Umfange sieht. Man be- gegnet hier Kernen, die die ersten Anfänge der Auflösung aufweisen; neben diesen Kernen sieht man reine Chromidien — Chromatin- körper —, die regellos im Plasma zerstreut sind. Zwischen diesen Extremen sind verschiedene Übergänge zu sehen, die eine andere Deutung des Prozesses kaum zulassen. Neben den im Plasma regellos zerstreuten Chromidien sieht man nämlich Haufen von Chromidien, die noch die Umrisse des Kernes, dem sie ihre Entstehung zu ver- danken haben, erkennen lassen. Bald nachdem diese Chromidien gebildet worden sind, ver- schwinden sie zum allergrößten Teil. Teilweise werden sie aufgelöst, und aus ihrem Material entsteht auf größere Strecken ein fein- wabiges Protoplasma. Der übrige Teil der Chromidien wandelt sich in Pigmentkörnchen um, welche sich innerhalb der Epithelverdickung ansammeln. An dieser Stelle bilden sie deutliche Pigmentstreifen, welche eine unmittelbare Fortsetzung der epithelialen Pigment- streifen darstellen. Diese Pigmentstreifen verschiedenen Ursprungs sind jedoch durch einen hellen Strich voneinander getrennt, der mit der Epithelgrenze (Basalmembran) zusammenfällt (Fig. 28, 33). Durch ein ständiges Zuwandern neuer Pigmentkörnchen erlangen die inneren Pigmentstreifen im Laufe der Entwicklung eine beträchtliche Länge (Fig. 28, 33). Diese Pigmentstreifen nehmen den leeren Raum, der zwischen dem hinteren Teil der polsterartigen Epithelverdickung und der Spitze der Anlage des Ganglion opticum zu sehen war, ein und verbinden die erstere mit dem letzteren. Im Laufe der weiteren Entwicklung treten immer mehr neue Pigmentstreifen auf, die den Platz zwischen der polsterartigen Epithelwucherung und dem Ganglion opticum einnehmen, der infolge der Auflösung der oberfläch- lichsten Kerne dieses Ganglions zustande gekommen ist. Auf diese Weise entwickelt sich nach und nach der beim erwachsenen Tier ansehnliche Interocularraum, der von diesen pigmentierten Nerven- fasern vollkommen eingenommen wird. Einzelne dieser Fasern dringen sehr tief zwischen die Kerne des Ganglion opticum ein. Nach innen von diesen Pigmentstreifen folgen nun einige Kern- reihen, welche zu den sogenannten chromatinreichen Kernen ge- 34* 524 _ Taeonor Mororr, hören. Später liefern sie die großen Ganglienzellen, die sich an der Oberfläche des Ganglion opticum befinden. Die proximalwärts von ihnen liegenden großen, bläschenförmigen Kerne befinden sich in einer lebhaften Vermehrung. Infolgedessen erfahren sie eine be- trächtliche Ausdehnung. In eine lebhafte Vermehrung geraten auch die übrigen Kerne des Ganglion opticum, wodurch tiefgreifende Ver- änderungen in der Gestalt der letzteren Platz greifen. Wie wir aus den entsprechenden Figuren (Fig. 1—5) leicht er- sehen können, weist die Anlage des Ganglion opticum in ihren frühesten Stadien eine zapfenförmige Gestalt auf; außerdem verläuft sie ziemlich gerade. Wir haben.bereits erwähnt, daß in dem Stadium, das unmittelbar vor dem Beginn der Pigmentbildung steht, die Spitze dieser Anlage eine schwache Krümmung nach unten und rückwärts erfährt. In den folgenden Stadien verstärkt sich diese Krümmung immer mehr, bis die Spitze dieses Zapfens ungefähr in Berührung mit seiner Mitte kommt. In dem Stadium, in welchem die Bildung der Krystallkörper der Ommatidien beginnt, ist die Krümmung des Ganglion opticum ziemlich zu Ende geführt. Gleichzeitig mit diesem Krümmungsprozeß hat die Anlage des Ganglion opticum infolge der äußerst lebhaften Vermehrung ihrer Kerne eine sehr starke Ent- faltung erfahren; vornehmlich hat sie sehr stark an Dicke zuge- nommen. Durch eine stärkere Einschnürung, die an der Basis der Anlage auftritt, wird das Ganglion opticum vom Gehirn deutlich abgesondert. Obwohl sich inzwischen das ganze Auge bedeutend in die Länge gestreckt und bereits die Form eines dicken Stäbchens angenommen hat, ist diese Erscheinung nicht leicht wahrzunehmen, da ersteres äußerst dicht dem Kopfe angeschmiegt ist. Während der Krümmung des Ganglion opticum erfolgt auch die Differenzierung der einzelnen Ganglienknoten. Wir haben bereits gesehen, dab-in einem früheren Stadium die weiße Punktsubstanz vom Gehirn ausgehend in Form eines Stranges sich in das Ganglion opticum fortsetzt; seine Spitze verliert sich in die großen bläschen- förmigen Kerne. Diese weiße Substanz ist von allen Seiten von den Kernen des Ganglion opticum umgeben; nur an der Basis des letzteren sind auf der inneren Seite eine kurze Strecke keine Kerne zu kon- statieren. Dieser Strang von weißer Punktsubstanz stellt die Grund- lage der Ganglienknoten dar. Letztere kommen durch die Auf- lösung der Kerne an einzelnen Stellen zustande. Durch die Auflösung der groBen bläschenförmigen Kerne, die Cyto-histogenetische Studien. 525 im Vorhergehenden ausführlicher beschrieben wurden, wird die Bildung des mächtigen zweiten Knotens gebildet. Der bedeutend kleinere dritte Knoten wird ähnlich wie der mächtige vierte Knoten ebenfalls durch die Auflösung eines Teils der angrenzenden Kerne zustande gebracht. Der erste Knoten des Ganglion opticum wird zwischen den chro- matinreichen Kernen, deren wir bereits früher Erwähnung getan haben, gebildet. Wie aus der früheren. Darstellung entnommen werden kann, nehmen diese Kerne die Spitze der Anlage des Ganglion opticum ein. Sie erfahren ebenfalls eine äußerst lebhafte Vermehrung, wodurch ein großer Kernhaufen zustande kommt, der bald eine kalottenförmige Gestalt annimmt. Anfänglich sind seine Kerne regellos verteilt, in den etwas späteren Stadien ordnen sie sich in Reihen, so dab wir etwa in der Mitte dieser Kalotte, d. h. an der Spitze des Ganglion opticum, 4-5 deutliche Kernreihen unter- scheiden können, welche den optischen Querschnitt der entsprechenden Kernschichten darstellen. Auf den Seiten wird dieser Haufen immer dünner, bis wir am Rande nur mehr eine Kernreihe feststellen können, Bevor noch die großen bläschenförmigen Kerne zur Bildung des zweiten Knotens aufgelöst werden, rückt die innerste Kernschicht der Kalotte von dem übrigen Kern etwas nach innen ab, wodurch ein an- fänglich ganz kleiner, kernfreier Raum entsteht, der den ersten Knoten des Ganglion opticum darstellt. Er weist eine halbkuglige Gestalt auf. Später wird er infolge seiner Ausdehnung auf den Seiten sehr flach. Vom zweiten Knoten des Ganglion opticum ist er anfänglich durch eine ununterbrochene Kernschicht getrennt. Die ihn nach auben umgrenzende Kernreihe zeichnet sich dadurch aus, daß ihre Kerne bald eine sehr regelmäßige Anordnung annehmen. Sie sind ver- hältnismäßig sehr groß und weisen eine längliche Gestalt auf. Sie sind außerdem vornehmlich mehr in der Mitte in Gruppen zu zweien angeordnet. Nach allen Bildern, die man zu sehen bekommt, hat die Annahme, daß diese Doppelkerne durch die Spaltung einfacher Kerne der Länge nach zustande kommen, am meisten für sich. Die Kernreihe (Schicht), die den ersten von dem nächstfolgenden zweiten Knoten trennt, zeichnet sich dadurch aus, daß ihre Kerne be- deutend kleiner als die übrigen sind; außerdem weisen die meisten von ihnen alle Zeichen der Auflösungsprozesse auf. Einzelne von ihnen stellen Chromatinhaufen dar, die kaum mehr die Kernkonturen erkennen lassen. Bei den meisten Kernen ist eine Auswanderung von größeren und kleineren Chromatinbrocken zu sehen (Fig. 31). 526 THEODOR Mororr, Infolge dieses Auflösungsprozesses verschwinden die meisten Kerne dieser Schicht. Es bleiben nur noch einige von ihnen übrig, die die Grenze zwischen den beiden Knoten auch weiter markieren. Wir haben bereits erwähnt, daß der erste Knoten des Ganglion opticum auf den Seiten sich stark ausdehnt. Dementsprechend findet an diesen Stellen auch eine äußerst lebhafte Auflösung der an- grenzenden Kerne statt. Fig. 32 stellt einen Anschnitt des ersten Knotens dar. Es wurde nur der äußere Winkel desselben stark vergrößert gezeichnet, um die lebhafte Auflösung der Kerne zu demonstrieren. Die Figur allein zeigt deutlich genug die verschiedenen Stadien der Kernauflösung, so daß ich mich der Verpflichtung ent- hoben fühle noch weiter Worte darüber zu verlieren. Durch den Zerfall der durch die Auflösung der vorhin be- schriebenen Kerne entstandenen Chromidien entsteht eine große Menge kleiner Körnchen, die dem Plasma des ersten Knotens des Ganglion opticum anfänglich eine stark granulierte Struktur verleihen. Bald treten jedoch in ihm viele Bündel von feinen Fasern auf, welche durch den ganzen Knoten verlaufen. Distal dringen sie zwischen die Kerne der Ganglienzellen ein. Proximal verlieren sich die meisten dieser Bündel im Plasma des ersten Knotens. Nur einige von ihnen dringen in den zweiten Knoten ein. Hier verschwinden sie jedoch bald im Plasma, bevor sie noch besonders tief in sein Inneres ein- gedrungen sind. Bald nachdem die einzelnen Knoten des Ganglion opticum ge- bildet werden, bekommen sie eine Verteilung und Reihenfolge, die sich nicht viel von derjenigen eines erwachsenen Tieres unterscheiden. Anfänglich haben sie nur einen gekrümmten Verlauf (Fig. 33), später erfolgt also eine Streckung in ziemlich gerader Linie. Im Laufe der weiteren Entwicklung findet nur eine Vergrößerung der weißen Punktsubstanz auf Kosten der sie umgebenden Kerne statt. Während der Entwicklung der einzelnen Bestandteile des Auges sowie des Ganglion opticum erfolgt das Auswachsen des ganzen Auges in Form eines Stabes. Dieses Auswachsen veranlaSt offenbar die starke Verlängerung des Nervus opticus. Der größte Teil des Augenstabes wird von dem mächtig entfalteten Ganglion opticum eingenommen. An dieser Stelle will ich noch erwähnen, daß in den vor- geschrittenen Stadien zwischen den innerhalb der Basalmembran ver- laufenden Nervenfasern einzelne Kerne zu sehen sind, deren Struktur in vielen Fällen auf eine Auflösung derselben hindeutet. Ich habe Cyto-histogenetische Studien. 527 den Eindruck bekommen, daß sich einzelne Kerne des äußeren Knotens des Ganglion opticum vom letzteren entfernen und zwischen die Nervenfasern einwandern, wo sie aufgelöst werden, um durch andere ersetzt zu werden. Zum Schluß dieses Kapitels will ich noch auf die Angabe REICHENBACH’s eingehen, wonach der ganze äußere Teil des Ganglion opticum, d.h. dieser Teil, der distal von den großen bläschenförmigen Kernen liegt, zur Bildung der Retina verwendet wird. Aus unserer in diesem und dem vorhergehenden Kapitel gegebenen Darstellung ist jedoch mit genügender Deutlichkeit zu ersehen, daß von diesem Teil des Ganglion opticum dererste Knoten des letzteren gebildet wird. Der Rest der Kerne liefert die oberflächlichen Ganglienzellen. Dieser Teil des Ganglion opticum ist von dem Auge durch die interocularen Nervenfasern getrennt. Andrerseits konnten wir die Entstehung der Retina aus der epithelialen Wucherung Schritt für Schritt verfolgen. Aus meiner Darstellung ist ferner ersichtlich, daß auch die Be- hauptung von PARKER, HERRICK, KiNGSLEY etc., daß die äußere Hälfte des Ganglion opticum der Epithelwucherung ihre Entstehung zu verdanken hat, nicht zutreffend ist. 7. Differenzierung der Ommatidien bei Artemia. Die Differenzierung der einzelnen Ommatidien erfolgt bei Artemia ähnlich wie bei Palaemon erst, nachdem das die Augenanlage dar- stellende Epithel mehrschichtig wird. Im Gegensatz zu dem letzt- erwähnten Tiere beginnt jedoch die Bildung des Pigments gleich- zeitig mit dem Übergang des einschichtigen Epithels in das zwei- schichtige. Zuerst treten die Pigmentkörnchen in demjenigen Teil der Epithelverdickung auf, der bereits zweischichtig geworden ist und in keiner Berührung mit dem Gehirn steht, also in dem rückwärtigen Teil des Auges. Die Pigmentkörnchen erscheinen zwischen den Kernen der inneren Reihe. Bald hüllen sich die ein- zelnen Kerne allseitig mit einer Pigmentschicht ein. Das Pigment tritt nicht allein um die inneren Kerne auf, sondern es erstreckt sich bis zur äußeren Oberfläche der Epithelverdickung (Fig. 35). Nach innen von der Epithelverdickung treten einzelne oder Gruppen von Kernen auf, deren Herkunft ich nicht mit Sicherheit feststellen konnte. Entweder handelt es sich hier um zugewanderte Meso- dermzellen, oder sie haben sich vom Gehirn losgelöst. In allen Fällen werden sie dazu verwendet, den leeren Raum zwischen der Epithelverdickung und dem Gehirn auszufüllen. Durch eine wieder- 528 Tasopor Mororr, holte Teilung dieser Kerne wird der ganze Raum ausgefüllt. Die mit der Epithelverdickung in Berührung getretenen Kerne umhüllen sich ebenfalls bald mit einer Pigmentschicht. In bezug auf das Auftreten des Pigments ist wiederum ein er- wähnenswerter Unterschied zwischen diesem Tier und Palaemon zu konstatieren. Wie wir gesehen haben, setzt bei Artemia seine Bildung gleichzeitig mit dem Moment ein, wo das Epithel mehr- schichtig zu werden beginnt. Bei Palaemon findet hingegen zuerst die Wucherung des Epithels statt, und erst nachdem es mehrschichtig geworden ist, tritt das Pigment auf. Übereinstimmend ist nur, daß das Pigment bei beiden Tieren zuerst in der hinteren Hälfte der Augenanlage auftritt und von da aus sich nach vorn ausbreitet. Durch die ununterbrochene Kernvermehrung wird die Augen- anlage immer dicker. Ich konnte mir nicht vollkommen klar darüber werden, ob die bereits vom Pigment umhüllten Kerne weitere Teilungen eingehen. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß sie sich anfänglich auf amitotischem Wege teilen können und auf diese Weise zur Verdickung des pigmentierten Augenteiles beitragen; in den späteren Stadien büben sie jedoch das Teilungsvermögen ein. Offenbar stellt das Pigment ähnlich wie bei Palaemon umge- wandeltes Kernmaterial dar. Denn es tritt zuerst zwischen den dicht aneinander gepreßten Kernen auf, wo kein Plasma festzustellen ist. Außerdem sieht man regelmäßig im Innern der Kerne Pigment- körnchen, die zweifelsohne dort gebildet werden. Eine Annahme, daß die Pigmentkörnchen außerhalb der Kerne gebildet werden und erst dann in die letzteren einwandern, hat sehr wenig Wahrschein- lichkeit für sich. Vielmehr dürften sie aus den Kernen auswandern, um die Pigmentverstärkung um die Kerne hervorzurufen. In der Tat, in dem Maße, wie die Bildung des Pigments vor sich geht, werden auch die Kerne kleiner und insbesondere chromatinarm (Fig. 36). Anfänglich ist das Pigment regellos verteilt, bald ordnet es sich jedoch in Säulen (Streifen), die von der Basalmembran beginnend radiär gegen die Peripherie der Augenanlage verlaufen (Fig 37). An vielen Stellen umhüllt das Pigment auch die oberflächlichsten Kerne, es reicht also bis zur Oberfläche der Augenanlage Nur stellenweise sind die äußersten Kerne pigmentfrei. Diese letzteren werden zur Bildung der lichtbrechenden Teile der Ommatidien ver- wendet. Zuerst, wird nur eine geringere Anzahl von Ommatidien in Cyto-histogenetische Studien. 529 dem Auge angelegt. Die Differenzierung der einzelnen Teile des Ommatidiums kann nur auf entpigmentierten Schnitten verfolgt werden; dabei ist der Prozeß an solchen Ommatidien zu verfolgen, deren Bildung erst später erfolgt. Auf entpigmentierten Schnitten weisen die meisten Kerne ein lockeres Liningerüst auf, in dessen Maschen das Chromatin in wechselnder Menge verteilt ist. Die Kerngrenze wird bei den meisten Kernen durch eine stärkere Ansammlung des Chromatins an der Kernobertläche hervorgerufen; bei den tiefer liegenden Kernen ist sie kaum mehr zu konstatieren, und die Stelle eines Kernes wird mehr erkannt einerseits durch die darin verteilten Chromatinkörnchen, andrerseits dadurch, daß sie sich schwächer färben als das umgebende Plasma (Fig. 38) An vielen Stellen haben die Kerne ihre Grenzen eingebüßt, und ihre Chromatinkérnchen haben sich in Form von Chromidien im Plasma verteilt (Fig. 39—40). Von Zellgrenzen ist nirgends etwas zu sehen. Das die Kerne umgebende Plasma sieht einheitlich aus. Die erste Differenzierung der Rhabdome gibt sich als eine stärkere Verdichtung des Plasmas kund. Auf Längsschnitten zeichnen sich die Rhabdome durch ihre mehr faserige Struktur vor dem um- gebenden Plasma aus. In ihnen ist noch immer eine feinwabige Struktur leicht festzustellen, zwischen den Waben sind jedoch feine Fasern zu sehen, die aber durch die mehr reihenförmige Anordnung der ersteren hervorgerufen werden. Die Rhabdome sind genügend scharf von dem umgebenden Plasma abgegrenzt. Durch eine stärkere Ansammlung von feinen Körnchen ist die soeben beschriebene Struktur der Rhabdome verdeckt, und sie sehen mehr gekörnelt aus (Fig. 39—40). Auf Querschnitten erscheinen die Rhabdome strukturlos, gleichmäßig gefärbt bis fein granuliert. Von ihrer Um- gebung sind sie in vielen Fällen nicht scharf abgegrenzt. Ihre Gestalt ist mehr polygonal; von ihrer Oberfläche gehen feine Fasern aus, die sich meistens in dem Plasma verlieren (Fig. 41). Als Zell- grenzen könnten sie kaum gedeutet werden. Jedenfalls werden die Rhabdome wie bei Palaemon als einheitliche Bildungen angelegt. Die Kerne, welche zur Bildung der Krystallzellen verwendet werden und welche ich als Krystallkegelkerne bezeichnen werde, sind offenbar zu vieren dicht aneinander gepreßt. Sie erfahren eine beträchtliche Verlängerung (Fig. 39), bis sie die Rhabdomanlage er- reicht haben. Diese Kerne sind umhüllt von anderen Kernen, die ihnen manchmal sehr dicht anliegen (Fig. 40). An ihrem äußeren À bh a an MORT Ne ay eee LV SAD Sei teens ze se er 2250:1. Tasopor Mororr, Fig. G. Artemia salina. Ein in Differenzierung begriffenes Ommatidium. Der Krystallkörper ist bereits in Form von 2 Vacuolen angelegt. Cyto-histogenetische Studien. 531 Ende sind diese Kerne immer von anderen Kernen flankiert, die offenbar die Corneazellkerne darstellen. Die Krystallkegelkerne sind scharf umgrenzt, nur ihr äußeres Ende ist verschwommen, und ihre Grenze ist verschwunden. An dieser Stelle geht ihr Inhalt ins Plasma über. Zweifelsohne geben sie einen Teil ihres Chromatins dem letzteren ab, wo es zur Bildung der äußeren Cuticulaschicht verwendet wird (Fig. 39). Nun treten in der Mitte der Krystallkegel Kerne oder etwas proximalwärts eine oder mehrere vacuolenähnliche Bildungen auf, welche die Kerne in zwei Hälften teilen, einen vorderen äußeren größeren und einen inneren kleineren Teil. Diese Vacuolen ver- einigen sich miteinander und bilden eine einzige Vacuole, die die Grundlage für den Krystallkörper darstellt (Fig. 39). Manchmal entstehen zwei große Vacuolen, die längere Zeit durch eine granu- lierte Plasmaschicht in ihrer Mitte voneinander getrennt werden (Fig. G). Der Krystallkörper erlangt bald eine eiförmige Gestalt; er ist außen von den Resten der Kerne umgrenzt, die ihm kappenförmig aufsitzen. An den Seiten ist er von einer breiteren oder dünneren Plasmaschicht bedeckt. An der inneren Seite ist er von den inneren Enden der ursprünglichen Krystallkegelkerne be- grenzt, die die Verbindung mit dem Rhabdom herstellen. Diese inneren Kerne bleiben noch längere Zeit erhalten, sie sind jedoch nicht bei allen Konservierungsmethoden zu sehen. Offenbar wird ihre Struktur leicht zerstört. Daher ist in vielen Fällen an ihrer Stelle ein fein granuliertes Plasma zu sehen, in dem eine Anzahl größerer (Chromatin-) Körnchen zerstreut ist (Fig. 39—40) An Material, das mit Ginson’s Flüssigkeit fixiert worden ist, sind sie am besten erhalten. Ihr Chromatin bildet ein grobmaschiges Netz- werk, in welchem eine Anzahl größerer Körnchen zerstreut ist (Fig. 42). Dieser Kern nimmt den ganzen hinteren Teil der Kıystall- kegelzellen ein. Ob er jedoch einheitlich ist oder aus mehreren (vier?) Stücken besteht, läßt sich nicht feststellen. Manchmal bleibt ein runder Kern in der Mitte des hinteren Endes des Krystallkörpers erhalten, dessen Chromatin in größeren Stäbchen (Fäden) konzentriert ist (Fig. G). Später verschwinden jedoch diese Kerne vollständig, und an ihrer Stelle ist nur mehr eine feinwabige bis feingranulierte Struktur zu sehen (Fig. 42). Der Krystallkörper wird also bei Artemia sehr frühzeitig ge- bildet. bei Palaemon hingegen sehr spät. Nun wollen wir die cytologischen Veränderungen, die sich am 532 THEODOR Mororr, vorderen Ende des Ommatidiums abspielen, ausführlicher schildern, Nachdem der Krystallkörper in dem jungen Omatidium gebildet worden ist, befinden sich die Kerne an seinem vorderen Ende dicht aneinandergepreßt. In den meisten Fällen sind sie nicht deutlich voneinander abgegrenzt; ihre Masse stellt vielmehr eine große Chro- matinmasse dar. In vielen Fällen sind diese Kerne von anderen Kernen umstellt, die ihrerseits keine scharfen Kerngrenzen auf- weisen und ebenfalls wie Chromidien aussehen. Dadurch entstehen ausgedehnte Chromidialpartien, wie sie in Fig. 40 dargestellt sind. Die Chromidien der Ommatidien zeichnen sich nur durch ihre stärkere Färbbarkeit vor ihrer Umgebung aus. An einzelnen Stellen erfahren die Chromidien eine Umwandlung, und an ihrer Stelle tritt Plasma auf, wodurch deutlich abgegrenzte Kerne entstehen, die von dem neugebildeten Plasma umhüllt werden (Fig. G). Die Zahl der auf diese Weise differenzierten Kerne ist nicht genau festzustellen. Inzwischen wird der Krystallkörper immer größer, er wächst auf Kosten der sich an seinem vorderen Ende befinden- den Kerne, welche in dem Maße kleiner werden, wie er an Größe zunimmt. Schließlich erfüllt der Krystallkörper fast vollkommen die Krystallzellen. Auf Längsschnitten sind die Kerne nur noch als ganz schmale Spangen an den Seiten des Vorderendes zu sehen. Auf Schnitten, die das Auge gerade anschneiden und die Rhab- dome quer treffen, ist eine interessante Erscheinung zu beobachten, die eine nähere Beschreibung erfordert. Fig. 45 stellt ein solches Bild dar. Man sieht auf diesem Bilde eine Anzahl von Ommatidien, die in verschiedener Höhe getroffen sind. Bei den mittleren sind auch die Krystallkörper getroffen, welche aus vier Conomeren be- stehen. Sie sind gleichmäßig hell gefärbt; um sie herum ist eine dichtere, meist gekörnelte Plasmaschicht vorhanden, die stärker ge- färbt ist als diese. In diesem Plasma sind oft auch größere Körn- chen zu sehen. Nach außen von diesem Plasma folgt noch ein zweiter Kreis, welcher aus Kernen besteht, die ihre Kernstruktur mehr oder minder deutlich erkennen lassen. Noch weiter nach außen sind wiederum Kerne vorhanden, die durch ihre Gestalt und ihre Verteilung auffallen; sie weisen eine regelmäßige Gestalt auf; sie sind lang und schmal, meistens stark gebogen, die Querschnitte der Ommatidien umgreifend.. Wiederum andere Kerne weisen eine plumpere, dickere Gestalt auf. Sie befinden sich zwischen den ein- zelnen Ommatidien, ohne einen engeren Anschluß an diesen oder jenen aufzuweisen. Jeder Krystallkörper ist also von 2—3 Schichten Cyto-histogenetische Studien. 533 von Kernen umhüllt, die um ihn herum konzentrisch geordnet sind. Diese Erscheinung ist auch auf Schnitten, die die Ommatidien in der Längsrichtung treffen, zu konstatieren. Wenn man diese mehrfachen Kreise näher betrachtet, so findet man leicht alle Übergänge von der inneren plasmatischen Schicht bis zur äußersten, welche aus typischen Kernen besteht. Diese Er- scheinung ist am natürlichsten in der Weise zu erklären, daß zur Vergrößerung der Krystallkörper ständig neue Kernsubstanz hinzu- tritt, die allmählich ihre Struktur ändert, bis sie sich schließlich in Plasma verwandelt, das sich seinerseits in die glashelle, durch- sichtige Substanz des Krystallkörpers umbildet. Auf Fig. 44 ist ein Ommatidium mit den es umgebenden Kernen bei stärkerer Vergröße- rung gezeichnet. Diese schmalen (flachen) Kerne werden wahr- scheinlich durch: die Spaltung der plumpen Kerne gebildet. Zu- eunsten dieser Annahme sprechen die langen Auswüchse, die diese Kerne treiben und zu den Ommatidien schicken. Anfänglich sind die die Krystallkegel liefernden Kerne in gleicher Lage mit den übrigen Kernen, d.h. sie befinden sich unter der Ober- fläche der Augenanlage (Fig. 40). Mit dem Beginn der Ausscheidung des Krystallkörpers heben sie sich jedoch über die Oberfläche her- vor, und in den meisten Fällen bilden sie eine beträchtliche Vor- wölbung über die letztere, so daß die einzelnen Augen (Ommatidien) nunmehr wie kleine Hügel über die Oberfläche des gesamten Auges hervorragen (Fig. G). Die Ausscheidung von Linsen erfolgt sehr unregelmäßig. Für manche Ommatidien bleibt sie vollkommen aus, für andere wird zwar eine cuticulare Verdickung ausgeschieden, letztere fällt aber oft nicht genau über das Ommatidium, sondern etwas seitlich und sieht wie verschoben aus. Bei älteren Tieren sind sie außerdem. nicht zu beobachten; offenbar gehen sie wieder verloren. 8. Entwicklung des Ganglion opticum. In den allerjüngsten Stadien der Augenentwicklung, wo uns die erste Anlage des Auges als eine einfache, durch die Verlängerung der Kerne hervorgerufene Epithelverdickung entgegentritt, steht die Hirnanlage mit dem oberen und vorderen Teil dieser Epithelver- diekung in unmittelbarer Berührung, nur der hintere und untere Teil dieser Verdickung steht von der Hirnanlage ab und bildet mit ihr eine taschenförmige Erweiterung, die anfänglich leer ist. Bald treten in ihr jedoch einzelne Zellkerne auf, für die man den Ein- 534 THEODOR Mororr, druck bekommt, daß sie von der Hirnanlage abgelöst werden. Wie- derum für andere Kerne bekommt man aber den Eindruck, daß sie von der epithelialen Anlage des Auges ausgestoßen werden. So ist in Fig. 45 ein Kern gezeichnet, dessen eine Hälfte außerhalb der Basalmembran und dessen andere Hälfte innerhalb dieser Membran sich befindet. Ich kann nicht beurteilen, ob der ganze Kern ins Innere übertreten wird oder ob nur die eine Hälfte desselben abgeschnürt wird und die andere Hälfte zwischen den übrigen Epithelkernen verbleiben wird, so daß ich mich nach den Bildern, die ich zu sehen bekam, nicht entschließen kann, für alle diese Kerne einen einheitlichen Ursprung in Anspruch zu nehmen. Bald nachdem die Kerne in den freien Raum gelangen, tritt um sie eine dünne Schicht von Plama auf, die zweifelsohne unter der unmittelbaren Wirkung des Kernes gebildet wird. Dieses Plasma nimmt bald zu, wobei es auf den beiden Seiten des Kernes in ent- gegengesetzter Richtung in lange Zipfel auswächst. Einer dieser Auswüchse läuft zur Basalmembran, der andere zum Gehirn hin. Dadurch entsteht eine Anzahl plasmatischer Stränge, welche die Basalmembran des Auges mit dem Gehirn in Verbindung setzen. Am vorderen und oberen (rückseitigen) Augenteil befindet sich aber die Gehirnanlage, wie anfänglich, in unmittelbarer Berührung mit dem Auge. Hier tritt bald eine größere Menge von Pigmentkörnchen auf, diese letzteren ordnen sich um die äußersten Kernreihen des Ge- hirns und umschließen sie bald vollständig. Sie sehen jetzt so aus, wie wenn sie von Pigment inkrustiert wären. In dem Maße, wie diese Pigmentschicht um die Kerne dicker wird, nehmen die darin eingeschlossenen Kerne immer mehr an Größe ab. Die Pigment- körnchen werden in den Kernen selbst gebildet, von wo sie aus- treten. Offenbar stellen die Pigmentkörnchen, wie in den übrigen Fällen, umgewandeltes Chromatin dar. Bald sieht man von den Kernen nichts mehr. Ihre Stellung gibt sich nunmehr nur dadurch kund, daß das Pigment nach innen von der Basalmembran nicht gleichmäßig verteilt ist, sondern isolierte Inseln darstellt, welche mehr oder minder dicht aneinandergepreßt sind. Diese isolierten Pigmentinseln stellen die verdrängten Kerne dar. Bald nachdem die Kerne der ersten Reihe vom Pigment um- hüllt sind, treten Pigmentkörnchen zwischen den Kernen der zweiten Reihe auf, welche anfänglich in Form von feineren Pigmentstreifen manchmal sehr tief in die Hirnanlage eindringen. Durch die Um- Cyto-histogenetische Studien. 535 wandlung der äußersten 1—2 Kernreihen des Gehirns in Pigment und in Plasma kommen die Nervenfasern zustande, welche zwischen der Basalmembran und dem Ganglion opticum verlaufen. Sie sind noch vom Anfang an von Pigmentkörnchen erfüllt. Ziemlich gleichzeitig mit diesem Prozeß erfolgt die erste An- deutung der Differenzierung des Ganglion opticum, die darin besteht, daß der in unmittelbarer Berührung mit dem Auge stehende Hirn- teil sich etwas verjüngt und durch eine schwache Einschnürung von dem Haupthirnteil deutlich abhebt. Gleichzeitig damit verschwindet in der Mitte dieses Kernkomplexes eine Anzahl von Kernen; offenbar werden sie aufgelöst, an ihrer Stelle tritt Plasma auf, welches zu- erst eine grobwabige Struktur aufweist. Dieses Plasma stellt die erste Anlage der weißen (Punkt-)Substanz des Ganglion opticum dar. Noch vom Anfang an ist sie durch die Erhaltung einer Kern- reihe in der Mitte in zwei Teile geschieden, welche die beiden Knoten des Ganglions markieren (Fig. 46). Die Anlage des Gan- glion opticum befindet sich in diesem Stadium in einer engeren Be- rührung mit dem Darm und greift auf seine ganze vordere Seite über. In dem nächsten Stadium hat das ganze Auge eine bedeutende Verlängerung erfahren, indem es nun über den Kopf in Form eines kurzen Stielchens hervorragt. Das ganze Ganglion opticum hat sich ebenfalls beträchtlich verlängert. Ferner hat die Basalmembran des Auges eine starke Ausbuchtung nach außen erfahren. In der Mitte des dadurch entstandenen Raumes ist eine beträchtliche Menge von Plasma aufgetreten, das eine wabige Struktur aufweist und eine einheitliche Masse bildet. Diese Masse läuft gegen das Ganglion opticum in feine Zipfel aus, welche eine verschiedene Länge auf- weisen. Manche von ihnen reichen bis zu den Kernen der Gan- glienzellen. In manchen Strängen sind einzelne Kerne suspendiert zu sehen (Fig. 47). Diese Plasmafasern stellen wohl das Plasma dar, das durch die vorhinbesprochene Umwandlung der äußeren Kerne des Ganglion opticum und der übrigen Kerne, die sich im leeren Raum zwischen den Ommatidien und dem Ganglion opticum befanden, entstanden ist. Das Ganglion opticum selbst hat eine weitere Differenzierung erfahren. Insbesondere ist jetzt die weiße (Punkt-)Substanz in ihm stark entfaltet. Durch eine entsprechende Anordnung ihrer Waben hat sie eine deutlich fibrilläre Struktur bekommen. Von allen Seiten ist sie von einer beträchtlichen Menge von Kernen umstellt, die in 536 Taxoror MoRorr, mehreren Reihen angeordnet sind. Aus den mitotischen Figuren, die man oft sieht, muß man erschließen, daß diese Kerne in Vermehrung begriffen sind. Andrerseits dürfte aber auch eine Auflösung mancher dieser Kerne erfoleen und auf Kosten ihres Chromatins die Vergrößerung der weißen Substanz stattfinden. Oft sieht man nämlich Kerne, deren Konturen vollkommen verschwunden sind, die man aber noch als einen losen Haufen blaß. gefärbter Chromatin- körnchen erkennen kann. Andere Kerne haben hingegen eine Zerdehnung erfahren und stellen nun einfache chromidiale Bil- dungen dar. In der Mitte der weißen Substanz sind eine Anzahl in einer Ebene geordneter Kerne zu sehen, die eine unvollständige Teilung derselben in zwei Teile hervorrufen. Der Nervus opticus ist jetzt ebenfalls bedeutend länger geworden. Seine weiße Substanz weist dieselbe fibrilläre Struktur auf wie die des Ganglion opticum selbst. Auf der vorderen Seite ist er von 2—3 Kernreihen umgrenzt. Die hintere Seite ist zwar von einer Kernreihe umstellt, hier sind aber die Kerne so locker verteilt, dab sie keine ununterbrochene Schicht bilden. In einem noch älteren Stadium erfährt das Ganglion opticum nur mehr eine Vergrößerung. Die histologischen Veränderungen sind nicht beträchtlich. Die Nervenfasern, die den durch die starke Ausbuchtung der Basalmembran gebildeten Raum einnehmen, ent- wickeln sich in einer ansehnlichen Menge und füllen ihn bald voll- kommen aus. Erst bei älteren Tieren kommt der von den vollkommen erwachsenen Tieren bekannte Bau des Ganglion opticum zustande. Cuaus (1886) hat eine Vergrößerung des Ganglion opticum bei Branchipus durch den sogenannten epithelialen Randwulst angegeben. Wie wir bereits angeführt haben, findet noch lange Zeit wohl eine ununterbrochene Bildung neuer Ommatidien durch die Tätigkeit des Epithels am Rande des Auges statt. Es treten jedoch keine Zellen aus dem Verband dieses Epithels aus, die zum Gehirn gehen könnten, um zu seiner Vergrößerung beizutragen. Auch die in dem früheren Stadium aus dem Epithel aus- getretenen Kerne treten nicht in Verbindung mit dem Gehirn, um zu seiner Vergrößerung beizutragen, sondern es wird durch ihre Umwandlung nur das Plasma der Nervenfasern gebildet, die die Retinazellen mit dem Ganglion opticum in Verbindung setzen. Nach vorstehender Darstellung verdankt also das ganze Ganglion opticum bei Artemia dem Gehirn seine Entstehung. In dieser Hin- Cyto-histogenetische Studien. 537 sicht weichen meine Angaben von denjenigen von Craus für Branchipus und Artemia ab. Danach soll nur der eine Teil des Ganglion opticum, und zwar der innere, einen cerebralen Ursprung haben, der äußere Teil soll durch die Epitheltätigkeit zustande kommen. B. Stammesgeschichte des zusammengesetzten Auges. In der Frage nach der phylogenetischen Entstehung des zu- sammengesetzten Auges stehen noch immer die beiden Haupt- ansichten JOHANNES MÜLLER’s und Fr. Leypie’s einander gegenüber. JOHANNES MÜLLER sieht das Omma eines zusammengesetzten Auges als gleichwertig mit einem einfachen Auge an. Nach ihm ist das zusammengesetzte Auge durch eine Aggregierung einer größeren Anzahl einfacher Augen zustande gekommen, welch letztere eine entsprechende Veränderung in ihrem Bau erfahren haben. Dem- gegenüber stellt Leypıc das zusammengesetzte Auge gleich dem einfachen Auge, indem er annimmt, daß durch einen Zerfall der Sehzellen in einzelne Gruppen sowie durch eine entsprechende Ein- teilung der Linse in viele einzelne Linsen das zusammengesetzte Auge aus dem einfachen entstanden ist. Alle späteren Forscher haben, je nach dem Momente, das sie für maßgebend hielten, für die eine oder für die andere Auffassung Partei genommen. Durch die Untersuchungen GRENACHER’S hat die Theorie MÜLLER’S die größte Stütze gefunden. Nach diesem Forscher existiert zwischen einem Stemma und einem einzelnen Omma folgende Übereinstimmung: eine mehr oder weniger gewölbte Cornea, hinter dieser eine durch- sichtige Zellenschicht, der die Cornea ihre Entstehung verdankt; dahinter eine zellige Retina, deren Zellen vorn ein Stäbchen eingesenkt tragen, hinten mit einer Nervenfaser verbunden sind, und schließlich Pigment- zellen, welche das Ganze an seiner Peripherie umgeben und gegen seitlich einfallendes Licht schützen. Die Unterschiede bestehen ‘nur in der Zahl und der Gestalt der Augenelemente. Das Stemma ist als Schwester, nicht als Mutter des Ommas anzusehen; von einem hypothetischen Urauge hat sich einerseits durch Vermehrung der einzelnen Elemente das Stemma, andrerseits durch Vermehrung und durch Aggregierung der Einzelaugen das zusammengesetzte Auge ausgebildet. Diese Auffassung wird auch von PAnkRATH (1890) geteilt. Hesse (1900) leitet das Omma, ähnlich wie MÜLLER und GRENACHER, von einfachen Augen ab. Er glaubt eine Reihe von Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 35 538 Turopor Mororr, Augenformen feststellen zu können, welche als palingenetische Bildungen zu betrachten wären und verschiedene Etappen in der Entwicklung oder besser in der Umwandlung des Stemmas in ein Omma darstellen. Ähnlich wie diese werden die Ommen als epi- theliale Einstülpungen angelegt, wobei die Epithelzellen immer mehr die Tendenz zeigen sich um eine gemeinsame Achse zu ordnen. Als ursprünglichste Form betrachtet er das Auge von Dytiscus, welches einen Anschluß nach unten bietet. Mit diesem Auge wären die Augen von Scolopender und von Lithobius zu vergleichen, wo das Auge zweischichtig zu sein beginnt. Das Komplexauge von Scutigera ist geeignet zu zeigen, auf welche Weise das Lythobius-Auge zum Omma eines Komplexauges wird. Durch Mehrung solcher einzelner Augen und infolge des nahen Zusammenrückens derselben würde sich die Gestaltveränderung, das Schlankwerden der ganzen Ommen und im einzelnen der Sehzellen und der Krystallkegelzellen aus mechanischen Verhältnissen ohne weiteres erklären. Andrerseits sind nach Hesse auch die Krystallkegelzellen der Ommatidien von Seutigera mit den unter der Linse gelegenen Zellen in dem Auge von Lithobius zu homologisieren. Alle diese Ableitungen sind aber, wie Hesse selbst zugibt, nur möglich auf Grund der Annahme, daß bei allen besprochenen Augen- formen in den recipierenden Endorganen sich überall mehr oder minder modifizierte Stiftchensäume finden lassen. Da aber die frag- lichen Stiftchensäume für viele Formen von den späteren Forschern nicht nur nicht bestätigt, sondern auch bestritten wurden und da ihr Vorkommen überhaupt sehr problematisch ist, erscheint auch die von Hesse konstruierte Reihe ohne einen tieferen Zusammenhang. Es kann ihr daher die Bedeutung nicht zuerkannt werden, die ihr ursprünglich vom Autor selbst zugedacht wurde. Da aber Hesse die Stiftchensäume ausnahmslos bei allen Arthropodenaugen findet, kann diese Erscheinung kaum zugunsten der Ansicht, daß das zu- sammengesetzte Auge durch Aggregierung einfacher Stemmata zu- stande kommt, ins Feld geführt werden, auch dann nicht, wenn seine Behauptung sich als richtig erweisen sollte. Zu der Auffassung Lrypie’s hat sich Ray LAnkESTER bekannt, der zuerst die Anordnung der Retinazellen in dem Auge der Scorpione in Gruppen festgestellt hat. Durch diese Entdeckung wurde einer der Hauptunterschiede, welche nach GRENACHER zwischen dem ein- fachen Auge und dem zusammengesetzten Auge existieren sollten, beseitigt. Nach ihm entsteht ein zusammengesetztes Auge aus einem Cyto-histogenetische Studien. 539 doppelschichtigen Einzelauge, indem eine Umgruppierung der einzelnen Elemente, sowohl in der Retina, als auch in dem Glaskörper und der Linse, stattfindet. Patten betrachtet das zusammengesetzte Auge, ähnlich wie Ray Lanxester, als einen modifizierten Ocellus. Den primitiven Arthropodenocellus sieht er als ein geschlossenes Augenbläschen an, in welchem die innere Wand die Retina bildet, weshalb auch die Stäbchen aufrecht stehen. (Diese Behauptung steht aber in Wider- spruch mit den Angaben von Locy, Marx, PARKER etc. über die Entwicklung des Arachnoidenauges.) Die äußere Wand der Blase ist in den meisten Fällen nicht sichtbar. Die Hypodermis über dem Augenbläschen wird von der Glaskörperschicht — von ihm corneale Hypodermis genannt — gebildet. Dieselbe Schicht ist auch in dem zusammengesetzten Auge als eine dünne Lage von Zellen über den Krystallkegeln vorhanden, die er ebenfalls als corneale Hypodermis bezeichnet. Deshalb sind die Krystallkegelzellen nicht homolog mit den Glaskörpern der Ocellen, sondern mit den farblosen stäbchen- tragenden Zellen oder Retinophoren, mit denen sie eine gleiche Funktion haben. Auch REDIKORZEW (1900) ist geneigt diese Theorie zu unterstützen. Er glaubt nämlich, daß, nachdem die Larvenhaut mit der Linse in dem Ocellus abgeworfen wird, an ihrer Stelle eine ganze Reihe von Corneafacetten auftritt, welche wahrscheinlich von den schirmférmig verbreiterten distalen Enden der Glaskörperzellen abgesondert werden. Durch vergleichend histologische Studien lassen sich also Be- weise für beide Auffassungen bringen, welche sich ziemlich die Wage halten. Allerdings muß zugegeben werden, dab MÜLLer’s Auffassung besser fundiert zu sein scheint und von einem größeren Teil der Forscher geteilt wird. Merkwürdigerweise wurde bei der Bestrebung der Forscher, Klarheit zu bringen, in welcher Beziehung das zu- sammengesetzte Auge zum Stemma steht, die Entwicklungsgeschichte recht wenig in Betracht gezogen. Der Grund dieser Erscheinung dürfte teilweise darin zu suchen sein, daß die Embryologie des Auges noch recht ungenügend bekannt war. Bei einer Berücksichtigung der wenigen und zum Teil unzu- treffenden Kenntnisse, die man darüber besitzt, wären sie zugunsten Leypie’s Auffassung ausgefallen. Das müßte aber mehr auf den Umstand zurückgeführt werden, daß unsere Kenntnisse über die Entwicklung der Ocellen, dank vieler und sorgfältiger Forschungen zahlreicher Gelehrten, ziemlich befriedigend sind. Für das Komplex- 3D* 540 TxHEopor Mororr, auge weiß man aber nur, daß es bei einer Reihe von Crustaceen als eine polsterartige Epithelverdickung angelegt wird, in welcher nachher die Differenzierung der einzelnen Ommatidien stattfindet. Bei den übrigen Crustaceen erfolgt die erste Anlage des Auges, ähnlich wie das einfache Auge bei den Arachnoideen, als eine Epithel- einstülpung. Durch die Schließung dieser Einstülpung entsteht eine Blase, welche sich von der darüberziehenden Hypodermisschicht ganz abschnürt. Aus den durch diesen Abschnürungsprozeß entstandenen drei Schichten differenzieren sich die einzelnen Bestandteile des Auges. Bei den Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte des zu- sammengesetzten Auges war man offenbar von dem Bestreben be- einflußt, einen gemeinsamen Entwicklungstypus für beiderlei Augen zu suchen, der auch auf eine gemeinsame Abstammung dieses Organs hindeutet. Jedenfalls ließ sich nach dem durch die Entwicklungs- geschichte erzielten Resultate in beiden Fällen eine weitgehende Parallele zwischen dem einfachen Auge der Arachnoideen und dem komplexen Auge der Crustaceen durchführen, welche man in dem Sinne deuten könnte, dab die eine Augenform direkt aus der anderen entstanden ist. Nachdem wir die Entwicklung des Decapoden- und Phyllopoden- auges richtig gestellt und in ihren Details verfolgt haben, wollen wir einen genaueren Vergleich zwischen dem einfachen und dem Komplexauge vornehmen und die viel umstrittene Frage nach der verwandtschaftlichen Beziehung derselben klarzulegen suchen. Wie in dem speziellen Teil festgestellt wurde, wird das zu- sammengesetzte Auge der Crustaceen, ähnlich wie die Ocellen vieler Arthropoden, als eine polsterartige Epithelwucherung angelegt, in welcher sich die einzelnen Ommatidien differenzieren. In diesen groben Zügen spricht die Entwicklungsgeschichte für die Auffassung Leyvic’s. Was sich mit letzterer nicht vereinigen läßt und direkt gegen dieselbe spricht, ist die Tatsache, daß, nachdem eine bestimmte Anzahl von Ommatidien angelegt wird, das Auge also bereits ge- bildet worden ist, noch lange Zeit nachher eine Vergrößerung des letzteren durch die ununterbrochene Tätigkeit des Epithels statt- findet. Durch diesen Prozeß werden noch lange Zeit neue Ommatidien gebildet, die am Rande des Auges zu den bereits vorhandenen hin- zutreten. Die zeitliche Differenz, die bei dem Auftreten der Ommen in dem Komplexauge zu konstatieren ist, dürfte am ehesten als Reminiszenz an den langen Aggregierungsprozeß, welcher das zu- sammengesetzte Auge zustande gebracht haben soll, aufzufassen sein. Cyto-histogenetische Studien. 541 Diese Erscheinung ist bei Artemia sogar bei fast erwachsenen Tieren zu beobachten und deutet daraufhin, daß dieser Aggregierungs- prozeß noch heute seinen Abschluß nicht gefunden hat. Die aus- gedehnte polsterartige epitheliale Wucherung dürfte hingegen auf eine gleichzeitige Anlage vieler Ommen zurückzuführen sein. Auf Grund dieses Umstandes erscheint die Annahme Leyvıe’s äußerst unwahrscheinlich. Die Auffassung MürLter’s gewinnt durch diesen Umstand hingegen sehr an Wahrscheinlichkeit. Wir müssen daher weiter prüfen, ob ihr auch die übrigen Erscheinungen günstig sind. WATASE, KORSCHELT u. HEIDER und Hesse nehmen an, daß die Ommen aus ursprünglich eingestülpten Augen entstanden sind. Hesse nimmt an, daß aus einem eingestülpten Myriapodenauge, durch Austreten einiger Zellen aus dem Epithelverband in die Ein- stülpungshöhle, Zweischichtiekeit entstanden ist. Diese Zellen werden teils zu Krystallzellen, teils zu Corneagenzellen. Die Seh- zellen in den seitlichen Wandungen in der Einstülpung ordnen sich in zwei Niveaux. Es tritt dann eine Vermehrung der Seh- zellen bis auf 7 ein, die zu 4 und 5 auf die zwei Niveaux verteilt liegen. Endlich rücken wahrscheinlich infolge des Schlankwerdens der Sehzeilen die 7 Zellen in ein Niveau, womit die Umbildung voll- endet ist. Zur Demonstrierung der Richtigkeit dieser Annahme können einerseits die vergleichend histologischen Untersuchungen, andrer- seits die Embryologie herangezogen werden. Nach der Vorstellung Hesse’s hatten die Ommen der primi- tiveren Crustaceen eine größere Zahl von Retinazellen gehabt, und jetzt wäre eine Tendenz zur Verringerung der Zahl der Retina- zellen eines Ommatidiums im Gange. so dab Ommen mit größerer Zahl von Retinazellen auf primitivere Verhältnisse, hingegen Ommen mit weniger Retinazellen auf höhere Verhältnisse hindeuten würden. Durch die Art der Segmentierung ihres Körpers, durch die Form der Füße sowie durch die innere Anatomie, welche weit primitivere Verhältnisse darstellen als bei den Decapoden, steht Artemia systematisch weit niederer als Palaemon. In bezug auf die Histologie des zusammengesetzten Auges treten uns jedoch nur zum Teil primitivere Verhältnisse bei Artemia als bei dem letzterwähnten Decapod entgegen. Als primitiv müßte angesehen werden: einmal die lockere Aggregierung der einzelnen Ommen welche in den 542 TuEopor Mororr, meisten Fällen weit voneinander stehen, und zweitens die lang an- haltende Bildung von neuen Ommatidien durch die Epitheltätigkeit am Vorderende der Epithelverdickung. Man müßte daher erwarten, daß die Zusammensetzung der einzelnen Augen ebenfalls primitivere Verhältnisse zeigen wird. Einerseits müßte man eine Verteilung der Retinazellen in 2 Schichten erwarten, andrerseits sollte ihre Zahl größer sein. Dies ist jedoch durchaus nicht der Fall. Bis zu einem gewissen Grade könnte man die erste Erwartung als erfüllt ansehen, wenn man nämlich die Verteilung der Retinakerne als eine Verteilung der Retinazellen in 2 Schichten deuten würde, eine Deutung, die kaum -das Richtige trifft. Diese Kernverteilung könnte viel eher als eine sekundäre Erscheinung angesehen werden, die durch die Raumverhältnisse hervorgerufen wird, zumal dieser Teil der Retinazellen, in welchem die Kerne liegen, in den breiten Räumen zwischen den Krystallkegelgruppen verteilt ist. Die Zahl der zu jedem Omma gehörenden Retinazellen ist 5. Diese Erschei- nung deutet aber in dem Gedankengang Hesse’s darauf hin, dab das Auge von Artemia höher als das von Palaemon steht, eine An- nahme, die recht wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. Mit dieser Betrachtungsweise können wir also zu Schlußfolgerungen Kommen, die kaum das Richtige treffen. Ziehen wir daher zur Klärung dieser Frage auch die Entwick- lungsgeschichte in Betracht, wobei wir mehr die feineren Prozesse ins Auge fassen. Zuvor wollen wir aber bemerken, daß bei der Ableitung des Ommatidiums aus einem eingestülpten einfachen Auge eine mehr oder minder große Zahl von Zellen zum Verschwinden gebracht worden ist, für die man mit hohem Rechte erwarten müßte, daß sie sich während der Embryonalentwicklung anlegen. Ferner wird zwischen den einzelnen Augen, bevor sie sich zur Bildung des zusammengesetzten Auges, eng aneinander geschlossen hätten, eine mehr oder minder breite Schicht existiert haben, welche die einzelnen Augen voneinander getrennt hat; später dürfte sie jedoch verschwunden sein. Man müßte aber erwarten, daß sie sich embryonal auch anlegt, um später wieder zu verschwinden. Da die Zellen in den früheren Entwicklungsstadien allein durch die Kerne repräsentiert werden und ein großer Teil derselben zugrunde geht, indem sie aufgelöst werden, so würde diese Erscheinung sehr zu- gunsten dieser Annahme sprechen. Wenn man aber andrerseits in Betracht zieht, daß überall, wo ein Organ entsteht, oder besser, wo histologische Differenzierungen stattfinden, eine Auflösung größerer Cyto-histogenetische Studien. 543 Kernkomplexe erfolgt, so kann auch die Auflösung der Kerne in der Augenanlage wenigstens für Palaemon kaum in der vorhin an- gegebenen Weise gedeutet werden. Viel eher wäre eine andere Erklärung zu suchen; darüber wird aber in einem späteren Kapitel ausführlicher gesprochen. Bei Artemia fallen ebenfalls bei der histo- logischen Differenzierung der einzelnen Organe viele Kerne einer Auflösung anheim; dieser Auflösungsprozeß hat aber bei weitem keine solche Dimension angenommen wie bei Palaemon, daher könnte er ebenfalls nicht in dem vorhin angegebenen Sinne gedeutet werden. Andrerseits lösen sich in der Augenanlage der Artemia nur wenige Kerne auf, vornehmlich diejenigen, die der Basalmembran anliegen. Die äußeren Kernreihen geben die Grundlage für die Retinazellen. Auber der Tatsache, daß durch die Epithelwucherung noch lange Zeit hindurch neue Ommen gebildet werden, die sich zu den bereits früher angelegten hinzugesellen, ist keine andere Tatsache aus der Entwicklungsgeschichte vorhanden, welche zugunsten der MÜLLER- schen Auffassung von der Entstehung der Ommen spricht. Anderer- seits spricht die Tatsache, daß die Kerne in der Epithelwucherung anfänglich unregelmäßig verteilt sind und erst später ihre Anord- nung in deutlichen Reihen und in Gruppen erfolgt, gegen diese An- sicht und wäre mehr zur Unterstützung der Anschauung Lerypic’s von der Entstehung des Facettenauges aus einem einfachen Auge durch Gruppierung seiner Elemente geeignet. Immerhin betrachten wir die Tatsache, daß, nachdem die Bildung des Auges erfolgt ist, eine Vergrößerung desselben durch eine nachträgliche Bildung neuer Ommatidien noch lange Zeit anhält, für so ausschlaggebend, dab wir uns zugunsten der Ansicht von JOHANNES MÜLLER entscheiden. Allerdings müssen wir gleich hervorheben, dab wir uns diesen AgeregierungsprozeB ganz anders vorstellen. Unsere Ansicht werden wir aber erst am Schlusse dieses Kapitels auseinandersetzen und näher zu begründen suchen. Hier ist zuerst noch die Frage zu erörtern, ob die weitgehende Übereinstimmung, welche in den zusammengesetzten Augen in der großen Mehrheit der Arthropoden existiert, unbedingt auf die An- nahme einer monophyletischen Entstehung desselben drängt oder ob nicht auch eine selbständige Entstehung dieses Auges wenigstens für größere Gruppen zuzulassen und die große Übereinstimmung in ihrem Bau auf konvergente Züchtung zurückzuführen wäre. Nach dem Stande unserer jetzigen Kenntnisse ist diese Frage kaum be- 544 THEODOR Mororr, friedigend zu entscheiden. Gerade die Entwicklungsgeschichte, die uns wertvolle Winke zu geben imstande wäre, ist nur in groben’ Zügen bei wenigen Formen verfolgt worden. Bei der Erörterung dieser Frage wurden meistens nur vergleichend histologische Daten in Betracht gezogen. KorscHELT u. HEIDER betrachten das Komplexauge der Crusta- ceen als nicht direkt mit dem Insectenauge verwandt, sondern als selbständig entstanden. Ferner leiten sie das Auge der Scorpione von zusammengesetzten Augen her, deren getrennte Corneallinsen zu einer einzigen zusammengeschmolzen seien. Die einschichtigen Seitenaugen der Scorpione sind mit denen von Limulus zu vergleichen und entstanden durch Zusammenfließen der Einzelaugen, die dort noch getrennt sind. Nach diesen Autoren sind bei den verschiedenen Arthropoden-Gruppen, Myriapoden, Arachnoideen, Crustaceen und Insecten, selbständige Aggregierungen von Einzelaugen zu Komplex- augen zustande gekommen. Bei Crustaceen und Insecten hat dieser Vorgang zu völlig entsprechenden Ergebnissen geführt. Hesse nimmt auf Grund vergleichend histologischer Betrach- tungen eine nähere Verwandtschaft zwischen Crustaceen- und In- sectenaugen an. Er betrachtet die Corneagenzellen der ersterwähnten Gruppe als homolog mit den Hauptpigmentzellen der Insecten. Mit GRENACHER nimmt er an, dab der gemeinsame Ahn beider Klassen schon ein Komplexauge besessen haben wird. Andrerseits muß das Auge der Myriapoden einerseits und die gemeinsame Stammform der Crustaceen und Insecten andrerseits von einem weiter zurück- liegenden gemeinschaftlichen Ausgangspunkt herstammen. Diese Be- trachtungsweise stößt aber auf große Schwierigkeiten, da man eventaell eine selbständige Entstehung der Tracheen bei Insecten und Myriapoden annehmen müßte Hesse nimmt ferner an, daß die Bildung der Krystallkegel bei Crustaceen und Insecten unab- hängig erfolgt sei; man müßte also zusammengesetzte Augen ohne Krystallkegel annehmen. Bei der großen Übereinstimmung, welche zwischen dem Auge der Crustaceen einerseits und der Insecten andrerseits existiert, sind eine Anzahl gewichtiger Unterschiede vorhanden, die zu größerer Vorsicht mahnen. Durch die Untersuchungen von KIRCHHOFFER (1910), Drerricx (1909), JoHANsEn (1910), Bepav (1911) usw. bei In: secten wurde die große Unbeständigkeit in der Zahl der Retinazellen festgestellt; auch die Zahl der Hautpigmentzellen ist weiten Schwan- kungen unterworfen. So besteht die Retina der pentameren Käfer Cyto-histogenetische Studien. 545 nach KircHHorrEr aus 8 Zellen, bei Dipteren nach Drerricn eben- falls aus 8 Zellen; bei Satyriden nach Jonansen aus 7 Zellen, bei Lycäniden weisen die Retinazellen nach demselben Autor eine Vermehrung bis auf 10 auf; dieselben Verhältnisse sind auch bei Cidoria bilineata und bei Botis verticalis festzustellen. Bei Ranatra, Corixa und Naucoris ist jedes Ommatidium von einem Kranz Neben- pigmentzellen umhüllt, deren Zahl 12 beträgt; bei Simulium ist die Zahldieser Nebenpigmentzellen 48; bei Coenonympha, Chrysophanus usw. beträgt ihre Zahl nur 6. Auch bei den Crustaceen schwankt die Zahl der Retinazellen zwischen 5 und 8, so daß der Umstand, dab die Retinazellen der meisten Crustaceen und Insecten aus 7 (8?) Zellen bestehen, nicht von so großem Belange ist. Ferner ist die Homologisierung der Corneagenzellen der Crustaceen mit den Haupt- pigmentzellen der Insecten nicht so sicher, da ihre Zahl bei Crusta- ceen zwischen 2 und 4 schwankt; bei Insecten kann sie jedoch von 2—20 variieren. Es ist daher notwendig, zur Klärung dieser Frage auch die Entwicklungsgeschichte zu Rate zu ziehen, indem wir versuchen, die während der Embryologie zum Vorschein kommenden überein- stimmenden und die abweichenden Momente hervorzuheben. Durch die ziemlich übereinstimmenden Untersuchungen JOHANSEN’s und KrircHHOFFER’S (1910) wurde festgestellt, daß die erste Anlage des zu- sammengesetzten Auges der Insecten in Form einer epithelialen Ver- dickung auftritt, die nicht nur anfänglich einschichtig ist, sondern auch in den viel späteren erwachsenen Stadien einschichtig bleibt; so sehen wir, daß die Pigment- und Semper’schen Zellen bei Der- mestes sich durch die ganze Dicke des Auges von der einen Ober- fläche bis zur anderen erstrecken. Von einer Zellkernauflösung ist bei den Inseeten nichts zu bemerken. Zur Bildung der Rhabdome differenzieren sich bei den Insecten an der Oberfläche der Retina- zellen die Rhabditen, die sich später mehr oder minder nahe anein- anderlegen. Der Hauptunterschied besteht also darin, dab das zu- sammengesetzte Auge bei den Crustaceen (Decapoden) als eine mehr- schichtige Epithelwucherung gleich vom Anfang an angelegt wird, woraus nachher sich die einzelnen Ommatidien mit ihren Bestand- teilen differenzieren. Die Einschichtigkeit bewahrt das Insectenauge bis zu einem hohen Grade noch in seinem entwickelten Zustande. Das sind zu weitgehende Differenzen, die, in Anbetracht der großen Übereinstimmung der entwickelten Augen bei beiden Gruppen, sehr 546 Turopor Mororr, an Interesse gewinnen und bei phylogenetischen Spekulationen um so mehr ihre gebührende Würdigung finden müssen. Ein nicht unbeträchtlicher Unterschied besteht ferner darin, daß bei den Crustaceen das zusammengesetzte Auge sehr frühzeitig während der Embryonalentwicklung angelegt wird. Bei den Insecten kommt es erst nach der Verpuppung zur Ausbildung. Es handelt sich also bei dieser Gruppe um ein verhältnismäßig jüngeres Organ als bei den Crustaceen. Von dem Standpunkte der monophyletischen Entstehung des zusammengesetzten Auges bei Crustaceen und Insecten aus müßte man eigentlich eher erwarten, daß diese 2 Augen in ihrem Em- bryonalstadium mehr übereinstimmende Momente aufweisen werden als in ihrem entwickelten Zustande Im Sinne der Konvergenz- züchtung findet diese Erscheinung hingegen ihre beste Erklärung. Wenn wir ferner in Betracht ziehen, daß dieses Auge bei höheren Insecten und Crustaceen weit mehr übereinstimmende Momente auf- weist als bei niedrig stehenden Repräsentanten dieser 2 Arthro- poden-Gruppen, so gewinnt KorsCHELT u. HEIDErR’s Annahme von dem polyphyletischen Ursprung dieses Organs um so mehr an Wahr- scheinlichkeit. Jetzt wollen wir die Differenzen, die während der Entwicklung des zusammengesetzten Auges innerhalb der Crustaceen-Gruppe zu- tage treten, uns näher ansehen, wobei wir uns, da für andere Re- präsentanten der Gruppe die Untersuchungen nicht detailliert genug sind, mehr an Palaemon und Artemia halten werden. Bei Palaemon wird die Augenanlage bald vielschichtig, und aus den topographisch wohlbestimmbaren Schichten differenzieren sich die einzelnen Bestandteile der Ommatidien; es wird zuerst in den innersten Schichten das Pigment gebildet, und erst später erfolgt die Bildung der Krystallkegel und der Cornealinsen in den äußeren Schichten. Bei Artemia beginnt die Pigmentbildung gleichzeitig mit der Epithelvermehrung, d. h. in dem Moment seines Überganges von dem einschichtigen in den mehrschichtigen Zustand. Außerdem er- streckt sich das Pigment an vielen Stellen bis zur Oberfläche des "Auges. Es macht den Eindruck, als ob die Krystallkegel an vielen Stellen durch eine nachträgliche Vermehrung der äußersten Epithel- schicht entstehen und mit den bereits früher gebildeten Retinula in Verbindung treten. Dies würde für die Annahme sprechen, dab der lichtbrechende Teil eines Ommas erst später zur Ausbildung ge- kommen ist. Bei Palaemon gehen weit mehr Zellkerne zugrunde als Cyto-histogenetische Studien. 547 bei Artemia, und doch besteht das Omma aus weit mehr Zellen als beim letzteren Tier, das ursprünglichere Verhältnisse bieten sollte. Wenn man also überhaupt Wert auf die Zahl der das Auge zu- sammensetzenden Bestandteile legt, so wäre die Ableitung der Ommen bei diesen Tieren aus einem Stemma mit großen Schwierigkeiten verbunden. Für die Insecten und für einen großen Teil der Crustaceen wurde festgestellt, daß ein jedes Rhabdom aus so vielen Teilen (Rhabdomeren) besteht, wie Retinazellen in dem Ommatidium vor- handen sind. Die Rhabdomere werden als Differenzierungen. der Retinazellen selbst angesehen. Zu dieser Schlußfolgerung ist man durch vergleichend histologische Studien an Insectenaugen gekommen. Es gibt Fälle, wo die Retinazellen nicht dicht aneinandergepreBt sind, dementsprechend stehen die von ihnen gebildeten Rhabdome voneinander ab, sie sind um einen Hohlraum geordnet. Bei anderen Tieren verschmelzen die Rhabdome zu einem einfachen axialen Strang, dem Rhabdom, an dem man zuweilen auf Querschnitten noch Spuren der Trennungslinien nachweisen kann. Hesse betrachet die Rhabdome als Stiftchensäume, deren einzelne Stiftchen die ge- wöhnlich verdickten Enden einer Neurofibrille bilden, welche ihrer- seits durch die Sehzelle hindurch in deren Nervenfortsatz verläuft und in diesem wahrscheinlich zum Ganglion opticum oder zum Ge- hirn geht. Nun wurde diese Angabe Hesse’s von den späteren Forschern nicht bestätigt; wir wollen daher nicht länger dabei ver- weilen. Für einen großen Teil der Crustaceen, so besonders für die Decapoden, wurden die Rhabdome als Säulen beschrieben, die aus einer größeren Anzahl von Platten bestehen. Diese Platten sind nach manchen Forschern durch eine Ebene in zwei, nach anderen durch zwei aufeinander senkrecht gehende Ebenen in vier gleiche Teile geteilt, welche aber durchaus nicht als homolog der Rhab- domeren der übrigen Formen angesehen werden Können. Da die Rhabdomere bei den verschiedenen Vertretern der Arthropoden verschieden dicht aneinander gelagert sind und man sie bei gewissen Tieren leicht, bei anderen schwer im Rhabdom fest- stellen kann, so war die Annahme durchaus berechtigt, daß die ein Rhabdom zusammensetzenden Rhabdomere bei Decapoden so eng miteinander verwachsen sind, daß man sie nicht mehr unterscheiden kann. Nun müßte man aber erwarten, daß sie in embryonalen Stadien wohl zum Vorschein kommen werden und daß man sie bei 548 THEODOR Mororr, jugendlichen Tieren leicht unterscheiden werde. Dies ist aber durch- aus nicht der Fall. Die Rhabdome werden sowohl bei Artemia als auch bei Palaemon als eine stärkere Verdichtung des Plasmas an- gelegt, welches anfänglich eine deutlich längsgestreifte Struktur auf- weist. Diese einheitlichen Stäbe werden im Laufe der weiteren Entwicklung immer dichter. Erst viel später erscheinen bei Palae- mon in den Rhabdomen dunklere und hellere Schichten, welche die Zerlegung des zuvor einheitlichen Stabes in einzelne Platten her- vorrufen. Ferner erfolgt die Anlage des Rhabdoms in dem einheit- lichen Plasma, in welchem keine Zellgrenzen festzustellen sind. Die Entwicklungsgeschichte gibt uns also keine Belege dafür, daß die Rhabdome bei Palaemon in Form einzelner Rhabdomere an- gelegt werden. Da auch die histologischen Verhältnisse bei dem erwachsenen Tier vollkommen abweichend von denjenigen der In- secten sind, so wäre die Frage aufzuwerfen: ob sie mit den Rhab- domen der Insecten homologisiert werden können oder nicht? In Anbetracht der soeben auseinandergesetzten Erwägung sind wir geneigt anzunehmen, dab wir es in den Rhabdomen der Insecten und der Crustaceen mit Bildungen verschiedenerlei Ursprung zu tun haben. Für die Rhabdome der Crustaceen könnte man annehmen, dab sie in bezug auf ihre Phylogenie einen selbständigen Weg ein- geschlagen haben. Ein jedes Stemma des Insectenauges steht mit dem Hirn durch eine Nervenfaser in Verbindung. Wenn wir uns auf den Standpunkt stellen, dab das zusammengesetzte Auge durch Aggregierung solcher einzelner Augen zustande kommt, so sind in jedem Omma ihre ein- zelnen Bestandteile zu suchen. Zwar könnten manche von ihnen infolge der veränderten Bedingungen verloren gegangen sein, doch könnten sie wenigstens vorübergehend während der Embryonalent- wicklung zum Vorschein kommen. Es drängt sich daher die Frage auf, welcher Teil des Ommatidiums der Nervenfaser des Stemmas entsprechen könnte. Man ist geneigt anzunehmen, daß das Ganglion opticum und der Nervus opticus der Gesamtheit der Nervenfasern aller Stemmata, welche das zusammengesetzte Auge gebildet haben werden, entspricht. Alle diese Fasern hätten sich zum Nervus opticus vereinigt, welcher in seinem Verlaufe einige Anschwellungen bekommt, welche das Ganglion opticum bilden. Die Entwicklungs- geschichte lehrt uns aber, daß das Ganglion opticum zusammen mit dem Nervus opticus dem Gehirn seine Entstehung zu verdanken hat. Cyto-histogenetische Studien. 549 Wir müßten fragliche Nerven also nach außen von der Ganglien- anlage suchen. Da die epitheliale Anlage des Auges in ihrem größten Teil in unmittelbarer Berührung mit dem Hirn steht, so müßte man in derselben nach Bildungen suchen, welche den Nerven- fasern entsprechen könnten. Nun wäre an die jungen Rhabdome zu denken, die mit den Nervenfasern identisch sein könnten. Da- gegen spricht aber die Tatsache, daß sie einerseits gleich vom An- fang an vom Pigment dicht umhüllt sind, andrerseits macht es den Eindruck, als ob die Nervenfasern der Stemmata nicht dem Epithel ihre Entstehung zu verdanken haben. Wir haben also keine Bildungen in dem zusammengesetzten Auge, die wir sicher auf die Nervenfasern der Ocellen zurückführen könnten. Die Nervenfasern in dem interocularen Raum sind spätere Bildungen und können kaum in diesem Sinne gedeutet werden. Durch unsere Ausführungen im Vorhergehenden haben wir fest- gestellt, dab das zusammengesetzte Auge der Crustaceen einerseits, der Insecten andrerseits sich jedes für sich selbständig entwickelt hat. Wir haben also für beide Gruppen eine polyphyletische Ent- stehung dieses Organs annehmen müssen. Wir haben ferner fest- gestellt, daß die Entwicklungsgeschichte des zusammengesetzten Auges gegen Leypia’s Auffassung von der Entstehung dieses Organs aus einem einfachen Auge spricht, doch ist sie auch ungeeignet, die Auffassung MÜLLER’'s von der Entstehung desselben durch Aggre- gierung einzelner Ocellen in weitgehendem Maße zu unterstützen, in vieler Hinsicht spricht sie sogar dagegen. Wollten wir also die bei der Embryonalentwicklung des zusammengesetzten Auges zutage tretenden Erscheinungen von diesen zwei Auffassungen aus erklären, so bleiben sie uns ganz unverständlich und wir geraten jeden Augen- blick in Widersprüche. Es wäre daher die Frage aufzuwerfen, ob wir bei unseren Betrachtungen über die Phylogenie des zusammen- gesetzten Auges der Crustaceen nicht auch eine andere Entstehungs- möglichkeit ins Auge fassen müßten. Zu diesen zwei Auffassungen kam man auf Grund vergleichend histologischer Daten, die ausschließlich aus der Insectengruppe ge- wonnen worden sind. Bei dieser Gruppe läßt sich eine Reihe von Übergängen von einem einfachen bis zu einem zusammengesetzten Auge aufstellen, die zugunsten der einen oder der anderen Auf- fassung sprechen. Die Zusammenstellung dieser Reihe läßt sich nämlich von der einen oder von der anderen Auffassung vornehmen. Da wir aber festgestellt haben, dab beide Augen phylogenetisch 550 Txuropor Mororr, nichts Gemeinsames haben, so kann daher die bei den Insecten zu- sammengestellte Reihe von palingenetischen Bildungen keine Geltung für die Crustaceen haben. Um die Theorie MÜLLER’s oder Leypres auch auf das Crustaceenauge ausdehnen zu können, müßten wir innerhalb der Crustaceen-Gruppe selbst eine solche Reihe zusammen- stellen können. Zu einer solchen Zusammenstellung stehen uns aber gar keine Übergangsstadien zur Verfügung. Ja in der ganzen Gruppe kommt sogar nicht einmal ein einfaches Auge (Ocellus) vor. Das bei einem Teil der Crustaceen vorkommende und sich bei dem übrigen Teil vorübergehend embryonal anlegende Frontalauge (Nauplius-Auge) ist seinem Bau sowie seiner Entwicklung nach so grundverschieden von einem Ocellus, daß es bei dieser Spekulation gar nicht in Be- tracht kommen kann. Dieses Auge hat eine Phylogenie für sich, die unabhängig von der des Ocellus vor sich gegangen ist. Andrerseits sehen wir, daß das zusammengesetzte Auge bei dieser Gruppe äußerst frühzeitig angelegt wird. Aus dieser Er- scheinung können wir aber den Rückschluß ziehen, daß es bei solchen primitiven Crustaceen vorhanden gewesen sein wird, die nicht die Zeit gehabt haben werden, den langen Aggregierungsprozeß durch- zumachen, wenigstens nicht in der Weise, wie er für die Insecten gefordert wird. Daher wäre daran zu denken, ob nicht das Auge auf eine andere Weise und von einem anderen Organ abzuleiten wäre, das früher ebenfalls sensible Funktion zu erfüllen hätte. Da die Crustaceen von wurmähnlichen Formen abgeleitet werden, könnte man zunächst an den Wimperkranz der Trochophoralarve denken, in dem ein Teil seiner Zellen eine sensible Funktion übernommen hat, wobei sie gleichzeitig eine stärkere Verdickung erfahren haben. Der Rest des Wimperkranzes ist rückgebildet worden. Topographisch stimmt die erste Anlage des Auges mit dem Wimperkranz der Trochophoralarve überein. Sie tritt als eine stärkere Verdickung des Epithels auf, die als solche eine bestimmte Zeit lang anhält, erst später wird sie mehrschichtig. Durch die Ausbildung des Pigments wird diese Epithelverdickung lichtpercipierende Eigenschaften angenommen haben. Wenn die embryonale Entwicklung des Auges wenigstens eine annähernde Wiederholung der Stammesgeschichte selbst ist, so wird es einmal einen dauernden Augenzustand der Crustaceen ge- geben haben, in welchem dieses Organ aus einem äußeren licht- brechenden Teil, der aus gleichartig angeordneten Zellen bestanden haben wird, und aus einer inneren Pigmentschicht zusammengesetzt Cyto-histogenetische Studien. 551 gewesen ist. Erst später wird die Gruppierung der äußeren Epithel- zellen zu Krystallkegeln erfolgt sein. Anfänglich wird das Auge aus wenigen Zellen bestanden haben. Offenbar hat es durch die lebhafte Tätigkeit des Epithels nach vorn und nach dem Rücken zu allmählich eine Vergrößerung erfahren. Bei manchen niederen Crustaceen (Artemia) hält dieser Ausdehnungsprozeß, wie es scheint, noch jetzt an, da, wie bereits dargestellt, noch bei fast erwachsenen (alten) Tieren neue Ommatidien gebildet werden. Obwohl jedoch dieser Aggregierungsprozeß bei diesem Branchiopoden heute noch anhält, sehen wir am Kopf des Tieres keine Stemmata sich bilden, die nachträglich sich mit dem Auge vereinigen. Durch die Tätigkeit des Epithels am Augenrande werden nur Ommatidien gebildet, die sich von den zuerst angelegten in nichts unterscheiden. In der Embryologie des Ommatidiums finden wir also keine Anzeichen, welche auf eine Phylogenie derselben aus einem Stemma hindeuten könnten. Dieselbe Erscheinung beobachten wir auch bei Palaemon. Von einer solchen Auffassung aus ließen sich vielleicht manche Erscheinungen, die während der Entwicklung des Auges der Crusta- ceen zu beobachten sind, leichter verstehen: so vor allem die von den Retinazellen unabhängige Bildung der Rhabdome; ferner die Anlage der Retinazellen in der Krystallkegelregion und ihre äußerst späte Wanderung in die tiefer liegende Pigment(Rhabdom)-schicht bei Palaemon. Auch das Fehlen von Rhabdomeren in den Rhab- domen ließe sich damit erklären. Durch das Studium der Entwicklungsgeschichte anderer, besonders niederer, Crustaceen wird sich feststellen lassen, inwieweit die von mir in vorhergehenden Zeilen geäußerte Ansicht von der Ent- stehung des zusammengesetzten Auges der Wirklichkeit näher kommt. Vorderhand hat sie nur einen äußerst hypothetischen Wert. Obwohl wir annehmen, daß die Entstehung des zusammengesetzten Auges bei Crustaceen auf die vorhin angegebene oder auf eine analoge Weise vor sich gegangen sein dürfte, so wollen wir damit durchaus nicht die früheren Annahmen Jon. MÜLrer’s oder Fr. LEeypi&s von der Entstehung des zusammengesetzten Auges der Insecten in Zweifel setzen. Wie bereits im Vorhergehenden betont wurde, hat das In- sectenauge eine Phylogenie für sich, die nach der von MÜLLER oder LeyniG angegebenen Weise oder nach beiden Weisen vor sich ge- sangen sein kann. Eine Annahme, dab das zusammengesetzte Auge innerhalb der Inseetengruppe selbst keine einheitliche Entstehung hat, ist, wie im Vorhergehenden nachgewiesen wurde, durchaus nicht 552 THEODOR Mororr, ohne weiteres von der Hand zu weisen. Ausgedehnte entwicklungs- geschichtliche Studien, die sich auf alle Insecten erstrecken, könnten Klarheit über diese Frage verschaffen. Die Entfaltung des zusammengesetzten Auges bei Crustaceen ist streng genommen kaum als ein Aggregierungsprozeß einzelner Augen anzusehen, da sie nicht, wie dies bei den Insecten der Fall sein dürfte, zuvor als Ocellen funktioniert haben werden. Literaturverzeichnis über das Facettenauge. BEDAU, K. (1911), Das Facettenauge der Wasserwanzen, in: Z. wiss. Zool., Vol. 97, p. 417—456, tab. 19—20. BOBRETZKI, N. (1873), Entwicklung von Astacus und Palaemon (zitiert nach REICHENBACH). BULLER, J. F. (1879), On the development of the parasitic Isopoda, in: Phil. Trans. Roy. Soc. London, Vol. 169, p. 505—521, tab. 45—47. 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Gezeichnet wurde nur die eine Hälfte des Schnittes. Die Kerne in der epithelialen Verdiekung der Augen- anlage sind in mehreren Schichten geordnet. Die Gehirnanlage ist eben- falls bedeutend dicker geworden. 600:1. Fig. 6 (Taf. 31). Palaemon. Ein Stück der epithelialen Verdickung des zusammengesetzten Auges stark vergrößert, um die Struktur der Kerne und ihre Verteilung zu zeigen. Die Bildung des Pigments in dem untersten dicksten Teil des Auges hat bereits begonnen. 1700:1. Fig. 7 (Taf. 34). Palaemon. Ein Teil eines Querschnitts durch die epitheliale Augenanlage. Dieses Stadium ist um ein wenig älter als in der vorhergehenden Zeichnung. An der Oberfläche der Epithelverdickung ist eine lebhafte Bildung von Chromidien zu sehen, welche durch den Zerfall der oberflächlichsten Kerne hervorgerufen wird. 2000:1. Fig. 8 (Taf. 30). Palaemon. Ein Längsschnitt durch die junge Anlage des Facettenauges. Die äußerste kompakte Kernmasse mit dem zum Teil bereits angelegten Pigment stellt die epitheliale Wucherung dar, aus der sich die einzelnen Ommatidien differenzieren werden. Die ganze übrige Masse ist die junge Anlage des Ganglion opticum. 450:1. Fig. 8a (Taf. 30). Palaemon. In dieser Figur wurde ein Teil der epithelialen Wucherung der vorhergehenden Figur bei einer weit stärkeren Vergrößerung gezeichnet und zwar die Stelle, welche mit einem * bezeichnet wurde. 2000:1. 36* 556 Turopor Mororr, Fig. 9 (Taf. 30). Palaemon. Junge Pigmentsäulen, welche mit den in Auflösung begriffenen Kernen alternieren. 1500:1. Fig. 10 (Taf. 30). Palaemon. In dieser Figur ist die Pigmentbildung weiter vorgeschritten. Es wurden zwei ganze Pigmentsäulen gezeichnet, außerdem auch eine Kerngruppe, die den lichtbrechenden Teil des Omma- tidiums liefern wird. 1000:1. Fig. 11 (Taf. 31). Palaemon. In dieser Figur wurden vier Pigment- säulen gezeichnet. In dem der Figur zugrunde gelegten Präparat wurde durch geeignete Behandlung zuvor das Pigment aufgelöst. Die jungen Rhabdome sind bereits angelegt. Sie alternieren mit einzelnen Kernen, welche eine Reihe bilden. Außerdem sind Haufen von Chromidien zu sehen, die offenbar durch die Auflösung von Kernen zustande gekommen sind. Fig. 12 (Taf. 31). Palaemon. Ein etwas älteres Stadium, in welchem die Bildung der Rhabdome weiter vorgeschritten ist. Hier ist auch die letzte Kernreihe zwischen den letzteren verschwunden. An Stelle der Kerne sind nur noch Chromidienhaufen zu sehen. Vorbehandlung des Präparats wie in der vorhergehenden Figur. 1700:1. Fig. 13 (Taf. 32). Palaemon. In dieser Figur sind zwei Pigmentsäulen gezeichnet, die bereits eine keulenformige Gestalt angenommen haben. Das Pigment in der Mitte der Säulen ist teilweise verschwunden. Fig. 14 (Taf. 32). Palaemon. Querschnitt durch den dünnen Teil (Stiel) der Pigmentsäulen. Das Pigment ist in Form dicker Ringe angeordnet. Fig. 15 (Taf. 32). Palaemon. Querschnitt durch die distalen Enden der Pigmentsäulen. Das Pigment ist um die zentrale dunklere Partie der Säulen in Form von Streifen angesammelt, welche gegen die Spitze der Säule von vier auf sieben steigen. 2250:1. Fig. 16 (Taf. 31). Palaemon. Querschnitt durch die Rhabdome des zu- sammengesetzten Auges. Es sind fünf Querschnitte der bereits differenzierten Rhabdome gezeichnet, die von vielen Chromidienstücken umgeben sind. 2250:1. Fig. 17 (Taf. 32). Palaemon. Der Rhabdomteil eines Ommatidiums. In dem verdünnten Teil des Kolbens ist wenig Pigment zu sehen. 2250:1. Fig. 18 (Taf. 32). Palaemon. Querschnitt durch die proximale Region der Rhabdome. Dasselbe Alter wie in dem vorhergehenden Stadium. 2250:1. Fig. 19 (Taf. 33). Palaemon. Querschnitt durch die Rhabdomregion des Auges entpigmentiert. Die Bildung der Rhabdome ist um etwas weiter vorgeschritten als in Fig. 16. 2280:1. Fig. 20 (Taf. 33). Palaemon. Querschnitt durch die Rhabdomregion des zusammengesetzten Auges. Die Bildung der Rhabdome ist weiter vorgeschritten. Ihr Querschnitt stellt homogene Scheiben dar. 2250:1. Fig. 21 (Taf. 33). Palaemon. Diese Figur stellt eine Kerngruppe dar, woraus sich der lichtbrechende Teil des Ommatidiums differenziert. Die äußersten Kerne sind bereits in Auflösung begriffen. 2250:1. Fig. 22 (Taf. 33). Palaemon. Ein in der Entwicklung des Omma- tidiums um etwas älteres Stadium. Der Krystallkegel hat sich bereits differenziert. 2250: 1. Cyto-histogenetische Studien. 557 ig. 23 (Taf. 33). Palaemon. Diese Figur stellt den lichtbrechenden Teil a Ommatidiums und einen Teil des Rhabdoms dar. Die den Krystall- kegel umgebenden Kerne sind die Retinazellkerne. Der Krystallkegel ist in seiner Entwicklung weiter vorgeschritten als in der vorhergehenden Figur. 1880 : 1. Fig. 24 (Taf. 33). Palaemon, Querschnitt durch die Ommatidien; der Schnitt hat gerade die äußerste Spitze mehrerer Krystallkegel getroffen. 1400 : 1. Fig. 25 (Taf. 33). Palaemon. Querschnitt durch ein Ommatidium, der durch die Mitte der Krystallkegelzellkerne geht (K. K. Z. K); die äußeren Kerne sind Retinazellkerne. 2000 : 1. Fig. 26 (Taf. 33). Palaemon. Krystallkegel mit der Linse; einer aus dem Ei ausschlüpfenden Larve entnommen. 2000: 1. Fig. 27 (Taf. 33). Palaemon. Querschnitt durch die dünnen Stiele, welche die Krystallkegel mit den Rhabdomen verbinden; nach innen von den Retinazellkernen. 2250 : 1. Fig. 28 (Taf. 34). Palaemon. Längsschnitt durch ein Auge, das einer unmittelbar nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei sich befindenden Larve entnommen wurde. Die Retinakerne befinden sich noch außerhalb des Pigments in den Interommalräumen. Die Differenzierung der einzelnen Knoten des Ganglion opticum ist ziemlich weit vorgeschritten. 500:1. Fig. 29 (Taf. 34). Palaemon. Ein Ommatidium, welches nach dem Auge eines Tieres gezeichnet wurde, das sich unmittelbar vor dem Verlassen der pelagischen Lebensweise befindet. Die Retinazellkerne befinden sich noch immer außerhalb des Pigments, in den Interommalräumen. 1000 : 1. Fig. 30 (Taf. 31). Palaemon. Ein Teil vom Ganglion opticum, wo die Auflösung der Kerne zur Bildung von Chromidien sehr lebhaft vor sich geht. 1600:1. Fig. 31 (Taf. 35). Palaemon. Ein Längsschnitt durch den ersten und den zweiten Knoten des Ganglion opticum. Die Kernreihe, die die beiden Knoten voneinander trennt, ist in sichtlicher Auflösung begriffen. Auch die den zweiten Knoten nach innen abgrenzenden Kerne sind in starker Auflösung begriffen. 1000:1. Fig. 32 (Taf. 35). Palaemon. Diese Figur stellt einen Anschnitt des äußersten Winkels des ersten Knotens des Ganglion opticum dar, um die Kernauflösung, die an dieser Stelle vor sich geht, zu zeigen. 1800:1. Fig. 33 (Taf. 36). Palaemon. Längsschnitt durch das Ganglion opticum einer pelagischen Larve; die vier Ganglienknoten sind bereits differenziert, sie haben eine Verteilung, die sich nicht viel von derjenigen eines erwachsenen Tieres unterscheidet. 500:1. Fig. 34 (Taf. 37). Artemia salina. Erste Anlage des zusammengesetzten Auges in Form einer epithelialen Verdickung (4. A). Das Ganglion opticum ist in Form eines Kernhaufens ebenfalls angelegt (@. 0). 1300:1. Fig. 35 (Taf. 36). Artemia salina. Junge Anlage, des Auges. Die epitheliale Verdickung der Augenanlage ist bereits zweischichtig geworden, Auf der ventralen Seite ist das Pigment bereits aufgetreten und umhüllt die Kerne allseitig. 1800: 1. 58 Taeopor Mororr, Fig. 36 (Taf. 36). Artemia salina. Junge Anlage des Auges. Das Epithel ist bereits mehrschichtig geworden. Die Bildung des Pigments ist weiter vorgeschritten. Einzelne Pigmentstreifen sind auch in das Ganglion opticum eingedrungen. 1200: 1. Fig. 37 (Taf. 36). Artemia salina. Junge Anlage des Auges. Das Pigment hat bereits eine Anordnung in Streifen angenommen, wodurch die Differenzierung der einzelnen Ommatidien angedeutet wird. 1200:1. Fig. 38 (Taf. 37). Artemia salina. Ein Teil der Augenanlage, worauf zwei junge in Differenzierung begriffene Ommatidien gezeichnet sind. 130071. Fig. 39 (Taf. 37). Artemia salina. Ein Teil der Augenanlage, worauf ein in Differenzierung begriffenes Ommatidium gezeichnet ist. 1600:1. Fig. 40 (Taf. 37). Artemia salina. Zwei in Entstehung begriffene Ommatidien; die Rhabdome und die Krystallkörper sind bereits ziemlich scharf differenziert. 1600:1. Fig. 41 (Taf. 32). Artemia salina. Querschnitt durch die Rhabdome der jungen Ommatidien. Ein Teil pigmentiert, der übrige Teil entpigmentiert. Fig. 42 (Taf. 38). Artemia salina Mehrere Ommatidien, die in ihrer Ausbildung ziemlich weit vorgeschritten sind. 1700:1. Fig. 43 (Taf. 38). Artemia salina. Oberflächlicher Anschnitt des Auges, senkrecht zu den Ommatidien. Durch diesen Schnitt sind die äußersten Spitzen mehrerer Ommatidien getroffen. In den meisten Fällen sind die Krystallkegel getroffen, und gemäß den vier Conomeren besteht ein jeder Querschnitt aus vier Sektoren. Um die Querschnitte der Krystall- körper sieht man die Kerne der Krystallzellen und der Hypodermiszellen verteilt. 1200:1. Fig. 44 (Taf. 38). Artemia salina. Querschnitt durch den Krystall- körper eines Ommatidiums, stark vergrößert. 2250:1. Fig. 45 (Taf. 32). Artemia salina. Schnitt durch die junge Anlage eines Auges. Die Kerne in der Epithelverdickung sind mehrreihig ge- worden. 1000:1. Fig. 46 (Taf. 32). Artemia salina. Längsschnitt durch ein junges Auge; gezeichnet wurde nur das Ganglion opticum; das Auge selbst wurde nur angedeutet. 600:1. Fig. 47 (Taf. 38). Artemia salına. Längsschnitt durch ein älteres Auge, in welchem die einzelnen Bestandteile fast ihre definitive Form an- genommen haben. Gezeichnet wurde nur das Ganglion opticum. 300:1. Cyto-histogenetische Studien. 559 2. Über die Entwicklung des Muskelgewebes bei Crustaceen. Mit Tafel 39—41 und 9 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. Seite A. Einleitung . . ET a eee aoe B. Entstehung der Macken pee ER wre Cons. Name C. Entstehung der Muskeln bei A AR PRET LUE toy ge ui) 1. Vorbemerkung . . . 2 th) ao en et MATE ON 2. Paracalanus parvus i 2 u. Te eae hee eee 3... Gentropages “typicus LE 7... 2 + ia) os) Wink eee eee oa A YCentropages kröyem == US ay OP eek See ae eee Dy Literaturbesprechung In hae 3h Ae ee ee : . 584 E. Allgemeine Betrachtungen iiber die Beziehung ziehen dom Keane und dem Plasma der; Zelle: 20.02 0 Re MR MEET 00 A. Einleitung Während die Entstehung der Muskeln bei Wirbeltieren bereits mehrfach Gegenstand eingehender Forschungen gewesen ist, existieren über diese Frage in bezug auf die wirbellosen Tiere recht un- zureichende und oberflächliche Untersuchungen. Obwohl das Muskelsystem der letzterwähnten Tiergruppe keine homologe Bildung mit dem der Wirbeltiere sein dürfte, bin ich der Ansicht, daß die intimeren cytologischen Prozesse (Erscheinungen), die sich bei der Entstehung dieser Gewebe abspielen, für beide Gruppen eine weitgehendere Übereinstimmung zutage treten lassen werden. Daher werden die Untersuchungen der früheren Forscher 560 Turopor Mororr, bei Wirbeltieren in meiner Darstellung eine weitgehende Beriick- sichtigung finden. Ich werde sogar auf Grund meiner Forschungen zu den Resultaten dieser Forscher Stellung nehmen und manche ihrer Beobachtungen umzudeuten versuchen. Bei meinen Untersuchungen hat es sich ebenfalls um die Ent- stehung der quergestreiften Muskeln gehandelt. Wie ich bereits in der Einleitung dieser Abhandlung erwähnt habe, haben mir als Untersuchungsobjekte von den Decapoden Palaemon und von den Copepoden Paracalanus parvus, Centropages kröyeri und Centropages typicus vorgelegen. Gelegentliche Beobachtungen habe ich auch an anderen Decapoden gemacht, deren Larven mir zufällig in dem übrigen Plancton begegnet sind. Kine nähere Bestimmung dieser Larven wurde nicht vorgenommen. Es dürfte sich jedoch um Pagu- ridenlarven handeln. Wenn ich einige Bilder aus diesen Larven anführe, so geschieht es vornehmlich deswegen, um zu zeigen, dab die bei Palaemon aufgedeckten Verhältnisse auch bei den übrigen Decapoden im Prinzip dieselben sein dürften. Ich werde zuerst die bei Palaemon erzielten Resultate aus- einandersetzen; anschließend daran werden nachher die Copepoden eine ausführlichere Behandlung finden. Um Wiederholungen zu ver- meiden, findet die einschlägige Literatur an geeigneten Stellen ihre gebührende Würdigung. B. Entstehung der Muskeln bei Palaemon. Die ersten Entwicklungsprozesse bei Palaemon und, wie es scheint, auch bei vielen anderen Crustaceen bestehen in einer leb- haften Kernvermehrung, wodurch eine größere Menge von Kernen entsteht, die an einzelnen Stellen zu größeren und kleineren Terri- torien konzentriert sind. Die einzelnen Organe des Embryos werden anfänglich eben in Form solcher Kerngruppen angelegt. Für die Muskeln ist ebenfalls zu erwähnen, dab an ihrer Stelle ursprünglich solche Kernkomplexe zu sehen sind. Da das histologische Bild überall das gleiche ist, werde ich die Entstehung der Muskeln in den: Extremitäten (Füßen) beschreiben, da man hier den Differenzierungs- prozeß bequemer verfolgen kann. Ich muß allerdings hervorheben, daß hier eine Muskelbildung in einem begrenzten Maße erfolgt. Eine äußerst starke Muskelbildung erfolgt hingegen im Schwanz und an der hinteren Rückenseite des Körpers, wo wir in der aus- seschlüpften Larve bereits ein äußerst stark entfaltetes Muskel- sewebe vorfinden. Cyto-histogenetische Studien. 561 Die Extremitäten werden als stärkere Wucherungen der Epithel- zellkerne angeleet. Anfänglich heben sie sich als kleine Wärzchen über die Oberfläche des Epithels hervor. Infolge der lebhaften Vermehrung der sie zusammensetzenden Kerne erlangen diese Wiirzchen bald eine beträchtliche Größe (Länge). Auf Schnitten, die senkrecht zur Epitheloberfläche stehen, sieht man, daß die jungen Warzen durch eine stärkere Faltung des Epithels nach außen zu- stande kommen, daher bestehen sie auf Schnitten auch aus zwei Kern- reihen, die in der Mitte miteinander in Berührung stehen. In Fig. 1 ist ein sehr junges Stadium der Fußanlage gezeichnet. Der Fub ist in Form einer kleinen Warze angelegt. Das hervorgewölbte Epithel ist als zwei Reihen von Kernen zu sehen, die sich durch ihre bedeutende Größe auszeichnen. Zwischen den beiden Kern- reihen des Epithels sind in der Mitte der Fußanlage noch zwei Kerne zu sehen, deren Ursprung ich nicht gut verfolgen konnte. Es macht mir den Eindruck, als ob sie aus dem Verband der übrigen Epithelkerne ausgetreten seien. Durch die lebhafte Vermehrung dieser Kerne entsteht in einem etwas älteren Stadium zwischen den beiden Kernschichten des Epithels eine größere Anzahl von Kernen. Diese Kerne sind regel- los verteilt. An der Fußspitze sind sie in zwei Schichten zu sehen, gegen die Fußbasis nehmen sie einen breiteren Raum ein, und dann sind vier, ja sogar noch mehr Kernreihen zu sehen. Obwohl mir Kernmitosen öfters begegnet sind, gewinne ich den Eindruck, daß die Kernvermehrung auch auf direkte Weise erfolgt. Das cytologische Bild, das uns in diesem Stadium entgegentritt, ist dasselbe, das wir überall in dem sich entwickelnden Embryo zu sehen bekommen und bereits bei der Entwicklung des Auges in der vorhergehenden Abhandlung ausführlich beschrieben haben. Die’ ganze Fußanlage stellt eine größere Menge von Kernen dar, die meistens miteinander in Berührung stehen. Die einzelnen Kerne weisen ein bläschenförmiges Aussehen auf; ihre Gestalt ist rund bis länglich-oval. Das Chromatin ist in diesen Kernen in Form unregelmäßiger Körper vornehmlich an ihrer Peripherie ver- teilt. Einzelne Chromatinkörper sind in Form längerer, meistens knorrig aussehender Stäbe im Kerninnern oft zu sehen, von denen chromatische oder achromatische Auswüchse gegen die Kernperipherie ausstrahlen und die oberflächlich verteilten Chromatinkörper mit dem zentralen Stab in Verbindung setzen. Manchmal gehen auch stärkere Auswüchse von diesen Chromatinstäbchen aus, wodurch 562 THEODOR Mororr, letztere wie verästelt aussehen. Außer diesen großen Chromatin- körpern sind in manchen Kernen auch kleinere bis stabförmige Körnchen zu sehen, die durch eine Abschnürung von den größeren Körnchen entstanden sind. Eine feinere Verteilung von Chromatin im Innern der Kerne in gelöstem Zustande dürfte kaum existieren, da letztere wie von einer farblosen Flüssigkeit erfüllt zu sein scheinen, in welcher die Chromatinkörperchen suspendiert sind. Da die meisten Kerne, wie bereits erwähnt, in Berührung miteinander stehen, ist das sie umgebende Plasma in Form einer äußerst dünnen Schicht vorhanden. Dieses Plasma weist eine feinwabige bis granu- lierte Struktur auf. Durch gewöhnliche und spezielle Färbungs- methoden sind darin keine Einschlüsse oder Differenzierungen fest- zustellen, die man als Mitochondrien resp. Chondrioconten (Chromidien) deuten könnte. Fig. 1a stellt einen Längsschnitt durch eine junge Fußanlage dar. Aus diesem Bilde können wir uns am besten eine Vorstellung über die eytologischen Verhältnisse machen, die bei den Kernen sowie in dem sie umgebenden Plasma existieren. In etwas älteren Stadien erfolgt die Vergrößerung der Füße vornehmlich in die Länge, an Dicke nehmen sie ebenfalls etwas zu. Inzwischen tritt langsam eine Veränderung des cytologischen Bildes ein. Vornehmlich sind es die Kerne, die die bedeutendste Ver- änderung eingehen. In einem großen Teil derselben verschwindet viel von dem Chromatin. Das übrig gebliebene Chromatin ist in Form länglicher und unregelmäßiger Platten an der Kernperipherie verteilt. Von diesen Platten gehen feinere Auswüchse aus, wodurch letztere meistens eine sternförmige Gestalt aufweisen. Im Kern- innern ist offenbar durch die Auflösung eines Teiles des Chromatins eine größere Menge von schwächer färbbaren Körnchen entstanden. Letztere verleihen den Kernen eine mehr granulierte Struktur. Das die Kerne umgebende Plasma ist stellenweise in größerer Menge aufgetreten. Es ist wie in den vorhergehenden Stadien fein granuliert, doch haben diese Körnchen stellenweise bereits eine reihenförmige Anordnung erfahren, wodurch das Plasma eine deutliche Streifung erlangt hat. Da in den meisten Fällen das Kerninnere dieselbe Struktur aufweist wie das Plasma selbst, so sehen die die Kerne zusammensetzenden Chromatinkörper aus, als ob sie in einem fein eranulierten Plasma eingebettet wären. Die Kerne weisen deutliche Zeichen einer Auflösung auf. In vielen Fällen werden die Kerne nur dadurch markiert, daß die Chromatinkürper dieselbe oberflächliche Cyto-histogenetische Studien. 563 Anordnung auch weiter bewahren, die sie ursprünglich bei normal aussehenden Kernen innehatten. Bei manchen Kernen ist die Auf- lösung der Chromatinkörper so weit vorgeschritten, dah die Kern- konturen nicht mehr festzustellen sind. Die übrig gebliebenen noch nicht aufgelösten Chromatinkörperchen weisen nunmehr eine regellose Anordnung auf. Es macht den Eindruck, daß wir es mit einzelnen in dem granulierten Plasma zerstreuten Chromatinkörpern zu tun haben (Fig. 2). Im weiteren Verlauf der Entwicklung schreitet auch die Kern- auflösung weiter fort. Es entstehen dadurch zwischen den Kernen lange, breite Streifen von granuliertem Plasma, in welchem einzelne oder Haufen von Chromatinkörpern eingebettet sind. Der größte Teil der übrig gebliebenen Kerne ist in einer sichtlichen Auflösung begriffen. Manche dieser Kerne stellen nur mehr Haufen von Chromidien dar. An anderen Stellen hat sich die Grenze zwischen den einzelnen Kernen auf größere Strecken vollkommen verwischt, so dab letztere in ihrer Gesamtheit ein chromidiales Gerüst hervor- rufen. Manchmal geht der Kernzerfall so schnell vor sich, dab auf größere Strecken ein chromidiales Gerüst entsteht, in welchem ver- ästelte oder einfache, längere oder kürzere Chromatinstäbe in ver- schiedenen Richtungen verlaufen. Die meisten dieser Stäbe stehen durch längere Auswüchse miteinander in Verbindung. Stellenweise sind sie ungleichmäßiger zerstreut; an manchen Stellen sind sie hin- gegen in dichteren Haufen angesammelt, welche die Umrisse der in Auflösung begriffenen Kerne mehr oder minder deutlich erkennen lassen. Fig. 3 stellt einen Querschnitt durch einen Fuß dar, welcher die soeben beschriebenen Verhältnisse aufweist. Nicht selten erfolgt die Kernauflösung in der Weise, daß sein Inhalt immer mehr das Vermögen, sich mit verschiedenen Farbstoffen zu tingieren, verliert. Solche Kerne sehen wie mit einer hellen farblosen Flüssigkeit erfüllt aus. Das eingeschlossene Chromatin ist in Form eines weitmaschigen Netzwerkes zu sehen. Durch diese Verteilung des Chromatins sehen die Kerne so aus, als ob sie aus größeren farblosen Blasen zusammengesetzt wären, zwischen deren Berührungswänden die Chromatinstäbe eingebettet sind. In Fig. 2 sind zwei solche Kerne zu sehen, die sich durch ihre bedeutende Größe auszeichnen. Vor ihrer Umgebung treten sie durch ihre weit hellere Färbbarkeit hervor. Die zwischen den Vacuolen vor- handenen Chromatinkörper fallen einer langsamen Auflösung anheim. 564 Taeopor Mororr, In Fig. 4 sind mehrere Kerne zu sehen, in welchen ein großer Teil der Chromatinkörper bereits aufgelöst ist. In manchen Kernen sind nur vereinzelte Chromatinkörper zu sehen, die in keiner Verbindung miteinander stehen. Nachdem alle Chromatinkörper verschwunden sind, sieht ein solcher Kern wie ein Haufen heller Vacuolen aus, die durch feinere oder stärkere, schwach färbbare Zwischenwände voneinander getrennt sind. Durch die Auflösung eines großen Teiles (mehr als die Hälfte) der Embryonalkerne entstehen ausgedehnte Plasmapartien, die die übrig gebliebenen Kerne umhüllen. Das neugebildete Plasma zeichnet sich dadurch aus, daß es stark granuliert ist. Die große Menge von Körnchen, die es erfüllt, dürfte durch den Zerfall des Chro- matins der aufgelösten Kerne zustande gekommen sein. Es macht den Eindruck, als ob eine Durchmischung der durch die Veränderung des Kerninhalts entstandenen Vacuolen und des granulierten Plasmas stattfindet, wodurch ein grober Teil der ersteren zum Verschwinden gebracht wird. Noch während der Auflösung der Kerne wird durch die reihenförmige Anordnung der Körnchen eine streifige Struktur im Plasma hervorgerufen. Bald nachdem ein großer Teil der Kerne aufgelöst worden ist, beginnt an einzelnen Stellen eine stärkere An- sammlung der im Plasma verteilten Körnchen, wodurch dichtere Streifen hervorgerufen werden, die das Plasma auf längere Strecken durchziehen. Aus diesen dichteren Streifen differenzieren sich die Muskelfibrillen. Diese Differenzierung kommt offenbar durch eine entsprechende Anordnung der plasmatischen Körperchen zustande, wobei gleichzeitig auch eine entsprechende chemische Veränderung derselben erfolgen dürfte. Anschließend an diese Ausführung will ich hier noch einige Figuren anführen, die Decapodenlarven entnommen sind, welche im Plancton gefunden wurden und deren nähere Bestimmung nicht vor- genommen wurde. Fig. A stellt eine größere Anzahl von Embryonal- kernen dar, welche so dicht aneinander gepreßt sind, dab dazwischen oar kein Plasma existiert. Sie stellen im wahren Sinne des Wortes eine kompakte Kernmasse dar. Die Zellen werden also hier nur durch die Kerne vertreten. Das Chromatin ist in diesen Kernen in Form eines maschigen Netzwerkes angeordnet. In den Knoten- punkten dieses Netzwerkes sowie an der Kernperipherie ist das. Chromatin in Form größerer Körnchen angesammelt. Die in Fig. A gezeichneten Kerne sind einer Stelle des Rumpfes der Larve ent- nommen, wo später Muskelbündel entstehen. Es handelt sich also Cyto-histogenetische Studien. 565 um muskelbildende Zellen. Es wurde nur ein ganz kleiner Teil der ausgedehnten Kernmasse gezeichnet. Die Füße des jungen Embryos stellen ebenfalls Kompakte Kernmassen dar, wie dies aus Fig. B er- sehen werden kann. In Wirklichkeit stehen die Kerne in einer noch engeren Berührung miteinander, als dies auf der Figur ge- zeichnet wurde. Offenbar wird durch die Auflösung des weit größeren Teils dieser Kerne das Material geliefert, welches zur Bildung der Muskeln verwendet wird. In der Tat sind bei der entwickelten Larve zwischen den Muskelfasern des Fußes nur mehr spärliche Kerne zu sehen. Fig. C ist einer anderen Larve aus dem Plancton entnommen in welcher durch eine ausgedehnte Kernauflösung eine größere Menge von Chromidien gebildet wird. Der eine Kern ist so weit in seiner Struktur verändert, dab man kaum noch erkennen kann, dab es sich um einen Kern handelt. Sein Chromatin ist so unregel- mäßig zerstreut, dab man bereits beinahe von Chromidien sprechen könnte. Daneben ist ein anderer Kern gezeichnet, dessen eine Hälfte noch deutliche Konturen aufweist; die Grenze der anderen Hälfte hat sich bereits verwischt, und das Chromatin des Kernes geht un- merklich in die umgebenden Chromidien über, die bereits eine Um- ordnung zur Bildung der Muskelfibrillen erfahren haben. Fig. D stellt hingegen einen ausgebildeten Muskel dar. Außerdem ist darin Fig. A. Paguridenlarve. ' Ein Teil des embryonalen Muskelgewebes. Die Kerne sind so dicht aneinander geprebt, dab sie eine kompakte Kernmasse darstellen. 1800:1. 566 THeopor Moorrr, Fig. B. Fig. B. Paguridenlarve. Längsschnitt durch die junge Fußanlage. Die Kerne sind wie in Fig. A dicht aneinander gepreßt. Die ganze Fußanlage besteht nur aus Kernen. 1500 : 1. Fig. C. Paguridenlarve. 2 Kerne, die in Auflösung be- griffen sind. Neben dem einen Kern sind in größerer Menge Chromidien zu sehen, die durch Zerfall von Kernen ent- standen sind. Fig. D. Paguridenlarve. Ein in Auflösung begriffener Kern. Daneben ist ein ausgebildeter Muskel zu sehen. 2250:1. Cyto-histogenetische Studien. 567 auch ein Kern gezeichnet, der eine weitgehende Veränderung in seiner Struktur erfahren hat und offenbar unmittelbar vor seiner Auflüsune steht. (C. Entstehung der Muskeln bei Copepoden. 1. Vorbemerkung. Bevor ich zur Darstellung der Entwicklung der Muskeln bei diesen Crustaceen schreite, will ich zuerst einige einleitende Be- merkungen machen. Wie ich bereits in meinen Oogenetischen Studien dargelegt habe, kann man die einzelnen im Plancton vorkommenden Arten nach den cytologischen Bildern, die sich uns im Ovarium der Tiere bieten, bestimmen. Wie ich im Nachfolgenden darlegen werde, sind die Kernbilder, die uns während der Histogenese der Muskeln entgegentreten, für jede Art charakteristisch und nicht leicht mit- einander zu verwechseln. Da bei manchen Copepoden, z. B. bei Paracalanus parvus, die Entwicklung der Geschlechtsdrüse einsetzt, bevor noch die der Muskeln vollkommen abgelaufen ist, so kann man durch die jungen Eier auch für die sich während des Larvenlebens entfaltenden cyto- logischen Bilder bestimmen, zu welcher Art sie gehören, so daß wir nachher nach dem cytologischen Bilde, das uns während der Ent- stehung des Muskels entgegentritt, die erwähnte Art bestimmen können. Wie ich bereits in meiner vorläufigen Mitteilung über die physiologische Bedeutung des Kernes bei der Entstehung der Muskeln (1908) ausgeführt habe, verlassen die Copepoden die Eier als Nauplien, die sich von den erwachsenen Tieren durch das Fehlen der meisten der typischen Segmente und der dazu gehörigen Gliedmaßen unter- scheiden. Die Veränderungen, die die junge Larve während des weiteren Wachstums erfährt, beruhen hauptsächlich auf dem Hervor- sprossen neuer Gliedmaßen und auf einer Streckung des Körpers. Für alle neu hinzutretenden Gliedmaßen und Körperteile werden auch die Muskeln neu gebildet. Da einerseits diese Entwicklungs- prozesse sehr schnell vor sich gehen und andrerseits die Tiere durch das ständige Herumschwimmen eine angestrengte Muskeltätigkeit entfalten, so ist von vornherein zu erwarten, daß die Prozesse, welche zur Bildung der Muskeln führen, sehr lebhaft und schnell vor sich gehen werden und dab die Baustoffe in einer weit gröberen 568 THEODOR Mororr, Menge gebraucht werden, als dies unter gewöhnlichen Verhältnissen der Fall sein würde; daher wäre auch die Wahrscheinlichkeit weit größer, die Bildungsstätte jener Stoffe leichter feststellen zu können. In jedem Segment des ausgebildeten Tier es existieren je ein Paar Muskelbündel, die eine mächtige Entfaltung erlangen und einen Fig. E. Paracalanus parvus. Querschnitt durch den Rumpf. Gezeichnet w urde nur die eine Hälfte. 50:1. D Darm. 2.@ Bauchganglion. D.M dorsales, LM laterales Muskelbündel. Cyto-histogenetische Studien. 569 großen Teil der Leibeshöhle ausfüllen. Ich werde sie als Lateral- muskeln bezeichnen. Sie sind zu beiden Seiten des Darmes sym- metrisch verteilt. Jedes Muskelbündel inseriert auf der Bauchseite des Körpers an zwei Ansatzstellen, die sich an der Stelle befinden, wo die Füße in Verbindung mit dem Körper treten. Von hier aus verlaufen sie auf den Seiten und nach oben hin, wobei sie sich strahlenförmig oder auf Querschnitten des Körpers fächerartig aus- breiten. Die einzelnen Muskelfasern inserieren auf den Seiten und auf dem Rücken des Körpers. Diese Muskeln dürften kaum zur un- mittelbaren Bewegung der Füße dienen, sondern eher zu einer dorso- ventralen Kontraktion des Körpers verwendet werden. Diese Muskel- bündel bestehen nur aus kontraktiler Substanz, welche in Form breiter Muskelfasern angeordnet ist, die ein steifes Aussehen auf- weisen. Außer diesen Muskeln sind auf der Rückseite noch zwei symmetrisch verlaufende Muskelgruppen zu sehen, die sich durch das ganze Tier vom Kopf bis zur Schwanzregion fortsetzen. Jede Muskelgruppe besteht aus mehreren Muskelbündeln. Fig. E stellt einen halbschematischen Querschnitt durch einen Copepoden dar. Gezeichnet wurde nur die eine Hälfte des Querschnitts. Auf der- selben sind die Rücken- (Dorsal-) Muskeln quer getroffen (D. M), die Lateralmuskeln (Z. M) der Länge nach. Hervorheben will ich an dieser Stelle noch, daß diese Muskeln in ihrem ganzen Verlauf keine Kerne aufweisen. Nur an der Insertionsstelle auf dem Rücken und auf der äußeren Seite sind in der Nähe der letzteren kleinere Kerne festzustellen, die aber kaum zu den Muskeln selbst gehören; viel eher müßte man sie zum Ge- webe des Körpers rechnen. Bei allen Arten werden die neu hinzutretenden Muskeln von Embryonalzellen geliefert, welche zu diesem Zwecke auf der Rücken- seite auftreten und in eine lebhafte Vermehrung geraten. Durch rasch aufeinander folgende Teilungen wird dann die ganze Leibes- höhle von einem embryonalen Gewebe erfüllt, welches sich in die Muskeln umwandelt. Bei der ausführlichen Beschreibung dieses Prozesses stelle ich 2. Paracalanus parvus Cu. voran. Die ersten Embryonalzellen, die durch ihre Vermehrung das Gewebe liefern, aus welchem sich nachher die Muskeln entwickeln, treten bei dieser Art auf der Rückenseite des Körpers in der un- mittelbaren Nähe des Darmes auf. Es gelang mir nicht die Initial- Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 37 570 Taeopor Mororr, zellen oder -zelle zu finden. Ich habe immer eine kleinere Gruppe von diesen Zellen festzustellen vermocht, die in Form eines kleinen Haufens auf der Rückseite des Darmes als ein kurzer Streifen zu sehen war (Fig. F). Dieser Zellenhaufen stellt in Wirklichkeit ein Syncytium dar, da in einer gemeinsamen Plasmamasse eine Anzahl von Kernen eingebettet ist. Diese Kerne sind von einem fein- granulierten Plasma umgeben, in wel- chem keine Zellgrenzen festzustellen sind. In ruhendem Zustand ist jeder Kern von einer rundlichen Gestalt. Sein Chromatin ist in Form einer größeren Anzahl mittelgroßer Körnchen vor- handen, welche den ganzen Kern er- füllen. In seiner Mitte oder etwas exzentrisch ist noch ein bedeutend größeres rundes Körperchen zu sehen, Fig. F. Paracalanus parvus. : - Querschnitt des Darmes, um die das sich außerdem durch seine be- erste Anlage des embryonalen Mus- deutend schwächere Färbbarkeit vor kelgewebes (Æ. M) in der Nähe des a: 3 : Darmes (D) zu zeigen. 1200:1. dem übrigen Chromatin auszeichnet. Dieses Körperchen stellt den Nucleolus dar. Die einzelnen Chromatinkörnchen stehen durch feine achroma- tische Lininfäden miteinander in Verbindung. Da aber zwischen den Chromatinkörperchen im Kerne eine große Zahl von staub- förmigen Granulis vorhanden ist, die die starke Färbbarkeit des Kernes hervorruft und ihm eine dichtere Struktur verleiht, werden die Lininfäden meistens verdeckt und schwierig festgestellt. Offenbar befindet sich dieses Gewebe in einer lebhaften Ver- mehrung, da runde Kerne verhältnismäßig selten zu sehen sind; meistens weisen sie verschiedene Teilungsstadien auf. Auf den ersten Blick scheint die Teilung auf direkte Weise vor sich zu gehen. Bei genauerem Znsehen kann man sich jedoch unschwer überzeugen, daß es sich hier, besonders in den Anfangsteilungs- stadien, um eine eigentümliche mitotische Kernteilung handelt, die lebhaft an Kernteilungen erinnert, die uns bei vielen Vertretern des Protistenreiches bekannt sind. Vor dem Beginn der Kernteilung erfolgt eine Umordnung der Körnchen in deutlichen Reihen, welche Cyto-histogenetische Studien. 571 zu einem bestimmten Punkt an der Oberfläche des Kernes hinlaufen. Inzwischen hat der Kern eine birnförmige Gestalt angenommen, so daß dieser Sammelpunkt sich an dem zugespitzten Ende des Kernes befindet (Fig. 5b). Bald danach findet eine Verdoppelung der Kern- spitze statt. Die neu entstandenen 2 Spitzen, die sich ursprünglich nebeneinander befinden, rücken auseinander. Diese 2 Spitzen spielen nun die Rolle von 2 Teilungszentren, welche die Kernteilung herbei- führen; zwischen ihnen bilden sich einige Chromatinstreifen, welche von dem einen Teilungspunkt bis zum anderen verlaufen. Die übrigen Chromatinstreifen sind in ihrem Verlauf so gruppiert, daß ungefähr die eine Hälfte zum einen Teilungszentrum, die andere zum anderen hinläuft (Fig. 6). Manchmal sieht man in den Teilungs- zentren ein kurzes Stäbchen, welches über die letzteren hervorragt. Diese Stäbchen sind wohl mit den Centrosomen, die man während der Spermatogenese mancher Insecten sowie während der Kern- teilung mancher Protozoen beobachtet, in physiologischer Hinsicht gleichzustellen. Besonders auffallend ist die Ähnlichkeit mit den Bildern, die man während der Kernteilung mancher Aggregata-Arten (Aggregata sp, Fig. 54) zu sehen bekommt (Mororr, 1908, tab. 7). Ich muß hier bemerken, daß man diese Centriolen nicht überall bei allen Kernteilungen zu sehen bekommt. Man sieht sie öfters beim Beginn der Entwicklung des Embryonalgewebes. In älteren Stadien sind sie viel seltener zu sehen, und die Kernteilung scheint mehr direkt zu verlaufen. Die beiden Teilungszentren rücken immer mehr auseinander, bis sie auf die entgegengesetzten Seiten des Kernes zu liegen kommen (Fig. 7, 8). Gleichzeitig hiermit rufen sie eine beträcht- liche Ausdehnung des letzteren hervor, so daß er eine spindelförmige Gestalt annimmt, deren beide Enden sehr spitz auslaufen. Nachher erfährt diese Spindel eine Einschnürung in ihrer Mitte, welche immer tiefer geht, bis sie in zwei annähernd gleiche Stücke zerfällt. Während des Auseinanderrückens der beiden Teilungszentren er- folgt auch die Teilung des Nucleolus. Ich habe Teilungsstadien desselben nicht beobachten können, doch vermute ich, daß sie durch eine einfache Durchschnürung vor sich geht (Fig. 7). In den späteren Entwicklungsstadien des Embryonalgewebes verwischt sich immer mehr die mitotische Teilung, bis man schließlich nur mehr einfache Durchschnürungen der Kerne sieht. Allerdings sind noch Anzeichen von einer reduzierten Mitose festzustellen, in welcher eine mehr 37* est 12 Turopor Mororr, oder minder deutliche Anordnung der Chromatinkörnchen in Reihen erfolgt (Fig. 16). Nicht selten sind auch solche Kerne zu sehen, die sich durch ihre riesenhafte Größe auszeichnen. Es sind manche darunter, die 10—15mal so groß sind wie die gewöhnlichen Kerne. Sie zeichnen sich außer durch ihre Größe noch dadurch aus, daß sie eine größere Anzahl von Nucleolen einschließen. Ich konnte manch- mal bis über 20 Nucleolen in einem solchen Kern beobachten. Ihre Zahl steht in Zusammenhang mit der Größe des Kernes. Fig. 10 stellt einen Schnitt durch die Mitte eines solchen Kernes dar. In diesem Schnitt allein sind 10 Nucleolen zu sehen. Das Chromatin dieser Kerne ist in Reihen angeordnet, welche deutlich um die ein- zelnen Nucleolen gruppiert sind. Die Entstehung dieser Kerne ist nicht schwer zu verfolgen, da man leicht alle Übergangsstadien auf- finden kann. Man sieht oft Kerne, die in Teilung begriffen sind und eine mehr oder minder deutliche Einschnürung in ihrer Mitte aufweisen. Bevor jedoch die Einschnürung bis zu Ende geführt worden ist, schicken sich die Tochterkerne zu neuen Teilungen an, indem ihre Nucleolen sich zu neuen Tochternucleolen teilen, außer- dem erfahren die Tochterkerne selbst an ihrem äußeren Ende eine deutliche Einschnürung. Fig. 9 stellt einen solchen Kern dar. Nun kann die Durchschnürung der Tochterkerne noch langsamer vor sich gehen und sogar die Einschnürung oft ausbleiben. Es erfolgt nur eine Teilung der Nucleolen, welche sich in verschiedene Abstände an der Kernperipherie verteilen; gleichzeitig hiermit wächst der Kern stark an. Fig. 10 stellt einen solchen Kern dar. Streng betrachtet stellt ein solcher Kern ein Aggregat von. vielen Kernen dar, die wir mit HARTMANN als polyenergide Kerne (Polycaryonen) bezeichnen könnten. Ich bin geneigt anzunehmen, daß jede Teilung des Nucleolus als ein äußerer Ausdruck der Kern- teilung zu betrachten ist, so dab wir nach der Zahl der Nucleolen Rückschlüsse auf die Menge der einzelnen Kerne machen können, die den riesenhaften Kern zusammensetzen. An dieser Stelle bin ich nun gezwungen, auf die auffallende Ähnlichkeit aufmerksam zu machen zwischen der soeben be- schriebenen Vermehrungsart der Kerne und der Kernvermehrung, die bei manchen Protozoen existiert. Bei der Protozoengruppe Aggregata habe ich (1908) für mehrere Arten eine rasch nach- einander verlaufende Kernteilung ohne nachfolgende Durchschnürung der Kerne festgestellt und ausführlich beschrieben. Dadurch Cyto-histogenetische Studien. 573 entstehen wahrhaft riesenhafte Kerne, welche erst später in Tochterkerne zerfallen. Merkwürdig ist, daß in den beiden Fällen auffallend ähnliche Figuren zum Vorschein kommen. Auf diese Ver- hältnisse werde ich jedoch weiter unten ausführlicher zu sprechen kommen. Zuerst will ich noch die übrigen Abweichungen, die bei der Kernvermehrung zutage treten, ausführlicher behandeln. Anfänglich erfolgt die direkte Kernteilung durch eine Durch- schnürung in der Mitte des Kernes, so daß aus einer solchen Teilung zwei annähernd gleiche Tochterkerne resultieren (Fig. 11, 12). Bei den späteren Teilungen tritt die Einschnürung nicht mehr in der Mitte des Kernes ein, sondern mehr oder minder auf der Seite, so dab die beiden Tochterkerne sich durch ihre ungleiche Größe aus- zeichnen. Außerdem erfährt der sich teilende Kern eine starke Aus- dehnung, wodurch er eine stabförmige Gestalt annimmt. Die beiden Enden dieses Stabes sind mehr oder minder stark kolbenförmig an- geschwollen (Fig. 13). In noch extremeren Fällen findet keine Ein- schnürung an dem Kern statt, sondern ein Auswachsen in einer Richtung, wodurch er die Gestalt eines langgeschweiften Kolbens bekommt (Fig. 13). Wenn der Auswuchs noch stärker wird, be- kommt der Kern eine bandförmige Gestalt, wie dies bei dem in Fig. 14 dargestellten Kern der Fall ist. Manchmal erfolgt gleich- zeitig die Bildung von zwei Auswüchsen an einem Kern (Fig. 15). Alle diese Teilungsfiguren mit ihren reichlichen Übergängen deuten darauf hin, daß es sich hier nicht so sehr um eine Kernvermehrung handelt als vielmehr um die Vermehrung der Chromatinmasse, des Baumaterials für die Bildung der Muskelsubstanz. Während meiner Darstellung habe ich das die Muskelsubstanz liefernde Gewebe als embryonales Muskelgewebe bezeichnet, welches seinen Ursprung aus wenigen Embryonalzellen (Myoblasten) nimmt. Für Paracalanus parvus konnte ich den Ursprung dieser Embryonal- zellen nicht feststellen. Ich bezeichne sie jedoch mit diesem Namen, da ich der Ansicht bin, daß sie noch nach keiner Richtung hin eine Differenzierung erfahren haben und daß sie, in andere Verhältnisse gebracht, auch zu anderen Körperorganen sich zu spezialisieren im- stande wären. Nicht selten habe ich z. B. mitten in dem embryonalen Muskel- gewebe kleinere Territorien beobachtet, welche aus jungen Eiern bestehen (Fig. G). Offenbar haben sich manche der das embryonale Muskelgewebe zusammensetzenden Zellen zu Eiern differenziert. Sie können nicht hierher von dem Ovarium geraten sein, da letzteres 574 Turopor Mororr, noch gar nicht angelegt ist. Ebenfalls können sie nicht aus spe- ziellen Geschlechtszellen (Oocytenmutterzellen) entstanden sein, da mir solche niemals begegnet sind. In allen Fällen habe ich nur junge Eier (Oocyten) beobachtet. Es war nirgends ein Übergang zu Oocytenmutterzellen zu konstatieren. Hingegen war der Übergang in bezug auf die Kernstruktur zwischen den Eiern und den Zellen des embryonalen Muskelgewebes leicht festzustellen. A 4 Fig. G. Paracalanus parvus. Embryonales Muskelgewebe, in welchem junge Eier zu sehen sind. Schließlich resultiert durch die lebhafte Vermehrung der Em- bryonalzellen ein embryonales Gewebe, das den größten Teil der Leibeshöhle einnimmt. Es umhüllt allseitig den Darm. Von der zentralen Masse gehen in jedem Segment auf beiden Seiten breite Streifen aus, die an die innere Wand der Körperoberfläche stoßen. Sie fallen topographisch mit dem lateralen Muskelbündel Cyto-histogenetische Studien. 575 jedes Segments des erwachsenen Tieres zusammen und dürften wohl das Material zur Bildung der letzteren liefern (Fig. H). Dieses Embryonalgewebe stellt ein Syneytium dar. In einer gemeinsamen Plasmamasse sind alle Kerne eingebettet. Zwischen letzteren sind keine Zellgrenzen festzustellen. In dem fertigen Embryonalgewebe sind die Kerne von einer verschiedenen Gestalt: runde Kerne sind verhältnismäßig selten, die meisten von ihnen sind verlängert; sand- uhr- bis bandförmige Kerne sind ebenfalls oft zu sehen. Die Kerne verlaufen in verschiedenen Richtungen. Sie befinden sich ziemlich dicht nebeneinander. Sie sind nur durch schmale Plasmastreifen voneinander getrennt. Das Protoplasma ist fein granuliert, von einer dichteren Struktur. In ihm sind keine Chromidien festzu- stellen. Fig. H. Paracalanus parvus. Lateraler Längsschnitt durch eine junge Larve. Das embryonale Muskelgewebe nimmt weitaus den größten Teil des Körpers ein. Mit schwacher Vergrößerung sind nur die Kerne dieses Gewebes zu sehen; die Kerue des übrigen Gewebes sind bei dieser Vergrößerung nicht zu erkennen. Infolge der großen Menge von Kernen, die in dem embryonalen Muskelgewebe verteilt sind, hebt sich dieses sehr scharf von den übrigen Gewebsarten des Körpers hervor. Eine Verwechslung ist so gut wie ausgeschlossen, dies um so mehr, als in dem übrigen Körper die Zellkerne, im Gegensatz zu den Muskelzellen, sehr klein sind und, da sie sehr chromatinarm, auch sehr schlecht färbbar sind. 576 THEODOR Mororr, Noch während der Vermehrung des embryonalen Muskelgewebes treten in ihm feinere Muskelfibrillen auf, die ersteres aderförmig auf längere Strecken durchziehen. Auch an der Oberfläche dieses Gewebes bilden sich stärkere und schwächere Fasern, die in ver- schiedenen Richtungen verlaufen. Im Laufe der weiteren Entwick- lung werden diese Muskelfasern immer zahlreicher und stärker. Wie entstehen nun die Muskelelemente? Wenn ich hier gleich hervorhebe, daß beim ausgebildeten Tier jede Spur des zuerst mächtig entwickelten Embryonalgewebes verschwunden ist, dab in dem Maße, wie die Ausbildung der Muskelbündel vorschreitet, auch das Verschwinden (der Verbrauch) dieses Gewebes erfolgt, so ergibt sich die Beantwortung dieser Frage in ihrem Wesen von selbst. Wir haben es hier mit einer Umwandlung von Gewebselementen einer Art in andersartiges Gewebe zu tun. In den nachfolgenden Zeilen wollen wir einige Details über die cytologischen Verände- rungen, die uns bei diesem Umwandlungsprozeß entgegentreten, näher beschreiben. Eine direkte Umwandlung der Kerne in Muskelfibrillen ist eine seltene Erscheinung. Immerhin habe ich öfters Kerne gesehen, deren Struktur Anzeichen, ja sogar deutliche Übergänge in dieser Richtung hin aufwies. Es sind meistens stark verlängerte in Teilung be- griffene Kerne, deren Chromatin zu größeren Körpern konzentriert ist, die in deutlichen Reihen angeordnet sind. Als Anfang einer solchen Umwandlung betrachte ich das in Fig. 16 dargestellte Stadium. In Fig. 17 ist ein Kern gezeichnet, in welchem das Chro- matin zu bedeutend größeren Körpern konzentriert ist, die aber jetzt eine sehr undeutliche Kontur aufweisen. Diese Chromatin- körper sind durch die Vereinigung zweier benachbarter Körperchen zustande gekommen, was man auch in demselben Kern für manche von ihnen feststellen kann. Die Anordnung der Chromatinkérper erinnert bedeutend stärker an eine fibrilläre Struktur. Die in den nächsten zwei Figg. 18, 19 dargestellten Kerne sind noch mehr in ihrer Umwandlung vorgeschritten. Besonders in ihrer Mitte hat das Chromatin die für die Muskelsubstanz charakteristische Anordnung in lichtere und dunklere Streifen angenommen. Wenn man diese Kerne näher ansieht, so findet man die verschiedenen Übergänge in der Umwandlung des Chromatins in die Marksubstanz. In der Mitte des Kernes sind die dunklen Streifen gleichmäßig fein granu- liert; gegen die beiden Enden hin verwischt sich immer mehr diese gleichmäßige Verteilung, und man kann leicht feststellen, wie durch Cyto-histogenetische Studien. 577 die Auflösung der Chromatinkörnchen, welche anfänglich die einzelnen Reihen bilden, die dunkleren Streifen zustande kommen. An den beiden Enden der Kerne sind die Chromatinreihen und die sie zu- sammensetzenden Körnchen sehr deutlich umschrieben. Daß es sich andrerseits in allen angeführten Fällen um Kerne handelt, zeigt außer der Struktur und dem Habitus auch das Vorhandensein der Nucleolen, die in den meisten Fällen noch deutlich zu sehen sind. Fig. 19a stellt einen Kern dar, an dem ein langer verhältnis- mäßig dünner Auswuchs entstanden ist. Durch die deutliche Ver- änderung seines Chromatins hat dieser Auswuchs bereits das Aus- sehen einer Fibrille bekommen. Der noch nicht ausgezogene Kern- teil weist noch die typische Kernstruktur auf. Die hier angeführten Stadien stellen freilich Paradigmen der direkten Umwandlung der Kerne des Embryonalgewebes in Muskel- fibrillen dar. In den meisten Fällen erfolgt diese Umwandlung, wie es scheint, auf eine etwas abweichende Weise. Die Muskelfasern treten ziemlich plötzlich in erwähntem Gewebe auf. Für gewöhn- lich sieht man entweder fertige Muskelfasern oder stark verlängerte Kerne. Letztere befinden sich meistens in unmittelbarer Nachbar- schaft oder sogar in Berührung mit den fertigen Muskeln. Wenn man jedoch eine große Menge von Präparaten durchstudiert, die ver- schiedenen cytologischen Bilder genauer ansieht, so kommt man zur Überzeugung, daß tatsächlich die Muskeln durch die direkte Um- wandlung der Kerne zustande kommen, nur daß dieser Prozeß sehr schnell vor sich geht, so daß man die verschiedenen Phasen desselben nicht leicht auffangen kann. Wenn man andrerseits im Auge be- hält, daß die physiologische Leistung eines Muskels äußerst ab- weichend ist von der physiologischen Leistung eines Kernes, dab möglicherweise in dieser Hinsicht zwischen ihnen gar kein Über- gang existiert, daß die eine Funktion schroff die andere ablöst, so ist es begreiflich, dab auch die morphologische Umwandlung eben- falls schroff vor sich gehen wird und ohne Übergänge. Das Wenige, das wir zu sehen bekommen, ist immerhin sehr überzeugend und von Bedeutung. In vielen Fällen zerfallen die Kerne in Chromidien, die sich im Plasma zerstreuen, um nachher das Material zur Bildung der Muskeln zu liefern. Besonders sind es die größeren Kerne, die diesen Auf- lösungsprozeß eingehen. Gewöhnlich senden sie lange Auswüchse aus, die ihre Abgrenzung gegen ihre Umgebung allmählich verlieren. Gleichzeitig findet eine Auflockerung der Chromatinkörnchen statt. 78 THEODOR Mororr, eyı Auf diese Weise entsteht ein chromatisches Gerüst, in welchem. die Chromatinkörnchen noch deutlich zu sehen sind. Fig. 20 stellt einen in Auflösung begriffenen Kern dar. Die Kerngrenze ist überall verschwunden. Von der einen Seite des Kernes gehen einzelne Aus- wüchse aus, die ins Plasma eindringen und sich darin unmerklich verlieren. Offenbar ist das Chromatin auch in starker Auflösung begriffen. Daß es sich um einen in starkem Zerfall begriffenen Kern handelt, bezeugen die beiden Nucleolen, die darin noch deut- lich zu sehen sind. Auch die in Fig. 14 dargestellten Kerne be- trachte ich nicht so sehr als Kernteilungen, sondern ich sehe sie vielmehr als Anfangsstadien der Chromidienbildung an. Wie wir bereits früher hervorgehoben haben, wird das ganze embryonale Muskelgewebe zur Bildung der Muskeln verwendet, so dab die fertigen Muskeln nicht nur gar keine Kerne aufweisen, sondern auch gar kein Plasma um sie vorhanden ist. Nach der Bildung der Muskeln ist von dem embryonalen Gewebe keine Spur mehr zu sehen. Zur Bildung einer Muskelfaser wird Material von mehreren Zellen verwendet. Ob aber eine Wanderung von Muskelfasern von ihrer Bildungsstätte an einen anderen Ort stattfinden kann, darüber kann ich mich nicht mit Sicherheit aussprechen. 3. Centropages typicus. Für diese Copepoden-Art konnte ich den Ursprung der embryo- nalen Muskelzellen mit wünschenswerter Sicherheit verfolgen. In dem Naupliusstadium sieht man, daß in dem sich in der Leibeshöhle entwickelnden Gewebe einzelne Zellkerne eine Chromatinanreicherung erfahren. Infolgedessen gewinnen sie sehr stark an Färbbarkeit. Anfänglich sind die chromatinreich gewordenen Kerne von einer gleichmäßigen Struktur, sie sehen wie eine kompakte Masse aus. In Wirklichkeit ist in ihnen keine Struktur festzustellen. In nach verschiedenen Färbungsmethoden gefärbten Präparaten sehen sie wie gleichmäßig stark gefärbte Flecke aus. Gleichzeitig mit der Chromatinanreicherung nehmen die Kerne auch an Größe beträcht- lich zu. Bald fangen diese Kerne an, sich lebhaft zu vermehren. Die Kernteilung erfolgt zuerst auf direkte Weise durch eine einfache Durchschnürung in der Mitte (Fig. 21). Die Kernteilungen verlaufen nicht immer regelmäßig. Oft geht die Teilungsebene nicht durch die Mitte des Kernes, sondern etwas seitlich, so daß der eine Tochterkern beträchtlich kleiner als Cyto-histogenetische Studien. 579 der andere sein kann und die Kernteilung dann in Wirklichkeit eine Kernknospung darstellt. Manchmal werden auch mehrere solche Knospen gebildet. Nicht selten sendet der Kern auch lappenförmige Auswüchse aus, die perlschnurartig eingeschnürt sind und auf einen Zerfall in kleine Stücke hindeuten (Fig. 22). Ob diese kleinen Stückchen zu neuen Kernen heranwachsen, konnte ich nicht fest- stellen. Gleichzeitig mit den ersten Kernteilungen beginnt auch eine Differenzierung in der Kernstruktur selbst. Zuerst erlangt die Kern- oberfläche eine stärkere Färbbarkeit, so daß die Kerne wie von einer stärker färbbaren Rinde umhüllt zu sein scheinen. An dieser Hülle sind einzelne über die Oberfläche vorragende Punkte zu sehen, die bei einer genaueren Betrachtung, durch höheres und tieferes Einstellen des Mikroskops, sich als die optischen Querschnitte von Kanten (Rippen) herausstellen, welche auf der ganzen Oberfläche des Kernes verlaufen. Oft sind aber an der Kernoberfläche auch schmale Falten zu sehen, die als Scheidewände ziemlich tief in das Kerninnere eindringen. Durch die lebhafte Vermehrung von ursprünglich wenigen Embryonalzellen entsteht ein embryonales Muskelgewebe, das, wie bei Paracalanus parvus, den größten Teil der Leibeshöhle ausfüllt. Dieses Gewebe stellt ebenfalls ein Syncytium dar, in welchem die Kerne sich sehr dicht nebeneinander befinden und in verschiedenen Richtungen orientiert sind. Von Zellgrenzen ist nirgends etwas festzustellen. Nachdem die Kerne eine Periode lebhafter Vermehrung erfahren haben, fallen sie einer Auflockerung anheim. Dieser Auflockerungs- prozeß besteht darin, daß lange chromatische Auswüchse in ver- schiedenen Richtungen von der zentralen Kernmasse auswachsen, die lebhaft an Chromosomen erinnern. Da die Bildung dieser Chromo- somen nicht überall in dem embryonalen Muskelgewebe gleichzeitig stattfindet, so kann man alle Stadien von der Bildung der Chromo- somen sogar in demselben Gesichtsfelde zu sehen bekommen. Fig. 23 stellt ein solches Bild dar. An manchen Stellen sieht man selb- ständige Chromosomen, die in verschiedene Richtungen verlaufen. Meistens bilden sie jedoch Gruppen zu je einigen, die parallel zu- einander verlaufen. Andere Chromosomen stehen mit ihren Enden durch eine gemeinsame Masse miteinander in Verbindung. Diese gemeinsame Masse stellt wohl noch den Überrest des Mutterkernes dar. dem die Chromosomen ihre Entstehung zu verdanken haben, 580 Tasopor Mororr, Das Herauswachsen der Chromosomen erinnert lebhaft an die Bildung der Microgameten und der Merozoiten mancher Protozoen. Durch die Auflösung dieser Kerne entsteht eine äußerst große Menge von Chromosomen (Chromidien), die das ganze Plasma des embryonalen Muskelgewebes erfüllen, wie dies aus Fig. 23 ersicht- lich ist. Hier bekommen wir nach der Auflösung der Kerne eine ausgedehnte Chromidienmasse, die aus lauter Chromatinstäbchen be- steht, die in verschiedene Richtungen verlaufen. Zwischen den Chromatinstäbchen sieht man auch oft Chromatinpunkte, für die man sich aber leicht überzeugen kann, dab sie die Querschnitte von ebenfalls solchen Stäbchen darstellen. Aus dieser Chromidialmasse erfolgt die Differenzierung der Muskelfasern. In der Regel findet zuerst eine Entfärbung der Chro- matinstäbe, offenbar auch ein Zerfall derselben statt. Aus der da- durch entstandenen Plasmamasse entstehen nun die Muskeln. Manch- mal habe ich jedoch auch auf längere Strecken eine parallele An- ordnung der Chromatinstäbe beobachtet, wodurch Bilder entstehen, die lebhaft an Muskelfasern erinnern. Es hat mir dabei immer den Eindruck gemacht, als ob es sich hier um Vorstadien der Muskel- bildung handle. Manchmal habe ich auch Bilder zu sehen bekommen, von denen ich die Überzeugung gewann, daß zur Bildung der Muskelfasern sich zuerst eine Anzahl von Kernen reihenförmig anordnet (Fig. 24). Nachdem nun die Struktur dieser Kerne eine entsprechende Ver- änderung erfährt, entsteht die typische Muskelstruktur. Fig. 25 stellt ein Zwischenstadium in dieser Umwandlung dar. Am oberen Ende ist die Umwandlung weiter vorgeschritten als unten. Nachdem die Muskelfasern und die Muskelbündel gebildet werden, ist von dem vorhin beschriebenen Chromidium nichts mehr zu sehen; offenbar wird es dabei vollständig verwendet. Hieran anschließend will ich noch erwähnen, daß mir ein Embryo begegnet ist, bei welchem in dem embryonalen Muskelgewebe ganz ähnliche Chromidien gebildet werden wie die für Centropages typicus in Fig. 23 dargestellten, nur daß in den etwas früheren Stadien die Kerne in Hinsicht auf ihre Struktur von denjenigen von Centropages typicus abweichen. Zwar sind die Kerne sehr chromatinreich, doch sind in ihnen die Chromosomen deutlicher differenziert, außerdem sind auch typische mitotische Kernteilungen zu sehen, bei denen deutliche Chromosomen gebildet werden. Fig. J stellt einen Teil des embryonalen Muskelgewebes dieses Tieres dar. Zwischen den Cyto-histogenetische Studien. 581 Kernen sind auch schwarze Punkte zu sehen, die an Chro- midien erinnern. Ich bin mir darüber nicht klar, ob dieses Individuum zu derselben Art gehört oder zu einer anderen. Zum Schluß wollen wir auch die Entstehung der Muskeln bei 4. Centropages kröyeri verfolgen, wobei wir vornehm- lich die Entstehung des embryo- nalen Muskelgewebes ausführ- licher behandeln werden. Die Differenzierung der Muskeln aus _. Fig. J- Centropages typicus? diesem Gewehe erfolgt auf eine Kihende and in tele warfare Reme x beg ähnliche Weise wie bei den übrigen Arten, daher werde ich darüber keine Worte verlieren. Die Entstehung dieses embryonalen Muskelgewebes kommt ähn- lich wie bei Centropages typieus durch die lebhafte Vermehrung der Embryonalzellen — der Myoblasten — zustande. Diese Zellen nehmen ursprünglich ihre Entstehung aus dem übrigen Gewebe des Nauplius. Dieses Gewebe besteht, ähnlich wie bei der vorhergehenden Art, aus Zellen, deren Kerne sehr chromatinarm und klein sind. Das Chromatin ist in Form dünner Fädchen meistens an der Kernperi- pherie verteilt. In dem Kerninnern selbst ist keine Struktur fest- zustellen. Da sich auch der Kerninhalt mit verschiedenen Färbungs- methoden nicht färben läßt, so sehen die Kerne wie kleine Bläschen aus, und man muß die Präparate etwas überfärben, damit man sie sehen kann. Manche von diesen Kernen erfahren eine Veränderung, die, wie bei Centropages typieus, darin besteht, daß sie jetzt bedeutend chro- matinreicher werden. Zuerst werden die Chromatinfäden merklich dieker und länger (Fig. 25a). Bald danach beginnt auch der übrige Kerninhalt sich stärker zu färben, wodurch die Kerne aus ihrer Umgebung schärfer hervortreten; gleichzeitig nehmen sie auch an Gröbe beträchtlich zu (Fig. 26). Noch während der ersten Kernteilungen erfahren die Kerne eine immer deutlichere Veränderung in ihrer Struktur, die darin besteht, daß an der Kernperipherie die Chromatinfäden immer deutlicher 982 THEODOR Mororr, werden. Sie verlaufen in verschiedenen Richtungen und dürften wohl die Chromosomen des Kernes darstellen. Gleichzeitig mit der Diffe- renzierung der Chromosomen verändert sich auch der übrige Inhalt des Kernes, bis er schließlich ganz farblos erscheint. In diesem Zu- stande sehen die Kerne wie farblose Bläschen aus, an deren Ober- fläche die Chromosomen verlaufen. Das Kerninnere ist fein granu- liert; im ganzen Kern ist kein Nucleolus festzustellen. Die Kern- vermehrung erfolgt anfänglich auf direkte Weise, durch eine ein- fache Durchschnürung in der Mitte. Zuerst teilen sich die Chromo- somen; bald darauf erfolgt auch die Durchschnürung des übrigen Kerninhaltes. Fig. 27 stellt 3 Kerne dar, von denen der eine in Teilung begriffen ist, die übrigen 2 dürften sich unmittelbar nach der Teilung befinden. In den späteren Teilungen erfolgt eine deut- liche Orientierung der Chromosomen nach einem bestimmten Punkte an der Kernoberfläche (Fig. 28, 29), der ais Teilungszentrum dient. Oft sieht man in der Nähe dieses Orientierungspunktes außerhalb des Kernes ein schwarzes Körnchen, in dessen Umgebung auch das Plasma verändert aussieht. Dieses Körnchen stellt wohl das Centriol des Kernes dar (Fig. 30). Die Kernteilung beginnt am Orientierungs- punkte des Chromosomen, der sich zuerst verdoppelt. Die dadurch entstandenen zwei Teilungszentren rücken auseinander. Die Chromo- somen des Kernes sind nach diesen zwei Punkten orientiert. Es bildet sich zwischen ihnen eine deutliche Spindel von Chromosomen. Manche von diesen Chromosomen verlaufen von der einen Spitze der Spindel bis zur anderen. Die übrigen Chromosomen gehen hin- gegen in den noch nicht geteilten Kernteil ein, der sich in einer etwas seitlichen Lage in der Mitte der Spindel befindet (Fig. 31). Hier haben wir es mit einer indirekten Kernteilung zu tun, die lebhaft an die Promitose mancher Protisten erinnert. Gegen das Ende der Bildung des embryonalen Muskelgewebes verwischt sich diese indirekte Kernteilung noch mehr, so daß sich die Kerne durch eine einfache Durchschnürung zu teilen scheinen. Daß wir es aber noch immer mit einer mitotischen Teilung zu tun haben, geht daraus hervor, dab die für die direkte Kernteilung typischen hantelförmigen Figuren nirgends zu sehen sind. Immer wird bei der Kernteilung eine Spindel gebildet, von deren einer Spitze die scharf differenzierten Chromosomen bis zur anderen verlaufen. Fig. 32 stellt verschiedene Teilungsstadien solcher Kerne dar. Oft begegnet man anderen Fällen, wo die Tochterkerne sich von neuem zu teilen beginnen, bevor ihre Cyto-histogenetische Studien. 583 Durchschnürung vollkommen erfolgt ist. Dadurch entstehen Kerne, die sich durch beträchtliche Größe auszeichnen (Fig. 33—35). Wieder andere Kerne teilen sich auf direkte Weise durch eine hantelförmige Durchschnürung, wobei eine Differenzierung von selb- ständigen Chromosomen ausbleibt (Fig. 36, 37). Darüber bin ich mir aber nicht im klaren, ob es sich nicht auch um eine andere Art handelt. In Anbetracht der Kernbilder, die in Fig. 32 gezeichnet worden sind, bin ich mehr geneigt anzunehmen, daß es sich um die- selbe Art handelt. Durch die lebhafte Vermehrung von ursprünglich wenigen embryonalen Zellen entsteht ein embryonales Muskelgewebe, das, wie bei den vorhergehenden Arten; den größten Teil der Leibes- höhle ausfüllt (Textfig. H). Dieses Gewebe stellt ebenfalls ein Syn- cytium dar, in welchem sich die Kerne sehr dicht nebeneinander befinden und nach verschiedenen Richtungen orientiert sind. Auch hier ist von Zellgrenzen nirgends etwas festzustellen. Die Bildung der Muskelfaser erfolgt durch die Umwandlung des Kernchromatins. Dieser Prozeß geht offenbar sehr schnell vor sich, da man die einzelnen Umwandlungsstadien nicht leicht fest- stellen kann. Fig. 36 stellt mehrere Kerne dar, von denen einige bereits auf dem Wege der Umwandlung sein dürften. Es ist dabei ein Muskelbündel quer getroffen, das durch die Anordnung seiner Substanz eine gewisse Ähnlichkeit mit einem in Degeneration be- griffenen Kern aufweist. Auch Fig. 37 stellt ein Umwandlungs- stadium zur Bildung von Muskelfasern dar. Oft ordnen sich viele meistens in Teilung begriffene Kerne in Reihen hintereinander zur Bildung eines Muskelbündels. Auch bei dieser Art erfolgt zuerst die Bildung einzelner Muskelfasern, die das embryonale Muskel- gewebe durchziehen. Durch die ununterbrochene Bildung neuer Fibrillen wird die Muskelsubstanz immer reicher. Die Muskelfasern vereinigen sich zu Bündeln, die immer stärker werden. Beim aus- gebildeten Tier hat sich das ganze Embryonalgewebe in Muskel- substanz umgewandelt, die jetzt den größten Teil der Leibeshöhle ausfüllt. Zum Schluß will ich noch hervorheben, daß in dem Plasma, das sich zwischen den Kernen des embryonalen Muskelgewebes be- findet, ursprünglich keine Chromidien zu sehen sind. Erst in den vorgeschrittenen Stadien entstehen durch die Auflösung von Kernen im Plasma Chromidien in einer beschränkten Menge. Als Resümee der vorhergehenden Darstellung über die Entstehung der Muskeln bei Crustaceen können wir hervorheben, dab bei den 584 THEODOR Mororr, Copepoden durch die lebhafte Teilung ursprünglich weniger Zellen (Myoblasten) zuerst ein embryonales Muskelgewebe entsteht, dessen Zellkerne sich durch ihre weit größere Dimension vor .den übrigen Zellkernen des Körpers auszeichnen. Außerdem sind sie auch viel chromatinreicher. Die Anfangszellen (Myoblasten) nehmen ihren Ursprung von dem übrigen Gewebe des jungen Tieres, indem die Kerne desselben in eine äußerst lebhafte vegetative Tätigkeit ge- raten, die sich in ihrer lebhaften Vermehrung sowie in ihrer An- reicherung an Chromatin kundgibt. Nachdem das embryonale Muskel- gewebe in seiner definitiven Menge gebildet wird, erfolgt bei einem Teil der Arten dieser Crustaceen-Gruppe eine Auflösung der Kerne, wodurch ein ausgedehntes Chromidium zustande kommt. Aus dieser Chromidialmasse differenzieren sich die Muskeln des erwachsenen Tieres, wobei sie bei der Bildung der letzteren vollkommen ver- braucht wird. Bei den Decapoden haben wir im Prinzip dieselbe Erscheinung. Auch hier erfolgt eine lebhafte Chromatinanreiche- rung in Form einer starken Kernvermehrung. Nachdem der weit- aus eröbere Teil dieser Kerne aufgelöst wird, entsteht das Material, aus welchem sich nunmehr die Muskeln differenzieren. In allen Fällen ist eine Muskelfaser nicht ein Differenzierungsprodukt einer Zelle, sondern wird zu seiner Bildung Material aus vielen Zellen verwendet. D. Literaturbesprechung. Über die Histogenese der Muskeln existiert eine Reihe von Abhandlungen, von denen wir nur diejenigen neueren Datums be- rücksichtigen werden. GoDLEWSKI (1902) war der Erste, dem es gelang festzustellen, daß in den Myoblasten zuerst eine größere Menge kleiner Körnchen auftritt; letztere füllen oft das Plasma vollkommen aus. Diese Körnchen ordnen sich zur Bildung der Muskelfibrillen in Reihen an. Die stark färbbare anisotrope Substanz (Q) der definitiven Fibrillen entspricht den Chromatinkörnchen. Die isotrope Substanz (J) ent- spricht den Zwischenräumen zwischen den Körnchen. In Hinsicht auf die Entstehung dieser stark färbbaren Körnchen im Plasma ist GODLEWSKI nicht imstande ganz positive Angaben zu machen. Er läßt diese Frage offen. SCHNEIDER (1902, 1908) gibt in seiner Vergleichenden Histologie der Tiere an, daß zur Bildung der Muskelfibrillen in den Myoblasten zu- erst längere Stäbe auftreten, die, nachdem sie eine Segmentierung Cyto-histogenetische Studien. 585 erfahren haben, sich in Muskelfibrillen umwandeln. SCHNEIDER nimmt an, daß diese stark färbbaren Fäden dem Plasma ihre Ent- stehung zu verdanken haben. Die Angaben GopLEwsk1’s wurden später von MoLopowska (1908) für die Rumpfmuskeln des Hühnchens und von Kurkrewicz (1910) für die Herzmuskeln der Säugetiere bestätigt, indem diese polnischen Forscher die Bildung der Muskelfibrillen ebenfalls auf eine reihen- förmige Anordnung von im Plasma zerstreuten Körnchen zurück- führen. Der letzterwähnte Autor war nicht imstande den genetischen Zusammenhang dieser Körnchen aus dem Kern der Myoblasten fest- zustellen. Nach MacCazzum (1897) differenzieren sich die Muskelfibrillen aus den Wabenwänden des schaumförmig strukturierten Proto- plasmas. In neuester Zeit leitet Meves (1907, 1910) die Muskelfibrillen, ähnlich wie alle Zelldifferenzierungen, von den Chondrioconten ab, die er auf Grund seiner Untersuchungen an Hühnerembryonen als ein selbständiges Element der Zelle ansieht, das sich durch Teilung vermehrt und von Zelle zu Zelle fortgeerbt wird. Dem jungen Embryo werden diese Chondrioconten von der Ei- und Samenzelle zugeführt. Nach Meves und seinen Anhängern haben die Chondrio- conten nichts mit dem Kern gemeinsam. Die soeben angeführten Untersuchungen über die Histogenese der quergestreiften Muskeln beziehen sich nur auf die Wirbeltiere. Über die wirbellosen Tiere existieren, soweit meine Literatur- kenntnisse reichen, keine Untersuchungen. : So sehr sich die Wirbeltiere von den Wirbellosen unterscheiden und ein Organsystem, insbesondere das Muskelsystem der erst- erwähnten Gruppe, nicht von dem der wirbellosen Tiere abgeleitet werden kann, bin ich geneigt, meine bei Crustaceen gemachten Be- obachtungen über die Histogenese der Muskelfibrillen auf die Wirbel- tiere auszudehnen und zu versuchen, die dort von anderen Forschern gemachten Beobachtungen umzudeuten. Nach den übereinstimmen- den Angaben von GopLEwsK1 (1902), MoLoDowskA (1908), SCHNEIDER (1902, 1908), Meves (1907) und Kurkıewıcz (1910) werden zur Bildung der Muskelfibrillen stark färbbare Körnchen resp. Stäbchen verwendet, die im Plasma vorkommen. Der eine Teil dieser Autoren ist nicht in der Lage, positive Angaben über die Entstehung der Körnchen machen zu können. Meves ist hingegen der Ansicht, dab die Chondrioconten selbständige Bestandteile der Zelle darstellen, Zool. Jahrb. XXXIY. Abt. f. Anat. 38 586 Turopor Mororr, da er ihren Austritt aus dem Kern nicht feststellen konnte. Wir haben aber bei Crustaceen festgestellt, daß in dem embryonalen Muskelgewebe ursprünglich keine solchen Körnchen zu sehen sind. Außerdem ist das Plasma im Vergleich mit den darin eingebetteten Kernen verschwindend gering. Unmittelbar vor der Bildung der Muskelfibrillen erfolgt bei den meisten Arten eine komplete Auf- lösung der Kerne, wodurch ein ausgedehntes Chromidium zustande kommt, woraus sich die Muskeln differenzieren. Daher sind wir ge- neigt anzunehmen — obwohl die meisten Autoren einen geneti- schen Zusammenhang zwischen den Chromidien und dem Kern nicht feststellen konnten und Meves ihn sogar ausdrücklich leugnet —, daß der Kern bei der Bildung der zur Entstehung der Muskeln nötigen Substanz die Hauptaufgabe zu erfüllen hat, nur daß die Wirbeltiere in dieser Hinsicht keine günstigen Untersuchungs- objekte darstellen. Es ist kaum anzunehmen, daß die Wirbeltiere und die wirbellosen Tiere in einer prinzipiellen Frage so weit aus- einander gehen werden. In einer anderen Hinsicht weisen die Wirbellosen und die Wirbeltiere übereinstimmende Momente auf. Wir haben gesehen, dab bei Crustaceen das embryonale Muskelgewebe ein Syncytium darstellt, in welchem keine Zellgrenzen festgestellt werden können. Die Muskelfibrille stellt eine Bildung mehrerer Gewebszellen dar. Dieselbe Erscheinung wurde von vielen Forschern auch für die Wirbeltiere festgestellt, bei denen die Embryonalzellen — die Myo- blasten — ebenfalls eine Verschmelzung zur Bildung eines Syn- cytiums erfahren, woraus sich nachher die Muskelfibrillen diffe- renzieren. An dieser Stelle möchte ich noch auf die viel diskutierte Frage eingehen, ob die Vermehrung der Muskelfibrillen durch Längsspaltung erfolgt. Die meisten Forscher, wie MAURER, HEIDENHAIN, APATHI, GOD- LEWSKI usw., nehmen an, daß die Vermehrung der Muskelfibrillen durch Spaltung erfolgt. Die theoretische Begründung dieser An- nahme stammt von HEIDENHAIN, der annimmt, daß jede morphologisch sichtbare Muskelfibrille aus einer Anzahl von mit unseren opti- schen Hilfsmitteln unsichtbaren Molekularfibrillen besteht. Letztere vermehren sich ebenso durch Spaltung wie die Muskelfibrillen und die Säulchen selbst; ja, genauer gesagt, die Spaltung der lebendigen LM Cyto-histogenetische Studien. 587 Moleküle ist die erste Ursache oder die Grundlage der spezifischen Form der Vermehrung der gröberen Fasern. Von den verschiedenen Forschern wurden manche Beobachtungen gemacht, die zur Begrün- dung dieser theoretischen Deduktion herangezogen wurden. Es ist bekannt, dab die isotrope und die anisotrope Substanz im gesamten Muskelsäulchen, resp. allen Fibrillen der ganzen Muskelfaser in der- selben Querebene gelegen sind. Bei der Beobachtung einer in Längs- teilung begriffenen Faser ist nun die Orientierung dieser Streifen innerhalb der Gabelungsstelle verändert, d. h. die gleichartigen Quer- scheiben liegen in den „Tochterfasern“ nicht mehr in derselben Ebene. Wenn wir aber die Gruppierung der Querstreifen bis zu einer Stelle verfolgen, welche ziemlich weit oberhalb der Gabelungsstelle liegt, so kommt die charakteristische Orientierung wieder aufs deutlichste zum Vorschein. Von anderen Autoren wird hingegen angegeben, daß eine fort- dauernde Differenzierung neuer fibrillärer Substanz von der Seite des kernführenden Protoplasmas stattfindet (SCHAFFER, 1893). Mor- PURGO (1899), der sich mit der Entwicklung der Skeletmuskulatur bei neugeborenen und sehr jungen Ratten befaßt hat, ist ebenfalls zu einem ähnlichen Resultat gekommen. Meves (1909), der die Ent- wicklung der Muskelfasern im Beine des Hühnerembryos studiert hat, konnte die Angaben der soeben angeführten zwei Forscher voll- kommen bestätigen. Auf Grund meiner Beobachtungen an Copepoden habe ich bereits in einer vorläufigen Mitteilung (Mororr, 1908) für die zuletzt ge- äußerte Auffassung Partei genommen. Ich ließ mich dabei auch durch theoretische Überlegungen leiten. Die Muskelfibrillen sind im weitesten Sinne des Wortes Differenzierungsprodukte der Zelle, die gleichzeitig auch als Secrete der Muskelzelle angesehen werden könnten. Es wird selbst von den Anhängern der Vermehrung der Muskelfibrillen zugegeben, daß die ersten Muskelfibrillen aus anderen Materialien der Zelle differenziert werden. Sie stellen also keine Ge- bilde sui generis dar. Wenn aber für die ersten Muskelfibrillen zuge- geben wird, daß sie neu gebildet werden, dann ist es unbegreiflich, warum sich dieser Prozeß nicht auch später wiederholen kann. Durch die neueren cytologischen Forschungen kommt man immer mehr zu der Einsicht, daß die Differenzierungsprodukte der Zelle kein eigenes Wachstums- und Vermehrungsvermögen besitzen; so werden z. B. die Locomotionsorgane der Protozoen, vornehmlich ihre Geißeln, bei der Teilung des Tieres nicht gespalten, sondern nur 38* 588 THEODOR Mororr, von dem einen Tochterindividuum übernommen. Für das andere Individuum werden die Geißeln neu angelegt. Bei den Copepoden habe ich den Eindruck gewonnen, daß die Muskeln meistens in Form dicker Fäden angelegt werden, die sich später in feinere Fibrillen spalten. Offenbar liegt es in der Funktion der quer- gestreiften Muskelfasern, dab sie zur Verstärkung (Erhöhung) ihrer Leistung sich in möglichst feine Fibrillen spalten. Die Leistung eines Muskels könnte man mit der Leistung einer Rumrorp-Spirale vergleichen, bei der ebenfalls eine viel stärkere Wirkung hervor- gerufen wird, wenn der Eisenstab in der Spirale durch ein Bündel feiner Stäbe ersetzt wird. So sehe ich die Spaltung der Muskeln in feine Fibrillen nicht als einen äußeren Ausdruck einer Vermehrung derselben durch Spaltung an, sondern als einen Ausdruck ihrer physiologischen Leistung, d. h. die quergestreifte kontraktile Substanz wird in Form stärkerer Muskelfasern angelegt, die bei ihrer Funk- tion in feinere Fibrillen zerfallen. Die vorhin erwähnten Beob- achtungen, die zugunsten der anderen Ansicht angeführt werden, kann ich nicht als genügend beweisend ansehen. Außerdem ist die Deutung, die ihnen von diesen Forschern gegeben wird, durchaus nicht zwingend. Zugunsten unserer Ansicht können hingegen auch die Ver- hältnisse bei den Muskeln der Copepoden herangezogen werden. Für die Muskeln der Copepoden ist nämlich eine Eigentümlichkeit im histologischen Bau hervorzuheben, auf die wir bereits in einem früheren Kapitel aufmerksam gemacht haben. Die Muskeln dieser Tiere besitzen keine Zellkerne und kein Zellplasma; sie bestehen ausschließlich aus kontraktiler Substanz. Da letztere, unserer Ansicht nach, nicht vermehrungsfähig ist und die assimi- lationsfähigen Elemente, die Kerne, fehlen, so dürfte eine nachträg- liche Vermehrung der Muskelsubstanz ausbleiben und alle Muskeln für das erwachsene Tier in ihrer definitiven Menge angelegt werden. In der Tat habe ich auch die Beobachtung gemacht, daß die jüngeren, am Anfang ihrer Geschlechtstätigkeit sich befindenden Tiere mehr Muskeln aufweisen als die alten. Offenbar werden sie durch die Funktion allmählich verbraucht, ohne dabei ersetzt werden zu können. Diese Eigentümlichkeit dürfte als eine physiologische Anpassung der Copepoden an die Lebensbedingungen anzusehen sein, die ihren Ausdruck auch in der Embryonalentwicklung des Individuums selbst findet. Diese Eigentümlichkeit besteht in der scharfen zeitlichen Cyto-histogenetische Studien. 589 Differenz, welche zwischen der Entstehung der Muskeln einerseits und der Entfaltung der Geschlechtstätigkeit andrerseits existiert. Offenbar besteht die Haupttätigkeit des erwachsenen Tieres in der Produktion der Geschlechtszellen, von denen die ganze Leibeshöhle, insbesondere bei den weiblichen Individuen, vollgestopft ist. Dabei muß man in Betracht ziehen, daß das Tier ununterbrochen Eier ab- legt. Es ist nun begreiflich, daß für die Produktion einer so großen Menge von Geschlechtsprodukten eine angestrengte Tätigkeit des Tieres erforderlich ist, die 1. in dem Erwerb der nötigen Nahrung, 2. in der Verarbeitung derselben besteht. Damit diese Funktion glatt vor sich gehen kann, müßte, wie es scheint, die Tätigkeit des Organismus, die zur Schaffung der übrigen Organe nötig ist, in eine andere Zeit verlegt werden, während der Zeit des postembryonalen Lebens. In der Tat sehen wir, daß während des postembryonalen Lebens eine Zeitlang in dem Organismus in ausgedehntestem Mabe nur embryonales Muskelgewebe gebildet wird, das ebenfalls die Leibeshöhle vollkommen ausfüllt und zur Bildung der Muskeln ver- wendet wird. Die Umschmelzung dieses Gewebes in Muskeln er- folgt, wie es scheint, sehr schnell. Dabei ist die Muskelsubstanz, die daraus entsteht, an Volumen bedeutend geringer als das embryonale Muskelgewebe, wodurch die Leibeshöhle wiederum zum größten Teil frei wird. Dadurch wird freier Raum zur Entfaltung der Geschlechts- tätigkeit geschaffen. Offenbar ist auch der Grund für die frühzeitige Umschmelzung des embryonalen Muskelgewebes in Muskelfibrillen in dem ietzterwähnten Umstand zu suchen. Wie bereits erwähnt, stellt das embryonale Muskelgewebe ein Syneytium dar, in welchem keine Zellgrenzen zu sehen sind. An dieser Stelle muß ich einen Vergleich zwischen diesem Gewebe und den Geschlechtszellen der Copepoden vornehmen und auf das Über- einstimmende mit einigen Worten hinweisen. Wie wir in unseren oogenetischen Studien dargelegt haben, stellen die Oocytenmutter- zellen in ihrer Gesamtheit ebenfalls ein Syncytium dar, das durch die lebhafte Vermehrung ursprünglich weniger Zellen zustande kommt. Aus diesem Syncytium differenzieren sich nun die jungen Eier (Oocyten). In beiden Fällen haben wir es mit einem embryo- nalen Gewebe zu tun, in welchem die Zellen in ihrer Spezialisierung noch nicht weit genug gegangen sind, daher auch ähnliche Eigen- schaften aufweisen können. Bei Paracalanus parvus haben wir ge- sehen, daß einzelne Zellen in dem embryonalen Muskelgewebe sich 590 THEoDoR Mororr, in junge Eier umwandeln können. Allerdings fallen letztere einer Auflösung anheim. In beiden Fällen tritt eine Erscheinung zutage, die von einer allgemeineren Bedeutung ist. Daher verdient sie eine aus- führlichere Behandlung. Sowohl bei den jungen Eiern als auch bei den Myoblasten erfolgt ein plötzliches Wachstum des Kernes sowie eine Anreicherung desselben an Chromatin. Der Hauptunterschied zwischen beiden besteht nur darin, daß die Eier mit der Kern- vergrößerung das Teilungsvermögen verlieren, außerdem hält hier das Wachstum des Eiplasmas, wenigstens in den ersten Stadien, gleichen Schritt mit dem Kernwachstum. Bei den Myoblasten verliert der Kern mit seiner Chromatinanreicherung nicht seine Teilungsfähigkeit, ja es macht sogar den Eindruck, daß sie er- höht wird. Eine Vermehrung des Plasmas dürfte nur in einem be- grenzten Mabe erfolgen. Bald nachdem sich die Eier aus dem Syncytium des Ovariums differenziert haben, nehmen sie eine riesen- hafte Größe an, wobei in dem Plasma in großer Menge Reservestoffe in Form von Dotter abgelagert werden. Bei dem embryonalen Muskel- gewebe bleibt der Zerfall des Syncytiums in selbständige Zellen aus. Das Plasma mit seinen Einschlüssen bleibt ebenfalls in begrenzter Menge. Im Gegensatz dazu erfolgt eine starke Vermehrung des Chromatins in Form einer lebhaften Vermehrung der Kerne. In dem einen Fall erfolgt also die Vermehrung des Plasmas mit seinen Einschlüssen, in dem anderen die Vermehrung der Kernsubstanz. Später erfolgt jedoch die Umwandlung der Kernsubstanz in Muskel- substanz. Wenn wir andrerseits in Betracht ziehen, daß, wie ich in meinen Untersuchungen bei Copepoden nachgewiesen habe und dies von vielen Forschern für andere Objekte bestätigt wird, auch der Dotter ein Umwandlungsprodukt der Kernsubstanz darstellt, so ergibt sich für diese morphologisch und physiologisch so verschieden aussehenden Zelldifferenzierungen ein vollkommen identischer Ur- sprung. Ein unbedeutender Unterschied besteht nur darin, daß bei den Muskeln die Umwandlung der ganzen Kernsubstanz auf einmal er- folgt, bei den Eiern hingegen langsam. Bei letzteren erfolgt während ihres ganzen Wachstums eine ununterbrochene Auswanderung von Kernsubstanz. welche sich im Plasma vornehmlich in Dotter um- wandelt. In beiden Fällen haben wir es in der plötzlichen Anreiche- rung der Kerne an Chromatin sowie in dem plötzlichen Anwachsen der letzteren mit einer sehr auffallenden Erscheinung zu tun. Cyto-histogenetische Studien. 591 Welche Erklärung können wir nun dieser Erscheinung geben? Für die Geschlechtszellen wurde der Versuch unternommen, sie durch R. HerrwicG's Lehre von der Kernplasmarelation zu erklären. Danach muß für die normale Funktion der Zelle ein bestimmtes Größenverhältnis zwischen Kernmasse und Plasmamasse existieren, das von Herrwıc als Kernplasmarelation bezeichnet wird. Sobald die Kernplasmarelation infolge einer angestrengten Funktion der Zelle zugunsten des Plasmas oder des Kernes gestört wird, gerät sie in einen Depressionszustand, bei welchem die vegetativen Prozesse der Zelle nicht immer normal vor sich gehen können. Das Heran- wachsen des Kernes beim Beginn des Eiwachstums sowie der Über- tritt von Chromatin vom Kern ins Plasma wird dadurch erklärt, dab die Zelle infolge der angestrengten vegetativen Tätigkeit, die sie durchmacht, in einen Depressionszustand gerät, von dem sie sich zu befreien sucht, indem sie Chromatin von ihrem Kern ins Plasma übertreten läßt. In meinen Aggregata-Studien (1908) sowie in meinen Oogenetischen Studien (1909) habe ich ausführlich meine Ansicht auseinander gesetzt, warum ich mich dieser Lehre speziell für die Geschlechtszellen nicht anschließen kann. Ich verweise daher auf die Ausführungen, die ich dort gemacht habe. An dieser Stelle will ich nur auf die Frage näher eingehen, ob diese Lehre die Erscheinungen, die wir während der Entstehung der Muskeln in dem embryonalen Muskelgewebe der Crustaceen zu sehen bekommen, befriedigend zu erklären imstande ist. Wie bereits im Vorhergehenden betont wurde, nehmen die Myo- blasten der Copepoden ihren Ursprung aus Embryonalzellen; dieselbe Erscheinung beobachten wir auch bei den Decapoden, mit dem un- bedeutenden Unterschiede, daß dort nur ein Teil, jedoch der größere Teil, der Kerne einer Auflösung anheimfällt. Ähnliche Erscheinungen werden fast regelmäßig bei pathologischen Bildungen beobachtet, bei denen ebenfalls eine Auflösung der Kerne stattfindet. Welche Ursachen könnten nun diese Erscheinung bei der Bildung der Muskel hervorgerufen haben? Durch die Lehre der Kernplasma- relation können sie nicht ihre Erklärung finden, da auch für diese Gewebsart, wie bei den Geschlechtszellen, die Vorbedingungen für einen Depressionszustand nicht vorhanden sind. Eine Chromatinan- reicherung und Vergrößerung erfuhren die Kerne von Embryonal- zellen, die zuvor keine angestrengte vegetative Tätigkeit durch- gemacht haben. Es kann also bei ihnen keine Störung der Kern- plasmarelation zugunsten der einen oder der anderen Zellkomponente 592 THropor Mororr, existieren. Andrerseits spricht aber der Umstand, daß auch bei pathologischen Bildungen analoge Erscheinungen zu beobachten sind, zugunsten der Annahme, daß wir es auch hier bei der Bildung der Muskeln mit einer pathologischen Erscheinung zu tun haben. Zu dieser Annahme haben wir jedoch keinen zwingenden Grund. Obwohl in den beiden Fällen sich gleiche morphologische Prozesse abspielen, können zu ihrer Entstehung verschiedene Reize gewirkt haben. Es wäre ein sehr willkürliches Verfahren, wollten wir diese Ähnlichkeit in den morphologischen Erscheinungen auch auf eine gleiche Ursache ihrer Entstehung zurückführen. In dem einen Fall handelt es sich um einen normalen Vorgang der Histogenese eines Organs, des Muskels. Es wird wohl kaum angängig sein, diesen normalen Vorgang mit Kernveränderungen in Beziehung zu setzen, die wir auf Grund unserer Kenntnisse der Cytopathologie für de- generative Vorgänge erklären müssen. Wir sind mit Scrzx (1911, p. 143) durchaus derselben Ansicht, daß die Zerlegung einer Anzahl von Zellen in Baumaterial zugunsten der überlebenden, selbst in dem gewöhnlichsten Sinne der Degeneration verlaufend, nicht gleich- bedeutend mit degenerativen Vorgängen zu sein braucht. Es kann im Gegenteil, da es sich ja bloß um eine Umformung des Kernmaterials handelt, im Sinne der gesamten Anlage als Ausdruck eines erhöhten aktiven oder produktiven Zustandes gelten. E. Allgemeine Betrachtungen über die Beziehung zwischen dem Kern und dem Plasma der Zelle. In dem speziellen Teil dieser Abhandlungen haben wir fest- gestellt, daß der histologischen Differenzierung des Auges sowie der Muskeln entweder eine reichliche Auswanderung von Chromatin aus den Kernen oder eine Auflösung größerer Kernterritorien vorangeht. Dadurch wird eine große Menge von Materialien gebildet, welche ihrerseits durch eine weitere Umwandlung die verschiedenen histo- logischen Differenzierungen liefern. Wenn man die Embryologie von Palaemon verfolgt, beruht überhaupt die ganze Histogenese auf dieser merkwürdigen Erscheinung. Sie kann daher kaum als etwas Zu- fälliges, etwa als eine Umschmelzung der Zellen eines durch die Meta- morphose unbrauchbar gewordenen Organs, angesehen werden, sondern muß. viel eher als eine spezielle Anpassung an biologische Verhält- nisse, hervorgerufen durch den raschen Wechsel der Lebensbe- dingungen, gedeutet werden. Cyto-histogenetische Studien. 593 Durch die sich rasch vollziehende Metamorphose stellt sich die Notwendigkeit von neuen Organen heraus, welche in allerkürzester Zeit gebildet werden müssen. Es ist nun begreiflich, daß die dafür nötigen Materialien längere Zeit zuvor gebildet werden können, um, so bald es not tut, gleich zur Stelle zu sein. Unseren Vorstellungen gemäß, die durch eine Reihe neuerer Untersuchungen ihre volle Be- stätigung gefunden haben, sind die verschiedenen histologischen Differenzierungen auf die lebhafte Kerntätigkeit der Zelle zurück- zuführen. Im speziellen besteht diese Kerntätigkeit in der Ver- arbeitung der von außen aufgenommenen Nahrung zu Kernsubstanz (Chromatin). Diese letztere tritt in das Plasma über, wo es einer Umwandlung in verschiedene Zelldifferenzierungen anheimfällt. Man hat besonders bei secernierenden Zellen (Drüsenzellen) fest- gestellt, daß die Chromatinauswanderung aus dem Kern nicht un- unterbrochen vor sich geht, sondern in den meisten Fällen, ähnlich wie die Secretion selbst, schubweise (periodisch) erfolgt. Es ist selbstverständlich, daß bei diesem Prozeß eine größere Menge von Kernsubstanz auf einmal den Kern verläßt, wodurch diese Erscheinung sehr demonstrativ zum Vorschein kommt. Die stark herange- wachsenen Kerne werden nach der Secretion, infolge der Aus- wanderung der großen Menge von Material, um viele Male kleiner als zuvor. Die histologische Differenzierung der verschiedenen Organe ist gleichsam als eine Art Zellsecretion aufzufassen, welche, besonders in dem vorliegenden Falle bei Palaemon, ebenfalls plötzlich einsetzt, dabei in einer solchen Intensität, daß auf größere Strecken ganze Kerne aufgelöst werden. Offenbar wird das Material hier durch die längere Zeit hindurch währende Kernvermehrung gebildet und in Form von Chromatin in den Kernen selbst aufgespeichert. Hier haben wir also einen extremen Fall von periodisch stattfindender Secretion vor uns, wo die intimen Prozesse oder, besser, die wechsel- seitigen Beziehungen zwischen Kern und Protoplasma und ihre Be- teiligung an den histologischen Differenzierungen am klarsten sich kund geben. Hier sehen wir also im extremsten Maße die Aufgaben, die einerseits der Zellkern, andrerseits das Zellplasma bei der Secretion zu verrichten haben, vor Augen geführt. Diese ausgedehnte Kernauflösung während der Embryonalent- wicklung, obwohl sie in mancher Hinsicht unter parallelen Er- scheinungen mit der Kernauflösung bei pathologischen Prozessen vor sich geht, kann kaum als ein pathologischer Prozeß selbst angesehen 594 THEopor Mororr, werden. Da es sich um eine Umformung von Kernmaterial handelt, muß es vielmehr im Sinne der gesamten Anlage als ein Ausdruck eines produktiveren Zustandes gedeutet werden. Infolge der Klarheit, mit der diese Verhältnisse bei der Ent- wicklung von Palaemon zutage treten, sind sie im äußersten Grade geeignet, Licht auf eine Reihe von Erscheinungen aus dem Gebiete der Cytologie zu werfen und zur Lösung vieler strittiger und cyto- logisch wichtiger Fragen beizutragen, welche in letzter Zeit Gegen- stand lebhafter Diskussion gewesen sind. Von den Verhältnissen bei Palaemon ausgehend, werde ich eine Umschau über die cytologische Literatur der letzten Jahre halten, wobei ich mit Rücksicht auf die allgemeinen Probleme, die uns vor- schweben und zu deren Lösung wir etwas beizutragen uns als Auf- gabe gestellt haben, auch die Auswahl und die Anführung der Literatur vornehmen werde. Dadurch hoffen wir, alle Erscheinungen, auch solche, die, dank dem Umstande, daß die vegetativen Prozesse der Zelle recht langsam vor sich gehen, nicht so deutlich zur Ent- faltung kommen, dem Verständnis näher zu rücken. Bevor wir die übrige Literatur in den Kreis unserer Betrach- tungen ziehen, wollen wir noch einmal die sich bei der Histogenese der einzelnen Organe bei Palaemon, Copepoden und Artemia ab- spielenden Prozesse vor Augen führen. Es muß allerdings hervor- gehoben werden, daß bei dem letzterwähnten Tiere diese Er- scheinangen nicht mehr so scharf zum Vorschein kommen. Die ersten Entwicklungsphasen bei Palaemon bestehen in einer lebhaften Kernvermehrung. Dadurch werden die im Ei in Form von Dotter aufgespeicherten Nahrungsstoffe in Kernsubstanz (Chro- matin) transformiert (umgearbeitet). Auf diese Weise entsteht nach und nach immer mehr Chromatin, das in Form von Kernen den größten Teil des Embryos erfüllt. Stellenweise sind die Kerne dicht aneinander gepreßt und bilden, man möchte sagen, kompakte Kern- massen. Zwischen den meisten Kernen ist entweder kein Plasma zu konstatieren, so daß sie miteinander in Berührung stehen, oder aber das Plasma tritt nur als eine ganz dünne Schicht um die Kerne auf. Es ist daher begreiflich, daß bei der nunmehr ein- tretenden Differenzierung der verschiedenen Zellbestandteile, sei es der Muskel-, der Nervensubstanz, sei es der Cuticula etc., das Plasma sich überhaupt nicht oder in einem recht bescheidenen Maße an diesem Prozeß beteiligen kann. Wir sehen aber andrerseits, dab die Kernsubstanz in sehr viel größerer Menge vorhanden ist, und Cyto-histogenetische Studien. 595 wenn es nach dem Verhältnis der Menge gehen würde, sie sich an den Differenzierungsprozessen um so viele Male stärker beteiligen würde. Dadurch wäre die Bedeutung dieser Zellbestandteile in der Physiologie der Zelle bereits gekennzeichnet. Doch treten uns andrerseits Erscheinungen entgegen, welche die Alleinherrschaft der Kerne in der Zellphysiologie noch stärker vor Augen führen. Morpho- logisch läßt sich nämlich die Umwandlung des Chromatins in die verschiedenen Zelldifferenzierungen Schritt für Schritt verfolgen. Etwa weit über die Hälfte der Kerne werden aufgelöst, und durch die Umwandlung des dadurch entstandenen Materials wird die histo- logische Differenzierung hervorgerufen. Wir haben ferner festgestellt, daß das Plasma selbst durch Kernauflösung zustande kommt, dab es also ebenfalls ein Umwandlungsprodukt der Kernsubstanz darstellt. In unseren früheren Abhandlungen (1908, 1909) haben wir bereits die große Bedeutung des Kernes bei der Secretion der Zelle hervor- gehoben und unsere Ansicht über die einzelnen Bestandteile der Zelle folgendermaßen präzisiert. Im Leben einer Zelle spielt sich eine Reihe von formativen Leistungen ab, welche uns 1. in Form von Verdauungssäften bei den Drüsenzellen, 2. in Form von histo- logischen Differenzierungen bei Muskeln, Nervenzellen, Bindesub- stanzen, Knorpelsubstanz, Cystenhülle, harten Skeleten usw., ferner 3. in Form von Reservestoffen — Dotter bei Metazoen, Amylon, Paramylon usw. bei Protozoen — entgegentreten. Alle diese Diffe- renzierungen der Zelle sind Umwandlungsprodukte des Chromatins, dessen Bildungsstätte im Kern zu suchen ist. Gerade die Verhält- nisse, die uns bei der Embryologie von Palaemon entgegentreten, liefern uns den besten Beweis für diese Auffassung. Denn wir sehen hier, dab für die Muskeln, Nervensubstanz sowie für die anderen Differenzierungen in der Zelle ausschließlich nur Kernsubstanz ver- wendet wird Es wurde eine große Zahl von Angaben in der neueren Literatur gemacht, aus welchen der Schluß zu ziehen ist, daß in allen uns aus der Histologie bekannten Zellarten morphologisch definierbare Be- standteile des Kernes in das Plasma übertreten. Für einen großen Teil dieser Kernbestandteile wurde von R. Herrwie der Ausdruck Chromidien in die Wissenschaft eingeführt. Darunter versteht er chromatisch sich färbende Einschlüsse im Plasma, deren nucleare Entstehung festgestellt werden kann. Bei seinen Studien an Pro- tozoen, speziell an Actinosphaerium, hat er nämlich festgestellt, daß während des vegetativen Lebens einer Zelle eine Menge von Chro- 1 » 596 THEopor Mororr, matin aus dem Kern auswandert und in das Plasma iibertritt, wo es einer Auflösung anheimfallt. Durch seine Studien an Ascaris hat Goutpscumrpt die Chromidienlehre auch auf die Metazoen aus- gedehnt und suchte sie mit der vegetativen Tatigkeit der Zelle in Zusammenhang zu bringen. Wenn man die Literatur der letzten Jahre überblickt, ist eine große Anzahl von Forschern vorhanden, die positive Angaben über Chromatinauswanderung aus dem Kern auf das bestimmteste an- geben. Für die Protozoen erwähne ich nur: HERTWIG, SCHAUDINN, PROWAZER, HARTMANN, GOLDSCHMIDT, MOROFF, Dusosca U. LÉGER, PoPoFF, AWERINZEFF, KUSCHAKIEWITSCH etc. Nicht minder zahlreich sind auch die Angaben für die Metazoen: GOLDSCHMIDT, WASSILIEFF, Poporr, MOROFF, JORGENSEN, SCHAXEL, MAZIARSKI, BUCHNER etc. — Wie ist nun diese Erscheinung zu deuten? Ein Teil der Forscher, ausgehend von Herrwic’s Lehre von der Kernplasmarelation, sehen diese aus dem Kern auswandernden Chromidien als überschüssiges Chromatin an, welches aus dem Kern ausgestoßen wird, damit die durch die lang andauernde vegetative Tätigkeit der Zelle gestörte Kernplasmarelation wieder hergestellt wird. Dieses im Plasma aus- gestoßene Chromatin ist dem Untergang geweiht; es kommt ihm also keine weitere Bedeutung in der Physiologie der Zelle zu. Da wir uns mit dieser Auffassung in einer früheren Abhandlung (1908) be- faßt haben, so wollen wir nicht mehr dabei verweilen. Ein anderer Teil der Forscher hat einen zeitlichen Zusammen- hang zwischen der Entstehung der Zelleinschlüsse (z.. B. Dotter, Secrete etc.) und dem Verschwinden der Chromidien festgestellt. Mit der Bildung dieser Einschlüsse (Zellbestandteile) werden die Chro- midien in einer gesetzmäßigen Proportion verbraucht. Die Anzahl der Forscher, welche positive Angaben über Umwandlung von aus dem Kern ausgetretenen Stoffen machen, ist sehr groß. So wurde durch die gründliche Untersuchung einer großen Anzahl von Forschern die aktive Beteiligung des Kernes bei der Produktion der Secrete auf eine einwandfreie Weise festgestellt. Der morphologische Aus- druck dieser direkten Beteiligung des Kernes an der Secretion äußert sich in einer Auswanderung geformter, morphologisch bestimmbarer Körper aus dem Kern, die in das Plasma übertreten, wo sie, in den weitaus überwiegenden Fällen, durch eine direkte Umwandlung das zur Bildung des Secrets nötige Material liefern. Besonders lehrreich Cyto-histogenetische Studien. 597 sind in dieser Hinsicht die neuesten Studien Mazıarskr's (1910, 1911), durch die der unzweideutigste Beweis der Kernbeteiligung an der Secretbildung erbracht wird. In diesen Abhandlungen hat der Autor eine sorgfältige Zusammenstellung der einschlägigen Literatur ge- geben und die Resultate der einzelnen Forscher folgendermaßen resümiert: Der Kern beteiligt sich an der Secretbildung, indem er meistens unmittelbar vor der Secretion in das Plasma ausstößt: 1. Nucleolen, die in der Literatur eine verschiedene Bezeichnung, wie Plasmosomen, Parasomen, Pyrenosomen, paranucleäre Körper, nucleoide Körper usw., gefunden haben. Diese Körper liefern, nach- dem sie gewisse Veränderungen erfahren haben, das Material, woraus die Secretkörnchen gebildet werden (GAULE, NUSSBAUM, ÜGATA, PLATNER, NIKOLAIDES U. MELISONS, VER EECKE, LAGUESSE, VIGUIER, Vom Ratu, GALEOTTI, ENGEL, HAMMER, HENRY usw.). 2. Chromatin, welches, nachdem es in das Plasma übergetreten ist, sich entweder direkt in das Secret umwandelt oder dem Plasma- material den Ursprung gibt, woraus nachher das Secret gebildet wird (REGAUD, REGAUD u. PoLICARD, HOLMGREN, CARLIER, LAUNOY, MAZIARSKI USW.). 3. Stabförmige oder knorrig aussehende Gebilde — Tropho- spongien —, die, nachdem sie ins Plasma übergetreten sind, weit- gehenden Veränderungen anheimfallen, bis sie sich schließlich in Secret umwandeln (ERHARD). 4. Und schließlich spielen sich in dem Kern selbst gewisse Secretionsprozesse ab, als deren Resultat auf Rechnung des Chro- matins oder der Nucleolen die Bildung einer Art von Prosecreten er- folgt, welche nachher in das Plasma ausgestoßen werden (Mme Pur- SALIX-PICOT, VIGUIER, MAZIARSKI USW.). Nicht unerwähnt möchte ich an dieser Stelle die Bildung der Nesselkapseln bei Cölenteraten lassen, welche gleichfalls als eine Secretion von Drüsenzellen aufzufassen wäre. Nach den Unter- suchungen Mororr’s (1909) treten aus dem Kern Substanzen in Form von vielen Nucleolen oder kleinerer Chromatinkörnchen aus, von denen ein Teil zur Bildung der Nesselkapsel verwendet wird, der übrige Teil das darin eingeschlossene Secret liefert. Es kommen auch Fälle vor, die an die Bildung der Prosecrete in dem Kerne selbst erinnern. Es wird auch hier manchmal die Nesselkapsel in dem Kern selbst angelegt, um nachher in das Plasma überzutreten, wo sie ihre weitere Entwicklung durchmacht. 598 THEODOR Mororr, Nicht minder zahlreich in dieser Hinsicht sind ferner die An- gaben der Autoren über die Geschlechtszellen der Metazoen, wovon die auffällieste Erscheinung (speziell bei den Eiern) die Dotterbildung ist. Einen Teil, besonders der früheren Autoren, habe ich in meiner Aggregata-Arbeit (1908) und in meinen Oogenetischen Studien (1909) aufgezählt. Hier will ich noch eine Anzahl von Arbeiten aufzählen, von denen ein großer Teil unter spezieller Berücksichtigung der Kerntätigkeit gemacht worden ist. Während des Eiwachstums wurde ein einmaliges oder wieder- holtes Austreten von Chromidien aus dem Kerne festgestellt, die bei der Dotterbildung verbraucht werden. Wizz (1884) für Batrachier, Leyvıc (1888), SCHARF (1888), van BamBEeckE (1893), Franz (1908) für die Teleosteer, Scumipr (1898) für die Selachier, KonLBRUGGE (1901) für die Reptilien, MERTENS (1893) für die Vögel, Goxnpscamipr (1905) für die Trematoden, Pororr (1908) für Paludina, Mororr (1909) für die Copepoden, ScHAXEL (1909) für die Ascidien, (1910) für die Cölenteraten, (1911) für die Echinodermen. Nach anderen Autoren wird der Dotter unter der direkten Ein- wirkung eines Dotterkernes gebildet. Für diesen Dotterkern nehmen die meisten Autoren einen nucleären Ursprung an, VAN BAMBECKE (1893) für Pholeus, NEmEt (1897) für verschiedene Diplopoden, Mertens (1895)- für verschiedene Vögel und Säugetiere, MOROFF (1909) für Copepoden. | HELENE Kine (1908), Jorpan (1893) geben zwar an, daß die Bildung des Dotters unter der Beteiligung des Dotterkernes er- folgt, doch stellt dieser Dotterkern nach diesen Autoren eine im Plasma entstandene Kondensation dar, die mit der Kerntätigkeit in keinem Zusammeähang stehen dürfte Das dem Dotterkern der übrigen Tiere bei Proteus entsprechende Gebilde stellt nach JOr- GENSEN (1910) ein Konglomerat verschiedenster Substanzen dar, die mehr mechanisch zu einem Körper vereinigt sind. Seine Substanzen degenerieren zuerst zu Fett, daraufhin werden sie zu Ooplasma auf- gebaut; sie haben aber weder beim Plasmawachstum noch bei der Dotterbildung eine „aktivierende Bedeutung“. Nach Lams (1907) erfolgt zwar die Dotterbildung bei Kana unter der direkten Einwirkung eines Dotterkernes; dieser letztere Cyto-histogenetische Studien. 599 wird aber von dem Autor mit dem aus der letzten Oogonienteilung übriggebliebenen Attraktionssphäre (Centrosom) identifiziert. Nachdem wir die Literaturangaben über die Entstehung der übrigen Zelldifferenzierungen aufgezählt haben, werden wir wiederum zur Dotterbildung zurückkehren und diejenigen Autoren berück- sichtigen, die die Dotterbildung unabhängig von einer Chromidien- bildung erfolgen lassen. Pigmentbildung. GALEOTTI und Fischer dürften wohl die ersten Forscher sein, die die Bildung des Pigments in Zusammenhang mit Chromidien ge- bracht haben. Denn sie haben angegeben, daß ihre Pigmentbildner farblose Körperchen darstellen, welche aus dem Kern austreten; die später erfolgten Forschungen haben diese Angabe vollauf be- stätigt. So hat Disraso in dem Mantelrand bei Helix nemoralis und Helix hortensis die Umwandlung der durch den Zerfall der Kerne freigewordenen Chromatinkörnchen in Pigment verfolgen können. Durch meine Befunde an dem Facettenauge werden diese Angaben Disraso’s noch mehr erhärtet; denn wie wir in dem speziellen Teil dieser Abhandlung gesehen haben, entstehen die Chromatinkörper- chen, die sich in Pigment umwandeln, durch den Zerfall von Kernen. Schließlich stellt nach Scıry (1911) das Pigment im Auge der Wirbeltierembryonen aus den Kernen ausgewandertes Chromatin (Chromidien) dar. Auch die Bildung des bei pathologischen Verän- derungen auftretenden Pigments steht in Zusammenhang mit Chro- midien (RÖSSLE, STAFFEL). Auch für die Fettbildung usw. in dem Fettgewebe und in den Pericardzellen der Musciden ist, vor allem nach den Untersuchungen von Pororr (1910), die Kerntätig- keit verantwortlich zu machen. Auch hier wird bei den jungen Fettzellen eine reichliche Menge von Chromatin aus dem Kern aus- gestoßen. Die zuerst diffus zerstreuten Chromidienkörnchen ver- einigen sich miteinander und nehmen im Laufe ihrer Umwandlung die Form von ergastoplasmatischen Bildungen, Mitochondrien, Chon- driomiten, Chondrioconten, Pseudochromosomen und Nebenkernen an, bis sie schließlich bei der Bildung des Fettes verbraucht werden. Auch JORGENSEN (1910) gibt eine direkte Umwandlung der aus dem Kern ausgestoßenen Chromidien bei dem Eiwachstum von Proteus in Fett an. 600 Turopor Mororr, Anschließend will ich hier noch erwähnen, daß die harten Skelete bei den Spermien der Decapoden von den sogenannten Mito- chondrien gebildet werden (Kouzorr). Bei den verschiedenen Säuge- tieren (Eichhörnchen, Maulwurf, Meerschweinchen, Ratte usw.) wurde durch van MozLé die Entstehung des Kragens am Schwanz der Spermatidien durch eine Faltung der Kernoberfläche und Auswachsen dieser Falte festgestellt. Protozoen. Außer den in meiner Aggregata-Arbeit, p. 154 gemachten Angaben über eine Umwandlung von Chromidien in andere Zellbestandteile will ich hier noch eine Anzahl neuerer Arbeiten anführen. Exrz (1909) hat angegeben, dab die Cilienbasalstrukturen bei Tintinniden aus dem Kern entstehen. Mororr u. Sriasny (1909) haben die Entstehung der Myophrisken bei Acanthometra durch Umwandlung ganzer Kerne festgestellt. Ferner haben die gelben Macronuclei bei demselben Protozoon nach diesen Autoren ebenfalls einen nucleären. Ursprung. Durch den Zerfall dieser Nuclei entsteht die Substanz, aus der sich nachher das übrige Plasma bildet. Mororr (1910) hat ferner bei Thalassicolla festgestellt, daß die sogenannten Eiweiß- kugeln dem Nucleus ihre Entstehung zu verdanken haben. Aus letzterem treten sie in Form kleiner Körnchen aus. Sie wachsen im Plasma zu einer beträchtlichen Größe heran, um beim Beginn der Bildung der Propagationskerne einer Auflösung anheimzufallen. Beim Zerfall läßt sich ihre Substanz zuerst mit basischen Farb- stoffen wie Chromatin färben; später wandelt sich diese Substanz in Fett um, indem sie sich dann mit Osmiumsäure zu schwärzen be- ginnt. BoRGERT (1909) hat ebenfalls eine Umwandlung von Chro- midien in Fett bei Awlacantha angegeben. Aus der aufgezählten Literatur ersieht man, daß sich der Kern an den secretorischen Leistungen der Zelle sowie an den verschie- denen Zelldifferenzierungen aktiv beteiligt. Diese aktive Beteiligung äußert sich in einer Auswanderung morphologisch bestimmbarer Bestandteile des Kernes, die in der Literatur meistens als Chromidien beschrieben wurden. Diese Chromidienauswanderung erfolgt oft für ganz verschiedenartige Zellen in einer bis ins Detail gehenden Ähn- lichkeit. Ich erinnere nur an die Bilder, die man nach der Dar- stellung einerseits Mororr’s bei dem Eiwachstum des Copepoden Paracalanus parvus, andrerseits Poporr’s bei der Fettbildung in den Cyto-histogenetische Studien. 601 Fettzellen, Onocyten und Pericardzellen bei Musciden sieht. Nicht minder auffallend ist die Ähnlichkeit zwischen der Auswanderung der Chromidien beim Eiwachstum von Centropages kröyeri nach MOROFF und der Chromidienauswanderung bei der Pigmentbildung im Auge der Wirbeltiere nach Scıry. Ich erinnere ferner an die Bilder, die man während der Embryonalentwicklung der Decapoden (Palae- mon) bei der Bildung der einzelnen Organe zu sehen bekommt. Überall findet eine reichliche Auflösung ganzer Kerne statt. Dieselbe Erscheinung beobachten wir bei der Muskelbildung mancher Copepoden. Alle diese Erscheinungen sprechen mit zwingender Kraft dafür, daß sich der Kern an den vegetativen Prozessen der Zelle aktiv beteiligt. Wie ist nun die aktive Beteiligung des Kernes an dem vege- tativen Prozesse der Zelle näher zu präzisieren? Durch die klaren Verhältnisse, die uns bei einer großen Reihe von Objekten vorliegen, ist die Frage nicht schwer in einem bestimmten Sinne zu beant- worten und zwar dahin, daß der Kern die nötigen Materialien aus- arbeitet oder, besser, liefert, die zur Bildung des betreffenden Secrets resp. der betreffenden Zelldifferenzierung nötig sind. Zu dieser An- nahme zwingen uns die Verhältnisse, die uns die Embryonalent- wicklung von Palaemon sowie die Muskelbiidung der Copepoden, das Eiwachstum bei Copepoden (Mororr), bei Ascidien (SCHAXEL) usw., die Secretbildung bei verschiedenen Tieren, besonders bei den Spinn- drüsen der Lepidopteren (Mazrarsri), die Fettbildung bei Musciden (Pororr), die Pigmentbildung bei Wirbeltieren (ScıLy) usw. geben. Zu dieser Annahme zwingen uns ferner die Forschungen von MEvES und seinen Schülern. Bekanntlich haben diese Forscher festgestellt, daß alle vorhin aufgezählten formativen Leistungen der Zelle Umwandlungsprodukte der von Meves als Chondriosomen beschriebenen Zelldifferenzierungen darstellen. Die Chondriosomen, welche in sämtlichen Embryonal- zellen als Körner, Mitochondrien, oder aber als Fäden (Chondrio- conten) auftreten, liegen nach Meves allen Zelldifferenzierungs- prozessen, welche sich bei der Sonderung des Embryonalleibes in verschiedene Organe und Gewebe abspielen, als das materielle Sub- strat zugrunde, welches in die verschiedenen spezifischen Substanzen umgewandelt wird. Allerdings wurde von Meves, DUESBERG und ihren Anhängern für diese Gebilde jeder genetische Zusammenhang mit den Kernen in Abrede getellt. Andrerseits ist aber eine grobe Anzahl von Fällen bekannt, wo für Gebilde, die zu den von Zool. Jahrb. XXXIV. Abt. f. Anat. 39 602 Tasopor Mororr, Mevzs als Chondriosomen bezeichneten Bildungen gehören, die Ent- stehung aus dem Kerne auf eine einwandfreie Weise festgestellt wurde: Eier der Copepoden (Mororr), Eier der Echinodermen (ScHaxeL), Fettzellen der Musciden (Poporr) usw. Wir müssen also für alle übrigen Fälle annehmen,. daß diese Gebilde in einem genetischen Zusammenhang mit dem Kern stehen, nur daß die den Untersuchungen von Mrves sowie den Arbeiten seiner Anhänger zugrunde liegenden Objekte sehr ungünstig zur Entscheidung dieser Frage sind; ferner daß die Chondriosomen von diesen Forschern vornehmlich durch spezifische Färbungsmethoden dar- gestellt werden, die in hohem Grade ungeeignet sind ihre Genese festzustellen. Bei unseren oogenetischen Studien an Copepoden haben wir das Eiwachstum und die Dotterbildung auf die Chromidienaus- wanderung aus dem Kerne zurückgeführt, indem wir sie einzig und allein als eine Folge dieser Chromidienauswanderung ansahen. Aus- gehend von den Erfahrungen, die wir bei diesen Tieren gemacht haben, haben wir diese Anschauung auch für die Eier der übrigen Tiere, sogar für solche angenommen, bei denen keine Chromidien- auswanderung während ihres Wachstums festgestellt werden konnte. Diese Annahme machten wir nicht so sehr infolge der Tatsachen, gewonnen durch die cytologische Forschung dieses engumgrenzten Kreises der Geschlechtszellenentwicklung, sondern mehr in Hinsicht auf die gesamte Zellbiologie. Wenn für eine große Zahl von Fällen auf das unzweideutigste festgestellt werden konnte, daß die verschiedenen Zelldifferenzie- rungen in letzter Instanz umgewandelte, aus dem Kern ausgetretene Materialien darstellen, so ist der Schluß vollkommen berechtigt, daß auch für die übrigen Fälle ebenfalls der Kern den Hauptagenten bei der Erzeugung der für die Zelldifferenzierung nötigen Materialien darstellt. Es wäre zu eigentümlich, wenn in den Eiern einer Tier- species das zur Bildung des Dotters nötige Material dem Kern seine Entstehung zu verdanken hätte, in den Eiern einer anderen Tier- species dieses Material hingegen von dem Plasma selbst ausgearbeitet würde. Wenn wir alle diese Erscheinungen im Zusammenhang mit- einander und im Zusammenhang mit den bei der Embryonalentwick- lung von Palaemon und Copepoden zutage tretenden Verhältnissen betrachten, so gewinnt diese Verallgemeinerung um so mehr an Boden und wird zur Gewißheit erhoben. Denn jede Tätigkeit einer Cyto-histogenetische Studien. 603 Zelle während des vegetativen Lebens derselben ist, im Grunde ge- nommen, eine Secretion. Bei den Drüsenzellen werden die elabo- rierten Stoffe aus der Zelle ausgestoßen, bei den übrigen Zellen: Muskelzellen, Nervenzellen, Geschlechtszellen usw., verbleiben diese Stoffe in den Zellen selbst. Übrigens ist diese letzte Behauptung nicht ganz richtig, denn wir sehen, so z. B. bei den Muskelzellen der Säugetiere, daß die in einer Zelle gebildeten Muskelfibrillen aus derselben auswandern und an ganz andere Stellen verlegt werden können. Wie läßt sich aber die Tatsache erklären, daß viele sorgfältige Forscher bei der secretorischen Tätigkeit der Zellen für viele Ob- jekte keine Chromatinauswanderung aus den Kernen feststellen konnten? Meiner Meinung nach beruht diese Erscheinung auf der engeren Fassung des Chromidienbegriffes. Wie bereits erwähnt, verstand HERTWIG unter dem Begriff Chromidien aus dem Kern ausgetretene sich chromatisch färbende Plasmaeinschlüsse, welche dem Untergang geweiht sind, daher sind sie für die Zellphysiologie von keiner weiteren Bedeutung mehr. Viele spätere Forscher haben den Chromidienbegriff in der Fassung HERTwIGS angewendet. (GOLDSCHMIDT, der die Chromidienlehre auf die Metazoen aus- gedehnt hat, hat ursprünglich den Fehler begangen, daß er die Chro- midien mit der Doppelwertigkeit des Zellkernes oder, besser, des Chromatins verquickt hat. Er hat nämlich angenommen, daß jede Zelle aus zweierlei Kernen besteht, aus einem trophischen und aus einem geschlechtlichen Kern. Bei vielen Protozoen sind diese zweierlei Chromatine in zwei morphologisch und topographisch wohl- definierte Kerne geschieden. Bei den Metazoen tritt diese Scheidung entweder vorübergehend oder für immer zutage; außerdem kann diese Scheidung entweder partiell oder komplet sein. Die eine Chromatinart, das trophische Chromatin, wird durch die Chromidien repräsentiert, die andere Chromatinart ist uns in dem Kern gegeben. Obwohl von Gozpscamipr hervorgehoben wurde, dab die Chromidien bei der vegetativen Tätigkeit der Zelle verbraucht werden, konnte er nicht die Art und Weise der Beteiligung der Chromidien an er- wähnten Prozessen angeben. In mehreren Abhandlungen (1907, 1908, 1909, 1910) habe ich bereits die in diesem Kapitel geäuberte Auf- fassung von der physiologischen Bedeutung des Kernes bei der Zell- secretion entwickelt. Nach dieser Auffassung handelt es sich also bei der Chromidienauswanderung aus dem Kern nicht um die Scheidung des trophischen Chromatins von dem Idiochromatin, sondern 39* 604 Turopor Mororr, um Transformierung von Kernmaterialien zu Zelleinschlüssen resp. zu Zelldifferenzierungen. Nach unseren Vorstellungen besteht der Kern der somatischen Zellen der Metazoen im Gegensatz zu den Protozoen und den Ge- schlechtszellen nur aus einer Chromatinart. Nicht nur in bezug auf ihre Morphologie, sondern auch in bezug auf ihre chemische Zusammensetzung dürften die aus dem Kern auswandernden Stoffe bei den verschiedenen Zellarten sehr grobe Differenzen zutage treten lassen. Was die Morphologie derselben anbelangt, so wurde eine Auswanderung der Kernsubstanz in Form von Körnchen verschiedener Größe, Nucleolen, Stäbchen usw. an- gegeben. Eine allmähliche Veränderung des Färbungsvermögens der ins Plasma übergetretenen Chromidien wurde bereits öfters beschrieben. Ich erwähne hier eine der letzten Arbeiten, die Abhandlung GÜNTHER’S (1911) „Die Eibildung bei Dytiscus“, in der er eine ähnliche Er- scheinung für die Chromidien der Nährzellen ausführlicher beschreibt. Diese Umwandlung in dem Färbungsvermögen dürfte wohl mit chemischen Veränderungen in diesen Körpern in Zusammenhang stehen. Diese Veränderung in dem Färbungsvermögen der aus dem Kern auswandernden Stoffe dürfte wohl als äußerer Ausdruck einer chemischen Veränderung, diesich an denselben abspielt, aufzufassen sein. Die verschiedenen Zellbestandteile sind einem ständigen Meta- bolismus unterworfen. Es findet eine ununterbrochene Umwandlung der Kernmasse in verschiedene Plasmadifferenzierungen statt. Diese Umwandlung erfolgt auf chemischem Wege und findet ihren äußeren Ausdruck sowohl in der Veränderung der Form der einzelnen Zell- einschlüsse als auch in dem wechselnden Färbungsvermögen der letzteren. Was für starke chemische Veränderungen in der Zelle während des vegetativen Lebens der letzteren vor sich gehen, kann man leicht aus dem Verhalten der im Kern stets verbleibenden Substanz er- schließen, welche eigentlich das beständigste Element in der Zelle sein sollte. Von vielen Forschern wurde festgestellt, daß der sich stark chromatisch färbende Kern in einer nächsten Phase des Zellenlebens sein Färbungsvermögen basischen Farbstoffen gegen- über vollkommen verliert, um in einer späteren Periode wiederum die ersterwähnte Eigenschaft zu erlangen. Es wurde daher von mir (1908) die Ansicht geäußert, daß sich die Kernbestandteile, Chromatin Cyto-histogenetische Studien. 605 und Plastin, ineinander umwandeln können, dah sie möglicherweise in einer isomeren oder polymeren Beziehung zueinander steben. Auf Grund dieser Erscheinungen in den Kernen haben auch die Anhänger der Individualitätshypothese der Chromosomen ihre An- sicht dahin ändern müssen, daß auch die nicht färbbare Kernsub- stanz die Kontinuität der letzteren vermittelt. Auch nach Vxspovsky beruht die Erbmassenkontinuität auf einer beständigen Umwandlung der Kernsubstanz, welche zweifels- ohne mit chemischen Veränderungen verbunden ist. Durch seine Untersuchungen hat Nimrc (1909) bewiesen, dab das Chromatin im Kernruhestadium und während der Kernteilungs- periode verschiedene Eigenschaften besitzt. Nimec hat die Wurzel- spitze von Allium sepa und Vicia faba mit Wasser von 96—99° C 5 Sekunden lang behandelt und sich überzeugt, daß die Kerne im Ruhestadium und die Chromosomen, welche aus dem letzteren entstanden und in Begriff sind die Caryokinese durchzumachen, ganz verschieden darauf reagieren. Bei dieser Behandlung lösen sich nämlich die Chromosomen vollkommen auf; ruhende Kerne bleiben hingegen intakt. Aus diesen und ähnlichen Versuchen zieht NEMEC daher den Schluß, daß man die Chromosomen als substantiell ver- schieden von dem Kernreticulum (wo keine Chromatinkérnchen vor- handen sind) ebenso wie von den Chromatinkérperchen erklären muß. Wenn sich der Kern zur Mitose vorbereitet, so beginnen in seinem Fadenwerke Substanzen aufzutreten, welche in heißem Wasser lös- lich sind. Offenbar erfährt die Substanz des Kernreticulums eine chemische Veränderung, welche schließlich zu seiner Verwandlung in ein im heißen Wasser lösliches Chromatin führt. Auch für Bacterien wurde von Ruzıcka nachgewiesen, dab sich die Substanz derselben während der vegetativen Tätigkeit wie Chro- matin verhält. Bei der Sporenbildung erfährt sie eine so weit- gehende Umwandlung, daß sie sich nunmehr wie echtes Plastin verhält. Aus diesen und ähnlichen Wahrnehmungen wurde zur Genüge die morphologische und die physikalische Veränderlichkeit der Kern- substanz demonstriert und daraus mit Recht der Schluß gezogen, daß diese Veränderungen der sichtbare Ausdruck von sich an der Kernsubstanz abspielenden chemischen Prozessen sind. Die ins Plasma übertretende Kernsubstanz wird noch weit- gehenderen chemischen Veränderungen unterworfen sein. Diese letzteren werden sich durch das Verhalten der Substanz Farbstoffen 606 THEODOR Mororr, gegenüber kundgeben. Es ist daher von vornherein zu erwarten, daß die aus dem Kern auswandernden Stoffe sich in bezug auf ihr Färbungsvermögen nicht mehr wie Chromatin verhalten werden. Ich nahm sogar an, daß die Veränderung noch im Kern so weit ge- gangen sein kann, daß der auswandernde Stoff sich mit den ge- bräuchlichen Farbstoffen nicht mehr färben läßt, und ich ließ das Vorkommen von „farblosen“ Chromidien zu. Man hat [JÖRGENsEN (1910)] allerdings Anstoß an dieser An- nahme genommen, da man den Begriff Chromidien für Plasma- einschlüsse, die sich wenigstens bei ihrem Auftreten mit Chromatin- farbstoffen färben und von denen wahrscheinlich gemacht werden kann, dab sie aus dem Kern in das Plasma übergetreten sind, re- serviert lassen will, ferner weil sich ein farbloses unsichtbares Ge- bilde unserer Beurteilung entzieht. Offenbar liegt hier zum großen Teil ein Mißverständnis vor. Wenn ich „farblose“ Chromidien an- genommen habe, so wollte ich dadurch die wechselseitige Beziehung zwischen Kern und Plasma durchaus nicht auf ein Gebiet hinüber- leiten, wo das Behauptete weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Nicht alles, was nicht färbbar ist, ist unsichtbar, so z. B. die Vacuolen. Wie in meinen oogenetischen Studien ausführlich auseinandergesetzt wurde, findet in vielen Fällen ein lebhafter Stoff- austausch zwischen Kern und Plasma in Form von Vacuolen statt, ferner in Form von schwach färbbaren Körnchen, sogenannten Plasmosomen. Schließlich werden als Chromidien in bezug auf ihre chemische Zusammensetzung nicht ganz gleiche Dinge bezeichnet. Denn nicht alle Körper, welche aus dem Kern austreten und sich mit chromatischen Farbstoffen färben, sind von gleicher chemischer Zusammensetzung. Wenn ich den Ausdruck „farblose“ Chromidien angewendet habe, so wollte ich damit die extremste Fassung meines Gedankenganges zum Ausdruck bringen. Ich bin nämlich der An- sicht, daß eine Idee, wenn sie sogar in ihrer extremsten Fassung nicht nur nicht absurd klingt, sondern ein größeres Tatsachenmaterial zu ihren Gunsten beigebracht werden kann, von einem gewissen Wert sein und einen Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben kann. Übrigens dürften wir nicht außer acht lassen, daß der Ausdruck Chromidien für Zelleinschlüsse eingeführt wurde, deren nuclearer Ursprung für viele Formen sogar von Herrwıc selbst nur ver- mutungsweise angenommen wurde Außerdem genügen diese Zell einschlüsse nach den neueren Forschungen bei weitem nicht den Anforderungen des Chromidienbegriffes in der Fassung HERTWIGS. Cyto-histogenetische Studien. 607 Hier will ich nur für den Chromidialappart von Arcella hervorheben, dab er sich nach den neuesten Untersuchungen von Knaınsky (1911) in vieler Beziehung zu verschieden von dem Chromatin des Kerns verhält, um mit ihm identifiziert werden zu können. Die Annahme Herrwis's, daß aus diesem Chromidialapparat neue Kerne gebildet werden, bedarf, nachdem für andere Protozoen diese Behauptung sich als unzutreffend erwiesen hat, ebenfalls einer Bestätigung. Ich habe sogar den Eindruck, daß sich in der tierischen Zelle überhaupt keine Gebilde finden lassen werden, die dem Chromidienbegriff in seiner ursprünglichen Fassung entsprechen können. Da der Aus- druck Chromidien bereits öfters in einem Sinne angewendet wurde, der sich mit seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr deckt, so habe ich in Verfolgung meines Ideenganges eine extremste Möglich- keit ins Auge gefaßt, bei der auch von „farblosen“ Chromidien ge- sprochen werden kann. Die Anwendung des Chromidienbegriffes in der engen Fassung, die ihm ursprünglich von HEerrwiG gegeben wurde, und unser Bestreben, festzustellen, ob solche Chromidien aus dem Kern aus- treten, würde den Eindruck machen, als ob die Chromidienlehre die Grundsäule bilde, um die sich die ganze cytologische Forschung rankt. Dadurch räumen wir unwillkürlich dieser Lehre eine weit größere Bedeutung ein, als ihr zukommt, d. h. es würde den Eindruck machen, als ob sie das Endziel der cytologischen Forschung wäre. Das Endziel der cytologischen Forschung müßte die Aufdeckung der Art und Weise, wie sich die physiologischen Prozesse in der Zelle abspielen, sein. Da jede Zelle aus Plasma und Kern besteht, so müßte zuvor die Bedeutung dieser Zellbestandteile für das Zell- leben eruiert werden, was am besten in der Weise geschehen kann, daß man die wechselseitige Beziehung zwischen Kern und Plasma festzustellen sucht. An der Hand der Hilfsmittel, die uns zurzeit zur Verfügung stehen, können wir aber diese Aufgabe fast nur auf morphologischem Wege der Lösung näher führen. Aus der Wan- derung morphologisch bestimmbarer Bestandteile der einen Kom- ponente (Kerne) in die andere (Plasma) und umgekehrt müßten wir ihre Beziehungen zueinander zu erschließen trachten. Durch die cytologische Forschung der letzten Jahre wurde nun aber festgestellt, dab der Stoffwechsel zwischen Kern und Plasma bei einer äußerst großen Zahl von Zellen verschiedensten Ursprungs in Form von Chromidien erfolgt. Dies ist jedoch in keinem Falle der alleinige morphologische Ausdruck dieses Prozesses! Denn bei 608 THEODOR Mororr, einem andéren Teil der Zellen erfolgt er in Form von Vacuolen Nucleolen, kleinen Körnchen, Plasmosomen, offenbar auch in gelöstem Zustande etc. Bei meinen Studien habe ich sogar den Eindruck eewonnen, daß in Fällen, wo die Kernsubstanz in Form von Chro- midien den Kern verläßt, sie daneben auch in gelöstem Zustande ins Plasma übertritt. JÖRGENSEN, der für Proteus die Auswanderung von Chromidien während des Eiwachstums mit Entschiedenheit leugnet, tritt hingegen sehr lebhaft für die äußerst rege Auswanderung von Kernsubstanz in gelöster Form ein. Warum sollen nun diese Stoffe nicht dieselbe Verwendung finden können wie die Chromidien selbst ? Wir haben absolut gar keinen Grund anzunehmen, daß sie minder- wertiger wären als die Chromidien selbst. Schließlich haben wir auch durch unser Verfahren, alle möglichen Einschlüsse in der Zelle, wie Trophospongien, Mitochondrien, ergastoplasmatische Bil- dungen etc. die färberisch weitgehende Differenzen zutage treten lassen, als Chromidien zu bezeichnen, aus diesem Worte einen Sammelbegriff gemacht, der die in einer bestimmten Form aus dem Kern auswandernden Stoffe zum Ausdruck bringen soll. Da aber für eine große Zahl von Fällen auf das unzweideutigste festgestellt wurde, daß die verschiedenen Zelldifferenzierungen wirk- lich umgewandelte Kernsubstanz darstellen, welche in Form von Chromidien den Kern verläßt, so sind wir mit gutem Grunde be- rechtigt anzunehmen, daß dort, wo nicht festgestellt werden konnte, daß der Kernstoftaustritt in Form von Chromidien erfolgt, derselbe event. in gelöster oder in einer anderen Form vor sich geht. Andrerseits darf man nicht außer acht lassen, daß die Chro- midien mancher Zellen assimilations- und vermehrungsfähig sein dürften, wie ich dies in meinen oogenetischen Studien für die Centro- somen, Dotterkerne bei manchen Eiern, Chlorophyllkérper bei den Pflanzen etc. ausgeführt habe. Für viele dieser Bildungen ist der genetische Zusammenhang mit dem Kerne gesichert. Wir verweisen auf die dort gemachten Ausführungen. Hier wollen wir nur noch hervorheben, daß es nicht nötig ist, daß die Chondriosomen resp. Chromidien ununterbrochen während des ganzen Zellenlebens den Kern verlassen, sondern es könnte sein, daß sie in einem bestimmten Moment der Zellentwicklung den Kern verlassen, um nachher während der ganzen übrigen Zeit als selbständige Bildungen neben dem letzteren zu bestehen. Ein schönes Beispiel gibt uns in dieser Hinsicht Thalassicolla. Bei diesem Radiolar treten aus dem Kern kleine plasmosomenähnliche Körnchen in das Plasma über; hier Cyto-histogenetische Studien. 609 wachsen sie zu den sogenannten Eiweißkörpern heran, die sich mit Chromatinfarbstoffen nicht färben lassen. Sobald sie jedoch beim Beginn der reproduktiven Tätigkeit des Tieres sich aufzulösen be- ginnen, fangen die sich von ihnen ablösenden Stücke an sich wie Chromatin zu färben (Mororr 1910). Eine Vermehrung dürften wohl die Chromidien während des Wachstums vieler Eier erfahren, so z. B. die Chromidien bei den Eiern mancher Medusen (ScHaxer, 1910). Beim Übergang der Geschlechtszellen von der Vermehrungs- in die Wachs- tumsperiode treten aus dem Kern Chromidien in einer bestimmten Menge in das Plasma über. Dieser Prozeß soll sich nach SCHAXEL während des Wachstums des Eies nicht mehr wiederholen. Gegen das Ende des Eiwachstums sind aber weit mehr Chromidien im Plasma zu konstatieren als zu seinem Beginne. Dieselben Verhält- nisse sind auch bei vielen anderen Tieren zu konstatieren. Es ist andrerseits aber auch in Betracht zu ziehen, daß die Chromidien unter einer anderen Form den Kern verlassen können, so z. B. als Tröpfehen oder Körnchen, die sich anders färben und erst später, nachdem sie ins Plasma übergetreten sind, eine stäbchen- förmige Gestalt annehmen, wobei sie sich gleichzeitig auch chro- matisch zu färben beginnen. Nun ist noch kurz die Frage zu berühren, auf welche Weise die Kernsubstanz die Aktivierung der Plasmaeinschlüsse hervorruft. Die Beantwortung dieser Frage ist von großer Bedeutung für das Verständnis des sich in der Zelle abspielenden Metabolismus. Von RuZiëka wird nämlich die Ansicht ausgesprochen, daß sich ein Zellbestandteil in den anderen umwandeln kann, daß sowohl die Kernsubstanz aus sich selbst sich in Plasmabestandteile umwandeln als auch das Plasma aus sich selbst sich in Kernsubstanz trans- formieren kann. Die Verhältnisse, die sich uns während der Embryo- logie von Palaemon darbieten, sprechen aber nicht zugunsten dieser Ansicht. Wir sehen nämlich, daß sich zuvor das Plasma mit seinen Einschlüssen (Reservenahrung) in Kernsubstanz (Chromatin) um- wandelt und erst dieses Chromatin bei der histologischen Differen- zierung der verschiedenen Organe wiederum verwendet wird. Da andrerseits die Reservenahrung umgewandelte Kernmaterialien dar- stellt, so kann mit vollem Recht der Schluß gezogen werden, daß alle Umwandlungsprozesse durch den Kern ihren Weg nehmen und vielleicht nur der Kern allein das zur aktiven Wirksamkeit fähige Element in der Zelle ist. 610 Ta£sopor Mororr, Die Entscheidung der Frage, ob die Chondriosomen resp. die Chromidien in genetischem Zusammenhang mit dem Kern stehen oder eine selbständige Existenz in der Zelle führen, hat eine große Bedeutung auch bei der Entscheidung der Frage über die Bedeutung des Plasmas und des Kernes bei der Vererbung. Nach dem Erscheinen von NAceti’s klassischem Werke: „Mecha- nisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre“, in welchem er auf Grund theoretischer Erwägungen zu dem Schluß kam, daß ein Anlageplasma oder Idioplasma als Träger der erblichen Anlage anzusehen und von dem übrigen Plasma zu unterscheiden ist, haben HERTWIG und STRASBURGER unabhängig voneinander die Ansicht ausgesprochen, daß das Idioplasma NÂGeLrs in dem Chromatin der Kerne zu suchen ist. Dieser Ansicht haben sich Weısmann (1905), KÖLLIKER (1885), VAN BENEDEN (1887), Bovert (1887) usw. ange- schlossen. Zu dieser Schlußfolgerung kamen sie durch folgende Über- legungen. Bei der Befruchtung bringen die Eizelle und die Samen- zelle mit ihren gleichgroßen Kernen in dem Chromatin äquivalente Substanzmengen mit. Obwohl die mit dem Ei mitgebrachte Plasmamasse um viele Male größer als das von dem Spermatozoiden mitgebrachte Plasma ist, sind die mütterlichen und die väterlichen Charaktere in dem neuen Individuum gleichmäßig vertreten. Durch die Chromo- somenreduktion bei der Ei- und Spermareifung wird eine Summierung der Erbsubstanz bei der Vereinigung der Geschlechtszellen verhütet. Ferner ist es nur das Chromatin in der Zelle, welches durch die genaue Halbierung der Chromosomen bei der Zellteilung in gleicher Menge auf die Tochterzellen verteilt wird. Gegen diese Anschauung von der Bedeutung des Zellkernes bei der Vererbung haben sich eine ganze Reihe von Forschern ge- wendet, welche auch das Protoplasma an der Vererbung teilnehmen lassen. Diese Ansicht hat durch die experimentelle Forschung der folgenden Jahre eine große Unterstützung gefunden. Durch An- schnittsversuche, welche an befruchteten, aber noch nicht gefurchten Eiern gemacht wurden, hat man gezeigt, daß, obwohl der Kern intakt geblieben war, sich Defektbildungen an den sich entwickeln- den Larven zeigten. Manche dieser Experimente haben zu dem Schluß geführt, daß in den Eiern mehrere verschiedene Plasmaarten vor- handen seien, welche bestimmte Beziehungen zur Bildung bestimmter Organe aufweisen. Ctenophoren [FıscheL (1903)], Myzostoma-Ei [Drizsch (1897)], Tunicaten [Conkrın (1905)]. Cyto-histogenetische Studien. 611 Ferner fielen auch die Bastardierungsversuche zugunsten des Plasmas in die Wagschale. Es wurde nämlich gezeigt, dab enucleierte Eistücke, welche mit Sperma einer fremden Species befruchtet worden waren, bei der Entwicklung rein mütterliche Charaktere zur Schau trugen (LoEB, GODLEWSKT). Allerdings wurde den bekannten Unter- suchungen GODLEWSKT'S sowie denjenigen von Lors und Bovert in allerneuester Zeit von GÜNTHER, Herrwie (1911) widersprochen. Es wurde nun die Frage aufgeworfen ob das ganze Plasma Vererbungseigenschaften besitzt oder ob die Vererbungssubstanz eine Lokalisation im Plasma aufweist. Ausgehend von der Anschauung, daß die Chondriosomen am meisten den Bedingungen, die an eine Ver- erbungssubstanz gestellt werden, genügen, hat Meves sie als Träger der Vererbungssubstanz erklärt. Möglicherweise könnten die Chon- driosomen (Chromidien) die ihnen von Mreves zugeschriebenen Eigen- schaften wohi besitzen. Wenn man aber in Betracht zieht, dab sie dem Kern ihren Ursprung zu verdanken haben, so ist damit die dem Kern von HErTwIG und STRASBURGER zugeschriebene Eigenschaft als Vererbungsträger in keiner Weise tangiert. Sollten andrerseits GODLEWSKTS Schlußfolgerungen weiter richtig bleiben, die er aus seinen Versuchen an Echinideneiern zog, welche mit Antedon-Sperma befruchtet waren, so können sie ihre Erklärung auch in einer anderen Weise finden. SCHAXEL (1910) hat an Echino- dermeneiern gezeigt, daß während der ganzen Furchungsperiode die von dem Ei mitgebrachten Chromidien sich zuerst an dem physio- logischen Prozeß der Zelle betätigen und erst beim Beginn der Organbildung neue Chromidien aus den Kernen austreten, die nun im Plasma zur Aktivierung kommen. 612 THEoDoR Mororr, Literatur über Muskeln. Apatut, S. (1892), Kontraktile und leitende Primitivfibrillen, in: Mitth. zool. Stat. Neapel, Vol. 10 — (1894), Das leitende Element in den Muskelfasern von wi in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 43. — (1902), M. HEIDENHAIN’s und meine Auffassung der kontraktilen und leitenden Substanz und über die Grenze der Sichtbarkeit, in: Anat. Anz., Vol. 21, p. 61—80. ARNOLD, S. (1909), Zur Morphologie des Muskelglykogens und zur Struktur der quergestreiften Muskulatur, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 73, p. 263—287, tab. 11—12. 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Durch den Zerfall vieler Kerne ist in einer größeren Menge ein granuliertes Plasma entstanden, welches stellenweise bereits eine gestreifte Struktur angenommen hat. 1300:1. Fig. 5. Paracalanus parvus. Ein Kern, der sich zum Teilen an- schickt. Tafel 40, Fig. 6. Paracalanus parvus. Ein Kern, der in Teilung begriffen ist. Fig. 7, 8. Paracalanus parvus. Teilungsstadien des Kernes. Fig. 9. Paracalanus parvus. Ein in Teilung begriffener Kern (direkte Kernteilung). Fig. 10. Paracalanus parvus. Ein Schnitt durch einen riesen- haften Kern. Darin sind 10 Nucleolen zu sehen. 2250: 1. 40* 620 Turoror Mororr, Cyto-histogenetische Studien. Fig. 11, 12. Paracalanus parvus. Zwei Kerne in Teilung begriffen, in dem ersten Kern gibt sich die Kernteilung durch die Teilung des Nucleolus kund. Fig. 13. Paracalanus parvus. Kernteilungsstadien. Fig. 14. Paracalanus parvus. Zerdehnung des Kernes durch starke Verlängerung in einer Richtung. Fig. 15. Paracalanus parvus. Zwei Auswüchse an einem Kern. Fig. 16—19. Paracalanus parvus. Verschiedene Stadien in der Umwandlung der Kerne in Muskelfibrillen. Fig. 20. Paracalanus parvus. Weitvorgeschrittene Auflösung eines Kernes (Chromidienbildung). Fig. 21. Centropages typicus. Kerne der initialen Myoblasten in Ruhe- und Teilungszustand. 2250:1. Fig. 22. Centropages typieus. Kerne der Myoblasten, die in starkem Zerfall begriffen sind. 2250:1. Fig. 23. Centropages typicus. Zerfall der embryonalen Muskelzell- kerne in Chromidien. Die einzelnen Chromatinstäbe (Chromosomen) sind durch den Zerfall der Kerne entstanden. Fig. 24. Centropages typicus. Reihenförmige Anordnung von mehreren Kernen, offenbar zur Bildung einer Muskelfaser. 2250: 1. Tafel 41. Fig. 25. Centropages typieus. Umwandlung von reihenförmig ange- ordneten Kernen in einer Muskelfaser. 2250:1. Fig. 25a. Centropages kröyeri. Ein Myoblast mit heranwachsendem Kern, Fig. 26. Centropages kröyeri. Ein Myoblast mit herangewachsenem Kerne, Fig. 27. Centropages kröyeri. Myoblasten, deren Kerne in Teilung begriffen sind. Fig. 28—30. Centropages kröyeri. Myoblastenkerne, in welchen die Chromatinfasern (Chromosomen) nach einem bestimmten Punkt orientiert sind, Anfangsstadien der Kernteilung. Fig. 31. Centropages kröyeri. Ein Myoblastenkern in Teilung be- griffen. Fig. 32. Centropages kröyeri. Verschiedene Kernteilungsstadien. Fig. 33—35. Centropages kröyeri. Riesenkerne von Myoblasten. Fig. 36, 37. Centropages kröyeri. Kernteilungen. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m, b. H., Naumburg a. d. S. u. = Zoolog.Jahrbücher Bd. 34 Abt.f Morph. | Tak 1, L ak = a a Be : =| Ed Schoenemund oez Verlag von Gusta¥ fischer in Jena. Tith AnstvE AFinike Leipzig | Tat 2. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34. Abt.f Morph. - Schw Schw L rlag vol Gusta¥Fischep in Veriat Jena Ed Schoenemund gez “es ' # , : Zoolog. Jahrbiicher Bd.34. Abt. f Morph. . ROR) © ganar © ap sie dere ER a SEE A ST) ng Schepotieff gez. Verlag von Gustav Fischer in Jena Lith Anst.v.A.Giltsch, Jena. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f. Morph. tes. Verlag von Gusta Fischer in Jena. Suslow. Taf. 4. sM wy "y “ te” 4 ~~ N wh a = $ 9 . 3 LS y z wir, È rn a 3 Er iS 3 e sac. DS 3 x = À MT NE EU pi N 54 © = I it , + g N NS HAL = II N Ke 2 Si E ST : ims = Rs = oF 3 “ F U 3 Ve 5 AU 8 ty JS ug NN Je,, à / fas Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f. Morph. Tu 2, ru Pet gear ere eee à, Zutee * gem 2, rungen EL “te TENTE Verlag von Gustar Fischer in Jena, ; a TS mt eee rT Zootog. Jahrbücher Bd.34 Abt.F Morph, Taf. 6. N Verlag von Gustav Fischer in Jena. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt.f Morph. Tat 7 Verlag von Gusta Fischer nie P Weise, Lith., Jena Mammen. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34+ Abt.f Morph. Mammen. Verlag von Gust" Pocher in Jeng P Weise. Lith., Jena. « i .34 Abt.f Mo Zoolog, Jahrbücher Bd.3+ Abt. orph. ER Mammen. Verlag von Gta Fischer in Jena, > “ ot FAR ECS Mr. Ps. bals À AR, Baunacke. Autor fecit. Verlag stab F; von Gu Fischer, Jena | : ee FE Lichtdruck der Hofkunstanstalt von Martin Rommel & Co., Stuttgart. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34. Abt. f. Morph. Baunacke Autor fecit. Verlag von Gustav Fischer, Jena, + “ roy = Lichtdruck der Taf. 11. Fig. 25. Hofkunstanstalt von Martin Rommel & Co, Stuttgart. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34. Abt. f. Morph. Taf. 12. i ) keb sch Baunacke. Autor fecit = UStay p; Verlag von Gustav Fischer, Jena Lichtdruck der Hofkunstanstalt von Martin Rommel & Co., Stuttgart. + D ES > SchrB —W Dep e. Foerster gez Verlag vor Gustav fischer in Jen inJena, Lith Anst v Johannes Arndt, Jena. Zoolog. Jahrbücher Bd. 5%. Abt. £ Morph. yon Gustaviis orcas Foerster gez. 0 Scher in Jena, Lith Anst.v Johannes Arndt, Jena Verlag Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f: Morph. | / Kayan nn 1 # | a 0 u per + ; € Vu FA k % : 4 # De: WC a } > lah, 10: 9 Verlag von Gustav Fischer in Jen Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f: Morph. | Taf 17. Verlag von Gustav cher; Jena Lith. Anst.v.A.Giltsch, Jena Schaxel gez. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f Morph. | Taf 18. Re eee Verlag von bustafficherin Jena Lith. Anst.v. A.Giltsch, Jena. | | | | Schaxel gez. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f! Morph. Taf: 19 Schaxel gez Verlag von Gustav Fischer in Jena. Lith. Anst.v. A.Giltsch, Jena. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f Morph. Schaxel gez vena Taf: 20. Lith Anst.v. A.Giltsch, Jena ee Ah ne Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f Morph. Taf 21. =| Schaxel gez. Verlag vor Gustav Fischer jn Jena Lith Anst.v A.Giltsch, Jena Zoolog. Jahrbücher, Bd. 34 Abt. f Morph. Verlag von GustaVfischen in Jena Lith Anst v À Giltsch, Jena Schaxel gez. Tat 23. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. Morph. Lith Anst vEAFunke Leinaq Jena. Trin Gusta¥ lise). Jerlag vor 1 \ rA Schaxel ge Zoolog. Jahrbücher Bd.3% Abt. Morph. Ta 2% Lith Anst vE.AFınkeleipäg Schaxel gez Verlag von Gustay Fischer in Jena. Zoolog.Juhrbücher Ba.3 Abt.X Morph. rın dena, Taf! 26. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34.Abt.f:Morph. 114. 122. 120. ee — Lith.Anst vEAFunkeleipäg Verlag vol! Gustav Pisce in Jena. Schaxel gez Taie: Zoolog. Jahrbücher Bd.3%. Abt. € Morph. 128. Se) Be 130. > [A 732. 129. 7131. n Gustavfischer in Jena [al 28, = Verlag von Gustav Fischer ın Jena. Zoolog. Jahrbücher Bd..34. Abt. f: Morph. Taf. 29. IN: CR ATSS Lie, 2 fs Par Cas LA 5; & 2 & Fan a ~ = = ee * > — Md RER. N CASE forof£ gez Verlag von Gustavfischer in Jena Lith. Anst.v A.Giltsch, Jena Pre a, Zoolog. Jahrbücher Bd.34 Abt.t Morph. AA ... (VA FR REN ‘| 17 * I RER Layee = FA Dyes " RUE DER PE 5 er a N BIETER RE WAAR PHT Bathe , AS OST “ RARE ; Jarre A ss Pe eg 3 So A MEERE, NR RT Oo ua fa i SP EUR LES hd 70. oe Gusta Fischer in Jena Lith Anst vE AFunke Leipzig Zoolo ll g. Jahrbücher, Bd. 34. Abt. f: Morph. Ben, De" EI Serre Sn BS Lars RES KIA A surtt: EE MERS EL LENS pl MES EAN à Ate manatee Ruane ey RU es | Passen Ste à NUSSSCHEI fe yi Verlag von GustäYFischer in Jena. Zoolog.Jahrbücher Bd.34 Abt. Morph. AFunke Leipzig twE Ein Ans (Gustavfischer m Jena Verlag von Moroff gez ——— Zoolog. Jahrbücher Bd. 34. Abt. f. Morph. Moroff gez Ei Verlagvon Gustav Fischer in Jena Vat 7I3e Lith. Anst.v. À Giltsch Jena Taf. 34. Zoolog. Jahrbücher Bd.34 Abt.f Morph. NET N ET RETTET EEE PELE en RUES POLIS "eS q AFunke Leipzic AnStw LA n Gustay Fischer in Jena ferlag VC \ Moroff gez L'TAIS. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34 Abt. f. Morph. AR CRIS > à) W) es p CS 2 us N ue A y >; 8 Zoolog. Jahrbücher Bd.34 AbL.f Morph. CS PISE Moroff gez Verlag vol \ Gustaffischen Taf. 36. in Jena. Toth Anst v.E.AFunke Leipzig — Tat. 37 Zoolog. Jahrbücher Bd. 3%. Abt. f. Morph. Jena. stv. A Giltsch Lith. An Verlag von Gus taVfischer in Jena f gez Morof: Fe Taf. 38. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34. Abt. t Morph. ; Lith. Anst.v. A.Giltsch, Jena. = Moroff gez 3 J Verlag von Gustav Fischer in Jena. Tat, 29. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34. Abt. f. Morph. Lith. Anstv. A.Giltsch Jena yon Gustav Fischer in Jena Taf: 40. Zoolog. Jahrbücher Bd. 34. Abt. f Morph. ‘À TI D ö ke rl, SR n GustavFischer n Jens Lith Anst.v. A-Giltsch, Jena Verlag vo Tat: #1. Tez. Zoolog. Jahrbücher Bd.34 Abt.t Morph. Mor off REX ATI. 2 A? Ba Nr re, Ted 4 A FE TN Vs kr nf ui An J HRG. M \ IR LH: M A Ne MATE gab fay eet IN il A] 4 + Ph am LL 5 WHSE 04641 = N M An Ry \ RE ie Na