ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. VON A. A. W. HUBRECHT. Veröffentlicht durch die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Amsterdam. MIT VIER TAFELN. AMSTERDAM, JOHANNESMÜLLER. 1880. \CH 9 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. VON A A: W: HUBRECHT. Veröffentlicht durch die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Amsterdam. MIT VIER TAFELN. AMSTERDAM, JOHANNES MÜLLER. 1880. La I I} . 4 Burn ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN, voN A. A. W. HUBRECHT. Die folgenden Untersuchungen wurden im Winter 1878/79 in der Zoologischen Station zu Neapel angefangen und seitdem sowohl an frischem wie an con- servirtem Materiale weiter geführt. Der kräftigen Unterstützung, die mir von Seiten des Gründers jener Anstalt, sowie von Seiten seiner Assistenten, fort- während zu Theil geworden, sei hier dankbar gedacht, Die Arbeit zerfällt in drei Abschnitte: I. Anatomischer Bau und histologische Zusammensetzung des Nervensystems. Il. Historisches über die Deutung der sogenannten Seitenorgane, sowie Be- schreibung einer Reihe von physiologischen Versuchen, die zur Aufklärung der Function dieser Organe angestellt wurden. III. Einige allgemeine Gesichtspunkte, welche sich, ausgehend vom Nerven- systeme und mit kücksichtnahme auf die sonstigen Organisationsverhältnisse die- ser Thiere, gewinnen lassen. 1 Das Nervensystem der Nemertinen besteht 1°. aus einem centralen Abschnitte in welchem fasrige, sowie zellige El:mente neben einander vorkommen, letz- 16 NATUURK. VERH. DER KONINKL. AKADEMIE. DEEL XX, 2 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE tere in der Form einer Belegschicht, welche den fasrigen Kern bis zum äussersten Hinterende des Körpers begleitet, 2°. aus einem Systeme, sich hiervon abzweigen- der peripherischer Nerven, welche sich zu den Sinnesorganen, der Haut, dem Rüs- sel, dem Verdauungscanal u. s. w. begeben. Das Centralnervensystem zerfällt wiederum in zwei Abschnitte: in das vorn im Kopfe gelegene, aus mehreren Anschwellungen zusammengesetzte Gehirn und die beiden, die unmittelbare Forsetzung desselben bildenden und durch die ganze Länge des Körpers nach Hinten verlaufenden Stämme, die ich als Nerven- markstämme bezeichnen will. Sie liegen entweder neben, oder unter, oder über dem Darmcanal und seinen Blindsäcken, vereinigen sich aber nie in der Me- dianlinie des Bauches und bilden somit nie einen Schlundring mit dem stets über dem Darmcanal gelegenen Gehirne. Entweder endigen sie frei, ganz in der Nähe des Afters, oder sie verbinden sich mit einander; in einigen Fällen ver- mittelst einer Commissur die, gleichwie das Gehirn, über dem Darmcanale, und zwar am äussersten Schwanzende gelegen ist. Ersteres findet sich bei allen bis jetzt darauf untersuchten SCHIZONEMERTINI (IX), Letzteres bei Pe- lagonemertes (XXIII), Amphiporus hastatus (Fig. 4—7), Amphiporus pulcher, Drepanophorus und aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei vielen anderen, noch nieht speziell darauf untersuchten HoPLONEMERTINI. Diese dorsal gelegene Anal-Commissur, welcher, wie ich glaube und weiter unten noch näher betonen werde, eine hohe Bedeutung beigelegt werden muss, ist äusserst fein und des- halb wohl von früheren Forschern, die sich der Querschnitt-Methode nicht bedienten, übersehen worden. Nur an einer ununterbrochenen Reihe dünner Längsschnitte durch das hintere Körperende lässt sich nachweisen, dass die beiden Nervenmarkstämme, welche bis dicht an den Anus heran einen äusse- ren, ganglienzelligen Beleg führen, hier nicht blind enden, sondern durch eine über den Enddarm hinwegziehende Brücke feinster Nervenfasern in continuir- liche Verbindung gesetzt werden. Auf dem medianen Sagittal-Schnitte, der also die hintere Oeffnung des Darmeanales in ihrer vollen Länge trifft, findet man den Querschnitt der Nervencommissur neben dem des Gefässstammes, der im Schwanze die beiderseitigen Blutgefässe mit dem Dorsalgefässe vereinigt. Die Schnitte durch die Commissur selbst entbehren des Ganglienzellenbeleges, der aber in den ersten Schnitten links und rechts vom Anus gleich wieder vorhan- den ist. Bemerkenswerth ist, dass auch bei Drepanophorus diese Commissur auf- gefunden wurde. Augenscheinlich nähert sich nämlich diese Gattung mit Be- zug auf die Lagerung ihrer Nervenmarkstämme von allen Nemertinen am mei- sten dem Anneliden-typus, indem hier die beiden Nervenmarkstämme nach der ventralen Medianlinie gerückt sind und somit unter den beiderseitigen Darm- DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 3 blindsäcken ihren Verlauf nehmen. Um so auffallender ist es, dass sich auch bei dieser Gattung die Nervenmarkstämme gerade an der Schwanzspitze wieder em- porbiegen um die erwähnte Commissur darzustellen. Wie schon oben angedeutet, bieten die Lagerungsverhältnisse der Nerven- markstämme auffallende Verschiedenheiten. Sahen wir sie bei Drepanophorus an der Bauchseite unweit der Mittellinie gelagert, so beschreibt schon QUATRE- FAGES ein ähnliches Verhalten bei seiner Gattung Oerstedia, und wird die hierin gegebene Annäherung zum Bauchmark der Anneliden auch schon von HARrTING * und GEGENBAUR (IV) gewürdigt. Bei anderen HoPLONEMERTINI liegen sie la- teral, so auch bei den meisten SCHIZONEMERTINI. Unter den Letzteren bietet aber die Gattung Langia eine bemerkenswerthe Abweichung, indem — zum Theil wohl unter dem Einflusse der Aufwulstung des Körperrandes — die beiden Nervenstämme mehr der dorsalen Medianlinie genähert sind, was besonders im vorderen Körperabschnitte deutlich ausgesprochen ist. Besteht also ein auffallen- der Wechsel in den Beziehungen der Nervenmarkstämme zu der Körperaxe, so ist dies nicht weniger der Fall in ihren Beziehungen zu der Muskulatur, und auch hier scheinen mir die Abweichungen von grosser morphologischer Be- deutung. Entweder können die Nervenmarkstiämme — und wie wir nachher sehen werden ebenfalls das Gehirn — ganz ausserhalb der Körpermuskulatur, * Harrına sagt wörtlich (Leerboek der Dierkunde, Bd. III, 2 Abth., S. 499): »Door toena- dering der beide zijdestammen in de middelliijn onder de spijsverteringsbuis en de vorming van ganglien op den weg der zenuwvezelen, alsmede van dwarse commissuren tusschen de weder- zjdsche gangliön ontstaat nu de buikgangliönketen. Had daarentegen de toenadering plaats aan de rugzijde boven de spijsverteringsbuis, dan zoude een maaksel ontstaan dat in bet wezen der zaak geheel aan een ruggemerg beantwoordde. Intusschen mag men vooral niet voorbjj- zien, dat het geenszins voldoende is aan te toonen, dat eene zaak zich als mogelijk zijnde laat denken, maar dat, om haar aannemelijk te maken, ook feiten ten betooge der juistheid van zulk eene beschouwing dienen te worden aangevoerd. Men zoude moeten kunnen wijzen op zekere tusschentrappen, waardoor de vervorming van de nog indifferente zijdestammen tot een rug- gemerg althans aanschouwelijk werd gemaakt, evenals hunne vervorming tot een buikgangliön- keten zich in werkelijk bestaande overgangsvormen van allerlei graden openbaart. Aan zulke tusschentrappen of overgangsvormen nu, ontbreekt het tot dusver ten eenenmale, en het laat zich ook niet als waarschijjnljk voorzien, dat men deze onder de thans levende dieren ooit ontdekken zal.” Die hier verlangten »Zwischenstufen” sind nun bei den Nemertinen, und zwar in sehr ver- schiedenen Ausbildungsgraden, wirklich geboten. Dis von HARrTınG vertretene Anschauungsweise findet sich — zwar in anderen Worten nie- dergelegt — auch bei Barrour zurück (A monograph on the development of Elasmobranch fishes, p. 171) 16* 4 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE unmittelbar unter der Haut liegen (Carinella) oder auch können sie ganz in- nerhalb des Hautmuskelschlauches in der Leibeshöhle verlaufen (HOPLONEMERTINT). Intermediäre Stadien, in denen sie mehr oder weniger in den Muskelschichten selbst eingeschlossen sind, finden sich bei Polia, Valencinia und den SCHIZONEMERTINI. Bei diesen Letzteren ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen eine Analcommis- sur aufzufinden, hier mögen also die Nervenmarkstämme wirklich in der Schwanz- spitze frei endigen. Auf die feineren Structurverhältnisse des Centralnervensystems werden wir näher zurückkommen, vorher muss noch das Gehirn in seinem gröberen Baue ge- schildert werden. Am primitivsten erscheinen die Gehirnanschwellungen bei Carinella und zwar in der Form wirklicher Verdickungen der Nervenmarkstämme, welche vor dem Munde zu beiden Seiten unmittelbar unter der Haut liegen und durch eine dicke, ventrale Commissur verbunden sind. Die dorsale Commissur scheint äusserst zart zu sein: der in dieser Weise gebildete Nervenring umfasst bei Carinella wie bei allen anderen Nemertinen den Rüssel und seine Scheide. Die Gehirnmasse ist bei Carinella noch nicht in verschiedene Lobi gesondert, wie wir sie bei den anderen Nemertinen kennen lernen werden; von der Seite ge- sehen (Fig. 15) zeigt sie sich als eine einfache verdiekte Anfangsstelle des Sei- tennerven. Bei Polia und Valeneinia, wo sich auch schon Muskelgewebe zwi- schen die Haut und das Nervensystem eingeschoben hat, sind die Verhältnisse in so weit complieirter geworden, als sich zu beiden Seiten sowohl eine sehr deutliche dorsale wie eine ventrale Gehirnanschwellung unterscheiden lässt. Letztere geht continuirlich in die beiderseitigen Nervenmarkstämme über und ist in ihrer vorderen Hälfte mit ersterer verschmolzen. Auf feinen Längsschnit- ten zeigt sich — was bei Compression des lebenden Thieres nur sehr schwer wahr- nehmbar ist, namentlich bei Polia — dass die obere Gehirnanschwellung (Fig. 8 u. 16) in eine grössere vordere und eine hintere kleinere zerfällt, die aber gegenseitig in innigster Verbindung stehen und nur dadurch unterscheidbar sind, dass eine Fortsetzung der Gehirnhülle eine Strecke weit zwischen den Ganglienzellen hineindringt. Auffallend ist noch das Eindringen eines stark bewimperten, frei nach aussen mündenden Canales in das Gewebe dieses dritten Gehirnabschnittes, worin der Canal blind zu endigen scheint. Sodann findet sich noch gegen die hintere und mediane Wandung dieses Gehirnabschnittes eine An- häufung von Zellen, welche von den Ganglienzellen verschieden sind (Fig. 23) und weiter unten näher erwähnt werden sollen; hier sei nur noch bemerkt, dass dieser Zellenhaufen sich auch schon bei Compression des lebenden Thieres durch einen Unterschied in der Färbung erkennen lässt. Die äussere Oeffnung des erwähnten DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 5 Flimmercanales, welcher die Kopfmuskulatur quer durchzieht, befindet sich seit- lich und ungefähr in der halben Höhe des Ganglions. Während sich bei Va- lencinia die äussere Haut des Kopfes in der Umgegend dieser Oeffnung ganz nor- mal verhält, hat sich bei Polia ein System feiner, dichtbewimperter Rinnen mit dieser Oeffnung in Verbindung gesetzt. Diese Rinnen sind einfache Einsenkungen in den äussersten Schichten der Kopfhaut, wie sich auf Querschnitten beweisen lässt. Bei Compression des Thieres unter dem Mikroskope sind sie oft nur schwer, oft nur an jungen, durchsichtigen Exemplaren wahrnehmbar. Zu beiden Seiten verläuft eine Hauptrinne quer zur Körperaxe gerichtet welche sich, von der Oeffnung ausgehend, ungefähr gleich weit auf der Rücken- und Bauchseite fort- setzt; die beiderseitigen Rinnen scheinen aber in der Medianlinie nicht zusam- menzufliessen. Senkrecht zu diesen beiden Hauptrinnen stehen zu beiden Seiten gegen dreissig ganz kurze Rinnchen und zwar so dass sie mit ihren freien Enden gegen die Kopfspitze gerichtet sind. Noch sei hier erwähnt, dass bei Carinella annulata eine ähnliche Querrinne, jedoch ohne die zahlrei- chen Nebengrübchen, bei Compression eines jungen Thieres, und zwar in glei- cher Höhe mit der Gehirnanschwellung deutlich hervortritt; doch war bei dieser Species von einem nach innen führenden Canale auch auf Querschnitt-Serien nichts zu entdecken. Diese als Kopfgruben bezeichneten Hauteinsenkungen gelangen bei den anderen Nemertinengruppen zu der verschiedensten Entwickelung und wer- den wir ihrer hier wegen ihres, wenn auch indireeten Zusammenhanges mit dem Nervensysteme, in der Kürze Erwähnung thun müssen. Unter den HOoPLONEMERTINI sind sie bei den Gattungen Amphiporus und Drepanophorus ganz ähnlich gebaut wie wir sie eben von Polia beschrieben, nur scheint hier die Zahl der kleinen accessorischen Grübchen eine ‘viel gerin- gere ; bei den übrigen Arten der mir bekannten, europäischen Hoplonemertinen sind nur noch die Querrinnen vorhanden und fehlen die kleinen dazu senkrecht gerichteten Grübehen ganz. Die Function dieser zahlreichen Wimpergruben ist unverkennbar diese: einen fortwährenden, gegen die äussere Oeffnung des Flim- mercanals gerichteten Wasserstrom rege zu halten. In ganz anderer Richtung haben sich diese Wimpergruben bei den ScHı- ZONEMERTINI entwickelt. Wenn wir uns die einfache Oeffnung, wie_ sie bei Valeneinia vorhanden ist, mächtig in der Richtung gegen die Kopfspitze des Thieres zu, verlängert denken und zugleich ein Vorgreifen in die Tiefe uns als stattgefunden vorstellen, so entstehen anstatt oberflächlicher Hautein- senkungen tiefe und weitklaffende Kopfspalten. Diese nun sind bei allen ScHizo- NEMERTINI vorhanden (Fig. 10 u. 24); ihre innere Fläche ist mit einem dichten Kleide von langen Flimmerhaaren versehen, und im Grunde dieser Spalten senk ; 6 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE sich der Flimmercanal gegen das Gehirn zu ein. Wir sehen also wie der Be- griff: Kopfgruben oder Kopfspalten, bei den Nemertinen ein variabeler ist. Es bleibt uns nun noch die äussere Gestaltung des Gehirns bei den zwei grossen Gruppen der Schizo- und Hoplonemertinen zu schildern übrig. Das Gehirn aller SCHIZONEMERTINI ist streng nach einem und demselben Typus gebaut. Ein Paar oberer und ein Paar unterer Anschwellungen sind in ihrer vor- deren Hälfte beiderseitig zu Einer Masse verschmolzen (Fig. 1 u. 24) und diese wiederum durch eine dünne, dorsale und dieke, ventrale Commissur verbunden, Die dritte Gehirnanschwellung hebt sich scharf gegen den Hinterrand der vor- deren (dessen seitliche Ränder immer durch eine Doppelwölbung gekennzeichnet sind) ab. Diese hintere Anschwellung hat eine runde oder oft nach hinten stumpf ausgezogene Gestalt. In ihr setzt sich der in die seitliche Kopfspalte aus- mündende Flimmercanal fort und endigt dort blind. Bei den HOPLONEMERTINI sind am Gehirn ebenfalls die vier typischen, oben schon mehrmals erwähnten Anschwellungen vorhanden. Was wir aber bei Polia und den Schizonemertinen als die hintere Anschwellung kennen gelernt haben, steht bei den bewaffneten Arten in viel weniger innigem Zusammenhange mit der oberen Gehirnanschwellung. Zu gleicher Zeit scheint auch die Lagerung dieser Gehirnpartie eine weniger constante geworden zu sein, und finden wir sie sowohl hinten, wie neben und vor dem Gehirn situirt. Ersteres findet sich bei den bei- den der Polia noch am meisten verwandten Gattungen Amphiporus und Drepa- nophorus; bei ganz jungen Thieren ist der Zusammenhang zwischen hinterer und oberer Anschwellung noch enger. Bei erwachsenen Thieren wird je- doch die Verbindung zwischen diesen beiden durch Nervencommissuren dargestellt und trennt 'sie oft ein nicht unbedeutender Abstand. Der nach aussen führende Flimmercanal ist ganz kurz bei Drepanophorus (Fig. 25), lang bei Amphiporus pulcher. Bei Amphiporus lactifloreus (Fig. 14), wo die äussere Oeffnung wie bei A. pulcher (Fig. 11) vor dem Gehirne liegt, hat sich aber auch der ganze Gehirnabschnitt vor die Hauptmasse des Gehirns (und zwar seitlich im Kopfe) gelagert. Dasselbe wurde bei Tetrastemma beobachtet, während bei Amphipo- rus dubius (Fig. 3u.19) dieser dritte Gehirnabschnitt zu beiden Seiten neben die Hauptmasse des Gehirns zu liegen kommt, und wiederum vermittelst zweier Com- missuren mit ihr in Verbindung steht. Ehe wir zur Schilderung des peripherischen Nervensystems übergehen, werden wir der feineren histologischen Structur der eben beschriebenen Centralorgane un- sere Aufmerksamkeit zuwenden müssen, und dabei ausgehen von jener Gat- tung, welche sich in vieler Hinsicht als die primitivste kennzeichnet, die Gattung Carinella. DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. T Es besteht hier die Hauptmasse des Centralnervensystems aus Fasersubstanz an welche sich, sowohl im Gehirn wie in den Nervenmarkstämmen, eine continuir- liche, aber nicht sehr mächtige Schicht von Ganglienzellen anlagert (Fig. 2,21 u. 31). Dieser fasrige Kern ist in den Nervenmarkstäimmen mehr oder weniger eylin- drisch gestaltet, verbreitert und verdickt sich aber im Gehirn, ohne jedoch durch Spaltung oder Theilung zu einer oberen und unteren Gehirnanschwellung Veran- lassung zu geben, welche — wie oben schon erwähnt wurde — bei dieser Gattung nicht vorhanden sind. Die Commissuren, welche die beiderseitigen Gehirnhälften vereinigen, und von denen die dorsale bei Carinella ausserge- wöhnlich dünn ist, bestehen auch fast ausschliesslich aus Fasersubstanz, nur in der ventralen kommen daneben auch noch Zellen vor. Die eben geschilderten Verhältnisse werden durch die abgebildeten Durchschnitte noch näher erläutert werden. Die feinere Structur dieses Faserkernes könnte man als eine verfilzte oder spongiöse bezeichnen. Sie stimmt überein mit der von Lan@ (XIII) für die Nerven der marinen Dendrocoelen beschriebenen, bei denen sogar frühere Forscher ihre Nervennatur verkannt und sie als „spongiöse Stränge’ bezeichnet haben. Auch bei Carinella finde ich: „äusserst zarte, mit einander anastomosirende, „sich mit Tinctionsmitteln beinahe gar nicht färbende Fasern”. Ganglienzellen oder Kerne sind nur äusserst selten in diesem Faserkern eingelagert. Ein vor- wiegend longitudinaler Verlauf der Fasern macht sich besonders in den Ner- venmarkstämmen geltend, und ist hier auch der Zusammenhang zwischen den einzelnen Fasern und den feinen Ausläufern der Ganglienzellen, welche den Faserkern umlagern, in deutlichster Weise zu demonstriren. Im Gegensatz zu den SCHIZONEMERTINI, deren wir später noch Erwähnung thun werden, ist also der centrale Faserkern des Nervensystems bei Carinella von aussergewöhnlich lockerem Baue und gilt das nämliche für die sich davon abzweigenden grossen Nerven. Auch die Ganglienzellenschicht ist weniger compact gebaut als bei allen anderen Nemertinen, die Zellen sind weniger zusammengedrängt und grösser im Verhältnisse zu ihren Kernen, indem solche Zellen, bei welchen der Kern fast den ganzen Raum einnimmt, sehr selten zur Beobachtung kommen. Bei allen anderen Nemertinen bilden hingegen Ganglienzellen wie die letzterwähnte den Hauptbestandtheil der Rindenschicht des Centralnervensystems. Das Mittelmaass einer Ganglienzelle aus dem Gehirne einer c*. 21/, mm. dicken Carinella annu- lata (nach der Conservation in Pikrinschwefelsäure und Alkohol) beträgt 0.024— 0.036 mm.; der Kern misst 0.005—0.008 mm. Noch ist zu bemerken, dass der zellige Beleg bei Carinella den Faserkern nicht allseitig umgiebt (wie wir das später bei andern Nemertinen kennen 8 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE lernen werden), sondern immer an der von der Körperaxe abgewendeten Seite zu liegen kommt, zwischen dem Faserkerne und der Haut (Fig. 21 u. 31). Eine eigene Nervenscheide ist vorhanden, wenn auch nicht immer leicht wahrnehmbar; auch noch eine Scheide zwischen dem Faserkerne und dem ganglienzelligen Belege welche sodann von den Zellenausläufern durchbohrt wird. Oben wurde schon hervorgehoben, dass das ganze Centralnervensystem bei Cari- nella unmittelbar unter der Haut liegt; nur ist dabei zu erwähnen, dass verein- zelte Fasern noch immer zwischen das Nerven- und Haut-gewebe sich einschieben. Diese Fasern lassen sich auf Querschnitten vermittelst des Polarisations-Apparates als doppelbrechende erkennen und gleichzeitig stellt sich dabei heraus, dass andere Fasern, welche die Nervenfasersubstanz des Gehirnes in nicht unbeträchtlicher Anzahl in radiärer Richtung durchziehen, ebenfalls stark doppelbrechende Eigen- schaften besitzen. Nach aussen setzen sich diese in die tieferen Schichten der Haut fort, nach innen treten sie in Verbindung mit der mehr oder weniger mächti- gen Muskelschicht, welche das Gehirn von der Leibeshöhle trennt ; während sie auf ihrem Wege durch die Fasersubstanz des Gehirnes, in besonderen eylindrischen Canä- len eingeschlossen sind, welche eine eigene, äusserst zarte Hülle zu besitzen scheinen und die umschlossenen Fasern ungefähr dreifach an Dicke übertreffen (Fig. 2 u. 31). Ob diesen Fasern, die nach dem Angeführten mit grosser Wahrscheinlichkeit als Muskelfasern anzusprechen sind, eine specifische Rolle zukommt, muss vorläufig unentschieden bleiben, nur sei noch erwähnt, dass Lan (XIII) bei marinen Dendro- coelen das Gewebe der grösseren Nerven ebenfalls hie und da von Muskelfasern durchbohrt findet. Schliesslich muss ich noch von Carinella erwähnen, dass sich die Ganglien- zellen in der Gehirnanschwellung enger aneinanderschliessen als in den Ner- venmarkstämmen, und dass solches bei ganz jungen Exemplare wiederum in höhe- rem Maasse der Fall ist als bei älteren. Auch ist hier ein bindegewebiges, lockeres Maschenwerk, in welchem die Ganglienzellen eingebettet liegen, nach- zuweisen. Bei höheren Nemertinen werden wir ein solches ebenfalls ausgebil- det finden. Die äusserlich am Kopfe wahrnembare, quer gestellte Flimmergrube rechts und links ist auf dorso-tangentialen Schnitten als eine seichte Hauteinbuchtung zu erkennen, die nicht einmal bis in die tieferen Hautschichten durchdringt. Von einem Canale, welcher hiervon ausgehend in das Gehirn durchdränge ist aber ebensowenig eine Spur zu entdecken wie von gesonderten Gehirnanschwel- lungen. Eine wichtige Ausnahme von dem zuletzt geschilderten Verhalten wird bei einer neuen, noch unbeschriebenen Carinella-art, die mir in einem einzigen DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 9 Exemplare von Neapel vorliegt, welches erst vor Kurzem genauer auf seine Histolo- gie untersucht werden konnte, angetroffen. Aeusserlich unterscheidet sie sich durch ihren nicht verbreiterten Kopf, ihre rothe Farbe, sowie durch die kleinen Längsgrüb- chen, welche (wie bei Polia und den HOoPLONEMERTINI) vertical auf die grössere, quere Hautgrube gestellt sind. Durch Untersuchung einer Schnittserie findet man, dass, von letzterer Grube ausgehend, ein ganz kurzer, gerader, blind-endigender Ca- nal mitten in die Ganglienzellenschicht des Gehirnes durchdringt, ohne dass jedoch das Gehirn in seinem sonstigen Baue irgendwelche Modificationen erlitten hätte (Fig. 22). Nur ist vielleicht die Ganglienzellenschicht im Gehirne dem Faser- kerne gegenüber mächtiger entwickelt *). Bei Cephalotrix linearis stimmt das Centralnervensystem fast völlig mit dem- jenigen von Carinella annulata überein, auch hier ist das Gehirn eine einfache Anschwellung, an welchem keine oberen und unteren Lappen nachzuweisen sein werden, wie solehe noch bei den meisten Autoren erwähnt werden (Mae Intosh, XV], Taf. XIX, fig. 9). Besser ist die Abbildung bei QUATREFAGES vom Ge- hirne seiner Polia filum (= C. linearis). Ganz ivrig scheint mir dagegen die Ansicht Barroıs’ (Embryologie des Nemertes, p. 166), nach dessen Angaben bei Cephalotrix sogar deutlich ausgebildete Seitenorgane vorkommen sollen, und ich kann die Vermuthung nicht unterdrücken : es habe diesem Autor eine Valencinia (longirostris?) vorgelegen, in welchem Falle auch seine embryologischen Resultate und Schlussfolgerungen auf diese, einer anderen Familie zugehörende Art, über- tragen werden müssten. Das Centralnervensystem finde ich bei Cephalotrix eben- falls noch gleich unter der Haut gelagert; die Nervenmarkstämme sind dabei wohl, wie es Mac Intos# schildert, im Rumpf und Hinterkörper ein wenig mehr in die Längsmuskelschicht des Körpers hineingerückt. Die Belegschicht von Ganglienzellen, welche die Nervenmarkstämme begleitet, ist auch bei Cephalotrix dünn, scheint im Gehirn auch bloss der Aussenseite des Faserkernes angelagert zu sein. Dieser Faserkern wird, wie bei Carinella, von feinen Muskelfasern durchbohrt. Cephalotrix signatus (IX) bietet im Baue seines Centralnervensystems abwei- chende Verhältnisse dar, zu deren genauerer Deutung ich erst ein umfangrei- cheres Material abwarten muss. Genug sei es, zu bemerken, dass sich hier schon jederseits eine paarige Gehirnanschwellung ausgebildet hat, dass der Faserkern *) Auch sonst ist diese Art mit Rücksicht auf ihre übrigen Organsysteme eine typische Carinella, welche sich eng den beiden bekannten Arten anschliesst. In der eben erscheinenden 2. Lieferung des 2, Bandes der »Notes from the Leyden Museum” habe ich für sie den Namen Carinella inexpectata vorgeschlagen. 17 NATUURK. VERH. DER KONINKL. AKADEMIE, DEEL AX. 10 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE im Gehirn allseitig von den Ganglienzellen umlagert wird, und dass das Gehirn einen viel beträchtlicheren Raum im Kopfe für sich beansprucht. Diese Art lasse ich also nur ganz provisorisch in der Gattung Cephalotrix, weil sie sich auch in den andern existirenden Gattungen nicht ohne Weiteres einreihen lässt und ich vorläufig davon abstehen muss auf das, wenige Millimeter lange Unicum, welches sich in meinem Besitze befindet, eine neue Gattung zu gründen. Von den Gattungen Polia und Valencinia, zu deren Betrachtung wir jetzt schreiten, wurde oben schon bemerkt, dass es bei ihnen zu einer deutlichen Aus- bildung einer oberen und unteren Gehirnanschwellung kommt und dass auch eine hintere Gehirnanschwellung der ersteren (oberen), und zwar über eine verhältniss- mässig bedeutende Oberfläche hin, eng angelagert ist (Fig. 8, 9 u. 23). Für die Beschreibung des histologischen Details wähle ich eine günstige Schnittserie einer Polia curta, der auch die Abbildung Fig. 32 entnommen ist, und welche dann zu gleicher Zeit als Ausgangspunkt für die Vergleichung anderer Arten angenom- men werden kann. Aeusserlich wird das Gehirn von einer häutigen Scheide, in der Kerne bemerkbar sind, umgeben. Innerlich umlagern Ganglienzellen allenthalben len centralen Faserkern, den man auf einem Querschnitte durch die Mitte des Gehirnes viermal getroffen findet, zweimal für die unteren, zweimal für die oberen Gehirnanschwellungen. In einem, in der Höhe der Gehirneommissuren geführten Querschnitte nimmt dagegen der Faserkern die Form eines Ringes an, der, mit Ausnahme der dorsalen Commissur, auch wieder von Ganglienzellen umlagert ist. Die Verfilzung der Nervenfasern im Innern, sowohl des Gehirnes als der Nervenmarkstämme, ist hier eine viel innigere als bei Carinella, verräth aber, abgesehen von der grösseren Compactheit, noch denselben Charakter. Ebenfalls werden hie und da, wenn auch äusserst sparsam eingelagerte, grosskernige Gan- glienzellen inmitten der Fasersubstanz angetroffen. Viel bedeutender wird diese Erscheinung gegen den Rand des durchschnittenenen, faserigen Kernes, indem sich dort oft eine einschichtige Ganglienzellenreihe direet auf das Fasergewebe legt. Ausserhalb des Faserkernes und dieser mit dem Faserkerne verschmol- zenen Zelleninseln, trifft man eine durchsichtige, glashelle Hülle bindegewe- biger Natur mit eingelagerten Zellkernen, welche sich zwischen die zellige Haupimasse des Gehirns und den centralen Fasercylinder einschiebt. Dabei wird sie allenthalben von den feinen Ausläufern der Ganglienzellen durchsetzt, welche entweder vereinzelt oder zu kleineren Bündel vereinigt durch sie hin- durchtreten, um sich sodann in der Fasersubstanz zu verlieren. Ein ganz ähnliches Verhalten trifft man in den seitlichen Nervenmarkstämmen an, nur dass hier die Ganglienzellen den Fasereylinder nicht allseitig umgeben, sondern ein vorwiegend dorsales und ventrales Polster auf demselben bilden. DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. Jen Die Ganglienzellen, welche die Hauptmasse des Gehirns zusammensetzen, sind der Mehrzahl nach unipolar; da sie z. Th. sehr dicht gedrängt stehen, ist der Fortsatz bei den meisten nur schwer wahrnehmbar, am besten noch da, wo die Zellen sich vermittelst ihres Fortsatzes mit dem Faserkerne in Verbindung set- zen. Oft scheinen sie auf dünnen Querschnitten eine polygonale Form zu be- sitzen, was wohl durch gegenseitigen Druck verursacht sein wird. Die Zellen messen von 7—15 «, einige, ganz grosse sogar bis zu 21 «, während die Grösse des Kernes nur zwischen 5 und 7 2 wechselt (bei einem 3—4 mm. dicken Exemplar). Der Kern hat eine schwach ovale Gestalt und umfasst neben dem Nucleolus oft auch noch einige ganz kleine, stark lichtbrechende Körnchen. Die Nervenzellen scheinen in einem weitmaschigen Stützgewebe eingebettet zu liegen, welches besonders gegen die Aussenwand des Gehirnes, wo selbst die Zel- len nicht so dicht gedrängt stehen, und auch die grösseren Nervenzellen gefunden werden, zu Tage tritt. Vielleicht nimmt es auch Theilan dem Aufbau der Schei- dewände, welche die verschiedenen Gehirnanschwellungen trennen und von denen sich z. B. Eine zwischen die vordere und hintere Anschwellung einschiebt, dabei nur eine kleine Strecke frei lassend, auf welche Zellen und Fasern von dem hinteren zum vorderen Gehirnabschnitte treten. In der hinteren Gehirn- anschwellung kommt dieses fasrige Stützgewebe in noch ausgesprochenerer Weise zur Verwendung, indem es hier eine vertikale Platte bildet, die zum Aufhängen oder Festhalten des hier in das Gehirn eindringenden Flimmercanales dient. Auf einem einzelnen Querschnitte ist es oft schwer diese durchschnittene Platte von einem Nervenfaserbündel zu unterscheiden, da auch das Verhalten gegen Tinctionsmittel keine erheblichen Unterschiede erkennen lässt. Der Mangel einer Scheide, sowie das Fehlen des Zusammenhanges mit dem wirklichen Faser- kern des Gehirnes, scheint mir aber den Unterschied von diesem letzteren deut- lich genug zu charakterisiren, zumal auf einer Schnittserie auch die plattenartige Ausbreitung des betreffenden Gewebes zu Tage tritt. Der dritte Gehirnabschnitt, der sich an den hintersten Abschnitt der Oberfläche des oberen Ganglions anschmiegt und sich zum Theil auch zwischen diese und die untere Anschwellung einschiebt, besteht nicht ausschliesslich aus nervösen Elementen. Indem sich der centrale Faserkern des vorderen Gehirnabschnittes auch in den hinteren fortsetzt, um dort, oft nach diehotomischer Theilung, zu endigen, bilden auch in Letzterem Ganglienzellen die Hauptmasse (vielleicht 75 Procent). Einerseits wird nun aber diese Zellenmasse von einem Canale durch- setzt, welcher in die Flimmergrube der Kopfhaut ausmündet und selbst von einem eigenen Flimmerepithele bekleidet ist, andrerseits legt sich gegen den Gan- NlTiso 12 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE glienzellenhaufen des hinteren Hirnabschnittes ein Polster grosser Zellen mit ver- hältnissmässig kleinen Kernen. An der Hand der entwiekelungsgeschichtlichen Data, wie sie von METSCHNIKOFF, BÜTSCHLI, BARROIS u. A. festgestellt worden sind, scheint mir die Vermuthung gerechtfertigt, dass ersterer Canal mit seiner Wimperbekleidung als Einstülpung von der Haut aus entstanden ist, während der letzterwähnte Zellenhaufen als Ueberrest einer später abgeschnürten Ausstülpung vom Darmcanal, resp. Oesophagus, zu betrachten ist. Für diese Auffassung spricht aber auch der ganze Habitus dieses Zellenhaufens selbst. Besonders in solchen Schnitten, in denen die zellige Wandung des Oesophagus zu gleicher Zeit ge- troffen ist, fällt die ausserordentliche Uebereinstimmung zwischen den Zellen die- ses Polsters und jenen aus den tieferen Schichten der Oesophagealwandung auf den ersten Blick auf. Auch will es auf einigen Schnitten scheinen, als ob die directe Verbindung zwischen diesem Zellenpolster und dem Oesophagus noch nicht völlig gelöst wäre, während hingegen bei anderen Polia-arten ganz be- stimmt eine vollständige Trennung eingetreten ist. Auch darf hier schon erwähnt werden, dass bei einigen HOPLONEMERTINI, bei denen ein ähnlicher Haufen gros- ser Zellen mit der Gehirnanschwellung zu einem einheitlichen Ganzen verwächst, in diesem Zellenhaufen eine centrale, freie Höhle bewahrt bleibt und diese, unweit der Stelle, an welcher der nach aussen mündende Flimmercanal in die hintere Gehirnanschwellung eintritt, mit jenem Canale in Verbindung tritt. Bei Polia scheinen diese Zellen beim lebenden Thiere einen grünlich gefärbten Inhalt zu besitzen, wenigstens hat der hintere, innere Theil des dritten Gehirnabschnittes bei Compression des Thieres und bei durchfallendem Lichte diese Farbe. Der flimmernde Canal, welcher an der Kopfgrube nach aussen mündet, ist, wie schon oben hervorgehoben wurde, von einem eigenen, einschichtigen Flim- merepithele ausgekleidet, welches unmittelbar in die äussere, flimmernde Haut- schicht übergeht. Der Canal durchsetzt die Muskulatur des Kopfes in querer Rich- tung und tritt in der halben Höhe des Gehirnes in die obere Spitze des dritten Gehirn- iappens, welche sich hier zwischen die oberen und unteren Anschwellungen einge- schoben hat, ein (Fig. 23). Sodann verändert er seine Richtung in eine der Kör- peraxe parallele, dabei hart an der äusseren Wandung des dritten Gehirnlappens verlaufend. Unweit der unteren Wandfläche dieses Letzteren biegt der Canal sich zum zweiten Male, richtet sich jetzt aber wieder quer gegen die Körperaxe, verläuft dabei mitten durch die Masse der Ganglienzellen, um sich schliesslich zu einer Art sphärischer Höhlung zu erweitern und damit blind zu endigen. Diese Höhlung wird von einer Zellenkuppe umfasst, welche ganz den Charak- tor gewöhnlicher Ganglienzellen besitzt, sich jedoch mit Pikrocarmin stärker gefärbt hat. Jedenfalls gehört diese Zellenkuppe mit in den Bezirk des ner- DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 13 venzelligen Kernes dieses Gehirnabschnittes und wird seinerseits von dem Pol- ster grosser, sphärischer Zellen, welche (nach meiner Hypothese) von der Oeso- phagus-Wandung herrühren, überlagert (Fig. 32). Es wird wohl nicht daran zu zweifeln sein, dass dieser Flimmercanal demje- nigen der Carinella inexpectata homolog ist. Indem er dort aber ohne Weiteres in die Zellenmasse des Gehirnes vordringt (und kein, eventuell vom Oesophagus herstammendes Zellenpolster nachgewiesen werden konnte), hat sich hier der von dem Canal zu durchlaufende Abschnitt zu dem, allerdings noch nicht scharf abgetrennten, dritten Gehirnabschnitte ausgebildet und hat damit auch in dieser Beziehung einen höheren Differenzirungsgrad erreicht. Auf die rothe Farbe, welche dem Nervengewebe dieser Gattungen, wenn auch nicht in starkem Maasse, eigen ist, kommen wir später zurück. Der histologische Bau des Üentralnervensystems bei den Schizonemertinen stimmt in den Hauptzügen überein mit den für Polia und Valencinia beschrie- benen Verhältnissen. Die äussere Gestaltung des Gehirns hat einige Modifica- tionen erlitten, indem es oft mehr in die Länge gezogen erscheint, die Sonde- rung von oberem und unterem Ganglienpaare viel deutlicher ausgesprochen ist (Fig. 10 u. 17) und die laterale Wand der oberen Gehirnanschwellung eine einfache, wellige Biegung angenommen hat, welche für alle Arten dieser Unterordung constant zu sein scheint. Dabei ist der dritte, hintere Gehirnabschnitt schärfer von dem vorderen abgetrennt, obgleich er nach innen und unten zu noch innig mit Letzterem zusammenhängt. Wie oben schon erwähnt wurde, hat hier die dritte Gehirnanschwellung eine runde oder umgekehrt birnförmige Gestalt ange- nommen. Der centrale Faserkern des Gehirnes tritt schon bei Compression des lebenden Thieres als ein zusammenhängendes Ganzes deutlich hervor, und dieses Faserske- let — wie man es zu bezeichnen berechtigt ist — erscheint in derjenigen Form, welche in Fig. 1 abgebildet und aus Schnittserien, unter vergleichender Prüfung an comprimirten Individuen, sorgfältig reconstruirt ist. Vorn ist der Faserkern am mächtigsten, tritt hier sogar seitlich bis an die Wandung des Gehirnes und bildet daselbst die dicke, ventrale und die dünnere, dorsale Commissur. Dicke peripherische Nerven, deren später Erwähnung gethan werden wird, entspringen hier direct von dem Faserkerne. Von dieser dieken, ringförmigen Fasermasse geht nun nach hinten, die beiden unteren Gehirnanschwellungen durchziehend, ein einfacher, mehr oder weniger eylindrischer Stamm unter geradem Verlaufe in die Nervenmarkstämme über, indem in der oberen Anschwellung ein ähnliches, mächtiges Faserbündel aus dem Ringe hervorgeht und sich mit schwach geboge- nem Verlaufe bis tief in die dritte, hintere Anschwellung fortsetzt. Halbwegs des 14 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE vorderen, oberen Gehirnabschnittes hat sich jedoch der Faserkern dichotomisch getheilt und, während der Hauptstamm seinen Weg zur hinteren Anschwellung- forsetzt, endigt der abgezweigte Theil alsbald blind, dicht an der hinteren Wandung des vorderen, oberen Abschnittes. Auch hier findet eine allseitige Umlagerung des Faserkernes von Nervenzellen statt, zwar weniger vollständig in den Nervenmarkstämmen, indem die Zellen- schicht hier entweder bloss an der dorsalen und ventralen Seite des Faserey- linders vorkommt, oder doch an diesen Seiten mächtiger ist wie an den beiden anderen. Einlagerungen von Zelleninseln in der Rindenschicht des centralen Faserkernes kommen auch hier vor, ebenfalls die Umlagerung des Fasereylinders von einer eigenen Hülle, hyaliner Natur, welche also von den Fortsätzen der Ner- venzellen durchbohrt werden muss. Unter den Nervenzellen fällt ein Grössenunter- schied auf, welcher an bestimmte Hirnregionen gebunden erscheint. So sind die vorderen Rindenzellen immer grösser und auch diejenigen, welche zwischen dem Faserkerne und der inneren, an die Rüsselscheide grenzenden Wandung des Gehirnes vorkommen, sind von bedeutenderen Dimensionen als die Hauptmasse der Ganglienzellen. Bei Letzteren ist durchschnittlich der Durchmesser der Zelle 0.008 mm., der des Kernes 0.006 mm.; Erstere hingegen können bis zu einem Durchmesser von 0.033 mm. für die Zelle, und 0.008 mm. für den Kern erreichen. In der dritten Gehirnanschwellung, die, wie erwähnt, vom vorderen mehr ge- sondert erscheint, spielen auch hier die Ganglienzellen und der von ihnen umla- gerte Faserkern die Hauptrolle. Aeusserlich werden sie von einem grosszelligen Polster umlagert, dessen Abstammung vom inneren Keimblatte bei Polia als wahrscheinlich hervorgehoben wurde. Der centrale Flimmercanal, welcher mitten durch die Ganglienzellen verläuft, fehlt hier ebensowenig und scheint bei einigen sogar in dem grosszelligen Polster blind zu endigen, indem er bei anderen (Cerebra- tulus roseus) in der doppelten Form vorhanden, wie wir ihn oben mit zwei Wor- ten für einige HOPLONEMERTINI geschildert. Es theilt sich dann dieser Canal, kurz nach Eintritt des Flimmercanales in das Gehirn in zwei Abschnitte, von denen der Eine seinen Weg quer durch die Ganglienzellen verfolgt, der Andere aber sich umbiegt und ausschlieslich in oder neben dem grosszelligen Polster seinen Verlauf zu nehmen scheint(Fig. 33 u. 34). Ob letztere Höhlung unmittelbar aus jener entstanden sein mag, welche von der ursprünglichen Darmausstülpung umschlos- sen wurde, der ein Antheil an der Bildung dieses Gehirnabschnittes zukommt, werden spätere, genaue embryologische Forschungen zu entscheiden haben. Schnittserien zeigen auch hier, dass der Flimmercanal in dem dritten Gehirnab- schnitte von einer eignen, sich mit Pikrocarmin sehr schwer färbenden Gewebs- DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 15 Art unterstützt und aufgehängt zu sein scheint. Vielleicht gehört es direct dem fasrigen Stützgewebe des Gehirnes an, welches auch bei den Schizonemer- tinen gegen den oberen und äusseren Rand des Gehirns hin, woselbst die Zel- len weniger dicht gedrängt stehen, deutlicher hervortritt. Beim lebenden Thiere zeigt die dritte Gehirnanschwellung unter Compression immer einen eigenthümlichen Character, indem sich darin constant eine Anhäu- fung heller, sphärischer (deswegen wohl stark lichtbrechender) Zellen befindet, welche man eventuell für Fetttröpfehen halten könnte, welche jedoch durch ihr Verhalten gegen chemische Reagentien in überzeugender Weise eine andere Zu- sammensetzung bekunden. Sowohl ihr Verhalten gegen Farbstoffe, als ihre op- tischen Eigenschaften u. s. w. machen es wahrscheinlich, dass wir es hier mit Zellen zu thun haben, welche durch Wasseraufnahme gequollen sind und diesem Umstande ihre sphärische Gestalt verdanken. Es sind dies dieselben Zellen, welche wir auf Querschnitten als diejenigen des grosszelligen, äusseren Polsters haben kennen lernen, und welche embryogenetisch wohl von der primitiven Oesophagus-Einstülpung hergeleitet werden müssen. Inmitten dieses Zellenhau- fens endet, wie wir bei vielen gesehen, der Flimmercanal des hinteren Gehirn- abschnittes blind. Ein hervortretender Charakter des Centralnervensystems der SCHIZONEMERTINI (welcher auch von demjenigen von Polia getheilt wird) ist die intensiv rothe Farbe. Bei zahlreichen und wiederhohlten speetroscopischen Prüfungen hat sich diese immer auf Haemoglobin zurückführen lassen, welches in den Nervenzellen sowohl des Gehirnes wie der Nervenmarkstämme, diffus enthalten ist, d. h. ohne an bestimmte Körperchen gebunden zu sein (VII). Der Faserkern hebt sich bei Compression des Thieres immer blasser gegen die hochrothe zellige Rinde ab. Sogar bis in den hinteren Körpertheil bleibt sich der Haemoglobingehalt gleich. In der Blutflüssigkeit der Schizonemertinen fehlt das Haemoglobin ganz; nur in der Rüsselscheide von Cerebratulus urticans ist es mir noch vorgekommen und zwar an bestimmte Körperchen gebunden. Unter den Würmern führt auch Aphrodite aculeata Haemoglobin im Nervengewebe, wie aus den Untersuchungen von Ray LAnk&ster (XIV), durch welche meine Aufmerksamkeit auf diesem Punkt gerichtet wurde, hervorgeht. Weiter unten werden wir auf die Rolle, welche das Haemoglobin im Nervengewebe der Nemertinen zu spielen scheint, näher zurückkommen ; hier sei nur noch hervorgehoben, dass die HOPLONEMERTINI einen viel geringeren Haemoglobingehalt im Nervengewebe (und deswegen auch ein viel weniger tiefgefärbtes Centralnervensystem) besitzen. Wohl ist es bei vielen noch deutlich vorhanden (auch in der hier abgetrennten, dritten Gehirn- ‚anschwellung (Drepanophorus)), und ist es auch den zelligen Partieen mehr, 16 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE speciell eigen, aber ein so markirtes Auftreten, wie bei den Formen mit tiefen, longitudinalen Kopispalten, ist bei den Hoplonemertinen nicht wahrzunehmen. Dagegen führt hier bei sehr vielen das Blut rothe, haemoglobinreiche Blut- körperchen. Der feineren Structur des Centralnervensystems bei den HOPLONEMERTINI muss nun noch ganz in der Kürze Erwähnung geschehen. Auch hier ist ein centraler Faserkern mit ununterbrochenem, ganglienzelligen Belege vorhanden. Am Ge- hirne ist aber die Sonderung in ein oberes und ein unteres Paar von Anschwel- lungen weniger vorgeschritten, als bei den Schizonemertinen, und besser zu vergleichen mit dem bei Polia gefundenen Verhalten. Nur in geringer Erstreckung findet man die obere Anschwellung frei über die untere, resp. über den Nerven- markstamm hin, hervorragen: vorn ist über eine viel grössere Strecke, nur eine einheitliche Masse vorhanden und ist diese durch die Commissuren mit der an- deren Gehirnhälfte verbunden. Die Structur des Faserkernes, der durchschnittlich massiger entwickelt ist als der zellige Beleg, erinnert sowohl bei Amphiporus pulcher, wie bei Amphiporus hastatus sehr an die spongiöse Beschaffenheit, welche wir bei Carinella haben kennen gelernt, bei Drepanophorus ist sie jedoch, wie wir vorhin auch bei den SCHIZONEMERTINI gesehen, wieder viel compacter. Ich finde sogar bei letzterer Gattung auf Schnitten eine Erscheinung, aus der vielleicht der Schluss gezogen werden dürfte: diese Compactheit sei stellenweise stärker und wieder schwächer: es zeigen sich hier nämlich in dem Faserkerne dunklere, als Flecken hervortretende Partieen (Fig. 35), die ich vorläufig nicht anders zu erklären vermag. Ausserdem sind die Ganglienzellen bei Drepanophorus, sowohl im Gehirne als auch in den Markstämmen kleiner und stehen dichter gedrängt als bei Amphiporus, wo selbst man an günstigen Querschnitten das Uebertreten der Zellenfortsätze in den Faserkern leichter verfolgen kann. Als Gegensatz zu den sonst bei Drepanophorus so kleinen Ganglienzellen, finde ich doch in dieser Gattung auch einige ausserordentlich grosse, und zwar multipolare Ganglien- zellen welche auch hier in der Nähe der nach der Körperaxe zu gekehrten Ge- hirnwandung liegen. Sie messen bis zu 37 ze, mit einem Kerne von T7—8 «, in einem Kopfe von 1 mm. im Durchschnitt. Wie bei den vorhin beschriebenen Gruppen scheint ebenfalls bei den Hoplonemertinen eine eigene Gewebeschicht das Nervenzellengewebe vom fasrigen Kerne getrennt zu halten und somit von diesen Zellenfortsätzen durchbohrt zu werden. Noch verdient wohl Erwähnung, dass in den Nervenmarkstämmen der Gattung Amphiporus der ganglienzellige Beleg sich vorzugsweise an der nach der Körperaxe zu gerichteten Seite des Fasercylinders befindet; Letzterer also mit der entblössten Seite den Muskel- schichten anliegt, und auch, wie wir bei Carinella beschrieben, ebenfalls von DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 17 Fasern — vielleicht muskulöser Natur — quer durchsetzt wird. Es ist wohl selbst- verständlich, dass bei dem geringeren Differenzirungsgrad des Gehirnes, es darin nicht zu einem so typischen und complieirten Bau des Faserskelets kommt, wie wir ihn für die Schizonemertinen beschrieben. Wohl setzt sich aber der Faser- kern direct fort in einen oder mehrere Ausläufer, die zum dritten Gehirnabschnitte gehen, welcher, wie oben schon erwähnt, sich hier von dem Gehirne losgelöst hat und nur noch vermittelst dieser Stiele mit der vorderen, oberen Anschwellung zusammenhängt. Sonst ist aber die Struetur des hier oft als „Seitenorgan” bezeichneten, dritten Gehirnabschnittes durchweg in Uebereinstimmung mit Demjenigen was wir bei den Schizo- und Palaeonemertinen gefunden. Es mag auch der nach aussen führende Flimmercanal länger geworden sein und die Lage dieses Abschnittes, anstatt hinter dem Gehirne nach vorne im Kopfe verschoben sein (Fig. 11, 13, 14, 19, 20): immer findet man, dass der fasrige Stiel in einen starken Haufen normaler Ganglien- zellen ausläuft, dass Letztere den Hauptbestandtheil des „Seitenorgans’” ausmachen, und dass sich daran ein Polster grosser, plasmareicher Zellen anlegt, in dessen Mitte eine centrale Höhle nachzuweisen ist, welche in den nach aussen münden- den Flimmercanal übergeht. Letzterer schwillt aber ausserdem noch zu einer selbständigen Höhlung an, welche sich von der anderen Seite an den Ganglien- zellenhaufen anlegt und zum Theil in diesen eindringt. Dieser, in dem dritten Gehirnabschnitte also erweiterte Canal ist mit einem eigenen, durch Flimmereilien ausgezeichneten Epithel ausgekleidet (Fig. 35 u. 36). Auch hier ist die Vermuthung nicht gewagt, dass es genaueren embryologischen Untersuchungen gelingen werde, das ersterwähnte Zellenpolster (in dessen unterem Abschnitte ich oft wie bei Polia eine Anhäufung grüner Körnchen angetroffen) auf die Ausstülpung vom Oesophagus, den letzterwähnten Canal auf die Einstülpung, welche von der Haut aus statt- findet, zurückzuführen. Haben doch die Resultate der Untersuchungen METSCHNI- KOFF’s, BürscHL1’s, BARROIS’ und anderer uns diese Hypothese gleichsam vorgezeich- net. Bemerkung verdient noch, dass bei jenen Arten, bei denen der dritte Ge- hirnabschnitt sich vor dem Hauptgehirne befindet (Fig. 14 u. 20), der vordere Abschnitt des Oesophagus sich unter dem Gehirne hinweg fortsetzt und somit auch der Mund vorn im Kopfe zu liegen kommt. Bei Tetrastemma fand ich das nämliche, bei Oerstedia hatte ich noch nicht Gelegenheit den dritten Gehirnabschnitt auf Querschnitte zu untersuchen, bei Amphiporus hastatus ist est mir an dem Unicum, welches ich besitze, nicht gelungen ein Seitenorgan mit Flimmercanal nachzuweisen ; später wird noch für diese Art, sowie für Amphiporus pugnax ausgemacht wer- den müssen, ob hier wirklich diese Gehirnabtheilung verloren gegangen. Oben wurde schon erwähnt, wie bei den HOPLONEMERTINI sowohl im Gehirne 18 NATUTRK. VERH. DER KONINKL. AKADEMIE. DEEL XX. 18 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE als in den Nervenmarkstämmen der Haemoglobingehalt ein geringerer zu sein scheint, wie bei den SCHIZONEMERTINI; daher soll jedoch nicht ausser Acht ge- lassen werden, dass ich bei allen von mir untersuchten Arten ersterer Unter- ordnung, das seitliche, rothe, haemoglobinhaltige Blutkörperchen führende Gefäss eng an den Nervenmarkstamm angelagert gefunden habe, was bei den “chi- zonemertinen, bei denen die Markstämme von den Muskeln eingeschlossen sind und die paarigen, mit farbloser Flüssigkeit gefüllten Blutgefässe in der Leibeshöhle einen ventralen Verlauf haben, nie der Fall ist. Betreffs der feineren Strucetur der oben erwähnten, vom morphologischen Ge- sichtspunkte so äusserst wichtigen Commissur, welche über dem Anus hinweg die beiderseitigen Hälften des Centralnervensystems vereinigt, wäre hier nur we- nig hinzuzufügen. Der Ganglienzellenbeleg der Nervenmarkstämme ist auch unmit- telbar am Anus noch immer vorhanden, wenn er auch in dem allerletzten, sich verjüngenden Abschnitte etwas dünner wird. Bloss in der Commissur selbst fehlt die zellige Rinde und sind hier nur noch Nervenfasern vorhanden (Fig. 5 u. 6). Diese Strecke ist aber, sogar bei grossen Exemplaren, nicht länger als !'o— las Mm. Sowohl bei Drrepanophorus wie bei Amphiporus hastatus und Amphiporus pulcher (Yig. 3) habe ich diese Commissur immer angetroffen. MosELEY beschreibt eine ähnliche Commissur (jedoch nicht an Querschnitten constatirt) bei Pelagonemer- tes, v. KENNEL findet sie bei Malacobdella. Weder bei Schizo- noch bei Palaeone- mertinen ist es mir bis jetzt gelungen, eine solche Commissur an Schnittserien nachzuweisen, wenngleich das Ex. der kleinen Polia minor mir bei Compression des lebenden Thieres eine solche zu besitzen schien. Vorläufig muss also — jedenfalls für die Schizonemertinen — angenommen werden, dass hier die bis jetzt als allgemein geltende Anschauung: es enden die beiderseitigen Nervenmark- stämme in der Schwanzspitze blind, die richtige sei. Es muss jetzt das peripherische Nervensystem der Nemertinen in seinem feineren Baue geschildert werden. Vom Gehirne entspringen zunächst vier Systeme peripherischer Nerven: 1°, die Nerven für die Augen, für die Muskulatur der Kopfspitze und eventuell der Kopfspalten, 2°. die Nerven für den Rüssel, 3%. die Nerven für den Oesophagus und Vorderdarm, 4°. der unpaare Nerv in der dorsalen Medianlinie. Von den sub. 2 und 3 erwähnten Systemen paariger Nerven entspringen die Rüsselnerven in der Nähe der Gehirneommissur und begeben sich nach vorne zu der Anheftungsstelle des Rüssels in dem Kopfe, während der paarige Vagus oder Darmnerv mehr nach hinten und zwar aus den unteren Anschwellungen seinen Ursprung nimmt. Der dünne, mediane Nerv, der zwischen den Muskelschichten des Rückens seinen Verlauf nimmt, entspringt von der dorsalen Commissur. Endlich zweigen sich von den DES NERVENSYSTEMS DER NÜMERTINEN. iR) Nervenmarkstämmen zahlreiche Nervenäste für Haut und Muskulatur ab, immer nach Zahl und Anordung für jedes Körpersegment übereinstimmend und in regelmässiger Reihenfolge. Wir werden diese verschiedenen Systeme periphe- rischer Nerven successive bei den verschieden Gattungen verfolgen. Die beiderseitigen, starken Nervenstämme, welche sich unter allmähliger Ver- zweigung zu den Augen begeben, treten in den Gattungen Amphiporus und Drepanophorus, bei denen zahlreiche und grosse Augen vorkommen, schon bei Com- pression des lebenden Thieres sehr deutlich hervor (VII. Taf. I. f. 2). Bei den Gattungen mit einer geringeren Anzahl von Augen sind auch diese Stämme weniger deutlich; dennoch sind sie auf Schnittserien überall mit Sicherheit zu verfolgen. Unter den SCHIZONEMERTINI und speciell bei der Gattung Cerebratulus, bei der die Augen entweder fehlen oder doch nur in sehr geringer Anzahl vorkommen, entspringen dennoch vom vorderen Hirnrande jederseits sechs oder mehr starke Nervenstämme, welche sich unter rascher, dichotomischer Theilung zu der Mus- kulatur der Seitenspalten, zu der Kopfspitze und eventuell auch zu den Augen begeben. Es darf wohl zweifellos auf Rechnung dieser feinen und zahlreichen Nervenästehen geschrieben werden, dass die Kopfspitze der Sitz eines noch de- licateren Tastsinnes zu sein scheint, als die übrige Körperoberfläche. Alle diese Nervenstämme entspringen im Gehirne aus dem centralen Faserkerne, sind also in den vordersten Schnitten einer Querschnittserie durch das Gehirn als separate Faserbündel inmitten des Ganglienzellenlagers gekennzeichnet. Während diese Nervengruppen auch bei Polia und Valeneinia der eben gege- bener Schilderung entsprechen, erscheint Oarinella anders beschaffen. Es gehen hier vom spongiösen, massigen Faserkerne, da wo er die breite ventrale Com- missur bildet, starke, nebeneinander gelegene Faserbündel ab, welche, alle von der ventralen Commissur ausgehend, eine Strecke weit an der ventralen Kopfmus- kulatur entlang und mit einander parallel verlaufen. Nach vorne zu findet dann allmählig eine feinere Verzweigung statt. Bei Carinella annulata scheinen sich auch Nervenästchen zu zwei grossen Pigmentflecken zu begeben, welche links und rechts von der stumpfen Kopfspitze gelegen sind und sich als Anhäufungen klei- ner, gefärbter Körnchen erweisen, über deren eventuelle Deutung als lichtperei- pirende Organe ich vorläufig indessen nichts Sicheres zu sagen vermag. Im Allgemeinen scheinen die als Augen aufzufassenden Organe bei den ver- schiedenen Nemertinengattungen auf einer sehr wechselnden Entwickelungsstufe zu stehen. So trifft man gewisse Cerebratulus-Arten, bei denen einfache Pigment- fleeken als Augen gedeutet worden sind, während die vom Gehirne aus mit Nerven versehenen Pigmentflecke mehrerer Arten der Gattungen Lineus und Nemertes 18* 20 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE keinen complieirteren Bau zeigen. Bei Nemertes echinoderma werden mehrere von diesen Pigmentflecken nicht einmal direct vom Gehirne, sondern von den Nervenmarkstämmen mit feinen Aestchen versorgt (XIX). Anders verhalten sich die Gattungen Polia, Amphiporus, Drepanophorus. Hier bemerkt man bei Compression des lebenden Thieres, dass der Pigmentfleck eine regelmässige, hohlkegelförmige Gestalt angenommen hat, und dass sich damit eine halbkugelige, sehr helle, durchscheinende Hälfte verbindet, welche ohne Zweifel als dioptischer Apparat aufgefasst werden muss. Das ganze Auge hat hier eine sphärische oder eiförmige Gestalt und ist in seiner vorderen Hälfte wasserklar und durchsichtig, in seiner hinteren Hälfte dagegen stark pigmentirt. Zu jedem Auge sieht man in deutlichster Weise schon im lebenden Thiere ein feines Nervenästchen treten, welches in der Mitte der Pigmentkappe in das Auge übertritt. Feine Querschnitte (bei Drepanophorus) lehren über den inneren Bau dieser Augen Folgendes kennen (Fig. 42). Die Pigmentschicht wird nach hinten und aussen noch von einer durchscheinenden, homogenen Hülle umgeben, welche sich nach vorne in die halbsphärische Kuppe fortsetzt, durch welche die „Linse” vorne begrenzt wird. Ob in der Pigmentschicht selbst noch wirkliche Zellgrenzen zu unterscheiden sind, oder ob die kleinsten Pigmentkörnchen sich einfach um zahl- reiche Kerne zu kleinen, mehr oder weniger polygonalen Haufen zusammengefügt haben, wage ich noch nicht zu entscheiden. Gleich an der Innenfläche der Pigment- schicht finde ich eine Gewebsschicht, welche sich nach vorne ungefähr gleich weit erstreckt wie jene und sie an Mächtigkeit vielleicht um das Doppelte über- trifft. Diese Schicht erscheint auf senkrechten Querschnitten fein gestreift, und die Streifen senkrecht gegen die hintere Fläche des Auges gerichtet. Bei Schnit- ten, welche senkrecht auf die Richtung der eintretenden Nervenfaser durch das Auge geführt werden, hat diese Schicht dagegen ein feinkörniges Aussehen. Ich kann nicht umhin, sie mir als aus äusserst feinen Stäbehen zusammengesetzt zu denken. Der hintere Raum des Auges, zwischen dieser Stäbehenschicht und der halbsphärischen Linse wird von einer Zellenmasse ausgefüllt. Die Zellen sind verhältnissmässig gross (1/,—!/jo des ganzen Augendurchmessers) und besitzen einen deutlichen, grossen Kern mit Kernkörperchen. Sie färben sich mit Carmin tiefer als die gegen dieses Tinetionsmittel fast ganz indifferente Stäbehenschicht, welcher sie unmittelbar anliegen. Nach vorne folgt auf diese Zellenmasse, welche eventuell mit einem Glaskörper zu vergleichen wäre, die mehr oder weniger halbkugelige Linse, welche sonst aber noch nicht als ein rings herum abge- grenzter, selbständiger Körper characterisirt ist, und in der, auch bei stärkerer Vergrösserung, keine Structurelemente nachzuweisen sind. Diese eigenthümlichen Augen zeigen sich also in ihrem Baue mehr Aehnlichkeit mit den Nebenaugen DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 21 gewisser Fische (XXIX) und dem Auge gewisser Mollusken, als mit dem der Arthro- poden. Bei Polia will es mir scheinen, als ob hinter jedem Auge der Nerv sich zu einer kleinen, einige Zellen enthaltenden, gangliösen Anschwellung verdicke, welche sodann unmittelbar an die hintere Fläche des Auges angelagert ist. Ausser bei Amphiporus und Drepanophorus kommen auch bei Oerstedia ähnli- che Augen vor; bei Tetrastemma hingegen sind mir Augen mit deutlich ausge- sprochener Linse nicht zur directen Beobachtung gekommen. Ob an einem eigenthümlichen, aus mehreren Kammern aufgebautes Organ in der Kopfspitze von Drepanophorus, dessen an anderem Orte Erwähnung gethan werden wird, auch eventuell eine Bedeutung als Sinnesorgan beizulegen wäre, muss vorläufig unentschieden bleiben. Die Nerven, welche für die Muskulatur des Kopfes und der Seitenspalten be- stimmt sind, konnten auf Querschnitten nicht bis zu ihren feinsten Verzwei- gungen verfolgt werden. Betreffs der Innervation des Rüssels ist es von KENNEL (XII) gewesen, der zuerst einen anregenden Gedanken ausgesprochen hat, indem er zahlreiche Längs- stränge im Rüssel von Drepanophorus, über deren Natur frühere (IX, XVI, XVID und spätere (VI) Untersucher verschiedenartige Meinungen geäussert, zuerst als nervöse Stränge gedeutet. Er fand ausserdem, dass diese Stränge gegen die Anheftungstelle des Rüssels im Kopfe zu an Zahl abnehmen, und schloss daraus, dass sie sich in der Längsrichtung des Rüssels durch dichotomische Theilung vermehrten. Da es ihm wegen mangelhaften Materiales nicht möglich war, den direc- ten Zusammenhang dieser Längsstränge mit dem Gehirne nachzuweisen, so entbehrte seine glückliche Hypothese des thatsächlichen Beweises, und waren auch noch keine Gesichtspunkte zum Vergleiche mit anderen Nemertinen-Arten gewonnen. Am evidentesten ist der Eintritt starker Nervenstämme in den Rüssel bei der Gattung Carinella, auf deren relativ niedrige Entwickelungsstufe schon oben hingedeutet wurde. Sowohl in einer dorsotangentialen (Fig. 2) als in einer verticalen Querschnittserie trifft man jederseits einen starken Nervenstamm, der wegen seiner spongiösen Beschaffenheit noch massiger und deutlicher ins Auge tritt. Er entspringt vom vorderen Hirnrande, etwas gegen die Bauchseite zu, und biegt sich gleich zu der in demselben Niveau dem Kopfe angehefteten Rüsselwandung. Der Rüssel-Nerv nimmt jedoch nicht seinen Verlauf in der muskulösen Wand des Rüssels, sondern liegt nach innen von den Muskelschichten (bei dem einge- stülpten Rüssel) zwischen diesen und den zelligen innersten Schichten, welche letzteren wiederum die urtieirenden Elemente enthalten. Auf Querschnitten in verschiedener Höhe des Rüssels trifft man die Rüsselnerven an einander diametral gegenüberliegenden Punkten, und scheinen sie von zahlreichen, sich 22 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE eng an sie anschliessenden, queren Faserzügen an ihrem Platze gehalten zu wer- den. Ausserdem will es mir an den vorliegenden Praeparaten scheinen, als ob diese Längsnerven alsbald eine Zweispaltung erlitten, wobei aber der abgespal- tene, bedeutend dünnere Stamm unmittelbar neben dem primitiven Hauptstamme weiter verläuft (Fig. 38, N). Bei Polia curta gelingt es ebenfalls den Nachweis zu liefern, dass zwei Ner- venstämme von der ventralen Commissur ausgehen und ihren Weg zum Rüssel finden. Unter den Schizonemertinen zeigt Cerebratulus wrticans die Rüsselner- ven besonders deutlich (Fig. 37). Der Rüssel dieser Art ist durch seine an- sehnlich grossen Nesselorgane charakterisirt und trägt diese Letzteren auf zwei neben einander gelegenen, longitudinalen Erhebungen, welche sich über die ganze Länge des Rüssels erstrecken. Zwischen der zelligen Basis dieser Erhebungen und der darunter gelegenen, muskulösen Wandung des Rüssels verlaufen jeder- seits zwei Nervenstämme, die also diese Nesselwälle in der Längsrichtung be- gleiten. An der Anheftungsstelle im Kopfe sehe ich jedoch nur zwei Nerven- stämme in den Rüssel eintreten, so dass aller Warscheinlichkeit nach auch hier — wie durch von Kennen bei Drepanophorus nachgewiesen wurde — dichomoti- sche Theilung der in den Rüssel eintretenden Nerven stattfindet. Auch bei anderen Schizonemertinen sind sie vorhanden, nirgends jedoch so deutlich wie bei Cerebratulus urticans. Von den HOPLONEMERTINI kamen die Rüsselnerven zur Beobachtung bei Dre- panophorus und Amphiporus (Mac Intosu, VON KENNEL, HUBRECHT) und bei Geonemertes (GRAFF). Sie erscheinen hier als zahlreiche, dicke, longitudi- nale Stränge, welche in der mittleren, aus longitudinalen Fasern zusammenge- setzten Muskelschicht des Rüssels verlaufen. Indem ich für eine vergleichende Darstellung der verschiedenen Deutungen dieser Längsstränge auf die Arbeit GRAFF’s (VD) verweise, bleibt mir noch zu motiviren übrig, warum ich mich jetzt der Auffassung VON Kenner’s vollkommen anschliesse. Der Hauptgrund ist wohl die unverkennbare Homologie dieser Längsstränge mit den Rüsselnerven, wie ich sie vorhin bei Palaeo- und Schizonemertinen geschildert, und für welche letzteren der direete Zusammenhang mit dem Gehirne in zwingendster Weise demonstrirt werden kann. Von Drepanophorus ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen Praeparate zu bekommen, welche in gleich überzeugender Weise das Uebertreten der Nerven aus dem Kopfe in die Rüsselwandung darthäten, und so vermag ich z. B. noch nicht zu entscheiden, ob zwei oder vier Stämme an der Anheftungsstelle des Rüssels in diesen eintreten. Auch von KEnNeEL ist bei Drepanophorus aut dieselbe Schwierigkeit gestossen, und obgleich ich Schnitt- serien besitze von Exemplaren, bei welchen der Rüssel in normaler Weise ein- DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 23 gestülpt und im Kopfe befestigt geblieben ist, so machen diese die Annahme VON KENNeEL’s nur wahrscheinlich, dass nämlich die Rüsselnerven dieser Gat- tung in der Nähe der Anheftungsstelle äusserst fein sind und erst nachträg- lich durch Theilung und Vermehrung der Fibrillen deutlich unterscheidbar werden. Auf anderem Wege ist es mir dennoch auch bei dieser Gattung gelungen, einen neuen Beweisgrund für die Hypothese, dass die betreffenden Gebilde Nerven seien, auf- zufinden. Bei einem Riesenexemplare von Drrepanophorus serraticollis, bei welchem der ausgestülpte Rüssel 3.5 mm. im Durchmesser misst, war es nämlich möglich die feineren, von diesen Hauptstämmen sich abzweigenden Nervenfibrillen in ihrem weiteren Verlaufe durch den Rüssel zu verfolgen. Die Grösse dieses Untersu- ehungsobjeetes macht es erklärlich, warum dieses Detail bis jetzt übersehen wurde. Dazu fügt sich der günstige Umstand, dass in dem vorliegenden Präparate die Membran zwischen den Papillen des vorderen Rüsselabschnittes und der Mus- kelwandung dick und wenig geschrumpft ist, durchziehende Nervenfasern also leicht erkannt werden können, Von Kennen beschreibt die bindegewebige, Kerne führende Schicht, welche ver- tieal zwischen den im Kreise gestellten Nervenstämmen ausgespannt ist und sich auch zum Theil zwischen der longitudinalen Muskelschicht des Rüssels in ra- dialer Richtung hinzieht. Sie bildet eine eigene Hülle um die Nervenstämme, welche sich bei tingirten Präparaten durch ihre dunklere Färbung unterscheidet. In Quer- und Längsschnittserien durch den ausgestülpten Rüssel findet man, dass von den longitudinalen Längsnerven, in sehr kurzen Abständen über einander, sich feine Nervenfibrillen unter fast rechtem Winkel abzweigen, welche sich gleich in radiärer Richtung zur äusseren Oberfläche des Rüssels begeben. Wäre es nicht der Fall, dass diese Fibrillen dabei von einer dicken Scheide des oben erwähn- ten Bindegewebes begleitet sind, so würden sie sich wohl noch der Beobachtung entzogen haben. Jetzt fallen sie aber durch die Dicke dieser Hülle ins Auge und können auf den meisten Schnitten in ihrem ganzen Verlaufe, quer duch die Muskel- schichten hin verfolgt werden (Fig. 39 u. 40) *. In dem oben erwähnten, membra- nösen, äusseren Ueberzuge dieser Muskelschichten treten sie dann noch deutlicher auf und verlieren sich in der Basis einer Rüsselpapille, und zwar, wie ich ver- sichern zu können glaube, je eine Nervenfaser für eine Papille. Diese Papillen * Aus diesen Abbildungen wird man ersehen, dass die Ringmuskulatur des Rüssels in regelmässige, metamere Abschnitte zerfällt, zwischen welchen hindurch die erwähnten Nerven ihren Weg noch Aussen nehmen. Dagegen erscheint die Längsmuskulatur des Rüssels in longitudinale Fächer getheilt. 2+ ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE wurden schon früher beschrieben (IX) und sind aus schleimigen Stäbchen auf- gebaut, welche dem ausgestülpten Rüssel eine grosse Klebrigkeit verleihen. Auch an conservirten Exemplaren sind dieselben erhalten und färben sich tief mit Carmin. Dass diesen Papillen eventuell auch eine sensorische Thätigkeit beigelegt wer- «den muss, wird durch den Verlauf dieser feinen Nerven, sowie durch ihre ausser- ordentliche Anzahl wahrscheinlich gemacht. Von der Oberfläche gesehen, bei Com- pression eines ausgestülpten Rüssels, stehen die Papillen in sehr regelmässigen Reihen vor und neben einander, und zwar dicht gedrängt. Die Innervation des Rüssels hat man sich danach so vorzustellen, dass ein feiner Nervenzweig jede Papille auf dem kürzesten Wege mit dem ihm zunächst gelegenen longitudinalen Rüsselnerven verbindet. Ueber denjenigen Rüsselabschnitt, welcher hinter der Rüsselbewaffnung gelegen ist, und in dem durch v. Kesneu ebenfalls longitudinale Nerven nachgewiesen wur- den, habe ich noch zu keinen eigenen Beobachtungen Gelegenheit gehabt. Ebenso muss die Innervation des Rüssels bei den Gattungen Nemertes und Tetrastemma später noch einer vergleichenden Untersuchung unterzogen werden, was bei diesen, mit ganz anderen Rüsselpapillen versehenen Arten, gewiss auch zu abweichenden Resultaten führen wird. Den Bau der grossen Rüsselnerven finde ich wie sie v. KENNEL geschildert: punktirt auf Querschnitten, fein fibrillär auf Längsschnitten. Auch will es mir scheinen, dass nervöse Fasern in einer horizontalen Ebene von einem Stamme in den nächstfolgenden übergehen, wenigstens macht die bindegewebige Schicht, in welchem wir die Längsstämme eingelagert fanden, auf Längsschnitten nicht einen homogenen Eindruck, sondern findet man sie sodann in regelmässigen Abständen von horizontalen Zügen einer anders beschaffenen Gewebsart durch- zogen (Fig. 39 N’). Allerdings ist die nervöse Natur dieser Letzteren auch mir selbst noch problematisch. Wir kommen nun zu der Beschreibung des Nervenpaares, welches ventral vom Gehirne entspringt und sich nach hinten zu der Oesophagus-, resp. Darm- wandung begibt. Auch dieser Nerv ist bei Carinella durch seine Mächtigkeit auffallend und verläuft an dem Mundrande entlang zwischen den zelligen Schich- ten, welehe die Darmwandung bilden, und der Muskulatur. Er lässt sich ziem- lich weit nach hinten verfolgen und verjüngt sich, zum Theil durch Abgabe von Seitenzweigen, welche sich über die Darmwand verbreiten. Der Ursprung und Verlauf dieses Nerven bietet weder bei Polia noch bei den Schizonemer- tinen erhebliche Unterschiede, nur ist er bei den Letzteren weniger spongiös gebaut und dadurch weniger stark. Er entspringt direkt aus dem Faserkerne im hinteren Abschnitte der untern Gehirnanschwellung. Bei Polia curta finde ich DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 25 in diesem Nerven eine Strecke weit nach seinem Austreten vereinzelte Gang- lienzellen eingelagert (Fig. 32). Auch bei den HoPLONEMERTINI ist dieser Nerv, ohne weitere Modificationen zu zeigen, vorhanden, scheint jedoch hier noch dünner geworden zu sein. Bei Mac Isrosu finde ich ihn nicht beschrieben und obgleich QUATREFAGES dessen eben so wenig Erwähnung thut, so scheint doch aus mehreren seiner Abbildungen hervorzugehen, dass er einen solchen Nerven bei mehreren beobachtet habe, ohne sich jedoch über dessen weiteren Verlauf klar geworden zu sein. Am ehesten lässt sich dieser Nerv mit dem Nervus vagus der höheren Thiere vergleichen. Danach muss aber SEMPER’s Hypothese (XXVIII), der in der oberen, quer über Rüssel hinwegziehenden Gehirneommissur das Homologon des von LEYDIG bei an- deren Wirbellosen als Nervus vagus gedeuten Nerven erblickt, eingehen. Von dem medianen, dünnen Nervenstrange, welcher am Rücken des Thieres in der Muskulatur verläuft, ist noch hervorzuheben, dass er bei Carinella sehr deutlich hervortritt und dass sich z. B. an dorsotangentialen Schnitten, in welchen sowohl die dorsale Gehirneommissur als auch dieser Nerv in seiner Länge getroffen ist, in überzeugender Weise demonstriren lässt, dass er in der Mitte dieser Commissur entspringt und sich von da aus nicht nur nach hinten durch den ganzen Körper hindurch, sondern auch z. Th. noch vorn in den Kopf hinein erstreckt. Diese beiden Stämme sind also vertical zur Richtung der Commissur gestellt, der dem Kopfe angehörige Abschnitt aber sehr schwach im Vergleich zu dem nach hinten verlaufenden. In seinem weiteren Verlaufe verhält sich dieser Nerv wie die bei- den Nervenmarkstämme, d. h. er bleibt ausserhalb der Muskulatur. Bei den übrigen Palaeo- sowie bei den Schizonemertinen verhält sich der Nerv ebenso. Bei den Letzteren liegt er, wiederum wie die Nervenmarkstämme, zwi- schen der Längs- und der Quermuskelschicht (nur bei Einer Cerebratulus-Art finde ich ihn in die longitudinale Muskelschicht eingeschlossen) welche, wie sich bei Cerebratulus roseus sehr deutlich wahrnehmen lässt, durch eine homogene, mit einer Scheide zu vergleichenden Schicht von einander getrennt sind. In Letzterer liegen also seitlich die Nervenmarkstämme, sowie dorso-medial der betreffende Nerv. Aus Fig. 41 wird man ersehen, dass ausserdem in dieser intramuskulären, den Körper scheidenartig umfassenden Schicht ein flach ausgebreitetes Zellenlager vorkommt, welches mit den Nervenzellen der centralen Markstämme in direeter Verbindung steht und einerseits diese beiden Markstämme ventral vereinigt, andrerseits eine dorsale Verbindung zwischen diesen Centralorganen und dem dorsomedianen Nerven zu Stande bringt. Vorläufig vermag ich nicht eine definitive Deutung dieser Gewebsschicht zu geben (siehe die Bemerkungen in der Tafelerklä- rung). Erwähnung verdient noch, dass ich bei Cerebratulus hepaticus mehr nach 19 NATUURK. VERH. DER KONINKL. AKADEMIE. DEEL XX. 26 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE hinten im Körper ein dorso-medianes Nervenstämmchen innerhalb der Ringmuskel- schicht, zwischen dieser und der muskulösen Rüsselscheide durchschnitten gefunden habe. Ich glaube berechtigt zu sein, darin die Fortsetzung des aus der oberen Commissur entspringenden Nerven zu erblicken und damit zugleich einen Beleg für die Deutung als, Rüsselscheidennerv”’, wie ich diesen medianen Stamm bezeichnen möchte. Damit ist sowohl seine Lagerung als seine Fortsetzung im Kopfe u. s. w. im Einklange, während die grosse Rolle, welche die Contractionen der Rüsselscheide bei der Aus- und Einstülpung dieses Organs spielen, die ver- hältnissmässige Stärke, sowie die Selbständigkeit dieses Nerven motiviren. Bei den HoPLONEMERTINI finde ich einen ähnlichen medianen Strang, welche hier, wo die Nervenmarkstämme in die Leibeshöhle gewandert sind, doch immer noch ausserhalb der Muskulatur liegt. Vielleicht wird sich näher feststellen lassen, dass hierin wirklich das Homologon des vorhin beschriebenen Nerven erblickt werden muss. Vor der Hand finde ich aber an einigen Schnittserien, dass eine Verbindung mit der dorsalen Gehirncommissur (bei Drepanophorus) bestimmt nicht vorhanden ist, wenn sich auch an anderen, bei denen die Muskelschicht der Rückenseite dünner ist, eine solche wiederum mit grösster Wahrscheinlichkeit vermuthen lässt. Vorläufig muss ich diesen Punkt also noch unentschieden lassen. Der eben beschriebene, mediane Nerv ist, wie ich nachträglich bemerke, auch schon von Mac Intos# (XVIII) beobachtet worden, der aber über den Zu- sammenhang mit der dorsalen Commissur sich keine Sicherkeit hat verschaffen können. Zum Schlusse müssen nun noch die feinen, peripherischen Nerven, welche von den longitudinalen Nervenmarkstämmen entspringen, kurz erwähnt werden. Nur bei kleinen, durchsichtigen Drepanophorus-Exemplaren gelang es mir sie bei Compression sichtbar zu machen, und zwar nach Behandlung mit Essigsäure. Bei grossen Exemplaren finde ich sie auf Schnitten; hier ist aber das Ver- folgen ihres ganzen Verlaufes äusserst schwierig geworden. Es zeigt sich dann dass, wie auch schon von frühern Beobachtern constatirt wurde, nach beiden Seiten, sowohl dorsal wie ventral, feine Nervenästchen von den Markstämmen entspringen und sich zu der Muskulatur und der Haut begeben. Eine Strecke weit bleiben diese ausgetretenen Nervenästchen ungetheilt; sehr bald nach ihrem Eintritte in die Muskulatur erleiden sie jedoch eine sich mehrfach wiederholende dichotomische Theilung. Weder bei Palaeo- noch bei Schizonemertinen habe ich bis jetzt über die- sen Abschnitt des peripherischen Nervensystems eigene Beobachtungen ange- stellt, und lässt sich vorläufig nur vermuthen, dass bei allen die Zahl der aus- DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. a7 tretenden Nervenästchen im bestimmten Verhältnisse zu der Zahl der Körperseg- mente stehe. IT. Die Abschnitte des Nervensystems, welche oben unter den Namen „hintere oder dritte Gehirnanschwellung’”” aufgeführt worden sind und in ihrer histologi- schen Beschaffenheit näher geschildert wurden, so wie die mit ihr in Verbin- dung stehenden Kopfspalten und Kopfgruben haben in den letzten Jahrzehnten zu mehreren, von einander abweichenden Hypothesen Veranlassung gegeben. HuscHKE (X), der die Nervenmarkstämme als Canäle betrachtete, verlegte deren Aus- mündung in die Kopfspalten; OErstep (XXIV), der das Gehirn für ein doppeltes, rothes Blut führendes Herz hielt, fasste die demnächst an dieses Herz herantre- tenden Kopfspalten als Respirationsorgane auf. Schon früher waren sie von RATHkE (XXV]I) als Gefühlsorgane gedeutet worden, eine Meinung der sich auch QUATREFAGES (XXV) anschliesst. GoopDsır (V) betrachtete die Kopfspalten sogar als äussere Oeffnungen des Genital-apparates; Van BENEDEN (II) erblickt darin die Ausmündungsstellen eines Wassergefässsystems; SCHMARDA (XXVII) schliesst sich wieder der älteren OERSTED’schen Deutung an. KEFERSTEIN (XII) scheint mit keiner dieser Deutungen recht einverstanden zu sein, giebt aber eben so wenig eine eigene Interpretation. Am eingehendsten ist die Frage von Mac Intost (XVI, XVIII) beleuchtet worden, der aus einer Reihe mieroscopischer Schnitte den Schluss zieht, dass wir es hier mit eigenthümlichen Sinnesorganen unbekannter Function zu thun haben. Er war zugleich der erste, der die constante Beziehung zwischen diesen, von ihm Kopf- oder Gehirnsäcke (cephalie sacs) ge- nannten, soliden Organen (unsere „dritte Anschwellung’”’) und den Kopfspalten oder Kopfgruben streng ins Auge fasste. Erstere tragen bei KEFERSTEIN den Na- men Seitenorgane; Letztere bei QUATREFAGES den von „fossettes cephaliques.” Wenn ich es nun wage, diesen zahlreichen Auffassungen eine neue an die Seite zu stellen, so geschieht dies nur weil ich der Meinung bin, dass die ge- sammten anatomischen, entwickelungsgeschichtlichen und physiologischen That- sachen mehr zu Gunsten dieser Auffassung als irgend einer anderen sprechen. In einer vor fünf Jahren erschienenen Arbeit (VII) habe ich die Hypothese aufgestellt: „es diene das in dem Nervengewebe vorhandene Haemoglobin einer „directen respiratorischen Thätigkeit. Diese zu ermöglichen dient der gewun- 119% 28 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE „dene Flimmercanal, den wir in das Gehirn durchdringen und dort blind endigen „sehen.” Wegen ungenügenden Materials konnte dieser Hypothese nicht schon damals eine kräftige, auf Thatsachen gestützte Begründung zu Theil werden. Sie bedarf also einer näheren Prüfung und es lag nahe diese zunächst auch auf phy- siologischem Gebiete zu suchen. Zu den Experimenten wurden jene Thiere gewählt, bei denen 1° eine starke Tingirung des Centralnervensystems vermittelst Haemoglobin vorhanden ist und 2° recht deutliche und möglichst grosse Kopfspalten die Beobachtung erleichter- ten. Fasst sämmtliche Cerebratulus-Arten entsprechen dieser Anforderung; un- ter diesen war aber Cerebratulus marginatus am leichtesten zu beschaffen und wurde somit als Versuchsthier gewählt. Zunächst musste durch Versuche festgestellt werden, wie die Kopfspalten beim lebenden Thiere bei einer Veränderung im Sauerstoffgehalte des Seewassers sich verhalten. Es wurde dazu Seewasser während einiger Minuten gekocht und das Quantum in Dampf übergegangenen Wassers durch die gleiche Quan- tität destillirten Wassers ersetzt. Während nun die Thiere sich im gewöhnli- chen, frischen Seewasser ganz ruhig verhalten und dabei meistens eine kaum merkbare, wellenförmige, rythmische Oeffnung und Schliessung der (bis zu 12 Mm. langen) Kopfspalten stattfindet, tritt gleich nach der Ueberführung in das sauer- stofflose Seewasser eine merkbare Veränderung ein. Zunächst zeigen sich peristal- tische Contractionen des Vorderkörpers, bald von raschen, schlangenartigen Hin- und Herbewegungen des Thieres gefolgt. Dabei hat sich zu gleicher Zeit ein hef- tiges Auf- und Zuklappen der Kopfspalten eingestellt, das Thier schiesst wieder- holt mit dem Kopfe über den Wasserspiegel hervor, indem sich seine Auf- regung mit jeder Minute zu steigern scheint. Bringt man nach einiger Zeit das Thier in sauerstoffhaltiges Seewasser zurück, so ist die Unruhe bald beendigt, und nach kurzer Zeit findet man, dass die Kopfspalten ihre heftigen Bewegungen einstellen und sich anstatt dessen weitklaffend öffnen, wobei das rothe Gehirn im Boden der Spalte sehr deutlich durchschimmert. So liegt das Thier längere Zeit am Boden des Gefässes und kehrt erst allmählig zu seinem ruhigen, ur- sprünglichen Verhalten zurück. Noch sei hier bemerkt, dass wenn man ein nor- males Tiäier in frischem Seewasser anhaltend mit der Pincette verfolgt und zu greifen versucht, ähnliche rasche Bewegungen, um der Gefahr zu entfliehen, er- folgen, und dabei zu gleicher Zeit auch die Kopfspalten in dieselben, heftigen Oeffnung- und Schliessungsbewegungen versetzt werden. Auch hier tritt nach Aufhören des Verfolgens die Rückkehr zum normalen, ruhigen Verhalten erst langsam ein. Derselbe Versuch wurde öfters und immer mit dem nämlichen Resultate wiederholt. DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 29 Zu einer zweiten Versuchsreihe wurde Seewasser verwendet, in dem man ver- mittelst eines Apparates zur Entwickelung von Kohlensaüre eine gewisse Quan- tität dieses Gases aufgelöst hatte. Auch wurde Kohlensäure in Seewasser zur Auflösung gebracht, das man zuvor seines Sauerstoffs beraubt hatte; die zu erwähnenden Versuche führten in beiden Fällen zu ganz ähnlichen Resultaten ; in Letzterem Fall, vielleicht unter noch prägnanterer Form. Bringt man ein ruhiges Thier aus frischem Seewasser in kohlensaürehaltiges, so tritt gleich Schliessung der seitlichen Kopfspalten ein, abermals von peristaltischen Bewe- gungen am vorderen Körperende begleitet. Hat man zuvor das Thier in frisschem Seewasser mit der Pincette gequält und die Kopfspalten somit in heftige Bewe- gung versetzt und bringt man gleich darauf das Thier in kohlensaürehaltiges Seewasser, so tritt nichtdestoweniger die krampfhafte Schliessung der Kopfspal- ten in demselben Augenblicke ein und werden diese nicht wieder geöffnet, auch wenn man fortfährt das Thier zu verfolgen und zu quälen. Sobald man Letzteres jedoch in frissches Seewasser zurückversetzt, fängt das heftige Schnappen der Kopfspalten wieder an, gleichviel ob man die Verfolgung des Thieres einstellt oder nicht. In einer dritten Versuchsreihe wurden die beiden vorigen Methoden eombinirt. Zwei Thiere von ungefähr gleicher Grösse wurden in sauerstoffarmes Seewasser gesetzt und nach einer Viertelstunde das Eeine in frissches Seewasser zurück gebracht, das andere in kohlensaürehaltiges Seewasser übergeführt. Indem ersteres sich ganz in der oben geschilderten Weise verhielt, verrieth auch Letzteres nichts Auffallendes, aber die Schliessung der Kopfspalten trat hier eben- falls unmittelbar ein, selbst wenn das Thier länger als eine halbe Stunde in dem sauerstoffarmen Seewasser zugebracht hatte. Nach kurzer Zeit wurden die Rollen vertauscht, beide Exemplare erst wieder in sauerstoffarmes Seewasser zusammengebracht und diesmal B in das frische, A in das kohlensaürehal- tige Seewasser zurückversetzt. Dieselben Erscheinungen wiederholtensich, je- doch in umgekehrtem Sinne. Noch ist zu bemerken, dass bei Ueberführung eines Thieres aus kohlensaürehaltigem Seewasser in frisches die Erscheinun- gen folgendermaassen zu charakterisiren sind: die Wiederöffnung der Kopf- spalten findet langsam statt, eine schwache, wellenförmige Bewegung wird zunächst an deren Rändern beobachtet und erst allmählig treten heftige Oeff- nungs- und Schliessungsbewegungen der jetzt weit geöffneten Kopfspalten ein, die dann wieder nach geraumer Zeit langsam ihr normales Verhalten annehmen. Noch eines Controllversuches werde ich hier zum Schluss Erwähnung thun. Ein kleines Exemplar wurde mit der Pincette beim Schwanz ergriffen and abwechselnd ein halb Dutzend Mal vom frischen ins kohlensaürehaltige 30 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Seewasser und vice versa übertragen, jedesmal nach einem Aufenthalte von we- nigen Minuten. Ohne auch nur ein einziges Mal fehl zu schlagen, wiederholen sich regelmässig die oben geschilderten Erscheinungen: starke Wellenbewegun- gen im frischen, krampfartige Schliessung im kohlensaürehaltigen Wasser, un- geachtet des aüsseren Reizes, dem das Thier durch das festhalten des Schwan- zes fortwährend ausgesetzt ist. Eine auffallende Erscheinung, welche bei den Versuchen mit dem kohlensaüre- haltigen Wasser eintrat, war diese, dass, wenn ein Thier längere Zeit in diesem Wasser zugebracht hatte, die helirothe Farbe des Centralnervensystems ver- schwunden und eine dunkle, bräunlich-rothe an die Stelle'getreten war. Dies war offenbar die nämliche Erscheinung, welche beim Uebergange von arteriellem Blute in venöses beobachtet wird: es hat eine Reduction und damit eine Verfärbung des Oxyhaemoglobines !stattgefunden. Diese Verfärbung und auch umgekehrt die Rückkehr zum ursprünglichen Verhalten, die Aufnahme von Sauerstoff also, scheint verhältnissmässig langsam stattzufinden, jedenfalls viel langsamer als im Blut der höheren Thiere. Als Beweis dafür möge dienen, dass mir dann und wann Thiere gebracht wurden, die, nachdem sie gefangen waren, schon einige Zeit in frischem Seewasser zugebracht hatten, und bei denen dennoch die dunkle, redueirte Farbe des Nervensystems zu demonstriren war. Bei sol- chen Thieren war das Nervengewebe zur Zeit des Fangens, wahrscheinlich durch längeren Aufenthalt in schmutziger Schlammboden sauerstoffärmer als gewöhn- lich, und ein längeres Verweilen in sauerstoffreichem Seewasser hatte noch nicht ausgereicht um einen Gasaustausch zu bewirken, der kräftig genug gewesen wäre um auch die hellrothe Farbe wieder hervorzurufen. Aus dem Vorhergehenden 'glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass bei Cerebratulus marginatus den Kopfspalten (für den Zutritt des Seewassers zum Gehirne schon ohnehin von grosser Bedeutung) die Function obliegt, bei bedeu- tenderem oder geringerem Sauerstoffsehalte des Seewassers, die Quantität desselben, welche dem Nervengewebe zuströmt, streng zu reguliren. Auch bei stärkeren Nervenerschütterungen des Thieres (mechanische Reize u. s. w.), wo also pre- sumirt werden kann, dass der Oxydationsprocess im Centralnervensysteme ein stärkerer und somit der Sauerstoffbedarf ein grösserer sei, bewirken die Kopf- spalten durch heftige und angepasste Wellenbewegungen eine bedeutende Be- schleunigung in den Wasserstrome, welcher in dem Ruhezustand des Thieres wohl hauptsächlich durch die zahlreichen Cilien, mit denen die Innenfläche der Spalten, ausgekleidet ist, erzeugt und dem Haemoglobinhaltenden Nervengewebe zuge- führt wird. Weiter beweist die Reduction des Haemoglobins im Nervengewebe bei anhaltender Einwirkung von Kohlensaüre, dass in diesem Gewebe eine be- DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 31 stimmte, respiratorische Thätigkeit stattfindet. Sodann liegt auch die Schlussfolge- rung nahe, dass diese Thätigkeit da am energischten sein muss, wo ein fort- währender, direeter Contact des Nervengewebes mit einem constanten Strome frischen Seewassers stattfindet. Die histologische Untersuchung hat dargethan, dass solches in der dritten oder hinteren Gehirnanschwellung der Fall ist und diese also mit vollem Rechte als respiratorisches Ganglion bezeichnet werden darf. Ausserdem ist noch zu einem direeten Gasaustausche zwischen dem Seewasser und dem Haemoglobine des Gehirnes ausgiebige Gelegenheit, da wo Letzteres, nur von einer dünnen Hülle geschützt, in den Boden der Kopfspalten hervorragt (Fig. 10 u. 24). Die Resultate, zu denen wir hiermit für Cerebratulus marginatus gelangt sind, passen auch auf alle anderen SCHIZONEMERTINI; nur wäre es voreilig sie ohne weiteres ebenfalls für die beiden anderen Unterordnungen als gültig zu betrachten, um so mehr als die Gestaltung der Kopfspalten nicht erlaubt bei diesen beiden Gruppen ähnliche physiologische Experimente anzustellen. Auch der Haemoglobingehalt des Nervengewebes ist bei den beiden anderen Gruppen nicht so gross, wie bei den Schizonemertinen. Bloss noch bei der Gattung Polia ist das Gehirn stark roth gefärbt; bei Carinella scheint die Färbung eine sehr schwache zu sein. Bei den HoPLoNXEMERTINI ist die Farbe des Nervengewebes sehr schwach roth und neigt sich viel mehr zum Gelblichen; nur fand ich hier in der dritten Gehirnanschwellung oft noch stärker rothgefärbte Stellen (oft grün bei durchfallendem Lichte). Zu bemerken ist, dass bei sehr vielen Arten dieser letzten Unterordung (Amphiphorus, Drepanophorus) das Haemoglobin an zahlreiche Blutkörperchen gebunden in der Blutflüssigkeit vorhanden ist, während wir sowohl bei den PALAEO- wie bei den SCHIZONEMERTINI durchgängig farbloses Blut vorfinden. Indem wir hiermit dem anatomischen Befunde einige physiologische Data hin- zuzufügen versucht haben, bleibt uns nur die ontogenetische Entwicklung dieser Organe zu schildern übrig. Eigene Beobachtungen liegen hier nicht vor, aber aus den Arbeiten der verschiedenen Forscher, die sich mit diesem Thema be- schäftigt haben (LEUCKART und PAGENSTECHER, METSCHNIKOFF, BüTscHLı, BAR- ROIS) lassen sich die Grundzüge dieses Gegenstandes leicht durch Combination ableiten. Bezüglich der Details bleiben freilich, wie wir sehen werden, noch viele Fragen zur Lösung offen, die hier zum Theil nur eine hypothetische Ant- wort erhalten können. Die „Seitenorgane” sollen nach obenerwähnten Autoren in einem sehr frühen Larvenstadium als eine beiderseitige, sich der embryonalen Gehirnanlage eng an- schmiegende Ausstülpung der Oesophagealwandung entstehen. Diesen blasenförmi- 32 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE gen Ausstülpungen wächst von aussen her eine Einstülpung des Ektoderms entge- gen *; die beiden vereinigen sich, nachdem Abschnürung der Blasen von der Darm- wand stattgefunden hat, so dass die innere Höhle nicht mehr mit dem Oesopha- gus communicirt, sondern durch einen eigenen Canal zu jeder Seite des Kopfes nach aussen mündet. Die Oeffnung dieses Canales ist bei einigen zu einer mächtigen Längsspalte vertieft, bei anderen in einer stark flimmerenden Quer- grube gelegen. Auf den ersten Blick scheint diese Entstehungsweise im schroff- sten Widerspruche zu unserer Deutung zu stehen, welche in diesen Organen in erster Linie Abschnitte des Gehirnes, wenn auch mit fremdem Gewebspartieen verwachsen, erblickt. Jedoch können wir an der Hand des anatomischen Befun- des diesen Widerspruch gleich beseitigen. Zunächst zeigt uns dieser, dass die Be- hauptung: es entstehen die Seitenorgane (in toto) als Ausstülpungen des Oeso- phagus, eine zu weit greifende ist. Hat uns doch die histologische Untersu- chung des Nervensystems in überzeugender Weise dargethan, dass bei den verschiedensten Vertretern dieser Wurmklasse aus allen Gattungen und Unter- ordnungen immer der Hauptbestandtheil der sogenannten Seitenorgane aus wahren Ganglienzellen besteht, die in Bau und Anordnung die vollste Uebereinstimmung mit denen der anderen Gehirnanschwellungen zeigen. So werden durch die Un- tersuchung der erwachsenen Thiere die entwickelungsgeschichtlichen Befunde in dem Sinne vervollständigt, dass auch dem Gehirne beim Aufbau dieser Organe ein grosser Antheil zukommt. Aus ihm muss die dritte Gehirnanschwellung in enge- rem Sinne (Ganglienzellen und Markfasern dieser Organe) hergeleitet werden. Der Antheil, welchen die Darmausstülpungen, sowie die Hauteinstülpungen an der defini- tiven Zusammensetzung der genannten Organe gehabt, ist meiner Meinung nach an erwachsenen Thieren ebenfalls noch genau nachzuweisen und dadurch die Deutung der Bildungen motivirt und erleichtert. Als Hauteinstülpung ist der Canal aufzu- fassen, welcher, mit einem eigenen Wimperepithel bekleidet, von aussen her die Muskelschichten durchbohrt und sich mitten zwischen den Ganglienzellen der dritten Gehirnanschwellung einen Weg bahnt, um dort mit oder ohne Erweiterung blind zu enden. Dagegen rühren von der ursprünglichen Darmausstülpung diejenigen Ge- webspartien her, welche wir als ein Polster grosser, zum Theil durch plasmareichen Inhalte und deutlichen Kern ausgezeichneter Zellen, um einen Theil dieser dritten Gehirnauschwellung in enger Verbindung herumgelagert fanden, und in welchem Zellenhaufen wir bei einigen Arten (sowohl den Hoplo- wie den Schizonemerti- nen angehörend) eine eigene Höhlung antrafen, welche sich ebenfalls mit dem * Zum Verständnisse dieser Verhältnisse sind die Abbildungen 4, 7 u. 8 bei Bürscuur (ILL) besonders lehrreich. DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 33 Einstülpungscanale in Verbindung setzt, und zwar noch innerhalb der dritten Gehirnanschwellung. Das frühe Auftreten der besagten Organe weist ausserdem darauf hin, dass ihre Rolle keine unwichtige sein kann. Hat uns also die Entwickelungsgeschichte bei der Entwirrung des histologi- schen Complexes, welchen wir in diesem Gehirnabschnitte antreffen, wirkliche Dienste geleistet, so wird auch die physiologische Bedeutung, welche wir diesem Abschnitte zulegen zu müssen geglaubt haben, von ihr um vieles wahrschein- licher gemacht. Sehen wir doch in vielen Fällen, auch bei den Invertebraten, dass gerade solche Ausstülpungen des Oesophagus später zu respiratorischen Zwecken verwendet werden. Wählen wir von allen hier zu erörternden Beispielen nur das Eine, welches wohl am lehrreichsten scheint: nämlich die Entwiekelung der Kiementaschen bei Balanoglossus. METSCHNIKOFF, AGASSIZ, SPENGEL u. A. stimmen darin überein, dass im frühen Larvenleben eine doppelte Ausstülpung vom Oesophagus die Anlage bildet, aus der später die erste Kiementasche wird, in deren Wandungen Gefässgeflechte ihren flüssigen Inhalt mit dem Sauerstoffe des Seewassers in direkte Berührung bringen können. Vergleicht man die Abbildung der Balanoglossuslarven bei METSCHNIKOFF (XXI, p. 139), worin diese Ausstül- pung mit br angedeutet ist, mit denjenigen, welche die verschiedenen Forscher (I, II, XV, XX) für die Entwickelung der sogenannten Seitenorgane bei den Nemertinen gegeben, so drängt sich diese Uebereinstimmung in noch prägnanterer Weise auf. Meiner Meinung nach kommen bei den Nemertinen diese Ausstülpungen ebenfalls einer respiratorischen Thätigkeit zu Gute, finden hier aber, anstatt eines Circulationssystems mit flüssigem Inhalte, ein mit Haemoglobin durchtränktes Nervengewebe. Die Rolle des Festhaltens und vielleicht auch des Fortleitens (dureh Austausch des aufgenommenen Sauerstoffs) kommt in dem Centralapparate zunächst den Ganglienzellen zu, welche als eine ununterbrochene Belegschicht bis in das äusserste Schwanzende des Thieres reichen. Dass ein Theil dieser Ganglienzellen mit der inneren, Seewasser-führenden Höhle der Darmausstülpungen (auch in deren späterer Umbildung), sowie mit den Hauteinstülpungen in innige Berührung tritt, hat uns der histologische Befund genügend gezeigt. Es bleibt uns jetzt noch der Versuch zu machen übrig, das Entstehen dieser Bildungen auch von phylogenetischer Seite zu beleuchten und zu untersuchen, ob sich dabei unsere Schlüsse über ihre morphologische und physiologische Bedeutung bestätigt oder geschwächt finden. Einen höchst wichtigen Ausgangspunkt finden wir dabei in Carinella annulata, welche sich, wie schon oben erwähnt, in ver- schiedener Hinsicht als eine weniger differenzirte und primitive Form kenn+ zeichnet. Hier liegt das ganze Centralnervensystem, wie gesagt, unmittelbar unter der Haut und kann eine eventuelle Respiration dieses Gewebes durch die Haut 20 NATUURK. VERH. DER KONINKL. AKADEMIE. DEEL HOT 34 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE noch recht leicht stattfinden (Fig. 2). In der Höhe der Gehirnanschwellung mag ein solcher Process, durch die Anwesenheit einer Querrinne als beidersei- tige Hauteinsenkung resp. Verdünnung, nur noch erleichtert werden. Haemo- globin, wenn überhaupt vorhanden, färbt jedenfalls das Nervengewebe nicht mit einer auffallend rothen Farbe. Von einer dritten Gehirnanschwellung ist bei dieser Gattung noch nicht die Rede; möglicherweise sind auch in frühen Larvenstadien die Darmausstülpungen, welche sonst die sogenannten Seitenorgane mit zu bilden pflegen, nicht vorhanden; jedenfalls ist es eine sehr wichtige Aufgabe, die noch unbekannte Entwickelungsgeschichte dieser Arten auch hin- sichtlich dieses Punktes zu prüfen. Bei Carinella inexpectata, welche unzweifelhaft zu derselben Gattung gehört (wenn auch in der Form des Kopfes und der Anordnung der Kopfgrübchen Annäherung an Polia zu erkennen ist), finden wir einen wichtigen Fortschritt darin, dass eine einfache, von der Haut ausgehende, canalartige Einstülpung mitten zwischen die Ganglienzellen eindringt und hier blind endigt. Bei den Gattungen Valencinia und Polia, welche Carinella noch am nächsten stehen, ist aber das Oentral-Nervensystem schon in die Körpermuskulatur hin- eingewandert. Zusleich ist die rothe Farbe des Gehirns eine intensivere ge- worden, und findet sich, anstatt einer einfachen, rinnenförmigen Einsenkung in der Haut, wie bei Carinella annulata, oder eines kurzen Canälchens, wie bei (©. inexpectata, ein mit in die Tiefen der Muskulatur vordringender Canal, welcher sich, wie wir gesehen haben, in das Gehirn selbst fortsetzt. Zugleich weist das Vorhandensein bestimmter, mit der dritten Gehirnanschwellung verwachsender Zel- lenhaufen darauf hin, dass in frühen Larvenstadien eine Darmausstülpung mit dem Gehirne in Verbindung tritt; jedoch verlangt diese Voraussetzung, welche sich auf Analogie mit anderen Arten gründet, Bestätigung durch direete Beobachtung der Entwickelung dieser, noch nicht darauf hin untersuchten Gattungen. Auch jetzt schon lässt sich aber das Verhalten bei diesen beiden Gattungen, bei denen auch die dritte Gehirnanschwellung noch in primitiver Gestaltung und in engem Zusam- menhange mit dem übrigen Gehirne verharrt, ohne Zwang von dem bei Carinella gegebenen ableiten. Die Abtrennung des Nervensystems vom Eetoderm und des- sen Einlagerung in die Körpermuseulatur muss zum Theil als die Motivirung der eben beschriebenen Modificationen aufgefasst werden. Ausgehend von diesen beiden Gattungen scheinen sich nun einerseits die Schi- zonemertinen, andererseits die Hoplonemertinen entwickelt zu haben. Indem sich bei den SCHIZONEMERTINI die dritte Gehirnanschwellung schärfer gegen die beiden anderen abhebt, als dies bei Valeneinia der Fall war, hat sich auch die einfache, aüssere Oeffnung von Valeneinia in dieser Unterordnung zu den DES NERVENSYSTEMS DER NSMERTINEN. 35 langen und tiefen Kopfspalten. erweitert, in dessen Grunde sich der Flimmercanal, welcher in die Ganglien durchdringt, jetzt öffnet, anstatt direct nach aussen zu münden. In dieser bedeutenden Erweiterung der Einströmungsöffnung, sowie in der Auskleidung der Innenfläche dieser Kopfspalten mit dichtgedrängten, langen Cilien, dürfen wir gewiss eine Anpassung an die in dieser Unterordnung um so viel energischer gewordene Nervenrespiration erblicken, wie sich diese auch in dem viel bedeutenderen Haemoglobingehalte des Nervengewebes kund giebt. Es wurde oben schon darauf hingewiesen, dass diese Kopfspalten auch noch auf anderem Wege dem erhöhten Respirationsbedürfnisse zu Gute kommen, indem nämlich in Folge der Tiefe dieser bis an das Gehirn eindringenden Spal- ten, bei vielen Arten das Seewasser bis hart an die äussere Oberfläche des ganzen haemoglobinhaltenden Gehirnes geführt wird. In anderer Richtung ist die weitere Entwickelung der dritten Gehirnan- schwellung bei den HOPLONEMERTINI vor sich gegangen und zwar hat dabei eine Polia ähnliche Form wahrscheinlich als Ausgangspunkt gedient. Finden wir doch in der Gestaltung der Quergruben und deren senkrechten Seitenrinnen, welche auf der Kopfhaut mit der äusseren Oeffnung des Flimmercanals in Ver- bindung treten, eine sehr grosse Uebereinstimmung, welche sich auch im Zahl und Gestaltung der Augen u. 3. w. geltend macht. Es hat sich jedoch bei allen mir bekannten Hoplonemertinen die dritte Gehirnanschwellung von der oberen ganz abgelöst und ist mit dieser bloss noch vermittelst Commissuren verbunden. In dieser Hinsicht ist diese Unterordnung also noch um einen Schritt weiter gekommen als die Schizonemertinen; damit geht nun auch, wie schon erwähnt, eine grössere Veränderlichkeit in der relativen Lagerung dieser Bildung zum Gehirne Hand in Hand. Zusammen mit der flimmerender Hauteinstülpung und dem grosszeiligem Polster (welch Letzteres bisjetzt jedoch ungenügend erkannt wurde) bildet sie jetzt das typische Seitenorgan der älteren Autoren, bei deren Un- tersuchungen wohl hauptsächlich Hoplonemertinen vorgelegen haben. Da der Hae- moglobingehalt des Nervengewebes bei dieser Unterordnung sicherlich schwächer ist als bei den Schizonemertinen, andererseits der Circulationsapparat sich vervollstän- digt hat und auch die eirculirende Flüssigkeit sehr zahlreiche haemoglobinhal- tige, rothe Blutkörperchen führt, so entsteht die Frage, ob auch hier diese Bildun- gen in gleich energischer Weise im Dienste einer respiratorischen Thätigkeit des Nervengewebes stehen; ob sie hier vielleicht in einer langsamen, regressiven Metamorphose begriffen sind (ein Vermuthen, zu der das Verhalten verschiedener Tetrastemma-arten und vielleicht auch der Amphiporus hastatus Anhaltepunkte giebt), oder endlich ob unter allmähligem Verluste ihrer respiratorischen Bedeutung sie sich vielleicht bei einigen Formen allmählig einer veränderten Leistung anpassen. 20* 36 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE Auf die Lösung dieser Fragen muss hier vorläufig verzichtet werden, nur glauben wir jedenfalls die Thatsache festgestellt zu haben, dass die am weitesten diffe- renzirte Form der sogenannten Seitenorgane (z. B. bei Nemertes antoninu, Amphiporus lactifloreus) im morphologischen Sinne gleichwerthig ist mit der hin- teren, respiratorischen Zwecken dienenden Gehirnanschwellung nebst Zellenpolster und Flimmercanal einer Polia und Cerebratulus. Immerhin muss eine eventuelle sensorische Thätigkeit der „Seitenorgane’”’ schon deswegen angezweifelt werden, weil est bisjetzt noch nicht gelungen ist, irgend ein specifisches Sinnesepithel nachzuweisen. Dass bei den sehr bedeutenden Modificationen, welchen diese Bildungen in den verschiedenen Gattungen und Unterordnungen unterliegen, auch die Lebens- verhältnisse der Thiere eine nicht unbedeutende Rolle spielen, wird Niemanden verwundern. Finden wir doch, dass die meisten Schizonemertinen (bei denen wir die Athmung des Nervengewebes am energischsten gefunden und zugleich die Fär- bung dieses Gewebes am tiefsten) sich im Schlamme des Meeresbodens einwühlen und inmitten animalischer und vegetabilischer Ueberreste vorzugsweise ihren Aufenthalt suchen. In beiden Fällen ist Sauerstoff nicht so leicht zu schaffen und wird eine Vorrichtung, durch welche dieser herangezogen und auf längere Zeit aufbewahrt werden kann, den Thieren von grossen Nutzen sem. Wenn diese Vorrichtung — das Haemoglobin — nun zu gleicher Zeit in dem Nervenge- webe seinen Sitz hat, so ist damit der doppelte Vortheil geboten, dass der Sauer- stoff unmittelbar da Verwendung findet, wo er auch am meisten zu leisten hat, d. h. im Centralapparate des Nervensystems. Sehr erwähnenswerth ist dane- ben die Beobachtung, dass die grosse Mehrzahl der Hoplonemertinen, bei denen der Haemoslobingehalt des Nervengewebes ein geringerer geworden, nicht mehr im Schlamme, sondern inmitten von Algen und Korallenstöcken gefunden wird, wo der Sauerstoffgehalt des Seewassers im Gegentheil als grösser betrachtet werden muss. Dazu kommt noch, dass auch das haemoglobinführende Blut hier zum Theil die Rolle wieder auf sich genommen haben mag, zu dem sich bei den vorigen das Nervengewebe selbst emporgeschwungen hat. IE Die Thatsachen, welche wir im Vorhergehenden für das Nervensystem der Nemertinen kennen gelernt haben, führen uns zu einigen allgemeinen Gesichts- DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 37 punkten, welche anzudeuten ich hier nicht unterlassen will. Zunächst haben wir gesehen, dass sich bei diesen Thhieren der Centralapparat des Nervensystems durch die ganze Länge des Körpers erstreckt. Der centrale Character dieses Abschnit- tes des Nervensystems wird bedingt durch die ununterbrochene Belegschicht von Ganglienzellen, welche sich vermittelst feiner Ausläufer mit der centra- len Nervenfasersubstanz in Verbindung setzen. Vorn im Kopfe zeigt dieser Centralapparat paarige, über dem vorderen Darmabschnitte gelegene Anschwellun- gen, welche das Gehirn bilden und von denen starke Nervenstämme entspringen, welche sich zu den Augen, dem Rüssel und der Oesophagealwandung begeben. Die weiteren Fortsetzungen des Centralapparates, die Nervenmarkstämme, liegen bei ihrem nach hinten gerichteten Verlaufe entweder seitlich oder mehr nach der ventralen oder endlich mehr nach der dorsalen Seite gerückt und sind bei meh- reren Gattungen durch eine terminale Quercommissur, welche äber den Anus hinweg verläuft, verbunden. Somit liegen Gehirn und hinteres Commissurensystem bei diesen T'hieren dorsal über dem Darme; selbst da wo die Nervenmarkstämme sich ventral einander ge- nähert haben existirt diese dorsale Verbindung derselben, während eine ventrale allenthalben bei den untersuchten Nemertinen fehlt. Die morphologische Beden- tung dieses Befundes, welche meiner Ansicht nach eine sehr weit greifende ist, tritt noch schärfer hervor, wenn man dabei ins Auge fasst, dass diese W urmgruppe in verschiedener Hinsicht als ein recht primitiver und alter Typus gekennzeich- net ist. Solches beweist die wechselnde Lagerung des Centralnervensystems mit Bezug auf die Körpermuskulatur einerseits, auf die Körperaxe andrerseits. Für Ersteres werden die Extreme gebildet von Carinella, bei der das Centralnervensystem ganz ausserhalb, und von Amphiporus und Drepanophorus, bei der es ganz innerhalb des Hautmuskelschlauches liegt; für Letzteres von Drepanophorus und Oerstedia, bei der die Nervenmarkstämme sich an der Bauchseite mehr der Medianlirie genä- hert haben, und von Langia, bei der solches an der Rückenseite geschehen ist. Ohne irgendwie behaupten zu wollen, dass nun auch die letzterwähnte Gattung eine Annäherung zum Vertebraten-Typus repräsentire, während die beiden anderen directere Anknüpfungspunkte an den der Anneliden und Arthropoden darböten, muss hier doch betont werden, dass diese Wechselbeziehungen auf einen indif- ferenteren, primitiveren, mehr plastischen Zustand hindeuten. Beachtet man dabei noch, dass bei allen Arten dieser Ordnung — viellicht mit Ausnahme der in mehreren Hinsichten primitivsten Gattung Carinella — eine deutlich ausgespro- chene, innere Segmentirung vorhanden ist, wie das in einer früheren Arbeit (VII) angedeutet wurde, in einer späteren noch näher begründet werden soll, so dürfte man darin eine weitere Veranlassung finden, die Thiere dieser Wurmgruppe als 33 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. eine für die Begründung der Verwandschaften der gegliederten Thiere äusserst wichtige Mittelform zu betrachten. Die Nemertinen ständen somit jenen Wür- mern noch am nächsten, aus denen einerseits die Anneliden, andrerseits die nie- deren Vertebraten ihren Ursprung genommen. Es dürfte demnach dem Verhal- ten des Nervensystems der Nemertinen eine nicht untergeordnete Bedeutung für den Streit über die directe Stammesverwandschaft zwischen Anneliden und Wirbelthieren zuzuschreiben sein. Einerseits zeigt uns das Nervensystem der Ne- mertinen in seinem histologischen Baue mannigfache Uebereinstimmungen mit dem Bauchmarke der Anneliden, Uebereinstimmungen zu denen bei den Nemer- tinengattungen mit ventralwärts gerückten Nervenmarkstämmen noch diejenige der Lage kommt, während hingegen ein fundamentaler Unterschied gegeben ist in der Ausbildung eines — den Anneliden vollkommen abgehenden — dorsalen und dem Mangel jedes ventralen Commissurensystemes, welches sich hochentwickelt bei Anneliden findet. Andrerseits drückt sich, wie schon oben betont wurde, eben in der Entwickelung dorsaler und in dem Fehlen ventraler Commissuren bei Nemertinen eine gewisse Aehnlichkeit der Lage mit dem centralen Nervensysteme der Vertebraten aus, wobei natürlicherweise innigere Homologieen zwischen bei- den nicht behauptet werden sollen. Wir sehen also die Längsstämme des Cen- tralnervensystems bald mehr dorsal (die Gattung Langia unter den Nemertinen ; Vertebraten) bald mehr ventral (einige Nemertinen, Anneliden) verlaufen, wo- bei durch die Nemertinen mit lateral gelegenen Nervenmarkstämmen das ver- mittelnde Glied gebildet wird; wir erblicken aber zugleich einen scharfen Ge- gensatz in der Verbindung der paarigen Antheile des centralen Nervensystems, indem dieselbe bei der Einen Gruppe (Nemertinen, Vertebraten) durch dorsale, bei der anderen Gruppe (Anneliden) durch ventrale Commissuren vermittelt wird. Es scheint mir, dass diese Befunde sich wohl mit der älteren, die durchgehende Homologie von Rücken und Bauch betonenden Theorie vereinigen lassen, aber keineswegs zu Gunsten der neuerdings wieder renovirten Umkehrungshypothese GEOFFROY ST. HıLAIkE’s sprechen. Secundäre Anknüpfungspunkte, welche an Bedeutung jedoch weit hinter dem bezüglich des Nervensystems festgestellten Befunde zurückbleiben, sind zwischen dem Vertebraten- und dem Nemertinentypus noch wohl mehrere aufzufinden. So z. B. das Verhalten des N. vagus, der Bau der Augen bei höheren Nemertinen, die Anwesenheit rother scheibenförmiger Blutkörperchen u. s. w. Ich verzichte hier auf eine weitere Ausführung dieser Punkte und möchte zum Schlusse nur betonen, dass sich auf diesem Felle nach allen Seiten hin Fragen aufthun, die einer eingehenden Prüfung bedürfen und die für weitere Untersu- chungen wohl dankenswerthe Resultate versprechen. VERZEICHNISS DER CITIRTEN LITERATUR. 1. J. 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Die centrale Fasermasse ist mit Gelb, der ganglienzellige Beleg mit Roth angegeben, Rechts ist die obere Anschwellung (O) welche (von t an) nach vorne zu mit der un- teren (U) zusammenhängt, weggenommen gedacht. Die beiderseitigen Gehirnhälften sind vorn durch die dicke, ventrale und die dünne, dorsale Commissur verbunden. Aus Letz- terer entspringt der Rüsselscheide-Nerv rs. zees Fa Fig. 2. Carinella JE, u. N. NATUURK. Hintere oder dritte Gehirnanschwellung. Nervenmarkstämme, Vagus. Rüsselnerv. Nerven, welche zu der Kopfspitze, den Augen (wenn vorhanden) und der Muskulatur der Seitenspalten gehen. (Mır per Camera GezeichNen). Horizontaler Schnitt durch den Kopf von polymorpha. Vergl. Fig. 21 u. 31. Haut. Bindegewebige Basilarmembran. Nervenniarkstämme unmittelbar unter der Haut, jedoch ausserhalb der Kör- permuskulatur M gelegen. Linke und rechte Gehirnhälfte, hier bloss als Anschwellungen der Nerven- markstämme charakterisirt, mit innerem Faserkern und äusserem Ganglien- zellenbeleg. Jede Gehirnhälfte wird von vereinzelten, radiär verlaufenden Mus- kelfasern durchzogen. Muskulöse Wand der Rüsselscheide. Muskelwandung des Rüssels selbst, vorn in der Wandung der Rüsselscheide rings herum angeheftet. Rüsselnerven, welche an der Anheftungsstelle in den Rüssel eintreten und deren directer Zusammenhang mit dem Gehirne sich in folgenden Schnitten nachweisen lässt. 2l VERH. DER KONINKL. AKADEMIE. DEEL XX. 42 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE F. Stark flimmernder, vorderer Abschnitt der Rüsselscheide. U, Innere, zellige Schichten des Rüssels mit Nesselelementen. g. Durchschnittene Faserzüge, zur näheren Befestigung der Rüsselscheide dienend. Fig, 3. (Mir ver Camera gezeichnet). Querschnitt durch das äusserste Schwanzende von Amphiporus pulcher. HB, Haut mit B. Basalmembran. M. Längs- und Ring-muskelschichten. D. Enddarm, N. Nerveneommissur, welche über den Enddarm hinweg die beiderseitigen Ner- venmarkstämme verbindet. Der Schnitt ist nicht ganz senkrecht, sondern etwas schief auf die Körperaxe ausgefallen. Fig, 4, 5, 6 u. 7. (Mır ver Camera Gezeichner). Vier aufeinander folgende Schnitte, senkrecht und longitudinal durch das hintere Körperende von Amphiporus hastatus geführt. H. Haut. M. Muskelschichten. D. Höhlung des Darmes (mit Afteröffuung in 5 u. 6). B. Blutgefäss. N. Nervenmarkstanm. Letzterer ist in 4 und 7 noch mit dem Beleg von Ganglienzellen versehen, während in 5 u. 6 nur noch die senkrecht durchschnittenen Nervenfasern vorhanden sind. Diese Commissur liegt wie das Blutgefäss über dem Darmeanal. I ASRSR ERSTE (AtuıLE FIGUREN SCHEMATISCH). Fig. 8—20. Die verschiedenen Grade der Ausbildung von oberer (o\, unterer (u) und hinterer (h) Gehirnanschwellung bei den verschiedenen Nemertinen-Gattungen. 15. Seitliche Ansicht des Gehirnes von Carinella nn en Ansicht des » » Polia PALAEONEMERTINTI. 9. Obere » ur“ >» Valeneinia 10. Obere | » » >» » Cerebratulus. SCHIZONEMERTINI. 17. Seitliche DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 43 11. Obere Ansicht des Gehirnes von Amphiporus pulcher Det ee | > » > » Drepanophorus Le SAULENE HoPLoXEMER- 13. Obere | » » » Amphiporus dubius [ TINI. 19. Seitliche \ 14. Obere » » » > » laetifloreus 20. Seitliche » » » » Nemertes antonina Fig. 21--25. Verschiedene Stadien der Ausbildung des respiratorischen Flimmerca- nales und des grosszelligen Polsters, welche mit der hinteren Gehirnanschwellung zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen sind Die Ganglienzellen sind mit Roth, das grosszellige Polster ist mit Blau angegeben. Letzteres fehlt in Fig. 21 u. 22, wo aus- serdem die Nervenfasersubstanz des Gehirnes nicht (wie bei den drei anderen) allenthalben von Ganglienzellen umlagert ist: 21. Carinella annulata. 22. » inexpectata. 23. Polia curta 24. Cerebratulus roseus. 25. Drepanophorus. Der Flimmercanal ist weiss gelassen: er fehlt in 21, dringt in 22 bloss in die äussere, zellige Schicht des Gehirnes, erleidet in 23 eine Doppelbiegung ünd eindigt hier mit einer blinden Erweiterung. In 25 öffnet sich in ihn eine zweite Höhle, welche in dem mit Blau angegebenen Zellenpolster vorhanden ist. Dieser zweite Canal-Abschnitt ist auch in 24 vorhanden, scheint aber nicht bei allen Arten der Gattung Cerebratulus vorzukommen. Fig. 26—30. Die verschiedenen Lagerungsbeziehungen der Nervenmarkstämme bei den Gattungen: 26. Carinella. 27. Cerebratulus. 28. Langia. 29. Amphiporus. 30. Drepanophorus. Die Hautschichten sind in diesen Querschnitten weiss gelassen, die Körpermuskulatur ist mit Blau und die Nervenmarkstämme sind mit Violet angegeben. 21* 44 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE DSASESESTLSIKT: (ALız FIGUREN MIT DER ÜAMERA GEZEICHNET). Fig. 31. Querschnitt durch das Gehirn von Carinella inewpectata (vergl. Fig. 22 u. Fig. 2), in der Höhe der ventralen Commissur © und der Anheftung des Rüssels A im Kopfe. G.undG‘, Linke und rechte Gehirnhälfte. (Der Schnitt ist etwas schräg zur Körperaxe ausgefallen, und dadurch G’ mehr nach der Kopfspitze zu getroffen wie G). Innerlich spongiöse Nervenfasersubstanz, äusserlich Ganglienzellen, durch eine Scheide von Ersterem getrennt gehalten, und bei f den eintretenden Flim- mercanal umschliessend. 2. Faserzüge durch das Gehirn, rn. Dorsomedianer Rüsselscheidennerv. n. Nerv von der ventralen Commissur in den Rüssel eintretend (nur der rechte ist in diesem Schnitte getroffen). H. Haut. b. deren Basalmembran. M. Kopfmuskulatur, vorwiegend longitudinal verlaufend. r. Rüsselscheide. Fig. 32. Querschnitt durch den hinteren Gehirnabschnitt und Nervenmarkstamm von Polia curta (vergl. Fig. 23). L. Längsmuskelschieht mit eingebetteten, protoplasmareichen Zellen (Mutterzel- len eines hier stark entwickelten, parenchymatösen, intramuskulären Bin- degewebes?) Q. Ringmuskelschicht, auf welche nach Innen zu noch eine dünne Schicht lon- gitudinaler Muskelfasern folgt. R. Rüsselscheide, aus zwei Muskelschichten aufgebaut, mit innerer Zellenbeklei- dung und mit dem Rückengefäss in ihrer ventralen Wandung. H. Hintere Gehirnanschwellung mit p, dem Polster grosser Zellen, g, den die Hauptmasse dieses Abschnittes, sowie des übrigen Gehirnes bildenden Gang- lienzellen, /, dem nach aussen führenden Flimmercanal, und b, dem blinden Ende dieses Canals, welches von einer Kuppe etwas modifieirter Ganglien- zellen umlagert ist. 0. Zellen, welche zu der Wandung des Oesophagus gehören. N. Nervenmarkstamm. V. N. Vagus. c. Kerne führendes, fasriges Bindegewebe, zwischen Gehirn, Rüsselscheide und Darm ausgespannt. Fig. 33 u. 34. Zwei Querschnitte durch den hinteren Gehirnabschnitt eines Cerebra- tulus roseus (Fig. 33 liegt 3 bis 4 Schnitte mehr nach vorn wie Fig, 34; vergl. Fig. 24). DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. G. Ganglienzellen. O0. Polster grosser Zellen mit wasserklarem Inhalt, H. Flimmercanal, an einer fasrigen, diesen Gehirnabschnitt quer durchsetzenden Platte aufgehängt. Der Nervenfaserstamm, welche in Fig. 1 abgebildet ist und vom vorderen, oberen in den hinteren Gehirnabschnitt durchdringt, hat sich bei dieser Art später noch einmal dichotomisch getheilt und ist daher in Fig. 33 zwei Mal inmitten der Ganglienzellen getroffen. Der Flimmercanal 7 theilt sich in Fig. 33 in einen aussen herumziehenden Schenkel und einen zweiten, welche in die Ganglienmasse durehdringt (Fig. 34). Diese Gabelung kommt auch bei den Hoplonemertinen vor (Fig. 23 u. 24); scheint aber nicht bei allen Cerebratuli vorhanden. Fig. 35 und 36. Quer- und Längs-Schnitt durch den dritten Gehirnabschnitt von Drepanophorus rubrostriatus (vergl. Fig. 25). H. Haut. M. Körpermuskulatur. R. Rüsselscheide. D. Darmwandung. A. Obere Gehirnanschwellung ; in Folge der Conservirung liegt in Fig. 35 C B. Untere neben A, während er beim lebenden Thiere hinter A gela- C. Hintere gert ist. e und ce’. Commissuren zwischen dem hinteren und dem oberen Gehirnabschnitt. e. der von aussen eindringende, mit einem Wimperepithel bekleidete Flimmercanal, in der sich die Höhle öffnet, welche sich in O. dem grosszelligen Polster befindet. Körneranhäufungen kommen ab und zu in Letzterem vor. ACKER EV. (ALLE FIGUREN MIT DER ÜAMERA GEZEICHNET). 37. Querschnitt durch den ausgestülpten Rüssel von Cerebratulus urticans. R. Innere Höhlung des Rüssels, in welcher sich der noch auszustülpende Ab- schnitt auf- und ab bewegt. Ausserdem ist sie von der Rüsselscheidenflüssig- keit gefüllt. a. Innere, aponeurotische Membran, an welche sich die Kreuzungsbündel m, der äusseren Ringmusselschicht cm anheften. 1. Längsmuskelschicht, NN. Rüsselnerven. Fig. 46 ZUR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE U,u, Aeussere, die Nesselorgane enthaltende Schicht, mit zwei grösseren und vier kleineren, longitudinalen Erhebungen. Die längeren Nesselstäbe sind nur bei U vorhanden. Fig. 38. Querschnitt durch den eingestülpten Rüssel von Carinella annulata. R, a, 1, wie in Fig. 37. m. Ringmuskelschicht (ohne kreuzende Bündel). N,N, Rüsselnerven. U. Zellige Schicht mit Nesselorganen. Fig. 39. Längsschnitt durch den vorderen Abschnitt des Rüssels von Drepanophorus serraticollis. iR. Innere Ringmuskelschicht, welche sich hier, in Folge der Ausstülpung des Rüs- sels, in Falten gelegt hat. iL. Innere a L. Aeussere aR. Aeussere Ringmuskelschicht, welche wieder in regelmässige, ringförmige Ab- schnitte zerfällt. N. Durchschnittener Nervenlängsstamm, welche nur in der unteren Hälfte des Schnittes sichtbar ist; oben sind die Verbindungsstränge N’ getroffen, die an Zahl mit den Muskelringen aR übereinstimmen. Feine Nervenästchen mit eigener Umhüllung durchsetzen die Muskelschiehten sowie B. die bindegewebige Basalmembran und begeben sieh zu P. der äusseren Papillenschicht. Längsmuskelschicht. Fig. 40. Querschnitt durch denselben Rüssel des Fig. 39. iR. Innere aR. Aeussere| iL. Innere Längsmuskelschicht, durch NN’. Die Nervenschicht von aL. der äusseren Längsmuskelschicht getrennt. Die beiden Längsmuskelschichten werden durch Bindegewebszüge in Pakete abgetrennt, zwischen denen feine Nervenästchen zu der Basalmembran B und den Papillen P durch- dringen. Bei N ist ein Hauptnervenstamm, bei N’ einer der diese verbindenden Ge- webszüge getroffen. Das zu dieser Schicht gehörende Bindegewebe enthält zahlreiche und grosse Kerne. Vergrösserung 45-fach. Ringmuskelschicht. Fig. 41. Senkrechter Querschnitt durch die Oesophagealgegend von Cerebratulus roseus. Die Haut, sowie der grössere Theil der äusseren Längsmuskelschicht L’, sind nicht an- gegeben. DES NERVENSYSTEMS DER NEMERTINEN. 47 Lumen des Oesophagus mit Z. Falten in der Schleimhaut. R. Rüsselscheide mit L . Dünne, innere Längsmuskelschicht. Ringmuskelschicht. L'. Aeussere Längsmuskeln. N. Linker Nervenmarkstamm mit centralem Faserkerne und oberem und unterem Ganglienzellenbeleg, von der Fasersubstanz durch eine hyaline Hülle getrennt. m. Medianer, dorsaler Rüsselscheidenerv. Die äussere Längsmuskelschicht finde ich bei diesem 'Thiere, sowie bei anderen darauf untersuchten Schizonemertinen, von der Ringnuuskelschicht durch einen homogenen Zwischenraum getrennt. Zunächst treten hier in radiärer Richtung zahlreiche, bindege- webige Faserzüge — welche auch in den Muskelschichten vorhanden sind -— hindurch, zweitens aber befindet sich hier eine flaches Zellenlager, welches den ganzen Körper rings berum umgiebt. Es ergiebt sich bei der Untersuchung mit starker Vergrösserung, dass dieses Lager aus aneinander stossenden, multipolairen Zellen mit deutlichen Kernen aufgebaut wird; dass diese Zellen gegen die Nervenmarkstämme zu dichter gedrängt stehen und dass sie, einerseits ohne irgendwelche Abgrenzung in die ganglienzellige Bekleidung der Nervenmarkstämme übergehen, andrerseits äusserst zahlreiche Ausläufer, sowohl in die longitudinale, wie in die Ringmuskelschicht des Körpers abgeben. Auch der äussere Habitus dieser Zellen, sowie ihr Verhalten gegen Tinetionsmittel stimmt mit denen der Ganglienzellen überein. Da es mir bisjetzt noch nicht gelungen ist peripherische Nerven- stämmchen aufzufinden, welche sich von den seitlichen Nervenmarkstämmen abzweigen, und die Innervirung des auf äusseren Reize doch so stark reagirenden Hautmuskelschlauches auf anderem Wege zu demonstriren, so glaube ich, nachdem mir während der Correetur dieser Bogen neue Preparate zu Gesicht gekommen sind, meine auf 8. 25 gegebene Darstellung in dem Sinne vervollständigen zu müssen, dass ich dieses Zellenlager als eine bestimmte »Nervenschicht” deute, über deren genauere, histologische Beschaffenheit und morpho- logische Bedeutung ich mir vorbehalte binnen Kurzem Ausführlicheres zu veröffentlichen. 0. B. Dorsales Blutgefäss. 9. Fig. 42. Senkrechter Schnitt durch das Auge von Drepanophorus rubrostriatus. L. Linsenartiger Abschnitt. G. Grosszellige, mit einem Glaskörper zu vergleichende Region. S. Stäbehenschieht (gestreift im Durchschnitt, punktirt in der Flächenansicht). P. Pigmentschicht. C. Aeussere Iülle des Auges. N. Nerv. Das Vorragen der Zellen von @ in L ist wohl nicht normal; beim lebenden Thiere werden vorderer und hinterer Abschnitt durch eine senkrechte Ebene getrennt; was sich auch in anderen Querschnitten bewahrheitet findet. Vergrösserung 620-fach. BL Aus Bi = u Erz : E SR NY . Sn, ”. x ) ze j | A.A.W.HUBRECHT, Zur Anat.u.Phys. des Nervensyst. der Nemertinen. Hi unM Rs PL.I, Zug [ua A.A.W. HUBRECHT, Zur Anat. u. Phys. des Nervensyst. der Nemertinen. AAW Hubrecht del. VERHAND. AFD. NAT. DI.XX. AJ.Wendel seulps, hr “ A.A.W. HUBRECHT. Zur Anat. u. Phys. des Nervensyst. der Nemertinen. JamaılE 35 sl A.A.W.Hubrecht del. Al Wendel seulps.- VERHAND. AFD. NAT. DI. XX. 1 A.A.W,HUBRECHT, Zur Anat. u. Phys. des Neg VERHAND. AFD. NAT. DI. XX. = "T Nervensyst. der Nemertinen. 4 R ei m Y BIN. ıR DRUCK VON DE RORVER- KRÜBER- BAKELS,