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ZUR ERINNERUNG

AN

GUSTAV MAGNUS

NACH EINEM

AM U. DECEMBER 1870

IN DER GENERAL -VERSAMMLUNG

DER DEUTSCHEN CHEMISCHEN GESELLSCHAFT

ZU BERLIN

GEHALTENEN VORTRAGE

VON

\\J(j. WILFL HOFMANN.

MIl l'iHTRAIT UND FACSIMILE.

BERLIN,

FERl) DCMMLER'S VERLAGSBUCHHANDLUNG

HARRWITZ UND GOSSIIANN. 187L

Die gewaltigen Ereignisse des verflossenen Sommers, deren Zeuge wir gewesen sind, haben der Zeit Flügel geliehen, Monate sind ihrem Inhalte nach zu Jahren geworden; Alles, was sich vor dem deutschen Kriege begeben hat, scheint uns bereits einer ent- fernten Vergangenheit anzugehören. So auch der Tod des Mannes, dem dieser Nachruf gewidmet ist, obwohl noch kein Jahr verstrichen, seit sich das Grab über ihm geschlossen hat. Allein wie gross die Zahl und Mannichfaltigkeit der Erlebnisse, welche wir hinter uns zurückgelassen, wir fühlen den herben Verlust, welchen die deutsche chemische Gesellschaft erlitten hat, heute nicht weniger schmerzlich, wie damals, als auf die erste Tranerkunde hin, der Vorstand unseres Vereins zusammentrat und den Redner mit dem Auftrage betraute, das Leben und zumal die umfassende wissenschaftliche Thätigkeit des heimgegangenen Freundes den Mitgliedern der Gesellschaft an ihrem Stiftungsfeste in nicht allzueng umrahmtem Bilde vorzufuhren.

Indem ich am heutigen Abend den mir gewordenen Auftrag er- fülle, kann ich nicht umhin, dem Gefühle des Bedauerns Ausdruck zu geben, dass die schone Aufgabe, die hier vorlag, nicht in bessere Hände gefallen sei. Mehr als einmal, während ich das Material für ihre Lösung sammelte, ist mir der Gedanke peinlich nahe getreten, wie wenig ich dieser Aufgabe gewachsen war. Obwohl seit langer Zeit in vielfachen Beziehungen mit Magnus, bin- ich doch erst in den letzten Jahren so glücklich gewesen, in der Vertrautheit täglichen Verkehrs die ganze Fülle der edlen Eigenschaften dieser reich angelegten Natur kennen zo lernen. Wie viel treffender würde das Bild des Mannes geworden sein, wenn die Hand eines Jugendfreundes den Griffel geführt hätte! Auch bin ich nicht ohne Sorge, dass es mir nur sehr unvollkommen gelungen ist, den wissenschaftlichen Leistungen unseres Vereins- genossen in ihrem ganzen Umfange gerecht zu werden. Die Jugend-

arbeiten von Magnus gehören allerdings fast alle dem Gebiete der Chemie an , aber schon frühzeitig zieht er die Physik mit in den Kreis der Betrachtung, um sich bald fast ausschliesslich mit phy- sikalischen Untersuchungen der verschiedensten Art zu befassen. Wohl bin ich nach Kräften bemüht gewesen, meinem Freunde auf den vielverschlungenen Pfaden seines grossen Forschergebietes, wenn auch oft nur in bescheidener Entfernung, zu folgen. Allein wie viel richtiger würden die zahlreichen von Magnus in allen Zweigen der Physik gesammelten Erfahrungen verzeichnet worden sein, wie ganz anders hätte der Einfluss dieser Erfahrungen auf den Fortschritt der Wissenschaft im grossen Ganzen in das rechte Licht treten müssen, wenn die Schilderung von einem seiner physikalischen F^chgenossen übernommen worden wäre! Wohl kann der Verfasser nicht dankend genug die freundliche Bereitwilligkeit rühmen, welche bei den Vor- arbeiten zu dieser Skizze seinem lückenhaften Wissen und seinem mangelnden Verständniss allerseits zu Hülfe gekommen ist, und dass so Viele, die Magnus im Leben näher standen, in den Kranz der Erinnerung, den wir ihm flechten, gerne ein Blatt haben einlegen wollen; allein er giebt sich gleichwohl der Hoffnung hin, dass sich recht bald eine berufenere Hand finden möge, welche, was hier nur lose gefügt und kaum mehr als andeutungsweise geboten werden konnte, zu einem dauerhaften, scharfumrissenen Bilde vereine.

Die Geschichte eines Gelehrten ist die Geschichte dessen, was er gelehrt hat. Nur in wenigen Fällen berichtet sie von seltsam ver- wickelten Lebensschicksalen, von gewaltigen Begebnissen, welche die Phantasie mächtig bewegen. Je ernster ein Leben dem Dienste der Wissenschaft geweiht war, um so einfacher hat es sich auch in seinem äusseren Verlaufe gestaltet. Auch das Leben unseres Freundes Magnus, wie zahlreich immer die Fäden, die es in mannichfaltigster Weise mit Menschen und Dingen verknüpfte, ist ein solches ruhig dahinfliessendes Gelehrtenleben gewesen. Was ich daraus aus eigener Erfahrung weiss, was mir Andere mitgetheilt haben, will ich in wenigen Worten zusammenfassen.

Heinrich Gustav Magnus wurde am 2. Mai 1802 in Berlin geboren, wo sein Vater, Johann Matthias, gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ein grosses Handlungshaus begründet hatte. Gustav war der vierte von sechs Brüdern, von denen der älteste, Martin, ihm vor kaum Jahresfrist vorangegangen ist. Es war dies der durch seinen edlen Wohlthätigkeitssinn ausgezeichnete Banquier v. Magnus, der Vater des gegenwärtigen Chefs des Hauses sowie auch des ehe- maligen preussischen Gesandten in Mexico, dessen edle Haltung in der Tragödie von Queretaro noch frisch in dem Gedächtnisse Aller lebt. Der einzige Bruder, welcher Gustav überlebt hat, ist der Maler Eduard Magnus, mögen ihm, der Kunst und seinen

Freanden za Frommen, der Jahre noch viele geschenkt sein! Ihm danken wir es, dass diesem Gedenkblatte auch der künstlerische Schmack nicht fehle; die unvergleichliche Bleistifizeichnung, welche ich Ihnen reiche, ist von seiner Hand, welche andere hätte die Znge des geliebten Bruders treuer wiedergegeben? Dieses wunderbar ähnliche Portrait, welches unsern Freund im glücklichsten Augenblicke auffasst, ist eigens für die Feier dieses Abends gezeichnet worden ; eine photographische Nachbildung*) desselben bittet Professor Eduard Magnus die Mitglieder der Gesellschaft als Erinnerung an den Heim- gegangenen annehmen zu wollen.

Dass in einer Familie, aas der solche Männer hervoigegiuigen sind, die reichen Mittel, welche zur Verfügung standen, mit liebe- vollster Sorgfalt für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder verwendet wurden, versteht sich von selbst. Es war eine glückliche Jagend, welche die Knaben in dem Magnus' sehen Hause verlebten. Der Vater gestattete die vollkommenste Freiheit der Bewegung. war aber gleichwohl schon frühzeitig der Mann scharfer Beobachtung und sorglicher Pflege individueller Begabung seiner Kinder. Gustav hatte schon, während er zunächst im elterlichen Hause und dann in Pri- vatschulen unterrichtet wurde, mehr Neigung und Verständniss für die mälhematischen und naturwissenschattlichen, als für die sprach- lichen Lehrgegenstände kund gegeben; und dieselbe Vorliebe zeigte sich auch, als er mit seinem vierzehnten Jahre in das Werdcrsche^ Friedrichs- Gymnasium eingetreten war, in welchem den klassischen __S£rachen vorwaltende Beachtung geschenkt wurde. Der Vater sah sich desshalb auch schon bald nach einer anderen Schule für den Knaben um, und seine Wahl fiel auf das damals neuentstandene Cauer'sche Institut, welches später von Berlin nach Charlottenburg verlegt wurde. Die Wahl dieses Instituts war eine glückliche, insofern dasselbe der Vorbe- reitung für die exacten Wissenschaften, für welche Gustav das leb- hafteste Interesse bekundete, ganz besondere Berücksichtigung ange- deihen Hess. In der That hatte auch der neunzehnjährige Jüngling, als er nach mehrjährigem Aufenthalt in dieser Anstalt sich anschickte die Universität zu beziehen, bereits ausgebreitete Kenntnisse in der Mathematik und den Naturwissenschaften erworben , ohne desshalb die klassischen Stadien vernachlässigt zu haben. Glücklich wie ihm die äosseren Verhältnisse des Lebens lagen, war er über die Wahl des Berufes nicht lange zweifelhaft. Der Chemie und Physik, sowie der Technologie, die ja eigentlich nichts anderes als die Verwerthung che- mischer und physikalischer Erfahrungen im Dienste des Lebens ist, sollte fortan die ganze Kraft dieses lebhaften Geistes gewidmet »ein.

Für die sorgftltigen photographischen Nachbildungen sind wir Herrn Carl ituntiier zn bestem Danke yerpflichtet.

Um diese Studien mit ganzem Eifer aufnehmen zu können, hatte Gustav Magnus nur noch der allgemeinen Wehrpflicht zu genügen. Zu dem Ende trat er im Jahre 1821 als Freiwilliger in das in Berlin garnisonirende Bataillon der Gardeschützen; die militärischen Erfahrun- gen, welche ihm der einjährige Dienst erwarb, sollten später, wenn auch nur auf kurze Zeit, eine kaum geahnte Verwerthung finden.

Im Jahre 1822 bezog unser junger Freund die Universität seiner Vaterstadt, in deren Album er von dem zeitigen Rector, dem Histo- riker Professor Wilkens am 2. November eingetragen wurde. Die Berliner Hochschule war damals kaum aus ihrer Kindheit getreten. Ge- stiftet in einer Periode, in welcher die Fremdherrschaft mit fast unerträg- lichem Drucke auf Deutschland lastete, und die besten Kräfte der Nation ausschliesslich der Befreiung des Vaterlandes gewidmet waren, hatte unsere Universität kaum die nöthige Zeit gehabt, um sich zu vollen- deter Blüthe zu entfalten. Gleichwohl waren die Naturwissenschaften bereits durch hervorragende Männer vertreten. Was zunächst die Chemie anlangt, so war allerdings Klaproth damals schon vor mehre- ren Jahren gestorben, allein Hermbstädt, der neben Klaproth schon seit Stiftung der Universität den chemischen Studien vorge- standen hatte, war noch in voller Thätigkeit, und hielt namentlich Vorlesungen über die Anwendungen der Chemie auf Pharmacie, Agri- cultur und verschiedene Zweige der Industrie, zumal die Färbekunst. Auch hatte, sehr jung noch und nach kaum vollendeten Lehrjahren in Berzeli US 'scher Schule, Mitscher lieh als ausserordentlicher Professor bereits seine ruhmreiche Laufbahn an hiesiger Hoch- schule begonnen; endlich hatte sich Heinrich Rose fast zu der- selben Zeit, als Magnus die Universität bezog, als Privatdocent für analytische Chemie habilitirt. Vertreter der Physik waren Paul Er- man, Ernst Gottfried Fischer und Karl Daniel Tourte, die alle bereits seit ihrer Gründung an der Universität wirkten, und neben Vorlesungen über Experimentalphysik, Vorträge über die einzelnen Disciplinen dieser Wissenschaft hielten. Professor der Mineralogie war Christian Weiss, ebenfalls einer der bei der Stiftung der Universität Berufenen, und an seiner Seite lehrte bereits als ganz junger Do- cent Gustav Rose, sein dereinstiger Nachfolger, den wir heute glücklich sind als einen der Vicepräsidenten dieser Gesellschaft zu begrüssen. Wird schliesslich noch daran erinnert, dass die Zoo- logie in den Händen Lichtenstein's war und dass Link an der Spitze der botanischen Studien stand, so wird man zugeben müssen, .dass die hiesige Hochschule, was glänzende Vertretung der ver- schiedenen Gebiete der Naturforschung anlangt, ihren filteren Schwestern in keiner Weise nachstand.

Zu so glücklichen Bedingungen für die erfolgreiche Pflege der Na- turwissenschaften gesellten sich aber in Berlin noch andere Mittel der

Ausbildung, welche für die besondere Anlage unseres Freundes von grosser Anziehung sein mussten, andrerseits aber auch auf die weitere Entwicklung dieser Anlage nicht ohne Einfluss bleiben konnten. Schon damals war Berlin wesentlich eine gewerbtreibende Stadt. Es waren zumal die tinctorialen Industrien mit den angrenzenden Gewerben, welche bereits sehr schwunghaft betrieben wurden; aber auch viele andere Zweige der Fabrikation, deren weitere Ausbildung seither Berlin zur ersten industriellen Stadt unseres Vaterlandes gemacht hat, waren schon in ihren ersten Anfängen vorhanden. Es vereinigte sich daher damals für denjenigen, welcher sich dem Studium der Naturwissenschaften in ihren Anwendungen widmen wollte, in Berlin eine Summe von Anregungen, wie sie keine andere deutsche Univer- sität zu bieten vermochte.

Für Gustav Magnus lag kein Grund vor, seine akademischen Studien zu übereilen, und so sehen wir ihn denn während der nächsten fünf Jahre abwechselnd chemische, physikalische und mathematische Vorlesungen besuchen. Nebenbei wird fleissig im Universitätslabora- torium gearbeitet und keine Gelegenheit versäumt, Erfahrungen auf dem Gebiete der Technik einzusammeln. Selbst die Ferien werden zu mineralogischen und technologischen Excursionen benutzt.

So eifrige Studien konnten nicht lange ohne Früchte bleiben. Schon im Jahre 1825 veröffentlicht Magnus seine erste Abhand- lung, eine Arbeit über Pyrophore, welche er unter der Leitung von Mitscherlich ausgeführt hat; zwei Jahre später sind weitere Versuche fertig, welche für die Doctordissertation benutzt werden können. Gegenstand derselben ist das Tellur, welches, obwohl schon 1782 von Müller v. Reichenstein aufgefunden, und später (1798) von Klaproth näher untersucht, gleichwohl wegen seiner Seltenheit noch sehr unvollkommen bekannt war. Für die Unter- suchungen, welche Magnus ausgeführt hat, war ihm das kostbare Material mit grosser Liberalität von seinen Freunden Weiss und Heinrich Rose zur Verfügung gestellt worden. Die der philo- sophischen Facultat eingereichte Inauguraldissertation führt den Titel De tellurio*). Die Promotion erfolgte am 14. September 1827.

Gustav Magnus hatte schon damals die Absicht, sich an der Berliner Hochschule für das Fach der Technologie zu habilitiren, allein er wollte sich nicht durch Uebernahme bestimmter Pflichten binden, ohne zuvor noch behufs seiner weiteren Ausbildung an- dere Universitäten besucht zu haben. Der Mittelpunkt chemischer und physikalischer Forschung war noch Paris. Männer wie G ay - Lnssac, Thenard, Chevreul, wie Dulong, Biot, Ampere, Sa-

*) De tellurio. Dissertatio inauyuralit t^uam ainplittimi philotophoruta ordini* etc. publtre dffendft aiiclor Henricus Guetavut Maguut, BemliueiuU.

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vart, standen damals auf der Sonnenhohe ihres Ruhmes; Dumas, ob- wohl sehr jung noch," hatte bereits seine Schwingen entfaltet. Auch lenkten die Jünger der Naturwissenschaften aus allen Ländern mit Vor- liebe ihre Schritte nach der Weltstadt an der Seine, die ja auch nach so vielen anderen Seiten hin grosse Anziehung übte. Für den jungen Chemiker gab es aber in jener Zeit noch einen andern Schrein der Wissenschaft, dessen Zauber selbst mächtiger wirkte als die Ver- lockungen der französischen Hauptstadt. Der gewaltige Anstoss zur Fortentwicklung der Chemie, welchen Berzelius gegeben hatte, war bereits aller Orten fühlbar geworden, und schon waren seit mehreren Jahren strebsame junge Männer, zumal von Deutschland, nach Stock- holm gezogen, um unter den Augen des grossen schwedischen Meisters die Kunst der chemischen Forschung zu üben. Auch Gustav Magnus fühlte sich von der wissenschaftlichen Bewegung, die von Berzelius ausging, mächtig angezogen, und schon im Jahre 1828, bald nach Erlangung der philosophischen Doctorwürde sehen wir unsern jungen Freund dem nordischen Gelehrten als Schüler zu Füssen sitzend. Wohl war es nur ein kleiner Schülerkreis, der sich um Berzelius zu sammeln pflegte, aber welche Namen, schon für Deutschland allein, sind aus demselben hervorgegangen, Mitscherlich, Wöhler, Heinrich und Gustav Rose, Chr. Gmelin, Magnus!

Die äusseren Mittel, welche die Stockholmer Akademie der Wissen- schaften für den chemischen Unterricht bot, waren nichts weniger als reichlich bemessen. Wer hätte nicht von den primitiven Einrich- tungen des Berzelius' sehen Laboratoriums gehört, von den kleinen fast dürftig ausgestatteten Räumen, in denen der berühmte Schwede arbeitete, und von den einfachen ökonomischen Apparaten, mit denen er seine grossen Erfolge erzielte? Aber gerade diese Beschränkung der äusseren Verhältnisse war die Quelle der innigen Beziehungen, in welche Berzelius zu seinen Schülern treten konnte, und die sich weit über die Zeit des persönlichen Verkehrs hinaus erhalten haben. Gustav Magnus, der unter Berzelius' Leitung die schöne Arbeit über das Verhalten des Ammoniaks zum Platinchlorür ausführte, ward das Glück zu Theil, dem Meister besonders nahe zu treten. Aus diesem Verkehre hat sich später, wie aus den Briefen von Berzelius her- vorgeht, ein warmes Freundschaftsverhältniss gestaltet, dessen Magnus stets in Ausdrücken der liebevollsten Verehrung gedachte. Auch hat er, solange er lebte, dem theuren Lehrer, dessen Büste seinem Ar- beitstische gegenüberstand, ein dankbares Andenken gewidmet.

Wenn Magnus in erster Linie dem Zuge nach Norden gefolgt war, so durfte er doch auch die ausserordentlichen Hülfsquellen, welch- Paris für seine Zwecke bot, nicht ausser Acht lassen. In der Thni begegnen wir ihm denn auch schon im darauffolgenden Jahre (1829) in der französischen Metropole. Dort werden mit Eifer die Vor-

>ungen von Dulong, Thenard und Gay-Lussac, so- wie anderer Gelehrten besucht. Mit besonderer Zuvorkommenheit wurde Gustav Magnus von Gay-Lussac aufgenommen, wie mir l'rof. Baff mittheilt, der zu jener Zeit Assistent bei Gay-Lussac war. Wohl mochte der grosse franzosische Forscher in dem jungen Deutschen schon damals den artverwandten Genius erkannt haben, der später seine schönsten Lorbeern gerade auf dem Gebiete ernten sollte, welches er selber seit Jahren mit Vorliebe bebaut hatte, gewiss aber ahnte keiner von beiden, dass auch später einmal eine heftige Fehde /wischen ihnen entbrennen sollte!

Nach Berlin zurückgekehrt, widmet sich Magnus von Neuem seinen experimentalen Studien. Es sind zumal Arbeiten auf dem Gebiete der mineralogischen Chemie, die ihn beschäftigen. Im Jahre 1831 endlich erfolgt die schon seit längerer Zeit beabsichtigte Habili- tation an der Berliner Universität für das Fach zunächst der Techno- logie, später auch der Physik; und nunmehr beginnt jene unermüd- liche hingebende Lehrthätigkeit, welche Magnus zum Frommen einer unübersehbaren Reibe von Schülern, zum Glänze unserer Hochschule, zu seinem eigenen unvergänglichen Ruhme, während eines Zeitraums von fast vierzig Jahren geübt hat.

Die Wahl des akademischen Berufs, selbst im günstigsten Falle, bleibt immer mehr oder weniger ein Experiment. Wie sorgfältig immer Einer die Vorbedingungen des Gelingens erfüllt zu haben glaubt, er muss stets auf ein Fehlschlagen seiner Erwartungen gefasst sein, und oft vergehen Jahre, ehe die letzten Zweifel beseitigt sind. Magnus ist auch hier wieder vom Glücke begünstigt. Schon sein erstes Auftreten als Docent ist vom entschiedensten Erfolge begleitet. Aber welche Mühe, welche Sorgfalt verwendet er auch auf die Vor- bereitung seiner Vorlesungen! Welche Anstrengungen werden ge- macht, um die nöthigen Lehrmittel zu beschaffen! Eine technologische Sammlung ist nicht vorhanden. Mit unermüdlicher Ausdauer werden Wandbilder gefertigt, Modelle construirt, Mineralien und Präparate erworben. Kein Opfer an Kraft, Geld und Zeit ist ihm zu gross, wenn es gilt, eine Fabrikation in ihrem ganzen Verlaufe zur Anschauung zu bringen, d. h. dem Schüler die Materie, wie sie die Natur uns bietet, dann in allen Zwischenstadien der technischen Umbildung und schliesslich als fertiges Fabrikat vorzuführen, wie es im Dienste des Lebens zur Verwerthung kommt.

An die technologischen Vorlesungen reihen sich schon nach kurzer Frist physikalische; und auch für sie ist Magnus ganz auf seine eigenen Hülfsquellen angewiesen. Maschinen, Apparate, Zeich- nungen, Alles was zur Illustration physikalischer Vorlesungen erforder- lich ist, wird von ihm aus eigenen Mitteln erworben und so der Grund zu dem prachtvollen physikalischen Cabinette gelegt, welches erst später,

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als es sich durch Zahl, Auswahl und Vollendung der Instrumente den schönsten Sammlungen der Welt an die Seite stellen konnte, von dem Staate erworben wird.

In diese Zeit fallen erneute Reisen in das Ausland, zumal nach Frankreich und England, welche theils die Erweiterung und Vervoll- ständigung der Lehrmittel, theils die Anknüpfung neuer wissenschaft- licher Beziehungen bezwecken. Einige dieser Reisen unternimmt Magnus in Gemeinschaft mit Friedrich Wöhler, welcher bis zum Anfange der dreissiger Jahre die chemische Professur an der Berliner Gewerbeschule bekleidete und mit welchem er schon frühzeitig einen Freundschaftsbund für's Leben geschlossen hatte. Die Innigkeit die- ses Verhältnisses könnte nicht besser bezeichnet werden, als indem ich die Worte anführe, welche Wöhler dem geschiedenen Freunde nachruft ?

„Nicht ohne tiefe Bewegung", sagt Wöhler in einem Briefe an den Verfasser dieser Skizze, „kann ich des freundschaftlichen Ver- hältnisses gedenken, durch das wir, Magnus und ich, seit 45 Jahren auf das Innigste und Treueste, verbunden waren und das in dieser langen Zeit auch nicht durch den geringsten Misston getrübt worden ist. Er war mein ältester, vertrautester und treuester Freund, der namentlich während unseres persönlichen Zusammenlebens, in den Jahren meines Aufenthaltes in Berlin, durch seinen klaren Verstand, seine Menschenkenntniss, seine weisen Rathschläge und dadurch, dass er mich in die anregenden Kreise seiner liebenswürdigen Familie, namentlich seines ältesten Bruders, des Banquiers, einführte und dort einheimisch machte, von grossem Einfluss auf meine geistige Ausbil- dung gewesen ist."

Die Freundschaft, welche uns Wöhler in so beredten Worten schildert, wer könnte daran zweifeln, dass sie von Magnus mit gleicher Aufrichtigkeit, mit gleicher Herzlichkeit erwiedert wurde? Unter den mir vorliegenden Briefen an Wöhler finde ich einen, in welchem Magnus dieses Verhältnisses in warmen Worten gedenkt: der Brief ist nicht nur für seine Gesinnung, sondern auch für seine Ausdrucksweise und zumal auch für seine Handschrift so charakte- ristisch, dass ich mir es nicht habe versagen wollen, ein Facsimile*) desselben herstellen zu lassen, welches ich die Mitglieder der Gesell- schaft als Andenken anzunehmen bitte.

Hören wir also, wie Magnus seinem {""reunde gegenüber sich ausspricht :

„Es ist merkwürdig genug, wir leben seit 37 Jahren getrennt, haben uns in diesem mehr als ein Menschenalter umfassenden Zeit-

*) Das wohl(;reIungene Facsimile ist in dem Köiiisl. Photolithocrraphischpii In- stitute der HHni. Gebr. Rurrliard ausjjefillirt worilen.

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räum doch nur selten und immer nur auf kurze Zeit gesehn, und doch ist es mir als unterhielte ich mich immer noch mit dem Wo hier von damals, als verständen wir uns noch gerade so wie damals. Es ist das eigentliclj wunderbar und ich habe mir oft überlegt, woher es wohl kommt. Haben wir uns beide so wenig verändert, oder haben wir uns so gleichartig verändert, oder rührt es daher, dass wir die Gedanken, die uns eigentlich bewegen, nicht austauschen, unsere Unterhaltung nur auf der Oberfläche bleibt? Das Letztere möchte ich nicht annehmen! Ich glaube es hat andere Gründe! Aber wozu so viel analysiren? Wir wollen froh sein dass es so ist, wie es ist, und uns um das Warum nicht viel kümmern."

Wir sehen aus diesem Briefe, dass der persönliche Verkehr der beiden Freunde in späteren Jahren ein beschränkter war; allein wenn sie nur noch selten zusammentrafen, so versenkten sich ihre Ge- danken um so lieber in die gemeinschaftlichen Erinnerungen ihrer Jugend. Magnus sprach oft und gern von der Zeit seines Zusammen- lebens mit Wöhler, zumal von den grösseren Reisen, die er an der Seite des Freundes gemacht hatte, und wie frisch sich die Erlebnisse jener Zeit auch in Wöhler's Gedächtniss erhalten haben, davon mögen seine eignen Worte, die ich, hoffentlich ohne dass mir mein verehrter Freund darob zürne, einem seiner Briefe an mich ent- nehme, — beredtes Zeugniss geben.

„Mit Vergnügen", sagt Wöhler in diesem Briefe, „werde ich mich stets der gemeinschaftlichen Reise erinnern, welche wir, Magnus, sein jüngerer Bruder, der Arzt, und ich, im Jahre 1835 durch Eng- land machten. Auch Heinrich Rose war damals drüben. Wir besuchten viele technische Etablissements in Worcester, Birmingham, Manchester; auch nach Liverpool fuhren wir, und zwar auf der Eisen- bahn, der ersten die unser Erstaunen erregte und die noch die einzige in England war. Faraday, der uns auf das Liebenswürdigste auf- nahm und uns persönlich in mehrere Fabriken führte, hatte uns mit Empfehlungen versehen. Als wir ihn zum ersten mal in dem Labo- ratorium der Royal Institution besuchten , kam noch das Komische vor, dass er mich für den Sohn des ihm als Chemiker bekannten W^öhler hielt, weil ich wegen meiner Dünnheit noch sehr jung aussah. In London besuchten wir auch den schwerhörenden Prout, in Manchester den alten Dalton. Magnus blieb damals länger in England, als es mir möglich war; ich machte daher auch die Rück- reise allein . . . ."

„Nicht minder interessante Eindrücke sind mir von einer Reise die ich schon ein Jahr früher mit Magnus durch Frankreich gemacht hatte, und namentlich von einem mehrwöchentlichen Aufenthalt in Paris geblieben. Unser Hauptzweck war, Fabrikationen aller Art, besonders die chemischen, kennen zu lernen, wobei der un-

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vergessliche Felo uze, daiUcals noch Assistent von Gay-Lussac, unser treuer Führer war. Ausserdem machten wir die Bekanntschaft aller damaligen Notabilitäten der Wissenschaft, von denen wir junge Bursche mit vieler Artigkeit behandelt wurden, wozu freilich auch der Umstand beitragen mochte, dass ich mit den beiden Brongniarts sehr befreundet war, von der dreimonatlichen Reise her, die ich mit ihnen urd Berzelius in Schweden und Norwegen gemacht hatte. Lebhaft erinnere ich mich der vielen Gesellschaften und Diners, zu denen wir geladen wurden, und die durch die berühmten Namen der Gäste und deren geistvolle Unterhaltung uns das grösste Interesse gewährten; so z. B. eines glänzenden Diners bei Thenard in Gesell- schaft von Ampere, Arago, Chevreul, Dumas und Pelouze, eines anderen bei Dulong mit Lassaigne u. A., eines zu Chatillon bei Gay-Lussac mit Arago und Thenard ; eines bei Alexander Brongniart zu Sevres, ferner bei Ad. Brongniart, bei Dumas, der so freundlich war, uns eigenhändig seine neue Methode der Dampf- dichtebestimmung zu zeigen. Auch einer Instituts -Sitzung wohnten wir bei; wir befanden uns unter dem zuhörenden Publicum, da be- merkte uns Gay-Lussac und lud uns ein bei den Mitgliedern Platz zu nehmen eine kleine Verlegenheit für uns, da wir auf zwei ziemlich isolirt stehenden Stühlen nun der Gegenstand der Aufmerk- samkeit des Publicums wurden."

Wohl durften wir bei den schönen Erinnerungen, welche die beiden Freunde mit aus Frankreich bringen, einen Augenblick ver- weilen. Magnus und Wöhler sind nicht die einzigen deutschen Naturforscher gewesen , welche sich einer so herzlichen Aufnahme seitens ihrer französischen Collegen erfreut haben. Von den zahl- reichen Jüngern der Wissenschaft, die auch in unserer Zeit alljährlich nach Paris gepilgert sind, wer gedächte nicht mit lebhaftem Danke seines Verkehrs in den dortigen Gelehrtenkreisen, und wer hätte es nicht erfahren , dass gerade die hervorragendsten Männer es sich am meisten angelegen sein Hessen, ihm den Aufenthalt in der fränkischen Hauptstadt erfreulich, weil fruchtbringend, zu machen? Wohl dürfen wir uns dieses gastlichen Entgegenkommens der Physiker und Chemiker Frankreichs in einer Stunde erinnern, in welcher der frevelhafte Uebermuth eines verblendeten Theiles der Franzosen uns das Schwert in die Hand gedrückt hat und ein furchtbarer Krieg die beiden Nationen auf Jahrzehnte zu entfremden droht. Hoffen wir, dass die Freundschaft zwischen den französischen und deutschen Natur- forschern den Sturm bestehe, dass der goldene Friede die gelockerten Bande bald von Neuem schürze und dass es die Wissenschaft sei, auf deren Boden Deutschland und Frankreich zuerst sich wieder- finden.

Aeiinliche grössere Reisen, wie sie uns in den angeführten brief-

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liehen Mittheilungen so anniuthig von Wohle r 's Feder skizzirt worden, hat Magnus fast regelmässig in den langen Somnierfericn unter- nommen. Neben wissenschaftlichen Zwecken, die niemals ganz in den Hintergrund traten, wurden andere Ziele verfolgt. Das Auge unseres Freunndes, welches für alles Schöne geöffnet war, erfreute sich mit besonderer Vorliebe an den Wundern der Alpenwelt. Dort war es, wo er stets nach längerer Arbeit Erholung suchte. Und solche Erholung war ihm nach den Anstrengungen, die er sich auf- erlegte, wohl zu gönnen. Die mit jedem Semester erfolgreicher sich gestaltende akademische Thätigkeit, welche ihm bereits im Jahre 1834 eine ausserordentliche Professur an der Universität erworben hatte, wurde eine minder ausgiebige Arbeitskraft, als sie Magnus besass, vollkommen in Anspruch genommen haben; er findet gleichwohl noch Zeit für mannichfaltige wissenschaftliche Untersuchungen. Die mit C. F. Ammermüller gemeinschaftlich ausgeführten Versuche über eine neue Oxydationsstufe des Jods, die Untersuchungen über die Einwirkung der Schwefelsäure auf den Alkohol, die Temperatur- bestimmungen in dem Bohrloche von Pitzpuhl, die Arbeit über die Blutgase, auch schon mehrere kleinere physikalische Abhandlungen fallen in jene Zeit. Seine wissenschaftliche Stellung ist bereits in dem Maasse anerkannt, dass ihn die Berliner Akademie der Wissen- schaften am 27. Januar 18-40 zum ordentlichen Mitgliede der physi- kalisch-mathematischen Klasse erwählt.

Das Jahr 1840 war überhaupt für Gustav Magnus ein Jahr des Glücks. Der Frühling desselben bescheert ihm die liebenswürdigste Lebensgefährtin. Am 27. Mai knüpft er mit Bertha Humblot, der Tochter einer der französischen Colonie zu Berlin angehörenden ehren- werthen Familie, das Band der Ehe. Zwei einander ergänzende Seelen haben sich gefunden und aus ihrem Bunde entfaltet sich jene köstliche Häuslichkeit, deren duftiger Zauber Alt und Jung in gleichem Grade fesselt. Bald wird das liebenswürdige Paar der Mittelpunkt eines bewegten geselligen Lebens, dem edle Kräfte aus den verschie- densten Kreisen der Gesellschaft zuströmen, und welches sich mit jedem Jahr, zumal auch als zwei blühende Töchter und ein trefflicher Sohn heranwachsen, reicher und mannichfaltiger gestaltet. Wer immer, dem es vergönnt war mit diesem gastlichen Hause zu verkehren, erinnerte sich nicht mit lebhaftem Interesse jener glänzenden und doch so zwanglosen Soireen, in denen sich eine Menge von Elementen zusammenfand, die sonst vielleicht nur selten zu einander in Beziehung traten, in denen zumal auch fremde Gelehrte, die sich in Berlin auf- hielten, niemals fehlten? wer, wenn er zu den näheren Freunden dieser edlen Familie zählte, gedächte nicht mit freudiger Bewegung jener anmuthigen Vereinigungen en petit camite auf der Veranda, oder jener kostbaren Sommerabende in dem Garten hinter dem Kupfer-

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graben? Der Verfasser dieser Skizze rechnet es zu den schönsten Gewinnsten seines Lebens, dass er, obwohl ein Spätkommender, noch in diesem Kreise hat heimisch werden dürfen und er ist glücklich, dass ihm die Gunst des Geschickes gestattet, an dieser Stelle dem Gefühle seiner Dankbarkeit für die freundschaftliche Aufnahme, welche ihm, wie so vielen Anderen, in dem gastlichen Magnus'schen Hause zu Theil ward, einen warmen Ausdruck leihen zu können.

"Wir haben unsern Freund auf die Höhe des Lebens begleitet, und wir erfreuen uns jetzt der schaffenden Thätigkeit, welche ihm während dreier Jahrzehnte auf dieser Höhe vergönnt ist. Nach allen Richtungen wird diese Thätigkeit geübt, sei's im Dienste der Wissen- schaft, oder als Lehrer, sei's im Verhältniss zu den Seinigen, oder im Kreise der Freunde, sei's endlich dem grossen Geraeinwesen gegenüber; sein Leben ist wie ein mächtiger aber ruhig dahinfliessen- der Strom, an dessen Ufern die Menschen gerne siedeln, der auf seinem Laufe überall erfrischt und befruchtet.

Ich versage mir's schon jetzt im Einzelnen der grossen Forschungen des Mannes zu gedenken, welche diesem langen Zeitabschnitte angehören ; werden sie doch in dem Gesammtbilde seiner wissenschaftlichen Leistun- gen, welches ich Ihnen vorzuführen gedenke, eine geeignetere Stelle finden. Nur soviel sei hier bemerkt, dass die Mehrzahl derselben bereits physika- lische Fragen behandeln und dass hier gerade seine berühmtesten Arbeiten zu verzeichnen sind, so die Versuche über die Ausdehnung der Gase, welche in den Anfang der vierziger Jahre fallen, so die spätere Unter- suchung über die Abweichung der Geschosse, so endlich die zweite lange Reihe von Forschungen auf dem Gebiete der Wärmelehre, denen die letzten zehn Jahre seines Lebens gewidmet sind.

Inmitten dieser herrlichen Erfolge des Naturforschers tritt die Aufgabe des akademischen Lehrers keinen Augenblick in den Hinter- grund, Zwar hat Magnus zeitweise noch andere Lehrämter bekleidet; so war er ganz im Anfang seiner Laufbahn einige Zeit lang an Stelle seines abwesenden Freundes Wöh 1er an der hiesigen Gewerbeschule als Lehrer der Chemie thätig, so hat er von 1832 40 an der ver- einigten Artillerie- und Ingenieurschule Physik und von 1850 56 an dem Gewerbeinstitut chemische Technologie vorgetragen, allein seine besten Kräfte sind stets dem Dienste der Universität gewidmet gewesen. Im Jahre 1845 war er als Ordinarius in die philoso- sophische Facultät eingetreten. Auf seine eigentliche Lehrthätigkeit konnte diese veränderte Stellung nur geringen Einfluss üben. Die Sorgfalt, welche er längst der philosophischen Durchbildung sowohl als der experimentalen Ausstattung eines jeden Vortrags zu widmen pflegte, der Eifer, mit dem er die alljährliche Erneuerung seiner Vorlesungen im Geiste der fortschreitenden Wissenschaft anstrebte, der Beifall end- lich, den diese Vorlesungen in immer grösseren Schulerkreisen fanden,

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hätte nicht leicht eine Steigerung erfahren können. Wohl aber tritt das Ordinariat mit neuen Anforderungen an ihn heran, welchen er alsbald mit gewohnter Pflichttreue gerecht wird. In den Berathungen der FacuUät verschafft ihm Leichtigkeit im Verkehr mit den Menschen, und vollendete Geschäftskenntniss schnell eine gewichtige Stimme, welcher man gern auch in Fragen, die weit über die enge Um- grenzung des Faches hinausgehn Gehör schenkt, und seine Ansicht verschafft sich um so leichter Eingang, als jedwedes ehrgeizige Streben nach etwaiger Führerschaft dem Manne fern liegt, und Niemand die Lauterkeit seiner Absichten bezweifelt. Dreimal, in den Jahren 47, 58 und 63, betraut ihn die Facultät mit dem Decanat und noch im Sommer 1869 soll er zum vierten Male durch diese Würde ausge- zeichnet werden, allein im Interesse seiner wissenschaftlichen Arbeiten lehnt er die Ehre dankend ab. Schon im Jahre 1861 war er als Rector Magnificus aus der Wahlurne des Professoren-Collegiums her- vorgegangen.

Die seltene Vereinigung glücklicher Gaben, welche einen so viel- seitigen Eiiifluss auf die Geschicke unserer Hochschule ausübte, kamen jeder Arbeit zu Gute, an der sich Magnus aus Wahl oder Beruf be- theiligte. Zu dem Stolze, mit welchem die Akademie der Wissen- schaften die reichen Ergebnisse seiner Forschungen in ihren Monats- berichten und Denkschriften verzeichnet hat, gesellt sich die Dankbarkeit für langjährige wichtige Dienste, welche er derselben in geschäftlicher Beziehung geleistet, und zumal für die Zeit und Kraft, welche er als Vorsitzender des Finanzcomites ihren Angelegenheiten hat widmen wollen. Es war Magnus, der nach dem Tode, von Alexander von Humboldt die erste Anregung zu der schönen Stiftung gab, welche den Namen des grossen Naturforschern trägt, und wenn heute die Akademie über eine ansehnliche Summe verfügt, welche für die Förderung der Naturforschung im H umbold t'schen Sinne alljährlich verwendbar ist, so gebührt ihm auch hier wieder der Ruhm, dass ein so schöner Erfolg im Wesentlichen durch seine Hingebung und That- kraft erzielt worden ist.

Auch der Verein für die Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen, dem er während einer langen Reihe von Jahren als Mitglied der Section für Physik und Chemie angehörte, hat vielfach Gelegenheit gehabt, seine Dienstwilligkeit und Arbeitskraft schätzen zu lernen. In ähnlicher Weise ist er als einer der Zwölfe der Gesellschaft natur- forschender Freunde viele Jahre hindurch an den Arbeiten dieses wissenschaftlichen Vereins betheiligt gewesen.

Wie sehr überhaupt die Thätigkeit unseres Freundes nach den ver- schiedensten Richtungen hin ausgebeutet worden ist, davon Hessen sich noch viele Beispiele anführen. Freilich waren ihm auch manche der Missionen, die er zu orfnllpti hatte, f^anz erwünscht, da sie die

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grossen Zwecke, welche er verfolgte, forderten, nicht selten für Er- reichung derselben unumgänglich nöthig waren ; so die verschiedenen Sendungen nach London und Paris, zu den Weltausstellungen von 51 und 62, von 55 und 67, bei denen allen er als Mitglied der Beurtheilungscommissionen thätig war; so zu Ende der vierziger Jahre die Hinzuziehung zu den chemischen Berathungen des Landes-Oeko- nomie-Collegiums; so 1869 die Berufung in den für die Reorganisation des Gewerbeinstituts ernannten Studienrath; so 1863 die Ernennung zum Mitgliede des Curatoriums der in Berlin begründeten Bergaka- demie; so endlich 1865 der Auftrag, Preussen bei der in Frank- furt a. M. tagenden deutschen Maass - und Gewichts - Conferenz zu vertreten. Die Berathungen dieser Conferenz endeten bekanntlich in dem Vorschlage, das metrische System in Deutschland einzuführen, und es hat Magnus die Freude erlebt allerdings erst nachdem die schneidige Pflugschaar von 1866 den Boden durchfurcht hatte, die Saat, die er mit hatte aussäen helfen, zu gedeihlichem Wachsthume sich entfalten zu sehen.

Eine der letzten grösseren Aufgaben, vielleicht die letzte, an der sich Magnus betheiligt hat, ist die Gründung der Gesellschaft gewesen, deren Stiftungsfest wir heute zum dritten Male begehen. Das warme Interesse, welches er von dem ersten Augenblicke an unseren Bemühungen gewidmet hat. wie uns zu jeder Zeit und zumal bei Feststellung unserer Statuten, sein bewährter Rath zur Seite stand, wie er der Gesellschaft die Wege ebnete, indem er ihr den Glanz seines Namens lieh, und dass er noch eine der letzten Früchte seiner Forschung in unseren Archiven hat niederlegen wollen die Erinnerung daran ist noch frisch in unser Aller dank- barem Gedächtniss.

Und dieselbe unermüdliche Werkthätigkeit, mit der sich der un- vergleichliche Mann den Aufgaben des öffentlichen Lebens widmet, bethätigt er auf das Bewundernswertheste auch in seinem ausgebrei- teten Verkehr mit den einzelnen Menschen. Die Ergebnisse seiner tief eingehenden Studien auf den verschiedensten Gebieten der Wissen- schaft, seine umfassenden Kenntnisse in allen Zweigen der Industrie und der Gewerbe, die reichen Schätze seiner vielseitigen Lebenserfah- rung, ist er stets eifrig bemüht im Interesse seiner Mitmenschen zu verwerthcn. Was Magnus gerade in dieser Beziehung denen, die ihm näher und selbst solchen, die ihm ferner standen, gewesen ist, es würde schwer sein, den richtigen Ausdruck dafür zu finden, allein die Erinnerung daran ist in vielen dankbaren Herzen verzeichnet. Ein unbegrenztes Wohlwollen war in der That der Hauptzug in dem Charakter unseres geschiedenen Freundes, der sich auch alsbald in seiner ganzen äusseren Erscheinung und zumal in seiner Gesichts- bildung aussprach, Gustav Magnus war einer jener Menschen,

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deren Antlitz den Glanz der Seele wiederstrahlt. Wer immer in diesef« treue Auge geschaut hatte, der konnte nicht zweifeln, dass in der Hrust des Mannes ein Herz voll Liebe für die Menschheit schlug. Des Glückes, welches ihm schon als Knabe gelächelt hatte, das ihm im Kreise seiner Familie blühte und später die Palme des Ruhmes reichte, wie gerne hätte er die ganze Welt desselben theilhaftig ge- macht!

Seinen schönsten Ausdruck findet dieses dienst- und opferwillige Wohlwollen im Verkehr mit seinen Schülern. Für sie hat er immer Zeit, zumal wenn es sich darum handelt, dem guten Willen zu Hülfe zu kommen. Schon unmittelbar nach der Vorlesung steht er zu jed- weder Erläuterung seinen Zuhörern zur Verfügung und selbst auf dem Heimweg von der Universität nach dem Kupfergraben werden nicht selten einem jugendlichen Begleiter Missverständnisse erklärt, Zweifel beseitigt. In noch höherem Grade aber erfreuen sich diejenigen, die unter seinen Auspicien die Kunst des Forschens üben , seiner nie müde werdenden Theilnahme, seiner unerschöpflichen Rathschläge, seiner wirksamsten Unterstützung; stundenlang bespricht er mit dem Einzelnen das Wesen der zu lösenden Aufgabe, erörtert er die zu Gebote stehende Literatur, zu welchem Ende seine prachtvolle Biblio- thek dem jungen Forscher mit vollendeter Liberalität jeder Zeit offen steht erklärt er die Methode des Versuches, hilft er ihm bei der Znsammensetzung der Apparate; selbst der Sonntagmorgen ist ihm nicht zu lieb, wenn es gilt die Arbeit eines seiner Laboranten zu fordern. Wie vielen strebsamen jungen Geistern ist Magnus auf diese Weise ein zuverlässiger Rathgeber, ein väterlicher Freund und Führer gewesen! Und wie im Laufe der fröhlichen Studienjahre, so in der ernsten Stunde des Examens. Der Verfasser dieser Skizze hat vielen dieser Prüfungsacten seines Collegen beigewohnt, und er ist sicher. Jeder wird ihm beipflichten, wenn er behauptet, dass es schwer wäre, sich einen liebenswürdigeren Examinator vorzustellen. Nicht dass er dem Candidaten etwas geschenkt hätte. Die Anforde- rungen, welche er stellt, sind nicht gering, aber er besitzt die wun- derbare Gabe schliesslich immer das Gebiet ausfindig zu machen, auf welchem der Candidat wenigstens einigermaassen zu Hause ist. Dies gelingt allerdings oft erst nach vielfältigem Umherfragen ; so viel aber steht fest, wenn Magnus aus einem Candidaten nichts herausbringen kann, so ist überhaupt nichts herauszubringen. Und weit über den persönlichen Verkehr auf dej Hochschule, weit über das Examen hin- aus erstreckt sich dieses theilnahmvolle Interesse für seine Schüler. Wie vielen hat er auch nach Jahren noch eine hülfreiche Hand geliehen, wie Viele verdanken seinen ausgebreiteten Beziehungen die Grundlage oder die gedeihliche Entwickelung ihrer späteren Existenz!

Aber mit welcher Liebe hangen ihm dafür auch seine Schüler

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an, wie versäumen sie keine Gelegenheit, dem gefeierten Lehrer ihr Vertrauen, ihre Zuneigung /u bezeugen! Und nicht nur im engeren Schülerkreise ist. Magnus Gegenstand dieser Verehrung; dieselbe Gesinnung wird ihm von den Studirenden im Allgemeinen entgegen- gebracht. Wenige Universitätslehrer haben sich in höherem Maasse einer wohlverdienten edlen Popularität erfreut als Magnus. Auch hat sich dieselbe in mannichfaltiger "Weise bekundet. Nur ein Beispiel soll hier Erwähnung finden. Während der politischen Wirren, welche den stürmischen Märztagen folgten, hatten sich die Berliner Studenten zu einer akademischen Legion vereinigt. Es war Magnus, den sie mit der militärischen Organisation des Corps betrauten und den sie alsdann zu ihrem Befehlshaber erwählten, bei welcher Gelegenheit ihm die soldatischen Traditionen seines Freiwilligenjahres treiflich zu Statten kamen.

Und dieselben liebenswürdigen Eigenschaften, welche ihm die Herzen der Jugend in so hohem Maasse gewinnen, bethätigen sich, unter welchen Bedingungen immer er mit den Menschen in Verkehr tritt. In der grossen Gesellschaft bewegt er sich mit dem Bewusstsein eines Mannes, dessen Ansicht mit Spannung gehört wird und von dem man in schwierigen Fragen den Ausschlag erwartet; in jedem seiner Worte, in jeder seiner Bewegungen giebt sich das feine Maass des vollendeten Weltmannes zu erkennen, allein die Sicherheit seines Auftretens verhindert nicht, dass sich in seinem ganzen Wesen wieder eine gewinnende Bescheidenheit ausspricht, welche auch den Schüch- ternsten mit Zuversicht erfüllt. Und die Herzensgüte, welche sich im Kreise Gleichgestellter als wohlwollende Theilnahme kundgiebt, sie nimmt dem Minderbegünstigten gegenüber die Form der edelsten Wohlthätigkeit an, einer Wohlthätigkeit , für welche die reichen zur Verfügung stehenden Mittel keine Grenze sind und von deren Umfang Wenige eine Ahnung haben.

Dass ein Mann, dessen Interessen sich nach so mannichfaltigen Richtungen erstreckten, und bei dem überdies die höchste Begabung mit dem edelsten Charakter gesellt war, in persönlichem Verkehr zu vielen berühmten Männern seiner Zeit gestanden haben müsse, wer könnte daran zweifeln?

Um zunächst von den Fachgenossen zu sprechen, so waren Physik und Chemie mit den angrenzenden Wissenschaften in Berlin während der mittleren Decennien des Jahrhunderts neben Magnus durch eine Reihe hervorragender Gelehrten vertreten; es brauchen nur Namen wie Mitscherlich, Heinrich und Gustav Rose, Dove, Ehrenberg, Poggendorff, Riess, Rani melsberg genannt zu werden. Von diesen waren die beiden ersten noch Magnus' Lehrer gewesen; in Mitscberlich's Laboratorium hatte er seine erste Experimentaluntersuchung ausgeführt; bei Rose war dem Ver-

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biiltnisse zwischen Lehrer und Schüler schnell ein inniger Freund- sohaftsbund gefolgt; die freundschaftlichen und collegialischen Verhält- nisse zu deu Anderen stammen thcilweise aus derselben, zumeist aber aus einer späteren Zeit. Und neben den eigentlichen Fachgenossen, wie gross war nicht, im Schoose der Akademie und der Universität die Zahl der ausgezeichueten Gelehrten in allen Zweigen der Wissen- schaft, welche er zu seinen Freunden zählen durfte? Wenn ich von denTodten, Boeckh's, Leopold von Buch's, Dirichlet's, Link'» Johannes MuUer's gedenke, wenn ich unter den Lebenden Mäniur nenne, wie Bancroft, Curtius, Droysen, Gneist, Haupt, Lepsius, Olshausen, Trendelenburg und von den Jüngeren du Bois-Reymond und Kronecker, so ist mit diesen Namen die Liste der ihm Befreundeten noch lange nicht erschöpft. Und wie in Berlin, so in allen Theilen des Vaterlandes, so im Auslande. Der Freund- schaft mit Wöhler ist bereits gedacht worden; in ähnlichen Verhält- nissen stand Magnus zu Liebig, Bunsen, Henle, Wilhelm Weber, Buff, Kopp, Kirchhoff, Helmholtz und vielen Anderen. Unter seinen englischen Freunden ist zumal Faraday zu nennen, für den er eine unbegrenzte Verehrung hegte und der ihn nicht minder schätzte*), sowie Graham, mit dem er von Jugend auf vertraut ge- wesen war, und endlich Tyndall, der längere Zeit unter seinen Auspicien gearbeitet hatte, und Warren DeLaRue, mit dem er auf allen Ausstellungen zusammengetroffen war; in Frankreich waren es Dumas, Pelouze, Regnault und Kuhlmann, die ihm am nächsten standen. Auch an den Ufern des Genfer Sees besass er in Auguste de la Rive einen altbewährten Freund. Mit vielen von ihnen hat er einen mehr oder minder lebhaften Briefverkehr gepflogen.

Es ist hier nur der Beziehungen gedacht worden, in denen \ Magnus zu den wissenschaftlichen Zeitgenossen gestanden hat, allein seine Verbindungen, zumal in Berlin, erstreckten sich weit über die Gelehrtenkreise hinaus. Keine Schicht der Gesellschaft, in welche j ihn nicht die vielseitigen Interessen, denen er nachging, zu der einen | oder anderen Zeit geführt hätte, und so sehen wir ihn denn in i lebendigem Verkehr mit ausgezeichneten Männern aus allen Ständen, mit Künstlern, wie Felix Mendelssohn, Rauch, Stüler, mit Ver- tretern der Industrie und des Handels, wie Werner Siemens, I Alexander und Paul Mendelssohn, Robert Warschauer, mit \ hohen Staatsbeamten, wie Bendemann, Herzog, Krug von , Nidda, Mac-Lean, Max und Richard v. Philipsborn und j selbst mit Grosswürdenträgern des Reiches, wie Bitter, Lehnert. j von Bernuth, Graf Eulenb urg, Camphausen, Delbrück.

Ich habe es versucht, Sie einen Blick in die vielbewegte Lebens-

•) The lift and Ittttri of Faraday, by Dr. Bence Jone*. 11. ü73.

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thätigkeit unseres verewigten Freundes thun zu lassen. Wenn man be- denkt, dass sich zu den unablässig fortgesetzten wissenschaftlichen Ar- beiten, zu der unermüdlichen akademischen Wirksamkeit, zu den end- losen Anforderungen, welche ihm der mannichfaltige Verkehr mit Men- schen und Dingen auferlegte, auch noch die Pflichten gesellten, welche er als Berather einer vielverzweigten Familie mit ebenso grosser Liebe als Treue erfüllte, so kann es nicht befremden, dass die ihm näher Stehenden staunten, wie es ihm immer gelang, solchen fast über- mässigen Ansprüchen zu genügen, und dass seine Angehörigen oft in ihn drangen, das Maass seiner Kraft nicht zu überschätzen. Was ihm bei der Bewältigung so grosser Anstrengungen zu Statten kam, war eine felsenfeste Gesundheit, deren er sich von Jugend auf erfreut hatte, und die ihm auch bis in die späteren Lebensjahre treu geblieben w^ar. Nur einmal im Jahre 1862 hatte sich bei Magnus ein hart- näckiges Fussleiden eingestellt, welches auch das allgemeine Befinden zu beeinflussen begann, und wegen seiner Dauer die Freunde einige Zeit lang mit Besorgnissen erfüllte. Allein nach einigen Monaten war es den Bemühungen der Aerzte gelungen, des localen Uebels Herr zu werden und bald hatte die kräftige Natur des Mannes auch die letzte Spur von Krankheit überwunden. Die alte Lust an der Arbeit, die alte Arbeitskraft ist zurückgekehrt. Die während einiger Zeit zurückgelegten Forschungen werden wieder aufgenommen, neue werden begonnen und vollendet. Unerschöpflich sprudelt die Quelle, jede gelöste Aufgabe ist der Ausgangspunkt einer neuen Reihe von Aufgaben, deren Lösung alsbald mit fast jugendlicher Frische in Angriff genommen wird. Die Jahre scheinen spurlos an Gustav Magnus vorüberzuziehen. Niemand ahnt, dass dieses schöne Leben gleichwohl unaufhaltsam mit raschen Schritten seinem Ziele entgegen- eilt.

Der Herbst des Jahres 1869 führt Magnus auf einer seiner ge- wöhnlichen Ferienreisen wieder nach England. In London trifft er mit seinem alten Freunde Graham zusammen; wie wenig denken die beiden Männer, dass ihnen kaum mehr als eine Spanne Zeit ver- gönnt ist, dem einen nach Wochen, dem andern nach Monden be- messen! Aber in London ist seines Bleibens nicht, die ewige Jagd der unermesslichen Stadt ist ihm drückend ; dagegen erfreut er sich wieder des heiteren Treibens in Exeter, wohin er fast widerstrebend einigen Freunden zu dem Meeting der British Association gefolgt war, und wo er Gelegenheit findet, alte Beziehungen aufzufrischen, neue anzuknüpfen; allein er sehnt sich gleichwohl nach Ruhe, wie sie nur der Anblick der Natur gewährt. Diese Ruhe findet er am Gestade des Meeres auf der Insel Wight. Und nun sind ihm noch einige köstliche Wochen beschieden, die er, an der Seite seiner Gattin, umgeben von allen seinen Kindern, denen sich auch sein Schwiegersohn, Victor

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von Magnus angeschlossen hat, Angesichts jener anmuthigcn Ufer- landschaften wie sie nur die grüne Insel bietet, in traulicher Zuruck- gezogeuheit verlebt.

Aber Reise und Aufenthalt in freier Luft haben ihm nicht mehr die gewohnte Erfrischung gebracht. Kaum nach Berlin zurückge- kehrt, fühlt sich Magnus durch ernstliche Störungen seiner Ge- sundheit zum Oefteren im Arbeiten behindert. Gegen Weihnachten haben sich diese Störungen in einer Weise vermehrt, um den Seiuigen Besorgnisse einzuflössen. Um so glücklicher sind seine Freunde, als sie ihn in den ersten Tagen dieses Jahres bei einer Feier, welche die Glieder unserer Gesellschaft zu einem heiteren Festmahl vereinigte, mit gewohnter Frische den Vorsitz nehmen sehen. Allein es war ein letztes Aufleuchten dieses lebhaften Geistes, wie die Flamme noch einmal aufschlägt, ehe sie erlischt. Manche seiner Freunde haben ihn an jenem Abend zum letzten mal gesehen. Was nun noch folgt, ist traurig zu berichten. Noch Monate lang kämpft diese kräftige Natur gegen die andringende Krankheit. Mit einer Pflichttreue, welche den heftigsten Schmerzen gebietet, fährt Magnus fort, obwohl mit mehrfachen Unterbrechungen, seine physika- lischen Vorlesungen zu halten. Am 25. Februar liest er zum letzten Male, aber er nimmt von seinen Zuhörern nicht Abschied, denn er hegt noch immer die Hoffnung, er werde im Stande sein, seine Vorlesungen wieder aufzunehmen. Aber es sollte nicht sein. Während des Monats März hat er sein Schmerzenslager kaum mehr verlassen, aber die Freiheit und Klarheit des Geistes ist ihm bis zuletzt geblieben. Mit der ruhigen Fassung, mit der heiteren Ergebung eines Philosophen sieht er sein Ende nahen. Am 4. April endlich ist das Ziel der Laufbahn erreicht.

Am 8. April haben wir Gustav Magnus auf dem Friedhofe der Dorotheenstadt zur Erde bestattet. Wer die ernsten Männer kannte, welche in dichtgedrängtem Kreise das offene Grab umstanden, der konnte nicht zweifeln, dass der Heimgegangene, den man zur Ruhe bettete, in der Wissenschaft Grosses vollbracht hatte, wer aber in die traurigblickenden Gesichter schaute und Augen, die wohl lange nicht mehr feucht gewesen, sich mit Thränen füllen sah, der wusste auch, dass der Todte neben dem Ruhme in der Wissenschaft noch einen anderen höheren zurückliess, den Ruhm des hochherzigen Mannes, in dem Viele einen unersetzlichen, unvergesslichen Freund verloren hatten.

Gustav Magnus war am 2. Mai 1802 geboren. Wenige Wochen noch und er wurde sein 688tes Jahr vollendet haben. Er war also der Marke nicht mehr fern, über welche das Leben nur Weniger hinausreicht. Wir dürfen nicht klagen.

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Wohl schien diese kräftig angelegte Natur auf längere Dauer berech- net zu sein, wohl durfte die Wissenschaft noch manche reiche Gabe von ihm erwarten, und die Schüler, die Freunde, wohl waren sie zu der Hoff- nungberechtigt, sie würden noch lange Jahre seiner Lehre, seiner Freund- schaft sich erfreuen! Aber es weht uns doch auch wieder mit unendli- chem Tröste an, wenn wir den Forscher, in dem Vollgenuss seiner Köf per- und Geisteskräfte die Wissenschaft beherrschend, wenn wir den Lehter, ehe der Strom der Begeisterung verrauscht ist, den Freund, ehe sein Gefühl für uns am Froste des Alters erkaltet, in einem Worte, wenn wir den ganzen Mann vom Schauplatze abtreten sehen. So, als ganzer Mann, lebt Gustav Magnus in unserem Gedächtniss. Wir wollen nicht klagen.

Aber wenn auch die Klage verstummt, so fühlen wir doch unaussprechliche Trauer bei dem Gedanken, dass er heimgegangen ist an dem Vorabende dieser grossen deutschen Zeit, und dass es ihm , dessen Herz stets so warm für das Vaterland geschlagen, nicht mehr vergönnt war die wunderbare Bewegung zu schauen, welche unser Volk von Sieg zu Sieg geführt hat und jeder Zweifel ist jetzt geschwunden den langgeträumten Traum eines grossen, freien und einigen Deutschlands endlich zur Erfüllung bringen wird.

Wenn wir die zahlreichen Forschungen überblicken, durch welche Gustav Magnus die Wissenschaft bereichert hat, so ist es zunächst die ausserordentliche Verschiedenartigkeit der Fragen, denen seine Studien zugelenkt waren, welche uns in Erstaunen setzt. Die Physiker sind gewohnt, Magnus als einen der Ihrigen zu betrachten, weil er sich während der letzten Decennien seines Lebens fast ausschliesslich mit Physik beschäftigt hat und weil in der That der Schwerpunkt seiner Leistungen auf dem Gebiete dieser Wissenschaft liegt; wenn wir aber nur seine früheren Arbeiten in's Auge fassten und selbst diejenigen, welche sich bis in die Mitte seiner Laufbahn erstrecken, so würde man uns nicht bestreiten wollen, dass wir ihn mit ähnlichem Rechte zu den Chemikern zählen. Wenn es nun schon der Forscher nicht Viele sind, welche das Gebiet der Chemie und Physik mit gleicher Sicherheit überschauen, so möchten wir Den- jenigen noch seltener begegnen, welche wie Magnus nicht nur diese beiden grossen wissenschaftlichen Gebiete nach den mannich- faltrgstcn Richtungen durchmessen, sondern sich auch in den ver- schiedensten Theilen derselben selbstständig arbeitend versucht haben. Allerdings wird eine solche Vielseitigkeit nicht immer ohne Gefahr geübt, und mehr als einmal sehen wir Magnus eine neuerschlossene Fundgrube, lange ehe sie ersohöpfr, vielleicht in dem .\ugeiiM "•'•'"

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rlassen, in dem das edle Gestein erst recht zu Tage tritt. Nie- mals aber beeinträchtigt diese Freude an der Mannichfultigkeit den Werth der Arbeit. Wie gross das Gebiet der Forschung, welches beherrscht, wo immer wir ihm begegnen, erkennen wir ihn an uei selben zähen Ausdauer, mit der er den Erscheinungen folgt, an derselben unermüdlichen Gründlichkeit, die er für ihre Beob- htuiig einsetzt, an derselben unbestechlichen Wahrheitsliebe, mit wer er das Ergebniss seiner Beobachtungen beschreibt. Obwohl stets die Erkenntniss der Erscheinungen in ihrem Zusammenhange an- strebend, verschmäht er gleichwohl die vereinzelte Thatsache nicht, die er am W'ege findet, wie unbedeutend sie erscheine, und wie wenig sie iliti vielleicht dem besonderen Ziele, das er erreichen will, näher bringe; er zweifelt nicht, dass der Augenblick naht, in welchem das gut Beob- achtete für den Ausbau der Wissenschaft verwerthbar wird. Und ob die Ermittelung eines Gesetzes oder die Feststellung der gering- lugigen Thatsache gilt, stets bewundern wir die Sicherheit und Eleganz der experimentalen Behandlung des Stoffes; in seiner versuchgeübten Hand vervielfältigen sich die Erscheinungen, mehren sich die Mittel zu ihrer Beobachtung, vereinfachen sich die Apparate zu ihrer Er- kenntniss. So kommt es denn auch, dass seinen Arbeiten stets ein lebhaftes Interesse beiwohnt, selbst wenn die Lösung der Aufgabe, lim die es sich handelt, nicht vollkommen gelungen wäre, oder die iffassungen, zu denen sie geführt hatten, unter dem Drucke späterer U^tdeckungen verändert worden sind.

^^t' Die wissenschaftliche Thätigkeit Gustav Magnus' umfasst einen Ziitraum von nicht weniger als 45 Jahren. Seine erste Abhandlung erschien im Jahre 1825, seine letzte im Laufe des Jahres 1870 kurz nach seinem Tode. Fast alle diese Abhandlungen sind in Poggen- dorff's Annalen veröffentlicht, die Mehrzahl auch in den Monats- richten, viele in den Denkschriften der Berliner Akademie der issenschaften. Der grossartige literarische Nachweis*), welchen die Royal Society im Augenblicke herausgiebt, der aber schon mit dem •Tahre 186;"5 abschliesst, verzeichnet nicht weniger als 67 Abhandlungen II Magnus. Erwägt man, dass auch nach diesem Zeitpunkt die Thätigkeit des Forschers nicht einen Augenblick erlahmt ist, so er- hellt, dass uns kaum mehr vergönnt ist, als die reiche Ausbeute lieser Arbeiten in dürftigsten Umrissen anzudeuten. Wir werden vielleicht unserer Aufgabe am meisten gerecht werden, wenn wir, von irgend welcher Ordnung der Zeitfolge nach absehend , die Unter- (hungen ihrem Gegenstande nach in verschiedenen Abschnitten zu- .-.ammenfassen. Wir Wollen zunächst unsere Aufmerksamkeit den chemischen Forschungen zulenken welche ja für uns ein besonderes

•) Rnynl Sr,rifi,, fntnlr,,,,!^ nf Scientific Papers 1800—1868.

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Interesse haben, um alsdann, zu den physikalischen übergehend, die Arbeiten auf dem Gebiet der Mechanik, der Elektricität und schliess- lich der "Wärmelehre gesondert zu betrachten.

Die Verschiedenartigkeit der von Magnus ausgeführten chemi- schen Arbeiten bezeichnet alsbald die bereits gerühmte Vielseitigkeit des Forschers. Neben zahlreichen Aufgaben der reinen Chemie, sowohl der unorganischen wie der organischen, fesseln zumal die Anwendungen der Wissenschaft seine Aufmerksamkeit. Mineralogisch -chemischen Analysen folgt die Behandlung von Fragen aus der physiologischen, der Agriculturchemie, der chemischen Technologie.

Die erste kleine Arbeit*), mit der Magnus, damals noch seinen Studien in Berlin obliegend, hervortritt, gehört der unorganischen Chemie an; sie betrifft die Bildung metallischer Pyrophore und giebt alsbald zu einer Controverse Veranlassung. Schon desshalb und weil sie sogleich die Eigenart des jungen Forschers ganz gut bezeichnet, müssen wir einen Augenblick bei derselben verweilen.

Bei Versuchen aus Kobaltoxydul, mittelst Wasserstoffgas, metalli- sches Kobalt zu erhalten, welche Magnus in M itsch erlich's Labo- ratorium anstellt, zeigt es sich, dass das feinzertheilte Metallpulver mit der Luft in Berührung gebracht zum Erglühen kommt. Bei einer "Wieder- holung des Versuchs wird die Erscheinung nicht wieder beobachtet und es ergiebt sich schliesslich, dass nur das unreine, thonerdehaltige Kobaltoxydul ein pyrophorisches Metall liefert. Analoge Wahrneh- mungen werden bei dem Nickeloxydul und dem Eisenoxyd gemacht. Die Ursache dieses seltsamen Verhaltens ist nach Magnus diese, dass die Beimengung der unschmelzbaren Thonerde das Zusammen- sintern des feinzertheilten Metalles hindert. War diese Erklärung die richtige, so mussten auch die aus reinen Oxyden dargestellten Metall- pulver ihre Selbstentzündlichkeit behalten, wenn das Zusammensintern auf andere Weise vermieden wurde. In der That findet er denn auch, dass man nur die Reductionstemperatur möglichst niedrig zu halten braucht, um auch aus reinen Oxyden kräftige Pyrophore zu gewinnen, und er zeigt ferner, dass bei niedriger Temperatur darge- stellte Metallpulver, welche sich bei dem Versuche als in hohem Grade selbstentzündlich erweisen, beim stärkeren Erhitzen alsbald alle pyrophorische Eigenschaften verlieren.

Die Auffassung, za welcher Magnus gelangt ist, wird in einem einige Monate später erschienenen Aufsatze von Prof. F. Stromeyer**)

*) Ueber die Eigenschaft inetallisclier Pulver, sich bei der gewohulichen Temperatur von selbst in der atmosphärischen Luft zu entzünden. Pogg. Ann. III. 81. (1826.)

**) Stromeyer, Vorläufige Bemerkungen über metallisches Eisen und »eine Oxyde. Pogg. Ann. VI. 471.

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auf das Entschiedenste bestritten. Dieser behauptet, dass die Selbst- entzundlichkeit des bei niedriger Temperatur mittelst Wasserstoffs reducirteu Eist-ns lediglich einer Beimengung von Eisenoxydul zuzu- schreiben sei , welches höchst pyrophorische Eigenschaften besitze. Bei niedriger Temperatur werde das Eisenoxyd, dem jede pyro- phorische Eigenschaft abgehe, theilweise zu Eisenoxydul reducirt, während die Reduction zu Metall erst bei hoher Temperatur erfolge. Gustav Magnus bleibt seinem Gegner die Antwort nicht lange schuldig. In demselben Hefte der Annalen, welches den Aufsatz von Strom eye r bringt, erscheint auch schon die Entgegnung*), in welcher unzweifelhaft nachgewiesen wird, dass Eisenoxyd bei einer zwischen dem Siedepunkt des Quecksilbers und dem Schmelzpunkt des Zinks liegenden Temperatur im Wasserstoffstrom vollständig zu Metall reducirt wird, dass das so gewonnene Metallpulver in hohem Grade pyro- phorisch ist, und dass es diese pyrophorischen Eigenschaften bei der Rtuhgluth einbüsst, ohne im Geringsten an Gewicht zu verlieren.

Auch die Versuche, die Magnus kurze Zeit darauf veröffentlicht, geben V^eranlassung zu Erörterungen. Diesmal handelt es sich um die Natur der tiefblauen Flüssigkeit, welche sich bildet, wenn man Schwefel mit wasserfreier Schwefelsäure in Berührung bringt. Man war zweifelhaft, ob dieselbe als eine eigenthümliche Oxydationsstufe des Schwefels oder als eine Lösung von Schwefel in Schwefelsäure zu betrachten sei. Magnus**) entscheidet sich für die letztere Auf- fassung: er erinnert daran, dass Müller v. Reichenstein ein ganz ähnliches Verhalten bei dem Tellur wahrgenommen habe, welches sich mit prachtvoll rother Farbe, aber ohne Oxydation, in Vitriolöl löst, und zeigt schliesslich auch bei dem Selen eine ähnliche Löslich- keit im Vitriolöl, welches in diesem Falle eine schön grüne Farbe annimmt. Durch Zusatz von Wasser werden Tellur und Selen un- verändert niedergeschlagen; erst bei längerem Verweilen in der ver- dünnten Säure werden sie unter Entbindung von schwefliger Säure oxydirt. Einwendungen, welche Fischer***) gegen diese Ansicht vor- bringt, werden von Magnusf) durch einen quantitativen Versuch, welchen er mit Selen anstellt, beseitigt. Die in Lösung bleibende Menge Selen beträgt weniger als 3^ des ausgefällten, ein Ergebniss, wel- ches die Annahme, dass das Selen als Oxydul gelöst sei, ausschliesst.

*) Bestimmung der niedrigsten Temperatur, bei welcher das Eisenoxyd voll- ständig durch Wasserstoffgas reducirt wird. Pogg. Ann. VI. 509. (1826.)

**) Uebir die Eigenschaft der Schwefelsäure, oxjrdirbare einfache Körper auf- zulösen, ohne dieselben zu oxydiren. Pogg. Ann. X. 491. (1827.)

***) N. W. Fischer, Ob das Tellur metallisch iu concentrirter Schwefelsäure gelöst enthalten sein könne. Pogg. Ann. XII. 153.

j) Bemerkung Über die Auflösung des Selens in Schwefelsäure. Pogg. Ann. XIV. 328. (1828.)

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Gelegentlich der Versuche über die Löslichkeit des Tellurs in Schwefelsäure, und theilweise schon bei der Bearbeitung seiner Inaugural - Dissertation hat sich Magnus auch mit dem braunen Körper beschäftigt, welcher sich bei der elektrischen Zersetzung des Wassers am negativen Pole ausscheidet, wenn die Elektrode aus Tellur besteht. Nach den Versuchen von Ritter und Sir Humphry Davy konnte man geneigt sein, diese braunen Wolken für ein Hydrur des Tellurs zu haiton, welches weniger Wasserstoff enthält, als der Tellurwasserstoff. Genaue Versuche überzeugen Magnus, dass hier kein Hydrür, sondern elementares Tellur vorliege. Wahrscheinlich sei indessen die Abscheidung des Tellurs Folge einer ephemeren Bildung von Tellurwasserstoff, welcher sich schnell unter dem Einfluss des von der Wasserzersetzung herrührenden Sauerstoffs zerlege; in der That beobachte man am positiven Pole eine nur äusserst geringe Sauerstoffentwicklung. Ganz ähnliche Erscheinungen werden bei dem Schwefel und Selen wahrgenommen. Da indessen diese Körper schlechte Leiter der Elektricität sind, so müssen sie, mit einem Platindraht umwickelt, in die Flüssigkeit gebracht werden. Es entsteht im ersten Falle ein gelber Niederschlag von Schwefel, im letzteren ein ziegel- rother von Selen. Vorsuche, ein Tellurhydrür zu erhalten durch Auflösen von Tellurkalium in Wasser, oder durch die Einwirkung der Luft auf die Lösung desselben, misslangen. Das Teliurkalium verhält sich in dieser Beziehung wie Schwefel- und Selenkalium. Dagegen sind die festen Körper, welche bei der Auflösung von Arsen- und Phosphor- kalium in Wasser zurückbleiben, wahre Hydrüre.

Durch die mehrfache Beschäftigung mit Verbindungen des Selens wird Magnus veranlasst, eine einfache Methode aufzusuchen, dieses Element aus dem Selenschwefel und zumal aus dem Bodensatze der Bleikaramern zu gewinnen **). Ein Gemenge des Selenmaterials mit etwa dem achtfachen Gewichte Braunstein wird in einer Glasretorte erhitzt; der Schwefel verwandelt sich theilweise in Metallsulfid, theil- weise wird er als schweflige Säure entfernt, das Selen sublimirt im Halse der Retorte. Da man bei einem ersten Versuche den Reichthuni des Materials nicht wohl kennen kann, so wird sich bei überschüssig angewendetem Mangan hyperoxyd auch etwas selenige Säure bilden; man leitet desshalb das entwickelte Gas durch Wasser, in welchem sich in diesem Falle das Selen durch die schweflige Säure reducirt als ziegel- rothes Pulver absetzt.

Eine der folgenreichsten Untersuchungen auf dem Gebiete der unorganischen Chemie ist jedenfalls die schöne Arbeit über die Ein-

*) lieber einige W.asserstoffverbindunt^iMi. l*ogg. Ann. XVII. 521. (1829.) **) lieber die Gewinnung des Selens auü Selenschwefel. Po gg. Ann. XX. 165. (IbSU.)

Wirkung des Ammoniaks auf das Platinchlorür*), welche Magnus, wie bereits erwähnt wurde, schon einige Jahre früher in dem Laboratorium von Berzelius ausgeführt hatte. Die Verbindungen des Platinchlorids mit den Chloriden der Alkalimetalle waren damals schon untersucht; Herzelius hatte namentlich das Kaliumplatindblorid für die Fest- stellung des Atomgewichtes des Platins benutzt. Bei dem Versuche, inaloge Verbindungen mit Platiuchlorür darzustellen, was ohne Schwierigkeit gelang, fand Magnus, dass wenn man eine Auflösung des Chlorürs in Chlorwasserstoffsäure mit einem üeberschuss von Ammoniak versetzt, ein in schönen grünen Nadeln krystallisirendes Salz niederfällt, welches weder in Wasser, noch in Alkohol, noch auch in Salzsäure löslich ist. Dieses Salz, weit entfernt den früher beob- achteten Doppelverbindungen analog zu sein, erweist sich bei der Analyse als eine directe Verbindung des Platiuchlorürs mit den Ele- menten des Ammoniaks, von der Zusammensetzung

PtClj, 2H3N. Unter dem Einflüsse chemischer Agentien erleidet dieses Salz zahl- reiche bemerkenswerthe Veränderungen, welche indessen von Magnus, der inzwischen in andere Bahnen eingelenkt war, nicht weiter studirt worden sind. In Folge dieser Veränderlichkeit ist es, wie bekannt, der Ausgangspunkt einer Reihe der merkwürdigsten Untersuchungen geworden, an denen sich viele Chemiker, namentlich aber Gros, Rei- set, Peyrone und Gerhardt betheiligt haben. Noch neuerdings ist die Geschichte der von diesen Chemikern aufgefundenen Körper, welche man gewöhnlich unter dem gemeinsamen Titel: Platin- basen zusammenfasst, von Odling") in einer meisterhaften Vorlesung beleuchtet worden, welche derselbe in unserer englischen Schwester- gesellschaft gehalten hat. Sämmtliche unter dem Namen der Gros- -chen, Reiset'schen, Peyrone'schen Salze bekannten Verbindungen -ind in der That Abkömmlinge des grünen Platinchlorür-Ammoniaks, welches die dankbare Wissenschaft dem Entdecker zu Ehren mit dem Namen des Mag tius' sehen Salzes bezeichnet hat.

In die Reihe der hier betrachteten Untersuchungen gehöW auch, obwohl in etwas spätere Zeit fallend, die gemeinschaftliche Arbeit von Magnus und C. F. Ammermüller***) über die Ueberjodsäure. Die Ueberchlorsäure war damals schon bekannt, aber alle Bemühungen die entsprechende Säure in der Jodreihe darzustellen, waren ohne Erfolg geblieben. Ein glücklicher Versuch führt die vereint arbeitenden

*) Ueber einige neae Verbindungen des Platinchlorilrs. Pogg. Ann. XIV. 289. (1828.)

**) Odling, Ott tke ammonia Compounds of platmum. Chem. New-. XXI. ■269 u. 289.

•**) Ueber eine neue Verbindung de» Jodi mit Sauerstoff, die üeberjodeäure. Pogg. Ann. XXVIU. 154. (1833.)

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Freunde zur Entdeckung dieser Säure. Die ersten Andeutungen der] Existenz der Ueberjodsäure werden bei der Bereitung des Natriuin- jodats nach dem bekannten Lieb ig 'sehen Verfahren erhalten, und auf diese hin begründen sie alsbald eine höchst elegante Darstellungs- methode. Aus einer heissen Lösung von Natriumjodat, welche man mit Aetznatron versetzt hat, scheidet sich beim Einleiten eines Chlor- stroms ein schweres, weisses, krystallinisches Pulver ab, welches die Entdecker als basisches Natriumperjodat

2Nal04,Na20-l-3H20 erkennen. Wäre noch ein Zweifel über die Natur des Salzes ge- blieben, sie hätte durch die Analyse der Silbersalze beseitigt werden müssen. Mit Silbernitrat gefällt, liefert die Lösung der Natrium Ver- bindung einen grünlichen Niederschlag, der sich aus warmer Salpeter- säure umkrystallisiren lässt. Beim Erkalten der Lösung schiessen stroh- gelbe Krystalle an, welche mit Wasser in Berührung, sich in ein dunkel- rothes Salz verwandeln. Die heisse concentrirte Losung setzt beim Eindampfen orangegelbe Krystalle ab. Bei der Analyse zeigt es sich, dass das letztgenannte orangegelbe Salz das neutrale Perjodat

ÄgI04

darstellt, während die gelbe und rothe Verbindung basische Salze von der Zusammensetzung

2AgI04,Ag2 0 + H2 0 und 2Agl04, Agg O -f- Sllg O sind, von denen das wasserreichere, rothe genau dem bereits genannten Natriumsalze entspricht. In derselben Arbeit, an deren durchsichtiger Klarheit der Leser noch heute sich erfreut, wird auch der merk- würdigen Umbildung des neutralen Silberperjodats unter dem Einflüsse des Wassers gedacht; mit Zurücklassung basischen Salzes nimmt dieses die Säure im Zustande der Reinheit auf, deren Eigenschaften beschrieben, und aus welcher die neutralen und basischen Salze des Kaliums und Natriums dargestellt werden. Mit diesen Feststellungen begnügen sich aber auch die Entdecker; weder Magnus noch Ammermüller ist jemals wieder auf den Gegenstand zurückge- kommen. Welche Aehrenlese sie späteren Chemikern, zumal unserem verebten Herrn Präsidenten, hinterlassen haben, ist noch frisch in der Erinnerung der Gesellschaft.

Viel später, in den fünfziger Jahren, ist Magnus noch einmal, obwohl nur vorübergehend, auf das Gebiet der unorganischen Chemie zurückgekehrt. In diese Zeit fallen seine Beobachtungen über die verschiedenen Zustände des Schwefels*), welche hier nur kurz er-

•) Ueber rotlien und schwar/.en Schwefel. Po gg. Ann. XCII. .308. (1854.) Ueber den braunen Schwefel von Radoboj in Ungarn. Pogg. Ann. XCII.

667. (1854.) Ueber die allotropiscben Zustünde des SchwefeU. Pogg. Ann. XCIX. 145. (Iöö6.)

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wähnt zu werden brauchen, da viele der gesammelten Erfahrungen, insofern sie nur anter gewissen Verhältnissen gelten, der Allgemein- heit entbehren , auch manche Auffassungen durch spätere Beobach- tungen verändert worden sind.

Den Arbeiten auf dem Gebiete der unorganischen Chemie seh Hessen sich naturgemäss die chemisch-mineralogischen Unter- suchungen an; sie gehören sämratlich der frühesten Periode an. >chon im Jahre 182(i analysirt Magnus den Picrosmin*), ein lieben Magneteisenstein und Bitterspath in der Grube Engelsburg bei Pressnitz in Böhmen aufgefundenes Mineral, welches von Haidinger als eine selbstständige Species erkannt worden war. Das Mineral wird mittelst Flusssäure aufgeschlossen, ein Verfahren, welches erst wenige Jahre zuvor von Berzelios zum ersten Male angewendet worden war und daher auch in der Abhandlung nochmals ausführlich besprochen wird. Die Analyse lässt den Picrosmin als ein wasser- haltiges Magnesiumsilicat erkennen , dessen Zusammensetzung, in ein- fachster Weise gefasst, sich durch die Formel

MgO,Si02,HaO ausdrücken lässt.

Einige Jahre später folgt die Analyse des Brochantits**). l'nter diesem Namen hatten Levy und Children ein bei Ekaterinen- burg in Sibirien vorkommendes Kupfermineral beschrieben, in welchem neben Kupfer Schwefelsäure als Hauptbestandtheil nachgewiesen wor- den war. Ein bei Retzbanya in Siebenbürgen aufgefundenes Mineral, welches neben Malachit und Kupferlasur auf einem mit Rothkupfererz durchsetzten Bleiglanz vorkommt, ist nach Haidinger identisch mit dem Brochantit. Magnus, der Gelegenheit hatte dasselbe zu analy- siren, findet, dass es sich, wenn man von den zufalligen Bestand- thcilen Zinn und Blei absieht, als ein wasserhaltiges basisches Kupfer- Sulfat anffasisen lässt. welches nach der Formel

CaS04,3[CaO,H20] zusammengesetzt ist.

Auch mit dem Vesuvian hat sich Magnus mehrfach beschäftigt. Bei diesen Versuchen ***) macht er die bemerkenswerthe Beobachtung, dass dieses Mineral nach dem Schmelzen ein wesentlich geringeres

•) Analyse des Picrosmins. Pogg. Ann. VI. 53. (1826.) *♦) Analyse des Brochantits. Pogg. Ann. XIV. 141. (1828.) •**) üebcr eine aufTallende Venninderung des specifischen Gewichtes, die der Vesüvian durch das Schmelzen erleidet. Pogg. Ann. XX. 477. (1880.)

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Volumgewicht zeigt, als es vor dem Schmelzen besass. Das Vol.- Gew. des Vesiivians vor dem Schmelzen schwankt zwischen 8,35 und 3,45. Nach dem Schmelzen zeigt der Vesuvian von Egg das Vol.- Gew. 2,95; das Vol. -Gew. eines schönen sibirischen Vesuvians sank durch das Schmelzen auf 2,956. Beide Minerale büssen dabei ihr krystallinisches Gefüge ein. Magnus lässt es dahingestellt sein, ob die Verminderung des Vol.-Gew. von einer Veränderung in der Lagerung der Molecule oder von einer Atomwaiiderung im Molecule hervorgerufen wird. Indessen kann auch durch das Schmelzen eine Veränderung in der Zusammensetzung des Minerals stattgefunden haben, wenigstens wird bei dem Vesuvian vom Wiluiflusse eine kleine Verringerung des absoluten Gewichtes beobachtet; auch spricht für diese Annahme die Beobach- tung von V. K ob eil, nach welcher das durch Säuren nicht zersetz- bare Mineral durch Schmelzen in diesen Agentien löslich wird. Eine ähnliche Verminderung des Volumgewichtes, wie sie der Vesuvian durch die Hitze erleidet, beobachtet Magnus auch beim Schmelzen des Granats, dessen Vol.-Gew. von 3,9 auf 3,05 sank. Da aber gleichzeitig die rothbraune Farbe einer grünen Platz gemacht hatte, so liess sich der Versuch nicht als entscheidend betrachten, insofern das Mineral seine Zusammensetzung geändert haben konnte.

Bald darauf angestellte Untersuchungen betreflFen die Zusammen- setzung des Vesuvians*). Die untereinander wohlübereinstimmenden Analysen des Minerals von vier verschiedenen Fundorten, vom Vesuv, von Slatoust, aus dem Banat und von Egg führen zu der Formel

3(R"0,Si02)-l-R"'203,3Si03, welche der allgemeine Ausdruck für die Zusammensetzung des Granats ist. Auf ältere Analysen hin hatte in der That Berzelius bereits angenommen, dass Granat und Vesuvian identisch seien und Magnus muss dieser Ansicht beipflichten, zumal er bei weiteren Versuchen**) auch solche Granate beim Schmelzen ein geringeres Volumgewicht annehmen sieht, welche, soweit dies der Beobachtung zugänglich ist, durch die Einwirkung der Wärme ihre Zusammensetzung nicht ändern. So zeigt der unter dem Namen Grossular bekannte grüne Granat vom Wiluiflusse, welcher beim Schmelzen sowohl sein absolutes Ge- wicht, als auch seine Farbe beibehält, eine Volumgewichtsvermin- derung von 3,63 auf 2,95 und nicht nur wird im Allgemeinen eine Volumgewichtsverminderung beobachtet, sondern Granat und Vesuvian, welche im natürlichen Zustande wesentlich verschiedene Volumgewichto zeigen, besitzen im geschmolzenen Zustande genau dasselbe Voluni-

♦) Ueber die chemische Zusammensetzung des Vesuvians. Po gg. Ann. XXI. 66. (1881.)

**) Ueber eine auffallende Veränderung des specifischen Gewichtes beim Granat und IdentitHt dossclbi'ii mit (Iphi Vcsuvinn. P o p g. Ann. XXII. 391. (1831.)

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gewicht, näiulich 2,59. Erwagt man ferner, dass beide Mineralien geschmolzen nicht von einander zu unterscheiden sind, dass sie die- selbe Härte, dieselbe Farbe, dieselbe Zersetzbarkeit durch Säuren zeigen, so schien die Identität des Vesuvians und Granats, im ge- schmolzenen Zustande wenigstens, fast ausser Zweifel gestellt. Mit der ihm eigenen Vorsicht spricht sich Magnus gleichwohl nur zurückhaltend für die Identität beider Mineralien aus und er giebt seinen Zweifeln in der Bemerkung Ausdruck, dass die Beobachtungs- ergebnisse denn doch nicht hinreichend mit den berechneten Werthen der Granatformel übereinstimmen. In der That hat er denn auch durch viel spätere Versuche*) gezeigt, dass eine grosse Anzahl von Vesuvianen bei einer jedenfalls Ober dem Schmelzpunkte des Silbers liegenden Temperatur einige Procente Wasser verliert, eine Eigenschaft, welche den Granaten abgeht. Vesuvian und Granat haben also keineswegs dieselbe Zusammensetzung, eine Thatsache, welche auch durch anderweitige Untersuchungen festgestellt erscheint, nach denen in dem ersteren Mineral das Verhältniss des Monoxjd- silicats, dem Sesquioxydsilicate gegenüber, vielleicht ein wechseln- des, jedenfalls aber höheres ist, als der Granatmischung entspricht.

Die Zeit, in welcher die Forscherlust unseres Freundes am lebhaftesten glühte , fällt zusammen mit der mächtigen Entwick- lungsperiode der organischen Chemie in Deutschland, zumal mit der Blüihe der Lieb ig' sehen Schule. Es wäre seltsam gewesen, wenn eine so gewaltige Bewegung Magnus unberührt gelassen hätte. In der That sehen wir ihn denn auch schon im Jahre 1833 mit Ar- beiten auf dem Gebiete der organischen Chemie emsig be- schäftigt. Gegenstand seiner Untersuchung ist die Frage des Tages, welche ja auch noch auf Jahre hin das Interesse der Chemiker fesseln ><illt>'. Was ist die Constitution des Alkohols and die des Aethers und welches Verhältniss waltet ob zwischen diesen beiden Körpern? Zwei entgegengesetzte Theorien streiten um den Vorrang, die Aetherin- theorie von Dumas und die Aethyltheorie von Liebig, von denen letztere, obwohl erst viele Jahre später und auch nur in sehr wesent- lich neuer Fassung, den Sieg davontragen sollte. Da nach beiden Ansichten die Aetherbildung auf dem Austreten des Wassers aus dem Alkohol beruht eine Auffassung, die ja auch noch die heutige ist und da man damals so gut wie jetzt, nur in anderer Weise, die Weinschwefelsäure eine Rolle in der Aetherbildung spielen Hess, so schien es Magnus von Wichtigkeit, das Verhalten des Alkohols zur

*) Ueber die Menge des Wuaen, welche der Vesuvian enthält. Pogg. Ann. XCVI. 347. (1855.)

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wasserfreien Schwefelsäure zu Studiren. Seine Versuche*) erschliessen ihm alsbald eine ganz neue Reihe von Körpern. Indem er eine ab- soluten Alkohol enthaltende offene Röhre in ein Gefäss mit wasser- freier Schwefelsäure stellt, dessen Mündung mit einem Glasstöpsel geschlossen ist, sieht er, ohne dass Entwicklung von schwefliger Säure wahrgenommen wird , in dem Alkohol weisse seideglänzende Krystalle sich bilden, die schon bei 80" schmelzen und so gierig Wasser anziehen, dass es nur mit Schwierigkeit gelingt, sie in einem für die Untersuchung geeigneten Zustande zu erhalten. Die Analyse zeigt, dass diese Krystalle, welche Magnus Carbylsulfat nennt, und für die später die Bezeichnung wasserfreie Aethionsäure vorgeschlagen worden ist, die Zusammensetzung C2H4S20e = C,H4,2S03 besitzen, mithin als eine Verbindung von 1 Mol. ölbildendem Gas und 2 Mol, wasserfreier Schwefelsäure aufgefasst werden können und er weist auch alsbald die Identität derselben mit der von Regnault bei der Einwirkung der wasserfreien Schwefelsäure auf das ölbildende Gas gewonnenen Verbindung nach, für welche man bislang eine andere Zusammensetzung angenommen hatte. Die Krystalle von Carbylsulfat lösen sich mit grosser Leichtigkeit im Wasser, allein beim Verdampfen der Lösung werden sie nicht wieder erhalten. Durch Aufnahme eines Mol. Wasser haben sie sich in Aethionsäurehydrat verwandelt: C2H4 SgOg + Hg O = CgHg S2O7.

Die Säure selbst lässt sich ihrer ausserordentlichen Veränderlichkeit wegen nicht untersuchen ; die gegebene Formel musste daher aus der Analyse der Salze abgeleitet werden. Die Zusammensetzung der- selben wird durch die allgemeine Formel

CgH.MgSgOy -f-nHgO ausgedrückt; sie sind in Wasser löslich, ihre wässrige Lösung wird durch Alkohol gefällt.

Ist die Lösung des Aethionsäurehydrats zum Sieden erhitzt worden, so enthält die .Flüssigkeit nunmehr, neben freier Schwefel- säure, eine neue höchst merkwürdige Säure, welche Magnus mit dem Namen Isaethion säure bezeichnet; sie hat sich unter Anziehung der Elerhente eines weiteren Wassermoleculs und unter Abspaltung eines Moleculs Schwefelsäurehydrat gebildet:

C2 He S2 O7 -t- Hg O = H2 SO4 -h Ca SO4.

Diese Säure, welche man auch erhält, wenn Carbylsulfatkrystalle schnell in Wasser gelöst werden, so dass sich die Flüssigkeit stark

*) Ueber die Weinsclnvefelsilure . ihren Einfluss auf die Aetherbildung und über zwei neue Säuren ähnlicher Zusammensetzung. Po gg. Ann. XXVII. 367. (1833.)

Ueber das Carbylsulfat und die Aethionsäure. Po gg. Aun. XL VII. 609. .(1839.)

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erwSrmr. ist, wie ein Blick auf die Formel lehrt, mit der Wein- schwefelsäiire isomer. Magnus hat sie zumal in ihrem ßariumsalze studirt. welches man leicht erhält, wenn die siedende Losung der Aethionsäure mit Rariamcarbonat gesättigt wird; es krysfallisirt in schonen wasserfreien Tafeln von der Formel

BaCCjHsSOJa lind unterscheidet sich von dem isomeren Sulfovinate sowohl durch seine grosse Beständigkeit, als auch durch seine Löslichkeit in Alkohol. (Gegenwärtig können wir kaum an die von Magnus entdeckte Isae- thionsäure denken, ohne uns einer schönen Synthese zu erinnern, welche allerdings einer viel späteren Zeit vorbehalten war, der Syn- these nämlich des krystallinischen Bestandtheiles der Galle, des Tanrins, welche Strecker durch Abspaltung eines Wassermoleculs aus dem Molecule des isaethion sauren Ammoniums bewerkstelligt hat.

Die Versuche über das Carbylsulfat gaben Magnus mehrfach Gelegenheit sich mit dem ölbildenden Gase zu befassen. Er findet, dass man dasselbe reichlicher, reiner und bequemer als nach dem gewöhnlichen Verfahren erhält, wenn man Schwefelsäure mit etwa ^ Gewichtstheil Alkohol in einem Ballon erhitzt und alsdann durch eine Trichterröhre langsam Alkohol nachströmen lässt.

Sehr interessante Versuche*), welche er, allerdings erst viel später, über das Verhalten des ölbildenden Gases unter dem Einflüsse der Wärme angestellt hat, scheinen zunächst aus dem Bedürfnisse hervorgegangen zu sein, für den Zweck seiner Vorlesungen eine klarere Anschauung von der Theerbildung zu gewinnen. Indem er mit der grössten Sorgfalt gereinigtes Ölbildendes Gas durch eine roth- glühende Röhre streichen lä.sst, beobachtet er unter allen Umständen •'ine reichliche Theerbildung. Die Umwandlung des ölbildenden Gases in Theer beginnt erst bei einer Temperatur, welche jedenfalls über .SfiO*^ liegt; sie hört auf, wenn die Hitze bis zur Weissgluth gesteigert wird , bei welcher Temperatur das ölbildende Gas unter Abspaltung reiner Kohle sich in das doppelte Volum Wasserstoff verwandelt. Bei der Schwierigkeit, eine ganz gleichmässige Rothgluth zu er- halten, schwanken begreiflich die Mengen des auftretenden Tbeers; auch hat er nicht immer dieselbe Zusammensetzung. Bei seiner Bil- dung verschwinden im Durchschnitt 10 Volumprocente Gas; das rück- ständige Gas besteht nunmehr vorzugsweise aus Grabengas und Wasser- stoflF. Es lag nicht in der Absicht dieser Versuche, die einzelnen Bestandtheile des aas dem ölbildenden Gase gewonnenen Theers genauer zu präcisiren. Die Operation hätte zu diesem Ende in viel grösserem Maasssiabe ausgeführt werden müssen. Einige Pauscbanalysen zeigen

*) üeber die Entstehung von Tbeer aus ölbildendem Gase. Po gg. Aon. XC. 1. (1853.)

u

aber, dass er nahezu die Zusammensetzung des Naphtalins besitzt, und in einzelnen Fällen konnte das Naphtalin in der That aus dem Oele abgeschieden werden. Die Bildung dos Naphtalins aus dem öl- bildenden Gase Hesse sich durch die Gleichung

8C2H4 = Cj^Hg -+• 6 CH^ darstellen, allein es versteht sich von selbst, dass diese Gleichung nicht mehr, als eine Phase des complicirten Processes wiedergiebt. Neben dem Naphtalin werden mannichfaltige andere Producfe gebildet, wie schon aus dem gleichzeitigen Auftreten von Wasserstoff erhellt. Die rwähnten Versuche geben aber jedenfalls nicht unwichtige Auf- schlüsse über die Theerbildung bei der Leuchtgasfabrikation, insofern sie zeigen, dass nur ein Theil des Theers direct aus der Steinkohle stammt, während eine nicht unbeträchtliche Menge desselben erst durch die Einwirkung der Wärme auf das bereits entwickelte ölbildende Gas entsteht. Aus Grubengas konnte unter ähnlichen Bedingungen kein Theer erhalten werden.

Magnus hat sich auch, obwohl nur ganz vorübergehend, mit dem Ozokerit*), dem bekannten fossilen Wachse aus der Moldau, be- schäftigt. Bei der Untersuchung, welche er auf Wunsch A lex an der von Humboldt's austeilt, erkennt er denselben als ein Gemenge zweier durch Alkohol trennbaren Substanzen, welches bei 82'^ schmilzt und aus 85,75 p.C. Kohlenstoff und 15,15 p. C. Wasserstoff besteht.

Sein lebhaftes Interesse für die organische Chemie hat Magnus auch durch die Construction eines eigentbümlichen Gasofens**) für die Verbrennung kohlenstofi haltiger Substanzen bethätigt, welcher zu der Zeit, als man in Deutschland zuerst anfing das Leuchtgas als Brenn- material zu benutzen, sehr wesentliche Dienste geleistet hat.

Auch die physiologische Chemie ist durch Magnus wesent- lich bereichert worden. Seine Arbeit über die Blutgase***) ist in mehr als einer Beziehung bahnbrechend gewesen. Um den Einfluss dieser Untersuchung auf den Fortschritt der Wissenschaft bemessen zu können, müssen wir uns in die Zeit zurückversetzen, in welcher die- selbe ausgeführt wurde, und in die Auffassung der Frage, um deren Lösung es sich handelt, welche Magnus vorfand.

Die verschiedenen F'orschungen über das Wesen des Respira- tionsprocesses hatten zu abweichenden Ergebnissen geführt; es waren

*) Sur In suhstance connue sous le nom de cire fossile de Moldavte {Ozokent) (Extrait de lettre a M. de Humboldt). Ann. Chim. Phys, LV. 2J7. (1884); auch als Nachschrift zu einer Abhandlung von E. Kraus, über den Scheererit von Utznach. Pogg. Ann. XLIIT. 147. (1838).

**) Gasapparat für organische Analysen. J. Pr. Chem. LX. 32. (1853). ***) lieber die im Blut enthaltenen Gase, SauerstofiF, Stickstoff und Kohlensäure. Pagg. Ann. XL. 588. (1837.)

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zumal zwei Ansichten, welche einander gegenüberstanden. Die eine Ansicht lässt die Bildung der Kohlensäure in der Lunge erfolgen. Der mit dem venösen Blute in der Lunge zusammentreffende Sauer- stoff verbrennt alsbald einen Theil des Kohlenstoffs des Blutes und wird als Kohlensäure wieder ausgeathmet. Nach der andern Ansicht wird der Sauerstoff der eingeathmeten Luft von dem Blute absor- birt, die Koblensäurebildung findet im Kreislaufe des Blutes statt, das venöse Blut tritt bereits kohlensäurebeladen in die Lunge, und die fertig gebildete Kohlensäure wird einfach durch die Be- rührung mit der frisch eingeathmeten Luft ausgetrieben. In ein- fachster Form gefasst besteht der Unterschied beider Ansichten darin, dass nach der ersten der eingeathmefe Sauerstoff alsbald aus der Lunge wieder als Kohlensäure austritt, während er nach der zweiten erst im Blute durch den Organismus geführt wird, ehe er in Kohlen- säure verwandelt in die Atmosphäre zurückkehrt.

Für die erste Auffassung schien die Erfahrung zu sprechen, dass es nicht gelungen war, die Gegenwart von freier Kohlensäure in dem venösen Blute nachzuweisen. In der That hatten Gmelin, Mitscher- lich und Tiedeman n, als sie Blut in die Barometerleere treten Hessen, niemals eine Entwicklung von Kohlensäure wahrgenommen. Erst als sie mit Essigsäure versetztes Blut zu ihren Versuchen anwendeten, beobachteten sie das Entweichen von Kohlensäure, welche sie der in dem Blute angenommenen Gegenwart von Natriumcarbonat zuschrieben. Dagegen Hessen sich für die zweite Ansicht Erfahrungen von Stevens und Hoffmann geltend machen, welche gefunden hatten, dass sich aus venösem Blut durch Schütteln mit Wasserstoffgas Kohlensäure entbindet, und ebenso Versuche von Johan nes Müller , nach denen Frösche in einer Atmosphäre von Wasserstoff Kohlensäure ausathmen.

So lagen die Dinge, als Magnus die Untersuchung aufnahm. Er beginnt damit zu constatiren, dass ein Strom von Wasserstoffga.«, welchen man durcli venöses Blut leitet, in der That Kohlensäure aus- treibt. Zu dem Ende ist es nur nöthig durch Schütteln mit Glas- stückchen das Blut vom Fibrin zu befreien und alsdann zwischen dem das Blut enthaltenden Gefässe und der Entbindungsröhre ein leere-s ZwischengefSss einzuschalten, welches den entstehenden Schaum- auf- nimmt. Lässt man den durchgeleiteten Wasserstoffstrom in Kalkwasser treten, so wirc eine reichliche Menge von Calciumcarbonat gefällt. Men- schenblut und Pferdeblut zeigen genau dasselbe Verhalten. Bei den ersten nach diesem Verfahren angestellten Versuchen war das Blut auf seinem Wege aus der Ader in das Sammelgefäss, wenn auch nur wenige Augenblicke, mit der Luft in Berührung gewesen. Um dem et- waigen Einwand, dass auf diese Weise Luft absorbirt werden konnte, zu begegnen, wurde bei weiteren Versuchen eine Röhre in die Jugularis eines Pferdes eingesetzt und das Blut direct aus der Ader unter

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Quecksilber aufgesammelt. Das Ergebniss des Versuchs ward nicht geändert.

Aehniich wie durch Wasserstoff, wird auch durch einen Strom VOM Stickstoff Kohlensäure aus dem venösen Blute- ausgetrieben. Bei Anwendung des Schaumgefässes gelingt es nunmehr auch durch starkes Auspumpen mit der Luftpumpe das Vorhandensein der Kohlensäure in dem Blute nachzuweisen. Weniger befriedigend fallen die Ver- suche aus, die Quantität der Kohlensäure in dem Blute zu bestimmen. Magnus sucht für diesen Zweck den von Liebig bereits eingeführten Kaliapparat zu verwerthen. Die durch Wasserstoff ausgetriebene Kohlensäure wurde durch ein Chlorcalciumrohr getrocknet und schliess- lich in Kalilauge aufgesammelt und gewogen. Es gelang nicht den ganzen Kohlensäuregehalt auf diese Weise zu ermitteln, da die letzten Antheile durch den Wasserstoff nur äusserst langsam entfernt werden, so dass das Blut gewöhnlich schon anfing in Fäulniss überzugehen, ehe der Versuch vollendet war. Immerhin glaubt Magnus aus den Ergebnissen seiner Versuche den Schluss ziehen zu können, dass das venöse Blut wenigstens ^ seines Volums an Kohlensäure enthält. Durch Einleiten von Sauerstoff oder atmosphärischer Luft werden ganz ähnliche Resultate erhalten. Magnus glaubt, dass diese Ver- suche zu dem Schlüsse berechtigen, dass die Kohlensäure nicht erst in den Lungen gebildet werde, sondern dass sie einem während des Kreislaufs des Blutes sich vollendenden Oxydationsprocesse ihre Ent- stehung verdankt. Um aber die Frage zu einem befriedigenden Ab- schlüsse zu bringen , musste immer noch nachgewiesen werden , dass das arterielle Blut Sauerstoff enthalte, da man ja noch einwenden konnte, die durch Wasserstoff oder Stickstoff aus dem Blute ausgetriebene Kohlensäure stamme von einem in demselben enthaltenen Bicarbonat. In der That hatte H. Rose gezeigt, dass das Natriumbicarbonat selbst bei gewöhnlicher Temperatur im luftleeren Räume Kohlensäure verliert, und Magnus hatte sich durch besondere Versuche überzeugt, dass auch ein Strom Wasserstoff Kohlensäure aus dem Bicarbonat austreibt.

Während Magnus mit diesen Versuchen beschäftigt ist, werden ähnliche Untersuchungen auch von andrer Seite in Angriff genommen. Hier sind namentlich die Arbeiten von Theodor Ludwig Bischoff zu nennen. Derselbe hatte zunächst die Erfahrungen von Stevens und Hoff mann über die Expulsion der Kohlensäure aus dem venösen Blute mittelst Wasserstoff und Stickstoff, dann die Versuche von J. Müller über das Athmen der Frösche in Wasserstoff bestätigt; dann war es ihm ebenfalls gelungen, Kohlensäure, obwohl in sehr ge- ringer Menge, mit Hülfe der Luftpumpe aus dem Blute zu erhalten. Bisch off hat auch das arterielle Blut auf einen Gehalt an Kohlen- säure untersucht, glaubte jedoch aus seinen Versuchen schliessen zu müssen, dass das arterielle Blut keine Kohlensäure enthalte.

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Audi dit-.-«t jci<iii'it' Erfaliruiig koniiU' al» t*iu gewichtiger Ein- \Yaud gegen die Ansieht, dass sich die Kohlensäure während des Kreislaufs des Blutes bilde, geltend gemacht werden. Denn wenn die Kohlensäure aus dein venösen Blute durch die Luft verdrängt wurde, so konnte nach den Gesetzen der Absorption niemals alle Kohlensäure auf diese Weise entfernt werden. Es musste also auch in dem arteriellen Blute Kohlensäure vorhanden sein.

Um diesen Zweifeln zu begegnen, bestrebt sich Magnus, neue und bessere Untersuchurigsmethoden aufzufinden. Er ermittelt zu- nächst, weshalb alle früheren Forscher so grosse Schwierigkeiten fanden, mittelst der Luftpumpe Kohlensäure aus dem Blute zu erhalten. Er zeigt, dass die Schwierigkeit zunächst in der meist unzureichen- den Verdünnung der Luft beruhe, indem die Kohlensäure erst anfängt in bemerkbarer Menge aus dem Blute zu entweichen, wenn die Spann- kraft der über dem Blute befindlichen Gase auf 25""° gesunken ist, dann aber in dem Umstände, dass man häufig coagulirtes Blut an- wendete, welches seine Kohlensäure ungleich schwieriger abgiebt als das von seinem Faserstoff getrennte flüssige Blut, endlich aber darin, dass der Raum über dem Blut immer verhältnissmässig ausserordent- lich klein war und sich deshalb schnell so weit mit Kohlensäure füllte, dass der Druck derselben das Entweichen einer neuen Quaritität dieser Gasart hinderte. Die richtige Erkenntniss dieser Yerhältnisse gestattet denn auch alsbald die Construction eines Apparates, mittelst dessen sich die Blutgase ohne Schwierigkeit in hinreichender Menge für die Untersuchung erhalten lassen. Dieser Apparat, welcher, ob- wohl uns jetzt ungleich vollkommenere Vorrichtungen zu Gebote stehen, auch heute noch unser Interesse beansprucht, besteht wesent- lich aus einem birnförmigen Gefässe, welches oben und unten mit einem offenen Ansätze versehen ist. Die untere Mündung steht in einer kleinen Quecksilberwanne, das obere Ende trägt eine eiserne Fassung, welche mit einem Hahn versehen ist. Wird diese Fassung bei geöff- netem Hahn mit der Luftpumpe in Verbindung gesetzt, so kann durch das Spiel derselben die Birne leicht bis zum Hahn mit Quecksilber gefüllt werden. Nach Abschluss des Hahns wird eine mit Queck- silber gefüllte gleichfalls durch einen Hahn gesciilossene Glasröhre auf die Metallfassung der Birne aufgeschraubt. Nach Oeffnung beider Hähne wird das Quecksilber in Birne und Röhre durch den Druck der Atmosphäre schwebend erhalten. Nunmehr wird der Apparat mit der Quecksilberwanne unter den Recipienten der Luftpumpe gebracht und zwar in der Art, dass sich sein oberer Theil ausserhalb desselben befindet, die beiden Hähne also zugänglich bleiben. Werden diese beiden Hähne geöffnet nnd die Luft über dem Spiegel der Quecksilberwanne entfernt, so sinkt das Quecksilber in dem Apparat und alle Luft, welche derselbe noch enthält, sammelt sich

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nach mehrfachem Auspumpen in der abschraubbaren Röhre. Diese wird, nachdem die Hähne geschlossen worden sind, abgenommen, vollkommen mit Quecksilber gefüllt und wieder aufgesetzt. Der voU- («tilndig gefüllte Apparat ist jelzt zur Aufnahme des Blutes bereit. Zu dem Ende wird der Rcicipient der Luftpumpe entfernt, und der Apparat in die grosse Quecksilberwanne transferirt. Das Blut ist bereits in gläsernen Flaschen über Quecksilber aufgesammelt worden und zwar aus der Ju^^uluris eines Pferdes, wenn venöses, aus der Carotis, wenn arterielles Blut zum Versuche vorwendet werden soll. Aus diesen Klaschen, in denen durch Schütteln die Abscheidung des Fibrins bewerkstelligt worden ist, tritt das Blut anmittelbar in den oberen Tlifil der Mirric! des Apparates, welcher alsbald in derselben Weise wie früiier unter den Recipienten der Luftpumpe gebracht wird. Beim AuHpun)pen entsteht ein Vacuum über dem Blute, in welchem, wenn das Spiel dor Pumpe andauert, die Blutgase sich sammeln; werden nunmehr di»i Hähne geöffnet, so fällt das Quecksilber aus der Röhre in die Birno und die Blutgase verbreiten sich in der Röhre. Man braucht nunmehr nur noch langsam Luft in den Recipienten treten KU lassen, bis die Oberfläche des Blutes an dem unteren Hahne allgelangt ist, um die ganze Menge der entwickelten Gase in der Röhre zu vereinigen, welche nach dem Schluss der Hähne abge- Hchraubt wird. Man hat auf diese Weise einen Vorrath an Gas ge- HJiinnieU, dessen oudionietrische Analyse nach den gewöhnlichen Methoden keine weitere Schwierigkeit bietet.

Die «ahlreichen Versuche, welche Magnus mit so erhaltenen Blut- gMen angestellt hat, xeigen, dass sowohl das venöse, als auch das Arterielle Blut Kohlensäure, Sauerstoff" und Stickstoff enthält, aller- dings in wesentlich verschiedenen Verhältnissen, denn während der Saucrstotl' im venösen Blut höchstens ein Viertel, oft nur ein Fünftel des in ihn» enthaltenen Kohlensäurovolums beträgt, ist das Sauerstoft- volun» im arteriellen Blute nie weniger als ein Drittheil und steigt oft bis »ur Hälfte der beobachteten Kohlensäure.

Diese Resultate bestätigen in jeder Beziehung die Auffassung des Resipirutionsprocesses. lu welcher Magnus bereits durch seine früheren Versuche geführt worden war. Er bedauert , dass sich selbst beim !«tftrk8ten Auspumpen niemals der ganse Gasgehalt des Blutes austreiben H«9», und ihm «uf diese Weise die Gelegenheit entging, einen weiteren g;«»wiehtig\>n Beleg filr seine Ansicht lu gewinneo. Wäre es möglich ge- >N'1^»en die ganie Menge der in dem venösen und arteriellen Blate ent- iMÜtenen Qms m erhalten, so hätte, da ja nach den zur er lässigsten Vertttdian die Menge der beim Athmen aosgebaucbten Kohlensäure (bei Pflanttofireesera) nahezu gleich ist der Quantität des aafgenom- MM«aa Saneratoft, ea sich bei der Vergleichung gleicher Tolome der aas v^ndaeva and artmelli^iu Blute entwickelten Gase heraassiellen

3v)

mfissen, dass sicL ut-i .^aucrstuü- uuu rvKuini-'rturegc-ljalt b»'iiJ<.-r zu d<-ui- 8«lbeo Vulume ergäozcn.

Etwa siebeu Jahre später bat Magnus eine nicht eben erfrifu- liebe V'eranlassang gehabt, auf diese Untersuchungen zurückzukommen, in sofern seine Versuche über die Blutgase von Gay-Lussac*) einer nichts weniger ab wohlwollenden Kritik unterworfen wurden. In diest-r Kritik, welche jedoch keine neuen Versuche bringt, wird der

- Ergebnis» jener Arbeit aufgestellten Theorie über den Vorgang i>eim Äthanen jede sichere experimentale Grundlage abge»proebep, uod sogar behauptet, dass man aus den angestellten VersodieD gerade da« Gegentheil folgern könne. Magna« bleibt seioem Gegner die Antwort nicht l»nge schuldig. In einer am 17. Juni 1^^ der Ber- liner Akademie der WiMenschaften mitgetheilten sehr maaMrolleo Entgegnung**) zeigt er, daas die ganze Reclmong Gaj-Lnatae's aaf irrigen Voraussetzungen beruht, and da«s die ron dem firanzon* »eben Fordeber vorgebrachten Einwände die ron ihm gezc^enen ScUfisM in keinerlei Weiae begntricht%{«t. SfÜer bat ihm dicte Dtseoaaion Veranlaawing gegeben, noeb einige wdtere Venndie Sber die angeregte Frage anzustellen nnd namentücb die Lfiriirhkwt des Saaentafii im Blote zu besdouBen**^ Da« GeaammtefgebnJM arioer Untcnaebangea iber die Be8|nration ist in einer am 9. Aognst 1S46 bei CekgeiAeit seiner EinfBbmag; als Orfinarins in die |rfriloso^biscfae Facakät g^aheiien lafrinisrlifa Bede «mammeaf rf assf f).

Magnas bat die Lebre waa &ea Blatgssra and der B4rfle, die sie bei der Afhmaag spielea, soweit gelordert, wie es die daawJigeo HiUmuttel criaabCen. Die adtdrm so sehr trerrolOumunKt«> Medbo- dea der Gaaaaahrae, die cnieale Prnfimg des Gesetzes der Absorption der Gase doscb tropfbare FBss^^keäea, üe rethemerUa Mittel sar nlöolidbes HenteOaBg aaagedebato- Yaeaa, aad die dardi Se fÜtf-

kiaiscbeo Labocatoriea aeboleae ir*rht^ Gdeaeabeä za dtnioAtn ^ctaackea, diese UmatiHide vcnaat babea zabiraebe aeae For- iber die BIwtgMr rcnabart, wekbe saaml darcb die Ar- roa Lotbsr Mejer, Ladwig aad SCMer Scbikr, Pni- gcr a. A. m ararsirr Zcä ailcrdiay sa Ergebaossea aa

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Ukift. IIS. Vther 4m. ^ Dt Te*pirmti«m«. r^ugnmmmm fa» mt IvHtmrm gmUtemm mmmtrCm ptm-

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Nach der hcatigen A ■ff'BMiiiig der PhjaMdogen viid die KoMe« siure des Mates so got wie SBMschlirsslirh tob dcas Plssma drMcl b^ bcheibcigt; oboeboo das Flasaa aBraKsrti reagirt, sdieüit se ^kicfawoh) großen Tbells Ton demadben absortnxt xn sein, and fir sie hätte sich atoo die AbsoipCimislheone, wridMr liagnas holdste, bestätigt. Der Saaentoff des Notes dagegeo wird nadi den g^eo- wiitig herrschenden Ansichten ron den Blntkörperchen in önar lockeren chenischea Terbindoi^ festgehalten, die, wie das Xatnam- bicarbonat xa flne» Bestände &st des vottea amosphärisdiea Drockes bedarf eine Natnreinrichfng, deren Zwecknässg^eit exnlenchtet, da, wenn der Saaenttrf^gehalt des Bfaites dem Dalton-Henrj'schen AbaoffplinHgesetse folgte, ^Gaj-Lnssae and Hamboldt ridlcicfat in ,Ld>aisge£üir gerathen wären, als der eine das BanMoeter aaf 12, der «andere aaf 14 ZoQ sinken sah.**) In Besag aitf doi Saaerstoff , den Magnas d>aifiüls als vom Blate absoibirt annahm , hat also die PiijsioiogM »eoe nnd widitige Thatsadwa enülieh. Einem Gegen- stand von so inimffnrdrntiirhiT Yowiddang gegmaber hätte es in der That eines seiner Etgröndong ansschliesslicli gewidmeten Forseher- lebras bcdadOt, am an nach alka Bichtaagea so ench5|rfien. bnmer- hin aber bleibe die Aibcift fibo- die Blatgase eines der schönsten Denkmale, die nch Magnas in der Wissenschaft gesetzt hat. Uebcr Aem Interesse an Detai&agen ist nnsere Zdt rielleicfat za sehr gene^ die Grösse des SArittes m nirterschährcn, durch welchoi er saerst aaf diesem Felde Bahn Wach, and n Tcrgtascn, dass zwei Jahrzehnte hindaidi das was er gelasden hatte, das Beste and ümCusend^te Uleb. was man nber den Aflnnnngspiocess

Aach den Anwendangen der Cheaüe aaf die Landwirthschaft ist Magaas nieht frond geUEdien. Er hat sich allodings nar vovlber- gehrad snt der Agricaltarchemie beachäftigt, alletn die Cnter- sachangen, weldie tbeUweiae von ihm Teranlafirt, theilweise too ihm selber aasgdnhrt worden sind, haben g^dchwckhl wesestfich aar Aaf> klärnng einiger Fragen bc^eiragen, widche zweifeifaafi gebKeben waren. Jeden£üls aber sind diese Aiheäen wiederom Zenge des rasthmen Eifers, mit weichem der lebhafte GeiM aaaeres Freandcs die niMiBwbaflli<lnii Bew^ongen seäno- Zdt verfolgte nnd sich an Aesen Bewcgangen m bethei^en strdMe.

Die erste Anr^nng zam Stndiam agricaltarehemischer ProUesse verdankt Magnas den grosssrtigen Forschangen Liebig's aaf diesem Gebiete, welche einen mächt^en Eiadracfc aaf ihn gemacht hatten.

•) L«tkar Mcjer. die Garn «m «1. (ISi7.)

Es war in Fol»e div<<.j- K::.i5r,u-k<. v:;i<> >ii.;. M.-ii;!. us im I^ufe der rierxiger Jährt bt-^iiuin^ru ius> . xi? ci.ti-iuij'cht r Btraiher an den Ar- beiten des Pk^eassischen Landes -Oeitouoinie-CoUegiuiDS Theil zu neh- mea, «elclw« damals anter der Präsidentschaft von t. Beckedorf stand, und in veldiem zumal auch der Lande«5konomieratb Koppe der cheaiiscken Behandlung landwirthschaAlicher Fragen mit Nachdruck das Wort redete.

Bald nach seinem Eintritte veranlasst denn auch das Landes- Oekonomie-CoUegium eine grössere Reihe ron Untersuchungen zur Beantwortung der Frage: In welchem Ilaasse müssen gewisse unor- ganische Bestandtheile im Boden rorhandm sein, damit bestimmte Pflanzen auf demselben gedeihen? Diese auf breitester Grundlage begonnene Untersuchung ist leider Fragment geblieben und gerade aus diesem Grande auch minder fruchtbringend gewesen, als die im grossen Styl«? concipirte Arbeit wohl hätte erwarten lassen. Ueber die Disposition der Untersuchung, sowie über die nach Ablauf ron drei Jahren erhaltenen Resultate hat Magnus im Auftrage des Lan- des-Oekonomie-GslIegiums Bericht erstattet.*)

.^Wenn durcii chemische Analysen ermittelt wäre", sagt Magnus in diesem Bericht, .wie viel jede Pflanze von den einzelnen anorgani- schen Stoffen für ihre Entwicklung bedarf, so würde man dadurch leicht berrciinen können, wieviel von diesen Stoffen der Boden her- geben moss für eine volle Erndte von einer bestimmten Pflanze; alK-in es ist offenbar, dass diese Quantitäten für die Vegetation nicht gcT,r:i:(n, und dass der Boden die Stoffe in grösserer Menge besitzen muss, als sie von der Pflanze aufgenommen werden. Dies wird er- forderlich sein, seihst wenn sie sich in solchen Verbindungen im Boden befinden, in denen sie von der Pflanze leicht aufgesogen wer- den können, noch mehr aber, wenn die Verbindungen, in denen sie vorkommen, erst durch atmosphärische Einflüsse zersetzt und verän- dert werden müssen, um aufnehmbar zu werden, oder w^nn ein Theil dt-r^tlbeu sich in solchen Verbindungen befindet, dass er gar nicht zur Kiiiährung der Pflanze dienen kann. Es bleibt daher, selbst wenn man genau weiss, wie viel von jedem unorganischen Stoffe eine Pflanze enthält, für den Landwirth die Frage noch immer unbeantwortet, in welchen Verhältnissen diese Stoffe im Boden vorhanden sein müssen, und es erscheint die Beantwortung derselben um so wichtiger, als man in neuerer Zeit so weit gegangen ist, die gedeihliche Entwicklung der Pflanzen, abgesehen von den klimatischen Verhältnissen, als allein abhängig von dem Vorhandensein einer genügenden Menge jener Be-

*) Bericht Ober Versnche, brlreffend die EischSpfnug des Bodens, welche da^ Köni^ich Preussische Lande^OekoDomie-Collegiam Temnlasst bat. Annal. d. Lai»l>«. XIV. 2; u. J. Pr. Cbem. XL VIII. 447. (1849).

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standtheile zu erkläre», und die ganze Wirksamkeit des Düngers als au8_ schliesslich auf der Zuführung unorganischer Stoffe beruhend anzusehen.

Der geeignetste Weg, um zum Ziele zu gelangen, schien zu sein, den Boden zu untersuchen, sodann ein und dieselbe Frucht so lange hinter einander ohne Dünger auf demselben zu bauen, bis sie keinen Ertrag mehr liefert, und hiernach den Boden wieder zu untersuchen."

Magnus unterschätzt die Schwierigkeiten nicht, welche sich einer solchen Untersuchung in den Weg stellen , und welche zumal in der Un- möglichkeit liegen, den Boden von so gleichmässiger Beschaffenheit zu erhalten, dass man aus der Zerlegung einer einzelnen Stelle auf die Zusammensetzung der ganzen Fläche schliessen könnte. Dann aber ist es auch die Unsicherheit, bis zu welcher Tiefe man die Acker- krume zu rechnen habe, und endlich ganz wesentlich die Unvollkom- menheit der analytischen Methoden, welche einer solchen Untersuchung hindernd im Wege stehen.

Diesen Schwierigkeiten sucht das Landes -Oekonomie-CoUegiuni dadurch zu begegnen, dass es die zur Analyse bestimmten Proben von möglichst vielen Stellen des Versuchsfeldes nehmön und sorgfäl- tigst mischen lässt, um eine Durchschnittsprobe des Bodens «u erhal- ten. Ausserdem hofft man der Unsicherheit durch eine recht grosse Zahl von Versuchen zu steuern. Zu dem Ende wird die Untersuchung gleichzeitig unter den Aujpicien der ausgezeichnetesten Landwirthe an nicht weniger als vierzehn Orten in den verschiedenen Provinzen des Reichs aufgenommen und die Analyse des Bodens eines jeden Ver- suchsfeldes von drei unabhängig von einander arbeitenden Chemikern ausgeführt. Für diese umfangreiche Arbeit ist es gelungen , die Mit- wirkung von einundzwanzig namhaften jungen Chemikern zu gewinnen, welche theilweise auch mit der Analyse der auf den Versuchsfeldern gebauten Pflanzen betraut werden. Um die bereits hinlänglich um- fangreichen Versuche nicht über die Grenzen des Erreichbaren aus- zudehnen, beschränkt man sich zunächst darauf, die Erschöpfung des Bodens durch den Anbau zweier Pflanzen, nämlich Raps und Erbsen, herbeizuführen, welche bekanntlich in hohem Grade erschöpfend wirken. Die V^ersuchsfelder waren möglichst gleichartig behandelt worden, alle hatten das Jahr zuvor nur eine gewöhnliche Düngung mit Rindermist erhalten und schliesslich eine Kartoffelernte getragen.

Schon gleich die Ergebnisse, welche die dreifachen Analysen der vierzehn Bodenarten liefern, entsprechen kaum den Erwartungen, welche man gehegt hatte. Bei der Vergleichung der Analysen, welche von verschiedenen Experimentatoren mit derselben Bodenart angestellt wur- den , vermisst man alsbald die erhoffte Uebereinstimmung. . Magnus erkennt, dass seine Besorgniss, es m(>ge sich der Boden nicht hinreichend gleichartig beschaffen lassen, und es könnten die analytischen Mofhoden der nöthigen Schärfe ermangeln, nur zu begründet waren, und er gesteht

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mit der Offenheit, welche er in keiner seiner Arbeiten verlfiugnet, es gehe aus diesen Untersuchungen mit Bestimmtheit hervor, dass man bisher den Analysen der Ackererden eine viel grössere Bedeutung beigelegt habe, als sie in der That verdienen. Die Abweichungen in den anahtischen Resultaten sind allerdings nicht sehr erheblich, betragen in der That gewöhnlich kaum mehr als Bruchtheile eines Procents, allein wenn man die Masse des Bodens in Rechnung nimmt, auf welche sich die Analysen beziehen, so erkennt man, dass was in der Analyse als eine geringe Differenz erscheint, in der Natur einer kolossalen Gewichtsmenge entsprechen kann. Magnus erörtert dieses Verhältniss an einem instructiven Beispiele. Gerade die Sub- stanzen, die in dem Boden sich nur spärlich vorfinden, wie Phosphor- siiure, Schwefel u. s. w., sind in manchen Pflanzen in ganz erheblicher Menge vorhanden. Nach Erfahrungen, welche im Laufe der Untersuchung gewonnen worden waren, wird einem Morgen Land durch eine Raps- ernte, Körner und Stroh zusammengenommen, 13 Pfund Phosphorsäure entzogen. Lafst man eine Mächtigkeit der Ackerkrume von 9 Zoll gelten, 80 wiegt, wenn das Vol. Gew. der Ackererde zu 1,5 gesetzt wird, die für den Anbau verwerthbar angenommene trockne Bodenfläche eines Morgens 1,944,000 Pfd. Es werden also dem Boden durch

13 X 100 eine Rapsernte v^iÄl^rifi "^ 0,00066 p. C. Phosphorsäure entzogen.

Vergleicht man nun die von zwei Beobachtern ausgeführten ßeslimmungen der Phosphorsäure in demselben Boden, so zeigt es sich, dass sie sehr häufig schon in der ersten Decimale nicht mehr übereinstimmen, und man sieht also, dass man hundert Jahre lang Raps auf dem Acker ernten könnte, ohne dass sich dies mit Sicherheit durch die chemische Analyse nachweisen Hesse.

Was die im Laufe der Untersuchung ausgeführten Aschenanalysen anlangt, so zeigt sich der Gebalt an Asche sowohl, als auch die Zu- sammensetzung derselben sehr verschieden, wenn die ascheliefernden Pflanzen auf verschiedenem Boden gewachsen waren. Magnus ist geneigt, einen Theil dieser Verschiedenheit auf Rechnung der Unzu- länglichkeit der Methode der Aschenanalyse zu setzen, deren Vervoll- kommnung man damals noch nicht die nöthige Aufmerksamkeit ge- schenkt hatte. Ein anderer Grund für dieselben möchte darin zu suchen sein, dass es schwer ist, die Körner, besonders aber das Stroh von dem anhaftenden Erdreiche vollständig zu befreien, zumal wenn dieses thonhaltig ist.

Da jedoch die Analysen hier in sehr grosser Menge vorliegen, so wird Magnus auf gewisse Ansichten über das Vorkommen der mi- neralischen Besfandtheile in den Pflanzen geführt, die er allerdings noch nicht für vollkommen begründet erachtet, die jedoch immerhin, wie er glaubt, Beachtung verdienen. Es scheint nämlich die Quan-

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tität der Asche in den Körnern viel constanter zu sein, als in dem Stroh, und ebenso zeigt sich auch die Zusammensetzung der Asche der Körner viel gleichförmiger, als die der Asche des Strohs. Nament- lich stellt sich dies heraus, wenn man die Quantitäten der Plios- phorsäure und des Chlors in den Aschen, einerseits des Strohs und andrerseits der Körner, unter sich vergleicht. Bei den Rapskörnern erreicht z. B. der Chlorgehalt in keiner Analyse auch nur 1 p. C, während derselbe im Rapsstroh zwischen 23,8 und 3 p. C. schwankt. Aber nicht nur liegen die Extreme einander viel näher, sondern auch das Schwanken von einer Analyse zur andern ist bei den Körnern weit geringer, als bei dem Stroh, sowohl für Raps, als für Erbsen. Dies Ergebniss ist übrigens wohl verständlich, denn es ist mindestens wahr- scheinlicb, dass die Wurzeln der Pflanze von den ihnen im Boden dargebotenen Salzen eine grössere Menge aufnehmen, wenn ihnen diese reichlicher dargeboten werden, als wenn dies nicht der Fall ist. Deshalb aber werden die einzelnen Organe der Pflanze doch nur so viel von diesen Salzen wirklich assimiliren, als sie für ihre Ent- wickelung bedürfen; die grössere Menge der Asche in dorn Stroh würde nach dieser Betrachtung von den noch nicht verarbeiteten Säften her- rühren, welche sich in dem Pflanzenkörper bewegen.

Eine vollständige Gleichheit in der Zusammensetzung der Aschen ist man übrigens nach den vorliegenden Analysen auch für die Körner nicht bereclitigt anzunehmen. Wenn eine Verschiedenheit derselben je nach dem Boden, auf dem sie, so wie nach den verschiedenen Jahren, in denen sie cultivirt wurden, stattfindet, so würde eine solche ganz analog mit den entsprechenden Erscheinungen sein, welche man auf anderen Gebieten der organischen Natur beobachtet. Denn auch bei den Thieren finden wir die Fleisch- und Fettmasse im Verhältniss zu den Knochen verschieden, und weshalb solhe nicht ebenso auch bei den Pflanzen die Ausbildung gewisser Organe vorzugsweise statt- finden, je nach der Nahrung, welche dieselben vorfinden. Dass ein- zelne organische Bestandf heile sich nach Verschiedenheit des Bodens und der Jahre verschieden ausbilden, ist bekannt, und es braucht nur an den verschiedenen Gehalt an Oel im Raps erinnert zu werden. Magnus hält es desshalb für sehr wahrscheinlich, dass auch die Mine- ralbestand theile von den Pflanzen in verschiedener Quantität auf- genommen werden.

Die von dem Landes- Oekonomie-Collegium veranlasste Unter- suchung ist, wie bereits bemerkt, unvollendet geblieben, sei es weil man nicht gleich Resultate gewonnen hatte, welche den aufgewendeten Mitteln entsprachen, sei es weil .«ich die dem Umfange der Unter- suchung entsprechenden wissenschaftlichen Kräfte auf die Dauer nicht vereinigen Hessen. Magnus selbst hat sich indessen noch längere Zeit mit der Frage beschäftigt, wie aici. aus eigenen Versuchen ergiebt,

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welche er etwa ein Jahr nach seiner Berichterstattung veröffentlicht hat.*)

Ausgangspunkt dieser Versuche ist die Ansicht, dass keineswegs sämmtliche in dem Boden und selbst in der Asche der Pflanzen auf- gefundenen Bestandtheile für die Entwickelung der Pflanze nothwendig sind, und, dies zugegeben, die daran sich anknüpfende Frage, welche Bestandtheile unbedingt erforderlich sind. Die Beantwortung dieser Frage wird von Magnus in der Art angestrebt, dass er ähnlich wie dies fast um dieselbe Zeit von dem Fürsten zu Salm-Horstmar geschehen war, Pflanzen in einem Boden von bekannter Zusammen- setzung vegetiren lässt, in welchem einzelne von den in allen Pflanzen vorkommenden Substanzen gänzlich fehlen. E^ wurden mehrere Reihen von Versuchen angestellt. Zunächst Versuche in ausgeglühter Zuckerkohle, welche durch die Analyse als vollkommen frei von allen Mineralsubstanzen erkannt worden war. Aus dieser wurde der Boden für acht Vegetationsversuche mit Gerste in der Art bereitet, dass für den ersten Versuch reine Kohle, für den zweiten Kohle mit 15 p. C. einer Mischung von den Carbonaten des Calciums, Mangans und Mag- nesiums, Eisenoxyd, Calciumsulfat, Calciumphosphat, Natrium- und Kaliumchlorid und Kaliumsilicat in Anwendung kam. Für die folgen- den Versuche wurde die Kohle mit einem ähnlichen Sal/gemische versetzt, in der Weise, dass im dritten das Kaliumsilicat, im vierten das Natriumchlorid, im fünften das Calciumphosphat, im sechsten das Calciumsulfat, im siebenten das Mangancarbonat, im achten das Ka- liumchlorid und -Silicat wegblieben, also beziehungsweise Kieselsäure, Natron, Phosphorsäure, Schwefelsäure, Eisen und Kali fehlten. Diese erste Versuchsreihe lieferte nur wenig befriedigende Ergebnisse, da die Pflanzen offenbar in Folge des Ueberraaasses an löslichen Salzen, welche ihnen geboten worden waren, zu keiner eigentlichen Entwickelung gelangen konnten. Selbst als die Versuche wiederholt wurden, nachdem die grössere Menge der löslichen Salze durch Aus- waschen entfernt worden war, wollten die Pflanzen zu einem erfreu- lichen Gedeihen nicht gelangen. Schon wesentlich befriedigendere Resultate wurden erzielt, als die Gerste theiis in reinem Feldspath, theils in solchem vegetirte, den man mit verminderten Quantitäten der bezeichneten Salzgemenge vermischt hatte. Magnus fasst die Ergeb- nisse der Untersuchung folgendermaassen zusammen. 1) Ohne die Ge- genwart von mineralischen Stoffen erreicht die Gerste nur eine Höhe von etwa 5 Zoll und stirbt dann ab; 2) bei Gegenwart einer sehr geringen Menge von mineralischen Stoffen findet eine vi»llständige Entwickelung statt; 3) ist eine etwas grössere Menge davon vorhanden, so entwickelt

•) üeber die Emähruiig der Pflanzen. Annal. d. Landw. XVIII. 1 : u. J. Pr. Chem. L. 6.5. (1850).

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sich die Pflanze kümmerlich oder gar nicht; 4) in reinem Feldspath er- langt die Gerste eine vollständige Ausbildung und bringt Samen her- vor; 5) je nachdem der P^eldspath als gröberes oder feineres Pulver angewendet wird, ist der Verlauf der Vegetation verschieden.

Weiter theilt Magnus lehrreiche Versuche über die Frage mit, ob animalische oder vegetabilische Abfälle, welche dem Boden zugeführt werden , um seine Ertragsfähigkeit zu erhöhen, nur durch die in ihnen enthaltenen Mineralbestandtheile wirken, oder ob auch ihre organischen Bestandtheile eine wesentliche Rolle dabei spielen. Zu dem Ende wur- den drei vergleichende Versuche ausgeführt; bei dem einen vegetirte die Gerste in gewöhnlicher Gartenerde, bei dem zweiten in derselben Gartenerde, nachdem dieselbe zuvor durch Glühen in einem SauerstofF- strome von jeder Spur organischer Materie befreit worden war, bei dem dritten wieder in derselben Gartenerde, welche man aber im vorher- gehenden Jahre gut gedüngt hatte. In allen drei Versuchen erfolgte die Entwicklung der Gerstenpflanze bis zur Bildung körnertragender Aehren , allein während zwischen den Ergebnissen des ersten und zweiten Versuchs kaum ein Unterschied wahrzunehmen war, hatte sich die Pflanze in dem gedüngten Boden ungleich üppiger und blatt- reicher entfaltet.

Schliesslich wird noch ein sehr schöner Vegetationsversuch in ge- sperrter Atmosphäre beschrieben. Die Gerste vegetirte in drei her- metisch schliessenden Glasglocken, in welche indessen durch geeignete Vorrichtungen Luft und Wasser eingeführt werden konnten. Der Boden in der ersten Glocke war gewöhnliche ungedüngte Gartenerde, die zweite Glocke enthielt dieselbe, aber in Sauerstoff geglühte Garten- erde, in der dritten endlich befand sich neben der geglühten Garten- erde, aber getrennt davon in einem besonderen Gefässe, eine Quan- tität gedüngter Gartenerde. Innerhalb der ersten vierzehn Tage war kein Unterschied in der Entwickelung der Pflanzen wahrzunehmen. Von dieser Zeit aber zeichneten sich die unter der ersten Glocke vor denjenigen unter den beiden anderen, bei welchen die Gartenerde fehlte, sehr auffallend aus. Nach etwa drei Wochen war die Vegeta- tion in den beiden letzteren beendet, die Pflanzen hatten eine Höhe zwischen 7 und 11 Zoll, einzelne sogar bis 17 Zoll erreicht und das dritte oder vierte Blatt entwickelt, wurden aber zuletzt weiss und welk. Dagegen fuhren die unter der dritten Glocke befindlichen Pflanzen, welche ihnen, wie gesagt, um diese Zeit nur wenig voraus waren, fort, sich zu entwickeln. Nach etwa acht Wochen fingen feie an, Aehren anzusetzen , deren Körnerzahl zwischen zwei und acht schwankte; sie hatten dabei eine Höhe von 24 bis 28 Zoll erreicht, so dass sie sich in ihrer Glocke bedeutend krümmen mussten; auch hatten sie mehrere Schösslinge getrieben. Ueberhaupt gelangten sie zu einem viel kräftigeren Ansehen, als die in derselben Erde gezogenen

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Pflanzen, welche sich unbedeckt entwickelt hatten, während die unter den Glocken ohne Gartenerde erhaltenen weit hinter jenen zurückge- blieben waren. Nur die Körner hatten sich nicht aasgebildet, sondern waren sämmtlich taub.

Es geht aus diesen Versuchen hervor, dass der Dünger eine Wirkung ausübt, auch wenn er gar nicht mit dem Boden in Berührung ist. Er wirkt daher nicht allein, indem er dem Boden gewisse mine- ralische Stofte zufuhrt, sondern seine organischen Bestandtheile tragen auch, und zwar nicht unwesentlich, zur Beförderung der Vegetation bei.

Die hier beschriebenen Versuche scheinen die letzten gewesen zu »ein, welche Magnus auf dem Gebiete der Agriculturchemie ange- stellt hat. Es war gerade um diese Zeit (1852), dass er in ganz neue Bahnen einlenkte, auf denen, wie bei der Arbeit über die Abweichung der Geschosse und der Construction des Polytrops, seine ganze Ar- beitskraft in Anspruch genommen wurde.

Noch haben wir, um das Bild der chemischen Thätigkeit unseres Freundes zu vervollständigen, einiger chemisch-technologischer Arbeiten desselben zu gedenken. Wenn man sich erinnert, dass Magnus beinahe vierzig Jahre lang Technologie vorgetragen hat, so könnte es auf den ersten Blick auffallend erscheinen, dass sich seine Untersuchun- gen so selten eigentlich technologischen Aufgaben zulenken. Bei näherer Erwägung aber verschwindet das Befremdliche dieser Abneigung gegen das rein technische, sie erscheint vielmehr als die natürliche Folge der wahrhaft wissenschaftlichen Auffassungen, denen er auch in seinen technologischen Vorlesungen niemals untreu ward. Eine industrielle Operation, wie grossartig immer die mit ihrer Hülfe erzielten Er- gebnisse, hat für Magnus kein Interesse, wenn ihr nicht ein fassbares, wissenschaftliches Princip zu Grunde liegt. "Wenn er tech- nologische Versuche anstellt, so ist es in der Regel nur das Princip, welches illustrirt werden soll.

So sehen wir ihn denn z.B. den merkwürdigen, von Peregrine Phillips d.J., einem Essigfabrikanten in Bristol, gemachten Vorschlag, ein Gemenge von schwefliger Säure und Sauerstoff durch Berührung mit Platin direct in Schwefelsäure überzuführen, alsbald mit Eifer einer experimentalen Prüfung unterziehen*). Seine Versuche bestätigen die Beobachtung Phillips', deren wissenschaftlicher Werth durch den Umstand, dass sie bis jetzt practisch nicht verwerthbar gewesen ist, nicht verringert wird. Magnus stellt den Versuch so an, dass er Platinschwamm in einer gekrümmten Röhre erhitzt, in welche man das Gemenge von schwefliger SSure und Sauerstoff hat eintreten lassen.

*) Ueber die Fabrikation der englischen SchwefeU&nre ohne Salpeter. Pogg. Ann. XXIV. 610. (1832).

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Auch der schöne Vorlesungversnch , in welchem ein Genienge von SauorstofiF und schwefliger Säure, beide im trockenen Zustande, durch eine schwachglühende, Platinschwamm enthaltende Röhre ge- leitet wird, ist in dieser Form zuerst von Magnus ausgeführt worden.

Dass sich Magnus übrigens auch gelegentlich mit grossem Eifer rein practischen Fragen widmen konnte, erhellt zur Genüge aus seiner unermüdlichen Betheiligung an den Arbeiten der sogenannten Patina- Commission, welche sich auf Veranlassung des hiesigen Vereins zur Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen unter dem Vorsitze von Dr. L. Kunheim seit einigen Jahren mit der Aufgabe beschäftigt, unsere Broncemonumente gegen den zerstörenden Einfluss der Witterung zu schützen.

Magnus, von dem der Vorschlag zur Bildung dieser Commission ursprünglich ausgegangen war, hat selbst nicht lange vor seinem Tode ein kurzes Referat*) über die Wirksamkeit derselben veröffentlicht. Wir können nicht besser thun, als seine eigenen Worte an dieser Stelle folgen zu lassen.

„In fast allen grossen Städten, besonders in solchen, wo Kohle als Brennmaterial dient, hat man die Erfahrung gemacht, dass auf öffent- lichen Plätzen aufgestellte Broncen, statt sich mit einer Patina zu be- kleiden, ein schmutziges, dunkles, dem des Gusseisens ähnliches Ansehn erhalten. Der Wunsch, diesem Uebelstande zu begegnen, hat zur Anstellung einer Reihe vergleichender Versuche Veranlassung gegeben, um womöglich eine Abhülfe zu finden.

Zunächst hat man die Frage zu beantworten gesucht, ob eine bestimmte Zusammensetzung der Bronce die Annahme einer schönen Patina bedinge. Zu dem Ende sind von zehn, durch besonders schöne Patina ausgezeichneten Broncen, die sich an verschiedenen Orten be- finden, kleine Proben entnommen und analysirt worden. Jede dieser Proben wurde getheilt und zwei verschiedenen, anerkannten Chemikern zur Analyse übergeben. Die Ergebnisse derselben sind in den Ver- handlungen des Vereins für das Jahr 1864 veröff"entlicht.**) Sie haben gezeigt, dass die untersuchten Broncen von sehr verschiedener Zu- sammensetzung sind. Der Kupfergehalt schwankt in ihnen von 77 bis zu 94 Proc. Die Menge des Zinns steigt in einer derselben bis zu 9 Proc, in andern beträgt sie nur 4 Proc. und einzelne enthalten nicht mehr als 0,8 Proc. Zinn; dagegen bis zu 19 Proc. Zink. Eben- so schwanken die andern zufälligen Beimischungen, wie Blei, Eisen,

•) Ueber die Erlangung einer schönen Patina auf Broncen in grossen Städten. Pogg. Ann. CXXXVI. 480. (1869).

•*) lieber den Einfiuss der Zusatnmcnsetzung der Bronzen auf die Erlangnng einer schönen grünen Patina. Von G. Magnus. Verh. d. Ver. z. Betbrd. d. Ge- werbfleisses i. Preussen. 1864. 27.

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Nickel. Bei der verschiedensten Zusammensetzung besitzen diese Broncen sämmtlich eine sehr schöne, grüne Patina. Es wäre möglich, dass die Zusammensetzung einen Einfluss auf die Zeit übt, innerhalb welcher die Broncen, unter übrigens gleichen Umständen, sich mit der Patina bekleiden; dass aber bei der verschiedensten Zusammen- setzung die Annahme der Patina erfolgen kann, darüber lassen die erwähnten Analysen keinen Zweifel.

Um andere Einflüsse bei der Annahme der Patina kennen zu lernen, wurde eine Anzahl von Büsten aus Bronce an einer Stelle in der Stadt aufgestellt, wo besonders ungünstige Exhalationen statt- finden, und wo verschiedene, ganz in der Nähe befindliche Bronce- Stataen, ohne eine Spur von Patina anzusetzen, das oben erwähnte unangenehme, schwarze Aeussere angenommen haben.

Durch die Beobachtung, dass an mehreren öffentlichen Denkmälern die dem Publicum zugänglichen Stellen , welche vielfach mit den Händen befasst werden, eine, wenn auch nicht grüne, doch sonst sehr schöne Patina angenommen haben , während alle übrigen Stel- len schwarz und unansehnlich sind, kam die mit der Untersuchung beauftragte Commission auf die Vermuthung, dass möglicher Weise das Fett die Bildung einer Patina veranlassen könne. Es wurde deshalb eine der aufgestellten Büsten jeden Tag, mit Ausnahme der Regentage, mit Wasser abgespritzt, um sie rein zu erhalten, und ausserdem jeden Monat einmal mit Knochenöl in der Weise behan- delt, dass das mit einem Pinsel aufgebrachte Oel sogleich mittelst wollener Lappen wieder abgerieben wurde. Eine zweite Büste wurde ebenfalls täglich mit Wasser gereinigt, erhielt aber kein Oel. Bei einer dritten, ebenfalls täglich mit Wasser gereinigten, wurde die Behandlung mit Oel nur zweimal des Jahres vorgenommen. Die vierte blieb zum Vergleich ungereinigt und überhaupt ganz unberührt.

Die erste und die zuletzt genannte Büste sind seit 1864 aufgestellt und auf die angegebene Weise behandelt worden, die dritte und vierte seit Anfang 18*>6. Es hat sich an ihnen die erwähnte Voraussicht von der Wirkung des Fetts auf das unzweifelhafteste bestätigt.

Die monatlich mit Oel behandelte hat eine dunkelgrüne Patina angenommen, die von allen Kunstverständigen für sehr .schön erklärt wird. Die nur zweimal im Jahr mit Oel abgeriebene hat ein weniger günstiges Ansehen, und die nur mit Wasser gereinigte hat nichts von der schönen Beschaffenheit, welche die Broncen durch An- setzen der Patina erhalten. Die gar nicht gereinigte ist ganz unan- sehnlich, stumpf und schwarz.

Man kann hiernach als sicher ansehen, dass wenn man eine öffentlich aufgestellte Bronce monatlich, nachdem sie gereinigt worden, mit Oel abreibt, sie eine schöne Patina annehmen wird.

In wie weit dieses Abreiben, das bei grösseren Monumenten so

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häufig schwer auszuführen ist, sich wird beschränken lassen, darüber sollen fortgesetzte Versuche entscheiden, die durch die Büste, welche nur zwei Mal jährlich mit Oel behandelt wird, bereits eingeleitet sind. Ausserdem hat der Verein noch zwei neue, durch ch«?mische Mittel künstlich patinirte Rroncen aufstellen lassen, um zu erfahren, wie diese sich bei ähnlicher Behandlung bewähren.

In welcher Weise das Oel bei Bildung der Patina wirkt, ist nicht mit Sicherheit anzugeben. So viel haben die Versuche gezeigt, dass jeder Ueberschuss an Oel zu vermeiden ist, und dass man das aufgebrachte sogleich mit einem Lappen so weit als möglich wieder entfernen muss. Bleibt überschüssiges Oel zurück, so setzt sich darin Staub fest und die Bronce erhält ein schlechtes Aussehen. Dass die zurückbleibende geringe Menge von Oel eine chemische Verbindung mit der Oxyd- schicht der Bronce eingehe ist nicht anzunehmen, besonders da sich Knochenöl so gut wie Olivenöl bei diesen Versuchen bewährt hat. Wahrscheinlich wirkt die dünne Schicht des Oels nur dadurch, dass sie das Anhaften von Feuchtigkeit hindert, durch die sich leicht Staub befestigt, der Gase und Dämpfe absorbirt, und in dem häufig Vege- tationen sich bilden. Allein in welcher Weise es auch wirken mag, soviel haben die erwähnten Versuche ergeben, dass das Fett wesent- lich die Bildung der Patina befördert.

Voraussichtlich wird es sich auch noch in anderer Beziehung be- währen. Man hat nämlich die wenig erfreuliche Beobachtung gemacht, dass mit einer schönen Patina bedeckte Broncen an den Stellen, wo sich Wasserläufo auf ihnen bilden, eine weisse, undurchsichtige, kreide- artige Oberfläche annehmen, die im Laufe der Zeit mehr und mehr durch dass Wasser fortgespült wird. Eine richtige Behandlung mit Oel wird ohne Zweifel gegen die Bildung dieser kreideartigen Stellen schützen, doch können darüber nur lang fortgesetzte Versuche ent- scheiden.

Jedenfalls berechtigt die Anwendung des Oels zu der Hoffnung, dass man auch fortan in grösseren Städten wird schön patinirte öf- fentliche Broncedenkmäler erlangen können. Sie werden da, wo Kohle das ausschliessliche Brennmaterial bildet, nicht hellgrün, sondern dunkel, vielleicht sogar schwarz erscheinen, allein sie werden die übrigen schönen Eigenschaften der Patina, die eigenthutnlich durch- scheinende Beschaffenheit der Oberfläche, besitzen."

Ich habe mich bestrebt, Ihnen die zahlreichen Forschungen vor- zuführen, weiche wir Gustav Magnus auf den verschiedenen Ge- bieten der Chemie verdanken, in kurzgedrängter Fassung, aber doch eingehend genug, um, so hoffe ich wenigstens, den Ansprüchen dieser chemischen Versammlung zu genügen. Ich könnte hier abbrechen und es der Sorge eines Andern überlassen, in ähnlicher Weise über die physikalischen Forschungen zu berichten. Allein ich fühle, das Bild meines Freundes, welches aus so einseitiger Schilderung Ihrem Gedächtnisse sich einprägen konnte, würde seines edelsten Schmuckes entbehren, wenn ich es nicht wenigstens versuchte, auch die physika- lischen Arbeiten, wenn auch nur ihren Hauptzügen nach, in den Rahmen hineinzudrängen. Gehören ja doch seine schönsten und wichtigsten Errungenschaften dem Gebiete der Physik an und sind überdiess fast alle diese Forschungen gerade auch für den Chemiker von der höchsten Bedeutung. Wohl ist es keine leichte Aufgabe, die hier vorliegt, wenn man bedenkt, nach wie vielen Richtungen hin Magnus, wie auf dem Gebiete der Chemie, so der Physik, thätig gewesen ist, da er nacheinander über Molecularerscheinungen, in verschiedenen Zweigen der Mechanik, in dem Magnetismus, in der Elektricität und sogar in der Optik gearbeitet hat, ehe sich seine Kraft fast ausschliesslich der Wärmelehre znlenkte, in der er das Höchste geleistet hat.

Die ersten physikalischen, oder ich sollte eigentlich sagen, che- misch-physikalischen Beobachtungen denn sie betreffen Erscheinun- gen, denen Chemiker und Physiker ein gleiches Interesse schenken hat Magnus schon im Jahre 1828 angestellt*). Sie knüpfen sich an die Wahrnehmung Döbereiner's, welche damals grosses Aufsehen erregte, dass sich in einem gesprungenen Cylinder, der mit Wasser- stoff gefüllt ist, der Spiegel der Sperrflüssigkeit langsam Ober das Niveau des Wassers in der Wanne emporhebt. Man hatte geglaubt, das Entweichen des Wasserstoffs durch den Sprung als eine Capillar- erscheinung auffassen zu müssen. Magnus zeigt, dass die Capillarität nichts mit der Erscheinung zu thun habe und spricht die bestimmte Ansicht aus, dass das Entweichen des Wasserstoffs vielmehr einem Verdunstungsprocesse zu vergleichen sei, welche Auffassung er durch Versuche zu beweisen sucht. Aber hiermit hat auch die Frage das lnteres.se für ihn verloren und mit Erstaunen sehen wir, wie er den Fuss von der Schwelle einer grossen Entdeckung zurückzieht. Wie konnte er es unterlassen, so fragen wir heute, das rückständige Gas in dem Cylinder zu untersuchen, dessen Prüfung ihm alsbald den Schlüssel der Erscheinung in die Hand gegeben hätte? Aber die Ent- deckungen, wie die Früchte, bedürfen der Zeit zu ihrer Reife, und erst fast eine Dekade später war es Thomas Graham vergönnt,

*) Ueber einige Erscheinangen der Capillarit&t. Pogg. Ann. X. 153. (1827).

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den Schleier von jenen wunderbaren Phänomenen hinwegzuziehen, welche sich in dem be rein er'schen Versuche in ihrer einfach- sten Form der Forschung bieten.

Magnus selbst ist später nur ganz vorübergehend noch einmal auf verwandte Fragen zurückgekommen. Von der Vorstellung aus- gehend, dafs verschiedenartige Stoffe, je nach der Feinheit ihrer klein- sten Theilchen, eine ungleiche Fähigkeit besitzen könnten, durch sehr dünne Oeffnungen zu dringen, dass z. B. Oeffnungen, welche Wasser- stoffgas noch leicht durchlassen, für Sauerstoffgas undurchdringlich sein möchten, beschäftigt er sich mit der Verdunstung des Wassers aus Capillarröhren im schwefelsäuretrocknen Vacuum*). Er vergleicht die Verdunstung des Wassers aus engeren und weiteren Röhren, in- dem er es für möglich hält, dass die Wassermolecule aus den weiteren Röhren leichter entweichen, als aus den engeren. Der Versuch zeigt in- dessen gerade das Gegentheil, zweifelsohne weil enge Röhren dem Verdunstungsprocesse eine verhältnifsmäfsig gröfsere Oberfläche bieten.

Die eben genannten beiden kleinen Aufsätze sind die ältesten physikalischen Studien unseres Freundes. Es würde sich aber nicht empfehlen, auch für die Betrachtung seiner grösseren physikalischen Arbeiten die Ordnung der Zeitfolge beizubehalten. Die Schilderung wird an Durchsichtigkeit gewinnen, wenn wir, wie bei dem Rück- blick auf seine chemischen Leistungen, die gleichartigen Unter- suchungen zusammenfassen, obwohl sie hier zum Oefteren erst nach Jah- ren wieder aufgenommen und wiedererst nach Jahren vollendet werden.

Werfen wir zunächst einen Blick auf seine Thätigkeit in dem Gebiete der Mechanik.

Die Fortschritte der Hydrodynamik hatte Magnus schon früh- zeitig, jedenfalls schon während seines ersten Aufenthaltes in Paris (1829), wo er zu Felix Savart in nähere Beziehung getreten war, mit dem lebhaftesten Interesse verfolgt. Seine eigenen Arbeiten**) in diesem Felde gehören indessen erst einer viel späteren Zeit an.

Zweck dieser Arbeiten ist die Klärung der noch immer mangel- haften theoretischen Anschauungen über die Bewegungserscheinungin der Flüssigkeiten. Zunächst sind es die Apparate, welche Magnus mit der ihm für die Lösung solcher Aufgaben eigenthümlichen Be- gabung, vereinfacht. Diese verbesserten Hülfsmittel, mit deren Besitz die Anstellung hydraulischer Versuche wesentlich erleichtert wird, gestatten ihm alsbald, eine grosse Reihe neuer und interessanter Erscheinungen zu beobachten, welche das dem Theoretiker zur Ver-

*) Ueber die Verdunstung von Flüssigkeiten aus Haarröhrchen. Pogg. Ann. XXVI. 463 (1832).

**) Ueber die Bewegung der Flüssigkeiten. Pogg. Ann. LXXX. 1. (1860). Heber die Form des flüssigen Strahls. Berl. Der. 1856, 117.

Hydraulische Untersuchungen. Pogg. Ann. XCV. 1. (1866); CVI. 1. (1859).

fügiiiig stehende Erfahrungsmaterial, zumal nach der schon von Savart angebahnten Richtung hin, in niannichfultiger Weise erweitern.

Eine grosse Anzahl der von Magnus ausgeführten Versuche be- trifft die bekannte, auffallende Erscheinung, dass der flüssige Strahl, wenn er sich durch andere flüssige Mittel, ob tropfbar, ob gasförmig, bewegt, diese Mittel in seine Bewegung mit hineinzieht.

Der Strahl, indem er die vor ihm liegende Masse stösst und in Bewegung setzt, dabei aber selbst von seiner Bewegung verliert, breitet ich, während seines Fortschreitens mehr und mehr aus, weil bei ver- miii-it'ter Geschwindigkeit die bewegte Masse zunimmt. Durch einen ^•■gthenen Querschnitt desselben muss also mehr Wasser fliessen, als 'US dem nachfolgenden unmittelbar zuströmen kann; es entsteht in ge- rn Sinne ein verdünnter Raum und der nach aussen gerichtete '. der Flüssigkeit vermindert sich im Strahle während seiner Be- wegung; ein Ueberdruck von Aussen nach Innen macht sich geltend, welcher das seitlich gelegene Wasser in den Strahl hineintreibt.

Mit Hülfe dieser einfachen Vorstellung erklärt Magnus in be- ledigender Weise eine Reihe hierhergehöriger Vorgänge, nachdem r sich vorher durch zahlreiche und vielfach abgeänderte Versuche Uerzeugt hatte, dass sich der flüssige Strahl bei der Bewegung durch Flüssigkeiten in der That unter allen Umständen nach vorne ausbreitet. Auch das Plätschern des Wassers und die Wassertrommel, welche [)äter beziehung-weise von Tyndall und von Baff in eingehender A eise studirt worden sind, hat Magnus im Laufe dieser ünter- -iichungen in den Kreis der Betrachtung gezogen. Die wichtigste Verwerthung hat der von ihm aufgestellte Satz jedoch in einer anderen Reihe von Untersuchungen gefunden, in sofern er mit seiner Hülfe die Abweichung der Wurfgeschosse aus ihrer Bahn erklärt hat.

In der zweiten Abhandlung theilt Magnus seine Erfahrungen über die Wirkung mit, welche zwei flüssige Strahlen auf einander ausüben, und bespricht bei dieser Gelegenheit mannichfaltige. oft sehr •igenthümliche Gebilde, welche .das Wasser zweier aufeinander- -tossender Strahlen hervorbringen kann. Auch hier ist es wieder die I>eseitigung experimentaler Schwierigkeiten, welche er mit gewohntem Erfolge anstrebt. Es handelt sich darum, zwei Strahlen von genau gleicher Geschwindigkeit zu erhalten. Zu dem Ende wird der Wasser- fhälter mit einem weiten Ansatzrohre versehen, welches sich möglichst ahe beim Austritt in zwei etwas engere Schläuche von gleicher Länge verzweigt. Letztere tragen Messingfassungen, in welche Mund- stücke von verlangter Beschaffenheit eingeschraubt werden.

Auf das Verhalten zusammenstossender Strahlen sucht nun Magnus die Gestaltungen zurückzuführen, welche der aasfliessende Strahl je nach der Form der Ausflussöffnung annimmt. Die ausge- dehnten Versuchsreihen, die er im Sinne dieser Auffassungen ang»--

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stellt und auf das Genaueste beschrieben hat, sind ein bleibender Erwerb der Wissenschaft, wenn auch die von ihm gegebene Erklärung der beobachteten Erscheinungen nicht von allen Physikern mit gleichem Beifall aufgenommen worden ist.

In seiner letzten hydraulischen Arbeit beschäftigt sich Magnus mit den eigenthümlichen Anschwellungen, welche an Flussigkeitsstrah- len , wenn sie aus kreisrunder Oeffnung austreten, in Folge von Er- schütterungen und selbst schon unter dem Einflüsse lang anhaltender Töne zum Vorschein kommen. Savart, welcher diese Erscheinungen zuerst einer eingehenden Prüfung unterwarf, hat dieselben von einerdurch die Erschütterung beschleunigten Auflösung des zusammenhängenden Theils des Strahls in Tropfen abhängig zu machen gesucht. Zu der- selben Erklärung führen auch die Versuche von Magnus. Eine grosse Schwierigkeit bietet bei derartigen Untersuchungen die scharfe Beob- achtung des Strahls in seinen Einzelheiten. Keines der bereits ange- wendeten Hülfsmittel, welche nach einander mit grosser Sorgfalt ge- prüft werden, führt ihn zu befriedigenden Ergebnissen. Ein glück- licher Griff räumt alle Hindernisse aus dem Wege. In einer um ihre Axe drehbaren Scheibe ist in der Richtung des Radius ein einziger Querschnitt von nicht mehr als 1 '°"' Breite angebracht. Diese Scheibe stellt Magnus in geringer Entfernung von dem zu beobachtenden Strahl auf und lässt sie mit solcher Geschwindigkeit rotiren, dass er, durch die Spalte blickend, den Strahl fortwährend zu sehen glaubt, obwohl das Licht immer nur nach Vollendung je einer Umdrehung ins Auge gelangen kann. Findet die Beobachtung statt, während sich die Spalte von unten nach oben, d. h. also der Richtung des senk- recht niederfliessenden Strahls entgegen bewegt, so erscheinen die be- trachteten Wassermassen scharf und unverzerrt in ihrer augenblick- lichen Gestalt. Als Mittel, während längerer Zeit einen schwachen Ton zu erhalten, d. h. in regelmässiger Folge eine Reihe von leichten Er- schütterungen zu bewirken, dient ihm bei diesen Versuchen der bekannte Neef'sche Hammer, der mit dem Behälter, aus dem das Wasser ausfliesst, in Verbindung stehend, den Strahl selbst in eine kaum merkbar zitternde Bewegung versetzt.

Mit den hydraulischen Arbeiten, welche, da sie dem Chemiker ferner liegen, hier nur flüchtig skizzirt werden konnten, in enger Beziehung steht die zu Anfang der fünfziger Jahre von Magnus ausgeführte Untersuchung über die Abweichung der Geschosse, welche sich ebensosehr durch die Eleganz der Versuche, als durch den Scharfsinn der an die Versuche anknüpfenden theoretischen Er- örterungen auszeichnet. Diese grosse Arbeit erschien zuerst in den Denkschriften der Berliner Akademie und dann in Poggendorff 's

ÜÜ

Annaleu*). Bei dem grossen Interesse, welches die allgemeine Ein-

ihrung gezogener Geschütze der behandelten Frage zuwendete, waren

ie Extraabdrücke, welche von der in den Denkschriften veröffent-

chten Abhandlung in den Handel gekommen waren, schnell vergriffen,

lind Magnus hat daher später noch eine besondere vermehrte und

verbesserte Ausgabe veranstaltet**).

Versuchen wir, wenn auch nur in dürftigstem Umrisse, ein Bild dieser wichtigen Forschung zu gewinnen.

Bewegte Luft erfährt bekanntlich durch jeden Widerstand, der

:ih ihrer Richtung entgegenstellt, eine Verdichtung, also auch eine

vermehrte Spannung, die dann ihrerseits wieder Druck und Bewegung

erzeugen kann; so der Luftstrom, welcher auf das Segel oder auf den

Flügel der Windmühle auftrift't.

Ein solcher Widerstand wird auch durch eine ruhende Luftmasse veranlasst, wenn sie einem Luftstrome, d. h. einer bewegten Luftmasse, gegenübersteht. Ruhende sowohl als bewegte Luft nehmen bei diesem Zusammentreffen eine grössere Dichtigkeit an und können auf solche Weise Quelle der Bewegung, sowohl für umgebende Luftmasseu, als auch für starre, in diese Luftmassen eingetauchte Körper werden.

Umgekehrt vermindert sich die Dichtigkeit gespannter Luft, so- bald sie in Bewegung gesetzt wird, und gleichzeitig verringert sich auch der Druck, den sie ringsum auf ihre Umgebung ausübt.

Handelt es sich um das Studium der Beziehungen zwischen einem

:arren Körper und der auf ihn einwirkenden Luft, so braucht kaum

..emerkt zu werden, dass die Erscheinungen ganz dieselben bleiben,

ob der Luftstrom an dem Körper vorüberziehe oder ob der Körper

«ich mit gleicher Geschwindigkeit durch die Luft bewege.

In beiden Fällen wird stets eine dünne, den starren Körper um- [)ülende Lufthülle an seiner scheinbaren oder wirklichen Bewegung i heil nehmen, und es ist einleuchtend, dafs diejenigen Lufttheile, welche der Körper vor sich herschiebt, sich verdichten und daher gegen ihn drücken müssen, während diejenigen, welche er mit sich zieht, seit- wärts und rückwärts einen verdünnten Raum lassen, mithin eine Ver- minderung des allgemeinen Luftdrucks nach diesen Richtungen be- dingen werden.

Diese Grundsätze, obwohl wesentlich in dem Boden der Erfahrung wurzelnd, lassen sich gleichwohl nur schwierig zur unmittelbaren An- schauung bringen; sind sie ja selbst der Rechnung bis jetzt nur unvoll- kommen zugänglich gewesen. Indem Magnus das Studium dieser Fragen aufnimmt, zeigt sich alsbald wieder sein wunderbares Talent für die Bewältigung experiment-aler Schwierigkeiten ; ein von ihm con-

*) üeber die Abweichung der Geschosse. Berl. Abb. (Phvs.). 1852. 1. Pogjf. Ann. LXXXVIII. 1. (1863).

**) Ferd. DUmmler's VerUgsbachhsndlung. Berlin. 1860.

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struirter, höchst sinnreicher Apparat erlaubt auch dem auf dem Ge- biete der Mechanik nur wenig Bewanderten die eben angefülirten Grund- wahrheiten im Versuche zu bethätigen. Und was hier für die Theorie (Mworben ist, bleibt begreiflich nicht lange ohne practische Verwerthung. Magnus knüpft an seine Versuche die in hohem Grade scharfsinnige Erklärung der von den Artilleristen längst festgestellten Abweichung der Rundgeschosse aus ihrer Flugbahn.

Bei den kugelförmigen Geschossen fällt erfahrungsgemäss der Schwerpunkt selten mit dem geometrischen Mittelpunkt zusammen. Die Folge ist, dass sie, sei es schon im Rohr durch die Triebkraft der Pulvergase, sei es während ihres Fluges durch den Druck der Luft, eine rotirende Bewegung um ihren wirklichen Schwerpunkt an- nehmen, eine rotirende Bewegung, welche die fortschreitende begleitet, und deren Axe die Flugbahn winkelrecht durchkreuzt.

Es ist bekannt, dass ein rotirender Körper die ihn umgebende Lufthülle bis zu einer gewissen nicht ganz unbeträchtlichen Entfernung hin mit in den Kreis seiner Bewegung hineinzieht. Jedermann denkt dabei an den mehr oder weniger starken Luftzug, den er in der Nähe des Schwungrades einer Dampfmaschine empfunden hat. So dreht sich denn auch mit dem um seine Schwerpunktsaxe rotirenden Rund- geschosse eine Lufthülle. Diese Lufthülle muss aber, in Ueberein- stimmung mit den oben gegebenen Erörterungen, da wo die fort- schreitende Kugel gegen die Atmosphäre andringt, verdichtet, an der gegenüberliegenden Seite aber verdünnt werden. Es wird also auf der zuerst betrachteten Seite ein Ueberdruck entstehen, welcher stetig fortwirkend der Kugel eine Bewegung seitlich zur Fluglinie ein- flösst. Die Richtung dieser Ablenkung wird von dem Winkel ab- hängig sein, welchen die Rotationsaxe des Geschosses mit der Ebene seiner Flugbahn, d. h. der durch die Fluglinie gelegten senkrechten Ebene, bildet. Hat sich die Rotationsaxe winkelrecht zur Ebene der Flugbahn gestellt, so wird die Kugel zwar in dieser Ebene beharren, wohl aber die Fluglinie verändern; bei jeder andern Lage der Axe muss sie auch aus der Ebene der Flugbahn heraustreten.

Bei Kugelgeschossen, welche aus gezogenen Geschützrohren ent- sendet werden, kann diese Art der Abweichung nicht statlündm. Durch den Einfluss der Züge wird die Kugel eine Drehung annehmen, deren Axe der Cylinderaxe des Geschützes paiallel ist, welche also winkelrecht zur Richtung der Wurfbewegung statttindet. Nach dem Gesetze der Trägheit bleibt die Lage der Rotationsaxe dem Geschosse, auch nachdem es den Lauf verlassen hat, und so lange die Kugel verhindert ist, sich um eine die Flugbahn durchschneidende Rotations- axe zu drehen, sind auch die Bedingungen für die Abweichung nicht länger gegeben.

Wiederum anders gestalten sich die Erscheinungen, wenn statt

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der Kugeln längliche, zumal cyliDdrische Geschosse mit conischer Zu- spitzung nach vorne aus gezogenen Geschützen abgefeuert werden.

Bei diesen gewahrt man wieder eine, allerdings nur unbedeutende Abweichung, welche das Charakteristische zeigt, dass sie stets nach derselben Richtung stattfindet, nämlich nach der Rechten des Be- schauerä, welcher hinter dem Geschütze steht und über den Lauf desselben hinblickt.

Die Züge, wie sie die heutige Artillerie in die Geschütze ein- schneidet, sind immer in demselben Sinne gewunden, nämlich so, dass wenn ein Beobachter hinter dem Geschütz dies ansieht und die Richtung verfolgt, in welcher ein Punkt sich in dem Zuge von ihm fortbewegt, dieser in dem obern Theile des Rohrs von links nach rechts und in dem unteren von rechts nach links oder, um es kürzer auszudrücken, wie der Zeiger einer Uhr geht. In demselben Sinne erhalten begreiflich die Geschosse, welche diesen Zügen folgen müssen, eine Drehung um ihre Längenaxe. Magnus bezweifelt nicht, dass, wenn ein Langgeseboss aus einem Geschützrohre geschleudert würde, in welchem die Windungen der Züge im entgegengesetzten Sinne, also umgekehrt wie der Zeiger der Uhr, liefen, die Seitenabweichung des Geschosses zur Linken des Beobachters eintreten müsste.

Für die Richtigkeit dieser Vorstellung spricht eine Reihe schöner Versuche, durch welche Magnus die wirklichen Vorgänge veran- schaulicht , und an welche anknüpfend er seine Auffassung mit allgemein anerkannten Sätzen der Mechanik in Einklang bringt. Zuerst macht er darauf aufmerksam, dass die Längenaxe des Ge- schosses, um welche dasselbe rotirt, nicht genau eine Tangente der Flugbahn sein oder wenigstens nicht bleiben kann. Diese Abweichung der Rotationsaxe von der Tangente müsste eigentlich, so könnte man denken, eine immer grössere werden, denn die Trägheit strebt die ur- sprüngliche Richtung dieser Axe unverändert zu erhalten, während das Geschoss von dem Augenblick an, in dem es den Lauf verlässt, der Ein- wirkung der Schwere Folge leistet. Es ist gleichwohl nachgewiesen, dass diese Abweichung der Rotationsaxe von der tangentialen Rich- tung zur Flugbahn nur sehr unbedeutend ist und es muss demnach eine Ursache vorhanden sein, durch welche die Spitze des Geschosses eine nach und nach eintretende Senkung erfährt.

Magnus findet diese Ursache in dem Widerstände der Luft, durch welche das Geschoss, sobald seine Axe aus der ursprünglichen tangentialen Richtung zur Flugbahn heraustritt, getroflfen wird. Die Wirkung dieses Druckes strebt, das fliegende Geschoss um den Schwerpunkt seiner Rotationsaxe zu drehen, und zwar so, dass das vordere Ende sich hebt. Aber diese Hebung wird nur eine äusserst geringe sein, auch folgt derselben unmittelbar eine Ablenkung nach rechts und Senkung der Spitze, indem der Luftdruck auf das rotirende

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Geschoss gerade so wirkt, wie etwa ein seitlicher Stoss auf den um eine senkrechte Axe rotirenden Kreisel. Denn wie die Rotationsaxe des Kreisels, durch den Stoss aus der Verticalen abgelenkt, nunmehr in eine langsame , im Sinne der rotirenden Kreiselmasse erfolgende Drehung um eine Kegeloberfläche ^eräth, so wird auch die Axe des rechts rotirenden Geschosses unter dem Einflüsse des Luftdruckes, welcher seine Spitze hebt, eine äusserst langsame, conische Bewegung gewinnen, welche eine Ablenkung der Spitze nach rechts und eine gleichzeitige Senkung bedingt. y,In Folge hiervon", sagt Magnus, „nimmt das Geschoss eine gegen die Richtung des Widerstandes der Luft schräge Lage an, und dadurch wird dasselbe bei seinem ferneren Fortschreiten nach der Seite hinübergedrückt, nach welcher die Spitze gewendet ist, indem der Widerstand der Luft gegen dasselbe wie gegen eine schiefe Ebene wirkt und so die Abweichung hervorbringt. Dadurch hat es den Anschein, als ob der Druck der Luft gegen den hinteren Theil des Geschosses grösser als gegen den vorderen sei, während er in der That gegen den vorderen Theil grösser als gegen den hinter dem Schwerpunkte liegenden ist."

Am Schlüsse seiner meisterhaften Untersuchung macht Magnus noch darauf aufmerksam, dass die Abweichung der Langgeschosse, die während des Flugs um ihre Längenaxe rotiren , sehr wesentlich von ihrer Gestalt und ihrer Lage gegen den Luftwiderstand abhängig ist. Wie die Abweichung eintreten wird, lässt sich jedoch bis jetzt nur auf dem Wege der Erfahrung bestimmen. So wünschenswerth für die Wurfgeschosse eine möglichst kleine Abweichung erscheine, so sei doch die Wahl einer Gestalt des Geschosses, bei welcher keine Abweichung stattfindet, wenn auch theoretisch denkbar, gleichwohl für die Praxis nicht in aller Strenge durchzuführen und desshalb nicht einmal empfehlenswerth.

Magnus ist später noch einmal auf diesen Gegenstand zurück- gekommen, indem er eingehend eine, gelegentlich der vorerwähnten Untersuchungen ersonnene, Vorrichtung beschreibt*), welche in hohem Grade geeignet ist, die mannichfaltigen, von dem Beharrungsvermögen rotirender Körper abhängigen, oft höchst überraschenden Erscheinun- gen zur Anschauung zu bringen. Es ist dies der unter dem Namen Polytrop längst bekannt gewordene Apparat, welcher bereits in viele physikalische Lehrbücher übergegangen ist und in keinem physikalischen Cabinette mehr fehlen dürfte.

Betrachten wir zunächst die Forschungen auf dem Gebiete des Magnetismus und der Elek trici tat.

*) Verbesserte Constructioii eiues Appariites zur KrlUtiterung verscliieiJener F.r- sclieinungen bei rotircmleu Körpern. Pogg. Ann. XCI. 295. (1854).

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Den rein magnetischen Erscheinungen hat Magnus nur vor- übergehend Seine Aufmerksamkeit geschenkt. Die hier zu nennende Arbeit über den EinBuss des Ankers beim Magneten*) fällt in eine Zeit, in der das Gebiet des Magnetii<mus durch die Entdeckung des Elektromagnetismus bereits ungemein erweitert, aber doch nur erst den Hauptzügen nach erforscht war; es bandelte sich daher hier auch nicht um die Eröffnung neuer Bahnen, sondern um den Ausbau des bereitd erschlossenen Feldes. In der That ist das Hauptergebniss dieser Arbeit, nämlich, dass die Entfaltung des Magnetismus in Eisen- und Stahlstaben Zeit bedürfe, im Sinne der gegenwärtigen Auffassung des Magnetismus, in so hohem Grade naturnothwendig, dass dem heutigen Leser die mitgetheilten Versuche mehr zur Selbstbelehrung über bereits verständliche, als zur Erklärung noch unverständlicher Erscheinungen unternommen zu sein scheinen.

Weit eingehender hat sich unser Freund mit der Elektricitäts- lehre beschäftigt. Auf diesem Felde tritt er sogleich mit einer Arbeit von grosser Wichtigkeit für die Theorie hervor. Seine ersten Ver- suche betreffen eine von Sturgeon beobachtete, aber unerklärt ge- lassene Erscheinung**). Sturgeon hatte gefunden, dass, wenn man statt eines massiven Eisencylinders ein Bündel von Eisendrähten in die primäre Rolle eines Inductionsapparates einschiebt, die Wirkung des letzteren beim Oeffnen der Kette wesentlich erhöht wird.

Indem Magnus diese Erfahrung zu erklären versucht, weist er zunächst durch die Beobachtung der Wirkung von Elektromagneten auf eine entfernte Magnetnadel nach, dass die erhöhte inducirende Kraft der Drahtbündel nicht von einem verstärkten Elektromagnetis- mus begleitet ist.

Ein glücklicher V^ersuch liefert ihm alsdann den Schlüssel der Erscheinung. Das in die Inductionsrolle eingeschobene Drahtbündel wird mit einer geschlossenen cylindrischen Mefallhülle umgeben« augenblicklich erlischt die Fähigkeit des Drahtbündels, die Intensität der Induction zu verstärken, um alsbald in ihrer ganzen Grösse wie- der zum Vorschein zu kommen, wenn die Metallhülle ihrer Länge nach aufgeschlitzt wird. Damit aus diesem Versuche die kräftigere Wirkung des Eisendrathbündels erhelle, erinnert Magnus an die Erklärung, welche Faraday von der Thatsache gegeben hat, dass das Aufrollen des Leiters zu einem Gewinde die Stromwirkung beim Oeffnen vermehrt.

n»>- <^in Gewinde durchlaufende elektrische Strom erzeugt im

') Lfbf.'T die Wirkung des Ankers auf Eleldromagnete nnd Suhhnagnete. Pogg. Ann. XXXVIII. 407 (1886).

**) Ueber die Wirkung von BUndeln aus Eisendraht beim Oeffnen der gaivani sehen Kette. Pogg. Ann. XLVIII. 95. (1839).

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Augenblick seines Verschwindens in der Masse des Gewindes einen gleichgerichteten Strom dem eine um so grössere elektromotorische Kraft zu Grunde liegt, je rascher die Unterbrechung erfolgt^ daher der sogenannte Extrastrom heftige Muskelzuckungen bewirkt und sogar einen Funken durch die Luft zu senden vermag.

Umgiebt das Gewinde einen geschlossenen Leiter, so wird bei der Unterbrechung des Stromes auch in diesem Leiter eine elektro- motorische Kraft entwickelt, welche einen dem ursprünglichen Strome gleichgerichteten Strom veranlasst. In Folge dieser gleichen Richtung aber muss dieser neue Strom während seines Anschwellens, weil er dem verschwindenden Strome des Gewindes einen entgegensetzten Strom inducirt, die Steigerung der elektromotorischen Kraft im Augen- blicke des Oeffnens der Kette mehr oder weniger stören.

Ist der in das Gewinde eingeschobene, geschlossene Leiter ein eiserner Cylinder, so wird derselbe ausser der gedachten Störung, welche er, wie jeder andere geschlossene Leiter, in der Steigerung der elektromotorischen Kraft beim Oeffnen der Kette verursacht, noch eine andere Wirkung ausüben, welche durch den Umstand bedingt ist, dass sich der eiserne Cylinder durch den in dem Gewinde circuliren- den Strom in einen Magneten verwandelt hat.

Da sich der Magnetismus des Eisenkerns als ein elektrischer Strom auffassen lässt, welcher dieselbe Richtung hat, wie der ihn hervor- bringende, ursprüngliche Strom des Gewindes, so wird im Augenblicke des Oeffnens der Kette, der im Eisen verschwindende Magnetismus auch gerade so wirken, wie der im Gewinde verschwindende elektri- sche Strom. Beide, in demselben Sinne ausgeübte Wirkungen unter- stützen sich und bedingen mithin die Entwickelung einer grösseren elektromotorischen Kraft beim Unterbrechen des Hauptstromes.

Es leuchtet ein, dass von den beiden im entgegengesetzten Sinne auftretenden Wirkungen, welche der Eisencylinder, einmal als ge- schlossener Leiter, dann aber als Magnet auf die Entfaltung der elek- tromotorischen Kraft beim Oeffnen der Kette ausübt, nur die Differenz zur Geltung kommen kann.

Gelänge es, einen Elektromagneten zu erzeugen, der nicht auch gleichzeitig ein geschlossener Leiter wäre, so würde die ganze ver- stärkende Wirkung des verschwindenden Magnetismus, der bei der Stromunterbrechung auftretenden elektromotorischen Kraft zu Gute kommen können.

Ein solcher Fall aber ist, nach der Auffassung von Magnus, eingetreten, wenn wir statt eines massiven Eisencylinders ein aus dünnen Eisendrähten gebildetes Bündel in das Gewinde einschieben, durch welches der ursprüngliche Strom sich bewegt. Ein solches Drahtbündel ist kein geschlossener Leiter mehr und die ungünstige

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Indactionswirkung, welche die Steigerung der elektromotorigohen Kraft bei der Unterbrechung des Strome» stören würde, fällt wog.

Magnus führt noch als weiteren Beweis für die Richtigkeit der schönen Erklärung, welche er von der von Sturgeon beob- achteten Erscheinung gegeben hat, die Thatsache an, dass auch mit einem hohlen Eisencylinder die gesteigerte Wirkung der Draht- bündel erzielt wird, wenn man nur Sorge getragen hat. die Wand des Cylinders der Lange nach aufzuschlitzen.

Eine andere schone Arbeit von Magnus betrifft die thermo-elek- trischen Ströme*), und zwar diejenige Art von Thermoströmen, welche in nur aus einem einzigen Metalle bestehenden geschlossenen Leitern hervorgerufen werden können.

Er zeigt zunächst, dass dergleichen Ströme, bei vollkommener Gleichartigkeit des leitenden Metalles in seinen chemischen sowohl als physikalischen Eigenschaften, nicht entstehen, dass aber schon Ver- schiedenheiten in der Härte zur Hervorbringung von Strömen hin- reichen.

Erhitzt man z. B. einen Draht, der dadurch hart geworden ist, dass er mehrere Male durch ein Zieheisen gezogen wurde, an einer Stelle so stark, dass er weich wird, und erwärmt alsdann die Stelle, wo der Uebergang vom harten zum weichen Theile stattfindet, auf 100*^, so erhält man einen Strom.

Auf diese Erfahrungen hin construirt Magnus eine Art elektri- scher Säule aus einem Metalle, mit deren Hülfe die Erscheinung in Vorlesungen höchst elegant und überzeugend zur Anschauung gebracht werden kann.

Zu dem Ende werden an einem harten Messingdrahte mehrere Stellen, alle von gleicher Länge, etwa 0",15, durch Glühen weich gemacht, indem man zwischen ihnen immer Stellen von derselben Länge hart lässt. Alsdann wird der Draht um einen Holzrahmen gewunden, der aus zwei sich kreuzenden Brettchen besteht, und zwar so, dass die Theile des Drahtes, wo harte und weiche Stellen anein- ander stossen, in die Mitte der kurzen Seiten des oblongen Rahmens fallen.

Eine solche Säule von Messingdraht ist wirksam genug, um durch Erwärmung einiger Paare in der einen Seite , die Nadel eines empfindlichen Galvanometers zo einem starken Ausschlag zu bringen.

Magnus macht noch darauf aufmerksam, dass sich die hier be- schriebenen Ströme wesentlich von denjenigen unterscheiden, welche dadurch entstehen, dass zwei Stücke desselben Metalles, von welchen das eine wärmer ist als das |ndere, mit einander in Berührung kommen.

•) üeber Ihermo-elektrwche Ströme. Pogg. Ann. LXXXIII. 469. (1850).

Ö2

Solche Ströme fand er bei allen Metallen, die er in Draht- oder Stab- form benutzen konnte. Bei der Berührung von kaltem mit warmem Quecksilber blieben sie aus.

Für einen Naturforscher, dessen Auge die verschiedensten Ge- biete der Physik und Chemie mit gleicher Sicherheit überschaute, lag es nahe, auch die elektrochemischen Erscheinungen mit in den Kreis der Untersuchung zu ziehen. In der That verdanken wir denn auch Magnus mehrere Arbeiten, welche zur Erweiterung unserer Kenntniss dieser Erscheinungen wesentlich beigetragen haben*).

Faraday hatte noch der alten Vorstellung gehuldigt, dass das Salz eines Alkalis oder einer alkalischen Erde mit einer SauerstoflF- säure durch die Kraft des elektrischen Stromes in Base (Metalloxyd) und Säure zerlegt werde. Dagegen hatte Dan i eil später gezeigt, dass der Strom, auf eine solche Salzlösung einwirkend, neben der Base Wasserstoff und neben der Säure Sauerstoff ausscheidet, dass man also, um jene ältere Annahme beibehalten zu können, sie mit der weiteren Annahme verbinden müsse, der Strom besitze der Salzlösung gegenüber eine zweifache zersetzende Kraft, welche sich einmal auf das Salz, dann aber auf das Wasser erstrecke. Weitere gemeinschaft- lich mit Miller ausgeführte Untersuchungen führten ihn schliesslich zu der Ansicht, jener scheinbare Widerspruch könne leicht durch die Vorstellung gehoben werden, dass die Elektrolyse der Alkalisalze ge- rade so erfolge, wie die der Salze schwerer Metalle, dass nämlich der Strom zunächst eine Spaltung in Metall und eine sauerstoflFreiche Atomgruppe (das Säureradical) bewerkstellige, und dass erst in zweiter Instanz das Metall durch Wasserzersetzung und unter Wasserstoff- entwickelung sich in Metalloxyd verwandle, die sauerstoffreiche Atom- gruppe aber in Sauerstoff und eine sauerstoffärmere Gruppe zerfalle, welche mit den Elementen des Wassers sich verbindend die Säure erzeuge.

In einem Kreise chemischer Fachgenossen , wie er in dieser Ge- sellschaft vereinigt ist, brauche ich nicht die Schönheit und Einfach- heit dieser Hypothese hervorzuheben, sehen wir doch mit ihrer Annahme alsbald die letzte Schranke fallen, welche man zwischen den Salzen der Wasserstoff- und Sauerstoffsäuren noch vertheidigen könnte.

Prüfung dieser Hypothese ist nun zunächst Gegenstand einer Reihe eingehender Versuche, angestellt mit einer Umsicht in der An- lage und einer Sorgfalt in der Ausführung, wie sie eben nur Magnus eigen sind. Allein, wie bewundernswerth immer die Versuche, wie ergiebig die Ernte des Thatsächlichen, mit welcher sie die Wissen-

*) Elektrolytische Untersuchungen. Pogg. Ann. CIL 1. (1857). Ueber directe und indirecte Zersetzungen durch den galvanischen Strom. Pogg. Ann. CIV. 553. (1858).

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Schaft bereichern, ich handelte gewifs nicht in dem Sinne unseres ge- schiedenen Freundes, dem die Wahrheit über Alles ging, wollt' ich verschweigen, dass die Schlüsse, welche er aus seinen Versuchen ziehen za müssen glaubte, im Augenblicke nicht mehr getheilt werden. Darf doch neben solcher Fülle des Lichtes auch der leichte Schatten nicht fehlen!

Im Laufe seiner elektrolytischen Versuche beobachtet Magnus in der That manche Erscheinungen, welche sich, auf den ersten Blick wenigstens, mit der Auffassung der beiden englischen Physiker nicht vereinigen lassen; allein wir würden die Hypothese derselben durch seine V^ersucbe nur dann für entkräftet halten dürfen, wenn es ihm gelungen wäre, eine befriedigendere Erklärung der wahrgenommenen Erscheinungen an ihre Stelle zu setzen.

So hat sich Magnus durch sehr genaue Versuche überzeugt, dass bei der Zersetzung des Natriurasulfats in getrennten Compartimenten der Zersetzungszelle am negativen Pole allerdings äquivalente Mengen Natriumhydrat und Wasserstoff ausgeschieden werden, dass aber am positiven Pole mehr Sauerstoff auftritt, als im Sinne der Daniell- Mi 11 er 'sehen Hypothese der frei gewordenen Schwefelsäure entsprechen würde, und er ist geneigt, in diesem Versuche einen entscheidenden Beweis gegen die Richtigkeit derselben zu erblicken. Allein diese Hypothese wirft ein so überraschendes Licht auf die elektrolytischen Vorgänge und gewährt eine so weitgehende Bestätigung des elektroly- tischen Gesetzes, dass man auf eine vereinzelte Ausnahme, wie sie in dem gedachten Versuche wahrgenommen wird, sich eines so werth- vollen Hülfsmittels für das Verständniss der Erscheinungen nicht wird begeben wollen, ehe man alle Mittel erschöpft hat um, was sich in dem besonderen Falle als abweichend darstellt, mit dem in allen anderen Fällen Beobachteten in Uebereinstimmung zu bringen.

Die Bedenken gegen die Dan iell - Mil le r'sche Hypothese, welche Magnus aus seinen Versuchen erwuchsen, stützten sich, wie hier nur flüchtig angedeutet zu werden braucht, auf die damals sehr allgemein verbreitete Meinung, dass der Strom in wässrigen Gemischen inner- halb gewisser Grenzen nur ganz bestimmte Verbindungen elektroly- sire, dass z. B. in einer Kupferlosung, selbst bei Gegenwart über- schüssiger Säure, durch Ströme von verhältnissmässig geringer Stärke nur das Kupfersalz und nicht die Säure zersetzt werde.

In Folge dieser Auffassung übersah Magnus bei seinen Versuchen über die Elektrolyse des Natriumsulfats den Einfluss der am positiven Pole auftretenden Säure. Gegenwärtig weiss man, dass die Elektrici- tät bei ihrer Bewegung durch zusammengesetzte Flüssigkeiten keinen der darin befindlichen Elektrolyten verschmäht; wenn man daher er- wägt, dass das Schwefelsäurehydrat als Elektrolyt, sobald es frei ge- worden, der Einwirkung des Stromes nicht entgehen kann, so ver-

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steht man alsbald , waram am negativen Pole mehr Natriumhydraf, als der am positiven Pole auftretenden Säuremenge entspricht, in Freiheit gesetzt werden muss, und die aus dieser Beobachtung her- vorgehenden Bedenken gegen die Hypothese der englischen Physiker sind ohne Schwierigkeit gehoben.

Es ist kaum zu bezweifeln, dass sich auch Magnus den Ansich- ten, die hier als die jetzt geltenden bezeichnet worden sind, in späteren Jahren nicht verschlossen hat, zumal nachdem Buff*) die bezeich- neten Verhältnisse in so überzeugender Weise dargelegt hatte. Er ist aber auf diese Untersuchungen nicht mehr zurückgekommen, und so trifft es sich, dass er zuweilen noch als Gewährsmann für Auffassun- gen genannt wird, welche keine Bedeutung mehr haben. Eine Revision des theoretischen Theiles dieser Arbeiten wäre um so wünschenswerther gewesen, als die thatsächlichen Wahrnehmungen, welche er bei seinen elektrolytischen Untersuchungen und zumal bei seinen Versuchen über die Elektrolyse mehrfach zusammengesetzter Verbindungen machte, die wesentliche Grundlage unserer Kfnntniss dieser Erscheinungen bilden.

Der von Magnus auf diesem Felde ermitteltenThatsachen ist eine überaus grosse Anzahl, von denen hier Beispiels halber nur einige angeführt werden sollen.

So findet er, dass neutrales schwefelsaures Eisenoxyd unter der Einwirkung des Stromes unmittelbar oder mittelbar in Oxydulsalz, das sich am negativen Pole ausscheidet, und in Sauerstoff und Schwefel- säure zerfällt, welche am positiven Pole auftreten.

Lösungen von Kupferchlorür und Kupferchlorid , durch welche man gleichzeitig den Strom leitet, werden so zerlegt, dass sich in ersterer noch einmal so viel Kupfer ausscheidet, als in letzterer.

Ganz ähnliche Erscheinungen beobachtet man bei der Elektrolyse einer wässrigen Lösung von Zinnchlorür und Zinnchlorid. Für die- selbe Menge Sauerstoff, welche im Voltameter auftritt, wird aus dem Chlorür gerade doppelt so viel Zinn niedergeschlagen, als aus dem Chlorid.

Reine Jodsäure wird so zerlegt, dass für je 5 Mol. Sauerstoff, welche sich am positiven Pole entwickeln, 2 Mol. Jod am negativen Pole erscheinen.

Die Ueberjodsäure zerfällt bei der Elektrolyse zunächst in Jod- säure und Sauerstoff, denn im Anfange des Versuches beobachtet man nichts anderes, als eine Entwickelung von Sauerstoff.

Ausser den bereits genannten elektrischen Arbeiten liegen von Magnus noch einige Beobachtungen über Inductionsströme vor, welche nur flüchtig erwähnt zu werden brauchen.

*) Buff, Elektrolytische Stadien. Ann. Cheni. riiarm. CV. 146.

Ueber dio Elektrolyse höherer Verbindungsstufen. Ann. Cheni. Pharm. CX. 257.

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Gegen Ende der fünfziger Jahre hatte sich da« allgemeine Interesse der Physiker den Gei ssler'schen Röhren zugewendet. Auch Magnus hat die schönen Erscheinungen, welche diese Röhren bieten, mit Auf- merksamkeit verfolgt and der Berliner Akademie einige seiner Beob- achtungen mitgetheilt*). Bekanntlich hüllt sich beim Uebergang des Inductionsstroms durch die Luft vorzugsweise die negative Elektrode in blaues Licht. Besonders schön und deutlich zeigt sich die Er- scheinung, wenn der Unterbrechungsstrom in einer Gei ssler'schen Röhre überspringt, welche stark verdünnte atmosphärische Lafi ent- hält. Häufig beobachtet man indessen das blane Licht auch an beiden Uebergangisstellen , woraus man auf ein Alterniren des Inductions- stromes geschlossen hat, ohne dass man sich gleichwohl von der Ur- sache dieses Verhaltens in allen Fällen eine deutliche Vorstellung machen konnte. Bei dem Versuche, diese noch immer räthselhafte Erscheinung zu erklären, hat Magnus wenigstens die Bedingungen näher festgestellt, unter denen sie beobachtet wird, indem er es schliess- lich als erwiesen ansieht, dass die zwischen den Elektroden durch ein Gasvolum dringenden Inductionsströme innerhalb gewisser Grenzen des Widerstandes einfach sind. Werden diese Grenzen, welche sich mit der Intensität des Stromes ändern, nach der einen oder andern Seite überschritten, so werden die Inductionsströme alternirend.

Bei Aasfubrung dieser Untersuchungen kommt Magnus auf den Gedanken, eine Flässigkeitssäule, in ähnlicher Weise wie Neeff dieselbe bereits früher zur Regulirnng von Widerständen benutzt hatte, nunmehr als wirkliches Widerstandsmaass zu verwerthen**). Der Apparat, den er zu diesem Ende construirt hat. und den erRheostat für Flüssigkeiten nennt, besteht aus einer nicht ganz .3"" weiten cylindrischen Glasröhre von etwa 1 " Länge, welche mit Wasser oder einer andern Flüssigkeit gefüllt ist. An beiden Enden derselben dringen Platindrähte von etwa 1 "" Dicke ein, von denen der eine lang genug ist. um sich in die Röhre einschieben zu lassen bis er den andern berührt. Der jedesmalige Abstand der beiden Drahtenden bei einem Versuche kann mittelst des Kathetometers oder einer geeig- neten Theilung auf dem Apparate selbst gemessen werden. Magnus hat seinen Rheostaten, nachdem er ihn mit andern Widerstandsmaassen verglichen hatte, zur Bestimmung des Leitungswiderstandes verschie- dener Flüssigkeiten, wie des reinen Wassers, benutzt. Die Methode zeichpf^' »i''>> <i>!'-pIi i|)re Einfachheit aus, ist aber mit ver'i''^ii' <1''n»ti

•) Ueber die VeränderuiiRen im Indnctionsstrom bei Anwendung verschiedener WidersUnde. Po gg. Ann. CXIV. -299. (1861).

**) Ueber metallische und flfiAsige Widerstftnde. durch welche Induetionntröme alternirend werden. Monat«h«'ri''b'" l*'^' »T».

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Fehlerquellen behaftet, so dass sie keine allgemeine Anwendung ge- funden hat.

Es wäre gewiss seifsam, wenn Magnus, dessen Arbeiten sich nach so vielen Seiten hin verzweigen, nicht auch selbstthätig forschend in das grosse Gebiet der Lichterscheinungen eingedrungen wäre, zumal er alljährlich die Optik mit besondererVorliebe in seinen Vorle- sungen vorzutragen pflegte. Und in der That finden wir denn unter seinen zahlreichen Arbeiten auch eine optische*). Sie betrifft die Frage, ob die Fortpflanzung des Lichtes sich auf Oscillationen der Luft- theile zurückführen lasse. Mittelst eines geschickt combinirten Appa- rates zeigt Magnus, dass sich die Lichtbeugungserscheinungen in der Torricelli 'sehen Leere genau ebenso wie im lufterfüllten Räume vollenden. Wenn sich nun auch nicht leugnen lässt, dass diese Fiage zu der Zeit, als der angeführte Versuch angestellt ward, durch Beob- achtung der New ton 'sehen Farbenringe im luftleeren Räume bereits eine Entscheidung gefunden hatte, so war doch die Beantwortung der- selben auf dem von ihm eingeschlagenen Wege bisher nicht versucht worden. Immerhin aber bleibt es interessant, die vielseitige Forscher- lust unseres Freundes auch nach dieser Richtung hin bethätigt zu sehen.

Wir haben Gustav Magnus nunmehr noch auf ein Gebiet von Erscheinungen zu folgen, auf dem er mit Vorliebe thätig gewesen ist und auf dem er sich bei Physikern sowohl als Chemikern den dauer- haftesten und glänzendsten Ruhm erworben hat. Ich spreche von dem Gebiete der Wärmeerscheinungen.

Mit der Wärmelehre hat sich Magnus während nahezu seiner ganzen wissenschaftlichen Wirksamkeit beschäftigt. Seine erste hierher gehörige Abhandlung, über das Maximumthermometer und die Wärme- messungen in dem Bohrloche von Rüdersdorf, geht bis zum Jahre 1831 zurück; die letzte Arbeit, die er noch eben vor seinem Tode vollenden konnte, ist die Untersuchung über die Veränderung der Wärmestrah- lung durch Rauhheit der Oberfläche, welche erst vor einigen Monaten in Poggendorff's Annalen erschienen ist.

Im Anfange der dreissiger Jahre interessirte man sich lebhaft für die bekannte Wahrnehmung, dass in den Schachten der Bergwerke mit wachsender Tiefe die Temperatur eine höhere wird. Gegen die Richtigkeit dieser Beobachtung waren Bedenken erhoben worden. Einige

*) Ueber Diffraction des Lichtes im leeren Räume. Po gg. Ann. l.,XXl. 408. (1847).

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hatten sogar den tellurischen Ursprung dieser Temperaturerhöhung ge- h-ugnet, sie vielmehr aus verschiedenen zufälligen Ursachen abzuleiten gesucht. Eis kam also darauf an, Temperaturerhöhung bei wachsender Tiefe anter Verhältnissen zu beobachten, welche alle diese Zufällig- keiten ausschlössen. Hierzu boten die artesischen Brunnen gute Ge- legenheit, und schon Paul Erman hatte die Temperaturerhöhung in einem Bohrloche beobachtet, welches die Königl. Oberberghauptmann- schaft in den Kalkbergen von Rüdersdorf hatte niederbringen lassen. Die Beobachtungen Erman's waren mit höchst einfachen Mitteln an- gestellt worden ; er hatte sich nämlich begnügt, ein sehr träges Ther- mometer in das Bohrloch einzusenken und es dann so schnell als mög- lich wieder eraporzuwinden Dieser Umstand hat Magnus veranlasst, <He Untersuchug wieder aufzunehmen, und zwar in demselben Bohr- loche von Rüdersdorf, in welchem schon Erman gearbeitet hatte.

Das Geothermometer*), so nennt Magnus das von ihm in Anwendung gebrachte Instrument, ist eine besondere Form des schon früher bekannten Quecksilber- Ausflussthermometers. Wie bei diesem ist auch bei jenem das obere Ende offen und zu einer feinen Oeffnung ausgezogen, welche zur Erleichterung des Ausflusses seitwärts umge- bogen ist. Die Theilung des Instrumentes ist auf diejenige irgend eines sehr genauen Thermometers reducirt, so dass bei massigen Temperaturen die Anzeigen beider Instrumente übereinstimmen. Ueber eine gewisse Temperatur hinaus, die im Voraus festgestellt ist, hat aber das Quecksilber in der Röhre des Geothermometers keinen Platz. Ein Theil davon fliesst aus. Wieviel dies beträgt, erkennt man bei wieder eingetretener niedriger Temperatur aus der Differenz des Queck- silberstandes im Normalthermometer und im Geothermometer , sol-ald beide Instrumente genau dieselbe Temperatur angenommen haben. Eine Quecksilbersäule von der Länge dieser Differenz zo der Länge der flüssigen Säule im Geothermometer von der Ausmündung an hin- zugerechnet und nach dem Verhältnisse der Theilung des Instrumentes in Wärmegrade reducirt, giebt an, um wie viel sich das Maximum über diejenige Temperatur erhoben hatte, bei welcher die Quecksilber- säule gerade bis zur Mündung des Rohres gelangt war. Vor Beginn eines neuen Versuches rauss die Röhre wieder mit Quecksilber gefüllt werden. Um diese Operation in bequemer Weise bewerkstelligen zu können, ist um die Oeffnung der Röhre ein kleines Gefäss von Glas angeschmolzen, welches eine geringe Menge Quecksilber enthält, so dass die zur Seite gebogene Spitze, so lange sich das Instrument in

*) Beschieibung eines Maximamthermometers und einiger damit angestellter Versuche in einem Bohrloch zu KUdersdorf. Pogg. Ann. XXI!. 136. (1831).

Veränderte Construction des Geothermometers und Temperaturbestimmuugen in dem Bohrloche zu Pitzpnhl. Pogg. Ann. XL. 135». (1837).

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senkrechter Stellung befindet, über dem Spiegel des Metalles bleibt, bei geneigter Stellung aber in die Flüssigkeit eintaucht.

Mittelst dieses Instrumentes hat Magnus die Temperaturzunahme zunächst in dem 655 Fuss tiefen Kohrloche von Riidersdorf und später in einem Bohrloche von Pitzpuhl, welches aber nur eine Tiefe von 457 Fass besass, gemessen. In beiden Fällen stieg die Temperatur regelmässig mit der wachsenden Tiefe. In der zweiten Versuchs- reihe betrug die Temperaturzunahnie ungefähr 1" R. für je 100 Fuss. Er man hatte aus seinen Rüdersdorfer Versuchen geschlossen, dass die Temperaturerhöhung um 1*^ R. schon bei einer Zunahme der Tiefe um 90 Fuss erfolge.

Die Vorliebe, mit welcher unser Freund die Erscheinungen stu- dirte, denen wir auf dem Grenzgebiete .zwischen Physik und Chemie begegnen, mussten seine Aufmerksamkeit schon frühzeitig dem Processe des Siedens, überhaupt der Dampf bildung, zulenken. In der That hat er denn auch diesen Erscheinungen in dem Zeiträume zwischen 1836 und 1861 nicht weniger als vier grossere Aufsätze gewidmet*).

Wer diese schönen Arbeiten mit Aufmerksamkeit gelesen hat, der muss die Ueberzeugung gewonnen haben, dass der Verfasser der- selben zur Begründung unserer gegenwärtigen Anschauungen über den Siedeprocess sehr wesentlich beigetragen hat, wenn es auch nicht immer möglich ist, bei einer Erscheinung, um deren Aufklärung so viele ausgezeichnete Forscher wie nach "Watt, Gay-Lussac, Faraday, Rudberg, Regnault und Andere, häufig gleichzeitig oder doch fast gleichzeitig bemüht gewesen sind, den besonderen Antheil eines Jeden unzweifelhaft festzustellen.

Man war früher sehr allgemein der Ansicht, dass die während des Siedens so häufig eintretenden Temperaturschwankungen, insbe- sondere das intermittirende, zeitweilig von heftigem Aufstossen be- gleitete Sieden zumal von der Beschaffenheit der Gefässwände abhän- gig sei; auch schien diese Annahme durch die bekannte Erfahrung gerechtfertigt, dass in den meisten Fällen das Stossen vollkommen beseitigt wird, wenn man kleine Stücke Platindraht und selbst aus- geglühte und wieder erkaltete Holzkohle vor Beginn des Siedens in die Flüssigkeit geworfen hat.

*) lieber das Sieden von Gemengen zweier Flüssigkeiten und über das Stossen solcher Gemenge. Po gg. Ann. XXX VIII. 481. (1836).

Ueber die Kraft, welche zur Erzeugung von Dämpfen erforderlich ist. Po gg. Ann. LXI. 248. (1844).

Ueber die Spannkraft von Dämpfen zweier Flüssigkeiten. Pogg. Ann. XClIl. 679. (1854).

Ueber die Temperatur der aus kochenden Salzlösungen und gemischten Flüssig- keiten entweichenden DBmpfe. Pogg. Ann. CXII. 408. (1861).

Daas zur Hervorbringnng von Dampfblaseu auch die Cohäsion der Wassertheile aufgehoben werden müsse, ist zwar schon früher aus- gesprochen worden, Magnus ist jedoch wohl der erste gewesen, der die ganze Bedeutung dieses Widerstandes hervorgehoben und bestimmt darauf hingewiesen hat, dass in Folge desselben die flüssigen Theil- chen, wenn sie sich im Innern der Masse in Dampf verwandeln sollen, stets eine höhere Temperatur annehmen müssen, als die ist, welche dem Spannungsmaximum des Dampfes unter dem herrschenden Drucke ent- spricht; es ist dies ja eben der Grund, wesshalb wir jelzt b«M der Siede- punktsbeslimmung das Gefäss des Thermometers nicht in die siedende Flüssigkeit senken, sondern nur in den von der Flüssigkeit bereits ge- trennten Dampf einhüllen.

Möglich, dass es gerade diese Erörterungen von Magnus ge- wesen sind, welche Don ny *) zu den merkwürdigen, bald darauf ver- öffentlichten Versuchen angeregt haben, in denen der Nachweis ge- liefert wird, dass die Widerstandskraft des Wassers gegen die Ver- dampfung, d. h. die Cohäsion der Wassertheilchen bei gänzlicher Ab- wesenheit von Luft, ausserordentlich gross ist, und eigentlich nur da mit Leichtigkeit überwunden wird, wo es einem leeren oder mit Gas erfüllten Räume angrenzt, also z. B. au der Oberfläche des Wassers. Ganz luftfreies Wasser konnte bei gewöhnlichem Luftdruck unter günstigen Umständen bis zu 135'^ C. erhitzt werden, ehe es zu sieden begann. Durch die kleinste Luftblase wurde freilieb dieser Wider- stand aufgehoben. Auch konnte man sicher sein, wenn das über den gewöhnlichen Siedepunkt erhitzte Wasser plötzlich zum Sieden kam, die Gegenwart einer Luftblase sich immer nachweisen Hess. In der That beruht die alltäglich erprobte Fähigkeit des Platins das Sieden der Flüssigkeiten zu erleichtern, lediglich auf der Hartnäckigkeit, mit welcher dieses Metall die Luft auf seiner Oberfläche verdichtet. Durch lange fortgesetztes Kochen mit Wasser geht dem Platin, mit der von der Oberfläche allmählich sich abtrennenden Luft , diese Eigenschaft vollkommen verloren.

In Salzlösungen ist die Anziehung, welche die flüssigen Theile gegen einander, und also auch gegen die gebildeten Dämpfe äussern, grösser als in reinem Wasser, daher auch die Temperatur höher sein muss, bei welcher die Dämpfe sich losreissen können oder, was dasselbe sagen will, die Flüssigkeit siedet.

So begreift man die bemerkenswerthe Erscheinung, dass bei lUU" gesättigter Wasserdampf, welchen man in Salzwasser von lOO** ein- führt, zum Theil niedergeschlagen wird und die Temperatur der Flüs- •'';•'• erhöhen muss, bevor die Dampf blasen mit derselben höheren

*) Donnjr, lieber die CohiUion der Flüssigkeiten und deren Adhärenz an Starren Kürp— V \ •■■ ' \V!I. 5Ü-2.

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Temperatur aus der Salzlösung wieder aufsteigen können. Nach Herstellung eines Gleichgewichtszustandes der Flüssigkeitstemperatur, welche sich in Folge des nun eintretenden Verdampfens nicht höher steigern lässt, wird also fortwährend ein Theil des einströmenden Dampfes, indem er sich wieder in flüssiges Wasser verwandelt, dazu vorwendet , durch seine freiwerdende Wärme den Ueberrest des Dampfes auf eine höhere Temperatur zu bringen, und es ist einleuchtend, dass die aufsteigenden Dampf blasen, da ein Theil des Dampfes als Wasser niedergeschlagen wird, unter dem Luftdrucke nicht mehr gesättigt sein können.

Zur Erkenntniss dieser höchst merkwürdigen Thatsachen war Magnus durch eineReihe von selbstständigen Versuchen geführt worden, ohne dass er geahnt hätte, dass ähnliche Beobachtungen auch bereits von Gay-Lussac und Faraday gemacht worden waren. Auch ist das Verdienst, diese Erscheinungen aufgeklärt zu haben, viele Jahre hindurch fast ausschliesslich unserm Fj-eunde zugeschrieben worden, bis er selber auf den Antheil aufmerksam gemacht hat, welcher seinen Vorgängern gebührt*).

E* ist lange Zeit unbekannt geblieben, dass die Dämpfe, welche unter dem Luftdruck aus kochenden Salzlösungen unmittelbar aufstei- gen, eine höhere Temperatur besitzen, als die dem Spannungsmaximum bei dem herrschenden Luftdruck entsprechende, d. h. also als lOO'*. Man glaubte vielmehr fast allgemein, dass die aus wässrigen Salz- lösungen entwickelten Dämpfe in allen Fällen dieselbe Tempe- ratur annehmen, mit welcher der Dampf unter gleichem Drucke aus reinem siedenden Wasser entweicht. Die früheren Beobachter hatten unbeachtet gelassen, dass die von dem Dampf über dem sie- denden Wasser umhüllte Thermometerkugel, wenn ihre Temperatur niedriger ist, als die der siedenden Flüssigkeit, auf ihrer Oberfläche Wasser verdichtet, und in Folge dessen nur die Temperatur der von ihrer Oberfläche verdampfenden, aber stets wieder erneuerten Flüssig- keit anzeigen kann. Der hieraus hervorgehende Irrthum lässt sich nur dadurch vermeiden, dass man das Thermometer vor dem Einsetzen noch trocken weit über die Siedetemperatur der Salzlösung erhitzt. Die zalilreichen bei der Anstellung dieses Versuchs eintretenden Schwierigkeiten hat Magnus durch die Construction eines ihm eigen- thümlichen Apparates beseitigt.

Endlich fand Magnus, dass die Spannkraft der Dämpfe einer Mischung zweier sich gegenseitig auflösender Flüssigkeiten stets ge- ringer ist, als die Summe der Spannkräfte ihrer Bestandtheile bei derselben Temperatur, und dass diese Spannkraft abhängig ist von dem Verhältniss, in welchem beide Flüssigkeiten in der Mischung vor-

♦) Po gg. Ann. CXII. 411.

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handen sind. So vermindert sicli z. B. die Spannkraft des Aethers in der Haronieterleere, sobald man eine damit mischbare Flüssigkeit, wif Alkohol, zuführt.

Anders verhalten sich die Dämpfe von Flüssigkeitsgemengen, wie Wasser und Terpentinöl, deren Bestandtheile ganz getrennte Schichten bilden. Bei diesen ist die Spannkraft des Dampfgemenges gleich der Summe der Spannkräfte der Gemengtheile, ganz so wie es da.s Dalton'sche 'Gesetz verlangt. Wenn die flüchtigere Flüssigkeit die unterste Schicht bildet, so zeigt sich die Temperatur des Dampfge- uienges immer etwas niedriger, als die Siedetemperatur der flüchti- geren Flüssigkeit.

Wenn schon die Versuche über den Siedeprocess das Interesse der Chemiker ebensosehr wie der Physiker beanspruchen, so gilt dies in fast noch höherem Grade von den Arbeiten über die Ausdehnung der Luft und die Spannkraft des Wasserdampfes. Die Ergeb- nisse dieser Untersuchungen gehören jedenfalls zu den schönsten Erfolgen unseres verewigten Freundes, und würden allein hingereicht haben, ihm für alle Zeiten einen ehrenvollen Platz unter den Natur- forschern dieses Jahrhunderts zu sichern. In keiner seiner anderen Arbeiten zeigt sich die Eigenart seiner Forschung, sein unermüdlicher Fleiss und seine unbeirrbare deutsche Gewissenhaftigkeit in glänzen- derem Lichte, als gerade in diesen Experimentaluntersuchuugen und zu- mal in seinen Studien über die Ausdehnung der Gase. Auch kann das hohe Verdienst, welches sich Magnus um die Feststellung der Ausdehnungs- und Spannungsconstanten erworben hat, nicht entfernt durch den Umstand beeinträchtigt werden, dass ähnliche und aller- dings ausgedehntere Untersuchungen fast unmittelbar nach dem Be- kanntwerden seiner Resultate von Regnaul t verötfentlicht wurden. Brachten doch diese Untersuchungen fast durchgeheuds Bestätigung der Magnus' sehen Zahlen und sah sich doch Regnault in einigen Fällen, in denen Uebereinstimmung gefehlt hatte, später veranlasst, seine ersten Angaben zu berichtigen.

Die Wissenschaft hat sich in der Tliat Glück zu wünschen, dass gerade durch die nahezu gleichzeitigen und von einander völlig un- abhängigen Arbeiten zweier so bewährter Forscher, die Kenntniss einer Reihe der unentbehrlichsten Grundlagen physikalischer und chemischer Untersuchungen nunmehr wohl als über jeden Zweifel er- hoben betrachtet werden darf.

Um die Magnus'sche Arbeit über die Ausdehnung der Luft ihrem ganzen Umfange nach würdigen zu können, müssen wir uns in die Zeit zurückversetzen, welche diesen Versuchen unmittelbar voraas-

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Vor dem Jahre 1837 war man der Ansicht, dass keine Constante der Physik mit grösserer Sicherheit bestimmt sei, als der von Gay- Lussac ermittelte Ausdehnungscoefficient der Luft. Denn abgesehen von dem grossen Zutrauen, welches allen Zahlenangaben die&es berühm- ten Forschers mit Recht geschenkt wurde , schien aus den nahezu gleichzeitigen Messungen Dalton's fast dieselbe Zahl hervorzugehen, und zum üeberfluss war dieselbe auch von Dulong und Petit gele- gentlich ihrer klassischen Arbeit über die Ausdehnung der Gase in höheren Temperaturen als richtig bezeichnet worden.

Als daher im Jahre 1837 Rudberg*) eine neue Arbeit über die Ausdehnung der Luft veröffentlichte, welche eine von der Gay- Lussac'schen abweichende Zahl brachte, so fand diese Angabe nur bei den Wenigsten eine günstige Aufnahme, zumal auch die Versuche, auf welche Rudberg seine Angabe stützte, nicht eben umfangreich waren, und ihre Fortsetzung und Erweiterung in Folge seines frühen Todes unterblieb.

Indessen die Richtigkeit einer, wenn auch vorher allgemein an- erkannten Constanten, war gleichwohl durch Beobachtungen eines geachteten Forschers zweifelhaft geworden. Neue Untersuchungen waren dringend geboten, Magnus unterzog sich dieser höchst wich- tigen, aber auch höchst mühevollen Arbeit**), denn es handelte sich be- greiflich nicht darum, zu den bereits vorhandenen Angaben noch neue hinzuzufügen, sondern es musste vor Allem der Werth sämmtlicher früherer Angaben einer sorgfälligen Prüfung unterworfen werden.

Diese Prüfung führte denn auch alsbald zu einem ganz über- raschenden Ergebniss, insofern die einerseits von Gay-Lussac, andererseits von Dal ton gegebenen Zahlenwerthe, deren nahe Ueber- einstimmung man seltsamer Weise angenommen hatte, in Wahrheit weit auseinander liegen. Nach Gay- Lussac beträgt die Ausdehnung von 1000 Volumen Luft durch Erwärmung von 0*^ auf 100", wenn der Druck unverändert bleibt, 375 Volume. Dal ton fand, dass 1000 Volume Luft von 55" F = 120,78 C, bis zum Siedepunkte des Wassers, also um ein Teraperaturintervall von 100 12,78 = 87'', 22 erwärmt, um 325 Volume zunehmen. Hiernach berechnet sich die Ausdehnung, welche 1000 Volume Luft beim Erwärmen um einen Tem- peraturunterschied von 100'^ erleiden, auf 372,6 Volume. Es ist nämlich

" «k ^ '"" = "''"

Da nun, sagte man, Gay-Lussac 375 Volume gefunden hat, so dient die eine dieser Zahlen der Richtigkeit der anderen zur Bestätigung. Diese

*) Rudberg, üeber die Ausdehnung der trockenen Luft zwischen 0" und 100» C. Po gg. Ann. XLI. 271 u. XLIV, 119.

♦*) Ueber die Ausdehnung der Gase durch die Wärme. Pogg. Ann. LIV 601 und LV. 1. (1841).

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anmittelbare Vergleichung beider Zahlenresultate ist jedoch vollkommen irrig, weil beide Zahlen, wenn auch für denselben Temperaturun- terschied geltend, sich gleichwohl auf Luftvolume von ganz ver- schiedener Ausgangstemperatur beziehen. Die Bedeutung dieser Ver- schiedenheit wird vielleicht am deutlichsten hervortreten, wenn wir dem Aasdtthnungscoefficiemen der Luft die Form eines gemeinen Bruches geben. Setzt man zu dem Ende die Gay-Lussac'sche Zahl 0,00375 gleich y^, so will das heissen, dass 267 Volume Luft bei O** gemessen und auf t^ erwärmt, sich in 267 -h < Volume verwan- dein. Mit gleichem Rechte aber sagen wir auch : 267 ■+- 1 Volume Luft bei t'^ gemessen und auf T^ erwärmt, verwandeln sich in 267 H- T Volume. Es berechnet sich hiernach der Ausdehnungs- coefficient für jede bestimmte Anfangstemperatur t nach Gay-Lussac auf 1

267 ■+■ t. Nach den Versuchen von Dalton ist der Ausdehnungscoefficient für r= 12,78 C:

0,003726 = -^.

Folglich, wenn man von dem Volum bei 0^ ausgehen will:

1 _ 1

268,40 12,78 ~ 255,62' Rudberg fand, auf das Volum bei 0^ bezogen, den Ausdehnungs- coefficienten :

2-Ä;3 =«•'»'«*«•

Die Dalton 'sehe und die Rudberg'sche Zahl entfernen sich also von der Gay- Lussac'schen im entgegengesetzten Sinne, und zwar die erstere sogar noch weit mehr als die letztere.

Gay-Lussac hatte bekanntlich die Volumvergrösserung der Luft durch Erwärmung unmittelbar gemessen, indem er eine Quantität trockner Luft in einem Glasbebälter von Thermometerform mittelst eines Quecksilberfadens abschloss. Durch Erwärmung der Luft wurde dieser Faden vorwärts geschoben, bei der Abkühlung zog er sich wieder zurück. Der Behälter war calibrirt und so konnte das Ver- hältniss der durch die Wärme bewirkten Volumveränderungen direct gemessen werden.

Nach demselben Verfahren hat Magnus mehr als 30 Versuche ausgeführt. Sie lieferten im Mittelwerthe die Zahl 0,00369, zeigten jedoch untereinander keine grosse Uebereinstimmung, denn die Fehler- grenzen schwankten zwischen 0,003598 und 0,003877 ; er überzeugte sich in der That, dass es unmöglich war, mittelst des Quecksilber- pfropfs die innere trockene von der äusseren feuchten Luft auf die Dauer absolut abzuschliessen.

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Unverkennbare Vorzuge, dieser Methode gegenüber, bot die nach Rudberg genannte, bei welcher nicht eigentlich die Ausdehnung der Luft gemessen wird, sondern ihre bei constant bleibendem Volum mit der Temperatur sich ändernde Spannkraft, von der dann wieder, so weit das Mariotte'sche Gesetz Geltung hat, die Ausdehnung durch Erwärmung und unter constant bleibender^ Drucke abhängig ist.

Hier fiel also jede Volummessung weg und die von volumetrischen Messungen unzertrennlichen Fehler waren beseitigt. Es genügte für die Untersuchung eine massige Luftmenge, deren Temperaturänderung sich eben deshalb mit grösserer Leichtigkeit gleichförmig bewerkstelligen Hess. Eine Verunreinigung der in dem Behälter des Luftthermometers einmal eingeschlossenen und wohlgetrockneten Luft war während der Dauer einer Versuchsreihe nicht zu befürchten, ja nahezu unmöglich. In der That bedurfte es nur einer sehr sorgfältigen Beobachtung der Temperatur zu Anfang und zu Ende des Versuchs, sowie genauer Messung der Quecksilberdrucksäule, welcher die eingeschlossene Luft- menge ausgesetzt werden musste, um während der Dauer des Ver- suchs ihr Volum unverändert zu erhalten. Die schliesslich nothwendige Correction wegen Ausdehnung des Glasbehälters konnte auf das Haupt- resultat nur geringen Einfluss üben.

Auf diesem Wege hat Magnus aus dem Mittel mehrerer fast übereinstimmender Versuche die Volumerweiterung trockener Luft zwischen dem Schmelzpunkte des Eises und dem Siedepunkte des Wassers unter 28 Zoll Druck, im Verhältnisse von 1 zu 1,3665 be- stimmt. Da innerhalb dieser Grenzen das Quecksilberlhermometer mit dem Luftthermometer gleichen Schritt hält, so kann man auch sagen, der Ausdfehnungscoefficient der Luft für je P^ des Quecksilber- thermometers beträgt zwischen diesen Grenzen:

0,003665 = ^^5

des Volums bei 0".

Dafür ist, wie bekannt, gegenwärtig fast allgemein die Zahl

2^ = 0,003663

angenommen worden.

Der Ausdehnungscoefficient des Wasserstoffs, auf dieselbe Weise bestimmt, wurde um ein Weniges geringer, der der Kohlensäure schon merklich grösser, endlich der des schwefligsauren Gases beträchtlich grösser gefunden.

Unter den etwas später bekannt gewordenen von Regnaul t ge- fundenen Zahlen ergab sich, was die Luft anlangt, eine absolute üebereinstimmung. Für Wasserstoffgas fand zwarRegnault Anfangs eine etwas grössere Zahl und für kohlensaures und schwefligsaures

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Gas geringere Abweichungen von der Ausdehnung der Luft als Magnus. Die betreffenden Angaben hat er jedoch später durch andere ersetzt, welche den von Magnus mitgetheilten sehr nahe kommen.

Einige dieser Arbeit sich anschliessende Versuche, obwohl einer viel späteren Zeit angehörig, mögen anhangsweise hier noch kurz erwähnt werden.

Schon öfter ist die Frage aufgeworfen worden, in wie weit die Verdichtung der Gase an der Oberfläche des Glases einen Einfluss auf die Verschiedenheit der beobaichteten Ansdehnungscoefficienten haben könnte. Auch Magnus hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Seine Untersuchungen über diesen Gegenstand , von denen er nur ge- legentlich einige Mittheilungen gemacht hat*), sind jedoch unvollendet geblieben.

Aus der veröffentlichten Notiz ist als bemerkenswerth hervorzu- heben . dass der Ausdehnungscoefficient der schwefligen Säure durch die Attraction des Glases zwar nicht unerheblich, jedoch auch nicht so beträchtlich vergrössert erscheint, um aus diesem Umstände allein den Unterschied zwischen den für dieses Gas und für die Luft gefun- denen Zahlen zu erklären.

Mit Hülfe des Luftthermometers hat Magnus auch die Aus- dehnung der Luft mit der des Quecksilbers in Glasgefässen bei höheren Temperaturen bis nahe zum Siedepunkte des Queck- silbers verglichen**). Er gelangte sehr nahe zu denselben Zahlen, welche auch Dulong und Petit gefunden hatten; nach diesen Beob- achtern bleiben die durch die absolute Ausdehnung der Luft, welche als gleichförmig vorausgesetzt wird, gemessenen Temperaturen hinter den Anzeigen des Quecksilberthermoraeters, schon über 100*^ hinaus, merk- lich zurück, so dass der Unterschied bei 150° des Quecksilberthermo- meters schon mehr als 1'^ C. und bei 200^* beinahe schon 3*^ aus- macht. Zu diesem überraschenden Resultate hätten Dulong und Petit unmöglich gelangen können, wenn sie die Ausdehnung der Luft nach dem Gay -Lussac'schen AusdehnungscoefBcienten be- rechnet hätten.

Dessen bedurfte es aber auch nicht bei ihren Versuchen, weil sie den Gang des Quecksilberthermometers mit dem des Luftthermometers nicht nur bei höheren Temperaturen, sondern auch zwischen 0** und 100® verglichen hatten. Bei der Berechnung ihrer Resultate konnte daher

•) Ueber die VerdichtBng der G««e ad der Oberfläche glatter Körpej. Po gg. Ann. LXXXIX. 604. (1858).

**) Ueber die Ausdehnung der Loft bei höheren Temperataren. Po gg. Ann. LVn. 177. (1842.)

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sehr wohl die Vohimveränderung zwischen O*^ und 100^ den Veränderun- gen, welche bei höheren Temperaturen eintraten, zu Grunde gelegt sein, ohne dass der Ausdehnungscoefficient selbst in Anwendung gekommen war. Es ist zu bedauern , dass die Originalgrundlagen der Versuche von Dulong und Petit nicht mitgetheilt worden sind und überhaupt nicht mehr vorhanden zu sein scheinen, sonst wurde sich der richtige Ausdehnungscoefficient der Luft wohl heute noch aus ihren Beob- achtungen ableiten lassen.

Uebrigens giebt Magnus selbst seine Freude darüber zu erkennen, dass durch seine Arbeit die Zahlen von Dulong und Petit bestätigt werden; man sehe, sagt er, dass diese Physiker genauer und zuver- lässiger gearbeitet haben, als man aus ihrer eigenen Angabe, dass sie den Ausdehnungscoefficienten zwischen 0*^ und 100*^ eben so gross als Gay-Lussac gefunden haben, zu schliessen sich berechtigt glaubte.

Gleichzeitig mit Magnus hatte auch Regnault über denselben Gegenstand gearbeitet, war aber zu wesentlich abweichenden Resul- taten gekommen. Denn während nach Magnus, gleich wie nach Dulong und Petit, die scheinbare Ausdehnung des Quecksilbers in Glasgefässen , also auch in den Thermometern, von 100° aufwärts verhältnissmässig stets bedeutender ist als die absolute Ausdehnung der Luft, und bei .330° des Quecksilberthermometers schon zwischen 9 und 10° ausmacht, hat Regnault gefunden, dass in Glasbehältern Luft und Quecksilber in ihrer Ausdehnung bis zur Temperatur von 200° gleichen Schritt halten, dass bei 250° das Quecksilber der Luft nur um 0°,3 und selbst bei 350° nur um 3°, 3 vorauseilt.

Darauf hin hat Magnus seine Versuche mit der peinlichsten Sorgfalt wiederholt, und besonders auch darauf Rücksicht genommen, dass die gewählten Thermometer, Luftthermometer und Quecksilber- thermometer, von derselben Glassorte gefertigt waren (weil Regnault diesen Umstand als wesentlich wichtig hervorgehoben hatte), ohne gleich- wohl andere Resultate als vorher erhalten zu können.

Es wäre gewiss im Interesse der Wissenschaft, wenn auch Regnault sich entschliessen könnte, seinerseits der Quelle jener Verschiedenheiten nachzuspüren. Denn so lange diese Verhältniss- ungeklärt bleiben, sind die in neuerer Zeit üblich gewordenen Reduc- tionen der Angaben des Quecksilberthermometers auf das Luftthermo- raeter ziemlich werthlos, Messungen aber, die mit dem Luftthermo- meter direct ausgeführt worden sind, gestatten keine Vergleichung mit den Angaben des Quecksilberthermometers.

Im engsten Zusammenhange mit den Versuchen über die mit der Erwärmung zunehmende Spannkraft der Luft stehen die Unter- suchungen über die Spannkraft der Wasserdämpfe*). Ein Luftthermo-

*) Veraucha Über die Spannkräfte des Wasserdampfs. Po gg. Ann. LXl. 2*25.(1844.)

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meter derselben Art, wie das bei jenen verwendete, diente Magnus, um die Temperatur der gespannten Dämpfe zu messen. Auch ge- brauchte er dieselbe Heizvorricb*ung, um eine beliebige constant bleibende Temperatur hervorzubringen. Dieselbe bestand aus einem Kasten von Eisenblech, welchen drei andere Kasten von ähnlicher Beschaffenheit in der Weise umgaben , dass zwischen je zwei Blech- wänden eine Luftschicht von ^ Zoll blieb. Die Kasten hingen in einander, um jeden metallischen Zusammenhang in den unteren Theilen zu vermeiden. Nur der äusserste Kasten wurde mittelst einer Ar- gand 'sehen Spirituslampe erwärmt. Die Wärme drang in Folge dieser Anordnung freilich nur sehr langsam in den inneren Raum, erzeugte aber dafür in diesem Räume eine, je nach der Stärke der Flamme verschiedene, sehr gleichförmig sich erhaltende Tem- peratur.

In demselben Räume mit dem Gefässe des Luftthermometers befand sich ein luftleerer mit reinem luftfreien Wasser gefüllter Glasbehälter, in welchem die Dämpfe erzeugt wurden, deren Spann- kraft nach Aussen sich fortpflanzend, durch den Gegendruck einer Quecksilbersäule gemessen wurden. Die Höhe der letzteren, welche von dem Eindruck der Wärme des Heizapparates genügend entfernt war, konnte gleich der drückenden Quecksilbersäule des Luftthermo- meters mittelst eines Kathetometers abgelesen werden.

Die grosse Sorgfalt, welche Magnus anf die Herstellung und wiederholte Prüfung seines Apparates verwendete, wurde durch den Gewinn einer Zahlenreihe von seltener Genauigkeit und Verlässlich- keit belohnt. Leider ist die Reihe nicht sehr ausgedehnt und er- streckt sich nur auf die Temperaturen zwischen G bis -t- 104°.

In den mitgetheilten Originalzahlen zeigen sich die Fehlergrenzen, namentlich bei den Beobachtungen über 20° hinaus, allerdings nicht ganz gering, und Magnus hebt mit der ihm eigenen Offenheit hervor, dass er grössere üebereinstimmung nicht zu erreichen vermochte. Auf die nach den Mittelwerthen berechneten Spannkräfte war dies indessen ohne Einfluss, wie man am deutlichsten daraus erkennt, dass die nicht lange nachher von Regnault gegebenen und aus viel umfangreicheren Messungen abgeleiteten Spannkräfte mit den in der Magnus'schen Tabelle enthaltenen fast identisch sind.

Eine andere Reihe thermischer Untersuchungen, mit denen sich Magnus seit dem Jahre 1861 wiederholt beschäftigt hat, betrifft die Verbreitungsweise der Wärme in Gasen, sowohl durch Leitung wie durch Strahlung. Die erste Veranlassung zu dieser Untersuchung gab ihm, wie er selbst sagt, die interessante Beobachtung von Grove*),

*) Grove, on ithe efect of $urroimdMg mtdia on Voltaic ignition. Pbil. M«g. [3] XXXV. 114.

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dass ein von Wasserstoff umgebener Platindraht beim Durchgange des galvanischen Stromes weniger stark erglüht, als wenn er in atmosphärische Luft oder eine andere Gasart eingehüllt ist. Poggen- dorff *) hatte die Ansicht ausgesprochen, dass diese Erscheinung auf denselben Gesetzen beruhe, welche Dulong und Petit für das Er- kalten eines auf gewöhnliche Weise erhitzten Körpers festgestellt haben und später hatte Clausius**) die Uebereinstimmung zwischen den von Dulong und Petit gegebenen Zahlen und den Resultaten Grove's nachgewiesen. Magnus seinerseits vermuthete, dass eine besondere Leitungsfähigkeit des Wasserstoffs für die Wärme mit im Spiele sein könne.

Dass die Gase einen gewissen Grad der Leitfähigkeit in dem Sinne wie feste und flüssige Körper besitzen müssen , lässt sich nicht in Abrede stellen, denn sie vermögen den Oberflächen der Körper, je nachdem diese eine höhere oder niedere Temperatur als sie selbst besitzen, entweder Wärme zu entnehmen oder abzugeben; ferner weiss man, dass wärmere und kältere Gasmassen, zusammen gemengt, ihre Temperatur wechselseitig ausgleichen. Wenn demnach die Gase die Wärme leiten, so ist es auch denkbar, dass verschiedene Gase dieses Vermögen in ungleichem Grade besitzen. Um diese Frage experimental zu prüfen, bedient sich Magnus***) eines Apparates von folgender Einrichtung. Auf ein cylindrisches senkrecht gestelltes Gefäss aus sehr dünnem Glase von 56°"" Weite und 160""" Höhe, ist ein zweites offenes Glasgefäss von demselben Durchmesser, aber nur etwa 100°"° Höhe, aufgeschmolzen, in der Art, dass beide Behälter nur durch eine einzige dünne Glaswand getrennt sind. Der die untere Mündung des cylindrischen Gefässes schliessende Kork ist von zwei mit Hähnen versehenen Glasröhren durchsetzt, durch welche man das Gefäss mit Luft oder anderen Gasen unter beliebigem Drucke füllen, oder auch wieder entleeren kann. Seitlich ist das cylindrische Gefäss etwa 50"" unterhalb der dünnen Glaswand mit einem Tubulus versehen, durch welchen ein Thermometer eingeschoben und in horizontaler Lage un- veränderlich befestigt ist.

In das aufgeschmolzene Gefäss wird siedendes W^asser gebracht und während der Dauer eines Versuches durch Einführung von Wasserdampf im Sieden erhalten. Um mittlerweile dem umgebenden Räume eine möglichst constante Temperatur zu sichern, ist der Appa- rat in einem Becherglas befestigt und dieses wieder mit einem ähnlichen weiteren umgeben, welches bis zur Höhe des siedenden Wassers mit Wasser von constanter Temperatur gefüllt ist.

*) Pogg. Ann. LXXI. 197. Note.

♦*) Clausius, Ueber die von Grove beobachtete Abhängigkeit des galvani- schen Glühens von der Natur des umgebenden Gases. Pogg. Ann. LXXXVH. 505. ♦*♦) Ueber die Verbreitung der Wärme in den Gasen. Pogg. Ann. CXII. 467. (1861.)

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Durch die Art der Aufstellong ist eine Ausbreitung der Wärme durch Strömung im Innern des Cylinders wesentlich verhindert. Um auch den Einfluss einer directen Bestrahlung des Thermometers abzu- halten, befindet sich zwischen demselben und der heissen Decke ein Schirm aus dünnem versilberten Kupferblech. Ganz kann auf diese Weise die Einwirkung der Strahlung allerdings nicht ausgeschlossen werden, weil die Strahlen der heissen Glasflilche auf die Wände des Becherglases fallen und von diesen wieder auf das Thermometer reflectirt werden.

Hieraus erklärt es sich denn, dass das Thermometer, selbst in dem von Luft fast ganz entleerten Räume, eine wesentlich höhere Temperatur zeigen konnte, als die der Umgebung and zwar unter den Verhältnissen, unter denen Magnus arbeitete, eine Temperatur von ungefähr 23'' C. , während das Wasser in dem äusseren Becherglase eine constante Temperatur von lö** besass.

Beim Zutritt von Luft verminderte sich diese Temperatarerhöhung und zwar mehr und mehr bei zunehmendem Drucke, so dass also augenscheinlich die Wärmestrahlen, ähnlich wie in starren and flus- sigen Körpern, so auch beim Durchgang durch Gase theilweise ab- Borbirt werden. Eine Bewegung der Wärme durch Leitung, wenn sie vorhanden war, blieb unter der mächtigeren Wirksamkeit der Strah- lung verdeckt.

In ähnlicher Weise verhielt sich eine grössere Anzahl von Gasen, welche Magnus untersucht hat. Nur das quantitative Verhältniss blieb nicht gleich. So zeigte es sich, dass wenn man die Temperatur- erhöbung, welche durch den leeren Raum hindurch stattfindet, gleich 100° setzt, die Temperaturerhöhung durch Luft 82, Kohlenoxyd 81, Grubengas 80, Ölbildendes Gas 77, Cyan 75, Kohlensäure 70, Am- moniak 69, schweflige Säure 66 beträgt, sämmtliche Gase unter dem- selben Druck, nämlich dem Druck einer Atmosphäre beobachtet. Eine sehr merkwürdige Ausnahme in dieser Beziehung bildete unter den Gasen einzig und allein das Wasserstoffgas, indem sein Zutritt in das cylindrische Gefäss den Durchgang der Wärme auffallend mehr förderte als selbst der leere Raum, und zwar zunehmend mehr bei erhöhter Dichtigkeit, so dass unter dem Atmosphärendruck das Thermometer bis zu 28" stieg, während es im leeren Raum nur 23" angenommen hatte. Die Temperaturerhöhung durch den leeren Raum wieder = 100 gesetzt, ist durch den Wasserstoff eine Temperatur- erhöhung von 111 erfolgt.

Da diese Erhöhung unmöglich von einer vermehrten Strahlung abhängig sein konnte, so glaubt Magnus, dass durch diesen Versuch eine derjenigen der Metalle ähnliche Leitfähigkeit des Wasserstoffs für die Wärme erwiesen sei.

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Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, wie viel des Verführerischen die Annahme einer Wärmeleitungsfähigkeit des Wasser- stoffs für den Chemiker besitzt, zumal in der gegenwärtigen Zeit, in welcher der Begeisterung für die metallische Natur dieses Elementes aus Graham 's merkwürdigen Versuchen über das Palladium-Hydro- genium neue Nahrung zugeflossen ist. Gleichwohl darf es nicht un- erwähnt bleiben, dass obschon die von Magnus wahrgenommenen Thatsachen niemals in Zweifel gezogen worden sind, dies würde ja bei einem so umsichtigen und gewissenhaften Beobachter vollkommen unzulässig sein sich dennoch Stimmen erhoben haben, welche die aus den Versuchen gezogene Schlussfolgerung beanstanden. So wird es Manchem schwer, Angesichts der äussersten Langsamkeit, mit welcher die Wärme z. B. im Wasser von Oben nach Unten vor- schreitet, es für wahrscheinlich zu halten, dass eine so feine Materie wie WasserstofFgas ein guter Leiter der Wärme in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes sein könne, und man hat die Frage aufgeworfen, ob hier nicht vielmehr ein Dift'usionseffect zwischen Körpertheilen von zwar gleichartiger chemischer Natur, aber verschiedener durch die ungleiche Erwärmung bedingter specifischer Elasticität im Spiele sei.

Die erwähnten Versuche geben Magnus Veranlassung zu einem näheren Studium des Verhaltens gasförmiger Körper zu den Wärme- strahlen, worüber zu jener Zeit (1861) nur einige wenige Beobach- tungen von Franz vorlagen, welche sich überdies auf den Durch- gang der von glühenden Körpern ausgehenden Strahlen beschränkten. Für Magnus hatte aber, mit Beziehung auf die eben betrachtete Arbeit, zunächst gerade das Verhalten der sogenannten dunkeln (d. h. der von nicht leuchtenden Körpern ausgesendeten) Strahlen das meiste Interesse.

Der Untersuchungsapparat, dessen er sich vorzugsweise bedient, besteht wieder, gerade wie bei den Versuchen über Leitungsfähigkeit der Gase, aus einem cylindrischen Gefässe von Glas, dem ein zur Aufnahme des heissen Wassers bestimmtes anderes, offenes Glasgefäss aufgeschmolzen ist. Der unten offene Glascylinder ist seinerseits wieder luftdicht auf einem weiteren Glasbehälter befestigt, welcher die thermo-elektrische Säule enthält, und dessen unterer abgeschliffener Rand auf dem Teller der Luftpumpe luftdicht aufsitzt. Das die Thermosäule enthaltende Gefäss ist mit einem weiteren gleichfalls auf dem Teller der Luftpumpe aufsitzenden Cylinder umgeben, der mit Wasser von constanter Temperatur gefüllt ist, so dass die Säule gegen äussere Temperatureinflüsse möglichst geschützt ist. Mittelst der Luftpumpe und eines seitlich an dem Glascylinder angebrachten Tubulus können nach einander verschiedene Gase unter beliebigem Druck eingelassen und auf ihr Verhalten zu den von der erhitzten Glasdecke ausgehenden Wärmestrahlen untersucht werden. Senkrecht

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anter dieser beiss gehaltenen sehr dünnen Glaswand ist die Thermo- säale aufgestellt, und auf diese Weise der störende Einfluss einer Ver- breitung der Wärme durch Strömung möglichst vermieden. Auch ist zwischen der Wärmequelle und der bestrahlten Fläche der Säule jedes diathermane Diaphragma, wie etwa eine Glas- oder Steinsalz- platte, welches den unmittelbaren and unveränderten Eindruck der Wärmestrahlen auf die Säule hätte beeinträchtigen können, ausge- schlossen. Der Abstand zwischen beiden beträgt ungefähr 300"".

Die Wirkungen auf ein Galvanometer mit astatischer Nadel wurden nach der zuerst von Melloni empfohlenen Methode, welche bekannt- lich die Grade des Theilkreises unter einander vergleichbar macht, gemessen. Das Galvanometer war mit grosser Präcision gearbeitet und so empfindlich, dass die unter den gegebenen Verhältnissen erhaltenen Ausschläge eine genügende Vergleichbarkeit besassen.

Auf diese Weise fand Magnus, dass die Wärmemenge, welche in dem bis zu S"" Druck verdünnten Räume von der Fläche der Thermosäule aufgenommen wurde, sich beim Zutritte trockener Luft merklich, und unter gewöhnlichem Luftdrucke um mehr als 1 1 Procent verminderte. Sauerstoff verhielt sich wie Luft. Eine Anzahl anderer Gase, die antersucht wurden, zeigten sfimmtlich ein grösseres Absorptionsvermögen für die dunklen Wärmestrahlen. Setzt man die Summe der durch den leeren Raum auf die Thermosäule fallenden Strahlen = 100, so gehen nach diesen Versuchen durch Luft und Sauerstoff 89, Wasserstoff 86, Kohlensäure 80, Kohlen- oxyd 79, Stickstoffoxydul 74, Grubengas und Cyangas 72, Ölbildendes Gas 46, Ammoniakgas 38. Der Unterschied zwischen Luft und Wasserstoffgas ist also gering, beträchtlicher schon der Unterschied zwischen Luft auf der einen, und Kohlensäure und Kohlenoxydgas auf der anderen Seite. Stickstoffoxydul, Grubengas und Cyangas halten schon mehr als ein Viertheil der Wärmefluth zurück; Ölbildendes Gas sogar mehr als die Hälfte, Ammoniak endlich fast zwei Drittheile.

Atmosphärische Luft, die bei 16*^ mit Wasserdampf gesättigt ist, übt nach Magnus keinen merklich grösseren Einfluss auf die Durch- strahlung, al- trockne Luft, Dass ein solcher Einfluss, führt er an, hervortreten werde, sobald ein Theil der Dämpfe sich als Nebel aus- scheide, sei sehr wahrscheinlich.

Um Vergleichungsweise auch den Einfluss einer W^ärmequelle von höherer Temperatur zu studiren, sendet er nunmehr die Strahlen einer Gasflamme mit doppeltem Luftzuge gegen eine auf beiden Seiten durch Glasplatten luftdicht verschlossene Röhre von l" Länge und 35"" Weite, in welche die verschiedenen Gase unter beliebigem Druck eingelassen werden konnten Die Messungen mit dem Galvanometer wurden wie in der eben betrachteten Versuchsreihe ausgeführt. Ihre Ergebnisse stimmen qualitativ mit denen der früheren überein, doch

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zeigen die Gase für die Strahlen der Flamme im Aligemeinen eine grössere Diathermansie als für die von nicht glühenden Körpern aus- gehenden oder von solchen reflectirten Strahlen. Der bei 16° in der Luft vorhandene Wasserdampf äussert auch in diesem Falle keinen bemerkenswerthen Einfluss.

Das zu diesen Versuchen verwendete Glasrohr ist innen mit einem schwarzen üeberzuge bekleidet. Wird dieser weggelassen, so liefern die Wärmestrahlen, welche erst nach wiederholten Reflexionen an der Röhrenwand auf die Thermosäule fallen, einen sehr bedeu- tenden Beitrag zu der Gesammtwirkung. Das Verhältniss der Mengen durchgestrahlter Wärme nähert sich aber jetzt (d. h. nach Entfernung des schwarzen Ueberzugs im Rohr), wenigstens bei dem grössten Theile der Gase, dem früher für die dunklen Strahlen beobachteten.

Später*) hat Magnus das Vermögen der Gase, die Strahlen des siedenden Wassers durchzulassen, auch noch mittelst eines Glasrohres von 1" Länge geprüft, das senkrecht über dem conischen Reflector einer Thermosäule aufgestellt, und auf dessen oberem Ende das Siede- gefäss ähnlich wie bei dem früher in Anwendung gebrachten Apparate aufgeschmolzen war. Diese Abänderung der früheren Einrichtung hatte hauptsächlich den Zweck, die Absorption der trocknen und der mit Wasserdampf gesättigten Luft nochmals auf's Sorgfältigste zu ver- gleichen. Wenn indessen der freie Zutritt der Strahlen zu der Säule nicht durch eine Steinsalzplatte gehindert war, so ergab sich jetzt, gerade so wie früher, nur ein geringer Unterschied, der stets weniger als 1 Procent betrug.

Fast gleichzeitig mit Magnus hat auch Tyndall Versuche über die Absorption und Strahlung der Wärme durch Gase und Dämpfe veröffentlicht**). Die Ergebnisse derselben, obgleich nach einer ganz verschiedenen Methode erhalten, stimmen dennoch für fast alle Gase mit den von Magnus aufgefundenen Werthen so nahe überein, als es sich bei derartigen Messungen , die wohl geeignet sind , quan- titative Verschiedenheiten festzustellen, aber noch nicht als Rechnungs- grundlagen gelten wollen, irgendwie erwarten lässt.

Tyndall zeigt wie Magnus, dass von der Strahlenmenge, welche den leeren Raum durchdringt, von Luft, Sauerstoff, Stickstoff nur wenig zurückgehalten wird, dass andere Gase mehr und wieder andere, wie z. B. das ölbildende Gas, sehr grosse Mengen ver- schlucken.

Nur in Beziehung auf das Verhalten des Wasserdarapfes gehen

*) Ueber die Diathermansie trockner und feuchter Luft. Po gg. Ann. CXVIII. 557. (1863.)

**) Tyndall, lieber die Absorption und Strahlung der Wärme durch Gase und Dämpfe, und über den physikalischen Zusammenhang von Strahlung, Absorp- tion und Leitung. Po gg. Ann. CXIII. 1. und CXVI. 1 u. 289.

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beide Beobachter weit auseinander, denn während Magnus gefunden hatte, dafs die Luftfeuchtigkeit den Charakter der Luft, nach dieser Seite hin, nur wenig ändert, giebt Tyndall an, dass die nicht getrock- nete atmosphärische Luft an einem bestimmten Tage eine 15 mal so grosse Absorption als die getrocknete gezeigt habe*). In noch auf- fallenderer Weise bestätigt Tyndall diesen merkwürdigen Einfluss des Wasserdampfs in einem Briefe an Sir John Herschel, in welchem er anführt, dass er an einem bezeichneten Tage die Ab- sorptionskraft des Wasserdampfes in der Luft 40 mal so gross als diejenige der trocknen Luft beobachtet habe**). Später, in einer grösseren Abhandlung **•) giebt er an, dass sie sogar das 60 fache und mehr betragen könne.

Solche Oberraschende Beobachtungen verfehlten nicht, grosses Aufsehen zu erregen. Auch waren Tyndall sowohl als Andere als- bald bemüht, dieselben für die Aufklärung meteorologischer Erschei- nungen mehrfach zu verwerthen. Andrerseits musste sich Magnus aufgefordert fühlen , die Ursachen zu ergründen , welche so ganz "ab- weichende Ergebnisse bedingen konnten, und so entspann sich zwischen beiden Physikern eine sehr interessante Controverse, an der sich auf Tyndall's Seite auch Andere, wie Wildf) und Franklandff), be- theiligt haben. Gustav Magnus hat leider den Austrag der- selben nicht erlebt, sind doch auch heute noch die Meinungen der Naturforscher in dieser Angelegenheit getheilt geblieben. Aber wenn es ihm nicht vergönnt gewesen ist, die Streitfrage zu einer end- gültigen Entscheidung zu führen, so haben doch seine zum Zweck ihrer Lösung unternommenen Untersuchungen die Wissenschaft so- wohl durch Feststellung unvollkommen ermittelter Thatsachen als auch durch den Erwerb neuer Erfahrungen wesentlich bereichert. Die Freunde des Verewigten freuen sich dieser Untersuchungen über- dies, weil aus ihnen wieder die eigenthümlichen Charaktere seiner Forscherweise, welche allen seinen Beobachtungen einen so hohen Werth verleiht , in besonders glänzendem Lichte hervortreten, so die unerbittliche Strenge in der Beurtheilung der eignen Arbeit, während die Leistungen Anderer die rücksichtsvollste Anerkennung finden, so die Unerschöpflichkeit seiner Hülfsquellen bei Ueberwindung experi- mentaler Schwierigkeiten, so endlich die ausdauernde Geduld, welche vor keinem Opfer an Zeit und Kraft zurückschreckt, wo es sich um Ergründung der Wahrheit handelt.

*) Pogg. Ann. CXIII. 40. ••) Pogg. Ann. CXIV. 632. ***) Pogg. Ann. CXVI. 1. •f) Wild, l'eber die Absorption der strahlenden Wärme durch trockene und durch feuchte Luft. Pogg. Ann. CXXIX. 57.

tt) Frnnklfind, Ueber die phTsikalische Ursache der Eiszeit. Pogg. Ann. CXXIII. 418.

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Wir würden die Grenzen , welche natnrgemäss dieser Skizze ge- steckt sind, überschreiten, wollten wir die Controverse zwischen dem deutschen und englischen Physiker in allen ihren einzelnen Phasen ver- folgen. Wer eine klare Einsicht in dieselbe gewinnen will, der musa die Abhandlungen Beider studiren , um die von ihnen angewendeten Methoden vergleichen zu können. Einige der von Magnus gesammel- ten Erfahrungen mögen gleichwohl hier eine Stelle finden, wäre es auch nur, um die Sorgfalt zu bezeichnen, welche er der Klärung der Verhältnisse gewidmet hat.

Bei einem grossen Theil seiner Versuche hatte Tyndall zur Aufnahme der Gase ein Messingrohr benutzt, welches innen polirt war und an beiden Enden durch Steinsalzplatten luftdicht geschlossen werden konnte. Als Magnus*) in ähnlicher Weise experimentirte, fand auch er, dass die mit Wasser gesättigte Luft in beträchtlicher Menge mehr Wärmestrahleu aufzusaugen schien, als die trockne Luft. Aber er bemerkte zugleich, dass die Salzplatten, nur kurze Zeit mit der feuchten Luft in Berührung, sich mit einer dünnen Schicht Wasser überzogen. Da nun das Wasser, wie man weiss, die Wärmestrahlen, insbesondere die dunklen Arten sehr begierig verschluckt, so konnte allein schon von diesem Umstände die Abweichung in den Beobach- tungen herstammen.

Bei späteren Versuchen hat Tyndall statt des Messingrohrs auch eine Glasröhre benutzt. Dieselbe diente, um sowohl mit, als auch ohne Anwendung von Schlussplatten die Absorptionsfähigkeit der trocknen und feuchten Luft für die Wärme zu vergleichen. In dem letzteren Falle strömte die Luft, während die Einwirkung der Wärme- quelle auf das Galvanometer beobachtet wurde, an dem einen Ende des Rohres ein und wurde am anderen offenen Ende soweit als möglich mittelst einer Luftpumpe wieder ausgesogen. Auch bei dieser Anord- nung des Versuches wird nach Tyndall eine starke wärmeabsor- birende Kraft des Wasserdampfs beobachtet.

Allein auch diese Methode des Versuches ist, wie Magnus experimental nachgewiesen hat, nicht ohne Fehlerquellen. Die eingeblasene Luft entweicht nicht ausschliesslich auf dem ihr durch die Arbeit der Luftpumpe vorgezeichneteu Wege; ein mehr oder weniger grosser Theil dringt unmittelbar aus den offnen Enden der Röhre hervor und gelangt bis zur Fläche der Säule. Ist es trockne Luft, so verdunstet dadurch von dem auf den Löthstellen der Thermosäule verdichteten hygroskopischen Wasser, ist es feuchte Luft, so vermehrt sich der Feuchtigkeitsniederschlag. Im ersten Falle giebt

*) Ueber den Durcbgang der Wärmestrahlen durch feuchte Luft und über die hygroskopischen Eigenschaften des Steinsalzes. Pogg. Ann. CXIV. 635. (1861). Ueber die Diathermansie trockner und feuchter Luft. Pogg. Ann. CXVIII. 575. (1868.)

sich dies durch Erniedrigung, im zweiten durch Erhöhung der Tem- peratur zu erkennen. Diese Einwirkungen können so stark werden, dass sie sich ohne jede Mitwirkung einer andern Wärmequelle wahr- nehmen lassen. Zu dem Ende ist es nur nötbig, den Luftstrom gegen den conischen Reflector der Säule zu richten. Sie treten auch dann hervor, wenn die Löthstellen mit dünnen Scheiben beliebiger anderer Körper bedeckt werden. Die Stärke des Eindrucks ist nicht immer gleich; Magnus hat aber keinen Körper gefunden, dessen Oberfläche nicht durch einen darauf gerichteten Luftstrom, der die- selbe Temperatur hatte, wäre abgekühlt oder erwärmt worden, je nachdem die Luft trocken oder mit Feuchtigkeit gesättigt war*).

In Folge des Feuchtigkeitsniederschlags auf der Oberfläche po- lirter Metalle und des Glases wird ihr Reflexionsvermögen für die Wärmestrahlen vermindert. So begreift es sich, dass die W^ärme- strahlung durch ein Rohr mit polirter Innenwandfläche alsbald ab- nehmen rauss, wenn ein feuchter Luftstrom durch dasselbe geleitet wird, selbst dann, wenn kein Niederschlag in Form von Nebeln ent- steht. Auf die thermo-elektrische Säule wirkt diese verminderte Strahlung begreiflich gerade so, als ob das Absorptionsvermögen der Luft ver- stärkt worden sei. Um diese Fehlerquelle bei der Vergleichung des Wärmeabsorptionsvermögens trockner und feuchter Luft auf einen möglichst kleinen Werth zurückzuführen, ist es nothwendig, die Innen- wand des Rohrs stark zu schwärzen oder mit Sammet auszukleiden**). Magnus spricht wiederholt seine Üeberzeugung aus, dass bei Wahr- nehmung dieser Vorsichtsmaassregel Andere gleich ihm selber finden würden, dass die Luft, wenn sie Wasserdämpfe enthält, nur un- bedeutend weniger Wärmestrahlen durchlasse, als im trocknen Zu- stande.

Seine Untersuchungen über die Eigenschaft der festen Körper, Dämpfe aus dem Gaszustand auf ihren Oberflächen niederschlagen zu können, hat Magnus auch auf Alkohol, Aether und andere Dämpfe ausgedehnt. Er glaubte als eine allgemeine Erfahrung aussprechen zu können : dass die verschiedenartigsten Dämpfe an den Wänden fester Körper in hinreichender Menge verdichtet werden, um, sobald Niederschläge durch Zuströmen begünstigt werden, wahrnehmbare Feraperaturveränderungen hervorzubringen.

Eine Schicht verdichteten Wasserdampfes findet sich zu jeder Zeit auf der Oberfläche aller festen Körper. Je nach dem Feuchtigkeits-

•) Ueber die Verdichtung von D&mpfen an der Oberfläche fester Körper. Po gg. Ann. CXXl. 174. (1864.)

Ueber den Einfluss der Condensation bei Veranchen Ober Diatberroansie. Pogg. Ann. CXXI. 186. (1864.)

*•) Ueber den Einflus« der Vaporhision bei Versuchen über ^Absorption der Wärme. Pogg. Ann. CXXX. 207. (.1867.)

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zustande der Atmosphäre wird dieselbe stärker oder schwächer. Die Gewalt der Anziehung ist übrigens so mächtig, dass Magnus ihren Effect sowohl bei polirten als auch bei kienrussgeschwärzten Me- tallplatten selbst dann beobachten konnte, wenn ihre Temperatur, wie die der Luft, von welcher sie umhüllt waren, mehr als 20'' über dem Thaupunkte lag*). Eine ausführlichere Untersuchung dieser Er- scheinung, welche Magnus mit dem Worte Vaporhäsion bezeich- nete, war von ihm beabsichtigt worden.

Das Absorptions- und Ausstrahlungsvermögen der Körper für die Wärme stehen bekanntlich bei gleicher Temperatur immer in dem- selben Verhältnisse zu einander, in der Art, dass eine Körperfläche, die n mal so stark als eine andere absorbirt , auch n mal so stark ausstrahlt. Wenn daher die feuchte Luft Wärme in bedeutendem Maasse besser absorbirt als die trockne Luft, so muss erstere auch in demselben Maasse besser ausstrahlen.

Auf dieses Princip gründet sich ein Versuch, den Frankland **) angestellt hat, um Aufschlüsse über das Wärme-Absorptionsvermögen trockner und feuchter Luft zu gewinnen. Ein kleiner Holzkohleofen ist vor einer Thermosäule mit der Vorsicht aufgestellt, dass die Strahlung des Ofens und der glühenden Kohle den Reflector der Säule nicht erreichen kann, die Ablenkung des Galvanometers also lediglich durch die Wärmeausstrahlung der aus der glühenden Kohle sich erhebenden Gase bedingt ist. Nachdem diese Ablenkung sorg- fältig durch die Strahlung einer constanten Wärmequelle auf der andern Seite der Säule neutralisirt worden ist, lässt man einen Dampf- strom durch ein lothrecht den Ofen durchsetzendes Eisenrohr auf- steigen. Augenblicklich weicht das Galvanometer viel stärker ab, als vor der Compensation. Bei Unterbrechung des Dampfstromes kehrt die Nadel sogleich auf den Nullpunkt der Scala zurück. Wird alsdann, statt des Dampfes ein Luftstrom durch das Rohr getrieben, so erfolgt entweder gar keine Ablenkung, oder eine schwache in ent- gegengesetzter Richtung. Die Hitze des Ofens verhindert die Con- densation des Dampfes.

Frankland betrachtet es nach dem Ergebnisse dieses Versuches als erwiesen, dass die feuchte Luft die Wärme besser ausstrahle, als die trockne und schliesst, dass ihr aus demselben Grunde auch ein höheres Wärmeabsorptionsvermögen eigen sein müsse, wie dies von Tyndall behauptet wird.

Allein wenn auch gewiss die Richtigkeit des Principes allgemeine Anerkennung findet, welches hier für die Lösung der Streitfrage an- gesprochen wird, so sind doch gegen die Ausführung des Versuchs

•) Po gg. Ann. CXXX. 218. ♦♦) Loc. eil. p. 88.

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gewichtige Bedenken erhoben worden. Sollte in der Tbat ein Strom von Wasserdampf und ein Luftstrom, welche nach einander durch die glühende Kohle streichen, ohne Einfluss auf die Temperatur der aus dem Ofen aufsteigenden Feuergase bleiben? Wenn aber ein solcher Einfluss stattfand, war es nicht wahrscheinlich, dass Wasserdanipf und Luft eine ungleiche Temperaturreränderung hervorbringen wurden? Endlich war die Disposition des Versuches so getroffen, dass keine Spur des durch den Ofen streichenden Dampfes aus den ihn umhül- lenden Feuergasen austreten und mit der Luft sich mischend Nebel bilden konnte?

Magnus*), welcher alsbald diese Methode des Experimentirens aufnimmt, kommt in der That zu gerade dem entgegengesetzten Re- sultate wie Frankland. Für seine Versuche construirt er einen Apparat, der ihm gestattet, rasch hintereinander trockne und Feuchtigkeit ent- haltende Luft durch ein glühendes Rohr und dann an dem conischen Reflector der Thermosäule vorüberstreichen zu lassen, so jedoch, dass auf diesen ausser den Wärmesfrahlen des Gases gleichzeitig keine andere Wärmequelle einwirken konnte. Ein in dem Luftstrom hän- gendes emp6ndliche8 Thermometer erlaubt die Temperatur desselben zu beobachten. Da die Menge der aufsteigenden Lnft im Verhältniss zu den Dimensionen der glühenden Röhre eine massige ist, so hat man es vollkommen in der Hand , jede Nebelbildung zu vermeiden. Die Wirksamkeit der Strahlung, ob trockne oder feuchte Luft aufstieg, war eine wenn auch wahrnehmbare doch äusserst geringe, bei feuchter Lnft etwas grössere, als bei trockner Luft. Zog dagegen ein Strom trockner und zu derselben Temperatur erhitzter Kohlensäure oder auch ein Strom Leuchtgas an der Säule vorüber, so ergab sich ein vielmal stärkerer Ausschlag der Galvanometernadel. Ward endlich das Wasser in dem Kolben, durch welchen die Luft strich, um sich mit Feuchtigkeit zu sättigen, so stark erhitzt, dass sich in der ausströmenden Luft Nebel zeigten, so beobachtete man an dem Galvanometer einen 20 bis 30 mal stärkeren Ausschlag, als er von trockner Luft erzeugt ward.

Also auch die Methode der Strahlung führt Magnus wieder zu dem Schlüsse, der sich aus allen seinen früheren Versuchen ergeben hatte, nämlich, dass feuchte Luft nicht mehr Wärme verschluckt, als trockne.

Der Verfasser dieser Skizze hat seinen Freund den zuletzt be- schriebenen Versuch zum Oefteren ausführen sehen, und er muss ge- stehen. dass er selbst bei sorgfaltigster Prüfung, keine andere Inter- pretation der Erscheinung, als die von Magnus gegebene, bat finden

*i Ueber den Einfluss der Absorption der Wttrine auf die Bildung des Thaus. Pogg. Ann. CXXVII. 613. (1866.)

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können. Er ist begreiflich weit davon entfernt seiner Beurtheilung einer Frage, die dem Kreise seiner Studien so ferne liegt, irgend welchen Werth beizulegen; er darf indessen nicht unerwähnt lassen, dass auch berühmte Physiker, wie Dove, Riess, Poggendorff. du Bois - Rey raond und Quincke*) diesen merkwürdigen Versuch gesehen haben und dass von keinem derselben eine andere Inter- pretation der Erscheinung gegeben worden ist.

üebrigens, sagt Magnus, hätte es dieses Versuches gar nicht bedurft. ^Ein sehr bekanntes Phänomen, das auf der Ausstrahlung der Wärme beruht, liefert einen schlagenderen Beweis für die geringe Absorptionsfähigkeit des Wasserdampfs, als alle Versuche in den Labo- ratorien. Wäre der Wasserdampf in der That ein so guter Absor- bent der Wärme, wie Tyndall behauptet, so würde es niemals thauen können. Denn der für den Thau unerlässliche Wasserdampf würde gleichsam eine Decke über der Oberfläche der Erde bilden und ihre Ausstrahlung verhindern. Aber gerade da, wo die Atmo- sphäre besonders wasserreich ist, in den Tropen, bildet sich der Thau vorzugsweise, und jene Gegenden würden, wie bekannt, aller Frucht- barkeit entbehren, wenn den Pflanzen nicht durch den Thau Feuch» tigkeit zugeführt würde."

„Die Folgerungen, welche Frankland für die Eiszeit und Tyndall für gewisse klimatische Erscheinungen, aus der grossen Absorptionsfähigkeit des Wasserdampfs herleiten, bleiben unver- ändert, wenn man statt des wirklichen Dampfes den nebeiförmigen setzt, denn dieser ist es, der zur Erhaltung des schönen Grüns der brittischen Inseln beiträgt, indem er sowohl die brennenden Strahlen der Sonne mässigt, als grosse Kälten, die nur bei klarem Himmel und starker Ausstrahlung auftreten, verhindert."**)

Während Magnus sich mit dem Verhalten der Gase zur Wärme- strahlung beschäftigte, musste sich ihm häufig Gelegenheit bieten, seine Aufmerksamkeit auch nach verschiedenen anderen Richtungen diesem Theile der Wärmelehre zuzulenken. Viele der von ihm angestellten Versuche sind wohl ursprünglich zumal für die Ausbildung seiner Vorlesungen unternommen worden, allein wie dies bei dem ernsten Arbeiten unseres Freundes so häufig zu geschehen pflegte, Unter- suchungen, welche zunächst der eigenen Belehrung gewidmet sind, werden sehr bald zur Quelle der Belehrung auch Anderer, und liefern schliesslich werthvolle Beiträge für den Ausbau der Wissen- schaft.

Da die Leuchtkraft schwach leuchtender Flammen durch darin

*) Pogg. Ann. CXXVII. 620. *•) Pogg- Aun. CXXVII. 628.

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verbreitete, glühend gewordne feste Theilchen in erstaanlicher Weise vermehrt wird, während doch die Temperatur der Flamme durch das Einbringen fremdartiger Substanzen, die am Verbrennangsprocesse sich nicht betheiligen, jedenfalls vermindert werden muss, so war es von Interesse zu erfahren, wie sich das Ausstrahlungsvermögen der nicht leuchtenden zur leuchtend gewordenen Flamme verhält.

Es ergab sich, dass die Wärmemenge, die von der nicht leuch- tenden Flamme eines Bunsen' sehen Brenners ausgestrahlt wird, sich etwa um ein Drittel vermehrt, sobald man etwas Natron in dieselbe einbringt. Der Versuch wurde in der Art angestellt, dass man stets eine bestimmte Stelle der Natronfiamme mit derselben Stelle der nicht leuchtenden Flamme verglich, jedoch so, dass das Natron, welches in die Flamme gebracht wurde, nicht gegen die Thermo- säule, die zur Beobachtung diente, strahlen konnte.

Eine glühende Platiuplatte an der untersuchten Stelle der Flamme veranlasste eine weitere Vermehrung der Ausstrahlung und eine noch viel grössere Verstärkung trat ein, wenn die Platte zuvor mit Natrium- carbonat überzogen worden war. Endlich zeigte sich eine abermalige Steigerung der Ausstrahlung, als die Flamme mit Natrondämpfen da- durch erfüllt wurde, dafs Natron auf einem Platinstreifen von einer tieferen Stelle in die Flamme eingebracht wurde, so jedoch, dass es nicht unmittelbar gegen die Säule strahlen konnte.

Es folgt hieraus, dass glühende Gase nicht nur viel weniger Wärme ausstrahlen, als feste und flüssige Körper bei derselben Tem- peratur, sondern auch, dass erstere von den Strahlen der letzteren nur wenig zu absorbiren vermögen.

Dieses Verhalten des glühenden Natrons im flüssigen und dampf- förmigen Zustande, sagt Magnus, bestätigt in überraschender Weise die von Kirchhoff aufgestellte Ansicht, dass die Sonne aus einem glühenden Kerne bestehe, der von einer durchsichtigen Atmosphäre von etwas niederer Temperatur umgeben sei*). Aehnllch wie Natrium- salze verhielten sich Lithium- und Strontiumsalze.

Die Wärmespectra der leuchtenden und nichtleuchtenden Flamme hat Magnus, ungeachtet der grossen Verschiedenheit ihrer Licht- stärke, in ihrer ganzen Ausdehnung gleich gefunden.**)

Das ungleiche Ausstrahlungsvermögen eines und desselben Kör- pers, je nachdem seine Oberfläche glatt und polirt ist, oder rauh und aufgerissen, ist seit Mellon i wiederholt untersucht worden, und man glaubte im Allgemeinen, dass die vermehrte Ausstrahlung rauher Flächen auf einer Abnahme der Dichtigkeit beruhe, welche sie er- fahren. Magnus hat die Kenntniss dieser Erscheinungen durch inter-

•) Notiz über die Beschaffenheit der Sonne. Pogg. Ann. CXXI. 510. (1864.) **) Pogg. Ann. CXXIV. 491. Vergl. Note 8. 90.

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essante Erfahrungen erweitert. Er hat nämlich gefunden, dass Platin, in der Flamme eines Bunsen' sehen Brenners erhitzt, nahe doppelt so viel Wärme ausstrahlt, wenn es mit Platinschwamm bedeckt ist, als im glatten Zustande*). Bei dieser Zunahme der Ausstrahlungs- fähigkeit des Platins durch Platinirung auf der einen Seite hatte sich die Lichtstärke der rauhen Seite im Vergleich zu derjenigen der glatt gebliebenen Seite augenscheinlich vermindert.

Das Verhältniss der Ausstrahlung der glatten zur platinirten Seite erschien wesentlich unverändert, als zwischen Wärmequelle und Säule diathermane Platten verschiedener Art, wie: Steinsalz, Kalk- spath, Bergkrystall, Rauchtopas, Agat, Spiegelglas, Flintglas, dunkel- grünes Glas, sämmtlich 6 bis 7""" dick, eingeschaltet wurden; Platten von rothem, orangegelbem, gelbem, grünem, blauem, violettem Glas, sowie von farblosem Glas, glatt und rauh, alle von etwa 2"'" Dicke, verhielten sich in ähnlicher Weise.

Auch Schwefelkohlenstoff und Jod in Schwefelkohlenstoff gelöst, zwischen dünnen Steinsalzplatten, in einer Schicht von 10°"" ange- wendet, absorbirten die Wärme beider Quellen in gleichem Ver- hältniss.

Alaunplatten dagegen hielten fast den ganzen Ueberschuss der von dem platinirten Platin ausgehenden Strahlen zurück.

Wenn die von der glatten, sowie von der mit Platinschwamm überkleideten Fläche einer glühenden Platinplatte ausgehenden Wärme- strahlen mittelst eines Steinsalzprisma's zerlegt wurden, so zeigte sich ihre Brechbarkeit von der Art, dass das Maximum der Wärme- anhäufung in beiden Fällen fast an dieselbe Stelle und zwar jenseits des Roths des gleichzeitig gebildeten Lichtspectrums fiel. Im üebrigen besassen beide Wärmespectra, soweit die prismatischen Untersuchungen mittelst der Thermosäule reichten, eine gleiche Ausdehnung.

Die von einer glatten Platinplatte, gleichwie von andern Metall- platten, wenn sie stark erhitzt sind, ausgesendeten Wärmestrahlen sind zum grossen Theile polarisirt. War aber die Platiiifläche zuvor platinirt, und die gebildete Schwammhülle hinlänglich dick, so ver- mochte Magnus nicht eine Spur polarisirter W^ärmestrahlen zu ent- decken. Er vermuthet, dass die widersprechende Beobachtung von de la Provostaye und P. Desains darauf beruhe, dass ihr Platin nicht stark genug platinirt war**).

Die beiden genannten Physiker führen auch an , dass sie von einer Platinplatte, deren Temperatur unter der Glühhitze lag, polari- sirte Wärme erbalten haben, Magnus erschienen jedoch ihre Beob-

*) lieber die Verschiedenheit der Wärme, welche rauhe und glatte Ober- flächen ausstrahlen. Po gg. Ann. CXXIV. 476. (1865.)

♦♦) TTebpr die Polaricntion der ausgestrahlten Wärme und ihren Durchgang durch parallele Platten. Pogg. Ann. CXXVIl. 600. (1666.)

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achtangen nicht ganz entscheidend*), zumal für die Beantwortung der Frage, ob auch Wärme, die von glatten Flächen niederer Temperatur (etwa von lOO*^) ausgestrahlt wird, polarisirt sei.

Da die Polarisirung durch doppelt brechende Platten oder durch Säulen aus dünnen Glimmerplatten für die Untersuchung der dunklen Wärmestrahlen, welche von allen diesen Stoffen vollständig absorbirt werden, nicht anwendbar ist, so sehen wir Magnus seine Zuflucht zur Polarisirung durch Reflexion nehmen. Zu dem Ende construirt er sich einen besonderen Apparat, der im Wesentlichen folgende Ein- richtung hat. Ein Spiegel von schwarzem Glas ist zunächst um eine horizontale, durch seine Mitte und nach der Richtung der einfallen- den Strahlen gehende Axe (a) drehbar. Um dieselbe Axe dreht sich ein Arm, an welchem eine Thermosäule in der Art befestigt ist, dass die Verlängerung ihrer Cylinder- Axe, welche gleichzeitig die ihres conischen Reflectors ist, durch den Mittelpunkt des Spiegels geht. Der Spiegel und mit ihm die Thermosäule drehen sich aber auch noch um eine andere, die horizontale rechtwinklich durchschneidende Axe. Er lässt sich also in jeder Winkelneigung zu der Verticalebene gleich- wie zu der Horizontalebne einstellen. Welche Stellung man ihm aber auch geben mag, die an der Drehung um die Horizontalaxe theil- oebmende Thermosäule kann stets so gerichtet werden, dass horizon- tale auf den Spiegel einfallende Strahlen durch Reflexion in den coni- schen Reflector der Säule gelangen müssen.

Als Wärmequelle dient ein Gefäss aus Weissblech , das durch eingeleitete Dämpfe auf lOO'* erhalten werden kann. Dasselbe steht in gleicher Höhe mit dem Spiegel und ist um eine horizontale Axe drehbar, deren Verlängerung mit der Drehaxe (a) des Spiegels zusammen- fällt. Seine vordere gegen den Spiegel strahlende Fläche ist um 35° gegen den Horizont geneigt. Durch Schirme mit kreisrunden Oeff- nungen, deren Mittelpunkte in die Axe fallen, ist möglichst, obwohl immer nur unvollständig, dafür gesorgt, nur parallele Strahlen auf den Spiegel gelangen zu lassen.

Mit Hülfe dieses Apparats hat es nun keine Schwierigkeit, der ausstrahlenden und der Spiegelfläche eine solche gegenseitige Lage zu geben, dass die Normale der ersteren mit der Reflexionsebne der letzteren gleichlaufend ist oder auch dass beide rechtwinklig zu einander stehen.

War die bei lOO** ausgestrahlte Wärme nicht polarisirt, so masste die von dem Spiegel reflectirte und zu der Thermosäule gelangende Wärme, von fremdartigen störenden Einflüssen natürlich abgesehen, in beiden Fällen gleich sein.

*) üeber die Polarisation der Wärme von 100" und die iieweguog b«i d*-r Wärmeleitung. Po gg. Ann. CXXXIV. 49. (1868.)

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War aber ein Theil der ausgestrahlten Wärme bereits polarisirt und stand dessen Polarisationsebene wie bei den glühenden Platin- platten senkrecht gegen die Ebene, welche durch den ausgesandten Strahl und seine Normale auf der Ausstrahlungsfläche gebildet wird, so musste dieser Antheil bei der Ankunft an der Spiegelfläche im Falle der zuerst angenommenen Lage derselben zur wärmenden Fläche vollständig absorbirt, im zweiten Falle (des rechtwinklichen Standes beider Flächen) vollständig reflectirt werden.

Die Versuche zeigten nun in der That einen auffallenden Unter- schied in der Einwirkung auf das Galvanometer, je nachdem die eine oder andere Stellung des Spiegels zur Wärmequelle in Anwendung kam. Ein nicht unbeträchtlicher Theil der Strahlen, welche von dem bis zu 100'^ erwärmten verzinnten Blech ausgingen, waren folglich polarisirt. Magnus berechnet denselben zu 27 bis 28 Procent der Wärmemenge, welche von der verzinnten bis zu 100*^ erwärmten Blechplatte ausgestrahlt wurde. Dieser Berechnung legt er die Annahme zu Grunde, dass der Spiegel in jeder der beiden gegen- seitigen Stellungen , die er einnahm, nur polarisirte Wärme reflectirt habe, dass folglich die gesammte ausgestrahlte Wärme der Summe der in beiden Stellungen reflectirten Mengen, und die Differenz dieser Mengen dem bereits beim Austritte aus der Blechplatte polarisirten Antheile proportional sei.

Auf dieser Blechplatte konnten auch andere Platten and Scheiben befestigt werden, deren Ausstrahlungsvermögen sich dann in ähnlicher Weise untersuchen liess. So fand Magnus, dass der polarisirte An- theil der ausgestrahlten Wärme bei polirtem Kupfer 22,4 Procent, bei polirtem Aluminium 28,5 Procent, bei polirtem schwarzem Glase 12,4 Procent betrug. Durchsichtiges Glas verhielt sich ähnlich. Selbst mattgeschliffene Glasplatten polarisirten noch 5 bis (3 Procent. Als aber die wärmende Fläche mit schwarzem Tuch überzogen wurde, war an der Ausgangsstelle der Strahlen keine Polarisation mehr zu erkennen, d. h. die Ablenkungen der Nadel in beiden Stellungen des Spiegels waren gleich gross. Es ist bemerkenswerth, dass auch die glatten Oberflüchen flüssiger Körper, wie Quecksilber, Rüböl, Colophonium, weisses Wachs, Glycerin, Paraffin, bis zu 100° er- wärmt, polarisirte Wärme ausstrahlten.

Magnus zieht aus seinen Beobachtungen die Folgerung, dass alle Stoffe, feste wie flüssige, bei glatter Oberfläche Wärme aussenden, deren Strahlen, wenn sie mit der Austrittsfläche einen Winkel bilden, nahezu entsprechend dem Polarisationswinkel des Glases, zum Theil polarisirt sind.

Wir haben unsern Freund auf seiner, fast ein halbes Jahrhund«'rt umspannenden, ruhmvollen wissenschaftlichen Laufbahn begleitet. Seine

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Versuche haben nicht an Frische, seine Beobachtungen nicht an Sicherheit, seine Schlüsse nicht an Schärfe verloren. Wir nahen gleichwohl eilenden Fusses dem Ziele. Es bleibt in der That nur noch über die schöne Reihe von Untersuchungen zu berichten, denen sein letztes Lebensjahr gewidmet war.

Während sich Magnus mit den Versuchen über die Polarisation der Wärme von 1(K)" beschäftigte, erhielt er durch die Güte seines Freun- des, des Oberberghauptmanns Krag von Nidda einige vollkommen klare und durchsichtige Krystalle des in Stassfurt vorkommenden Chlor- kaliums, welchem die Mineralogen den Namen Sylvin gegeben haben. Wenn man sich der merkwürdigen Eigenschaften des dem öhlor- kalium so nahe stehenden Steinsalzes erinnert, welches sich bekannt- lich vor allen Körpern durch seine grosse Fähigkeit auszeichnet, Wärmestrahlen aller Art durchzulassen, so begreift man, mit welchem Eifer sich Magnus alsbald anschickte, das Verhalten des Sylvins rur strahlenden Wärme zu studiren. Für die Mitglieder der chemi- schen Gesellschaft hat diese Arbeit ein ganz besonderes Interesse, da wir uns Alle freudig des Vortrages erinnern, welchen uns Magnus in der Sitzung vom 8. Jani 1868 über diesen Gegenstand ge- halten hat*).

Seine Versuche zeigen, dass sich der Sylvin der strahlenden Wärme gegenüber ganz ähnlich verhält wie das Steinsalz, and zwar besitzt das bei Stassfurt gefundene Mineral genau dieselbe Diather- mansie, wie das Steinsalz von demselben Fundorte.

Fortgesetzte Forschungen lehrten indessen, dass diese Gleichheit des Verhaltens doch nur mit Einschränkung anzunehmen sei **). Zu- nächst beweist Magnus, dass die Fähigkeit des Steinsalzes, den Wärmestrahlen aller Art den Durchgang in gleichem Verhältniss zu gestatten, nicht ganz so allgemein richtig ist, als bisher angenommen wurde. Klares Steinsalz bis auf IbO^ erhitzt, strahlte Wärme in nicht unbeträchtlicher Menge aus, weniger als Sylvin bei gleicher Dicke der Platte (3*"), aber mehr als polirtes Silber.

Die vom Steinsalz ausgesendeten Strahlen wurden von klaren, zwischen Wärmequelle und Thermosäule aufgestellten Steinsalzplatten mit grosser Begierde aufgesogen und zwar in steigendem Verhältnisse bei zunehmender Dicke der absorbirenden Platte. Doch selbst schon bei 1"" Dicke derselben wurde fast die Hälfte der Wärme zurück-

•) Ueber die DUthermansie de» Svlvins. Berichte Jahrg. I. 129; Po gg. Ann. CXXXIV. 802. (1868.)

*•) l'eber Emission und Absorption der bei niederen Temperaturen ausge- strahlten Wärme. Pogg. Ann. CXXXVIII. 333. (1869.) Cnd ansfllhrlicher: Ueber Emission, Absorption und Reflexion der bei niederer Temperatur ausgestrahlten Wirmearten. Pogg. Ann. CXXXIX. 431. (1870.)

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gehalten, welche nach Entfernung der Platte die Thermosäule er- reichen konnte.

Sylvin zeigte fast dasselbe Absorptionsvermögen für die Wärme- Strahlen des Steinsalzes. Vollkommen klare und durchsichtige Fluss- spathplatten von 2,8 bis 10°"" Dicke gestatteten dagegen nur 8,3 Pro- cent den Durchgang. Durchsichtige Platten von Chlor- und Brom- silber verhielten sich ähnlich wie Sylvin.

Die Wärmestrahlen des erhitzten Sylvins wurden von Steinsalz und Flussspath in grösserer Menge als vom Sylvin selbst durchge- lassen. Letzterer hielt bei 3°"° Dicke etwa die Hälfte, mehr aber bei grösserer Dicke zurück.

Dicke Flussspathplatten hielten fast alle Wärme zurück, die von erhitztem Flussspath ausstrahlte. Steinsalz und insbesondere Sylvin Hessen, ziemlich unabhängig von der Dicke der Platten, bis zu 90 Procent davon durch.

Die Strahlen, welche reines, bis zu 150*' erhitzes Steinsalz aus- sendet, besitzen sämmtlich gleiche Brechbarkeit. Das Steinsalz ist monothermisch, wie sein glühender Dampf monochromatisch ist. Der Sylvin verhält sich zwar ähnlich dem Steinsalze, ist aber nicht in gleichem Grade monothermisch.

Wenn es möglich wäre, sagt Magnus, von der bei 150*^ aus- gestrahlten Wärme ein Spectrum zu entwerfen, so würde, wenn Stein- salz der ausstrahlende Körper wäre, dieses Spectrum nur eine Bande enthalten. Wäre Sylvin zur Ausstrahlung benutzt, so würde das Spectrum ausgedehnter sein, aber doch nur einen kleinen Theil von dem einnehmen, welches die vom Kienruss ausgestrahlte Wärme liefern würde.

Seltsam genug, wie die ersten Arbeiten von Gustav Magnus, so haben auch seine letzten zu einer Controverse geführt.

Als die Beobachtungen über das Ausstrahlungs- und Absorptions- Vermögen des Steinsalzes zuerst nur in einer kurzen Notiz*) bekannt wurden, versuchte Knoblauch**) dieselbe zu widerlegen und den Satz festzuhalten: dass chemisch reines und klares Steinsalz bei der gewöhnlichen Temperatur allen Wärmestrahlen den Durchgang in gleichem Verhältnisse gestatte und dass in dieser Eigenschaft der Sylvin ihm am nächsten stehe.

Magnus hat noch kurz vor seinem Tode Kenntniss von Knob- lauch's Aufsatz erhalten; zu einer eigentlichen Beantwortung des- selben hat er nicht mehr Zeit gefunden, allein in einer Note, welche der im Märzhefte des laufenden Jahrgangs von Poggendorf f's Annalen

*) Po gg. Ann. CXXXVIII. 333.

"**) Knoblauch, lieber den Durchgang der strahlenden Wärme durch Stein Balz und Sylvin. Po gg. Ann. CXXXIX. 160.

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raitgetheilten vollständigen Arbeit vorgedruckt ist, glaubt er auf den Inhalt der Abhandlung als Antwort auf Knoblauch'» Bemerkungen hinweisen zu dürfen.

In dieser Abhandlung, welche die Ergebnisse der Untersuchungen von Magnus vollständig mittheilt, zeigt es sich dann allerdings, dass der oben erwähnte Satz im Wesentlichen nicht von ihm an- gegriffen worden war. Im Grunde hatte sich Magnus auch schon in der kurzen Anzeige seiner Arbeiten über diesen Punkt aus- gesprochen, indem er sagte: „Die grosse Diathermansie des Stein- salzes beruht nicht auf einem geringen Absorptionsvermögen desselben für die verschiedenen Wärmearten, sondern darauf, dass es nur eine einzige Wärmeart ausstrahlt und folglich auch nur diese eine absor- birt, und dass fast alle andern Körper bei der Temperatur von 150° Wärme aussenden, die nur einen kleinen Theil oder gar keine von den Strahlen enthält, welche das Steinsalz aussendet.*^

In Folge ihrer Einfachheit oder doch beschränkten Zusammen- setzung bieten die Wärmestrahlen des Steinsalzes, Sylvins und Fluss- spaths, auch was ihre Reflexion anlangt, ein interessantes Verhalten. Von einer polirten Silberplatte wurden sie ungefähr in demselben Verhältnisse, wie die von andern erwärmten Körpern ausgehenden Strahlen reflectirt. Unter dem Einfallswinkel von 45'' betrug der An- theil der reflectirten Strahlen etwa 86 bis 93 Procent. Unter dem- selben Winkel reflectirten Glasplatten 9 bis 11 Procent. Dagegen re- flectiren Flussspathplatten von der Wärme des Steinsalzes 24,2, von der des Sylvins 18,1, von der des Flussspaths nur 10,9 Procent. Die Reflexion, der Steinsalz- und Sylvinwärme von Steinsalz und Sylvin zeigte sich, wie zu erwarten war, nur gering, doch bei dem ersteren (8 Procent) etwas beträchtlicher als bei dem letzteren (6 Procent). Von der Wärme des Flussspaths (immer unter 45" Einfallswinkel) reflectirte Steinsalz 10, Sylvin aber nur 4 Procent.

Die letzten Versuche, mit denen sich Magnus beschäftigt hat, betreffen die Veränderung der Wärmestrahlung durch Rauheit der Oberfläche; sie schliessen sich den vier Jahre früher*) ausgeführ- ten Untersuchungen an, welche die Verschiedenheit der von rauhen und glatten Oberflächen ausgestrahlten Wärme zum Gegenstande hatten **). Ausgangspunkt dieser V^ersuche ist die zuerst von dem Schotten Leslie aufgestellte, auch von Melloni und Anderen vertheidigte An- sicht, dass die veränderte Ausstrahlung nur auf einer Aenderung der Dichtigkeit der Oberflächenschicht beruhe, eine Ansicht, der Magnus selber früher gehuldigt hatte. Eine erneute Betrachtung dieser Frage

•) Vergl. S. 90. •*) üeber die Veränderung der Wärmestrahlang durch Rauheit der Oberfläche. Pogg. Ann. CXL. 337. (1870.)

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hatte indessen Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärung in ihm auf- steigen lassen, und seinen Ueberlieferungen bis zum Ende getreu, unter- nimmt er alsbald eine Reihe von Versuchen, um entweder diese Zweifel zu beseitigen oder eine richtigere Erklärung zu finden.

Bei diesen Versuchen wurden statt des Kupfers und anderer leicht oxydirbarer Metalle Platinplatten angewendet, bei denen auch andere Veränderungen der Oberfläche, wie sie beim Silber z. B. durch kleine Mengen von Schwefelwasserstoff entstehen, nicht zu befürchten waren. Magnus beschreibt die Ergebnisse dieser Versuche in folgenden Worten:

„Eine Platinplatte, die durch Auswalzen möglichst hart gemacht worden, strahlte, nachdem sie stark ausgeglüht war, eben so viel Wärme aus, als zuvor. Die Härte konnte hiernach die Ausstrahlung nicht bedingen.

Eine andere Platinplatte war unter sehr starkem Druck zwischen zwei Walzen durchgegangen, von denen die eine fein gravirt war, so dass die Platte nach dem Walzen auf ihrer einen Seite kleine Er- höhungen zeigte, während die andere glatt war. Die erstere strahlte unbedeutend mehr als die andere aus. Nachdem aber die Platte stark geglüht worden, war auch dieser Unterschied nicht mehr bemerkbar. Es geht daraus hervor, dass bei sonst gleicher Beschaffenheit der Oberfläche Unebenheiten und selbst regelmässig wechselnde Erhöhun- gen und Vertiefungen vorhanden sein können, ohne dass dadurch eine Vermehrung der Ausstrahlung entsteht.

Wurde dagegen eine ebene Platinplatte, welche mittelst der Glas- bläserlampe ausgeglüht und ganz weich war, mit feinem Schmirgel- papier rauh gemacht, so steigerte sich ihre Ausstrahlung auf das Doppelte.

Um einen solchen Vergleich anstellen zu können, geschah die Erwärmung der ausstrahlenden Platte mittelst eines kleinen Apparates aus Messing, der durch Dämpfe auf 100° C. erhalten wurde. Er be- stand aus einem horizontal liegenden Cylinder von 50°"° innerm Durch- messer und eben so viel Länge, dessen eine Basis von der zu unter- suchenden Platte gebildet wurde. Um diese leicht mit einer andern vertauschen zu können, war der Cylinder mit einem breiten Rande versehen, gegen den die Platte durch einen Messingring mittelst dreier Schrauben angedrückt wurde. Zur Dichtung dienten dazwischen ge- legte Ringe aus starkem Papier, die vollkommen dampfdicht schlössen.

Um sicher zu sein , dass bei Behandlung der Platte nicht irgend eine fremde Substanz auf derselben zurückgeblieben sei, z. B. Spuren von dem Leim des Schmirgelpapiers, obgleich dasselbe ganz trocken angewendet worden war, wurden die Platten, bevor man sie in dem Apparat befestigte, eine Zeit lang in concentrirter Salpetersäure er- hitzt, sodann mit destillirtem Wasser so lange abgespült, bis alle Säure entfernt war, und darauf getrocknet, ohne sie mit einem Tuch oder einem anderen Gegenstande zu berühren.

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Man kann sich schwer vorstellen, dass durch die leichte Behand- lung mit Schmirgelpapier die Dichtigkeit der Oberfläche sich in solchem Maasse geändert haben sollte, da$s die Ausstrahlung sich verdoppelte.

Wurde eine Platinplatte mit einer dünnen Schicht von Platin- schwamm überzogen, indem Platinsalmiak in dünner Schicht darauf gebracht and sie dann stark erhitzt wurde, so zeigte sie etwa die siebenfache Ausstrahlung von derjenigen, welche man vor dem Auf- bringen des Platinschw^arames beobachtet hatte.

Der Platinschwamm ist lockerer als die Platte, auf der er be- befestigt ist, allein jedes einzelne Theilchen desselben ist ohne Zweifel eben so hart wie ein Theilchen der ausgeglühten Platte. Die Wirkung des Schwammes beruht daher, wie es scheint, nur darauf, dass er mehr Spitzen und Ecken darbietet. Es ist dies um so wahrscheinlicher, als die Ausstrahlung einer solchen, mit Schwamm überzogenen Platte abnimmt, wenn sie öfters und anhaltend geglüht wird. Möglich, dass bei jedem neuen Erhitzen etwas von dem Schwamm sich ablöst, aber jedenfalls runden sich die äafsersten Spitzen und Ecken zugleich ab. Härter können sie nicht werden."

Magnus ist der Ansicht, dass die Vermehrung der Ausstrahlung bei rauher Oberfläche wesentlich von der Brechung abhängt, welche die Wärme bei ihrem Austritt aus der Oberfläche des strahlenden Körpers erleidet. Er erläutert diesen Einfluss für die verschiedenen Gestalten der Oberfläche und kommt dabei zu folgendem Schluss: ^Je grösser der Brechungsexponent der Wärme zwischen der ausstrahlen- den Substanz und der Luft ist, um so geringer ist die Ausstrahlung aus der ebenen Oberfläche; in diesem Falle nimmt die Menge der nach Innen reflectirten Wärme zu. Ohne Zweifel haben die Metalle einen sehr grossen Brechungsexponenten. Desshalb reflectiren sie die von Aussen kommenden Strahlen und lassen nur wenig davon eindringen, und desshalb reflectiren sie auch die aus dem Innern kommenden nach Innen und lassen nur wenig davon austreten. Grössere Unebenheiten der ausstrahlenden Fläche haben nur unbedeutende Aenderungen der Ausstrahlung zur Folge. Eine solche tritt nur ein, wenn die Krüm- mungsradien sehr klein sind und sich sehr stark ändern, und wenn die ausstrahlende Substanz wenig diatherman ist. Im Allgemeinen kann zwar die Rauhigkeit der Oberfläche sowohl eine Steigerung als eine Verminderung der 'Ausstrahlung bewirken, aber wenn die Un- ebenheiten sehr fein und sehr tief sind, so tritt bei wenig diather- manen Substanzen, wie den Metallen, fast stets eine Steigerung ein. Ist ein sehr feines Pulver derselben Substanz auf der ausstrahlenden Fläche befindlich, so steigert sich die Ausstrahlung bedeutend; nicht nur bei wenig diathermanen Körpern, wie den Metallen, sondern auch bei stark diathermanen, z. B. beim Steinsalz. **

Die hier angefahrten Resultate wurden von Magnus am

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11. October 1869 in der Sitzung der physikalisch - mathematischen Klasse der hiesigen Akademie der "Wissenschaften verlesen *). Es war die letzte Arbeit, welche er der Akademie vorgetragen hat.

Mitte November theilte er das für die Abhandlungen der Aka- demie bestimmte Manuscript dieser Arbeit seinem Freunde Kro- necker mit, um mit ihm die mathematische Entwicklung seiner An- sicht, zumal aber gewisse Consequenzen zu besprechen, welche sich aus den Fresnel'schen Intensitätsformeln ziehen lassen. An diese Besprechungen knüpften sich mehrfache mündliche und schriftliche Er- örterungen zwischen den beiden Gelehrten, in Folge deren Magnus, dessen Gewissenhaftigkeit sich nie verläugnete, den Entschluss fasste, von der Veröffentlichung des Aufsatzes vorläufig abzusehen, um über die in demselben behandelte Frage weitere Versuche anzustellen. Allein es war ihm nicht vergönnt, die Untersuchung wieder aufzunehmen, und so hat er denn, als er sein Ende nahen fühlte, den Wunsch aus- gesprochen, es möge die Abhandlung, deren Umarbeitung ihm versagt sei, in ihrer ursprünglichen Fassung veröffentlicht werden. Dieser Wunsch ist von seinem langjährigen Freunde Poggendorff treulich erfüllt worden; die Abhandlung ist bald nach seinem Tode im Julihefte der Annalen der Physik erschienen; eine die Abhandlung begleitende Note giebt uns von den eigenthümlichen Umständen Kenntniss, unter denen die letzte Arbeit von Gustav Magnus zur Veröffentlichung gelangt ist.

Die Auszuge, welche ich aus den Abhandlungen unseres Freundes gegeben habe, fragmentarisch und ungleichartig wie sie sind, dürften hinreichen, um das Wesen und den Umfang seiner Forschung zu be- zeichnen. Das vorwaltende Moment in allen diesen Arbeiten ist, wie man sieht, das Experiment; der Speculation wird nur dann ein Recht zugestanden, wenn sie in dem sichern Boden des Versuches wurzelt. Ueber den Werth der experimentalen Methode hat sich Magnus selber in seiner Rectoratsrede**) ausgesprochen, in welcher er die Natur- wissenschaft gegen die, seltsam genug, von zwei ganz entgegenge- setzten Seiten ausgehenden Angriffe vertheidigt.

„Zwar ist die Erkenntniss der Wahrheit» sagt Magnus, das Ziel einer jeden Wissenschaft, die Naturforschung aber erfreut sich des Vorzuges, mehr als alle anderen Disciplinen geeignet zu sein, das Streben nach dieser Erkenntniss zu üben und zu befestigen, lu dieser Beziehung bewährt sie sich als vortreffliches Bildungsmittel. Selbst die Mathematik steht ihr hierin nach."

•) Monatsbericht f. 1869. 713. **) Festrede auf der UniversitUt zu Berlin am 3. August 1862.

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Und nftchdem er eines Näheren aasgefabrt hat, wie die mathe- matische Behandlung einer Frage nach streng vorgeschriebenen Formen erfolgt, während sich für die naturwissenschaftliche Forschung keine Regel aufstellen lässt, sondern jeder Fall einer besonderen Beurthei- ludg bedarf, damit der Forschende gegen Irrthumer sicher gestellt sei, sagt er weiter:

„Hier tritt das Experiment in seine Bedeutung. Dies ist bestimmt jene Sicherheit zu gewähren. Es ist der Prüfstein für den aufgestell- ten Gedanken. Es ist die Frage, die gestellt wird, um zu erfahren, ob derselbe auf der Wahrheit beruhte oder nicht. Nach unserer An- sicht heisst experimentiren nichts anderes als der Wahrheit seine Kräfte widmen :

rero impendere vires.*

Bei einer so bestimmt ausgesprochenen Vorliebe für das Experi- ment, und wenn man erwägt, nach wie vielen Richtungen Magnus diese Vorliebe bethätigt hat, wird es nicht befremden, dass er sich mit literarischen Arbeiten kaum beschäftigt hat. Grössere Werke, wie Monographieen odi-r Lehrbücher liegen nicht vor, jedoch hat er gele- gentlich, aber gleichwohl äusserst selten, kleinere Beiträge zu einigen nicht asÄthliesslich wissenschaftlichen Zeitschriften geliefert. Für die Ausführung grösserer literarischer Arbeiten gebrach es ihm in der That an der nöthigen Müsse; die Zeit, welche ihm, nachdem er den zahlreichen Anforderungen seiner Stellung gerecht geworden war, die Beschäftigung mit experimentalen Studien übrig Hess, war unverkürzt dem Unterrichte gewidmet.

In einer Versammlung, welche so viele von Magnus' Schülern zu Gliedern zählt, könnte es überflüssig erscheinen, seiner Lehrthätig- keit eine Lobrede halten zu wollen. Allein diese Blätter der Er- innerung sollen auch denen, die nach uns kommen, ein Bild des Mannes geben, und ich würde mich daher einer unverzeihlichen Unter- lassung schuldig machen, wollte ich nicht schliesslich auch bei dieser Seite seiner Wirksamkeit, welche nicht nur seinen zahlreichen Schülern zu Statten gekommen ist, sondern auch einen bleibenden Einfluss auf die Wissenschaft geübt hat, einen Augenblick verweilen.

Hören wir zunächst, wie er selber die Stellung des Lehrers an deutscher Hochschule auffasst. Im Laufe einer am Spätabend seines Lebens gehaltenen Festrede hat er Gelegenheit, die Verhältnisse des nflFentlichen Unterrichts in England und Deutschland mit einander zu vergleichen. Er sagt:

„Allein, wenn Unterschiede in Charakter, in Brauch und Sitte, in Thun und Denken zwischen Engländern und Deutschen vorhandett sind , so treten sie wohl kaum auf irgend einem andern Gebiete so bedeutungsvoll hervor, als auf dem des öffentlichen Unterrichts.

Der Engländer und wie der Einzelne so die Nation ver-

_J.00_

folgt sein Ziel stets unverrückten Auges. Ist es doch gerade dieses zähe Beharren auf dem einmal eingeschlagenen Wege, welches die Nation so gross gemacht hat. Allein dieser Zug in dem englischen Charakter bedingt auch, dass die Jugend jenes Landes darauf hinge- wiesen ist, schnell zu lernen und das Erlernte unmittelbar für das Leben zu verwerthen.

"Wie ganz anders unsere jungen deutschen Akademiker, diejenigen zumal und sie bilden ja noch immer den Kern unserer Studiren- den welche eine reife Vorbildung mit auf die Hochschule bringen, eine Vorbildung, welche ihren Geist nach allen Richtungen entwickelt hat. Bei ihnen ist eine höhere, mehr ideale Auffassung der Dinge vorwaltend. Und diesem Umstände verdankt der deutsche Universitäts- lehrer die bevorzugte Stellung, deren er sich erfreut; dass seine Zu- hörer von dem Bestreben erfüllt sind, nicht nur das Lehrobject sich anzueignen, sondern dasselbe auch zu durchdringen. Solche Schüler vermag der Lehrer bis an die äussersten Grenzen der Wissenschaft zu führen, in ihnen vermag er die Begeisterung für den weiteren Ausbau dieser Wissenschaft zu wecken. Wie reich und mannichfaltig die Früchte dieser Bestrebungen sich theilweise §chon während ihres Aufenthaltes auf der Universität gestalten, dafür liefern die Doctor- Dissertationen ein erfreuliches Beispiel.

Ein deutscher Lehrer, der selbst von heiligem Feuer für seine Wissenschaft durchglüht ist, nur vor solchen Zuhörern wird er sich genügen."

Kein Wunder, dass Auffassungen, wie sie sich in diesen Worten spiegeln und wie sie Magnus auf seiner ganzen Laufbahn geleitet haben, bei den Studirenden ein lebhaftes Echo finden, und zu dem schönen Verhältnisse zwischen Schulern und Lehrer führen mussten. welches ich in einem früheren Abschnitte dieser Skizze zu schildern versucht habe.

Die akademische Thätigkeit Gustav Magnus' hat sich in drei verschiedenen Formen geltend gemacht, in Vorlesungen, in Colloquien und in Anleitungen zur experimentalen Forschung. Seine Hauptvor- lesungen waren, wie bereits erwähnt worden ist, Physik und Techno- logie. In den ersten Semestern nach seiner Habilitation, von Sommer 1832 bis Sommer 1833, hat er nur Technologie gelesen; seine erste Vorlesung über Physik fällt in das Wintersemester 1833 34. und von diesem Zeitpunkte an bis zu seinem Tode wechselte ohne Unterbre- chung der Sommervortrag über Technologie mit der physikalischen Wintervorlesung; im Sommersemester 1869 hat er die Technologie zum neununddreissigsten Male vorgetragen; die Wintervorlesung 1869 70, die er nicht mehr vollenden sollte, ist die siebenunddreissigste über Physik gewesen. Neben diesen beiden grossen Collegien hat er noch vorübergehend (im Sommer 44 und 45) öffentliche Vorträge über die

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Theorie des Galvanismus gehalten. Der Cyclus seiner berühmten physikalischen CoUoquien beginnt im Jahre 1843; anfangs (1843 bis 45) hält er dieselben nur im Sommer, aber vom Jahre 1846 an folgen sie sich allsemesterlich bis zu seinem Tode. Die Experimentalubungen datiren vom Anbeginn seiner akademischen Laufbahn, allein da es Magnus erst in späteren Jahren gelingt, ein öffentliches Labora- torium zu erhalten, so tragen dieselben doch auch mehr einen privaten Charakter, indem er sich darauf beschränken muss, jungen Männern, welche er in den Vorlesungen als besonders strebsam und befähigt erkannt hat, sein Privatlaboratorium zu öffnen. Erst im Sommer 18(33 bewilligt die Regierung einen Fond für die Begründung und eine jährliche Dotation für die Erhaltung eines physikalischen Laboratoriums, welches Magnus in dem von ihm bewohnten Hause 7 Kupfergraben einrichtet. Von diesem Zeitpunkte nehmen die Experimentalübnngen mit der Oeffentlichkeit eine regel massigere Ausbildung und einen grösse- ren L'mfang an.

Was nun zuerst die Vorlesungen anlangt, so erinnert sich Jeder, der Magnus hat reden hören, in wie hohem Grade ihm die Gabe der Mittheilung verliehen war; sein ernst-gediegener Vortrag zeichnete sich durch eine lichtvolle Klarheit aus, welche den schwierigsten Auf- gaben der Darstellung gewachsen war. Von der eleganten, an eng- lische Ausdrucksformen erinnernden Bildung kurzer Sätze, welche im Flusse der Rede ihm eigen war, erhält man kaum ein deutliches Bild aus der Abfassung seiner Abhandlungen, in denen er mehr voll- endete Präcision und Deutlichkeit, als Grazie der Darstellung anstiebte. Seine Sprache war gewählt nicht gesucht, völlig frei von allem An- satz zum Schwülstigen, jedes seiner Worte gehörte zur Sache; Nie- mand hasste mehr als er die Phrase, und jedwedes Haschen nach Effect war dieser einfachen Natur ganz und gar zuwider. Und derselbe edle Styl, der seinen Vortrag kennzeichnet, tritt uns aus der experi- mentalen Ausstattung seiner Vorlesungen entgegen. Ein enthusiasti- scher Freund des Versuchs, versagt er es sich nicht, die Aufmerksam- keit seines Zuhörers durch die gediegene Pracht der Erscheinungen zu fesseln, welche er ihm vorführt Seine Instrumente, seine Apparate, alle Hülfsmittel, deren er sich bedient, stehen auf der Höhe der Zeit und sind stets das Beste, was für Kraft und Geld zu haben ist; und von der ausdauernden Sorgfalt, mit welcher alle für das Gelingen eines Versuches erforderlichen Bedingungen studirt werden, mit welcher der Versuch ^durchprobirt" wird bis er ^geht**, seine Assistenten wissen davon zu erzählen. Aber wie überall, so hat er auch hier wieder das feine Maass gefunden; der schönste Versuch ist ihm immer nur Mittel zum Zweck und niemals überwuchert das Experiment die Wahrheit, welche mit seiner Hülfe zur Anschauung kommen soll. Mit bewundernswürdiger Selbstverläugnung wird der reizendste Apparat,

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der eben mit grossen Kosten und noch grösserem Zeitaufwande fertig geworden ist, zur Seite geschoben, so bald sich die Erscheinung, um deren Veranschaulichung es sich handelt, mit einfacheren Mitteln her- vorrufen lässt.

Wenn man sich der ganz besonderen Begabung erinnert, welche Magnus für die Construction von Apparaten besass, und der Sicher- heit, mit der er experimentale Schwierigkeiten beherrschte, wie sie uns aus jeder seiner Arbeiten entgegentreten, und dass dieses Talent mit Vorliebe und unter den glücklichsten äusseren Bedingungen, während einer so langen Reihe von Jahren im Interesse seiner Vorlesungen geübt ward, so ist es in der That zu bedauern, dass er so wenige der auf diesem Felde gesammelten Erfahrungen veröffentlicht hat. Hoffentlich hat sich die Tradition derselben bei seinen zahlreichen Schülern erhalten. Einige wenige seiner reizenden Versuche und seiner trefflichen Apparate sind indess bereits allgemeiner bekannt geworden. So mag hier, was Vorlesungsversuche angeht, an die schöne Beobach- tung erinnert werden, dass sich die an den Polen eines Magneten haftende Eisenfeile entzünden lässt. Der Feuerregen, welchen der brennende Eisenbart, beim Schwingen des Magneten in der Luft, ent- sendet, fehlt in keiner chemischen Vorlesung mehr, so dass wir Magnus schon beim Eintritt in unsere Wissenschaft gleich auf der Schwelle begegnen. Von seinen Instrumenten verdient hier, neben den schon in den Auszügen aus seinen Arbeiten genannten, noch be- sonders des schönen Compressionsapparates gedacht zu werden, wel- cher besser als jeder andere geeignet ist, in Vorlesungen die Volumver- änderung der Gase bei verändertem Druck zu zeigen. Die Gase sind in graduirten Röhren über Quecksilber abgesperrt, und Wanne mit Röhren befindet sich in einem grossen, starken, verschliessbaren Glas- cylinder, in welchen man mittelst einer Druckpumpe Wasser einpum- pen kann. Ein Luftmanoraeter giebt den Druck an, während wir die Volumveränderung der Gase an den in den Glasröhren aufsteigenden Quecksilbersäulen direct beobachten. Der Apparat dürfte wohl in keinem physikalischen Cabinette mehr fehlen.

Die reiche Erfahrung in der Herstellung chemischer und physikali- scher Apparate, in der Einrichtung gewerblicher Anlagen, überhaupt in der Lösung aller constructiven Aufgaben, welche Magnus gesam- melt hatte, ist auch vielen Anderen zu Gute gekommen. In einer Unzahl von Fällen ist sein Rath eingeholt worden, welchen der uneigennützige Mann stets mit der grössten Bereitwilligkeit ertheilte. Wie oft hat der Verfasser dieser Skizze werthvolle Fingerzeige von seinem Freunde erhalten! Während die Dispositionen für die neuen Laboratorien in Bonn und Berlin getroflfen wurden, wie oft ist in zweifelhaften Fällen seine Stimme entscheidend gewesen! Und wenn es sich um die Beschaffung von Apparaten handelte, in wie

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vielen Fällen hat aach hier wieder die erprobte Sachkenntuiss von Magnus den Auäscblag gegeben! Der werthvoUe Hülfe, welchen er dem Verfasser noch vor Kurzem erst bei der Konstraction eines einfachen für gasometrische Zwecke bestimmten Kathetometers geleistet bat, muss hier noch mit besonderem Danke gedacht werden.

Die grosse Sorgfalt, mit welcher Magnus der experimentalen, überhaupt der illustrativen Ausstattung seiner Vorlesungen oblag, zeigt deutlich, wie wenig im naturwissenschaftlichen Unterricht der münd- liche Vortrag ihm ausreichend erschien. Von dieser Auffassung ge- leitet, war er schon frühzeitig bedacht gewesen, den Nutzen seiner technologischen Vorlesungen für die Zuhörer dadurch zu erhöhen, dass er ihnen Gelegenheit verschaffte, gewerbliche Anlagen und industrielle Werkstätten zu besuchen. Zu dem Ende pflegte er mit ihnen regel- mässige, technologische Ausflüge, theils in Berlin, theils in der Umge- gend zu unternehmen. Sehr bescheiden in ihren Anfängen, hatten diese Excursionen, als seine Beziehungen zu den Fabrikanten sich er- weiterten, zumal aber als er die grosse Mehrzahl der Berliner Indu- striellen seine Schüler nennen durfte, allmählich eine Ausdehnung und Bedeutung gewonnen, welche diesem Systeme des technologischen Unterrichtes einen weit über die Grenzen Deutschlands hinausgehen- den Ruf verschafften. Wie sehr aber auch Magnus, ganz abgesehen von äusseren Hülfsmitteln, welche ihm glückliche Verbältnisse boten, der Mann war, einen so seltsam aus den heterogensten Bestandtheilen zusammengesetzten Complex des Wissens, wie die Technologie, geistig zu bewältigen und zu einem wissenschaftlichen Ganzen zu verschmelzen, dies muss Jedem einleuchten, der seine umfangreichen Forschungen auch nur flüchtig überblickt hat. Wenige Vorlesungen dürften bei den Zuhörern einen tieferen Eindruck hinterlassen haben, als die von Magnus. Viele seiner älteren Schüler, die jetzt grosse Stellungen in der Wissenschaft und der Praxis einnehmen and ich darf hier Namen nennen, wie die meiner Freunde W. Sie- mens und F. V^arren trapp sprechen noch heute, nach so vielen Jahren, mit dem lebhaftesten Danke von den vielseitigen Anregungen für's Leben, welche sie aus diesen V^orlesungen mitgenommen haben.

Die technologischen Excursionen und der lebhafte Verkehr zwischen Liehrer und Schülern, welcher sich aus ihnen entfaltete, waren es, welche in Magnus zuerst den Wunsch rege machten, auch seine physikalischen Zuhörer, oder wenigstens einen Theil derselben, in ein engeres Verhält niss an sich heranzuziehen. Das Jahr 1843 brachte diesem langgehegten Wunsche Erfüllung. Im Sommer des genannten Jahres hatte sich um Magnus ein Kreis ausgezeichneter junger Männer geschaart, wie sie sich bei grosser Verschiedenheit der speciellen Studien gleichwohl in dem Streben nach einer vollendeten physikalischen Durchbildung geeinigt , nicht leicht auf einer Hochschule wieder za-

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sammenfinden durften. Diesen schlug Magnus eine wöchentliche Zusamnaenkunft in seinem Hause vor, um physikalische Fragen im Allgemeinen, besonders aber alle neuen Arbeiten auf dem Gebiete der Physik zu besprechen, daher der Name physikalische Colloquien,

Avelchen diese Zusammenkünfte alsbald annahmen. ID^FVerfasser dieser Skizze, dem die Magnus 'sehen Zuhörerlisten vorliegen, kann es sich nicht versagen, die Namen der zehn Theilnehmer anzuführen, welche sich an dem dritten Dienstage des Aprils genannten Jahres unter Magnus' Aegide zu dem ersten dieser Colloquien versammelten. Ich finde die Namen von Bärensprung, Wilhelm Beets, Emil du Bois-Reymond, Ernst Brücke, Rudolf Clausius, H. Eich- horn, Fabian von Feilitzsch, Wilhelm Heintz, Gustav Karsten, Vettin. Nicht weniger als acht von den zehn nehmen im Augenblick hervorragende Stellungen an deutschen Universitäten oder höheren ünterrichtsanstalten ein!

Diese unter so glücklichen Vorbedeutungen begonnenen physika- lischen Abende erwiesen sich alsbald von dem allergrössten Nutzen für sämmtliche Betheiligte. Dem Verfasser dieser Skizze ist es nicht ver- gönnt gewesen, den Colloquien beizuwohnen, aber er hat sehr oft Ge- legenheit gehabt, mit Chemikern und Physikern zu verkehren, welche sich in freudiger Dankbarkeit der Theilnahme an diesen Vereinigungen erinnern. Viele versichern, dass sie dem freundschaftlichen Verkehre mit Magnus in den Colloquien die ersten tieferen Einblicke in die Aufgabe des physikalischen Studiums verdanken, und dass sie in ihnen die fruchtbringendsten Anregungen für die Wissenschaft erhalten haben. Wie sehr dieser colloquiale Verkehr einem wahren Bedürfnisse entsprach, ergiebt sich recht deutlich aus dem Umstände , dass schon bald nach Eröffnung desselben die schönen durch ihn erzielten Erfolge bei einigen der früheren Theilnehmer den Gedanken weckten, zu einem ähnlichen wissenschaftlichen Vereine auf breiterer Grundlage zusammenzutreten. So entstand im Jahre 1845 die Berliner Physikalische Gesell- schaft, deren fünfundzwanzigjähriges Bestehen im Anfange diese.^ Jahres in so heiterer Weise gefeiert worden ist. Den physikalischen Colloquien hat die Gründung dieser Gesellschaft, welche umfang- reichere Aufgaben verfolgt, keinen Abbruch gethan, denn nach wie vor finden wir eine sich stets gleichbleibende rege Betheiligung. Die mir vorliegende Liste der Theilnehmer, welche mit den März 1843 beginnt und bis zum Februar 1870, also fast bis zum Tode Magnus . reicht , mithin einen Zeitraum von siebenundzwanzig Jahren umfasst, enthält nicht weniger als 268 verschiedene Einzeichnungen, und wenn wir in diesem Verzeichnisse, neben denen der bereits genannten ersten Theilnehmer an dem Colloquium, die Namen von Männern finden wi. Baeyer, Clebsch, Kirch ho ff, Knoblauch, Kundt,Paalzov Quincke, vom Ra'th, R. Schneider, R. Weber, Wiedemanu,

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Wüllner und so vieler Anderer, so erhellt aus dieser glänzenden Liste zur Genüge, welchen Einfluss die Lehrthätigkeit unseres Freundes auf den Fortschritt der Wissenschaft geübt hat. Für Magnus sind übrigens diese Colloquien eine Quelle der reinsten Freude gewesen. Er fühlte sich wohlthuend berührt von dem erfrischenden Hauche, welcher ihn aas dem Verkehr mit strebsamen jungen Männern anwehte; aber auch der wissenschaftliche Gewinn, den ihm seine physikalischen Abende brachten, darf nicht gering angeschlagen werden. Im Anfange des Semesters wurden die Rollen vertheilt; ein jedes der Mitglieder übernahm es, über einen Theil der neuen Erscheinungen auf dem Gebiete der Physik ein Referat zu liefern, in welchem sich die neuen Erfahrungen an das bereits Bekannte anlehnten. Für diesen Zweck besorgte Magnus mit grosser Sorgfalt die nöthige Literatur, und da der ganze Charakter der Vereinigungen Unwissenheit und ün- fleiss ausschloss, so war mit einiger Sicherheit darauf zu rechnen, dass, nach mehrwöchentlicher Vorbereitung', in der zum Vortrage anberaumten Sitzung eine werthvoUe Arbeit zum Vorschein kam. An den Vortrag reihte sich alsdann eine vollkommen ungezwungene, belebte Discussion, an der sich auch die Schüchternsten oft und gern betheiligten. Magnus pflegte zu sagen, dass er aus den Colloquien min- destens eben so viel lerne, wie seine jungen Freunde. Daher denn sein nie müde werdendes Interesse an diesen physikalischen Vereini- gungen. Am Dienstag Abend war er für jeden NichtcoUoquenten vollkommen unzugänglich; ich glaube nicht, dass er im Laufe eines Vierteljahrhunderts das CoUoquium mehr als ein halbes Dutzend mal ausgesetzt hat.

Dass Magnus neben seinen experimentalen Stadien, neben seinen unausgesetzten Vorlesungen und Colloquien auch noch gleichzeitig eine grossartige Wirksamkeit als Leiter eines chemischen und physikalischen Laboratoriums ausüben konnte, bezeugt auf's neue die unerschöpfliche Arbeitskraft des Mannes, aber auch die stramme Oekonomie, mit welcher er seine Zeit einzutheilen wusste. Zwar war es kein aus- gedehntes Laboratorium, dem er vorstand, zwar waren es niemals Viele, die gleichzeitig unter seiner Führung arbeiteten, aber nichtsdesto- weniger häuften sich eigenthümliche Schwierigkeiten, unter denen er diese Aufgabe zu lösen hatte. Wie in allen andern, so war er auch in dieser Phase seiner akademischen Laufbahn fast ausschliesslich auf eigene Mittel angewiesen. Die ihm zur Verfügung stehenden Räume waren verhältnissmässig beschränkt, und da sie für die Zwecke, denen sie dienen mussten, nicht ursprünglich bestimmt gewesen, auch in an- derer Beziehung ganz unzureichend. Bedenkt man ferner, dass die meisten seiner Laboranten mit Experimentaluntersuchungen beschäf- tigt waren, bei deren Ausführung sie jeden Augenblick in der Er- fahrung des Lehrers Rath und Hülfe zu suchten hatten, end-

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lieh, dass die Fragen, deren Losung sie anstrebten, wiederum, wie Magnus' eigene Forschungen, den verschiedensten Gebieten der Chemie und Physik angehörten, so sind wir erstaunt, wie der vielbeschäftigte Mann auch diesen Anforderungen nach allen Rich- tungen Genüge leistete. Die Zahl der aus seinem Laboratorium her- vorgegangenen Originalabhandlungen beläuft sich auf nicht weniger als 77 , von denen 29 der früheren Periode angehören, in welcher er kaum mehr als zwei oder drei Schüler gleichzeitig aufzuneh- men im Stande war; während 48 in den letzten sieben Jahren ent- standen sind , seit sich die äusseren ihm zu Gebote stehenden Mittel durch die Begründung des physikalischen Laboratoriums wesentlich erweitert hatten*).

Unter diesen letzteren möge es genügen, auf die schönen kry- stallographisch- optischen Forschungen von Groth, auf die zahlreichen und wichtigen akustischen Arbeiten von Kundt und von Warburg, auf die verschiedenen chemischen Abhandlungen von Schultz-Sellack hinzuweisen. Von den aus früherer Zeit stammenden Untersuchungen finden wir werthvolle chemische Arbeiten von Beetz über Kobaltver- bindungen, von Rüdorf über Gefrieren und über Kältemischungen, von R. Schneider über Wismuth Verbindungen und über das Atomge- wicht des Wismuths , von Unger über das Xanthin, von Vögel i über die Phosphorsäure -Aether, von R. Weber über Aluminium Ver- bindungen und Wärmeentwicklung bei Molecularveränderungen, end- lich die wichtigen Versuche von Wiedemann über den Harnstoff, welche bekanntlich zur Entdeckung des Biurets geführt haben. Auch verschiedene ausgezeichnete physikalische Untersuchungen, so die von Tyndall über Diamagnetismus und über die Polarität des Wismuths, so die von Wüllner über die Spannung der Dämpfe aus Salzlösun- gen, gehören dieser früheren Periode an. Unter den Arbeiten der frühe- sten Zeit begegnen wir auch einer Untersuchung des berühmten Natur- forschers, welchem die ehrenvolle Aufgabe zu Theil geworden ist, uns Gustav Magnus an der hiesigen Hochschule zu ersetzen. Die ersten Untersuchungen von Hermann Helm hol tz, die Versuche über Fäulniss, sind in dem Laboratorium seines Vorgängers ausgeführt worden.

Wenn wir die grossartige akademische Wirksamkeit des Mannes überblicken, wie sie uns aus den gegebenen Andeutungen, obwohl immer nur sehr unvollkommen entgegentritt, so werden wir uns stets erinnern,

*) Die Herren Professoren R. Weber und A. Kundt, beide früher während meh- rerer Jahre Assistenten bei Magnus, haben die Güte gehabt, Verzeichnisse anf- zusl eilen, ersteter von den der früheren Periode angehörenden, letzterer von den im physiicalischen Laboratorium ausgeführten Arbeiten. Diese Verzeichnisse, für welche ich den genannten Herren zu bestem Danke verpflichtet bin, sind am Schlüsse an- tjefUgt.

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wie vielen Dank ihm unsere Universität schuldet. Die Berliner Hoch- schule hat sich des seltenen Glückes erfreut, dass in ihrem Schoosse zwei Kork'phäen der Wissenschaft wie Magnus und Dove, wäh- rend eines mehr als ein Menschenalter umfassenden Zeitraumes, an der Spitze der physikalischen Studien gestanden haben, während gleich- zeitig in den angrenzenden Wissenschaften nicht minder hervorragende Gelehrte wirkten, wie Mitscherlich, Heinrich und Gustav Rose auf deui Felde der Chemie, wie Dirichlet, Jacobi und später Kummer, Weierstrass und Kronecker auf mathematischem Ge- biete. Kein Wunder, dass sich unter den Auspicien von Magnus und Dove, denen solche Kräfte gesellt waren, in Berlin schon seit Decennien eine blühende Pflanzschule der Physik entfaltet hat, deren Jünger bereits über alle Theile Europas verbreitet sind.

Dass einem Leben, welches seine höchste Befriedigung im Dienste der Wissenschaft fand, der Dank der Wissenschaft nicht vorenthalten blieb, braucht kaum gesagt zu werden. Die Akademien und gelehrten Gesellschaften Deutschlands sowohl als des Auslands wetteiferten, Magnus unter ihre Ehrenmitglieder aufzunehmen. Am 30. April 1863 wurde er zum auswärtigen Mitgliede der Boyal Society, am 13. Juni 1864 zum Correspondenten der französischen Akademie der Wissenschaften erwählt. Auch Ehrenbezeugungen anderer Art haben ihm nicht gefehlt; mit Titeln und Orden ist er reichlich bedacht wor- den. Deutsche Fürsten, die als Jünglinge seine Schüler waren, ha- l)en sich als Männer geehrt, indem sie ihn mit Auszeichnungen über- häuften. In Erz und Marmor sind seine Züge verewigt worden. Schon prangt sein Bildniss neben denen Liebig 's, Bunsen's, Dove's in der Festhalle des neuen rheinischen Polytechnicums, wel- ches an der westlichen Marke unseres Vaterlandes noch in diesen Tagen erst vollendet worden ist, und ehe viele Monate vergehen, wer- den wir seine Marmorbüste in der Aula der Hochschule aufstellen, der er so viele Jahre hindurch seine besten Kräfte gewidmet hat.

Werfen wir noch einen Abschiedsblick auf das schöne Leben, dessen Bild sich vor unsern Augen entrollt hati Angesichts der grossen Erfolge, welche die Arbeiten des Gelehrten krönten, theilen wir Alle

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die frohe Ueberzeugung, dass der Name Gustav Magnus unter denen der hervorragenden Forscher unseres Jahrhunderts in dem Buche der Geschichte für alle Zeiten verzeichnet ist. Aber wenn wir mit gerechtem Stolze auf die glänzende wissenschaftliche Laufbahn unseres heimgegangenen Vereinsgenossen zurückschauen, so wollen wir uns doch stets auch des bescheideneren, aber wahrlich nicht minder be- neidenswerthen Ruhmes erinnern , welchen ihm die Tugenden des Mannes in so reichem Maasse erwarben, dass sein Andenken wie ein theures Kleinod von Schülern und Freunden in dankbarem Herzen bewahrt wird.

Wissenschaftliche Untersuchungen aus Magnus' Privat- Laboratorium.

"^ Beetz, Ceber UmwandluDg von Talg in Stearin. Pogg. Ann. LIX. 111. (1843). üeber Kobaltverbindungen. Pogg. Ann. LXI. 472. (1844). Brnnner, Pichte des Eises. Pogg. Ann. LXIV. 113. (1845).

Ueber Cohäsion der Flüssigkeiten. Pogg. Ann. LXX. 481. (1847). Eichhorn, Ueber das Fett der KartoflFel. Pogg. Ann. LXXXVII. 227.

(1852). Helmholtz, Ueber Fäulniss. J. Pr. Chem. XXXI. 420. (1844). Hensser, KrvstallocTaphische Untersuchung der Salze der Citronensäure. Pogg. "Ann. LXXXVIII. 121. (1853). Dispersion der optischen Axen in monoklinometrischen Kristallen. Pogg. Ann. XCI. 497. (1854). Hochstetter, üeber Bleiweissbildung. J. Pr. Chem. XXVI, 338. (1842).

Ueber verschiedene Erscheinungen bei der Darstellung des Znckers. J. Pr. Chem. XXIX. 1. (1843). RUdorf, Ueber das Gefrieren von Salzlösungen. Pogg. Ann. CXIV. 63. (1861). Pogg. Ann. CXVI. 55. (1862). Ueber Kältemischungen aus Schnee und Salzen. Pogg. Ann. CXXII. 337. (1864). R. Schneider, Aeqiiivalent des Wismuths. Pogg, Ann. LXXXII. 303. (1851). Ueber Wismutho.xydul. Pogg. Ann. LXXXVIII. 45. (1853). Ueber Kupferwismnthglanz. Pogg. Ann. XC. 166. (1853). Ueber Schwefelwismuth. Pogg. Ann. XCI. 404. (1854). Tyndall, Diamagnetismus. Pogg. Ann. LXXXIII, 384. (1851).

Polarität des Wismuths. Pogg. Ann. LXXXVII. 189. (1852). Unger, Ueber Xanthin. Pogg. Ann, LXII. 158. (1844) n. LXV. 222.

(1845). Vögeli, Verbindungen von Phosphorsänre und Aether. Pogg- Ann. LXXV.

282. (1848). R. Weber, üeber Jodaluminjpm. Pogg. Ann. GL 465. (1857),

üeber Brom- und Chloraluminium. Pogg. Ann. CHI. 259. (1857). Ueber Wärmeentwicklung bei Molecnlarveränderungen des Schwefels und

des Qnecksilberjodids. Pogg. Ann. C. 127. (1857). Ueber Verbindungen des Chloraluminiums mit Chlorschwefel und Chlor- selen. Pogg. Ann. CIV. 421. (1858), Wiedemann, Ueber Harnstoff. Pogg. Ann. LXXIV. 67. (1848). NVüllner, Ueber die Spannung der Dämpfe aus Salzlösungen. Pogg. Ann. CHI. 529. (1858) und Pogg. Ann. CV. 86. (1858).

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Wissenschaftliche Untersuchungeu aus dem physikalischen Laboratorium.

Avenarius, die Thermoelektricität ihrem Ursprung nach als identisch mit der

Contactelektricität betrachtet. Pogg. Ann. CXIX. 406 u. 637. (1863).

Buliginsky, Untersuchungen über die Capillarität einiger Salzlösungen bei

verschiedenen Concentrationen. Pogg. Ann. CXXXIV. 440. (1868.) Deite, Qua vi sit temperatura in luminis polarisati planitie liquoribita rotatu.

Dissertatio. Vratislaviae. (1864). V. Eccher, Ueber die Benutzung des Eisenchlorids zu galvanischen Säulen.

Pogg. Ann. CXXIX. 93. (1866). Feussner, Absorption des Lichtes bei veränderter Temperatur. Berlin. Mo-

natsb. 1865. 144. Glan, Ueber die absoluten Phasenänderungen dnrch Reflexion, Dissertation. Jan. 1870. Ueber die Absorption des Lichtes. Pogg. Ann. CXIXXXL 59. (1870). Groth, Beiträge zur Kenntniss der Überchlorsauren und übermangansauren Salze. Pogg. Ann. CXXXIIL 193. (1868). Krystallographisch-optische Untersuchungen. Pogg. Ann. CXXXV. 647.

(1868). Isodimorphie der arsenigen und antimonigen Säure. Pogg. Ann. CXXXVII.

414. (1869). «

Ueber Krystallform und Circularpolarisation und über den Zusammenhang beider beim Quarz und Überjodsauren Natron. Pogg. Ann. CXXXVIL 433. (1869). Ueber den krystallisirten Kainit von Stassfurt. Pogg. Ann. CXXXVII.

442. (1869). Ueber das schwefeis. Amarin. Ann. Chem. Pharm. CLIl, 122. 1869. Ueber die Isomorphie der Verbindungen des Quecksilbers mit 2 At. Chlor,

Brom, Jod, Cyan. Berichte der Deutsch. Chem. Ges. 1869, 574.

Ueber den Topas einiger Zinnerzlagerstätten. Zeitschr. d. Deutsch. Geolog.

Ges. 1870, 381.

Ueber die Beziehung zwischen Krystallform und chemischer Constitution

bei einigen organischen Verbindungen. Pogg. Ann. CXLI. 31. (1870).

Kiessling, Ueber die Schallinterferenz der Stimmgabel. Pogg. Ann. CXXX.

177. (1867). Kundt, Ueber Depolarisation. Pogg. Ann. CXXIII. 385. (1864).

Doppelbrechung des Lichtes in tönenden Stäben. Pogg. Ann. CXXIII.

541. (1864). Besondere Art der Bewegung elastischer Körper auf tönenden Röhren und

Stäben. Pogg. Ann. CXXVI. 513.«>(1865). Neue Art akustischer Staubfiguren. Pogg. Ann. CXXVII. 497. (1866). Erzeugung von Klangfiguren in Orgelpfeifen und Wirkung tönender Luft- säulen auf Flammen. Pogg. Ann. CXXVIH. 337. (1866). Beobachtung der Schwingungsform tönender Platten durch Spiegelung.

Pogg. Ann. CXXVin. 610. (1866). Erzeugung von Tönen durch Flammen, Pogg. Ann. CXXVIII. 614.

(1866). Ueber die Schallgeschwindigkeit der Luft in Röhren. Pogg. Ann. CXXXV.

337. (1868). Ueber die Erzeugung stehender Schwingungen und Klangfiguren in ela- stischen und tropfbaren Flüssigkeiten durch feste tönende Platten. Berlin. Monatsb. 1868. 125. ^LJndig, Ueber die Abänderung der elektromotorischen Kraft durch die Wärme. Pogg. Ann. CXXIII. (1864).

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Ludtge, Ueb«r den Eioflass mechanischer Veränderungen auf die magnetische

Drehungsf&higkeit einiger SubsUnzen. Po gg. Ann. CXXXVH. 271.

(1869). Ueber die Ausbreitang der Flüssigkeiten auf einander. Po gg. Ann.

CXXXVII. 362. (1869). Ueber die Spannung flüssiger Lamellen. Po gg. Ann. CXXXIX. 620.

(1870). Overbeck, Ueber die sogenannte Magnetisiruugsconstante. Pogg. Ann.

CXXXV. 74. (1868). Schnltz-Sellack, Ueber die sauren und Ubersanren Salze der Schtrefelstture.

Pogg. Ann. CXXXIII. 137. (1868). Ueber den Durchgang der Elektricität durch verdünnte Luft. Pogg.

Ann. CXXXV, 249. (1868.) Ueber den Erstarrungspunkt der Bestandtheile flüssiger Mischungen.

Pogg. Ann. CXXXVII. 247. (1869). Ueber den Gefrierpunkt des Wassers aus wässerigen Gasauflösungen und

die Regelation. Pogg. Ann. CXXXVII. 252. (1869). Diathermansie einer Reihe von Stoffen für Wärme geringer Brechbarkeit.

Pogg. Ann. CXXXIX. IS.'. (1870). Ueber die Moditicationen des Schwefelsäureanhvdrids. Pogg. Ann. CXXXIX.

480. (1870). Ueber die Farbe des Jods. Pogg. Ann. CXL. 334. (1870). Ueber die Wärmewirkung an der Grenzfläche von Elektrolyten. Pogg.

Ami. CXLI. (1870.) Villari, Ueber die Aenderang des magnetischen Momentes, welche der Zug

und das Hindurchleiten eines galvanischen Stromes in einem Stab von

Stahl oder Eisen erzeugt. Pogg. Ann. CXXVI. 513. (1865). Warburg, Ueber den Kinfluss der Temperatur auf die Elektrolyse. Pogg.

Ann. CXXXV. 114. (1868). Ueber tönende Systeme. Pogg. Ann. CXXXVI. 89. (1869). Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in weichen Körpern. Pogg. Ann.

CXXXVI. 285. (1869). Ueber Erwärmung fester Körper durch das Tönen. Pogg. Ann. CXXXVII.

632. (1869). Ueber die Dämpfung der Töne fester Körper durch innere Widerstände.

Pogg. Ann. CXXXIX. 89. (1870). Ueber den Einfluss tönender Schwingungen auf den Magnetismus des

Eisens. Pogg. Anu. CXXXIX. 499. (1870.) Ueber den Ausfluss des Quecksilbers aus gläsemeu Capillarröhien. Pogg.

Ann. CXXXX. 367. (1870).

A. W. Schade'ä Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stollacbreiberstr 47.

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QD Hofbiann, August Wilhelm von 22 Zur Erinnerung an Gustav M3^6 Magnus

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